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Komplizen: Erzählungen
Komplizen: Erzählungen
Komplizen: Erzählungen
eBook112 Seiten1 Stunde

Komplizen: Erzählungen

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Über dieses E-Book

in Liebespaar, das einen verzweifelten Plan schmiedet, ein eifersüchtiger Polizist, der eine Katastrophe heraufbeschwört, ein einsamer Wachmann, eine Fernsehmoderatorin und ihr größter Fan … 'Komplizen' erzählt Geschichten von ganz gewöhnlichen Menschen in ungewöhnlichen Situationen. In einer direkten, lakonischen Sprache berichten die zehn Storys von traurigen und komischen Alltagsdramen, von gebrochenen Figuren, die das Richtige wollen und das Falsche tun. Wie etwa, im ungünstigsten Augenblick eine Waffe zu ziehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberRhein-Mosel-Vlg
Erscheinungsdatum4. Mai 2011
ISBN9783898017855
Komplizen: Erzählungen
Autor

Dietmar Gaumann

Dietmar Gaumann, geboren 1969, aufgewachsen im Westerwald. Er studierte Filmwissenschaft und Amerikanistik, arbeitete als Buchhändler und freier Lektor und ist seit etlichen Jahren Mitarbeiter des Literaturbüros Mainz. Seine Storys erschienen in Zeitschriften und Anthologien sowie in den eigenen Erzählungsbänden »Komplizen« und »Heilige Kühe«, beide im Rhein-Mosel-Verlag.

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    Buchvorschau

    Komplizen - Dietmar Gaumann

    Gaumann-Titel.jpgzRhf-WappenSW.jpg

    Printausgabe gefördert durch das Ministerium für

    Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Rheinland-Pfalz

    Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von

    Marcel Diel, Sigfrid Gauch, Arne Houben und Thomas Krämer.

    © 2006

    eBook-Ausgabe 2011

    RHEIN-MOSEL-VERLAG

    Zell/Mosel

    Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel

    Tel.: 06542-5151, Fax: 06542-61158

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN: 978-3-89801-785-5

    Lektorat: Marcel Diel

    Umschlag: Arne Houben/Dietmar Gaumann

    Dietmar Gaumann

    Komplizen

    Erzählungen

    Edition Schrittmacher Band 9

    Rhein-Mosel-Verlag

    Inhalt:

    Polizeigriff

    Blutproben

    Schusswechsel

    Wüstenbewohner

    Komplizen

    Sprayer

    Vorkehrungen

    Phantomschmerzen

    Buschfeuer

    Tom Petty T-Shirt

    »Die Lebensgeschichte des Iwan Iljitsch ist sehr einfach und sehr gewöhnlich und doch entsetzlich.«

    Lew Tolstoj, »Der Tod des Iwan Iljitsch«

    »You woke up this morning

    got yourself a gun ...«

    Alabama 3

    Polizeigriff

    Ulf blutet. Er sitzt auf einem der Drehstühle, den Kopf in den Nacken gelegt und kann sich gar nicht beruhigen.

    »So ein Arschloch«, flucht er, »ist der jetzt vollkommen irre?«

    »Da ist Blut«, sage ich und zeige auf den dunklen, fünfmarkstückgroßen Fleck auf dem blauen Uniformhemd.

    »Vielen Dank für deine Hilfe, Ronnie.« In Ulfs Nasenloch steckt ein gezwirbeltes Taschentuch. Vielleicht hat Helmut ihm die Nase gebrochen. Zu sehen ist allerdings nichts. Wir warten auf den Sanitäter.

    »Was lässt du dir auch eine verpassen«, sage ich. »Mir wäre das nicht passiert.«

    »Erzähl keine Märchen, Ronnie.« Ulf ist sauer wegen dem Schlag, das ist alles. Eigentlich verstehen wir uns bestens. Er nimmt mich mit zur Nachtschicht, seit ich bei Nadja ausgezogen bin. Der Job als Wachmann ist in Ordnung, meist gibt es wenig zu tun. Ein bisschen Pförtner spielen, ein paar Runden auf dem Sendergelände drehen, mehr nicht. Es sei denn, der irre Helmut taucht auf und stellt seiner Ansagerin nach.

    »Ehrlich, ich hätte ihn aufs Kreuz gelegt«, sage ich und deute einen Polizeigriff an.

    »Ja ja, Ronnie, du bist der Beste. Wissen wir doch.«

    »Ich hab’s halt trainiert.«

    »Möchte wissen, was in ihn gefahren ist«, mischt sich Benno ein. Er lehnt an der Schaltkonsole und zieht sich mit eingehakten Daumen den Hosenbund über den Bauch. »War ja sonst der reinste Engel.«

    »Ist mir egal, was in den gefahren ist«, mault Ulf. »Der ist verrückt. Dass der überhaupt frei rumlaufen darf.«

    »Er ist kein schlechter Kerl«, sage ich und reiche Ulf ein weiteres Taschentuch. »Nur bekloppt.«

    Draußen hat einer der Polizisten Helmut eine Wolldecke übergeworfen. Es ist Ende Oktober, der erste Nachtfrost glitzert auf der Straße und Helmut ist wie üblich splitternackt. Sie haben ihm Handschellen angelegt und drücken ihn sanft auf die Rückbank. Als sie die Tür schließen, presst Helmut sein Gesicht gegen die Scheibe. Man sieht den kondensierenden Atem und seine Nase, die sich an dem kalten Glas grotesk verformt.

    Wir haben ihn auf dem Parkplatz aufgelesen, mit einem Strauß Rosen, die er an seine haarlose Brust gedrückt hielt. Er stand einfach da, neben dem cremefarbenen Saab von Babette Schürenbrand, und wartete darauf, dass die Ansagerin das Sendegebäude verließ. Als wir ihn ansprachen, begrüßte er uns mit einem artigen »Guten Abend«. Wir sagten, dass wir ihn mitnehmen müssten. Er nickte. Dann versuchte Ulf, ihm die Rosen wegzunehmen.

    »Das ist wie bei der Seles.« Benno öffnet die Schranke für den Streifenwagen. Der Polizist winkt kurz aus dem Seitenfenster. »Der Typ war auch von ihr besessen.«

    »Das war doch ganz was anderes«, sage ich. »Der Typ hat sie gehasst und auf sie eingestochen.«

    »Ja, weil er in Steffi Graf verliebt war.« Benno denkt, dass er alles besser weiß, nur weil er hier der Chef ist.

    »Ich frag mich, wie Helmut von dieser blöden Kuh besessen sein kann«, sagt Ulf.

    Ich zucke mit den Schultern. »Wahrscheinlich, weil sie berühmt ist.«

    »Sie ist Ansagerin.«

    »Sie ist beim Fernsehen.«

    »Wir sind auch beim Fernsehen.« Ulf zieht vorsichtig das Taschentuch aus der Nase, sieht nach, ob es noch blutet.

    »Das ist was anderes«, sage ich.

    In meiner Wohnung ist es kalt. Cocelli, der Hausmeister, verspricht jedes Mal, wenn ich ihn im Treppenhaus treffe, sich darum zu kümmern. Seit drei Wochen haben wir Heizperiode und mein Apartment ist der reinste Kühlschrank.

    Ich lasse die blaue Uniformjacke auf den Boden fallen, hole mir einen sauberen Teller aus einem der Kartons und häufe eine ordentliche Portion Honig-Smacks darauf. Ich habe einen Riesenhunger von den Energy-Drinks, die Ulf seit ein paar Wochen mit zur Arbeit bringt. Er hat die Dosen von einem Kumpel, der versucht, das Zeug an Tankstellen zu verkaufen. Selbst Ulf schmeckt es nicht, aber ich kann von dem klebrigen Geschmack gar nicht genug kriegen.

    Die Milch auf der Spüle riecht komisch, also schaufele ich die Smacks trocken in mich rein. Mit meiner Ernährung steht es nicht zum Besten. Das wird sich alles ändern. In ein paar Tagen will Ulf seinen alten Kühlschrank vorbeibringen.

    Ich wohne seit zwei Monaten hier – ein Zimmer, Kochnische, Bad. Ich brauche nicht mehr. Und endlich kann ich machen, was ich will. Ich kann die Füße auf den Wohnzimmertisch – zwei Kisten und eine Sperrholzplatte – legen und mir ungestört die Samstagsspiele auf Video ansehen. Niemand fragt mich, wann ich nach Hause komme, niemand hält mir vor, dass ich dieses oder jenes gesagt habe. Ich will es gar nicht mehr anders haben.

    Ich nehme das Telefon vom Boden und wähle Cocellis Nummer. Vielleicht erwische ich ihn noch, bevor er zur Arbeit muss. An Schlaf ist im Moment nicht zu denken. Ich hätte weniger von dem Zeug trinken sollen. Mein Herz hört sich ungesund an. Cocelli geht ran. Er klingt noch verschlafen, verspricht aber gleich vorbeizuschauen.

    Als Cocelli klopft, hänge ich hastig meine Uniformjacke ins Bad. Ich sollte niemanden in die Wohnung lassen, es sieht hier ziemlich unordentlich aus. Doch Cocelli ist das offenbar egal. Als ich die Tür öffne, grinst er mich an wie immer. Er ist ein fröhlicher Mensch, denke ich. Er inspiziert den Heizkörper und pfeift dabei ein Lied, das sich nach »La Isla Bonita« anhört.

    »Was macht die Polizei?«, fragt er, während er die Heizung entlüftet. So redet er immer. Wir haben uns ein paar Mal unterhalten, wenn wir uns im Hausflur trafen. Nichts von Bedeutung. Ich habe ihm ein paar Sachen erzählt, die mir gerade im Kopf herumschwirrten. Ich rede gern mit anderen Leuten. Das ist eine Sache, die ich wirklich gut kann. Mir fällt immer eine gute Geschichte ein.

    »Alles prima«, sage ich. Ich lasse ihn besser alleine, denke ich, gehe rüber in die Küche und greife noch einmal in die Smacks-Packung. In meinem Magen rumort es. Man hat zu den seltsamsten Zeiten Hunger, wenn man Nachtschichten schiebt. Man ist aus dem Rhythmus, ein wenig neben der Spur.

    Als ich zurückkomme, hält Cocelli prüfend die Hand an den Heizkörper.

    »Und«, frage ich, »wie sieht es aus?« Er schüttelt zweifelnd den Kopf. Ich merke, wie ich allmählich müde werde. Ich lege mich aufs Sofa, sehe Cocelli zu, wie er das Entlüftungsventil dreht. Ich sage ihm, dass ich mir zwei Videofilme gekauft habe, »Phantom Kommando« und »Die City Cobra«. Ich weiß, dass er auch Videos sammelt. Aber er nickt nur. Er ist zu sehr mit der Heizung beschäftigt. Ich lege den Kopf auf die Lehne, merke, wie sich mein Puls beruhigt. Ich denke darüber nach, was ich Cocelli noch erzählen könnte, aber ich bin schon zu müde. »Ich glaube, es wird schon warm«, sage ich.

    Dennis ist von der Geschichte mit Helmut begeistert. Ich hole ihn sonntags bei Nadja ab, alle zwei Wochen. Sie verbringt dann den Nachmittag mit einer Freundin, deren Namen ich mir nicht merken kann. Wir gehen ins Kino und danach zu McDonald’s. Manchmal bekommt Dennis auch zwei Hamburger, vor und nach dem Film. Ich schärfe ihm jedes Mal ein, dass er Nadja nichts davon erzählen soll. Er nickt, aber ich bin mir nicht sicher, ob er mir wirklich zuhört.

    Wir waren in »König der Löwen«. Dennis ist aufgedreht, sein Haar klebt verschwitzt in der Stirn. Er zappelt auf seinem Stuhl herum, während ich mich in die Schlange der wartenden Väter einreihe.

    Am Tisch erzähle ich ihm, wie Helmut Ulf auf die Nase geschlagen hat. Als ich Ulf nachmache, wie er auf dem Parkplatz zusammensackt, prustet Dennis so heftig, dass ihm Speichel aus dem Mund tropft. Die Familien an den Nebentischen drehen sich zu

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