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== Ideologie ==
=== Die „Erfindung der Nation“ ===
Einen nicht nur geographischen, sondern eminent politischen Sinn erhielt das Wort erst mit der „Erfindung der Nation“ ([[Benedict Anderson]]) seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.<ref>[[Christian Jansen]] mit Henning Borggräfe: ''Nation – Nationalität – Nationalismus.'' Campus, Frankfurt am Main 2007, S. 92–98 u. ö.</ref> Vorher konnte es auch das [[Ewiges Leben|ewige Leben]] im [[Himmel (Religion)|Himmel]] bedeuten, wie etwa in [[Friedrich Spee]]s [[Adventslied]] ''[[O Heiland, reiß die Himmel auf]]'' aus dem Jahr 1622, in dessen sechster Strophe [[Jesus Christus]] gebeten wird: „Ach komm, führ uns mit starker Hand / vom Elend zu dem Vaterland“. Ähnlich hatte schon [[Martin Opitz]] über Christus gedichtet, „der unsre seelen führet / hin in das vaterland, / da er an gottes hand / sitzt, herrschet und regieret“.<ref name="Grimm" /> [[Friedrich Schiller]] ließ 1784 in ''[[Kabale und Liebe]]'' noch seinen Protagonisten Ferdinand ausrufen: „Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt!“<ref>Zitiert nach [[Peter Zudeick]]: ''Heimat. Volk. Vaterland.: Eine Kampfansage an Rechts.'' Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86489-109-0, S. 179, Anm. 1.</ref>
 
Dass die Definition des Vaterlands durchaus nicht selbstverständlich war, zeigt etwa [[Ernst Moritz Arndt]]s Gedicht ''[[Des Deutschen Vaterland]]'' aus dem Jahr 1813. Darin wird immer wieder gefragt, was „des Deutschen Vaterland“ denn nun eigentlich sei, bis in der siebten Strophe endlich die Antwort gegeben wird: Des Deutschen Vaterland wird im Sinne der [[Kulturnation]] gleichgesetzt mit dem [[Deutsche Sprache#Verbreitung und rechtlicher Status|deutschen Sprachraum]]: „So weit die deutsche Zunge klingt / und Gott im Himmel Lieder singt, / das soll es sein!“.<ref>Juliane Fiedler: ''Konstruktion und Fiktion der Nation: Literatur aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts''. J.B. Metzler, Stuttgart 2017, S. 18.</ref>
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Im [[Nationalismus]], der sich im 19. Jahrhundert entfaltete, spielte das Vaterland eine zentrale Rolle. Es galt als einer der höchsten [[Wertvorstellung|Werte]] überhaupt und konnte sogar den Anspruch erheben, das eigene Leben dafür hinzugeben.<ref>Christian Jansen mit Henning Borggräfe: ''Nation – Nationalität – Nationalismus.'' Campus, Frankfurt am Main 2007, S. 92–98 u. ö.</ref> Eine erste Formulierung dieses Anspruchs hatte Thomas Abbt während des [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieges]] mit seiner Schrift ''Vom Tode für das Vaterland'' geliefert, ja die Bereitschaft dazu als entscheidende Bedingung der Zugehörigkeit zu einem Staat bezeichnet, ob man in ihm nun geboren sei oder sich erst später dazu entschlossen hätte: „Alsdann nenne ich diesen Staat mein Vaterland“.<ref>Bernd Schönemann: ''Volk, Nation, Nationalismus, Masse''. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hrsg.): ''Geschichtliche Grundbegriffe''. Bd. 7, Klett-Cotta, Stuttgart 1992, S. 311 f.</ref> 1800 feierte [[Friedrich Hölderlin]] in einer [[Ode]] den [[Der Tod fürs Vaterland|''Tod fürs Vaterland'']]. Häufig wurde dieser Anspruch etwa mit einer Umdeutung der Ode ''Angustam amice'' des römischen Dichters [[Horaz]] begründet, das die berühmte Zeile enthält: [[Liste lateinischer Phrasen/D#Dulce et decorum est pro patria mori.|Dulce et decorum est pro patria mori]] (deutsch: „Süß und ehrenvoll ist es, fürs Vaterland zu sterben.“) Die Militarisierung des Vaterlandsbegriffs zeigte sich auch in [[Max Schneckenburger]]s ''[[Die Wacht am Rhein]]'' von 1840: Dass das „lieb Vaterland“ des Refrains „ruhig sein“ mochte, war darin dem Militär zu danken, das Wacht hielt.<ref>Peter Zudeick: ''Heimat. Volk. Vaterland.: Eine Kampfansage an Rechts.'' Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-86489-109-0, S. 78.</ref>
 
Die Glorifizierung des Soldatentods für das Vaterland wirkte angesichts des millionenfachen Sterbens im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] nicht mehr glaubhaft: Der britische Dichter [[Wilfred Owen]], der selber 1918 fiel, bezeichnete sie in seinem [[Dulce et Decorum est (Gedicht)|''Dulce et Decorum est'']], einem 1917 verfassten Gedicht über einen [[Giftgas]]angriff, rundheraus als eine „alte Lüge“. Gleichwohl wurde Horaz' Diktum auch weiterhin auf Totenfeiern und Gedenktafeln verwendet.<ref>[[Joachim Dingel]]: ''Dulce et decorum est pro patria mori. Gewandelte Moral als Provokation der Philologie.'' In: Gerhard Lohse (Hrsg.): ''Aktualisierung von Antike und Epochenbewusstsein. Erstes Bruno Snell-Symposion''. Κ. G. Saur, München/Leipzig 2003, ISBN 3-598-77807-4, S. 389–401, hier S. 391 (abgerufen über [[Walter de Gruyter (Verlag)|De Gruyter]] Online).</ref>
 
In [[Portugal]] endet die [[Nationalhymne]] [[A Portuguesa]] (1890) mit den Worten: „pela Patria lutar, contra os canhões marchar, marchar!“ („fürs Vaterland kämpfen, gegen die Kanonen marschieren, marschieren!“)