Odins Memoiren
Von J. R. Forbus
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Buchvorschau
Odins Memoiren - J. R. Forbus
Götter, Helden und Giganten
Ein Kurzaufsatz über die Nordische Mythologie
Die nordische Mythologie ruft uns stets Bilder von stürmischen Meeren, verschneiten Landschaften, verzauberten Wälder und blutgetränkten Schlachtfeldern ins Gedächtnis zurück. Ihre Geschichten erzählen von den Heldentaten mutiger Krieger, von Drachen, Trollen und Zwergen. Der Kult von Odin und Thor war schon immer eine beliebte Inspirationsquelle für das Fantasy Genre – denken wir nur an „Der Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien, oder an die modernen Rollenspiele.
Aber wie entstand die Nordische Mythologie?
Im Prinzip existierte nur der Ginnungagap (was soviel wie „aufgesperrter Übergang" bedeutet), jener kosmische Abgrund, der bereits schon vor der Schöpfung existent war.
Dann plötzlich, wie zwei parallele Urknalle, entstanden an den entsprechenden Enden des Ginnungagap zwei verschiedene Existenzebenen: im Norden das eisige Reich Niflheimr und im Süden das Feuerreich Múspellheimr, das mit seiner Hitze einen Teil dieses Eises schmolz und dabei 11 Flüsse erzeugte – die sogenannten Élivágar.
Diese Flüsse erstreckten sich so weit von ihrer Quelle entfernt, dass sie verhärteten und zu Eis – und Reifdecken wurden, die den gesamten Ginnungagap bedeckten. Aber die heißen Winde aus Múspellheimr schmolzen das Eis, und aus den Tropfen entstanden die ersten Lebewesen des Kosmos: Ymir, der Stammvater der Eisgiganten, und Auðhumla, die „kosmische Kuh". Dank ihrer Milch wuchs der neugeborene Ymir kräftig und gesund auf.
Einst war das Zeitalter, da Ymir lebte:
Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,
Nicht Erde fand sich, noch Überhimmel,
gähnender Abgrund und Gras nirgends.
Edda Völuspá, dritte Strophe
Ymir war ebenso weise wie böse, wie auch seine gesamte Nachkommenschaft. Während er den weiten und öden Abgrund betrachtete, überlegte er, dass es ihn zuviel Energie kosten würde, so in die Leere zu starren, und er beschloss, sich ein Nickerchen zu gönnen. Er kauerte sich zusammen, um die Nacht zu verbringen, da er aber vergaß, das Heizsystem von Múspellheimr auszuschalten, fing er an, unglaublich stark zu schwitzen. Statt jedoch das Betttuch durchzunässen, wie es uns – bescheidenen Sterblichen – zueigen ist, wurde jeder Tropfen seines Schweißes zu einem Giganten. Auf diese Weise entstand jene Rasse der chaotischen Kriegstreiber. Jedoch beschränkte sich sein angeborenes Talent, Lebewesen zu erschaffen, nicht nur auf die Giganten: Unter seinem linken Arm kamen ein Mann und eine Frau zur Welt, und aus seinen Beinen ein sechsköpfiger Sohn mit einem unaussprechlichen Namen: Þrúðgelmir.
Während Ymir weiterschlief, blieb die kosmische Kuh nicht einfach nur da stehen. Man kann sich vorstellen, dass sie nicht viel Essen zur Verfügung hatten, und das unglückselige Tier musste sogar verkrustetes Salz aus den vereisten Steinen lecken. Dabei fand es – am Abend des ersten Tages – das Haar eines Mannes. Am Tag darauf fand es seinen Kopf und am dritten Tag schließlich seinen ganzen Körper. Der Mann hieß Búri (was soviel heißt wie: „der Stammvater") und erzeugte einen Sohn, der identisch war mit ihm und Borr hieß (das bedeutet: „der Erzeugte". Gemessen an der geringen Kreativität, die sie aufwiesen, Namen zu geben, ist es offensichtlich, dass Essen nicht das einzige war, woran es mangelte...).
Borr heiratete Bestla (die Enkelin des Eisgiganten Bölþorn, der ein schrecklicher Schwiegervater sein musste!), und zusammen setzten sie drei Söhne in die Welt. Der erste hieß Odin, der zweite Víli und der dritte Vé. Eines Tages (ähnlich wie es Kronos und seinen Söhnen, den Göttern des Olymp, geschah) entschieden die drei Bösewichte, Ymir zu ermorden und die Giganten, die er erzeugte, in dessen Blut zu ertränken. Die einzigen, die dem Massaker entkamen, waren Bergelmir, Sohn des sechsköpfigen Þrúðgelmir, und seine Frau. Dank ihnen überlebte die Rasse der Eisgiganten