Wegzehrung: Zwischen Inn, Chiemgauer Bergen und Königssee
Von Birgit Heid
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Über dieses E-Book
Haibun (japanisch für possenhafte Schilderung) ist eine Mischform der japanischen Literatur. Die Überschrift kann Anspielungen enthalten. Die Skizzierung eines Erlebnisses wird erweitert durch Anklänge an Dichter oder philosophische Gedanken. Das Haiku, das Kürzestgedicht mit zwei offenen Bildern, soll nicht erklären, sondern weitere Aspekte aufwerfen.
Birgit Heid
Birgit Heid, geb. 1961, lebt in Landau/ Pfalz. Sie ist 1. Vorsitzende des Litera-rischen Vereins der Pfalz und Mitglied der Deutschen Haikugesellschaft. Sie führt literarische Veranstaltungen und Schreibworkshops durch. Dreizehn Bücher hat sie seit 2009 veröffentlicht. https://rhein-neckar-wiki.de/Birgit_Heid
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Buchvorschau
Wegzehrung - Birgit Heid
Die Tempelstätte Nikkô
Am Ersten des IV. Monats gingen wir, um dem ehrwürdigen Tempel-Berg von Nikkô unsere Verehrung zu erweisen. In alten Zeiten bedachte man ihn mit den Schriftzeichen FUTA-RA („Doppel-wild, auch Nikô gelesen). Aber Großmeister Kûkai hat anlässlich der Gründung des Tempels die Schreibung in Nikkô („Der-Sonne-gleich-strahlend
) geändert. Ob er dessen tausendjährige Zukunft schon vorausgeahnt hatte? Jedenfalls strahlt sein erhabenes Licht über den „ganzen Himmel" und seine Gnade ergießt sich in alle Acht Himmelsrichtungen, so dass alle vier Stände in ihren Wohnstätten in Frieden leben können.
Da kann ich vor tiefer Ehrfurcht nur den Pinsel niederlegen.
Wie verehrungswürdig!
Zarte Blätter – grüne Blätter
von Sonnenstrahlen durchglänzt …
Matsuo Bashô (1644-1694)
aus „Auf schmalen Pfaden
durchs Hinterland" (1702),
5. deutsche Auflage 1985
Inhalt
Anreise
Im Dorf I
Richtung Chiemsee
Chiemgauer Berge
Im Dorf II
Salzburg
Zu den Berchtesgadener Alpen
Im Dorf III
Heimreise
Anreise
Ruckeln
Wir packen unsere Koffer und Rucksäcke. Kleidung für jedes Wetter, Wanderschuhe, Schreibblock und Fotoapparat sowie Bücher und Kopien von Dichtern aus der Region. Unser kleiner Garten wird von den Nachbarn versorgt werden. Morgen fahren wir mit dem Zug über Ebersberg und Wasserburg in den Rupertiwinkel.
Bist du bereit?, fragst du mich.
Ja. Doch sag mir, ist die Vorfreude eine Tochter der Hoffnung?
Maiglöckcheninsel
ein Wiedersehensfest
hinter den Bergen
Unantastbar
Ebersberg. Hier stand einst ein Benediktinerkloster. Im Zentrum die Sebastianskirche mit lichtem, barockem Innenraum.
Beeindruckend das hölzerne Stiftergrabmal und das riesige Christopherusfresco. Der heilige Sebastian war römischer Soldat und Märtyrer. Er galt als Pestheiliger und Schutzpatron für viele Leiden und Berufe. Bis heute finden Wallfahrten statt. In der Kapelle steht das Heiligtum! Die silberne Büstenreliquie mit Sebastians Hirnschale, die sich seit 931 hier befindet. Wenn man den Silberhut abnimmt, erscheint die in Silber gefasste Hirnschale. Auch sie kann man mit einem flachen Knopf vom Schädel abheben. Früher tranken Pilger mit Silberröhrchen in Form von Sebastianspfeilen aus der Schädelkalotte Wein, der alle Krankheiten heilen sollte.
Aus Ebersberg stammt der Dichter Friedrich Beck. Auf einer Bank lese ich einige Gedichte von ihm. So galant und voller Gefühl!
Ruhe still
das nächtliche Schweben
der Uferelfen
Guter Fang
Abends in Wasserburg. Wir jubeln beim Anblick der Altstadt im Inn-Salzachstil auf der Halbinsel einer Innschleife. Ringsherum Kirchen, alte Türme und historische Gebäude. Die Marktkirche und das Rathaus mit Stufengiebeln. Hier wohnte eine Zeitlang die Pfälzer Dichterin Martha Saalfeld. Und der Schriftsteller Rudolf Herfurtner wuchs hier auf. Das warme Licht der Dämmerung durchströmt Altstadt und Inn.
Am nächsten Morgen der Skulpturenweg. Kunst und Ruhe im Gegenlicht des Flussufers. Vornehmes Plätschern im Gleichklang meiner Atemzüge.
Im Stadtmuseum. Das bronzezeitliche Fischerdorf, die romanische Rundsiedlung, Salzhandel seit dem Mittelalter. Die Burg und Burgkapelle auf einer Anhöhe am Beginn der Innschleife. Wir besteigen den Aussichtsturm. Rundum die grünen Baumreliefs der Hügel.
Schlüsselloch
der Fluss rauscht
durch die Sonne
Im Dorf I
Junge Katzen
Über Mühldorf im schwülen Zug nach Kirchanschöring. Allmählich nähern wir uns den Alpenblicken. Vom Bahnhof über ein Waldsträßchen und an Maisfeldern entlang. Da, die Häuser! Der Dorfrand. Die Unterkunft. Die Hausleute sind auf dem Hof beschäftigt. Das Gästehaus steht offen, auch unsere Wohnungstüre ist nicht verschlossen. Im Zentrum des kleinen Schlafzimmers ein mit Eisenranken verziertes Doppelbett. Nach der herzlichen Begrüßung der Rundgang durch den Bauernhof.
Spinnenecke
wir zählen die
Kälber
Mittagstau
Die Bäuerin erklärt uns den Fußweg zum See. Der große Geräteschuppen an der Wegkreuzung. An der Wiese entlang. Auf dem Trampelpfad zur schmalen Einstiegsstelle mit Bank, einer jungen Esche und zwei Booten. Der breite, im Wind rauschende Schilfgürtel. Bleßhühner und Haubentaucher, Graugänse, ein paar Ruderboote auf dem Waginger See. Am gegenüberliegenden Ufer steigt ein Kiefernwäldchen an, drüben die Kirche Maria Mühlberg. Die erste weitere Erhebung ist der Teisenberg. Im Hintergrund der Untersberg, ein kleines Stück des Lattengebirges, Hochstaufen und Zwiesel. Stille vor dem erhebenden Anblick. Wir steigen in den frischen See.
Was ich nicht suchte
nach dem Ablegen
werde ich zur Welle
Dreieck
Dorfspaziergang durch Wolkersdorf. Ich zähle fünfundzwanzig Häuser und Höfe