„Sprengstoff“ – Versionsunterschied
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[[Datei:Dangclass1.svg|mini|ADR [[Gefahrgutklasse]] 1 – [[Explosivstoffe]] und Gegenstände, die Explosivstoffe enthalten]]
Ein '''Sprengstoff''' oder auch '''Explosivmittel''' ist eine [[chemische Verbindung]] oder eine Mischung chemischer Verbindungen, die unter bestimmten Bedingungen sehr schnell reagieren und dabei eine
Die Sprengstoffe gehören zusammen mit den
== Einführung ==
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== Geschichte ==
Der erste Explosivstoff – [[Schwarzpulver]] – wurde schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte hergestellt, da alle Komponenten ([[Kaliumnitrat|Kalisalpeter]], [[Schwefel]] und [[Holzkohle]]) leicht verfügbar sind. Der
Die ersten synthetischen Sprengstoffe waren 1847 [[Glycerintrinitrat|Nitroglycerin]], entdeckt von [[Ascanio Sobrero]] in Turin, sowie 1846 [[Zellulosenitrat]] (''Nitrozellulose'' bzw. ''Schießbaumwolle''). Da Glycerintrinitrat sehr erschütterungsempfindlich ist und ungenügend neutralisiertes Zellulosenitrat zur Selbstentzündung neigt, deren Ursache zunächst nicht erkannt wurde, war die Handhabung sehr gefährlich. 1862 erfand [[Alfred Nobel]] die Initialzündung und 1867 gelang es ihm in [[Krümmel (Geesthacht)|Krümmel]] bei [[Geesthacht]], durch Aufsaugen von [[Glycerintrinitrat]] in [[Kieselgur]] [[Dynamit]] herzustellen. 1875 fand Nobel durch Gelatinieren des flüssigen Glycerintrinitrats mit 6 bis 8 % festem Zellulosenitrat die Sprenggelatine, den damals stärksten gewerblichen Sprengstoff. Da auch die Sprenggelatine noch ziemlich schlagempfindlich und teuer war, wurden durch Zumischen von [[Holzmehl]] und Nitraten die sogenannten ''gelatinösen Sprengstoffe'' entwickelt. Sie sind handhabungssicher und sprengkapselempfindlich.
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Mit der [[Stoffmenge]] <math>n</math> der gasförmigen Detonationsprodukte (Schwaden) pro Gramm Sprengstoff (in mol/g) ergibt sich das spezifische Schwadenvolumen (in l/kg) wie folgt:
:<math>
Beispiel: Aus 1 Kilogramm Ammoniumnitrat entstehen bei seiner vollständigen Explosion ca. 43,7 Mol Wasserdampf, Stickstoff und Sauerstoff.
:<math>\mathrm{
Gemäß obiger Formel ergibt sich ein spezifisches Schwadenvolumen bzw. Normalgasvolumen für reines Ammoniumnitrat mit 980 l/kg.<ref name="Explosivstoffe">Josef Köhler, Rudolf Meyer, Axel Homburg: ''Explosivstoffe.'' 10. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.</ref>▼
▲Gemäß obiger Formel ergibt sich ein spezifisches Schwadenvolumen bzw. Normalgasvolumen für reines Ammoniumnitrat mit 980 l/kg.<ref name="Explosivstoffe">Josef Köhler, Rudolf Meyer, Axel Homburg: ''Explosivstoffe.'' 10., vollständig überarbeitete Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.</ref>
=== Spezifische Energie ===
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! style="background:#DDDDDD"| Pentaerythrit-<br />tetranitrat<br />(Nitropenta)
! style="background:#DDDDDD"| Trinitrotoluol<br />(TNT)
! style="background:#DDDDDD"| Hexogen<br />(RDX; T4)
|-
! style="background:#DDDDDD"| Schmelz-<br />temperatur<br />°C
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| 13,5
| −22
| zersetzt sich<br />bei 180 °C
| 141
| 81
| 204–206 °C <br />(Zersetzung)
|-
! style="background:#DDDDDD"| Dichte<br /><br />g/cm³
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| 1,77
| 1,65
| 1,82
|-
! style="background:#DDDDDD"| Sauerstoff-<br />bilanz<br />%
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| −10,1
| −74,0
|
|-
! style="background:#DDDDDD"| Explosions-<br />wärme<br />kJ/kg
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| 5862
| 3977
| 5625
|-
! style="background:#DDDDDD"| Schwaden-<br />volumen<br />l/kg
Zeile 104 ⟶ 111:
| 780
| 740
| 927
|-
! style="background:#DDDDDD"| Spezifische Energie<br />MPa · l/kg
Zeile 112 ⟶ 120:
| 1327
| 821
| 1370
|-
! style="background:#DDDDDD"| Detonations-<br />geschwindigkeit<br />m/s
Zeile 120 ⟶ 129:
| 8400
| 6900
| 8750
|-
! style="background:#DDDDDD"| Explosions-<br />temperatur<br />K
Zeile 128 ⟶ 138:
| 4200
| 2820
|
|}
: nach Ammedick<ref>{{Literatur |Autor=Erich Ammedick |Titel=Militärchemie. Eine Einführung |Sammelwerk=Bausteine der Chemie |Auflage=4. |Verlag=VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie |Ort=Leipzig |Datum=1980 |ISBN=978-3-342-00037-2}}</ref>; Hexogen nach Köhler<ref name="Explosivstoffe" />
== Nutzung ==
[[Datei:Doberschau 2012-09-02-0410.jpg|mini|Warnschild am Betriebsgelände des Sprengstoffwerks Gnaschwitz]]
Zivile Sprengstoffe werden zum größten Teil zur [[Gewinnung (Bergbau)|Gewinnung]] von [[Gestein]] in [[Tagebau]]en ([[Steinbruch]]: [[Basalt]], [[Granit]], [[Diabas]], [[Kalkstein|Kalk]] etc.), zur Werksteingewinnung und im [[Bergbau]] ([[Steinkohle]], [[Kalisalz|Kali]] & [[Steinsalz|Salz]], [[Gips]], [[Erz]]abbau etc.) eingesetzt. Daneben finden sie im Verkehrswegebau, im Tunnelbau, bei Abbruchsprengungen, in der Sprengseismik und in der [[Pyrotechnik]] ([[Feuerwerk]]) Verwendung. Die Produktion gewerblicher Sprengstoffe in Deutschland betrug im Jahre 2004 rund 65.000 Tonnen. [[ANC-Sprengstoffe]] machten davon ca. 36.000 Tonnen aus, [[gelatinöse Sprengstoffe]] auf NG-Basis ca. 10.000 Tonnen, gepumpte und patronierte [[Emulsionssprengstoffe]] ca. 16.000 Tonnen. Die restliche Menge verteilt sich auf Wettersprengstoffe für den Steinkohlenbergbau und auf Schwarzpulver für die Werksteingewinnung. Führende Hersteller industrieller Sprengstoffe in Deutschland sind [[Orica]] (Troisdorf und Würgendorf), Westspreng (Finnentrop, gehört zu [[Maxam]]), [[Sprengstoffwerk Gnaschwitz]] (gehört zu Maxam) und [[WASAG AG]] (Sythen, ebenfalls Maxam). Von militärischen Sprengstoffen unterscheiden sie sich durch eine größere Bandbreite an Varianten für die jeweiligen speziellen Anwendungsfälle und den höheren Stellenwert einer möglichst kostengünstigen Produktion.<ref>Thomas Enke: ''Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik,'' 2., aktualisierte Auflage. Walhalla Fachverlag, Regensburg 2021, [[doi:10.5771/9783802947780]], S. 107.</ref>
Militärische Sprengstoffe werden als Füllmittel für [[Granate]]n, [[Bombe]]n, [[Mine (Waffe)|Minen]], Gefechtsköpfe von [[Rakete]]n und [[Torpedo]]s, sowie als Bestandteile von Treibsätzen verwendet. Ein spezieller Punkt ist die Verwendung in [[Atomwaffe]]n zur Verdichtung von Plutonium, um eine kritische Masse zu erhalten und damit eine [[Kettenreaktion (Kernphysik)|Kettenreaktion]] auszulösen. Die Anforderungen an diese Stoffe weichen zum Teil von denen an zivile Sprengstoffen ab. So ist eine möglichst große Energieentfaltung je Gewicht und Volumen wichtiger als in der zivilen Verwendung, weil Kombattanten und Großwaffensysteme nur eine begrenzte Menge an Munition mitführen können und Geschosse bei geringerem Gewicht eine größere Reichweite erlangen. Darüber hinaus müssen militärische Sprengstoffe für die meisten Anwendungen besonders unempfindlich gegen Stöße sein, um trotz der hohen Beschleunigung beim Schussvorgang keine Explosionen im Waffenrohr auszulösen. Von besonderer Bedeutung ist die chemische Stabilität insbesondere bei Berührung mit Bauteilen der Munition, damit auch bei langer Lagerung keine Reaktionen auftreten, die die Wirkung verringern oder die Gefahr einer ungewollten Explosion erhöhen. Eine weitere Anforderung ist eine geringe Neigung zur Umsetzung bei Beschuss und Brand.<ref>Thomas Enke: ''Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik,'' 2., aktualisierte Auflage. Walhalla Fachverlag, Regensburg 2021, [[doi:10.5771/9783802947780]], S. 102.</ref>
Für terroristische Zwecke werden sowohl militärische und zivile Sprengstoffe als auch selbst hergestellte Sprengstoffe (Selbstlaborate) verwendet. Beispiele sind das Gemisch aus [[Puderzucker]] und einem chlorathaltigen Unkrautvernichtungsmittel oder Gemische auf [[Ammonsalpeter]]basis. Das Mischen solcher Sprengstoffe ist sehr gefährlich, da sie dabei unvorhersehbar detonieren können.
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* [[Hexogen]] (RDX)
* [[Oktogen]] (HMX)
* [[Dipikryloxid]]
* [[Dipikrylsulfid]]
* [[Hexanitrostilben]] (HNS)
* [[Hexanitroazobenzol]] (HNAB)
* [[Pikrylaminodinitropyridin]] (PYX)
* [[Nitrotriazolon]] (NTO)
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* [[Tetranitromethan]]
* [[Dinitrotetraoxadiazaisowurtzitan]] (TEX)
[[Datei:Eurodyn2000.jpg|alternativtext=Diese Abbildung zeigt zwei aufgeschnittene Patronen des gelatinösen Gesteinssprengstoffs Eurodyn 2000|
=== Grundsubstanzen für Ersatzsprengstoffe ===
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* [[Trinitroazetidin]] (TNAZ)
* [[Octanitrocuban]]
* [[TKX-50]]
== Siehe auch ==
* [[
* [[Sprengladung]]
* [[Sprengstoffspürhund]]
* [[Tablettensprengmittel]]
* [[Sprengstoffgesetz (Deutschland)]]
Zeile 263 ⟶ 279:
== Literatur ==
* Thomas Enke: ''Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik.'' Walhalla Fachverlag, 4., aktualisierte Auflage, Regensburg, 2023, ISBN 978-3-8029-6198-4, S. 107 ff.
* {{Literatur
|Autor=Manuel Baetz
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== Einzelnachweise ==
<references />
{{Normdaten|TYP=s|GND=4056544-0|LCCN=sh85046474}}
[[Kategorie:Sprengstoff| ]]
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