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== Tatbestand in der Rechtswissenschaft ==
=== Normentheorie ===
Tatbestand ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Voraussetzungen des [[Gesetz]]es für eine [[Rechtsfolge]]; er benennt somit die abstrakten Merkmale, die einer Tat im rechtlichen Sinne zugrunde liegen. Er wird untergliedert in einzelne [[Tatbestandsmerkmal]]e.
 
Man unterscheidet dabei zwischen ''geschriebenen'' und ''ungeschriebenen'' Tatbestandsmerkmalen. Die vom Gesetzgeber in die jeweilige [[Rechtsnorm]] geschriebenen Tatbestandsmerkmale werden in einigen wenigen Fällen von der herrschenden Meinung in [[Richterrecht|Rechtsprechung]], rechtswissenschaftlicher Literatur oder Lehre ergänzt (etwa zur Abgrenzung zu sonst zwecklosen Normen).
 
Normtatbestände mit Elementen des [[Verschulden]]s oder der [[Vorwerfbarkeit]], insbesondere Straftatbestände, enthalten objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale, die man in ihrer Gesamtheit auch objektiven Tatbestand (lat. {{laS|''actus reus''}}) und subjektiven Tatbestand (lat.lateinisch ''{{lang|al|[[Mens rea|mens rea]]}}'') nennt. Wer sie erfüllt, handelt ''tatbestandsmäßig''.
 
Auch kann zwischen deskriptiven (beschreibenden) und normativen (ein Werturteil erfordernden) Tatbestandsmerkmalen differenziert werden: Während der Gesetzgeber mit dem Merkmal „Hund“ ({{§|143|stgb|juris}} StGB) nur etwas beschreibt, was sich in der allgemeinen Sachwahrnehmung vollständig erschließt, hat das Merkmal ''[[Eigentum]]'' ({{§|823|bgb|juris}} Abs. 1 BGB) nur deshalb Aussagekraft, weil der Gesetzgeber selbst es geschaffen und präzisiert hat.
 
Das Gegenstück zu den Tatbestandsvoraussetzungen sind die rechtlichen Konsequenzen ([[Rechtsfolge]]). Der allgemeine Rechtsgrundsatz hierzu lautet: ''{{lang|la|Da mihi factum, dabo tibi ius.}}'' („Gib‚Gib mir die [[Fakten]], dann werde ich dir das Recht geben“geben‘, gemeint: Anhand der Tatsachen ist das Recht zu [[deduzieren]]; siehe auch [[Subsumtion]]).
 
=== Strafrecht ===
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{{Siehe auch|Syllabus}}
 
Bei einem [[Urteil (Rechtswissenschaft)|Urteil]] im Sinne der vom Gericht erstellten [[Urkunde]] bezeichnet der Tatbestand den im [[Gerichtsprozess|Verfahren]] ermittelten konkreten Lebenssachverhalt und des Geschehens in der Verhandlung selbst. Der Tatbestand gibt somit die Grundlage wieder, auf der das Urteil beruht. Der Tatbestand eines Urteils hat die Qualität einer [[Öffentliche Urkunde|öffentlichen Urkunde]] nach [http://dejure.org/gesetze/ZPO/415.html {{§ |415|ZPO|dejure}} ZPO].
 
Im Zivilurteil und im verwaltungsgerichtlichen Urteil enthält der Tatbestand den [[Tatsachenvortrag]] der [[Partei (Recht)|Parteien]], die [[Antrag|Anträge]] und die Prozessgeschichte (z. B. die vom Gericht erhobenen [[Beweis (Rechtswesen)|BeweisBeweise]]e und den Prozessverlauf), vgl. [http://dejure.org/gesetze/ZPO/313.html {{§ |313|ZPO|dejure}} ZPO]. Im Zivilurteil gliedert er sich zumeist in einen Einleitungssatz, der die [[Kardinalfrage]]n an den Fall - wer will was von wem woraus - in dieser Reihenfolge beantwortet, in das unstreitige Parteivorbringen, das streitige Klägervorbringen, die Parteianträge, das Verteidigungsvorbringen des Beklagten und als letztes die Prozessgeschichte.
 
Die einzelnen Tatbestandsteile kennzeichnet der Richter stilistisch durch folgende [[Modus (Grammatik)|Modi]] und [[Tempus|Tempora]]:
 
{| borderclass="1" cellspacing="0wikitable"
!
|! Präsens
|! Imperfekt/Präteritum
|! Perfekt
|- valign="top"
|! Indikativ
| Einleitungssatz
Anträge
| unstreitige Tatsachen
| Prozessgeschichte
|- valign="top"
|! Konjunktiv
| Rechtsansichten
|
| streitige Tatsachenbehauptungen
|}
 
Der Tatbestand liefert den [[Beweis (Rechtswesen)|Beweis]] für das mündliche Parteivorbringen. Dieser Beweis kann nur durch das [[Sitzungsprotokoll]] entkräftet werden [http://dejure.org/gesetze/ZPO/314.html {{§ |314|ZPO|dejure}} ZPO]. Enthält der Tatbestand Fehler, so kann ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach [http://dejure.org/gesetze/ZPO/320.html {{§ |320|ZPO|dejure}} ZPO] gestellt werden. Offensichtliche Rechen- oder Schreibfehler und ähnliche Unrichtigkeiten kann das Gericht auch von Amts wegen berichtigen, [http://dejure.org/gesetze/ZPO/319.html {{§ |319|ZPO|dejure}} ZPO].
 
Im Strafprozess bezeichnet man den ermittelten Sachverhalt meist als „Feststellungen”.