„Markiertheit“ – Versionsunterschied
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Der Begriff wurde zunächst von der [[Prager Schule]] in den 1920er Jahren entwickelt und bezog sich nur auf den Teilbereich der [[Phonologie]]. [[Nikolai Sergejewitsch Trubetzkoy|Nikolai Trubetzkoy]], Mitglied der Prager Schule, unterschied 1931 die Bedeutungen „merkmaltragend“ gegenüber „merkmallos“ für die Glieder spezieller phonologischer [[Opposition (Linguistik)|Oppositionen]].<ref>[[Nikolai Sergejewitsch Trubetzkoy|Nikolai S. Trubetzkoy]]: ''Die phonologischen Systeme.'' In: ''Travaux du Cercle Linguistique de Prague.'' Band 4, S. 96–116.</ref> So kann man stimmlose Verschlusslaute (/p, t, k/) als merkmallos/unmarkiert gegenüber /b, d, g/ ansehen, weil letztere das zusätzliche Merkmal [stimmhaft] besitzen. [[Roman Ossipowitsch Jakobson|Roman Jakobson]], ebenfalls Mitglied, übertrug 1932 die Bedeutung „merkmalhaltig“ gegenüber „merkmallos“ auf die [[Morphologie (Linguistik)|Morphologie]] (Formenlehre) des [[Russische Sprache|Russischen]].<ref>[[Roman Ossipowitsch Jakobson|Roman Osipovič Âkobson]]: ''Zur Struktur des russischen Verbums.'' Pražsky Linguist. Kroužek, Praha 1932.</ref>
Eine solche Gegenüberstellung findet sich auch in anderen Bereichen der Linguistik; beispielsweise ließe sich die Bezeichnung auch auf den [[Kasus]] anwenden. Laut dem Sprachwissenschaftler [[Christian Lehmann (Linguist)|Christian Lehmann]] wäre im Deutschen der [[Nominativ]] unmarkiert, während die anderen Kasus ([[Genitiv]], [[Dativ]] und [[Akkusativ]]) markiert wären.<ref>[[Christian Lehmann (Linguist)|Christian Lehmann]]: [https://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/index.html?https://www.christianlehmann.eu/ling/ling_theo/markiertheit.php ''Sprachtheorie: Markiertheit.''] 24. September 2009, abgerufen am 10. August 2020.</ref>
== Martkiertheit in der Phonologie ==
Der Begriff der Markiertheit setzt den der Opposition voraus (vgl. Trubetzkoy 1939). Unter den Oppositionen zwischen sprachlichen Einheiten hat man zunächst die binären von allen anderen zu unterscheiden. Von den '''binären Oppositionen''' gibt es wiederum zwei Haupttypen, die privativen und die äquipollenten:
* <dfn>Eine '''privative Opposition''' besteht zwischen zwei Einheiten, von denen die eine ein Merkmal hat, das die andere nicht hat.</dfn>Z.B. ist die Opposition zwischen /a/ und /ã/ im Französischen privativ, denn sie haben alle Merkmale miteinander gemeinsam, außer dass /ã/ [nasal] ist, /a/ dagegen nicht.
* <dfn>Eine '''äquipollente Opposition''' besteht zwischen zwei Einheiten, deren jede ein Merkmal hat, das die andere nicht hat.</dfn> Z.B. ist die Opposition zwischen /r/ und /l/ im Deutschen äquipollent, denn sie haben alle phonologischen Merkmale miteinander gemeinsam abgesehen davon, dass /l/ [lateral] und /r/ [vibrant] ist.
Ob eine sprachliche Einheit ein bestimmtes Merkmal hat oder nicht hat,<sup>1</sup> lässt sich natürlich nur unter bestimmten theoretischen Voraussetzungen feststellen. In der Phonologie legt sich immer zuerst die Rückbindung an die Phonetik nahe. Hier lassen sich Sprachlaute artikulatorisch beschreiben als durch die Kombination einzelner – und teilweise unabhängiger – Artikulationsbewegungen erzeugt. <dfn>Wenn zwei im Übrigen gleiche Laute sich nur dadurch voneinander unterscheiden, dass der eine gegenüber dem anderen eine zusätzliche Artikulationsbewegung involviert, so nennt man den ersten '''merkmalhaft'''.</dfn> Z.B. involviert [ã] gegenüber [a] zusätzlich die Senkung des Velums. Nach demselben Kriterium ist auch [d] gegenüber [t] merkmalhaft, weil es gegenüber diesem zusätzlich die Vibration der Stimmbänder involviert.
Aber selbst solche Feststellungen sind theorieabhängig. Eine zusätzliche Artikulationsbewegung lässt sich nur auf dem Hintergrund der Ruhelage des betreffenden Artikulationsorgans feststellen; aber aufgrund wovon definiert man die Ruhelage? Davon hängt es offensichtlich ab, ob die Senkung oder eher die Hebung des Velums eine zusätzliche Artikulationsbewegung ist; und ebenso, ob das Vibrieren der Stimmbänder oder deren Schlaffhängen eine zusätzliche Artikulationsbewegung ist. Obwohl dies letztere prima facie unplausibel klingt, werden wir sogleich sehen, dass es möglich ist.<!--spekulativ?-->
== Literatur ==<!--alphabetisch:-->
* Marcel Danesi: ''Opposition theory and the interconnectedness of language, culture, and cognition.'' In: ''Sign System Studies.'' Band 37, Nr. 1/2, 2009, S. 11–42 ([https://core.ac.uk/download/pdf/287783171.pdf PDF]), hier: S. 23–26 ''(Markedness)''.
* [[Peter Gallmann]]: ''Flexionsmerkmale und Markiertheit.'' Jena, Sommer 2016 ([http://www.personal.uni-jena.de/~x1gape/Wort/Wort_Unterspez.pdf PDF: 144 kB, 10 Seiten] auf uni-jena.de).
* [[Martin Haspelmath (Linguist)|Martin Haspelmath]]: ''Against markedness (and what to replace it with).'' In: ''Journal of Linguistics.'' Band 42, Nr. 1, 2006, S. 25–70 (englisch; [[Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie]]; [[doi:10.1017/S0022226705003683]]; [https://www.researchgate.net/publication/40852808_Against_markedness_and_what_to_replace_it_with online] auf researchgate.net).
* [[George A. Miller]]: ''Wörter. Streifzüge durch die Psycholinguistik.'' Herausgegeben und aus dem Amerikanischen übersetzt von [[Joachim Grabowski]] und [[Christiane Fellbaum]]. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1993; Lizenzausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1995; 2. Auflage ebenda 1996, ISBN 3-86150-115-5, S. 236–237.
* [[Roman Ossipowitsch Jakobson|Roman Jakobson]]: ''Signe zéro.'' In: ''Mélanges de linguistique offerts à Charles Bally.'' Genf 1939 (französisch; Aufsatz zum „Nullzeichen“).<!--soll Grundlagenliteratur sein zur "Markiertheit", siehe Diskussionsseite.-->
** Nachdruck: ''Selected Writings.'' Band 2: ''Word and Language.'' Herausgegeben von Stephen Rudy. Mouton, The Hague/Paris 1971, S. 111–119 (französisch; {{Google Buch |BuchID=qcrXOJD3UGcC |Seite=211 |Linktext=Seitenvorschauen}}).
** Ebenda, S. 220–222: ''Das Nullzeichen.'' Circle Linguistique de Copenhague, Juni 1939 (deutsch; {{Google Buch |BuchID=qcrXOJD3UGcC |Seite=220 |Linktext=Seitenvorschauen}}).
* Birgit Rabofski: ''Motion und Markiertheit: synchrone und sprachhistorische Evidenz aus dem Gotischen, Althochdeutschen und Altenglischen für eine Widerlegung der Theorien zur Markiertheit'' (= ''Europäische Hochschulschriften.'' Band 21). Lang, Frankfurt/M. u. a. 1990, ISBN 3-631-42539-2 (Doktorarbeit Universität Hannover 1988).
* [[Nikolai Sergejewitsch Trubetzkoy]]: ''Die phonologischen Systeme.'' In: ''Travaux du Cercle Linguistique de Prague.'' Band 4, 1930er, S. 96–116.<!--Details? online?-->
* Noam Chomsky und Morris Halle: ''The sound pattern of English.'' New York & London: Harper & Row 1968.
== Weblinks ==
{{Wiktionary|Markiertheit}}
* Justo Fernández López: [http://hispanoteca.eu/Linguistik/ma/MARKIERT%20vs%20UNMARKIERT.htm ''Markiert vs. unmarkiert (Marcado vs. no marcado).''] In: ''hispanoteca.eu.'' 27. Januar 2019.
== Einzelnachweise ==
<references />
[[Kategorie:Syntax]]
[[Kategorie:Geschlechtergerechte Sprache]]
[[Kategorie:Allgemeine Linguistik]]
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