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Clostridien

Gattung der Familie Clostridiaceae
(Weitergeleitet von Clostridium)

Clostridien (vom lateinischen Gattungsnamen Clostridium, von griech. κλωστήρ „Spindel“) sind grampositive, obligat anaerobe, sporenbildende Bakterien aus der Familie der Clostridiaceae. Die Endosporen sind hitzeresistent und können in siedendem Wasser viele Stunden, einige bei 110 °C etwa eine Stunde, überleben. Clostridien können sich, mit Ausnahme von C. perfringens, mit peritrich angeordneten Geißeln aktiv bewegen.

Clostridien

Illustration basierend auf REM-Aufnahmen

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Firmicutes
Klasse: Clostridia
Ordnung: Clostridiales
Familie: Clostridiaceae
Gattung: Clostridien
Wissenschaftlicher Name
Clostridium
Prazmowski 1880

Die Bakterien sind sogenannte Umweltkeime und kommen überall (ubiquitär) vor, vor allem in Böden und im Verdauungstrakt (insbesondere als Normalflora im Darm) von höheren Lebewesen. Sie gelangen durch Staub- und Erdpartikel auch in Lebensmittel, wo sie zu ernsthaften Problemen führen können (s. unten).

In der Gattung der Clostridien befinden sich sowohl Krankheitserreger (pathogene Keime), als auch apathogene Arten, die zum Teil in der Biotechnologie eingesetzt werden. Unter den pathogenen Arten sind vor allem Clostridium botulinum (verursacht Botulismus) und Clostridium tetani (verursacht Tetanus [Wundstarrkrampf]) zu nennen. Andere Arten rufen Gasbrand, Bradsot, Rauschbrand und Labmagenpararauschbrand hervor.

Clostridioides difficile (vorher Clostridium difficile, verursacht Dickdarmentzündung, die sogenannte Pseudomembranöse Kolitis) und Clostridioides mangenotii (vorher Clostridium mangenotii) gehören nicht mehr zur Gattung der Clostridien, sondern zur Gattung Clostridioides („Clostridienartige“) in der Familie Peptostreptococcaceae.[1]

Unter dem Aspekt ihrer bevorzugten Energiequelle können Clostridien in drei große Gruppen eingeteilt werden:

  1. Proteolytische Clostridien: Spaltung von Eiweißen und/oder paarweise Umsetzung von Aminosäuren
  2. Harnsäure-spaltende Clostridien, z. B. C. acidi-urici
  3. Saccharolytische Clostridien: Vergärung von Kohlenhydraten (Zucker, Zellulose, Stärke)

Hauptgärungsprodukte der saccharolytischen Clostridien sind Buttersäure, Aceton, Butanol, Kohlenstoffdioxid und molekularer Wasserstoff (H2).

Biotechnische Bedeutung

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Produktion organischer Lösemittel

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Clostridium acetobutylicum ist in der Lage, Zucker zu den Lösemitteln Aceton, 1-Butanol, Ethanol und zu den organischen Säuren Essigsäure und Buttersäure zu vergären. Das Bakterium wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Aceton-Butanol-Ethanol-Gärung zur biotischen Produktion der genannten organischen Lösemittel im industriellen Maßstab genutzt.

Erstmals beschrieben wurde es von dem Chemiker Chaim Weizmann, dem späteren ersten Präsidenten des Staates Israel.[2]

Produktion weiterer organischer Verbindungen

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Zahlreiche weitere Clostridienarten werden für die biotechnologische Produktion von verschiedenen Produkten eingesetzt bzw. werden als potenzielle Produzenten erforscht, unter anderem das für die Synthesegas-Fermentation nutzbare Clostridium ljungdahlii.[3] C. ljungdahlii ist des Weiteren ein Modellorganismus für die Erforschung von acetogenen Bakterien. Bei der Acetogenese wird durch den reduktiven Acetyl-CoA-Weg (Wood-Ljungdahl-Weg) Kohlenstoffdioxid (CO2) fixiert und als Elektronenakzeptator genutzt. Als Endprodukt wird (u. a.) Essigsäure (Acetat) gebildet.[4] Die Acetogenese läuft unter anaeroben Bedingungen ab und ist evolutionär der älteste Stoffwechselweg der CO2-Fixierung. Der Stoffwechselweg tritt bei verschiedenen Bakteriengattungen auf, neben Clostridium sind z.b. Acetobacterium woodii, Acetonema, Butyribacterium methylotrophicum, Eubacterium und Oxobacter pfennigii zu nennen.[2]

C. carboxidivorans und C. drakei sind von Interesse, das sie auch Alkohol (Ethanol) und Butanol produzieren. Die erstgenannte Art kann auch Hexanol und Capronsäure (Hexanoat) bilden.[4] Clostridium beijerinckii wird zu der Produktion von Isopropanol, Butanol und Ethanol (IBE) eingesetzt.[5]

Clostridien in der Landwirtschaft

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Clostridien sind in Böden weit verbreitet. Saccharolytische Clostridien (nicht jedoch Vertreter der übrigen Clostridiengruppen) sind in der Lage, molekularen Stickstoff (N2) zu reduzieren und somit zu fixieren. Sie werden deshalb als diazotroph bezeichnet und sind damit natürliche Düngerproduzenten im Erdboden. Aktivster N2-Fixierer der Gattung ist Clostridium pasteurianum in anoxischen Sedimenten.

In der Ausgabe 10/2005 des dlz-Agrarmagazins[6] wird vor der Aufschaukelung von Clostridien in landwirtschaftlichen Biogasanlagen (Co-Vergäranlagen) gewarnt. In solchen Anlagen werden Gülle aus der Tierhaltung und Grünabfälle von Kommunen, Gewerbe und Industrie in der Regel bei unter 40 °C anaerob vergoren. In diesem Prozess fänden Clostridien beste Vermehrungsbedingungen. Die Autorin empfiehlt, Gärsubstrate einzupflügen und nicht auf Grünflächen aufzubringen. Mit dem Einsatz von „effektiven Mikroorganismen“ soll zudem die Aufschaukelung reduziert werden.

Die Landwirtschaftskammer NRW hat bezüglich Clostridien und Biogasgülle vor „Panikmache“ gewarnt. Eine Vermehrung des häufig als problematisch genannten Bakteriums Clostridium perfringens sei bislang nicht festgestellt worden. In Übereinstimmung mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft[7] wird jedoch vor der Ausbringung von Fleischfresserkot und Guano (Vogeltrockenkot) gewarnt, weil darin einhunderttausendmal mehr krankheitserregende Bakterien vom Typ Clostridium perfringens vorkommen als im Kot von Pflanzenfressern. Hier liegt die Keimzahl bei 100 – 10000 pro 1 ml. In der Ausbringung von Gärresten aus Biogasanlagen auf Futterpflanzen und Weiden könnte sich eventuell eine Gesundheitsgefahr ergeben, wenn diese Produkte eingesetzt werden.

Auch die Gefahr von Botulismus, die von Clostridium botulinum ausgeht, soll eingeschränkt werden: So dürfen in NRW Geflügelexkremente nur auf Ackerland und in Biogasanlagen eingesetzt werden, jedoch nicht auf Grünland und Feldgrasflächen ausgebracht werden.[8]

Dass käsereischädliche Clostridien mit Biogasanlagen in Zusammenhang gebracht werden können, erscheint unwahrscheinlich: Die Erfahrungen mit zwei Betrieben in NRW über 8 Jahren zeigen sogar eine besonders niedrige Belastung.[9]

Medizinische Bedeutung

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Lebensmittelverderber oder -vergifter

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Insbesondere Clostridium perfringens ist bekannt für die Auslösung einer durch kontaminierte Lebensmittel verursachten Enteritis.[10] Clostridium-Endosporen können wegen ihrer ausgeprägten Resistenz gegen hohe Temperaturen bei der Sterilisation von Dosenkonserven bei unzureichender Erhitzung überleben. Sie keimen während der Lagerung der Konserven aus und die Clostridien vermehren sich darin, da sie für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff benötigen (sie sind obligat anaerob). Ihr Stoffwechsel führt zum Verderb der Konserven: Das Konservengut wird zersetzt, es bilden sich unangenehm riechende und schmeckende Säuren, die gebildeten Gase Kohlenstoffdioxid (CO2) und molekularer Wasserstoff (H2) blähen die Konservendosen auf (sogenannte Bombage). Auch andere Lebensmittel wie Käse können durch Gasbildung zerstört werden. Man spricht hier von der sogenannten Spätblähung. Auch aseptisch verpackte Getränkekartons mit Fruchtsaft oder Fruchtpulpe können durch Rekontamination oder bei hoher Sporenlast und unzureichender Pasteurisation von Bombagen betroffen sein.[11]

Medizinisch wichtige Clostridien-Arten

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Virulenzfaktoren

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Verschiedene Virulenzfaktoren kommen in Clostridien vor. Clostridium botulinum produziert das Botulinumtoxin, das bereits nach 30-minütiger Erhitzung bei 80 °C inaktiviert ist. Die unterschiedlichen Typen spalten hydrolytisch Proteine, die die Verschmelzung mit der synaptischen Membran vermitteln (Synaptobrevin, Syntaxin, SNAP-25). Das wiederum hemmt die Ausschüttung von Acetylcholin aus den Synapsen. Clostridium tetani produziert das Tetanustoxin. Es wird beim Zerfall der Bakterienzelle freigesetzt. Synaptobrevin wird gespalten, und so wird die Freisetzung der inhibitorischen Neurotransmitter Glycin und GABA gehemmt (daher der Name Wundstarrkrampf). Clostridium perfringens produziert unter anderem das Toxin-Alpha (= Lecithinase), das Zellmembranen zerstört, und es produziert Enterotoxine und porenbildende Toxine. Clostridioides difficile produziert die Toxine A (Enterotoxin-Wirkung) und B (zytolytische Wirkung).

Die Kollagenasen der Clostridien machen einen weiteren Virulenzfaktor aus. Mit Hilfe dieses Enzyms können sich Clostridien durch den Abbau von Kollagen im Bindegewebe des Wirtsorganismus besonders rasch ausbreiten. Umgekehrt wird Kollagenase aus Clostridien zur Unterstützung der Wundheilung (Débridement) verwendet.[14][15][16]

Behandlung

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Als Antibiotika zur Therapie von Infektionen mit Clostridium-Arten stehen Penicillin, kombiniert mit Clindamycin oder Metronidazol, sowie Ampicillin, Amoxicillin, Ampicillin-Sulbactam und Amoxicillin-Clavulansäure zur Verfügung.[10]

Literatur

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  • Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.): The Prokaryotes. Band 4: Bacteria - Firmicutes, Cyanobacteria. 3. Auflage. Springer, New York 2006, ISBN 0-387-25494-3. doi:10.1007/0-387-30744-3
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Commons: Clostridien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Paul A. Lawson, Diane M. Citron, Kerin L. Tyrrell, Sydney M. Finegold: Reclassification of Clostridium difficile as Clostridioides difficile (Hall and O’Toole 1935) Prévot 1938. In: Anaerobe. Band 40, 1. August 2016, ISSN 1075-9964, S. 95–99, doi:10.1016/j.anaerobe.2016.06.008 (sciencedirect.com [abgerufen am 16. Juli 2023]).
  2. a b Clostriden als nachhaltige Plattform für Chemikalien und Lebensmittel In: BIOspektrum Band 27, S. 554–556 (2021) Open Access doi:10.1007/s12268-021-1596-2
  3. Michael Köpke, Claudia Held, Sandra Hujer, Heiko Liesegang, Arnim Wiezer, Antje Wollherr, Armin Ehrenreich, Wolfgang Liebl, Gerhard Gottschalk, Peter Dürre: Clostridium ljungdahlii represents a microbial production platform based on syngas. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States (PNAS) 107 (29), 20. Juli 2010. Volltext, PMID 20616070.
  4. a b Frank R. Bengelsdorf und Peter Dürre: Biokatalytische Konversion, S. 102. In: Manfred Kircher, Thomas Schwarz: CO2 und CO – Nachhaltige Kohlenstoffquellen für die Kreislaufwirtschaft, Springer Spektrum Berlin, Heidelberg, 2020, ISBN 978-3-662-60648-3
  5. Anton Friedl und Angela Miltner: Fermentative Alkoholerzeugung und -nutzung. In: Martin Kaltschmitt, Hans Hartmann, Hermann Hofbauer: Energie aus Biomasse Springer Vieweg Berlin, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-47437-2 doi:10.1007/978-3-662-47438-9
  6. Monika Krüger. In: dlz-Agrarmagazin. 56.2005,10, S. 14. ISSN 0340-787X
  7. Umwelttechnik. (Memento vom 21. Februar 2007 im Internet Archive; PDF; 73 kB) Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft.
  8. Neue Regeln für den Gülleimport. (Memento vom 28. Februar 2016 im Internet Archive; PDF; 2,4 MB) In: Landwirtschaftliches Wochenblatt, 40/2007, via naehrstoffboerse.de
  9. Clostridien in Biogasanlagen - keine Risiken für Tiergesundheit und Milchqualität. (Memento vom 31. Mai 2015 im Internet Archive) oekolandbau.nrw.de, 11. Mai 2010.
  10. a b c d e Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 262.
  11. Clostridien in Lebensmitteln: Nachweis der Toxin-Gene von Clostridium botulinum (PDF; 1,2 MB) In: LADR informiert, 02/2015
  12. “Clostridium autoethanogenum” Abrini et al. 1994 (species) NCBI.
  13. Jan Osterkamp: Gentechnisch veränderte Bakterien sparen Kohlendioxid. Auf: spektrum.de vom 22. Februar 2022;
    Nadja Podbregar: Bakterium wandelt CO2 in nützliche Chemikalien um: Mikrobe produziert Aceton und Isopropanol aus Stahlwerks-Abgasen. scinexx.de, 24. Februar 2022.
    Stefan Parsch et al.: Klimafreundliches Verfahren: Bakterien bilden Chemikalien aus CO2. n-tv.de, 23. Februar 2022.
  14. M. Pruteanu, N. P. Hyland u. a.: Degradation of the extracellular matrix components by bacterial-derived metalloproteases: implications for inflammatory bowel diseases. In: Inflammatory bowel diseases. Band 17, Nummer 5, Mai 2011, S. 1189–1200, ISSN 1536-4844. doi:10.1002/ibd.21475. PMID 20853433.
  15. J. Ramundo, M. Gray: Collagenase for enzymatic debridement: a systematic review. In: Journal of wound, ostomy, and continence nursing: official publication of The Wound, Ostomy and Continence Nurses Society / WOCN. Band 36, Nummer 6 Suppl, 2009 Nov-Dec, S. S4–11, ISSN 1528-3976. doi:10.1097/WON.0b013e3181bfdf83. PMID 19918148. (Review).
  16. Collagenase bei Dupuytren’scher Kontraktur: Zusatznutzen nicht belegt. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Pressemitteilung, 1. Januar 2012, Abruf am 18. Dez. 2021