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Dahinten in der Heide
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Dahinten in der Heide
eBook140 Seiten2 Stunden

Dahinten in der Heide

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Über dieses E-Book

In "Dahinten in der Heide" entführt Hermann Löns den Leser in die malerische, melancholische Welt der Lüneburger Heide. Durch den lyrischen und doch präzisen Stil, der für Löns charakteristisch ist, entsteht ein facettenreiches Bild der Natur und ihrer Bewohner. Die Erzählungen sind durchzogen von einer tiefen Verbundenheit mit der Landschaft und der Melancholie der einfachen Menschen, welche in harmonischem Einklang mit der rauen, doch schönen Umgebung leben. Diese Sammlung von Erzählungen spiegelt nicht nur die Ästhetik der Heimatliteratur des frühen 20. Jahrhunderts wider, sondern unterstreicht auch die existenziellen Konflikte, die in der Idylle verborgen liegen. Hermann Löns, ein bedeutender Vertreter der deutschen Natur- und Heimatliteratur, wurde 1866 geboren und verbrachte viele Jahre seines Lebens in der Heide, was ihn stark prägte. Sein Schreiben war von einer tiefen Liebe zur Natur und einem ausgeprägten nationalen Bewusstsein durchdrungen. Löns' Engagement für den Erhalt der heimatlichen Landschaft und seine kritische Reflexion über die Industrialisierung und den Verlust der traditionellen Lebensweise zeichnen seine Werke aus und können als Reaktion auf die Veränderungen seiner Zeit verstanden werden. "Dahinten in der Heide" ist mehr als nur ein literarisches Werk; es ist eine Hommage an die deutsche Landschaft und ihre Menschen. Leser, die sich für Natur, romantische Erzählungen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität interessieren, werden von Löns' einzigartigem Zugang zu diesen Themen begeistert sein. Diese Geschichten bieten nicht nur eine Flucht in eine bezaubernde Welt, sondern regen auch zur Reflexion über die eigene Beziehung zur Natur und Heimat an.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum17. März 2017
ISBN9788028257521
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    Buchvorschau

    Dahinten in der Heide - Hermann Löns

    Der Ortolan

    Inhaltsverzeichnis

    Der Südwind strich warm über den Kopf des hohen Heidbrinkes und bewegte die Zweige der Hängebirke, die voll von Blütenkätzchen und jungen Blättern waren, hin und her.

    Lüder Volkmann lag längelang auf dem Rücken, lehnte sich gegen den großen Findelstein und hörte zu, wie der Ortolan in der Birke sang.

    Er hielt seine Pfeife abseits und atmete den Geruch der blühenden Postbüsche, den der Wind aus dem Bruche mitbrachte, und den Juchtenduft, der aus dem Birkenlaube kam, tief ein, und ihm war, als sei er noch in den Wäldern von Kanada, wo es im April auch nach Post- und Birkenlaub roch; aber der Ortolan sang da nicht; dort, wo Volkmann getrappt und gefischt hatte, gab es keine Landstraßen.

    Er stopfte sich eine Pfeife aus dem ledernen Tabaksbeutel, auf dem mit Glasperlen ein Kranz von braunen Bibern und schwarzen Raben gestickt war.

    Eine rote Mordwespe, die über seine Hose kroch, zog seine Blicke auf seine Kleidung. »Noch vier Wochen Landstraße, und die Tippelkundenkluft ist fertig«, dachte er und lächelte, denn ihm fiel ein lustiger Abend in Berlin ein. Er hatte mit einer großen Gesellschaft in der vornehmen Weinwirtschaft zusammengesessen, die Männer im Frack, die Frauen und Mädchen in ausgeschnittenen Kleidern, und mitten zwischen ihnen war jener sonderbare Mann in dem alten Gehrock, Peter Hille, der Dichter, und der hatte, indem er seine Austern aß, im Gange der Unterhaltung zu seiner Nachbarin gesagt: »Ganz wohl fühlt man sich erst, Exzellenz, wenn man gesellschaftlich nichts mehr zu verlieren hat, sagt Böcklin.«

    Lüder Volkmann sah sein Zeug an; er hatte es in Omaha gekauft und die Stiefel in Chikago, und zwar an dem Tage, als er in einer Singspielhalle einem Pferdehändler, der über Deutschland einen schlechten Witz machte, die Champagnerflasche in die Zähne warf, daß der Mann für tot fortgetragen wurde, und als drei andere Männer ihm an den Balg wollten, boxte er ihnen das Mittagessen aus dem Leibe. Dann hatte er der Musik zehn Dollar hingelegt, einen Freitrunk für jeden Mann, der eine Gurgel im Leibe hat, bestellt und Lieder aus seiner Heimat spielen lassen, und alle mußten mitsingen, ganz gleich, unter welcher Flagge sie geboren waren.

    Er mußte hell auflachen, als er daran dachte, welche dummen Gesichter die beiden Seeleute gemacht hatten, als er mit ihnen anstieß und rief: »Trinkt, Jungs, auf die deutsche Flott'!« Dann hatte er fünf Dollar hingelegt und gerufen: »Das Flottenlied!« Aber in derselben Nacht hatte sich zuerst das Heimweh an seinen Arm gehängt und ihn nicht eher wieder losgelassen, als bis er an Bord der »Anna Rickmers« war. Als Kohlenzieher hatte er die Fahrt gemacht; seine tausend Dollar, die er sich in zwei Jahren zusammengetrappt und beieinandergefischt hatte, waren auf dem Asphalt der großen Stadt klebengeblieben.

    Er sah auf seine große Hand. Arbeiten, ja, das konnte die, aber sparen, nein! »Herr Doktor, Sie haben eine Ritterhand«, hatte auf dem Hofballe die Herzoginmutter gesagt, »und ich verstehe nicht, daß Sie mit der Feder fechten statt mit dem Säbel.« Ihre guten alten Augen hatten ihn lange angesehen, und dann meinte sie: »Daß Sie nicht von Adel sind!« Er hatte gelächelt. »Bin ich, Euer Hoheit, tausche mit keinem von den Prominenzen hier in dieser Richtung, die fürstlichen Herrschaften ausgenommen; die Volkmanns saßen wohl schon auf ihrem Heidhofe, als Exzellenz Drusus über die mangelhaften Chausseen in Germanien bei Seiner Majestät Augustus submissest Klage führte.« Da hatte sie so herzlich aufgelacht, daß der Leibarzt dem Herzoge sagte: »Hoheit müßten veranlassen, daß der Doktor Volkmann öfter mit Ihrer Hoheit zusammen ist; sie liebt ihn, und lachen ist die beste Medizin für ein müdes Herz.«

    Lüder Volkmann sah auf das silbergraue Rentiermoos. So hatte das Haar der alten Herzogin ausgesehen. Sie war aus jenen Kreisen der einzige Mensch gewesen, der ihm nach seinem Falle geschrieben hatte. Er wußte den Brief halb auswendig; die eine Stelle lautete: »Sie kennen mich, lieber Herr Doktor; wenn ich später noch lebe, vergessen Sie nicht, daß Sie an mir immer eine Freundin haben.«

    Er drehte einen blanken Mistkäfer, der hilflos im Sande auf dem Rücken lag, um, sah, daß es die dreihörnige Art war, aber ein Weibchen, denn die Hörner fehlten ihm, und dann fiel ihm das Indianermädchen ein, das ein und ein halbes Jahr in seinem Blockhause gewohnt hatte und das jeden Schmetterling aus dem Spinnennetz nahm. Ihre Seele war klein, aber ihr Herz war groß; in ihrem letzten Hauche flüsterte sie: »Lhütär«, und dann nahm der Schneesturm ihre weiße Seele mit und wirbelte sie zum Großen Geiste hin.

    Acht Wochen lang hatte ihr Leib, in glänzende Bärenfelle gehüllt, im Windfange gelegen; dann erweichte der Tauwind den Boden, Lüder begrub die Gefährtin seiner Einsamkeit, und die indianischen Holzarbeiter kamen alle, sangen gurgelnd ein verschollenes Lied und errichteten einen hohen Steinhaufen über dem Grabe der Wölfe wegen und weil Margerit aus edlem Blute war.

    »Adel bleibt Adel, wenn es wirklich welcher ist«, dachte Lüder Volkmann, der Landstreicher, und vor ihm stand die Frau, an der er gescheitert war. Warum hatte er geglaubt, daß er sie liebte. In den Brombeerbüschen am Fuße des Brinkes sang der Goldammer; es war fast dasselbe Lied, das der Ortolan sang, aber des Goldammers Lied war klarer Frieden, und in des Ortolans Sang war unstete Unklarheit.

    Er schüttelte den Kopf über sich selber. Also darum, darum hatte er sein Leben auf die Landstraße geworfen, darum! Er hatte die Frau gar nicht geliebt. Als er noch die bunte Mütze trug und jede Woche frische Schmisse hatte, da hatte er die Frau seines liebsten Lehrers liebgewonnen und hatte sofort die Exmatrikel genommen. Ein Jahr später war die totgetretene Liebe aus ihrem Grabe auferstanden, hatte vor ihm gestanden und die Hände gerungen. Und jene andere Frau, an der sein Leben strandete, eine Volksausgabe der Frau des Professors, war es gewesen, die neben jener in seiner Erinnerung stand, wie der dunkle, krankhaft süße Gesang des Ortolans neben dem lieben, starken Liede des Goldammers.

    Früher hatte er sich oft gefragt, warum gerade ihm das Schicksal die Schlinge über den Weg gelegt hatte. Er lachte nun darüber; warum lähmte die rote Wespe gerade diese lustige Spinne mit ihrem Giftstachel und schleppte sie in ihre Höhle, wo sie sich so lange hinquälen mußte, bis die Wespenbrut sie bei lebendigem Leibe auffraß? Und er war groß, stark und gesund; also konnte ihm das Schicksal etwas mehr zumuten als den Skrälingern mit dem dünnen Blute und dem weichen Fleische. Außerdem: Was war, und war es auch hart und bitter, es sah von weitem eigentlich nur noch interessant aus. Er hatte sich daran gewöhnt, sein Unglück mit dem umgedrehten Pürschglase zu betrachten, und klein und lustig sah dann aus, was anfangs riesig und schrecklich erschien. Und nun wollte er Post- und Maibaumduft riechen und sich satt sehen an der braunen Heide und den gelben Wegen und den weißen Wolken, die über den schwarzen Wäldern standen, und wo irgendwo der Bauernhof lag, der Hilgenhof, der heilige Hof, dem sein Geschlecht entstammte.

    Wie schön es sich in dem Heidkraute lag! Er ließ den weißen Sand durch seine braunen Finger fließen und freute sich an den dichten Polstern der Krähenbeere, die den roten Stein umspannen. Vor ihm trippelte eine Heidlerche umher, ein grüner Sandkäfer blitzte auf, hoch oben kreiste der Bussard, bald wie Silber, bald wie Gold leuchtend, und nun rief sogar Wodes heiliger Vogel über ihm ein lautes Wort, das wie eine alte Rune war, und machte einen Bogen, als er den Mann äugte.

    Und dann der rotlodernde Post in der Grund und die goldgrünen Machangeln auf dem Anberge und die weißen Birkenstämme in der braunen Heide und der silberne Bach und das goldene Risch, ein Tag war es, an dem die Gefühle des Menschen, der gut erhaltene Sinne hat, leicht und lustig tanzen müssen wie helle Schmetterlinge, auch wenn er zum heimlosen Straßenläufer ward.

    »Aber nun wäre es Zeit«, dachte er, »daß Ruloff Ramaker käme; vom Sehen wird kein Mensch satt.« Volkmann legte sich auf die rechte Seite und deckte sein linkes Ohr mit dem Lodenhute zu, wie er es schon als ganz kleiner Junge mit der Bettdecke gemacht hatte, und wohlig schnurrte er, als die Besinnung ihn verließ, wie er es stets zu tun pflegte, wenn er sein Bewußtsein zu Bett brachte.

    Über ihm in der Hängebirke aber sang der Ortolan immer und immer wieder: »Ich bin müde.«

    Der Goldammer

    Inhaltsverzeichnis

    Schwer und tief war der Schlaf des Mannes, und doch sprang er klaräugig auf die Füße, als Tritte im Heidkraute knisterten. Der Gendarm stand vor ihm und musterte ihn vom Hute bis zu den Stiefeln.

    Er sah gut aus, der Beamte; er war einen knappen Zoll kleiner als Volkmann: er hatte ein offenes Gesicht, einen prachtvollen blonden Bart und helle, blaue Augen. Und da er inwendig so war wie außen, so stellte er sich erst recht barsch an und sagte mit rauher Stimme: »Zeig mal deine Papiere!« Er zog die Augenbrauen hoch, als der Stromer antwortete: »Erstens habe ich keine, und zweitens möchte ich Sie höflichst ersuchen, mich nicht zu duzen. Sie sind wohl noch nicht lange von der Front fort?«

    Der Gendarm bekam einen roten Kopf; er sah ein, daß er eine Dummheit gemacht hatte. Der Mann trug schäbige, aber gutsitzende Kleidung, und das Schuhzeug, das waren hochfeine Jagdschuhe von braunem genarbten Leder mit ausgenähtem Rand und Schnellschnürung, und, Donner ja, er hatte das ganze Gesicht voller Schmisse und ein Benehmen wie der Herr Amtsrichter. Köllner lenkte ein: »Entschuldigen Sie, es war nicht so schlimm gemeint. Und ich sehe, daß ich mich irrte; eine Steckbriefbeschreibung paßte ungefähr auf Sie, bis auf die Schmisse. Und einen krummen Zeigefinger haben Sie rechts auch nicht. Aber Sie werden doch Papiere haben?« Der andere schüttelte den Kopf. »Nein, sie sind mir vor vierzehn Tagen in Hamburg gestohlen.« Der Beamte wiegte den Kopf hin und her. »Ja, dann müssen Sie mich schon begleiten.«

    Er brach seine Rede mitten im Worte ab und sah in die Heide hinunter. Auf dem weißen Pattwege kam ein barhäuptiger Mann angelaufen; er schrie und winkte zu dem Hügel hinauf und zeigte nach einem Wacholderbusche hinter sich, wo ein weißer Frauenhut leuchtete. Es war Ruloff Ramaker; er war in Schweiß gebadet und keuchte: »Komm schnell, schnell, das Fräulein ist von einer Adder gebissen.«

    Mit großen Sätzen sprang Volkmann den Hügel hinab und war eher bei dem Machangel als Ramaker und Köllner, denn jener war außer Atem, und dieser mußte erst sein Pferd abbinden.

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