Jetzt reden wir: Was heute aus der DDR-Wirtschaft zu lernen ist
Von Edition Berolina
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Über dieses E-Book
Diese Anthologie rückt die wirklichen Verhältnisse in den Fokus. Wirtschaftstheoretiker wie Christa Luft und Klaus Blessing und Wirtschaftspraktiker - dazu gehören die in diesem Buch versammelten Kombinatsdirektoren, in deren Verantwortungen ehedem zehntausende Beschäftigte arbeiteten - berichten aus ihren Erfahrungen und zeigen die Realität in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.
Sie melden nicht nur begründete Zweifel an der grassierenden Kollaps-These an, sondern schildern auch mit viel Sachverstand, was auch heute noch aus diesem reichen Erfahrungsschatz zu lernen ist.
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Buchvorschau
Jetzt reden wir - Edition Berolina
SONDERAUSGABE
Exklusiv für unsere Leser
Tel.: 01805/30 99 99
(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 €/Min.)
www.buchredaktion.de
Die Kombinatsdirektoren
Jetzt reden wir!
Was heute aus der DDR-Wirtschaft zu
lernen ist
Herausgegeben von Rohnstock Biografien
Die in diesem Buch versammelten Texte sind zusammengetragen aus mündlichen Beiträgen der Protagonisten auf der Tagung »Krise und Utopie. Was heute aus der DDR-Planwirtschaft für ein zukünftiges Wirtschaften gelernt werden kann«. Veranstaltet wurde die Tagung vom Verein zur Förderung lebensgeschichtlichern erinnerns und biografischen Erzählens – unterstützt von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Firma Rohnstock Biografien. Die Beiträge von Christa Luft und Jörg Roesler wurden für dieses Buch geschrieben. Die mündlichen Texte aufgeschrieben, alle Materialien zusammengestellt und bearbeitet hat Bettina Kurzek.
www.rohnstock-biografien.de
eISBN 978-386789-816-4
1. Auflage dieser Sonderausgabe
Alexanderstraße 1
10178 Berlin
Tel. 01805/30 99 99
FAX 01805/35 35 42
(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 €/Min.)
© 2013 by BEBUG mbH/Edition Berolina, Berlin
Umschlaggestaltung: Jana Krumbholz, ACDM
Fotos: Sebastian Bertram, Rohnstock Biografien
www.buchredaktion.de
Inhalt
Vorwort
DDR-Wirtschaft – Marode und bankrott? Ihre Kapitäne Versager?
Prolog
»Wer will was aus unserer jüngsten Geschichte lernen?«
Der Plan und das Kombinat – Potenziale und Grenzen
Kombinate – Moderne Wirtschaftseinheiten oder formale Gebilde?
Der Versuch war nicht umsonst
Das eigentliche Wirtschaftswunder
Vom Konkurs in die Gewinnzone
Waren die Leiter der volkseigenen Betriebe wirkliche Unternehmer?
Forschung und Planwirtschaft – Zwischen Innovation und Improvisation
Innovation und Improvisation in der DDR-Industrie
Kreatives Potenzial in der Forschung nicht ausgeschöpft
Handel – Zwischen Wettbewerb und Kooperation
Außenwirtschaftliche Aufgaben und Zwänge – Der mustergültige Vorgang »DDR – VW AG«
Energiewirtschaft unter dem Vorzeichen der Abhängigkeit
Der Handel mit der SU – Nicht nur ein außenwirtschaftliches Thema
Von der Wiege bis zur Bahre – Das Kombinat als soziale Einheit
»Aber eins, aber eins, das bleibt bestehen – die Schwarze Pumpe wird nie untergehen!«
Kollektiv und Kommune – Verantwortung über das Kombinat hinaus
Epilog
»Was wir von den ›Verlierern‹ lernen können!«
Nachwort
Anhang
DDR-Kombinatsdirektoren – Eine Bestandsaufnahme
Kompendium – Ausgewählte Institutionen und Kombinate im Überblick
Vorwort
Christa Luft
DDR-Wirtschaft – Marode und bankrott? Ihre Kapitäne Versager?
Die Urteile über die Wirtschaft der verblichenen DDR gehen nach wie vor weit auseinander. Die einen haben noch die zu Zeiten Walter Ulbrichts aus Prestigegründen in Umlauf gesetzte These im Ohr, die DDR belege, gemessen am absoluten Produktionsumfang, Rang 10 unter den Industriestaaten der Welt. Tatsächlich war die in Mengeneinheiten erfasste Produktion im internationalen Vergleich beachtlich. Nur war damit nichts über den Arbeitsaufwand, mithin über Produktivität und Konkurrenzfähigkeit gesagt.
Für andere glich der zweite deutsche Staat mit seiner volkseigenen Wirtschaft einem Schrotthaufen und Bankrotteur. Diese Schmähthese soll dazu dienen, die überstürzte D-Mark-Übertragung auf die DDR wie auch das zerstörerische Treiben der Treuhandanstalt (THA) als alternativlos zu rechtfertigen und die ostdeutsche Bevölkerung demütig zu machen. Die über zweihundertfünfzig Milliarden D-Mark von der Privatisierungsbehörde hinterlassenen Schulden müssen bis heute als Indiz für eine geerbte »verrottete« Substanz herhalten.
Beide Sichtweisen werden vor der Geschichte keinen Bestand haben. Sie widerspiegeln die Realität verzerrt. Faktum ist, dass die DDR ein hochindustrialisiertes Land mit moderner Landwirtschaft und weltweiten Außenhandelsbeziehungen war. Viele Erzeugnisse »made in GDR« waren in weiten Teilen der Welt bekannt und begehrt. Sie zeugten von der hohen Qualifikation der Facharbeiter und Ingenieure. Die größten Ex- und Importpartner waren die Sowjetunion und die Bundesrepublik Deutschland. Bis zum Ende ihrer Existenz belegte die DDR unter den Mitgliedsländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in der Wirtschaftsleistung pro Kopf den ersten Rang. In Wissenschaft und Technik nahm sie einen Spitzenplatz ein. Das traf auch auf den Lebensstandard der Bevölkerung zu. Mit vielen entwickelten westlichen Ländern konnte sie sich ebenfalls messen.
Im stets naheliegenden Vergleich mit der angrenzenden Bundesrepublik erwies sich die Produktivität der DDR-Wirtschaft als Achillesferse. Bereits in den ersten fünfzehn Nachkriegsjahren war gegenüber dem vom Marshall-Plan begünstigten Nachbarn ein Rückstand eingetreten, der bis zuletzt nicht aufgeholt werden konnte. Neben systemeigenen Ursachen waren dafür äußere Erschwernisse maßgebend, so die umfangreichen Reparationsleistungen an die UdSSR in Form von Demontagen und Entnahmen aus der laufenden Produktion, die Embargomaßnahmen kapitalistischer Länder, der Verbund mit wirtschaftlich sowie technologisch zumeist weniger entwickelten sozialistischen Ländern und ebenso die offene Grenze zum Westen und die damit einhergehende Abwanderung gut ausgebildeter Männer und Frauen.
Ende der 1980er Jahre hatte sich die ökonomische Lage der DDR zugespitzt. Erich Honeckers Kurs der »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«, eine an sich wünschenswerte und auf die beschleunigte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen gerichtete Linie, war durch die reale Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht gedeckt. Das ökonomische Wachstum schwächte sich gemessen an vorangegangenen Zeiträumen ab, die Akkumulation ging stark zurück. Die knappen Investitionsmittel wurden auf ausgewählte Zweige (Mikroelektronik, Veredelungschemie, Erdöl- und Erdgaschemie) konzentriert. Das ging zu Lasten vor allem der verarbeitenden Industrie. Es kam zwar auch dort noch in den 1980er Jahren zum Import hochmoderner Anlagen und Ausrüstungen aus westlichen Ländern, aber die Alterung des Kapitalstocks konnte damit nicht nachhaltig gebremst werden. In Infrastruktur und Umweltschutz stauten sich die Rückstände. Die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des gehobenen Bedarfs stockte. Der Kaufkraftüberhang stieg. Die Auslandsverschuldung in konvertierbarer Währung schwoll an und war drückend. Immer größere Anteile des Inlandsprodukts mussten für die Devisenerwirtschaftung aufgewendet werden, nur um den Schuldendienst zu leisten. Längst stand eine grundlegende Reformierung der Wirtschaft an.
Aber war die DDR pleite? Nein! Bankrott ist ein Staat, wenn er seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann und international als nicht mehr kreditwürdig gilt. Beides traf Ende 1989 nicht zu. Das sah auch der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl so. Der oberste westdeutsche Banker reduzierte den Zustand der DDR nie auf den Begriff »pleite«. Ob der Insolvenzfall bei unveränderter Politik in zwei, drei oder vier Jahren eingetreten wäre, ist Spekulation. Woher aber stammt die von Politikern der BRD ab Anfang Februar 1990 verbreitete Alarmmeldung, die DDR sei illiquid?
Welche Ironie! Als »Kronzeugen« gelten bis heute der langjährige Vorsitzende der Staatlichen Plankommission (SPK), Gerhard Schürer, und der Chef des Außenhandelsbereiches »Kommerzielle Koordinierung« (KoKo), Alexander Schalck-Golodkowski. Die beiden sowie weitere hochrangige Staatsfunktionäre verantworteten eine »Geheime Verschlusssache« zur »Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen«. In Auftrag gegeben hatte diese am 24. Oktober 1989 Egon Krenz, der nach Erich Honeckers Sturz frisch das Amt des SED-Generalsekretärs angetreten hatte. Die Autoren gingen von einer unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit ihres Staates aus. Für Ende 1989 erwarteten sie Bruttoschulden in konvertierbarer Währung in Höhe von 49 Milliarden Valutamark respektive D-Mark.
Daran hätte die Volkswirtschaft tatsächlich ersticken können, weniger wegen der nominalen Höhe der Verbindlichkeiten, sondern weil die Mittel für den Schuldendienst mit immer höherem Inlandsaufwand in Fremdwährung erwirtschaftet werden mussten. In den 1980er Jahren »kostete« eine beim Export erlöste D-Mark im Schnitt 4,40 Mark der DDR. Das schmälerte zunehmend die inländische Verwendung des erzeugten Produkts. Es zeigte sich indes bald, dass die Westverschuldung in der Analyse überhöht angegeben war. Doch die Panikziffer war in der Welt. Unter Schützenhilfe der Regierung Kohl wurde sie von den marktwirtschaftlichen »Machern« der alten Bundesrepublik sofort aufgegriffen und als Hebel für die Durchsetzung eigener Interessen genutzt. Bis heute werden genüsslich Verschuldungszahlen aus dem sogenannten »Schürer-Papier« kolportiert, obwohl diese mehrmals öffentlich korrigiert wurden. Schürer selbst hatte bereits Ende November 1989 die Volkskammer der DDR darüber informiert, dass die Westverschuldung der DDR brutto nicht 49 Milliarden D-Mark betrage, wie im Geheimpapier genannt, sondern 38 Milliarden D-Mark. Unter dem Druck der politischen Ereignisse hatte der Bereich »Kommerzielle Koordinierung« schließlich seine bis dahin streng geheim gehaltenen, außerhalb der offiziellen Zahlungsbilanz geführten Devisenreserven zu einem Teil offengelegt. Transparent waren sie zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht. Am 11. Mai 1990 gab der Finanzminister der Regierung de Maizière – der von mir sehr geschätzte Walter Romberg – vor dem Parlament bekannt, dass die Auslandsverschuldung gegenüber westlichen Ländern per 31. März 1990 in D-Mark umgerechnet 27,2 Milliarden betrug. Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Juli 1990 wurden die zu diesem Termin erfassten Verpflichtungen in konvertierbaren Devisen mit 24,7 Milliarden D-Mark angegeben. Die Lage blieb angespannt, hatte sich aber entdramatisiert. Schließlich wies die Deutsche Bundesbank in einem Bericht vom August 1999 als Netto-Schuldenstand der DDR in konvertierbaren Devisen am 30. Juni 1990, das heißt einen Tag vor Beginn der Währungsunion, 19,8 Milliarden D-Mark aus. Zum Vergleich: Die deutsche Hauptstadt Berlin allein steckt heute mit 63 Milliarden Euro in den »roten Zahlen«!
Ich habe während meiner Zeit als PDS-Abgeordnete im Deutschen Bundestag in jeder Rede, in der es passte, auf den berichtigten Schuldenausweis hingewiesen. Nicht, um die DDR-Lage im Nachhinein zu beschönigen, sondern im Interesse der historischen Wahrheit. Interessiert hat es die Damen und Herren der übrigen Fraktionen nicht. Es bestätigte sich, was auch bei anderen Themen zu beobachten ist: Die erste, zumal in das gewünschte Bild passende Meldung setzt sich fest und ist kaum wieder zu löschen.
Was in der DDR-Wirtschaft anstand, war, Modernisierungsund Wachstumsblockaden zu lösen, den Kombinaten und Betrieben mehr Eigenverantwortung zu übertragen, zukunftsfähige Branchen auszubauen und Absatzmärkte zu stabilisieren. Auf bundesdeutscher Seite fehlte aber die Bereitschaft, den ostdeutschen Betrieben Zeit und Mittel für notwendige Strukturanpassungen, für den weitestgehenden Erhalt traditioneller Kunden beziehungsweise die Neugewinnung von Märkten zu gewähren. Mitglieder der Mitte Februar 1990 gebildeten ost-west-gemischten Kommission zur Vorbereitung der Währungsunion berichteten, die DDR-Vertreter hätten immer am kürzeren Hebel gesessen, weil über allen Verhandlungen »erschreckende Zahlen« aus dem sogenannten »Schürer-Papier« schwebten. Das blieb dann auch so bei dem von Bonner Beamten vorbereiteten Treuhandgesetz der de-Maizière-Regierung. Es zielte – typisch neoliberal – auf rasche und flächendeckende Privatisierung der bis dahin volkseigenen Industrie der DDR und anderer Bereiche der gewerblichen Wirtschaft. Es ging nicht im Schumpeterschen Sinne um »schöpferische Zerstörung«, um etwas Neuem Raum zu geben. Die Destruktion diente dem Zweck, mögliche Konkurrenten auszuschalten und sich deren Märkte anzueignen.
Die Treuhand zerschlug entgegen westeuropäischem Trend nahezu alle Großunternehmen, statt eine gesunde Mischung verschiedener Betriebsgrößen anzustreben. In der Endzeit der DDR hatte es 145 Wirtschaftseinheiten mit jeweils mehr als 5.000 Beschäftigten gegeben. Am Ende der Treuhand-Ära waren ganze fünf übriggeblieben. Es entstand eine überwiegend kleinteilige Wirtschaft, was bis heute die ökonomische Entwicklung der neuen Bundesländer beeinträchtigt. Natürlich hätten nicht alle »Giganten« unter den Bedingungen eines offenen Marktes überleben können. Aber die Frage nach einem Betriebsgrößenmix – für Beschäftigung, Kooperationsnetze, Gründungs- und Ansiedlungsgeschehen ausschlaggebend – hat nie eine Rolle gespielt.
Forderungen und Vorschläge, die die Treuhand beim Abstoß des ostdeutschen produzierenden Gewerbes in die Fänge der westdeutschen und ausländischen Konkurrenz und damit seine Liquidierung respektive Marginalisierung hätten bremsen können, fanden kein Gehör. Warum hätten nicht traditionsreiche, zumeist eine ganze Region prägende, in weiten Teilen der Welt für ihre Produkte bekannte Großunternehmen (zum Beispiel Chemieanlagenbaukombinat Leipzig-Grimma (CLG), TAKRAF Leipzig, VEB Waggonbau Ammendorf) mehrjährig im Bundes- oder Landeseigentum fortgeführt werden können? Das hatte auch der bald aus dem Weg geräumte Vorgänger von Birgit Breuel im Treuhand-Präsidentenamt, Detlev Karsten Rohwedder, weitsichtig erwogen. Die jeweiligen Landesregierungen wären stärker in der Pflicht gewesen, Investitionsmittel zu mobilisieren, Absatzmärkte im In- und Ausland neu oder zurückzugewinnen und damit den Beschäftigungsabsturz zu dämpfen. Ein diese These belegendes Beispiel ist die Jenoptik GmbH. Hervorgegangen aus dem Kombinat VEB Carl-Zeiss-Jena und 1996 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, befand sie sich seit 1991 zunächst einhundertprozentig im thüringischen Landeseigentum. Der Freistaat trennte sich erst 2007 von seinem letzten Aktienanteil. Anno 1998 an der Börse gelistet, hat die Jenoptik AG die marktwirtschaftliche Umstrukturierung und Neuorientierung nicht ohne Aderlass, insgesamt aber besser überstanden als die abrupt privatisierten, dabei ausgeschlachteten und häufig liquidierten vormaligen Großunternehmen.
In meiner Zeit als Parlamentarierin habe ich im Deutschen Bundestag und im Bundeswirtschafts- sowie Bundesfinanzministerium für ein »Bündnis für Aufträge« geworben. Dies war ein gemeinsam mit den Industrie-, Außenhandels- beziehungsweise Bankexperten Karl Döring, Kurt Falkenberg und Edgar Most sowie dem auf Rechtsfragen im Osteuropageschäft spezialisierten Anwalt Lothar de Maizière erarbeitetes Projekt zur Wiederbelebung industrieller Arbeitsplätze in den einstigen Hochburgen des Chemieanlagenbaus um Leipzig, Halle, Merseburg. Bekannt war der marode, umweltgefährdende Zustand russischer Erdöl- und Gasförderanlagen. Zum größten Teil aus der DDR bezogen, bedurften sie nach Jahrzehnten dringend einer Modernisierung. In Sachsen und Sachsen-Anhalt gab es noch Nachfolgefirmen früherer Lieferbetriebe und hochqualifiziertes Personal mit spezifischen Erfahrungen bei der Abwicklung von Russlandgeschäften. Russischen Unternehmen mangelte es an Devisen, um entsprechende Aufträge auszulösen. Sie hätten mit europa- und weltweit vermarktbarem Erdöl oder Gas bezahlen können. Es gab Firmen, die auf solche Transaktionen spezialisiert waren. Westdeutsche Konzerne nutzten umstandslos deren Know-how. Bis die »Bezahlware« verkauft ist und das Geld im Kasten klingt, hätten ostdeutsche Anlagenlieferanten in Vorleistung treten, also kreditieren müssen. Das wollten sie allerdings nur tun, wenn der Kredit – wie in anderen Fällen üblich – staatlich gegen eventuelle Zahlungsausfälle verbürgt würde. Dies lehnte die Bundesregierung mit Hinweis auf die Europäische Kommission ab. Die würde darin eine Wettbewerbsverzerrung sehen. Nicht einmal zu einer Anfrage in Brüssel war die Bundesregierung zu bewegen. Vorwände wurden gesucht. Man wollte eingefahrene Gleise nicht verlassen und gab uns zu verstehen, wir hätten antiquierte Vorstellungen. Aber es ging wohl vor allem darum, auf keinen Fall einer ostdeutschen Initiative zum Erfolg zu verhelfen, auch wenn das zum Nachteil Tausender war, die in Beschäftigung hätten kommen können. Selbst Manfred Stolpe, als Ministerpräsident von Brandenburg von unserem Projekt noch angetan, hatte sich als späterer Bundesminister mit Ostzuständigkeit im Schröder-Kabinett »auf Linie« bringen lassen.
Am Beispiel der immer noch kursierenden Verschuldungszahlen und der Schrotthypothesen zeigt sich, dass die Annäherung an die historische Wahrheit ein langwieriger Prozess ist. Manches bisher über das Ende der DDR, den Zustand und die Zerschlagung ihrer Wirtschaft zumeist von Außenstehenden Geschriebene ist zu ergänzen oder geradezurücken, manches einseitige Urteil zu korrigieren. Alle eifernden Schreiber über den zweiten deutschen