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Agentin in der BND-Zentrale: Gabriele Gast im westdeutschen Spionagezentrum
Agentin in der BND-Zentrale: Gabriele Gast im westdeutschen Spionagezentrum
Agentin in der BND-Zentrale: Gabriele Gast im westdeutschen Spionagezentrum
eBook251 Seiten2 Stunden

Agentin in der BND-Zentrale: Gabriele Gast im westdeutschen Spionagezentrum

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Über dieses E-Book

Gabriele Gast arbeitete fast zwei Jahrzehnte in der Zentrale des BND. Doch sie war nicht nur für den westdeutschen, sondern auch für den ostdeutschen Nachrichtendienst tätig - als eine der wichtigsten Quellen der Auslandsaufklärung der DDR. Sie tat das effektiv und erfolgreich. Dies wurde auch im harten Urteil deutlich, das man über sie verhängte: sechs Jahre und neun Monate Haft. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Klaus Eichner ein aufsehenerregendes Buch über die NSA und die Erkenntnisse, die man bereits lange vor Snowden in der DDR hatte: dass die US-Geheimdienste ihre Verbündeten ausspionierten. Nun schreibt Eichner über Gabriele Gast und ihre Arbeit während des Kalten Krieges.
SpracheDeutsch
Herausgeberedition ost
Erscheinungsdatum17. Aug. 2015
ISBN9783360510341
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    Buchvorschau

    Agentin in der BND-Zentrale - Klaus Eichner

    Das Buch

    Beim BND war Gabriele Gast »Dr. Leinfelder«, bei der HV A »Gisela«. Der Auslandsnachrichtendienst der DDR warb sie 1968 an, 1973 trat sie in die Dienste des Bundesnachrichtendienstes. Dort schaffte sie es bis zur Regierungsdirektorin, und sie hätte vielleicht noch nach dem Untergang der DDR dort gearbeitet, wenn ein Verräter aus den eigenen Reihen sie 1990 nicht ans Messer geliefert hätte. Die wichtigste Quelle der HV A in der BND-Zentrale wurde zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.

    Klaus Eichner hat aus Selbstzeugnissen, eigenen Erinnerungen und Dokumenten das Bild einer der erfolgreichsten und wichtigsten Kundschafterinnen der DDR gezeichnet, die – trotz aller bitteren Enttäuschungen – unverändert zu ihrer früheren Tätigkeit steht.

    Der Herausgeber

    Klaus Eichner, Jahrgang 1939, Mitarbeiter des MfS von 1957 bis 1990. Letzter Dienstgrad Oberst. Zunächst in der Spionageabwehr, danach in der Hauptverwaltung Aufklärung tätig. Seit 1974 Analytiker im Bereich IX/C der HV A, spezialisiert auf Geheimdienste der USA. Von 1987 bis zur Auflösung der HV A Leiter des Bereichs C (Auswertung und Analyse) der Abt. IX (Gegenspionage).

    Von Klaus Eichner erschienen in der edition ost u. a. »Headquarters Germany«, »Angriff und Abwehr«, »Konterspionage« (beide gemeinsam mit Gotthold Schramm), »Deckname Topas« (zusammen mit Karl Rehbaum). In seinem 2014 erschienenen Beststeller »Imperium ohne Rätsel. Was bereits die DDR-Aufklärung über die NSA wusste« setzte er sich mit der Spionagetätigkeit der USA gegen ihre Verbündeten auseinander.

    Impressum

    ISBN eBook 978-3-360-51034-1

    ISBN Print 978-3-360-01870-0

    © 2015 edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin

    Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin,

    unter Verwendung eines Fotos von Gabriele Gast, 1966

    Die Bücher der edition ost und des Verlags Das Neue Berlin erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

    www.edition-ost.de

    Klaus Eichner

    Agentin in der BND-Zentrale

    Gabriele Gast im westdeutschen Spionagezentrum

    Die glühende Kommunistin – die sie noch heute ist – tritt 1986 sogar in die SED ein.

    Verraten wurde die Agentin »Gisela« im September 1990 von einem frustrierten Stasi-Oberst, der sich sein Wissen vom ehemaligen Gegner versilbern ließ.

    Der Spiegel,

    22. März 1999

    Vorwort

    Von Werner Großmann*

    Die Arbeitsgruppe Aufklärer der Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH e. V.) legt mit diesem Buch den fünften Band einer Porträtreihe über Kundschafter der DDR vor.

    Darin wird die Kundschafterin des Friedens Gabriele Gast, die Quelle »Gisela« der HV A im BND, vorgestellt.

    Der Autor Klaus Eichner, langjähriger Analytiker der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS auf dem Gebiet der westlichen Geheimdienste, hat viele Jahre mit den Informationen der Quelle »Gisela« aus dem BND gearbeitet, ohne diese Quelle persönlich zu kennen. Dann erfuhr er 1990 durch die Medienberichte über die Enttarnung und Verurteilung der BND-Mitarbeiterin Dr. Gabriele Gast den Klarnamen jener Quelle, und kurz nach ihrer Haftentlassung lernten sie sich auch persönlich kennen. Es entwickelte sich eine langjährige, tiefe Freundschaft.

    Daraus leitet Klaus Eichner die Berechtigung, vor allem aber die Verpflichtung ab, die Arbeit von Gabriele Gast als Spitzenquelle des HV A im Bundesnachrichtendienst der interessierten Öffentlichkeit vorzustellen.

    Neben Dokumenten aus seinem persönlichen Archiv stützt sich Klaus Eichner in vielen Passagen auf die Erinnerungen, die Gabriele Gast 1999 unter dem Titel: »Kundschafterin des Friedens – 17 Jahre Topspionin der DDR beim BND« publizierte.

    Gabriele Gast gehörte zu den markanten Persönlichkeiten unter den Quellen der HV A, die im besten Sinne des Wortes »Mitarbeiter« der Aufklärung waren. Mit ihrem herausragenden Intellekt und ihrer konsequent kritischen Position bestimmte sie immer wieder das Profil und die Inhalte der Zusammenarbeit der DDR-Auslandsaufklärung mit der Quelle »Gisela« maßgeblich mit.

    Wie der bewusst gewählte Titel ihrer Erinnerungen aussagt, steht Gabriele Gast auch heute noch zu ihrer Zusammenarbeit mit der HV A und verteidigt ungebrochen diese Entscheidung in vielfältiger Form öffentlich.

    Besonders unter diesem Gesichtspunkt bedrückt und beschämt es aufs Neue zu lesen, welche Irritationen und Enttäuschungen sie in der Zusammenarbeit mit der HV A erleben musste. Vor allem mit ihrer Enttarnung, während des Prozesses und in der Haftzeit machte sie Erfahrungen, die wahrlich verzichtbar gewesen wären. Dazu zählt beispielsweise der Umstand, dass man ihr, als sie Mitglied der SED werden wollte, eine einjährige »Bewährungszeit« als Kandidatin abverlangte – nachdem sie bereits vierzehn Jahre erfolgreich in der BND-Zentrale für uns gearbeitet hatte. Es handelte sich nicht um Umwissen, als ihr mein Vorgänger in der Funktion des HV A-Chefs die Kandidatenkarte überreichte. Und ähnlich gedanken- und instinktlos ihr gegenüber verhielten sich später linke Politiker.

    Wir waren Gabriele Gast sehr dankbar, dass sie in ihrem Buch »Kundschafterin des Friedens« die Mitarbeiter der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, die für die Zusammenarbeit mit ihr verantwortlich waren, dadurch schützte, dass sie sie nicht mit Klarnamen nannte. Jetzt scheint uns aber die Zeit gekommen, zum besseren Verständnis ihrer Ausführungen einige dieser Tarnnamen zu dechiffrieren.

    Als Hans Fritsch firmiert in ihrem Buch der langjährige, verdienstvolle Leiter der Abteilung XV (Aufklärung) der BV Karl-Marx-Stadt, Oberst Egon Lorenz.

    Ihr regelmäßiger Begleiter bei Aufenthalten außerhalb der BRD, besonders in der DDR, Gotthard Schiefer, war der stellvertretende Leiter der Abteilung XV, Oberst Gotthard Schramm (nicht identisch mit dem gleichnamigen Autor und Herausgeber von etlichen Büchern über die Aufklärung der DDR).

    Ich hatte das Glück, durch meine Tätigkeit als Instrukteur der HV A für die Abteilung XV der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt des MfS die Kontaktierung, Werbung auf politischer Grundlage und schließlich die Einschleusung als Quelle in die Pullacher BND-Zentrale von Gabriele Gast miterleben und durch beratende Tätigkeit mitgestalten zu können. Bis 1984 behielt sich allerdings Markus Wolf die direkte Einflussnahme auf die Entwicklung des Vorgangs vor und nahm auch die Gelegenheit wahr, sich persönlich mit ihr in der DDR oder im Ausland zu treffen. Danach, insbesondere natürlich mit meinem Antritt als Leiter der HV A 1986, übernahm ich die volle Verantwortung auch für den Vorgang »Gisela« und die enge Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Leitern Egon Lorenz und Gotthard Schramm. Leider war es mir nicht vergönnt, Gabriele Gast noch während ihrer aktiven Tätigkeit persönlich zu treffen. Unsere erste Begegnung erfolgte erst, nachdem sie aus der Haft entlassen worden war.

    Entlassung aus dem BND, Verhaftung und nachfolgende Verurteilung zu sechs Jahren und neun Monaten Haft gingen auf den Verrat eines unserer ehemaligen Mitarbeiter zurück. Der vormalige stellvertretende Abteilungsleiter Karl-Christoph Großmann – trotz Namensgleichheit bin ich mit ihm nicht verwandt –, gab im Januar 1990 unter den Decknamen »Kardinal«, den ihm das Bundesamt für Verfassungsschutz gegeben hatte, die Klarnamen einiger unserer Spitzenquellen preis. In den Verfahren gegen unsere Genossen trat er als Belastungszeuge auf.

    Trotz dieser für sie folgenschweren verbrecherischen Tat eines Einzelnen aus unserem Hause rechne ich ihr hoch an, dass Gabriele Gast die engen Beziehungen zu den treuen Weg- und Kampfgefährten aufrechterhielt. Und das angesichts der schweren Jahre und großen psychischen Belastungen hinter Gittern, wie auch aus den nachfolgenden Texten erkennbar wird. Für ihre moralische Stärke und menschliche Souveränität spricht auch die Tatsache, dass sie ihren Verräter zur Rede stellte und ihn ihre ganze Verachtung spüren ließ. Nicht ihretwegen, sondern weil er mehrere Mitstreiter ans Messer geliefert und ins Unglück gestoßen hatte.

    Nachdem Gabriele Gast wieder frei war, engagierte sie sich ungebrochen weiter. Mit anderen streitet sie seither für die Rechte ehemaliger DDR-Kundschafter. Zu vielen einstigen hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS unterhält sie freundschaftliche Kontakte.

    Meine Frau und ich sind glücklich und dankbar, dass auch wir zu ihren Freunden gehören dürfen.

    * Generaloberst a. D. Werner Großmann war von 1986 bis 1989 Chef der Hauptverwaltung Aufklärung und Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit. Ein vom Generalbundesanwalt gegen ihn angestrengtes Verfahren wegen Agententätigkeit und Landesverrat musste 1995 eingestellt werden.

    Die hauptsächlichsten Aufgaben dieses Ministeriums werden sein, die volkseigenen Betriebe und Werke, das Verkehrswesen und die volkseigenen Güter vor Anschlägen verbrecherischer Elemente sowie gegen alle Angriffe zu schützen, einen entschiedenen Kampf gegen die Tätigkeit feindlicher Agenturen, Diversanten, Saboteure und Spione zu führen, unsere demokratische Entwicklung zu schützen und unserer demokratischen Friedenswirtschaft eine ungestörte Erfüllung der Wirtschaftspläne zu sichern.

    Innenminister Carl Steinhoff

    in der Volkskammer zur Begründung

    der Bildung des MfS, 8. Februar 1950

    Prolog

    Der BND im Visier der Spionageabwehr der DDR

    In der Spionageabwehr der DDR spielten von Anfang an offensive Maßnahmen gegen die Spionagetätigkeit der Organisation Gehlen (ORG) – ab 1956 offiziell Bundesnachrichtendienst – eine entscheidende Rolle.

    Diese Nachfolgeeinrichtung der faschistischen deutschen Geheimdienste (vor allem Fremde Heere Ost; Amt Ausland/Abwehr, Reichssicherheitshauptamt) stellten von Anbeginn eine akute Bedrohung der Sowjetunion und der volksdemokratischen Entwicklungen in Osteuropa dar, vor allem jener in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, aus der 1949 die DDR hervorging. Nicht zuletzt jedoch war diese Institution mit den dort untergetauchten Nazis ein Hindernis für eine auch in den Westzonen notwendige und mögliche antifaschistisch-demokratische Erneuerung. Bereits in einem ersten Überprüfungsbericht der US-Geheimdienste vom 29. Mai 1947, dem sogenannten Bossard-Bericht, hieß es, die Organisation Gehlen habe »in der Gründungsperiode um die 3.000 Leute von antisowjetischen Bewegungen in Zentraleuropa rekrutiert, die während des Krieges Deutschland unterstützt hatten«.

    Allerdings interessierte die Amerikaner im beginnenden Kalten Krieg die Herkunft ihrer potentiellen Verbündeten nicht. Alsbald lotete die CIA eine mögliche Kooperation mit der Organisationen Gehlen – vom amerikanischen Auslandsachrichtendienst unter dem Namen »Rusty« geführt – mit der Maßgabe aus, den Nazispionage- und Spitzelverein unter seine Fittiche zu nehmen. Am 17. Dezember 1947 berichtete der Verbindungsoffizier der CIA in Pullach, James Critchfield, über seine Kontaktaufnahme zur Organisation Gehlen. Dabei hob er hervor, dass »Rusty« gegenwärtig 600 Agenten in Ostdeutschland führe. Critchfield zeigte sich in seinem Bericht an die Vorgesetzten beeindruckt von Gehlen und dem Spionagepotential seiner Organisation, von deren Engagement für die USA und die westeuropäisch-atlantische Einheit. Ehemalige SS-Leute wollte er nicht gesehen haben.

    Am 1. Juli 1949 nahm die CIA offiziell die Organisation Gehlen in ihre Obhut. In der größten Villa des weiträumigen Pullacher Komplexes (vormals »Reichssiedlung Rudolf Heß«), dem »Bormann-Haus«, richtete sich ein CIA-Stab ein. Er sollte jahrelang alles beaufsichtigen – was nur bedingt gelang. Gehlen ließ sich nicht immer in die Karten schauen. Das war der Beginn einer spannungsreichen Geschichte zweier Partnerdienste, der, wie wir erst jüngst wieder erfuhren, bis in die Gegenwart reicht: Der BND spioniert gemeinsam mit US-Diensten seine deutschen Landsleute, Politiker und Wirtschaftsunternehmen aus.

    Inzwischen zugängliche CIA-Akten aus den 40er Jahren zwangen dazu, die Schätzungen, wie viele ehemalige aktive und belastete Nazis in der Organisation Gehlen arbeiteten, deutlich nach oben zu korrigieren. Es waren erheblich mehr, als bis dahin angenommen: Im Sommer 1949 kamen etwa 400 (der 4.000 Mitarbeiter) in der Organisation Gehlen aus der SS, dem SD oder der Gestapo. Die Schutzbehauptung, die Amerikaner hätten darauf geachtet, dass keine belasteten Nazis von der Organisation Gehlen beschäftigt worden wären, ist also nachweislich eine Lüge. Diese Leute machten somit dort bruchlos weiter, wo sie 1945 mit der Zerschlagung des Nazireiches durch die Antihitlerkoalition kurzzeitig hatten aufhören müssen. Es ging wie gewohnt weiter gegen die traditionellen Feinde: Kommunisten, Sozialisten, radikale Demokraten und Antifaschisten. Die Anstrengungen nahmen zu, als sich – als Reaktion auf die Gründung einer separaten westdeutschen Bundesrepublik – in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Demokratische Republik konstituierte. Nicht nur, dass Terror- und Sabotageorganisationen aktiv wurden. In den neuen Strukturen wurde auch Personal eingeschleust oder angeworben, um die antifaschistisch-demokratische, später sozialistische Entwicklung auszuspionieren und zu verhindern.

    Das zwang zu Reaktionen.

    Aus der Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) war das Ministerium des Innern (MdI) geworden, dessen Leitung Carl Steinhoff, bis dahin Ministerpräsident des Landes Brandenburg, übernahm. In diesem MdI existierte eine Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft. Aufgrund der Zunahme der Attacken wurde entschieden, aus dieser Hauptverwaltung ein eigenständiges Schutz- und Sicherheitsorgan zu formieren. Auf der 10. Sitzung der Provisorischen Volkskammer – die DDR glaubte noch nicht an die Endgültigkeit der deutschen Teilung – erklärte Minister Steinhoff: »Die hauptsächlichsten Aufgaben dieses Ministeriums werden sein, die volkseigenen Betriebe und Werke, das Verkehrswesen und die volkseigenen Güter vor Anschlägen verbrecherischer Elemente sowie gegen alle Angriffe zu schützen, einen entschiedenen Kampf gegen die Tätigkeit feindlicher Agenturen, Diversanten, Saboteure und Spione zu führen, unsere demokratische Entwicklung zu schützen und unserer demokratischen Friedenswirtschaft eine ungestörte Erfüllung der Wirtschaftspläne zu sichern. Zur Durchführung dieser Aufgaben bildet das Ministerium in den Ländern Verwaltungen für Staatssicherheit, die dem Ministerium unmittelbar unterstellt sein werden.«

    Das von Steinhoff, dem ehemaligen Sozialdemokraten eingebrachte und von ihm begründete Gesetz wurde am 8. Februar 1950 vom Parlament verabschiedet, Wilhelm Zaisser zum Minister für Staatssicherheit berufen.

    Vierzehn Tage zuvor, am 26. Januar 1950, hatten der Vorsitzende der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle und die Chefs der Hauptverwaltungen »Kriminalpolizei« und »Schutz der Volkswirtschaft« im Innenministerium über die »Tätigkeit feindlicher Elemente auf dem Gebiet der DDR« dem Ministerrat berichtet. Die DDR-Regierung schloss daraus, dass sich »die Tätigkeit der Agenten, Spione und Saboteure verschärft« habe. Es gab organisierte Brandstiftungen und andere Sabotagehandlungen, Sprengstoffanschläge in volkseigenen Betrieben und Werken, auf volkseigenen Gütern und auf Neubauernhöfen sowie im Bereich des Verkehrs. »In dem Maße, wie der Feind feststellt, dass er die demokratischen Errungenschaften nicht mehr rückgängig machen kann, konzentriert er seine ganze Kraft, um durch Sabotage, Brandstiftung usw. die Durchführung des Wirtschaftsplanes und der sonstigen demokratischen Maßnahmen zu stören«, hieß es von Regierungsseite.

    In den Anfangsjahren erzielten die gegnerischen Dienste einige Einbrüche in der DDR.

    So konnte die Organisation Gehlen die Sekretärin und spätere Referentin im Büro von Ministerpräsident Otto Grotewohl, Elli Barczatis (»Deckname »Gänseblümchen«) anwerben. Auf sie war ein »Romeo«, der Journalist und Dolmetscher Dr. Karl Laurenz, angesetzt worden. 1955 wurden Barczatis und Laurenz durch die Spionageabwehr der DDR enttarnt, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Unter dem Decknamen »Helwig« führte die Organisation Gehlen auch den Stellvertreter des Ministerpräsidenten der DDR, Dr. Hermann Kastner, einige Jahre als Quelle. Kastner war zeitweilig auch Parteivorsitzender der LDPD. Ihm gelang 1956, gemeinsam mit seiner Frau, die aktiv in die Spionagetätigkeit einbezogen war, die Flucht in die Bundesrepublik. Kastner spielte in den deutschlandpolitischen Planungen des sowjetischen Innenministers Berija eine wichtige Rolle.

    1953 begann die Spionageabwehr des MfS der DDR eine Serie sogenannter »konzentrierter Schläge« gegen die Agentennetze der Organisation Gehlen und der Dienststellen amerikanischer, englischer und französischer Geheimdienste auf dem Territorium der Bundesrepublik und Westberlins. Im Oktober/November 1953 erfolgte die Aktion »Feuerwerk« speziell gegen die Berliner Filiale X 9592 der Organisation Gehlen. Der stellvertretende Leiter dieser Filiale, Hans-Joachim Geyer, war seit Januar 1953 unter dem Decknamen »Grell« inoffiziell für das MfS tätig und konnte im Prinzip alle wichtigen Unterlagen über das Agentennetz dieser Filiale beschaffen. Es kam schlagartig zu 108 Verhaftungen.

    Am 21. Dezember 1953 verurteilte das Oberste Gericht der DDR sieben Mitarbeiter und Agenten der Organisation Gehlen. Hauptangeklagter war der ehemalige Major der faschistischen Wehrmacht und spätere Leiter der Filiale 120a der Organisation Gehlen, Werner Haase. Dieser war in der Nacht vom 13. zum 14. November 1953 von einem Einsatzkommando des MfS in flagranti verhaftet worden.

    Im Sommer 1954 folgte die Aktion »Pfeil«. In deren Verlauf kam es zu über 500 Verhaftungen, davon wurden 277 Personen als Agenten der Organisation Gehlen identifiziert, 176 als Agenten amerikanischer Geheimdienste und 94 als Agenten des französischen Nachrichtendienstes eingeordnet. Unter den Verhafteten befanden sich einige Agenten in verantwortlichen Positionen des Staatsapparates und der Wirtschaft der DDR, so ein Abteilungsleiter im Ministerium für Schwerindustrie, der Leiter der Kontrollabteilung des Ministeriums für Landwirtschaft, ein Direktor der Wasserstraßendirektion und mehrere leitende Angestellte der Reichsbahn.

    Im November 1954 erfolgte die dritte Großaktion unter dem Operationsnamen »Blitz«, die sich gegen Agentenorganisationen wie die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU), den Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen (UfJ), die Ostbüros der Parteien und des DGB, aber auch gegen Dienststellen der Organisation Gehlen und den Friedrich-Wilhelm-Heinz-Dienst des Amtes Blank richteten. Insgesamt kam es im Rahmen dieser Aktion und bei Folgeoperation unter der Deckbezeichnung »Frühling« zu 521 Festnahmen.

    Bis Ende 1955 wurden insgesamt über tausend Agenten identifiziert und ausgeschaltet.

    Gehlen bewertet diese Entwicklung in seinen Memoiren so: »Die ursprünglich bereits für die Jahre 1952/53 erwogene Übernahme der Organisation in die Hoheit des Bundes hatte sich […] nicht verwirklichen lassen. Die Angriffe aus dem Osten sowie die

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