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„Volkswirtschaftslehre“ – Versionsunterschied

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{{Weiterleitungshinweis|VWL|Weiteres siehe unter [[VWL (Begriffsklärung)]].}}
{{Weiterleitungshinweis|VWL|Weiteres siehe unter [[VWL (Begriffsklärung)]].}}Die '''Volkswirtschaftslehre''' (auch '''Nationalökonomie''' oder '''wirtschaftliche Staatswissenschaften''' kurz '''VWL''') ist ein Teilgebiet der [[Wirtschaftswissenschaft]]. Sie untersucht Zusammenhänge bei der Erzeugung und Verteilung von [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Gütern]] und [[Produktionsfaktor]]en. Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich auch mit menschlichem Handeln unter ökonomischen Bedingungen, das heißt mit den Fragen, wie menschliches Handeln ökonomisch begründet werden kann und welches Handeln den größtmöglichen [[Utilitarismus|Nutzen]] für den Einzelnen oder eine Gemeinschaft bringt. Mit ihr wird nach Gesetzmäßigkeiten und Handlungsempfehlungen für die [[Wirtschaftspolitik]] gesucht; ferner werden einzelwirtschaftliche Vorgänge im Rahmen der [[Mikroökonomie]] und gesamtwirtschaftliche im Rahmen der [[Makroökonomie]] betrachtet.
Die '''Volkswirtschaftslehre''' (auch '''Nationalökonomie''' oder '''wirtschaftliche Staatswissenschaften''' kurz '''VWL''') bezeichnet im deutschsprachigen Kontext ein Teilgebiet der [[Wirtschaftswissenschaft]].<ref>{{Internetquelle |url=https://web.archive.org/web/20110222044456/http://www.uni-marburg.de/fb02/studium/studgang/studinteressierte/studium_allg/wiwi |titel=Womit beschäftigt sich die Wirtschaftswissenschaft? - Philipps-Universität Marburg - Fb. 02 - Wirtschaftswissenschaften |datum=2011-02-22 |abruf=2023-02-16}}</ref> Sie untersucht Zusammenhänge bei der Erzeugung und Verteilung von [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Gütern]] und [[Produktionsfaktor]]en.
 
Die Volkswirtschaftslehre beschäftigt sich auch mit menschlichem Handeln unter ökonomischen Bedingungen, das heißt mit den Fragen, wie menschliches Handeln ökonomisch begründet werden kann und welches Handeln den größtmöglichen [[Utilitarismus|Nutzen]] für den Einzelnen oder eine Gemeinschaft bringt. Mit ihr wird nach Gesetzmäßigkeiten und Handlungsempfehlungen für die [[Wirtschaftspolitik]] gesucht; ferner werden einzelwirtschaftliche Vorgänge im Rahmen der [[Mikroökonomie]] und gesamtwirtschaftliche im Rahmen der [[Makroökonomie]] betrachtet.
 
Die Volkswirtschaftslehre widmet sich dem Zielkonflikt zwischen der [[Knappheit]] von [[Ressource]]n und den Bedürfnissen von [[Wirtschaftseinheit|Wirtschaftssubjekten]]. Es wird in [[Positive und normative Ökonomik|positive und normative Analyse]] unterschieden.
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== Einordnung der Volkswirtschaftslehre in den Wissenschaftskanon ==
 
Die Volkswirtschaftslehre ist ein Teilgebiet der [[Wirtschaftswissenschaft]] und stellt eine [[Realwissenschaft]] dar. In deutschen Universitäten wird die Volkswirtschaftslehre als [[Sozialwissenschaften|Sozialwissenschaft]] eingeordnet und innerhalb dieser stellen die [[Politikwissenschaft]] und die [[Soziologie]] verwandte Disziplinen dar.<ref>Christian-Uwe Behrens, Matthias Kirspel: [https://books.google.de/books?id=tz3pBQAAQBAJ&pg=PA13&dq=einordnung+volkswirtschaftslehre&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjt7aPlq6DWAhVE2BoKHcr_BOMQ6AEIMjAC#v=onepage&q=einordnung%20volkswirtschaftslehre&f=false ''Grundlagen der Volkswirtschaftslehre: Einführung.''] S. 13.</ref><ref>Ulrich Blum: [https://books.google.de/books?id=Z0B7DQAAQBAJ&pg=PA1&dq=einordnung+volkswirtschaftslehre&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjt7aPlq6DWAhVE2BoKHcr_BOMQ6AEIRTAF#v=onepage&q=einordnung%20volkswirtschaftslehre&f=false ''Grundlagen der Volkswirtschaftslehre.'']</ref> Die Abgrenzung der Volkswirtschaftslehre zu anderen Disziplinen bereitet Schwierigkeiten, da wirtschaftliche Phänomene komplex sind und viele Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften benötigen wie zum Beispiel Psychologie, Politik, Geschichte etc.<ref>Ulrich Blum: ''Grundlagen der Volkswirtschaftslehre.''</ref> Sie legt insbesondere große Bedeutung auf drei Faktoren, die sie letztendlich von anderen Sozialwissenschaften unterscheidet:
 
* Die Volkswirtschaftslehre baut auf dem [[Axiom]] des [[Homo oeconomicus|rationalen Individuums]] auf.
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* Wirtschaftspolitische Implikationen betonen die Bedeutung von [[Gleichgewicht (Spieltheorie)|Gleichgewichten]].
 
* Ökonomische Theorien legen den Fokus auf das [[Pareto-EffizienzOptimum|Effizienzkriterium]] als ein soziales Optimum.<ref>Wolfgang Leininger, Erwin Amann: ''Einführung in die Spieltheorie.'' S. 3.<!-- in welchem Werk? --></ref>
 
Die strikte Betonung von Gleichgewichten resultiert aus der engen Verzahnung der Volkswirtschaftslehre und der [[Spieltheorie]]. Da die Spieltheorie zum großen Teil [[Rationalität]] und [[Trade-off|gegenläufige Abhängigkeiten]] zum Forschungsgegenstand hat, ordnen manche Autoren die Spieltheorie der Volkswirtschaftslehre zu, statt von einem [[Teilgebiete der Mathematik|Teilgebiet der Mathematik]] zu sprechen.
 
== Teilgebiete und Themen der Volkswirtschaftslehre ==
=== Mikroökonomie ===
{{Hauptartikel|Mikroökonomie}}
[[Datei:Ballard Farmers' Market - vegetables.jpg|mini|Die Mikroökonomie untersucht Handels-, Produktions- und Konsumentscheidungen, wie sie auf einem traditionellen [[Markt]] stattfinden.]]
 
Gegenstand der Mikroökonomie ist das wirtschaftliche Verhalten einzelner [[Wirtschaftssubjekt]]e ([[Privathaushalt|Haushalte]] und [[Unternehmen]]). Sie analysiert [[Entscheidung]]sprobleme und Koordinationsvorgänge, die aufgrund der [[Arbeitsteilung|Arbeitsteiligkeit]] des Produktionsprozesses notwendig werden, und die [[Ressourcenallokation|Allokation]] [[Knappheit|knapper]] Ressourcen und [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Gütern]] durch den [[Markt (Wirtschaftswissenschaft)|Marktmechanismus]].<ref name="gabler">Gabler Wirtschaftslexikon: [http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/mikrooekonomik.html ''Mikroökonomik''].</ref> Insbesondere untersucht die Mikroökonomie Märkte, in denen Güter und Dienstleistungen gekauft und verkauft werden. Neben den Akteuren auf diesen Märkten werden auch die Marktstrukturen ([[Monopol]], [[Oligopol]], [[Polypol]]) berücksichtigt und die jeweiligen institutionellen Rahmenbedingungen. Ein zentrales Konzept ist das [[Marktgleichgewicht]], welches sich durch die [[Preisbildung]] einstellt.
Die Mikroökonomie befasst sich mit den Beziehungen von einzelnen [[Wirtschaftssubjekt]]en wie [[Privathaushalt|Haushalten]] und [[Unternehmen]]. Wichtige Teilgebiete sind:
 
Wichtige Teilgebiete sind:
* Die [[Haushaltstheorie]], die sich mit der [[Nachfrage]]seite beschäftigt ([[Präferenz]]en, [[Nutzenfunktion (Mikroökonomie)|Nutzenfunktion]] etc.)
* Die [[Haushaltstheorie]], die sich mit der [[Nachfrage]]seite beschäftigt ([[Präferenz (Wirtschaftswissenschaften)|Präferenzen]], [[Nutzenfunktion (Mikroökonomie)|Nutzenfunktion]] etc.)
* Die [[Produktionstheorie]], die sich mit der [[Angebot (Volkswirtschaftslehre)|Angebotsseite]] beschäftigt ([[Produktionsfaktor]]en, [[Angebotsfunktion]] etc.)
* Die [[Preistheorie]], die sich mit [[Markt (Wirtschaftswissenschaft)|Märkten]] und [[Preis (Wirtschaft)|Preisen]] beschäftigt (Marktformen, [[Marktgleichgewicht]], [[Marktversagen]], [[Preisbildung]] etc.)
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* [[Innovationsökonomik]]
* [[Regionalökonomie]]
* [[Umweltökonomik|Umweltökonomie]]
* [[Kulturökonomik|Kulturökonomie]]
* [[Ökonometrie]]
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== Geschichte ==
{{Siehe auch|Ökonomische Theoriengeschichte}}
=== Entwicklung der Lehren und Dogmen (Wirtschaftstheorie) ===
=== Antike ===
{{Hauptartikel|Ökonomische Theoriengeschichte}}{{Belege fehlen|}}
[[Datei:Ibn khaldoun-kassus.jpg|mini|[[Ibn Chaldūn]]: [[Joseph Schumpeter]] sieht in ihm den wichtigsten Vorläufer der modernen Ökonomie.<ref>{{Literatur |Autor=Qusṭanṭīn Zurayq, Ibrahim M. Oweiss |Titel=Ibn Khaldun, the Father of Economics |Verlag=State University of New York Press |Ort=Albany, N.Y. |Datum=1988 |ISBN=0-88706-698-4 |Seiten=365}}</ref>]]
Das Wirtschaften der Menschen vollzieht sich immer innerhalb einer bestimmten [[Hierarchie#Soziale Systeme|sozialen Ordnung]]. Die Einheit, die durch das Wirtschaften der Glieder eines staatlich geordneten Volkes und ihr Tun bestimmt wird, wird als ''Volkswirtschaft'' bezeichnet. Vielfach wird jedoch ''volkswirtschaftlich'' als Perspektive der Betrachtung im Gegensatz zu ''privatwirtschaftlich'' gebraucht. Um Widersprüche auszuschließen, die sich aus zweierlei Verwendungen des Begriffs ergeben, haben Heinrich Dietzel (1895) oder [[Adolph Wagner (Ökonom)|Adolf Wagner]] (1907) von einer ''Theoretischen Sozialökonomik'' gesprochen.<ref>[[Eugen Philippovich von Philippsberg|Eugen von Philippovich]]: ''Grundriß der Politischen Oekonomie.'' Erster Band. ''Allgemeine Volkswirtschaftslehre.'' 9., bearb. Auflage. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1911, S. 3&nbsp;ff.</ref>
 
Die frühesten erhaltenen ökonomischen Schriften stammen aus [[Mesopotamien]], [[Antikes Griechenland|Griechenland]], [[Römisches Reich|Rom]], [[Gupta-Reich|Indien]], [[Ming-Dynastie|China]], [[Perserreich|Persien]] und arabischen Zivilisationen.<ref>{{Literatur |Autor=B. B. Price |Titel=Ancient economic thought |Verlag=Routledge |Ort=London |Datum=1997 |ISBN=0-203-98170-7 }}</ref> Wirtschaftsvorschriften kommen in den Schriften des [[Boiotien|böotischen]] Dichters [[Hesiod]] vor.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Barry Gordon |Titel=Economic Analysis before Adam Smith |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=1975 |ISBN=978-1-349-02118-5 |DOI=10.1007/978-1-349-02116-1 }}</ref> Andere bemerkenswerte Autoren der Antike bis zum Mittelalter waren [[Aristoteles]], [[Xenophon]], [[Chanakya]] und [[Qin Shihuangdi|Qin Shi Huang]].<ref name=":0" />
Das Bearbeiten grundlegender ökonomischer Fragestellungen theoretischer Natur wurde nach allgemeiner Auffassung im [[Merkantilismus]] begonnen. Eine echte akademische Debatte gab es zu dieser Zeit allerdings noch nicht. [[Thomas Mun]] war einer der frühesten ökonomischen Autoren und schrieb beispielsweise über [[Handelsbilanz]]en zweier Länder. Auch [[Jean-Baptiste Colbert]] war einer dieser frühesten Autoren, er beschäftigte sich mit Staatseingriffen in die Wirtschaft. Drei wichtige frühe theoretische Autoren waren vor allem [[William Petty]], [[John Law]] und [[John Locke]], die erste theoretische Erkenntnisse über beispielsweise Geldumlauf und Geld bzw. Banknoten ([[Assignat]]en) veröffentlichten.
 
=== Mittelalter ===
Die [[Physiokratie|Physiokraten]] entwickelten erste systematische Ansätze zur Erklärung volkswirtschaftlicher Strukturen und Prozesse. Der [[Tableau économique]] von [[Francois Quesnay]] ist die erste Darstellung des [[Wirtschaftskreislauf]]s, aus dem später die [[Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung]] (VGR) bzw. das volkswirtschaftliche Rechnungswesen entwickelt wurde.
Über wirtschaftliche Zusammenhänge wurde im Mittelalter vor allem von Theologen wie [[Thomas von Aquin]] oder [[Ibn Chaldūn]] nachgedacht.<ref>{{Literatur |Titel=Ibn Khaldûn: A Fourteenth-Century Economist |Sammelwerk=Journal of Political Economy |Band=79 |Nummer=5 |Datum=1971-09 |ISSN=0022-3808 |DOI=10.1086/259818 |Seiten=1105–1118}}</ref>
 
In seiner [[Summa theologica|Summa Theologica]] untersucht Thomas von Aquin viele Fragen ökonomischer Natur, einschließlich der Gründe für [[Privateigentum]], [[Handel]] und [[Profit]].
Nach der merkantilistischen und physiokratischen Epoche entstand mit [[Adam Smith]], [[David Ricardo]], [[Jean-Baptiste Say]] und anderen Autoren die [[Klassische Nationalökonomie]]. Vor allem Smiths Werk ''[[Der Wohlstand der Nationen]]'' (Originaltitel: ''An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations'') ist ein bis heute bedeutendes Grundlagenwerk der Volkswirtschaftstheorie. In diesem fasst er bereits (auch von anderen) entwickelte Theorien zusammen und formuliert eine Struktur volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Smiths bedeutendster Beitrag ist das Konzept der „[[Unsichtbare Hand|unsichtbaren Hand]]“, welches das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf einem freien Markt darstellt. Das nach Say benannte [[Saysches Theorem|Saysche Theorem]] besagt, dass jedes Angebot sich seine Nachfrage selbst schafft.
 
Die Denker der [[Scholastik]] argumentierten im Rahmen des [[Naturrecht]]s. Laut Joseph Schumpeter nahmen sie bereits Überlegungen der modernen Ökonomie auf den Gebieten der [[Geldpolitik]], des [[Zins]]es und der Werttheorie vorweg.<ref>{{Literatur |Autor=Joseph A. Schumpeter |Titel=History of economic analysis |Verlag=Oxford University Press |Ort=New York |Datum=1994 |ISBN=0-19-510559-1}}</ref>
Ricardo entwickelte das Konzept der Arbeitsteilung und der [[Komparativer Kostenvorteil|komparativen Kostenvorteile]] zweier Länder und beschrieb, warum Handel sich positiv auf die Wirtschaft und die [[Faktorallokation]] zweier Länder auswirkt.
 
=== Frühe Neuzeit ===
Als erster deutscher Ökonom kann [[Friedrich List]] bezeichnet werden mit seinem Hauptwerk ''Das nationale System der politischen Ökonomie'' von 1841. Er grenzt sich von der englischen Klassik ab in seiner Lehre vom Binnenmarkt und seiner Lehre von den produktiven Kräften. Ab Anfang des 19.&nbsp;Jahrhunderts schrieben mehrere Wirtschaftstheoretiker relativ unabhängig voneinander wichtige Werke über die Monopoltheorie ([[Antoine-Augustin Cournot]] und [[Arsène-Jules-Étienne-Juvénal Dupuit]]) oder Raumordnung und Standortplanung ([[Johann Heinrich von Thünen]]) mit seinen Thünenschen Kreisen. Die Werke von [[Karl Marx]] zur ''[[Politische Ökonomie|Politischen Ökonomie]]'' fallen überwiegend in die Zeit nach 1850. Als seine Quellen bezieht er sich hauptsächlich auf die britischen Ökonomen von William Petty über Adam Smith bis David Ricardo. Auch sind seine Überlegungen, bei denen er von dem seiner Ansicht nach ''alles begründenden'', evolutionären Faktor [[Arbeit (Philosophie)#Philosophie der Arbeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts|Arbeit]] ausgeht, stark von der Entwicklung des [[Kapitalismus]] in England geprägt, die er als [[Paradigma|paradigmatisch]] ansah und der nach seiner Erwartung die anderen Staaten mit zeitlicher Verzögerung und mehr oder weniger großen Variationen folgen würden.
{{Hauptartikel|Merkantilismus|Physiokratie}}
[[Datei:Lefebvre - Jean-Baptiste Colbert.jpg|mini|[[Jean-Baptiste Colbert]], Vertreter des Merkantilismus in Frankreich.]]
 
Die moderne ökonomische Wissenschaft in Europa entwickelte sich im Ausgang der [[Renaissance]] und [[Frühe Neuzeit|frühen Neuzeit]].<ref name=":1">{{Internetquelle |url=https://www.britannica.com/topic/mercantilism |titel=mercantilism {{!}} Definition & Examples |sprache=en |abruf=2021-06-28}}</ref><ref>Vgl. auch [[Heinrich Lutz (Historiker)|Heinrich Lutz]] (Hrsg.): ''Humanismus und Ökonomie'' (= ''Mitteilungen der Kommission für Humanismusforschung.'' Band 8). Weinheim 1983.</ref> Zwei theoretische Schulen, die [[Merkantilismus|Merkantilisten]] und [[Physiokratie|Physiokraten]], beeinflussten die weitere Entwicklung des Fachs. Beide Schulen wurden mit dem Aufkommen des wirtschaftlichen Nationalismus und des modernen [[Kapitalismus]] in Europa in Verbindung gebracht und können als Vorläufer der modernen Wirtschaftswissenschaft angesehen werden.<ref>{{Literatur |Titel=The Early Modern Atlantic Economy |Verlag=Cambridge University Press |Ort=Cambridge |Datum=2001 |ISBN=978-0-521-78249-4 |DOI=10.1017/cbo9780511523878 |Online=https://www.cambridge.org/core/books/early-modern-atlantic-economy/B37162F96DCE6083C459058683666CC9 |Abruf=2021-06-28}}</ref>
[[Karl Bücher]] und die Jüngere Historische Schule der Nationalökonomie entwickelten ein Stufenmodell ([[Wirtschaftsstufentheorie]]), um die inneren Zusammenhänge volkswirtschaftlicher Phänomene zu verdeutlichen, nach dem die [[Volkswirtschaft]] historisch wie strukturell auf [[Hauswirtschaft]] und [[Wirtschaftsstufentheorie#2. Stufe: Stufe der Stadtwirtschaft|Stadtwirtschaft]] folgt.
 
Der [[Merkantilismus]] bezeichnet eine Wirtschaftslehre, die vom 16. bis 18. Jahrhundert in einer Flugschriftenliteratur von Kaufleuten oder Staatsmännern aufblühte. Die Grundthesen waren: Der Reichtum einer Nation hängt von ihrem Anhäufen von Gold und Silber ab. Nationen ohne Zugang zu Minen konnten Gold und Silber aus dem Handel nur durch den Verkauf von Waren im Ausland und die Beschränkung der Einfuhr anderer als von Gold und Silber erhalten. Die Doktrin forderte daher den Import billiger Rohstoffe für die Herstellung von Waren, die exportiert werden könnten sowie eine staatliche Regulierung, um Schutzzölle auf ausländische Fabrikate zu erheben und die Herstellung in den Kolonien zu verbieten.<ref name=":1" />[[Datei:Quesnay Portrait.jpg|mini|[[François Quesnay]], einer der führenden Vertreter der Physiokratie.]]Die [[Physiokratie]] bezeichnet eine Gruppe französischer Denker und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts und deren Idee, die Wirtschaft als Kreislauf von Einkommen und Produktion zu denken. Die Physiokraten glaubten, dass nur die landwirtschaftliche Produktion einen deutlichen Ertragsüberschuss erwirtschafte, so dass die Landwirtschaft die Grundlage allen Reichtums sei. So widersetzten sie sich der merkantilistischen Politik der Förderung von Produktion und Handel auf Kosten der Landwirtschaft, einschließlich der Einfuhrzölle. Ferner plädierten sie dafür, die administrativ aufwendigen Steuererhebungen durch eine einzige Steuer auf das Einkommen der Landbesitzer zu ersetzen. Als Reaktion auf die umfangreichen merkantilistischen Handelsbestimmungen befürworteten die Physiokraten eine Politik des [[Laissez-faire]], die minimale staatliche Eingriffe in die Wirtschaft forderte.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.britannica.com/topic/physiocrat |titel=physiocrat {{!}} Facts, History, & Definition |sprache=en |abruf=2021-06-28}}</ref>
Mit dem auslaufenden 19.&nbsp;Jahrhundert entstanden drei voneinander unabhängige Schulen der [[Grenznutzen]]theorie, welche die sogenannte [[marginalistische Revolution]] auslösten: Die Österreichische Schule von [[Carl Menger]], die Cambridge-School von [[William Stanley Jevons]] und die [[Lausanner Schule]] um [[Léon Walras]]. Alle drei Schulen entwickelten die Theorien des Grenznutzens und des [[Allgemeine Gleichgewichtstheorie|allgemeinen Gleichgewichts]] weiter. Allerdings wurden wesentliche Grundlagen der Grenznutzentheorie bereits rund 20 Jahre vorher (um 1850) vom deutschen Ökonomen [[Hermann Heinrich Gossen]] entwickelt, was allerdings bis weit nach dessen Tode unbekannt blieb. Gossen fand erst nach seinem Tode größere Beachtung.
 
=== 19. Jhd. ===
Die Schulen haben eine Vielzahl wichtiger Ökonomen hervorgebracht, welche bis zum Zweiten Weltkrieg die Wirtschaftstheorie entscheidend prägten: Die [[österreichische Schule]] bestand neben Carl Menger noch aus [[Eugen Böhm von Bawerk]], [[Friedrich von Wieser]], [[Friedrich August von Hayek]] und [[Ludwig von Mises]]. Zur Cambridge School gehören neben Jevons der herausragende englische Ökonom [[Alfred Marshall]], welcher als erster den Begriff {{lang|en|„Economics“}} statt {{lang|en|„Political economy“}} verwendete und die Wirtschaftstheorie somit begriffsmäßig in eine eigene Wissenschaft überführte. Weiterhin gehörten zur Cambridge-School [[Francis Ysidro Edgeworth]], [[Arthur Cecil Pigou]] und [[John Maynard Keynes|Lord John Maynard Keynes]]. Zur Lausanner Schule, welche prägend für eine stärkere mathematische Ausgestaltung der ökonomischen Theorie war, zählt neben Walras vor allem [[Vilfredo Pareto]], [[Eugenius Slutsky]] und [[Irving Fisher]], der wohl wichtigste US-amerikanische Ökonom in der ersten Hälfte des 20.&nbsp;Jahrhunderts. Zur Lausanner Schule können auch noch [[Heinrich von Stackelberg]] sowie [[Paul A. Samuelson]] gezählt werden.
==== Klassik ====
{{Hauptartikel|Klassische Nationalökonomie}}
[[Datei:AdamSmith.jpg|mini|hochkant|[[Adam Smith]] gilt weithin als Begründer der modernen Wirtschaftswissenschaft]]
 
Die Veröffentlichung von [[Adam Smith]]s [[Der Wohlstand der Nationen]] kann als Geburtsstunde der Ökonomie als eigenständiger Disziplin angesehen werden.<ref>{{Literatur |Autor=Wilfred Dolfsma, Patrick J. Welch |Titel=Paradigms and Novelty in Economics: The History of Economic Thought as a Source of Enlightenment |Sammelwerk=The American Journal of Economics and Sociology |Band=68 |Nummer=5 |Datum=2009 |ISSN=0002-9246 |Seiten=1085–1106}}</ref><ref name=":2">{{Internetquelle |url=https://www.britannica.com/topic/economics |titel=economics {{!}} Definition, History, Examples, & Facts |sprache=en |abruf=2021-06-28}}</ref> Das Werk klassifizierte Land, Arbeit und Kapital als die drei Produktionsfaktoren, welche Beiträge zum Wohlstand einer Nation lieferten. Damit widersprach Smith der physiokratischen Vorstellung, dass nur die Landwirtschaft produktiv sei.<ref name=":2" />
{{Lückenhaft|Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert
}}
 
Smith unterstreicht außerdem die Vorteile der [[Arbeitsteilung]], etwa die erhöhte Arbeitsproduktivität und Handelsgewinne. Diese Vorteile zeigten sich zwischen Stadt und Land und zwischen Nationen. Er stellt dabei die These auf, dass die Arbeitsteilung dabei durch die Größe des Marktes begrenzt ist. Ein größerer gemeinsamer Markt führe zu mehr Arbeitsteilung und damit zu mehr Wohlstand.<ref>{{Literatur |Autor=George J. Stigler |Titel=The Division of Labor is Limited by the Extent of the Market |Sammelwerk=Journal of Political Economy |Band=59 |Nummer=3 |Datum=1951-06 |ISSN=0022-3808 |DOI=10.1086/257075 |Seiten=185–193 }}</ref>
=== Entwicklung des Studiums ===
Das Studium der wirtschaftlichen Wissenschaften erlangte um 1850 eine größere Popularität. Lange Zeit war es nur ein Zusatzstudium, welches man aus persönlichem Interesse, aber nicht beruflichen Gründen aufnahm. Durch die aufstrebende Wirtschaft und der Entstehung von großen Unternehmen wurde die Notwendigkeit von „volkswirtschaftlich geschulten Kräften“ dringlicher. Die Volkswirtschaftslehre wurde zunächst in bestehende Studiengänge wie den Studiengang ''Nationalökonomie'' eingegliedert. Ein Absolvent des Studiengangs ''Nationalökonomie'' schloss sein Studium in der Regel nur mit einem Doktorgrad ab. Für die Studenten lag der Fokus auf ihrer zu schreibenden Dissertation und nicht auf anderen praxis-relevanten Inhalten. Ein „Befähigungsnachweis für die Praxis“ fehlte. 1923 wurde in der [[Weimarer Republik]] der Studiengang ''Nationalökonomie'' angepasst und in den Studiengang ''Volkswirtschaftslehre'' inklusive des akademischen Abschlussgrads ''Diplom-[[Volkswirt]]'' umgewandelt. Damit sollte den Bedürfnissen der Wirtschaft mehr entsprochen werden. In Anlehnung an den Diplom-Volkswirt wurde 1924 der akademische Grad ''Diplom-Kaufmann'' eingeführt (siehe dazu den Artikel [[Diplom-Kaufmann#Historische Entwicklung des Diplom-Kaufmanns|Historische Entwicklung des Diplom-Kaufmanns]]).<ref name="Prion-1935">W. Prion: ''Die Lehre vom Wirtschaftsbetrieb.'' Buch 1: ''Der Wirtschaftsbetrieb im Rahmen der Gesamtwirtschaft.'' Julius Springer, Berlin 1935.</ref>{{rp|154}}
 
Ein weiterer wichtiger Ökonom war [[David Ricardo]]. Er hat als erster das Prinzip des [[Komparativer Kostenvorteil|komparativen Kostenvorteils]] dargestellt und bewiesen, dass sich jede Nation auf die Produktion und den Export von Gütern spezialisieren sollte, worin sie die geringsten relativen Produktionskosten hat.<ref>{{Literatur |Autor=Ronald Findlay |Titel=Comparative Advantage |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2008 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/9780230226203.0274 |Seiten=1–9 }}</ref> Das Prinzip wird als grundlegendes Argument für [[Freihandel]] und die Abschaffung von [[Zoll (Abgabe)|Handelszöllen]] bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=Paul R Krugman |Titel=Is Free Trade Passé? |Sammelwerk=Journal of Economic Perspectives |Band=1 |Nummer=2 |Datum=1987-11-01 |ISSN=0895-3309 |DOI=10.1257/jep.1.2.131 |Seiten=131–144 }}</ref>
=== Fachzeitschriften ===
Nationalökonomische Fachzeitschriften gibt es seit Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts. Zu den ältesten Publikationen in der Disziplin zählen die [[Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft]] (1844), die [[Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik]] (1864) und das [[Quarterly Journal of Economics]] (1886).
 
Während Adam Smith die Einkommensproduktion betonte, konzentrierte sich David Ricardo auf die Einkommensverteilung zwischen Grundbesitzern, Arbeitern und Kapitalisten. Ricardo sah einen inhärenten Konflikt zwischen Grundbesitzern einerseits und Arbeit und Kapital andererseits. Er postulierte, dass das Wachstum der Bevölkerung und des Kapitals, das einem festen Bodenangebot entgegenwirkt, die [[Rente (Wirtschaft)|Renten]] in die Höhe treibt und die Löhne und Profite niedrig hält.<ref>{{Literatur |Autor=Ricardo, David. |Titel=Principles of Political Economy and Taxation. |Verlag=Dover Publications |Datum=2012 |ISBN=1-306-35985-6}}</ref>
Heute sind die fünf namhaftesten Zeitschriften die [[The American Economic Review|American Economic Review]], [[Econometrica]], das [[Journal of Political Economy]], das Quarterly Journal of Economics und die [[The Review of Economic Studies|Review of Economic Studies]].<ref>{{Internetquelle |autor=[[James Heckman]], Sidharth Moktan |url=https://voxeu.org/article/publishing-and-promotion-economics-tyranny-top-five |titel=Publishing and promotion in economics: The tyranny of the Top Five |werk=VoxEU.org |hrsg= |datum=2018-11-01 |abruf=2020-02-08 |sprache=}}</ref>
 
[[John Stuart Mill]] unterscheidet sich von Ökonomen dieser Zeit in der Frage nach einer [[Umverteilung]] der vom Markt produzierten Einkommen. Er weist dem Markt zwei Rollen zu: eine Fähigkeit zur Verteilung von Ressourcen und eine Fähigkeit zur Verteilung von Einkommen. Der Markt sei bei der [[Ressourcenallokation]] sehr effizient, aber bei der Einkommensverteilung ist er weniger effizient, weshalb die Gesellschaft Markteingriffe durchführen sollte.<ref>{{Internetquelle |url=https://oll.libertyfund.org/title/mill-principles-of-political-economy-ashley-ed |titel=Principles of Political Economy (Ashley ed.) {{!}} Online Library of Liberty |abruf=2021-12-01}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Robert B. Ekelund, Robert D. Tollison |Titel=The New Political Economy of J. S. Mill: The Means to Social Justice |Sammelwerk=The Canadian Journal of Economics / Revue canadienne d'Economique |Band=9 |Nummer=2 |Datum=1976 |ISSN=0008-4085 |DOI=10.2307/134519 |JSTOR=134519 |Seiten=213–231}}</ref>
 
Die Werttheorie war ein weiteres wichtiges Forschungsobjekt der klassischen Nationalökonomie. Alle genannten Ökonomen waren Vertreter der [[Arbeitswerttheorie]], d.&nbsp;h. der Auffassung, dass es ein objektives Wertmaß gäbe und dies durch die aufgewendete Arbeitszeit gegeben sei.<ref>{{Literatur |Autor=Nils Fröhlich |Titel=Die Aktualität der Arbeitswerttheorie theoretische und empirische Aspekte |Ort=Marburg |Datum=2009 |ISBN=978-3-89518-756-8}}</ref>
 
==== Marxismus ====
{{Hauptartikel|Marxistische Wirtschaftstheorie}}
[[Datei:Karl Marx 001.jpg|mini|hochkant|[[Karl Marx]], Autor des [[Das Kapital|Kapital]]]]
 
Der [[Marxismus]] und die [[marxistische Wirtschaftstheorie]] entstammen der klassischen Ökonomie und leiten sich aus den Werken von [[Karl Marx]] her.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Ernest Mandel |Titel=Marx, Karl Heinrich (1818–1883) |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=1987 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/9780230226203.3051 |Seiten=1–28 }}</ref> Der erste Band von Marx’ Hauptwerk [[Das Kapital]] wurde 1867 in deutscher Sprache veröffentlicht. Darin konzentrierte sich Marx auf die [[Arbeitswerttheorie]] und die [[Mehrwert (Marxismus)|Mehrwerttheorie]], die seiner Ansicht nach die strukturelle Ausbeutung der Ware Arbeitskraft durch das Kapital erkläre.<ref>{{Literatur |Autor=J. E. Roemer |Titel=Marxian Value Analysis |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=1987 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/9780230226203.3052 |Seiten=1–6 }}</ref> Marx ging dabei davon aus, dass der Wert einer produzierten Ware durch die [[Arbeit (Philosophie)#Philosophie der Arbeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts|Arbeit]] bestimmt wird, die in ihre Produktion floss, und er zeigte, dass die Arbeiter nur einen Teil des Wertes, den ihre Arbeit geschaffen hatte, als Lohn ausgezahlt bekamen.<ref>{{Literatur |Autor=Pierangelo Garegnani |Titel=Surplus Approach to Value and Distribution |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/978-1-349-95121-5_1559-1 |Seiten=1–26}}</ref>
 
Die marxistische Wirtschaftstheorie wird zur [[Heterodoxe Ökonomie|heterodoxen Ökonomie]] gezählt und vom ökonomischen Mainstream abgelehnt.<ref>{{Literatur |Autor=Andrew Glyn |Titel=Marxist Economics |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/978-1-349-95121-5_1135-1 |Seiten=1–9}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Andrew Arato |Titel=Marxism |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/978-1-349-95121-5_995-1 |Seiten=1–7}}</ref>
 
==== Neoklassik ====
{{Hauptartikel|Neoklassische Theorie}}
[[Datei:Vilfredo Pareto 1870s2.jpg|mini|hochkant|[[Vilfredo Pareto]], neoklassischer Ökonom und Begründer der [[Wohlfahrtsökonomik]]]]
 
Die Neoklassik, die auch als [[neoklassische Theorie]] oder [[Grenznutzenschule]] bezeichnet wird, entstand zwischen 1870 und 1910. Die Theorie ist vor allem durch eine Übernahme mathematischer Methoden aus den Naturwissenschaften gekennzeichnet. Sie begründet die Wirtschaftswissenschaft als moderne empirisch-mathematische Wissenschaft.<ref name=":4">{{Literatur |Autor=Tony Aspromourgos |Titel=‘Neoclassical’ |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2017 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/978-1-349-95121-5_723-2 |Seiten=1–2}}</ref>
 
Die neoklassische Ökonomie untersucht das Verhalten von Einzelpersonen, Haushalten und Organisationen (die als wirtschaftliche Akteure, Akteure oder Agenten bezeichnet werden), wenn sie knappe Ressourcen verwalten oder verwenden, die alternative Verwendungen haben, um gewünschte Ziele zu erreichen.<ref name=":4" /> Wissenschaftliche Axiome der Neoklassik sind, dass Agenten rational handeln, mehrere wünschenswerte Ziele in Sicht haben, begrenzte Ressourcen, um diese Ziele zu erreichen, eine Reihe stabiler Präferenzen, ein eindeutiges übergeordnetes Leitziel und die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Optionen zu wählen.<ref>{{Literatur |Autor=Jamie Morgan |Titel=What is neoclassical economics? : debating the origins, meaning and significance |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-317-33451-4}}</ref>
 
Die neoklassische Ökonomie führte [[Angebot (Volkswirtschaftslehre)|Angebot]] und [[Nachfrage]] als systematische Determinanten von [[Preis (Wirtschaft)|Preis]] und Menge in die Modellbildung ein. Sie verzichtete auf die aus der klassischen Ökonomie übernommene Arbeitswerttheorie zugunsten einer Werttheorie basierend auf dem Konzept des [[Grenznutzen]]s auf der Nachfrageseite und einer [[Kostentheorie]] auf der Angebotsseite.<ref>{{Literatur |Autor=R. D. Collison Black |Titel=Utility |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2008 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/9780230226203.1781 |Seiten=1–6 }}</ref> Im 20. Jahrhundert entfernten sich neoklassische Theoretiker von einer früheren Vorstellung, dass der Gesamtnutzen für eine Gesellschaft gemessen werden könnte, zugunsten des ordinalen Nutzens, der lediglich verhaltensbasierte Beziehungen zwischen Personen darstellt.
 
In der [[Mikroökonomie]] stellt die neoklassische Ökonomie [[Anreiz]]e und Kosten dar, die eine entscheidende Rolle bei ökonomischen Entscheidungen spielen. Ein unmittelbares Beispiel hierfür ist die [[Haushaltstheorie]], die analysiert, wie Preise (als Kosten) und Einkommen die nachgefragte Menge beeinflussen.<ref>{{Literatur |Autor=Robert B. Ekelund, Robert F. Hébert |Titel=Retrospectives: The Origins of Neoclassical Microeconomics |Sammelwerk=The Journal of Economic Perspectives |Band=16 |Nummer=3 |Datum=2002 |ISSN=0895-3309 |Seiten=197–215 |JSTOR=3216957}}</ref>
 
[[Datei:Irvingfisher.jpg|mini|hochkant|[[Irving Fisher]], Begründer der [[Quantitätstheorie]]]]
In der [[Makroökonomie]] ist besonders die [[Quantitätstheorie]] des Geldes zu nennen, welche bis heute die dominante Theorie zur Erklärung von Inflation darstellt.<ref>{{Literatur |Autor=Paul A. Samuelson |Titel=What Classical and Neoclassical Monetary Theory Really was |Sammelwerk=The Canadian Journal of Economics / Revue canadienne d'Economique |Band=1 |Nummer=1 |Datum=1968 |ISSN=0008-4085 |DOI=10.2307/133458 |Seiten=1–15 |JSTOR=133458}}</ref>
 
Die neoklassische Ökonomie wird gelegentlich als orthodoxe Ökonomie bezeichnet, sei es von ihren Kritikern oder Sympathisanten.<ref>{{Literatur |Autor=David Colander |Titel=The Death of Neoclassical Economics |Sammelwerk=Journal of the History of Economic Thought |Band=22 |Nummer=2 |Datum=2000-06 |ISSN=1469-9656 |DOI=10.1080/10427710050025330 |Seiten=127–143 |Online=https://www.cambridge.org/core/journals/journal-of-the-history-of-economic-thought/article/abs/death-of-neoclassical-economics/7DAD02FFF3DDAF610302DE521D64FE1D |Abruf=2021-06-28}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Peter Senker |Titel=The triumph of neoliberalism and the world dominance of capitalism |Sammelwerk=Prometheus |Band=33 |Nummer=2 |Datum=2015 |ISSN=0810-9028 |DOI=10.1080/08109028.2015.1070482 |Seiten=97–111}}</ref> Die moderne Mainstream-Ökonomie baut auf der neoklassischen Theorie auf, jedoch mit vielen Verfeinerungen, die frühere Analysen entweder ergänzen oder verallgemeinern. Beispiele dafür sind [[Ökonometrie]], [[Spieltheorie]], die Analyse von [[Marktversagen]] und unvollkommener Wettbewerb und das neoklassische Modell des Wirtschaftswachstums zur Analyse langfristiger Variablen, die das Nationaleinkommen beeinflussen.<ref>{{Literatur |Autor=J. R. Hicks, J. E. Meade |Titel=A Neo-Classical Theory of Economic Growth. |Sammelwerk=The Economic Journal |Band=72 |Nummer=286 |Datum=1962-06 |ISSN=0013-0133 |DOI=10.2307/2228676 |Seiten=371}}</ref>
 
=== 20. Jhd. ===
==== Keynesianismus ====
{{Hauptartikel|Keynesianismus}}
[[Datei:Keynes 1933 cropped.jpg|mini|hochkant|[[John Maynard Keynes]], Begründer des Keynesianismus]]
 
Der [[Keynesianismus]] bezeichnet eine ökonomische Theorie, die von [[John Maynard Keynes]] begründet wurde, insbesondere seinem Hauptwerk [[Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes]]. Keynes begründete damit die moderne Makroökonomie als eigenständiges Feld. Das Buch konzentrierte sich auf Determinanten des Nationaleinkommens auf kurze Sicht, wenn Preise relativ unflexibel sind. Keynes versuchte zu erklären, warum sich Arbeitslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt aufgrund einer geringen „effektiven Nachfrage“ möglicherweise nicht selbst korrigiert und warum Preisflexibilität und [[Geldpolitik]] erfolglos sein können. Daher müsse der Staat durch Fiskalpolitik bzw. deficit spending auf die Wirtschaft einwirken.
 
Als die große [[Weltwirtschaftskrise]] ausbrach, hatten neoklassische Ökonomen Schwierigkeiten zu erklären, warum Waren unverkauft bleiben und Arbeiter arbeitslos werden konnten. In der neoklassischen Theorie sollten Preise und Löhne einfach soweit fallen, bis der Markt ein neues Gleichgewicht erreicht, wo alle Waren und Arbeitskräfte verkauft werden können. Keynes bot somit eine neue Wirtschaftstheorie an, die erklärte, warum Märkte möglicherweise nicht zu einem Gleichgewicht finden.
 
Die keynesianische Theorie hatte historisch vor allem einen dominanten Nachfolger: die [[neoklassische Synthese]], welche versuchte, Keynes’ Theorie und die neoklassische Ökonomie zusammenzuführen.<ref>{{Literatur |Autor=N. Gregory Mankiw |Titel=The Macroeconomist as Scientist and Engineer |Sammelwerk=Journal of Economic Perspectives |Band=20 |Nummer=4 |Datum=2006-08-01 |ISSN=0895-3309 |DOI=10.1257/jep.20.4.29 |Seiten=29–46 }}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Michel De Vroey, Pedro Garcia Duarte |Titel=In search of lost time: the neoclassical synthesis |Sammelwerk=The B.E. Journal of Macroeconomics |Band=13 |Nummer=1 |Datum=2013-01-01 |ISSN=1935-1690 |DOI=10.1515/bejm-2012-0078 }}</ref>
 
Ab den 1950er Jahren wurde diese Synthese von den meisten Ökonomen akzeptiert. Vertreter wie [[Paul A. Samuelson|Paul Samuelson]], [[Franco Modigliani]], [[James Tobin]] und [[Robert M. Solow|Robert Solow]] entwickelten formale mathematische Modelle und spezifische Theorien von Konsum, Investitionen und Geldnachfrage, die den keynesianischen Rahmen präzisierten.
 
==== Chicagoer Schule ====
{{Hauptartikel|Chicagoer Schule (Ökonomie)}}
{{Siehe auch|Monetarismus|Neue Klassische Makroökonomik|Rationale Erwartung}}
[[Datei:Portrait of Milton Friedman.jpg|mini|hochkant|[[Milton Friedman]], Begründer des [[Monetarismus]] und einflussreicher Denker des politischen [[Liberalismus]] im 20. Jhd.]]
 
Die Chicagoer Schule bezeichnet eine Sammlung verschiedener ökonomischer Theorien.<ref>{{Literatur |Autor=M. W. Reder |Titel=Chicago School |Sammelwerk=The World of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=1991 |ISBN=978-0-333-55177-6 |DOI=10.1007/978-1-349-21315-3_7 |Seiten=40–50 }}</ref> [[Milton Friedman]], [[George Stigler]] und [[Robert E. Lucas]] gelten als führende Vertreter.<ref>{{Literatur |Autor=Ross B. Emmett |Titel=Chicago School |Sammelwerk=The Palgrave Encyclopedia of Strategic Management |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2018 |ISBN=978-1-137-00772-8 |DOI=10.1057/978-1-137-00772-8_624 |Seiten=231–234}}</ref> Milton Friedman war dabei Befürworter des [[Monetarismus]], einer makroökonomischen Position, die den Keynesianismus ablehnte und die Geldpolitik gegenüber der Fiskalpolitik betonte. Er hat die neoklassische [[Quantitätstheorie]] des Geldes aktualisiert und dabei die Funktion der [[Geldnachfrage]] betont.<ref>{{Literatur |Autor=Milton Friedman |Titel=Why Money Matters |Sammelwerk=Wall Street Journal |Datum=2006-11-17 |ISSN=0099-9660 |Online=https://www.wsj.com/articles/SB116372965543825880 |Abruf=2021-06-28}}</ref> Friedman argumentierte weiterhin, dass [[Geldpolitik]] effektiver sei als [[Fiskalpolitik]].<ref>{{Literatur |Autor=Olivier Blanchard |Titel=Macroeconomics |Auflage=5th ed., Updated ed., [International ed.] |Verlag=Pearson Prentice Hall |Ort=Boston, Mass. |Datum=2011 |ISBN=0-13-215986-4 |Seiten=582-583}}</ref>
 
Die [[Neue Klassische Makroökonomik|neue klassische Makroökonomie]] übte auch Kritik am Keynesianismus. Entscheidend war dabei die Einführung von [[Rationale Erwartung|rationalen Erwartungen]] in die ökonomischen Modelle durch [[Robert E. Lucas|Robert Lucas]].<ref>{{Literatur |Autor=Alvaro Cencini |Titel=Macroeconomic foundations of macroeconomics |Verlag=Routledge |Ort=London |Datum=2005 |ISBN=0-203-02278-5}}</ref> Der Keynesianismus war von adaptiven Erwartungen ausgegangen, d.&nbsp;h. es wurde angenommen, dass Agenten die jüngste Vergangenheit betrachten, um Erwartungen über die Zukunft zu erstellen. Mit rationalen Erwartungen zeigten Neue klassische Ökonomen, dass die Geldpolitik nur begrenzte Auswirkungen habe und Fiskalpolitik faktisch unwirksam sei.<ref>{{Literatur |Autor=Robert E Lucas |Titel=Expectations and the neutrality of money |Sammelwerk=Journal of Economic Theory |Band=4 |Nummer=2 |Datum=1972-04 |DOI=10.1016/0022-0531(72)90142-1 |Seiten=103–124 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/0022053172901421 |Abruf=2021-06-28}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Peter Galbács |Titel=Fiscal Policy and New Classical Macroeconomics |Sammelwerk=The Theory of New Classical Macroeconomics |Verlag=Springer International Publishing |Ort=Cham |Datum=2015 |ISBN=978-3-319-17577-5 |DOI=10.1007/978-3-319-17578-2_5 |Seiten=221–281 }}</ref>
 
Außerdem übte Lucas eine fundamentale Kritik an den Modellen des Keynesianismus. Die [[Lucas-Kritik]] besagt, dass die meisten makroökonomischen Modelle nur statische Annahmen treffen, während sich reale Ökonomien dynamisch verhalten würden. [[Agent (Ökonomie)|Agenten]] passen ihre Erwartungen dynamisch an sich verändernde Informationen an. Daher seien die meisten keynesianischen makroökonomischen Modelle nicht haltbar.<ref>{{Literatur |Autor=Robert E. Lucas |Titel=Econometric policy evaluation: A critique |Sammelwerk=Carnegie-Rochester Conference Series on Public Policy |Band=1 |Datum=1976-01 |DOI=10.1016/S0167-2231(76)80003-6 |Seiten=19–46 |Online=https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0167223176800036 |Abruf=2021-06-28}}</ref>
 
Damit läutete Lucas einen Paradigmenwechsel in der Makroökonomie ein, der als [[Mikrofundierung]] bekannt ist.<ref>{{Literatur |Autor=E. Roy Weintraub |Titel=The Microfoundations of Macroeconomics: A Critical Survey |Sammelwerk=Journal of Economic Literature |Band=15 |Nummer=1 |Datum=1977 |ISSN=0022-0515 |Seiten=1–23 |JSTOR=2722711}}</ref>
 
==== Neukeynesianismus ====
{{Hauptartikel|Neukeynesianismus}}
{{Siehe auch|Mikrofundierung|Dynamische stochastische allgemeine Gleichgewichtsmodelle}}
[[Datei:Stanley Fischer (14152693510).jpg|mini|hochkant|[[Stanley Fischer]], Mitbegründer des Neukeynesianismus]]
 
Der [[Neukeynesianismus]] ist der aktuelle wissenschaftliche Konsens der ökonomischen Theorie. Hauptvertreter sind dabei [[Stanley Fischer]], [[John B. Taylor]] und [[Olivier Blanchard|Oliver Blanchard]]. Der Neukeynesianismus entstand aus der Synthese der Neuen Klassischen Makroökonomik, d.&nbsp;h. rationale Erwartungen und Mikrofundierung wurden akzeptiert. Zugleich bezog man aber auch die Einsicht John Maynard Keynes’ ein, dass sich Preise und Löhne kurzfristig nicht perfekt anpassen können. Die Verschmelzung von Elementen aus den verschiedenen Denkrichtungen wurde als neue neoklassische Synthese bezeichnet.<ref>{{Literatur |Autor=Olivier Blanchard |Titel=Macroeconomics |Auflage=5th ed., Updated ed., [International ed.] |Verlag=Pearson Prentice Hall |Ort=Boston, Mass. |Datum=2011 |ISBN=0-13-215986-4 |Seiten=590}}</ref> Neue keynesianische Modelle untersuchten daher Quellen von Starrheit bei Preisen und Löhnen (sticky prices and wages) und andere Formen des Marktversagens.<ref>{{Literatur |Autor=Stanley Fischer |Titel=Long-Term Contracts, Rational Expectations, and the Optimal Money Supply Rule |Sammelwerk=Journal of Political Economy |Band=85 |Nummer=1 |Datum=1977-02 |ISSN=0022-3808 |DOI=10.1086/260551 |Seiten=191–205 }}</ref> So konnte gezeigt werden, dass Fiskal- und Geldpolitik effizientere makroökonomische Ergebnisse produzieren können als [[Laissez-faire]].<ref>{{Literatur |Autor=N. Gregory Mankiw |Titel=Small Menu Costs and Large Business Cycles: A Macroeconomic Model of Monopoly |Sammelwerk=The Quarterly Journal of Economics |Band=100 |Nummer=2 |Datum=1985-05 |DOI=10.2307/1885395 |Seiten=529 }}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Olivier Jean Blanchard, Nobuhiro Kiyotaki |Titel=Monopolistic Competition and the Effects of Aggregate Demand |Sammelwerk=The American Economic Review |Band=77 |Nummer=4 |Datum=1987 |ISSN=0002-8282 |Seiten=647–666 |JSTOR=1814537}}</ref>
 
Die so entstandenen ökonomischen Theorien werden genutzt, um [[dynamische stochastische allgemeine Gleichgewichtsmodelle]] (DSGE) zu erstellen. Diese stellen den heutigen Stand der Makroökonomie dar und werden von internationalen Organisationen und Zentralbanken verwendet.<ref>{{Literatur |Autor=Rochelle M. Edge, Refet S. Gürkaynak |Titel=How Useful Are Estimated DSGE Model Forecasts for Central Bankers? |Sammelwerk=Brookings Papers on Economic Activity |Band=2010 |Nummer=2 |Datum=2010 |ISSN=1533-4465 |DOI=10.1353/eca.2010.0015 |Seiten=209–244 |Online=http://muse.jhu.edu/content/crossref/journals/brookings_papers_on_economic_activity/v2010/2010.2.edge.html |Abruf=2021-06-28}}</ref>
 
Die [[europäische Zentralbank]] verwendet zum Beispiel das Smets–Wouters Modell, ein DSGE-Modell, um die Auswirkungen ihrer Geldpolitik auf die Eurozone zu untersuchen.<ref>{{Literatur |Autor=Frank Smets, Rafael Wouters |Titel=An Estimated Stochastic Dynamic General Equilibrium Model of the Euro Area |Nummer=ID 358102 |Verlag=Social Science Research Network |Ort=Rochester, NY |Datum=2002-08-01 |Online=https://papers.ssrn.com/abstract=358102 |Abruf=2021-06-28}}</ref>
 
=== 21. Jahrhundert ===
==== Entwicklung des Konsens ====
[[Datei:Oliver Blanchard, IMF 98BlanchardWEO1 lg.jpg|mini|hochkant|[[Olivier Blanchard|Oliver Blanchard]], wichtiger zeitgenössischer Makroökonom, der den ökonomischen Konsens nach der Weltfinanzkrise maßgeblich weiterentwickelte.<ref>{{Literatur |Autor=Steven Pearlstein |Titel=The smartest economist you’ve never heard of |Sammelwerk=Washington Post |Datum=2015-10-03 |ISSN=0190-8286 |Online=https://www.washingtonpost.com/business/the-smartest-economist-youve-never-heard-of/2015/10/02/8659bcf2-6786-11e5-8325-a42b5a459b1e_story.html |Abruf=2022-08-14}}</ref>]]
 
Die [[Weltfinanzkrise|Finanzkrise von 2007–2008]] und die anschließende Große Rezession stellten die damalige Makroökonomik der kurzen und mittleren Frist in Frage.<ref name=":14">{{Literatur |Titel=What went wrong with economics |Sammelwerk=The Economist |ISSN=0013-0613 |Online=https://www.economist.com/leaders/2009/07/16/what-went-wrong-with-economics |Abruf=2022-08-14}}</ref> Nur wenige Ökonomen hatten die Krise vorhergesagt und es gab große Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man ihr begegnen sollte.<ref>{{Literatur |Autor=Emine Boz, Linda Tesar |Titel=Macroeconomics After the Great Recession |Sammelwerk=IMF Economic Review |Band=66 |Nummer=1 |Datum=2018-03-01 |ISSN=2041-417X |DOI=10.1057/s41308-018-0050-z |Seiten=1–4}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Basak Kus |Titel=Relief, Recovery, Reform: A Retrospective on the US Policy Responses to the Great Recession |Sammelwerk=Intereconomics |Band=55 |Nummer=4 |Datum=2020-07 |ISSN=0020-5346 |DOI=10.1007/s10272-020-0910-4 |PMID=32834101 |Seiten=257–265}}</ref> Die neue neoklassische Synthese entstand während einer Phase relativer Stabilität und wurde noch nicht in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld getestet.<ref name=":14" /> Viele Ökonomen stimmen darin überein, dass die Krise von einer [[Spekulationsblase]] herrührte, aber ein Modell des Finanzsektors oder einer Theorie von Vermögensblasen waren bisher nicht vorhanden.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Krugman |Titel=How Did Economists Get It So Wrong? |Sammelwerk=The New York Times |Datum=2009-09-02 |ISSN=0362-4331 |Online=https://www.nytimes.com/2009/09/06/magazine/06Economic-t.html |Abruf=2022-08-14}}</ref> Das Scheitern der damaligen makroökonomischen Theorie bei der Erklärung der Krise veranlasste die Makroökonomen, ihre Denkweise neu zu bewerten.<ref>{{Literatur |Titel=The other-worldly philosophers |Sammelwerk=The Economist |ISSN=0013-0613 |Online=https://www.economist.com/briefing/2009/07/16/the-other-worldly-philosophers |Abruf=2022-08-14}}</ref>
 
Besonders kritisiert wurden vor allem die vorherrschenden [[Dynamische stochastische allgemeine Gleichgewichtsmodelle|DSGE-Modelle]], die als umfassende Makro-Modelle der Wirtschaft entwickelt wurden.<ref>{{Internetquelle |autor=Jordi Galí |url=https://crei.cat/wp-content/uploads/2016/07/gali_dsge_2017.pdf |titel=Some scattered thoughts on DSGE models |sprache=en |abruf=2022-08-14}}</ref> Ökonomen wie [[Robert M. Solow|Robert Solow]] kritisierten die unplausiblen Annahmen der Modelle, z.&nbsp;B. dass ein einziger „repräsentativer Agent“ die komplexe Interaktion der vielen verschiedenen Agenten darstellt, aus denen die reale Ökonomie besteht.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-111hhrg57604/pdf/CHRG-111hhrg57604.pdf |titel=BUILDING A SCIENCE OF ECONOMICS FOR THE REAL WORLD |hrsg=UNITED STATES HOUSE OF REPRESENTATIVES |seiten=12–15 |sprache=en |abruf=2022-08-14}}</ref> [[Joseph E. Stiglitz|Joseph Stiglitz]] forderte eine Erneuerung der Wirtschaftsmodelle, um die neuen Erkenntnisse der [[Informationsökonomik]] und der [[Verhaltensökonomik]] zu integrieren.<ref>{{Literatur |Autor=Joseph Stiglitz |Titel=Where Modern Macroeconomics Went Wrong |Nummer=w23795 |Verlag=National Bureau of Economic Research |Ort=Cambridge, MA |Datum=2017-09 |DOI=10.3386/w23795 |Seiten=w23795 |Online=http://www.nber.org/papers/w23795.pdf |Abruf=2022-08-14}}</ref>
 
Die Vertrauenskrise der DGSE-Modelle hat den tieferen wissenschaftlichen Konsens des Neukeynesismus und der neuen neoklassischen Synthese jedoch nicht erschüttert.<ref>{{Literatur |Autor=Michael Woodford |Titel=Convergence in Macroeconomics: Elements of the New Synthesis |Sammelwerk=American Economic Journal: Macroeconomics |Band=1 |Nummer=1 |Datum=2009-01-01 |ISSN=1945-7707 |DOI=10.1257/mac.1.1.267 |Seiten=267–279}}</ref><ref name=":15">{{Literatur |Autor=Jordi Galí |Titel=The State of New Keynesian Economics: A Partial Assessment |Sammelwerk=Journal of Economic Perspectives |Band=32 |Nummer=3 |Datum=2018-08-01 |ISSN=0895-3309 |DOI=10.1257/jep.32.3.87 |Seiten=87–112}}</ref> Stattdessen konzentrierte man sich auf die Entwicklung von Modellen, die die neuen Daten erklären können.<ref name=":15" /> Dazu wurden die ökonomischen Modelle um weitere Formen des [[Marktversagen]]s erweitert, etwa auf Finanzmärkten.<ref>{{Literatur |Autor=Jaromir Benes, Michael Kumhof, Douglas Laxton |Titel=Financial Crises in DSGE Models: A Prototype Model |Sammelwerk=IMF Working Papers |Band=14 |Nummer=57 |Datum=2014 |ISSN=1018-5941 |DOI=10.5089/9781475540895.001 |Seiten=1 |Online=https://elibrary.imf.org/openurl?genre=journal&issn=1018-5941&volume=2014&issue=057 |Abruf=2022-08-14}}</ref> Außerdem erlauben zeitgenössische DGSE-Modelle eine größere Heterogenität der Agenten mit Faktoren wie Alter, Bildungsstand und verfügbaren Informationen. Diese '''n'''eu'''k'''eynesianischen ('''NK''') Modelle mit '''h'''eterogenen '''A'''genten ('''HA''') werden auch kurz als '''HANK'''-Modelle bezeichnet und sind ein gegenwärtiges Forschungsfeld der makroökonomischen Modellierung.<ref>{{Literatur |Autor=Greg Kaplan, Benjamin Moll, Giovanni L. Violante |Titel=Monetary Policy According to HANK |Sammelwerk=American Economic Review |Band=108 |Nummer=3 |Datum=2018-03-01 |ISSN=0002-8282 |DOI=10.1257/aer.20160042 |Seiten=697–743 |Online=https://benjaminmoll.com/wp-content/uploads/2019/07/HANK.pdf |Abruf=2022-08-14}}</ref> Daneben werden spezifische Bereiche der Ökonomie direkt modelliert, etwa der [[Transmissionsmechanismus]] der Geldpolitik.<ref>{{Literatur |Autor=Peter N. Ireland |Titel=Monetary Transmission Mechanism |Sammelwerk=The New Palgrave Dictionary of Economics |Verlag=Palgrave Macmillan UK |Ort=London |Datum=2016 |ISBN=978-1-349-95121-5 |DOI=10.1057/978-1-349-95121-5_2339-1 |Seiten=1–7}}</ref>
 
Außerdem wurde das Feld der modernen Makroökonomik hinsichtlich neuer Probleme wie Ungleichheit und [[Globale Erwärmung|Klimawandel]] erweitert. Empirische makroökonomische Forschung zeigte, wie schädlich hohe Ungleichheit für das Wachstumspotential von Ökonomien ist.<ref>{{Literatur |Autor=Jonathan Ostry, Andrew Berg|Titel=Inequality and Unsustainable Growth: Two Sides of the Same Coin? |Sammelwerk=Staff Discussion Notes |Band=11 |Nummer=08 |Datum=2011 |ISSN=2221-030X |DOI=10.5089/9781463926564.006 |Seiten=1 |Online=https://elibrary.imf.org/openurl?genre=journal&issn=2617-6750&volume=2011&issue=008 |Abruf=2022-08-14}}</ref> Die makroökonomischen Modelle der [[Europäische Zentralbank|EZB]] und internationaler Institutionen wie dem [[Internationaler Währungsfonds|IWF]] analysieren Klimarisiken für die langfristige Stabilität des Wirtschaftswachstums und entwickeln effektive und effiziente Lösungen.<ref>{{Internetquelle |autor=Malin Andersson, Claudio Baccianti, Julian Morgan |url=https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpops/ecb.op243~2ce3c7c4e1.en.pdf |titel=Climate change and the macro economy |hrsg=European Central Bank (ECB) |datum=2020-06 |sprache=en |abruf=2022-08-14}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Matthew Kahn |Titel=Long-Term Macroeconomic Effects of Climate Change A Cross-Country Analysis |Verlag=International Monetary Fund |Ort=[S.l.] |Datum=2019 |ISBN=978-1-5135-1459-8 |Online=https://www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2019/10/11/Long-Term-Macroeconomic-Effects-of-Climate-Change-A-Cross-Country-Analysis-48691 |Abruf=2022-08-14}}</ref>
 
== Organisationen, Verbände und Vereine ==
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* [[Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte]], Berufsverband für Wirtschaftsakademiker und Studierende der Wirtschaftswissenschaften
* [[American Economic Association]], nordamerikanische Vereinigung von Volkswirten
* [[Schweizerische Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik]], ökonomische Vereinigung in der Schweiz
 
== Siehe auch ==
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== Literatur ==
* Schriftenreihe: ''Volkswirtschaftliche Schriften (VWS).'' Duncker & Humblot, Berlin, seit 1952.
 
* [[Artur Woll]]: ''Allgemeine Volkswirtschaftlehre.'' 4. Auflage. München 1974.
* [[Utta Gruber]], Michaela Kleber: ''Grundlagen der Volkswirtschaftslehre.'' 4. Auflage. Vahlen, München 2000, ISBN 3-8006-2594-6.
* [[Wolfgang Cezanne]]: ''Allgemeine Volkswirtschaftslehre.'' 6. Auflage. Oldenbourg, München/Wien 2005, ISBN 3-486-57770-0.
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* [[N. Gregory Mankiw]], [[Mark P. Taylor]]: ''Grundzüge der Volkswirtschaftslehre.'' Aus dem Englischen übersetzt von [[Adolf Wagner (Volkswirt)|Adolf Wagner]], Marco Herrmann. 5. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7910-3098-2.
* [[Hermann Adam]]: ''Bausteine der Wirtschaft. Eine Einführung.'' 16. Auflage. Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-531-19505-6.
* [[Heinz-J.Josef Bontrup]], [[Ralf-M. Marquardt,]]: ''Volkswirtschaftslehre aus orthodoxer und heterodoxer Sicht,.''; De Gruyter, Oldenbourg Verlag, Berlin, /Boston 2021, ISBN 978-3-11-061918-8
 
== Weblinks ==
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<references />
 
{{Normdaten|TYP=s|GND=4078943-3|LCCN=sh85040850|NDL=00565428|VIAF=}}
 
[[Kategorie:Volkswirtschaftslehre| ]]