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{{Begriffsklärungshinweis|Zur Hörspielreihe siehe [[Tatbestand (Hörspielserie)]].}}
 
Der '''Tatbestand''', auch '''Tatsächlichkeit''', '''Gegebenheit''' oder '''Faktizität''', ist ein grundlegender Begriff in der [[Philosophie]] und [[Rechtswissenschaft]]. Präzisiert wird er in spezieller Hinsicht:
* in der Rechtswissenschaft als [[Rechtsbegriff]]:
Präzisiert wird er in spezieller Hinsicht:
* in der Rechtswissenschaft:
** als ''konkreter Lebenssachverhalt'' ([[Faktum]]); der Begriff erklärt sich selbst als „''Bestand''saufnahme“ einer ''Tat'' im weitesten Sinne, also aller Umstände menschlichen Tuns,
** in der [[Normentheorie]] als ''Bestandteil einer'' (zumeist abstrakten) ''[[Rechtsnorm]]'',
** im [[Verfahrensrecht]] als Bestandteil eines erstinstanzlichen [[Urteil (Rechtswissenschaft)|Urteils]], das den ''Sach- und Streitstand'' wiedergibt.
* in der Philosophie:
** als „Tatsächlichkeit in ihrer Gegebenheit“[[Das Gegebene|Gegebenheit]]“, in ihrer ''nicht notwendigen'' Gewordenheit.
** bei [[Martin Heidegger]] auf die „Faktizität des [[Dasein]]s“ bezogen, das als Geschichtliches in seine Existenz geworfen wurde. Heidegger bezieht sich hier also darauf, dass der Mensch als kulturelles Wesen durch seine Kulturgeschichte in Denk-, Fühl-, und Wahrnehmungsformen bestimmt sei. Diese seien jedoch im historischen Prozess zufällig und nicht notwendig so gewachsen, wie sie nun faktisch gegeben sind.
 
Im weiteren Sinne wird der Begriff auch für [[Sachverhalt]]e verwendet, die sich nicht auf einzelne Taten (Handlungen) zurückführen lassen (z. B. als [[sozialer Tatbestand]] bei [[Émile Durkheim]]).
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Tatbestand ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Voraussetzungen des [[Gesetz]]es für eine [[Rechtsfolge]]; er benennt somit die abstrakten Merkmale, die einer Tat im rechtlichen Sinne zugrunde liegen. Er wird untergliedert in einzelne [[Tatbestandsmerkmal]]e.
 
Man unterscheidet dabei zwischen ''geschriebenen'' und ''ungeschriebenen'' Tatbestandsmerkmalen. Die vom Gesetzgeber in die jeweilige [[Rechtsnorm]] geschriebenen Tatbestandsmerkmale werden in einigen wenigen Fällen von der [[Herrschende Meinung|herrschenden Meinung]] in [[Richterrecht|Rechtsprechung]], rechtswissenschaftlicher Literatur oder Lehre ergänzt (etwa zur Abgrenzung zu sonst zwecklosen Normen).
 
Normtatbestände mit Elementen des [[Verschulden]]s oder der [[Vorwerfbarkeit]], insbesondere Straftatbestände, enthalten [[Objektivität|objektive]] und [[Subjektivität|subjektive]] Tatbestandsmerkmale, die man in ihrer Gesamtheit auch objektiven Tatbestand ({{laS|''[[actus reus'']]}}) und subjektiven Tatbestand (lateinisch ''{{lang|alla|[[Mens rea|mens rea]]}}'') nennt. Wer sie erfüllt, handelt ''tatbestandsmäßig''.
 
Auch kann zwischen [[Deskription|deskriptiven]] (beschreibenden) und normativen[[normativ]]en (ein Werturteil erfordernden) Tatbestandsmerkmalen differenziert werden: Während der Gesetzgeber mit dem Merkmal „[[Geschäftsraum|Geschäftsräume]]“ ({{§|123|stgb|juris}} [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]]) nur etwas beschreibt, was sich in der allgemeinen Sachwahrnehmung vollständig erschließt, hat das Merkmal ''[[Eigentum]]'' ({{§|823|bgb|juris}} Abs.  1 [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]]) nur deshalb Aussagekraft, weil der Gesetzgeber es selbst geschaffen und präzisiert hat.
 
Das Gegenstück zu den Tatbestandsvoraussetzungen sind die rechtlichen Konsequenzen ([[Rechtsfolge]]). Der allgemeine Rechtsgrundsatz hierzu lautet: ''{{lang|la|''[[Da mihi factum, dabo tibi ius]].}}'' ‚Gib|de=Gib mir die [[Fakten]]Tatsache(n), dann werdegebe ich dir das Recht(daraus geben‘folgende) Recht}}, gemeint: Anhand der Tatsachen ist das Recht zu [[deduzieren]]; siehe auch [[Subsumtion]].
 
=== Strafrecht ===
Im [[Strafrecht]] findet eine Differenzierung statt und der Tatbestand wird in einen objektiven und einen subjektiven Teil gegliedert.
 
''Objektive Tatbestandsmerkmale'' beschreiben die für die Außenwelt wahrnehmbaren Erscheinungsformen der Tatbestandsverwirklichung, also die Umstände, die das äußere Erscheinungsbild der Tat bestimmen, so z. B. die Person des Täters[[Täter]]s, das Handlungsobjekt (etwa [[Tatobjekt]] des [[Diebstahl (Deutschland)|Diebstahls]] „fremde, bewegliche Sache“, {{§|242|stgb|juris}} StGB) oder die [[Objektive Zurechnung|objektive Zurechenbarkeit]].
 
Der ''subjektive Tatbestand'' bestimmt die inneren Gegebenheiten, die zu der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes noch hinzutreten müssen. Diese Merkmale existieren nur in der Person des Täters (etwa der [[Vorsatz (RechtswissenschaftDeutschland)|Vorsatz]] oder eine [[Bereicherungsabsicht]] im [[Betrug (Deutschland)|Betrugstatbestand]], {{§|263|stgb|juris}} StGB). Zu prüfen ist die Einstellung des Täters oder des [[zivilrecht]]lich Handelnden anhand intellektueller und voluntativer Elemente. Hierbei ist etwa für das [[Verschulden]] das Maß des Wissens und des Wollens bei einem erforderlichen Vorsatz und das Maß der Erkennbar- und Vermeidbarkeit für eine ausreichende [[Fahrlässigkeit]] festzustellen und auf [[dogmaRechtsdogmatik|dogmatisch]]tisch erarbeiteten graduellen Skalen einzuordnen. Ein Merkmal des subjektiven Tatbestands ist mindestens der Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestands. Wird im subjektiven Tatbestand mehr verlangt, als im objektiven Tatbestand erfüllt sein muss, spricht man von [[Überschießende Innentendenz|erfolgskupierten Delikten]].
 
Der Begriff des '''Straftatbestandes''' ist mehrdeutig. Er wird einerseits dazu gebraucht, lediglich die objektiven und subjektiven Merkmale zu nennen (Tatbestand im engeren Sinne), andererseits wird der Straftatbestand bereits als das sogenannte [[Unrecht]] (also eigentlich der '''Unrechtstatbestand''') verstanden, der den Tatbestand im engeren Sinne und die [[Rechtswidrigkeit]] umfasst. Die weite Auffassung sieht den Begriff [[synonym]] zum Begriff der [[Straftat]]. Damit würde der Begriff neben dem Tatbestand im engeren Sinne auch die Rechtswidrigkeit und die [[Schuld (Strafrecht)|Schuld]] umfassen.
 
=== Verfahrensrecht ===
{{Staatslastig|DE}}
{{Siehe auch|Syllabus}}
 
Bei einem [[Urteil (Rechtswissenschaft)|Urteil]] im Sinne der vom Gericht erstellten [[Urkunde]] bezeichnet der Tatbestand oder [[Sachbericht]] den im [[Gerichtsprozess|Verfahren]] ermittelten konkreten Lebenssachverhalt und des Geschehens in der Verhandlung selbst. Der Tatbestand gibt somit die Grundlage wieder, auf der das Urteil beruht. Der Tatbestand eines Urteils hat die Qualität einer [[Öffentliche Urkunde|öffentlichen Urkunde]] nach {{§|415|ZPOzpo|dejurejuris}} [[Zivilprozessordnung (Deutschland)|Zivilprozessordnung (ZPO)]].
 
Im Zivilurteil und im [[Verwaltungsgerichtsbarkeit|verwaltungsgerichtlichen]] Urteil enthält der Tatbestand den [[Tatsachenvortrag]] der [[Partei (Recht)|Parteien]], die [[Antrag|Anträge]] und die Prozessgeschichte (z. B. die vom Gericht erhobenen [[Beweis (Rechtswesen)|Beweise]] und den Prozessverlauf), vgl. {{§|313|ZPOzpo|dejurejuris}} ZPO. Im Zivilurteil gliedert er sich zumeist in einen Einleitungssatz, der die [[Kardinalfrage]]n an den Fall (''wer will was von wem woraus'') in dieser Reihenfolge beantwortet, in das unstreitige Parteivorbringen, das streitige Klägervorbringen, die Parteianträge, das Verteidigungsvorbringen des Beklagten und als letztes die Prozessgeschichte.
 
Die einzelnen Tatbestandsteile kennzeichnet der [[Richter]] stilistisch durch folgende [[Modus (Grammatik)|Modi]] und [[Tempus|Tempora]]:
 
{| class="wikitable"
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! Imperfekt/Präteritum
! Perfekt
|- valignstyle="vertical-align:top"
! Indikativ
| Einleitungssatz
Zeile 55 ⟶ 53:
| unstreitige Tatsachen
| Prozessgeschichte
|- valignstyle="vertical-align:top"
! Konjunktiv
| Rechtsansichten
Zeile 62 ⟶ 60:
|}
 
Der Tatbestand liefert den Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Dieser Beweis kann nur durch das [[Sitzungsprotokoll]] entkräftet werden {{§|314|ZPOzpo|dejurejuris}} ZPO. Enthält der Tatbestand Fehler, so kann ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach {{§|320|ZPOzpo|dejurejuris}} ZPO gestellt werden. Offensichtliche Rechen- oder Schreibfehler und ähnliche Unrichtigkeiten kann das Gericht auch [[von Amts wegen]] berichtigen, {{§|319|ZPOzpo|dejurejuris}} ZPO.
 
Im Strafprozess bezeichnet man den ermittelten Sachverhalt meist als „Feststellungen“.
 
{{Siehe auch|Syllabus}}
 
== Siehe auch ==
* [[StrafprozessStrafprozessrecht (Deutschland)]]
* [[Zivilprozess]]
* [[Zivilprozessordnung (Deutschland)]]
 
== Literatur ==
* {{Literatur |Autor=[[Claus Roxin]]: ''|Titel=Strafrecht. Allgemeiner Teil.'' (|Band =1). |Auflage=3. Auflage. |Verlag=Beck Verlag, |Ort=München |Datum=1997, |ISBN =3-406-42507-0, S.|Seiten=223–286 223–286.}}
 
== Weblinks ==
{{Rechtshinweis}}
{{Wiktionary|Tatbestand}}
* {{DNB-Portal|4059107-4}}
 
{{Rechtshinweis}}
{{Normdaten|TYP=s|GND=4059107-4}}
 
[[Kategorie:Juristische Methodenlehre]]
[[Kategorie:Rechtsstaat]]
 
[[ru:Состав преступления]]
[[es:Supuesto de hecho]]