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9K714 Oka

Kurzstreckenrakete
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Die 9K714 Oka war eine in der Sowjetunion entwickelte ballistische Boden-Boden-Rakete. Der Systemindex der Sowjetarmee lautete OTR-23 und die Rakete wurde als 9M317 bezeichnet. Die Exportversion wurde R-400 bezeichnet und der NATO-Codename lautete SS-23 Spider. Sie gehörte zur Klasse der Kurzstreckenraketen (SRBM).

9K714 Oka
Startfahrzeug 9P71 und Rakete 9M714

Startfahrzeug 9P71 und Rakete 9M714
Allgemeine Angaben
Typ Kurzstreckenrakete
Heimische Bezeichnung OTR-23 Oka, 9K714, R-400
NATO-Bezeichnung SS-23 Spider
Herkunftsland Sowjetunion 1955 Sowjetunion
Hersteller Konstruktionsbüro KBM, Kolomna
Entwicklung 1971
Indienststellung 1980
Einsatzzeit 1980–1991
Technische Daten
Länge 7,32–7,52 m
Durchmesser 914 mm
Gefechtsgewicht 4.360–4.630 kg
Spannweite 1.848 mm
Antrieb Feststoff-Raketentriebwerk
Geschwindigkeit Mach 4[1]
Reichweite 480 km
Ausstattung
Lenkung Inertiales Navigationssystem
Gefechtskopf Nukleargefechtskopf oder Streumunition
Waffenplattformen BAZ-6944 LKW
Listen zum Thema
Abschussposition des Startfahrzeugs mit der Rakete

Entwicklung

Die 9K714 wurde als Nachfolgemodell der 9K72 Elbrus konzipiert. Im Jahre 1971 wurde im Konstruktionsbüro Kolomna KBM mit der Systementwicklung begonnen. Der erste Teststart erfolgte 1976.[2] Die 9K714 wurde im Jahr 1980 bei der Sowjetarmee eingeführt. In den darauf folgenden Jahren wurden 186 Start- und Transportfahrzeuge sowie 450 Raketen hergestellt.[3]

Varianten

  • 9K714 Oka: Standardversion.
  • 9K714U Oka-U: Verbesserte Version mit 9M714U-Rakete mit Endphasen-Lenksystem. Projekt 1987 abgebrochen.
  • Wolga: Projekt einer zweistufigen 9M714V-Rakete. Projekt abgebrochen.
  • Sfera: Forschungsrakete für Mikrogravitation-Experimente auf der Basis der 9M714-Rakete.

Raketen

Im Herstellerwerk Kolomna KBM wurden drei Lenkwaffentypen produziert:[4]

  • 9M714B mit dem AA-75-(9N74B)-Nuklearsprengkopf mit einer variablen Sprengleistung von 10–50 kT. Die Reichweite lag bei 480 Kilometern.
  • 9M714B1 mit dem AA-92-(9N63)-Nuklearsprengkopf mit einer variablen Sprengleistung von 100–200 kT. Die Reichweite lag bei 400–450 Kilometern.
  • 9M714K mit einem 715 Kilogramm schweren 9N74K-Gefechtskopf mit 95 9N225-Bomblets (Streumunition). Die Reichweite lag bei rund 300 Kilometern.

Technik

Das System war auf dem geländegängigen BAZ-6944-Osnowa-LKW untergebracht. Der Systemindex der russischen Streitkräfte für dieses Fahrzeug lautete 9P71. Das System war hochmobil und schnell verlegbar. Es wurde eine minimale Reaktionszeit aus voller Fahrt bis zum Raketenverschuss von rund fünf Minuten erreicht.[5] Jedes Fahrzeug war mit einer 9M714-Rakete bestückt. Um das Startfahrzeug feuerbereit zu machen, wurde es zuerst auf Hydraulikstützen gestellt und danach wurde die Rakete über das Fahrzeugheck in einem Winkel von 82° angestellt.

 
Die 9M714-Rakete mit den charakteristischen Gitterflossen

Die 9K714 wurde von einem kartuschierten Feststofftreibsatz angetrieben, welcher die Rakete auf eine Maximalgeschwindigkeit von Mach 4 beschleunigte.[1] Während der Beschleunigungsphase (englisch boost phase) ermittelte die Trägheitsnavigationsplattform allfällige Kurskorrekturen und übermittelt diese an vier Schwenkdüsen sowie vier wabenförmige Gitterflossen welche entsprechend ihren Anstellwinkel verändern.[6] Die Reichweitensteuerung erfolgt durch Anpassen der Flugbahn. Daher konnte die Flugbahn der Raketen neben der üblichen Wurfparabel auch der einer semi-ballistischen Kurve gleichen. Nach der Beschleunigungsphase erfolgte eine Schubterminierung und der Gefechtskopf wurde mit Bremstriebwerken von der Rakete abgetrennt. Der Weiterflug des Gefechtskopfes erfolgte nun steuer- und antriebslos auf der Flugbahn einer Wurfparabel.[6] Die maximale Reichweite betrug je nach Version 300–480 Kilometer. Die minimale Schussdistanz lag bei 50 Kilometer. Eine Schussdistanz von 400 km wurde in 300 Sekunden zurückgelegt.[7] Es wurde einen Streukreisradius (CEP) von 50–350 Metern erreicht.[8]

Der 9N74K-Streumunition-Gefechtskopf der 9M714K sollte sich in einer Höhe von 3.000 m öffnen und die Streumunition in einem kreisförmigen Gebiet mit einem Radius von 160–180 m verteilen. Ein 9N225-Bomblet war 330 mm lang und wog 3,84 kg, wovon 0,64 kg auf den Sprengstoff entfielen. Bei der Detonation erzeugte dieses rund 300 Fragmente zu je 5 g.

Die 9M714-Rakete verfügte über eine Reihe von Systemen zur Überwindung von gegnerischen Abwehrmaßnahmen. Sie wies eine flache semiballistische Flugbahn auf. Bei der maximalen Schussdistanz der 9M714-Rakete (rund 480 Kilometer) betrug das Apogäum lediglich 120 Kilometer.[2] Eine solch flache Flugbahn erschwerte die Zielerfassung durch Suchradars. Während der Schlussphase des Zielanfluges (Wiedereintrittes) wurde an Bord ein etwa 30 Kilogramm schwerer Störsender aktiviert, welcher auf das Feuerleitradar der MIM-104 Patriot abgestimmt war.[2]

Die verbesserte Ausführung 9K714U sollte mit einem Radar-Endphasen-Lenksystem ausgerüstet werden. Dieses enthielt ein digital arbeitendes Radarsystem in der Lenkwaffenspitze. Das Radarsystem steuerte die Rakete im Zielendanflug selbstständig auf einen Punkt zu, welcher zuvor auf einer digitalen Radar-Satellitenkarte markiert wurde. Mit diesem Zusatzsystem sollte eine Präzision (CEP) von 30–50 Metern erreicht werden. Das Projekt wurde nicht weiter verfolgt und 1987 abgebrochen.

Stationierungen

 
US-Karte zur Einsatzreichweite der sowjetischen SS-23 und SS-12 während des Kalten Krieges

Während der 1980er-Jahre war die 9K714 in der Sowjetunion auf dem Gebiet der Ukraine und Weißrusslands stationiert, außerdem bei den in der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (DDR), ČSSR und Polen stationierten Truppenkontingenten der Sowjetarmee. Daneben wurden in der ČSSR und in Bulgarien eine Anzahl dieser Systeme eingeführt. Die Nationale Volksarmee der DDR erhielt 1985 vier Startrampen des Systems 9K714 Oka, stationiert in Demen.[9] [10] Sowjetische Stationierungsstandorte in der DDR waren Jena-Forst mit 12 Trägersystemen und 47 Raketen sowie Weißenfels mit vier Trägersystemen und sechs Raketen.[11] Rund 33 9M713-Raketen waren auch in Laduschkin in der Oblast Kaliningrad gelagert.[12]

Im Zuge des INF-Abrüstungsabkommen (Intermediate-Range Nuclear Forces) wurden die noch im Einsatz stehenden 106 9P71-Startfahrzeuge sowie 308 Raketen ausgemustert und verschrottet.[3]

Verbreitung

 
Bulgarian 9K714 SS-21, ausgestellt im Bulgarischen Nationalen Militärgeschichtlichen Museum

Siehe auch

Literatur

  • Fiszer Michal & Gruszczynski Jerzy: Bolt From the Blue – Russian land-based precision-strike missiles. Journal of Electronic Defense, März 2003.
  • Schmucker Robert & Schiller Markus: Raketenbedrohung 2.0: Technische und politische Grundlagen. Mittler Verlag, 2015, ISBN 3-8132-0956-3.
Commons: OTR-23 Oka – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Missilery.info: Оперативно-тактический ракетный комплекс 9К714 Ока
  2. a b c Fiszer Michal & Gruszczynski Jerzy: Bolt From the Blue – Russian land-based precision-strike missiles. Journal of Electronic Defense. 2003. S. 12–14.
  3. a b Bastion-karpenko.ru: АРМЕЙСКИЙ ОПЕРАТИВНО-ТАКТИЧЕСКИЙ РАКЕТНЫЙ КОМПЛЕКС 9К714 «ОКА» ARMY TACTICAL MISSILE SYSTEM C «OKA»
  4. Raketenkomplex 9K714 Oka. In: rwd-mb3.de. Raketen- und Waffentechnischer Dienst im Kdo. MB III, abgerufen am 5. Januar 2019.
  5. kapyar.ru: Оперативно тактический ракетный комплекс «Ока» 9К714 SS-23 "Spider", "Ока-У"
  6. a b Schmucker Robert & Schiller Markus: Raketenbedrohung 2.0: Technische und politische Grundlagen. 2015. S. 353.
  7. Peterhall.de: OTR 9M714 "Oka"
  8. Militaryrussia.ru: Комплекс 9К714 Ока, ракета 9М714 - SS-23 SPIDER
  9. Sigurd Hess: NVA übte Atomwaffeneinsätze noch 1990. In: Marineforum 7/8-1999 S. 3f
  10. Harald Nielsen: Die DDR und die Kernwaffen, Die nukleare Rolle der Nationalen Volksarmee im Warschauer Pakt. Nuclear History Program, Internationale Politik und Sicherheit Band 30/6, hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik Ebenhausen, Baden-Baden 1998
  11. TREATY BETWEEN THE UNITED STATES OF AMERICA AND THE UNION OF SOVIET SOCIALIST REPUBLICS ON THE ELIMINATION OF THEIR INTERMEDIATE-RANGE AND SHORTER-RANGE MISSILES (Memento vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)
  12. Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty (INF Treaty). Abgerufen am 4. Januar 2021.