Abrißfunken
Von Franziska Krug
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Buchvorschau
Abrißfunken - Franziska Krug
Vorwort
Stellt die Möbel in den großen Saal, von dort aus ordnen wir sie bei Gelegenheit ihren Räumen zu. Dafür haben wir später mehr Zeit. Bis dahin stehen die Sachen hier niemandem im Weg. Rückt einfach alles zusammen, was ihr bis heute gesammelt habt und wenn das Leben mal wieder zu öde ist und um Zerstreuung bettelt, kommt einfach hierher zurück und fangt ein paar Erinnerungen ein. Die freuen sich, wenn sie ab und an Besuch bekommen. So wird auch der kleinste Schemel irgendwann seinen richtigen Platz finden. Früher oder später rührt er sich nicht mehr vom Fleck und schlägt seine Wurzeln.
Beschreibt man das Leben eines Menschen anhand der Beschaffenheit eines Puzzles Stück für Stück bis zum Ende, so setzt sich auch ein beliebiges Gesamtwerk aus werweißwievielen Einzel-Teilchen zusammen.
Heutzutage zählt es als eine der größten Herausforderungen, inmitten einer Unmenge von Innovationen und Schöpfungen, Provokationen und Revivals, eine eigene Nische zu finden, die nicht schon jeder dritte Vollidiot durch seine klebrigen Finger geleiert hat, nur um seinen erbärmlichen, hundertsten Versuch zu starten, irgend einen Profit daraus zu schlagen.
Die Schwierigkeit besteht darin, unter den Abermillionen Möchtegern-Schaustellern nicht begraben zu werden, bevor man überhaupt einen einzigen Laut von sich geben konnte. Bellende Hunde beißen nicht – da draußen bellt jeder Individualist lauter als der Trendsetter neben ihm.
Es ist kein Kinderspiel, die spärlich gesäten Fettaugen aus dieser faden Soße heraus zu fischen. Um sich gekonnt unter bereits bestehende Auffassungen zu mischen, ohne dabei den Eigengeschmack zu verlieren, braucht es vielleicht eine liebenswerte Aufhübschung mit etwas zusätzlicher Farbe, oder hier: „Probier’s doch mal, dieses Tuch bindest du lockerlässig um die Hüften statt es um deinen Kopf zu schlingen." Und siehe da! Schon geht ein altbackener Einreiher selbstverliebt in Massenharmonie auf und bei Zeiten wieder unter.
Jede beliebige Ansammlung auf Erden tanzt mehr oder weniger auf physikalisch bewiesenen Wellen und Teilchen. Manchmal stoßen sie unerwartet gegeneinander. Dabei können sie miteinander verschmelzen oder abstoßend reagieren.
Das Motto der vorliegenden Erscheinung ist einfach: Probieren wir das einfach mal aus, am besten ohne lang darüber nachzudenken und betrachten die Szenerie aus einer gepflegten Entfernung. Falls etwas Unvorhergesehenes eintreten sollte, könnte man rechtzeitig um Unterstützung bitten, falls jemand in eine Glasscherbe tritt oder die Moderatorin den Gast komplett mit Tomatensaft anschüttet. Irgend etwas geschieht immer, Beweis genug dafür sind die Geschichten des Lebens, die Einem nie ausgehen, so lange man imstande ist, seine Augen lichtgeschützt zu verbarrikadieren, ohne an den Spätfolgen zu erblinden.
(Macht das Licht aus, es fängt jetzt an!)
Abrißfunken
Es fing nirgends an, auch nicht mit dem Gewitter Ende März. Die Welt verstummt mit einem einzigen Knall, wie durch ein Mikrophon tropft der Regen und schneidet die Luft mit stählernen Gitterstäben in parallele Scheiben. Eine graue Böschung liegt im Kreis. Gelb, Blau und Grün sind die Farben unseres Himmels. Die saftige Sonne rückt das pralle Blattwerk kantenscharf in unseren Mittelpunkt.
Paarweise reihen sich weiche Automaten aneinander auf durchbluteten Ästen. Ihre Bewegung potenziert leichtes Sägen im Wind. Der Tag atmet aus, er befindet sich in seinen letzten Zügen, morgen bricht die große Müdigkeit herein und endlich werden die Temperaturen deutlich ansteigen. Ein, Zwei, Drei Pulsschläge, die Menge tobt willkürlich, man hat sie im Schlaf überrascht.
Erstarrte Luft aus Licht riecht nicht nach Wald und Wachstum, obwohl die Zeit dafür eigentlich gekommen sein sollte. Die Stadt sagt, sie hätte bereits die erste Etappe hinter sich, doch unvollendeter Hochmut ist fad, der schmeckt ihr nicht. Von saftigem Frühling ist keine Spur.
Als Erinnerung an die Stunden, in denen die junge Frau noch nicht wusste, was tatsächlich zu ihr gehört und weshalb man ihr diesen Namen gab.
Ein schmaler Grat zwischen Herde und Schafen ist ihr Weg. Er macht sie abhängig von den simplen Auswüchsen ihrer Mitmenschen.
„Du klebst an deinen Erinnerungen und befindest dich nicht im Diesseits. Deine Ruhemomente füllst du lückenlos mit Büchern, digitalen Medien und Musik auf Schritt und Tritt. Du schließt jede freie Sekunde hermetisch von Beschäftigungen aller Art ab. Du sprichst von Weiterbildung, Information, Unterhaltung. Du identifizierst dich mit den Meinungen und Erfahrungen deiner nahen sowie oberflächlichen Bekannten. Du bist ein Baukasten deiner Umwelt, die nicht annähernd kongruent ist mit deinem angeborenen Intellekt. Du klebst einheitlich wie ein Zellstofftaschentuch an zähem Honig. Deine Existenz ist viskos."
Die letzten Tage und Wochen haben Narben hinterlassen, es war ein brachiales Unwetter über die Stadt gekommen. Die Stadt sagt, alles sei relativ, demnach auch die Strenge der Naturgewalten. Mit dem nächsten Schritt auf dem Zeitbarometer soll sich etwas weiter vorn eine Erholungsphase anbahnen. Wollen wir hoffen, dass die Meteorologen Recht behalten.
Gewitterlösende Spannungen im Kopf, die Welt feiert Fastnacht solange die Sonne im Orient scheint. Abendliche, kühle Regenschauer befüllen Gewässer stetig mit Wasser aus dem Kreislauf des Planeten Erde. Eine unangekündigte Entladung trennt alle Gemüter mitsamt ihrer Knoten voneinander. Alte Wege schlingen aneinander vorbei, neue Wege entlohnen Löcher mit neu ausgearbeiteten Auffassungen