„Vaterland“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|behandelt das Vaterland als Konzept im Sinne von [[Heimat]]. Zu anderen, meist davon abgeleiteten, Bedeutungen siehe [[Vaterland (Begriffsklärung)]].}}
[[Datei:Stone Vaterland Nur Dir.jpg|mini|„Vaterland, nur dir!“ Losung der [[Schweiz]]er [[Turnen#Geschichte|Turnerbewegung]] auf einem Sockel an der [[Zürich|Zürcher]]
'''Vaterland''' ist ein Land, aus dem man stammt, dessen [[Volk]] oder [[Nation]] man sich zugehörig fühlt; [[Synonym]]e sind Geburtsland, [[Heimat]] bzw. Heimatland. Seit dem späten 18. Jahrhundert wurde der Begriff sakralisiert. Von Männern wurde verlangt, in seinem Namen notfalls ihr Leben zu opfern. Seit dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wird dem Vaterland immer seltener eine [[identität]]sstiftende Wirkung zugeschrieben.
== Etymologie ==
Das [[Mittelhochdeutsche Sprache|mittelhochdeutsche]] Wort ''vaterlant'' ist zum ersten Mal gegen Ende des [[11. Jahrhundert]]s im ''[[Summarium Henrici]]'', einer verkürzten Version des [[Etymologiae]] belegt. Es handelt sich um eine Übersetzung des [[latein]]ischen Wortes ''patria''.<ref>[[Friedrich Kluge]]: ''[[Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache]]''. 7. Auflage, bearbeitet von [[Walther Mitzka]]. Walter de Gruyter, Berlin 1957, ISBN 978-3-11-154374-1, S. 812 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> Die Grundbedeutung war „(väterliches) [[Grundstück]]“.<ref name="Grimm">[
== Ideologie ==
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=== Französische Revolution ===
[[Datei:SermentLouisXVI1790.JPG|mini|Nicolas-Guy Brenet: ''[[Ludwig XVI.]] schwört Treue zur Verfassung am [[Altar des Vaterlands]].'' Gemälde
Ihren Ausgang hatte diese Aufwertung des Vaterlands im [[Französische Revolution|revolutionären Frankreich]] genommen. 1748 hatte der Aufklärer [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Charles de Montesquieu]] in seinem [[Vom Geist der Gesetze|''Esprit des lois'']] die Liebe zum Vaterland noch als [[Tugend]] der Selbstverleugnung allein für eine [[Republik]] beschrieben. Treibende moralpsychologische Kraft in [[Monarchie]]n sei dagegen die [[Ehre]].<ref>Alexander Schmidt: ''Ein Vaterland ohne Patrioten? Die Krise des Reichspatriotismus im 18. Jahrhundert''. In: Georg Schmidt (Hrsg.): ''Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa. Politische Ordnung und kulturelle Identität?'' Oldenbourg, München 2010, S. 35–63, hier S. 41 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> Noch vor deren Abschaffung wurde ''{{frS|la patrie}}'' aber bereits zentraler Anker der [[Nationale Identität|Identität]]. Seit 1789 erhob sie höhere Ansprüche an den Einzelnen als Dorfgemeinschaft, [[Ständegesellschaft|ständisches Bewusstsein]], kirchliche, regionale oder dynastische Verwurzelungen. Dies zeigt sich etwa beim [[Föderationsfest]] zum Jahrestag des [[Sturm auf die Bastille|Sturms auf die Bastille]], als [[Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord]] am 14. Juli 1790 vor Hunderttausenden Zuschauern eine [[Heilige Messe]] am
=== Sterben für das Vaterland ===
[[Datei:Kriegerdenkmal in Hammerstedt 3.JPG|mini|„Mit Gott für Fürst und Vaterland“. [[Kriegerdenkmal]] für die Gefallenen beider Weltkriege in [[Hammerstedt]], [[Thüringen]]]]
Im [[Nationalismus]], der sich im 19. Jahrhundert entfaltete, spielte das Vaterland eine zentrale Rolle. Es galt als einer der höchsten [[Wertvorstellung|Werte]] überhaupt und konnte sogar den Anspruch erheben, das eigene Leben dafür hinzugeben.<ref>Christian Jansen mit Henning Borggräfe: ''Nation – Nationalität – Nationalismus.'' Campus, Frankfurt am Main 2007, S. 92–98 u. ö.</ref> Eine erste Formulierung dieses Anspruchs hatte Thomas Abbt während des [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieges]] mit seiner Schrift ''Vom Tode für das Vaterland'' geliefert, ja die Bereitschaft dazu als entscheidende Bedingung der Zugehörigkeit zu einem Staat bezeichnet, ob man in ihm nun geboren sei oder sich erst später dazu entschlossen hätte: „Alsdann nenne ich diesen Staat mein Vaterland“.<ref>Bernd Schönemann: ''Volk, Nation, Nationalismus, Masse''. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hrsg.): ''Geschichtliche Grundbegriffe''. Bd. 7, Klett-Cotta, Stuttgart 1992, S. 311 f.</ref> 1800 feierte [[Friedrich Hölderlin]] in einer [[Ode]] den [[Der Tod fürs Vaterland|''Tod fürs Vaterland'']]. Häufig wurde dieser Anspruch etwa mit einer Umdeutung der Ode ''Angustam amice'' des römischen Dichters [[Horaz]] begründet, das die berühmte Zeile enthält: [[Liste lateinischer Phrasen/D#Dulce et decorum est pro patria mori.|Dulce et decorum est pro patria mori]] (deutsch: „Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben.“) Die Militarisierung des Vaterlandsbegriffs zeigte sich auch in [[Max Schneckenburger]]s ''[[Die Wacht am Rhein]]'' von 1840: Dass das „lieb Vaterland“ des Refrains „ruhig sein“ mochte, war darin dem Militär zu danken, das Wacht hielt.<ref>Peter Zudeick: ''Heimat. Volk. Vaterland.: Eine Kampfansage an Rechts.'' Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86489-109-0, S. 78.</ref> Im [[Le Chant des Girondins|Gesang der Girondisten]], der während der [[Zweite Französische Republik|Zweiten Französischen Republik]] die französische [[Nationalhymne]] war, heißt es im Refrain: „Mourir pour la Patrie / C’est le sort le plus beau, le plus digne d’envie“ – „Sterben für das Vaterland ist das schönste, das beneidenswerteste Los“.
Die Glorifizierung des Soldatentods für das Vaterland wirkte angesichts des millionenfachen Sterbens im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] nicht mehr glaubhaft: Der britische Dichter [[Wilfred Owen]], der selber 1918 fiel, bezeichnete sie in seinem [[Dulce et Decorum est (Gedicht)|''Dulce et Decorum est'']], einem 1917 verfassten Gedicht über einen [[Giftgas]]angriff, rundheraus als eine „alte Lüge“. Gleichwohl wurde
In [[Portugal]] endet die [[Nationalhymne]] ''[[A Portuguesa]]'' (1890) mit den Worten: „pela Patria lutar, contra os canhões marchar, marchar!“ („fürs Vaterland kämpfen, gegen die Kanonen marschieren, marschieren!“)
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=== Nationalsozialismus ===
In der [[Zeit des Nationalsozialismus]] diente der Begriff dazu, [[Propaganda|propagandistisch]] den Herrschaftsanspruch der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] und ihre [[Blut-und-Boden-Ideologie]] zu untermauern. [[Bund Deutscher Mädel|BDM]]-Mädchen wurden dazu erzogen, „Dienst zu leisten an Volk und Vaterland“. Dadurch würden sie von ihrer „Ichgebundenheit […] losgelöst und dem Gesetz verpflichtet, das ihnen die Zugehörigkeit zu diesem deutschen Blut und Boden auferlegt“. Im Schulunterricht wurde den Kindern „das Gesetz von Blut und Boden“ eingeschärft, das alle [[Naturgesetz]]e umfasse und „den Einzelmenschen unzertrennlich an sein Volk und Vaterland“ binde.<ref>Cornelia Schmitz-Berning: ''Vokabular des Nationalsozialismus.'' Walter de Gruyter, Berlin/New York 2007, ISBN 978-3-11-092864-8, S. 88 und 112 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> In Wahrheit gingen die [[völkisch]]en Rassephantasien weit über die hergebrachte Vorstellung eines einigen Vaterlands hinaus. [[Adolf Hitler]] erklärte in einer seiner letzten Reden, „Vaterland“ sei „ein leerer Begriff“ geworden.<ref>Bernd Schönemann: ''Volk, Nation, Nationalismus, Masse''. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hrsg.): ''Geschichtliche Grundbegriffe''. Bd. 7, Klett-Cotta, Stuttgart 1992, S. 402.</ref>
=== Nach 1945 ===
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== Einzelnachweise ==
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