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L 16 17 Barock Prosa Simplicissimus

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L 16-17:

Prosa des Barock

J.H. Christofl von Grimmelshausen:


Der Simplicissimus

Dr. Grazia Berger

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 1


Simplicissimus
Wiederholung:
Deutschland im 30jährigen Krieg
(1618-1648)

1. Das 17. Jhdt war das Zeitalter der


GEGENREFORMATION. In Böhmen siegte zunächst
das Luthertum, 1618 erfolgte die Ausweisung der
Jesuiten. Es kam zu Tätlichkeiten gegen hohe
habsburgische Beamte in Prag.
2. Beim Streit zwischen Calvinisten und
Lutheranern in Böhmen stellten sich die Lutheraner
auf die Seite der Katholiken.
3. 1620 erlitten die Böhmen in der Schlacht am
Weißen Berg bei Prag eine vernichtende
Niederlage. Alle Nicht-Katholiken wurden zur
Bekehrung oder Auswanderung gezwungen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 2


Simplicissimus
Wiederholung:
Deutschland im 30jährigen Krieg
(1618-1648)

4. Die Habsburger beschlossen, auch die


norddeutschen Fürsten zur
Rekatholisierung zu zwingen. Der
Heerführer WALLENSTEIN (der religiös
indifferent war) erzielte große Erfolge.
Plünderungen zum Unterhalt des
Heeres wurden damals regulär
angeordnet. (Lit.: Friedrich Schillers
Wallensteintrilogie). Dies führte zur
Verwüstung weiterer Landstriche.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 3


Simplicissimus
Wiederholung:
Deutschland im 30jährigen Krieg
(1618-1648)

5. Um 1630 zeichnete sich eine Wende ab,


da Gustav Adolf von Schweden (als
gläubiger Protestant) in das
Kriegsgeschehen eingriff und die
kaiserlichen Truppen wiederholt
besiegte. Er erstrebte zunächst
hauptsächlich die Vorherrschaft an der
Ostsee. In der Schlacht von Lützen in
Sachsen (1632) fiel Gustav Adolf beim
Sieg gegen Wallenstein. So gelang es
Frankreich, bis zum Rhein
vorzudringen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 4


Simplicissimus
Wiederholung:
Deutschland im 30jährigen Krieg
(1618-1648)

6. Das Elend der Zivilbevölkerung war


unbeschreiblich. Durch die jahrzehntelange
Kriegsführung entstanden immense
Kriegsschäden, von denen sich
« Deutschland » erst mehr als hundert
Jahre später erholt haben sollte. =>
Verwilderung der Jugend => Pädagoge
Johann Amos Comenius (1592-1670)
versuchte dagegen anzukämpfen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 5


Simplicissimus
Die Türkengefahr
 Hinzu kam die Türkengefahr. Vom 14.
Jahrhundert an drangen türkische Heere
ein, zunächst in den Balkan. Ungarn
wurde 1526 von den Türken besetzt.
Danach kam es bis 1699 zum Streit
zwischen Türken und Österreichern.
 1645-1669 entbrannte ein erbitterter
Streit um die Insel Kreta. Im 17.
Jahrhundert zitterte fast ganz Europa von
der Türkengefahr. Vgl. u.a. die Werke
Catharina von Greiffenbergs.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 6


Simplicissimus
Zur Wiederentdeckung des Barocks
im 20. Jahrhundert
 Der Begriff « barock » kommt von
portugiesisch barocco: « schiefe Perle ».
Er wurde zunächst pejorativ verwendet.
Vgl. Die ungünstige Bewertung der
deutschen Barockliteratur in älteren
literaturgeschichtlichen Darstellungen:
Schwulst, Bombast; leeres, hohles
Pathos. Die Wiederentdeckung der
barocken Literatur erfolgte erst im frühen
20. Jahrhundert. Da erschien die barocke
Kunst – nicht zuletzt der früher
vielgeschmähte barocke Roman – als
Präfiguration der Moderne.
Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 7
Simplicissimus
Zur Musik und Architektur des
Barockzeitalters: MUSIK
1. Blütezeit der Oper, Kammermusik und
Concerti grossi.
Oper: Claudio Monteverdi (1567-1643)
und Alessandro Scarlatti (1660-1725)
Geigenbau: Amati, Guarneri, Stradivari
(16.-18. Jhdt.)
Concerti und geistliche Musik: Johann
Sebastian Bach (1685-1750), Georg
Friedrich Händel (1685-1759), Henry
Purcell, Heinrich Schütz, Dietrich
Buxtehude.
Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 8
Simplicissimus
Zur Musik und Architektur des
Barockzeitalters: ARCHITEKTUR
 Das Barock war eine Blütezeit der
Architektur (Bsp: Versailles, Schönbrunn,
Invalidendom, Schloss Sanssouci in Potsdam;
Jesuitenkirchen, Bayrischer Barock;
Architekten: Bernini, Borromini), der Plastik,
der Malerei (Van Dyck, Rubens, Jordaens, El
Greco, Velazquez)
 Gebäude wurden als Skulptur aufgefasst, die
barocke Architektur galt auch als
transformierte Musik. Sie waren auch Teil
der Machtdemonstration der Herrschenden
des Absolutismus, sei es nun des Adels oder
beispielsweise der Jesuiten: Darum auch die
üppige Prachtentfaltung dieser Architektur.
Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 9
Simplicissimus
Le Château de Versailles
 Das französische Schloss Versailles (fr. Château de Versailles) liegt in Versailles,
einem Vorort von Paris. Gebaut als Jagdschloss für König Ludwig XIII. durch
Philibert Le Roy wurde es ab 1661 unter Ludwig XIV. durch Louis Le Vau,
François d’Orbay, Jules Hardouin-Mansart und Robert de Cotte in
mehreren Abschnitten während der Friedenszeiten zwischen den
Reunionskriegen um- und ausgebaut. Die Innenausstattung schuf Charles
Lebrun, die berühmten Gartenanlagen stammen von André Le Nôtre. Der
barocke Palast war von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ausbruch
der Französischen Revolution die Residenz des französischen
Königshauses. Das Schloss war in dieser Zeit fast durchgehend von einem
mehrere tausend Personen umfassenden Hofstaat bewohnt und wurde zum
kulturellen und politischen Mittelpunkt Frankreichs.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 10


Simplicissimus
Schloss Schönbrunn in Wien
 Gebaut als Residenz für Kaiserin
Eleonora Gonzaga zwischen 1638 und
1643, wurde es in der Zweiten Wiener
Türkenbelagerung 1683 schwer
beschädigt. 1687 gab Leopold I. für
seinen Thronfolger Joseph I. einen
repräsentativen Neubau von Johann
Bernhard Fischer in Auftrag.

 Erst ab 1743 wurde unter Kaiserin Maria


Theresia durch Nikolaus von Pacassi und
Johann Ferdinand Hetzendorf von
Hohenberg das Schloss und der Park in
seiner heutigen Form um- und ausgebaut.
Der barocke Palast war von der Mitte
des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des
Ersten Weltkrieges die Sommerresidenz
des österreichischen Kaiserhauses. Das
Schloss war in dieser Zeit fast
durchgehend von einem mehrere hundert
Personen umfassenden Hofstaat bewohnt
und wurde zu einem kulturellen und
politischen Mittelpunkt des
Habsburgerreiches.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 11


Simplicissimus
Schloss Sanssouci in Potsdam:
Rokoko
 Schloss Sanssouci (frz. sans souci „ohne Sorge“) liegt im östlichen Teil des
gleichnamigen Parks und ist eines der bekanntesten Hohenzollernschlösser
der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam. Nach eigenen Skizzen ließ
der preußische König Friedrich der Große in den Jahren 1745–1747 ein kleines
Sommerschloss im Stil des Rokoko errichten. Mit der Planung beauftragte er den
Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 12


Simplicissimus
Innenansicht der Jesuitenkirche in Antwerpen (um
1630 Sebastian Vrancx)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 13


Simplicissimus
Zur Romantheorie und dem Barock
 In der antiken Poetik kommt der Roman
nicht vor, obwohl schon damals Romane
geschrieben wurden. Sigmund von Birken
(1679) hat den Roman erstmals in die
Poetik aufgenommen. Die Diskussion um
die Berechtigung des Romans war im
Barockzeitalter in Deutschland lebhaft. Die
Calvinistische Kritik am Roman war:
« wer romans list / der list Lügen »
(Gotthard Heidegger, 1698).

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 14


Simplicissimus
Der Schelmenroman [1]
 Vorbild ist hier die spanische novela picaresca (pícaro = Vagabund).

 Hervorragender Meister dieser Gattung war MIGUEL CERVANTES mit seinel DON QUICHOTE.

 Der Schelmenroman oder pikarischer/pikaresker Roman = dt. Schelmenroman (aus dem


Spanischen: pícaro = Schelm) schildert aus der Perspektive seines Helden, wie sich dieser in einer
Reihe von Abenteuern durchs Leben schlägt. Der Schelm stammt aus den unteren
gesellschaftlichen Schichten, ist deshalb ungebildet, aber „bauernschlau“. Er durchläuft alle
gesellschaftlichen Schichten und wird zu deren Spiegel. Der Held hat keinen Einfluss auf die
Geschehnisse um ihn herum, schafft es aber immer wieder, sich aus allen brenzligen
Situationen zu retten.

 Traditionell ist der Schelmenroman eine (fingierte) Autobiographie. Sie beginnt oft mit einer
Desillusionierung des Helden, der die Schlechtigkeit der Welt erst hier erkennt. Er begibt sich, sei es
freiwillig, sei es unfreiwillig, auf Reisen. Die dabei erlebten Abenteuer sind episodenhaft, d.h. sie
hängen nicht voneinander ab und können beliebig erweitert werden, was bei Übersetzungen oft der Fall
war. Das Ende ist meist eine „Bekehrung“ des Schelms, nach der er zu einem geregelten Leben
findet. Es besteht auch die Möglichkeit einer Flucht aus der Welt, also aus der Realität.

 Vertreter neben Grimmelshausens Romanen im deutschen Sprachgebiet sind:

 Johann Beer: Der Simplicianische Welt-Kucker (1677)


 Daniel Speer: Der Ungarische oder Dacianische Simplicissimus (1683)
 Christian Reuter: Schelmuffsky (1696)

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Simplicissimus
Der Schelmenroman [2]

« Im Gegensatz zum höfisch-historischen Roman


betrachtet der Pikaroroman die Welt von unten,
aus der Perspektive des Ausgestoßenen.

Dies geschieht in der Form der fiktiven


Autobiographie, die zur Bewährung des Erzählens
dient. Zugleich bietet die retrospektive Erzählweise
die Möglichkeit, verschiedenen
Entwicklungsphasen des Ich miteinander zu
konfrontieren und die eigene Handlungsweise zu
kommentieren: =>

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 16


Simplicissimus
Simplicissimus gegen Ende des Romans
(Kapitel 23): Kommentar zum eigenen
Handeln (= Selbstreflexion)
„[…] zuletzt als ich mit herzlicher Reu meinen ganzen geführten Lebenslauf betrachtete, und
meine Bubenstück die ich von Jugend auf begangen, mir selbsten vor Augen stellte, und zu
Gemüt führete, daß gleichwohl der barmherzige Gott unangesehen aller solcher
groben Sünden mich bisher nit allein vor der ewigen Verdammnis bewahrt, sondern
Zeit und Gelegenheit geben hatt' mich zu bessern, zu bekehren, ihn um Verzeihung
zu bitten, und um seine Guttaten zu danken, beschrieb ich alles was mir noch
eingefallen, in dieses Buch so ich von obgemeldten Blättern gemacht, und legte es samt
obgedachten meines Kameraden hinterlassenen Dukaten an diesen Ort, damit wenn vielleicht
über kurz oder lang Leut hieher kommen sollten, sie solches finden und daraus abnehmen
könnten, wer etwa hiebevor diese Insel bewohnet; wird nun heut oder morgen entweder vor
oder nach meinem Tod jemand dies finden und lesen, denselben bitte ich, dafern er etwa
Wörter darin antrifft, die einem, der sich gern besserte, nit zu reden geschweige zu schreiben
wohl anstehen, er wolle sich darum nit ärgern; sondern gedenken, daß die Erzählung'
leichter Händel und Geschichten auch bequeme Wort erfordern, solche an Tag zu
geben; und gleichwie die Maur-Raut von keinem Regen leichtlich naß wird, also kann auch ein
rechtschaffnes gottseliges Gemüt nicht gleich von einem jedweden Diskurs, er scheine auch so
leichtfertig als er wolle, angesteckt, vergiftet und verderbt werden; ein ehrlich gesinnter
christlicher Leser wird sich vielmehr verwundern und die göttliche Barmherzigkeit
preisen, wenn er findet, daß so ein schlimmer Gesell wie ich gewesen, dennoch die
Gnad von Gott gehabt, der Welt zu resigniern, und in einem solchen Stand zu leben,
darinnen er zur ewigen Glori zu kommen, und die selige Ewigkeit nächst dem
heiligen Leiden des Erlösers zu erlangen verhofft, durch ein seligs Ende.“

(Grimmelshausen, [H. J. Christoffel von]: Der abenteuerliche Simplicissimus. München 1956,
S. 584-588. [Capitel 23])

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 17


Simplicissimus
Erklärung zum Zitat
 So wie auf der vorigen Seite « äußert sich
gegen Ende des Romans der Erzähler im
Simplicissimus, als er auf einer Insel Ruhe
vor den Versuchungen der Welt gefunden
hat. Was er da auf Palmblättern
aufzeichnet, ist zunächst eine
« Bekehrungsgeschichte » […]; doch die
Geschichte des Helden weitet sich zur
eindringlichen Schilderung einer
heillosen Welt, der Welt des
Dreißigjährigen Krieges. » (Beutin, 118)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 18


Simplicissimus
Grimmelshausens Verhältnis zum
Schelmenroman
 Das Urbild der späteren Schelmenromane ist der anonyme Roman
Lazarillo de Tormes (1554, Verfasser unbekannt). Lazarillo ist dabei
das Urbild des Menschen überhaupt, er geht durch alle Abenteuer
hindurch, fasst nirgendwo auf Erden Fuß. Er ist ein kleiner
Schauspieler, ein betrogener Betrüger voller Humor.
 Ein weiteres Vorbild ist Die Landstörtzerin Justina Dietzin Picara
des spanischen Dominikanermönchs Andres Perez (unter dem
Pseudonym Lopez de Ubeda). Der Roman enthält Warnungen an die
Mädchen vor leichtsinnigem und lasterhaftem Lebenswandel,
gleichzeitig aber auch Freude an derben Szenen.
 Prägend für den deutschen Schelmenroman war Aegidii Albertini
deutsche Übertragung des Guzmán de Alfarache (Der Landstörtzer
Guzman von Alfarache, 1615). Der wichtigste nicht-spanische
Schelmenroman ist Der abenteuerliche Simplicissimus (1668) von
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, welcher zugleich als
erster deutschsprachiger Abenteuerroman gilt. Grimmelshausen
schrieb noch weitere Romane, die thematisch an den Simplicissimus
anknüpfen, man nennt sie die Simplicianischen Schriften. Die
Landstörtzerin Courasche (1670) ist hier besonders zu erwähnen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 19


Simplicissimus
Die Werke / Romane von
Grimmelshausen

 1. Der abenteuerliche Simplicissimus teutsch (1668)


 2. Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimus (1669)
 3. Trutz Simplex: Oder Ausführliche und wunderseltzame
Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin
Courasche (1670)
 Der seltzame Springinsfeld
 Das wunderbarliche Vogel-Nest

Es gibt vielfältige personelle Beziehungen zwischen


den Romanen. Waren sie als Zyklus geplant? Es handelt
sich um Satiren. Dieser Stil im « niederen » Roman ist nicht
erhaben. Es geht nicht um « hohe Minne », sondern um
Sexualität und Gewalt.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 20


Simplicissimus
Zum Inhalt des Simplicissimus
Der Abentheuerliche
Simplicissimus Teutsch ist
ein Schelmenroman und das
Hauptwerk von Hans Jakob
Christoffel von
Grimmelshausen, erschienen
1668, datiert auf 1669. Er
gilt als der erste
Abenteuerroman und als das
wichtigste Prosawerk des
Barock in deutscher
Sprache.

Grimmelshausen veröffentlichte
den Roman unter dem
Pseudonym German
Schleifheim von Sulsfort,
einem Anagramm seines
richtigen Namens Christoffel
von Grimmelshausen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 21


Simplicissimus
Inhaltsangabe des Romans [1]
Das Werk beschreibt den Lebensweg von
Melchior Sternfels von Fuchshaim
(ebenfalls ein Anagramm des Autors), der
im Dreißigjährigen Krieg als Kind von
Soldaten verschleppt wird, es zum Offizier
bringt, mehrfach die Seiten wechselt und
schließlich der Welt entsagt und Einsiedler
wird. Der Simplicissimus hat zwar stark
autobiographische Züge, ist jedoch kein
Schlüsselroman.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 22


Simplicissimus
Inhaltsangabe des Romans [2]
« Der Roman beginnt mit Einbruch
des Krieges in die Spessarter
Waldidylle, in der der Held
unschuldig und unwissend
aufwächst. Er findet Zuflucht bei
einem Einsiedler, seinem Vater, wie
sich später herausstellt, bei dem er
« auß einer Bestia zum
Christenmenschen » wird und der ihm
drei Lehren mit auf den Weg gibt:
Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 23
Simplicissimus
Inhaltsangabe des Romans [3]
„sich selbst erkennen / böse Gesellschaft
meiden / und beständig bleiben ». Dann
wird er endgültig vom Krieg erfasst, zunächst
als Opfer, dann aber auch als Handelnder,
der schuldig wird und sich, von
gelegentlichen Besserungsversuchen
abgesehen, treiben lässt – bis er schließlich
« auß sonderlicher Barmherzigkeit » Gottes zu
Selbsterkenntnis und Glaubensgewissheit
gelangt und als Einsiedler ein
gottgefälliges Leben zu führen trachtet.
Das gelingt allerdings erst beim zweiten
Versuch.“ (Beutin, 118)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 24


Simplicissimus
Inhaltsangabe des Romans [4]:
Kreisstruktur ?
 Die Einsiedlerszenen rahmen den Roman ein,
runden ihn ab und suggerieren durch die Rückkehr
zum Anfang eine Art Kreisstruktur: die Weltabsage
erscheint als zwangsläufige Konsequenz des
geschilderten Lebenslaufs. Aber der Schein
trügt.
 Die Rückkehr eines gewandelten Simplicissimus im
Seltzamen Springinsfeld (1670), einer der
„Fortsetzungen“ des Romans, macht durch die
Betonung eines praktisch-tätigen Christentums
deutlich, dass die Abwendung von der
menschlichen Gesellschaft nicht das letzte Wort
darstellt. (Beutin, 118)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 25


Simplicissimus
Satyr - Satire
 Satire (lat. satira; von satura
lanx: „mit Früchten gefüllte
Schale“, im übertragenen
Sinne: „bunt gemischtes
Allerlei“; früher fälschlich auf
Satyr zurückgeführt, daher
die ältere Schreibweise
Satyra) ist eine
Spottdichtung, die
mangelhafte Tugend oder
gesellschaftliche Missstände
anklagt. Historische
Bezeichnungen sind im
Deutschen auch Spottschrift,
Stachelschrift und Pasquill
(gegen Personen gerichtete
satirische Schmähschrift).
« Leseanleitung » von
Grimmelshausen
Grimmelshausen hat eine Art
Leseanleitung geschrieben, der Roman
wolle den Menschen unangenehme
Wahrheiten über eine gottverlassene
Welt verabreichen, und zwar in Form
einer « überzuckerten » Pille, damit das
Lesen nicht nur unangenehm, sondern
auch unterhaltsam sei.
(Mai, 33)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 27


Simplicissimus
Beginn des Simplicissimus [Kapitel 4]

Denn lieber Leser, wer hätte mir gesagt, daß ein Gott im
Himmel wäre, wenn keine Krieger meines Knans Haus
zernichtet, und mich durch solche Fahung
[Gefangennahme] unter die Leut gezwungen hätten, von
denen ich genugsamen Bericht empfangen? Kurz zuvor
konnte ich nichts anders wissen noch mir einbilden, als daß
mein Knan, Meuder, ich und das übrige Hausgesind allein
auf Erden sei, weil mir sonst kein Mensch noch einzige
andere menschliche Wohnung bekannt war, als diejenige,
darin ich täglich aus- und einging: Aber bald hernach erfuhr
ich die Herkunft der Menschen in diese Welt, und daß sie
wieder daraus müßten; ich war nur mit der Gestalt ein
Mensch, und mit dem Namen ein Christenkind, im übrigen
aber nur eine Bestia! (cf. Mai, S. 33-34)

 1. Was erfahren wir hier über den Protagonisten?

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 28


Simplicissimus
Beginn des Simplicissimus [Kapitel 4]
 Interpretation:
Am Anfang lebt Simplicissimus, der
Einfaltspinsel, einfach und naiv in seiner
kleinen Dorfgemeinschaft. Diese wird durch
den Krieg zerstört und der Held wird in die
Unruhen seiner Zeit gestoßen. S. lernt
[dort], die Falschheit der Welt immer zu
durchschauen und sich schließlich aus der
Welt zurückzuziehen, um als Einsiedler
ein gottgefälliges Leben zu führen.

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 29


Simplicissimus
Ende des Romans: Schlussbilanz?
 »Dein Leben ist kein Leben gewesen, sondern ein Tod; deine Tage ein schwerer
Schatten, deine Jahr ein schwerer Traum, deine Wollüst schwere Sünden, deine
Jugend eine Phantasei, und deine Wohlfahrt ein Alchimisten-Schatz, der zum
Schornstein hinausfährt, und dich verläßt, ehe du dich dessen versiehest! du bist
durch viel Gefährlichkeiten dem Krieg nachgezogen, und hast in demselbigen viel
Glück und Unglück eingenommen, bist bald hoch bald nieder, bald groß bald klein,
bald reich bald arm, bald fröhlich bald betrübt, bald beliebt bald verhaßt, bald geehrt
und bald veracht gewesen: Aber nun du o mein arme Seel was hast du von dieser
ganzen Reis zuwege gebracht? dies hast du gewonnen: Ich bin arm an Gut, mein
Herz ist beschwert mit Sorgen, zu allem Guten bin ich faul, träg und verderbt, und
was das Allerelendeste, so ist mein Gewissen ängstig und beschwert, du selbsten
aber bist mit vielen Sünden überhäuft und abscheulich besudelt! der Leib ist müd,
der Verstand verwirret, die Unschuld ist hin, mein beste Jugend verschlissen, die
edle Zeit verloren, nichts ist das mich erfreuet, und über dies alles, bin ich mir selber
feind; Als ich nach meines Vaters seligem Tod in diese Welt kam, da war ich einfältig
und rein, aufrecht und redlich, wahrhaftig, demütig, eingezogen, mäßig keusch,
schamhaftig, fromm und andächtig; bin aber bald boshaftig, falsch, verlogen,
hoffärtig, unruhig, und überall ganz gottlos worden, welche Laster ich alle ohne
einen Lehrmeister gelernet; Ich nahm meine Ehr in acht, nicht ihrer selbst, sondern
meiner [476] Erhöhung wegen; Ich beobachtet die Zeit, nicht solche zu meiner
Seligkeit wohl anzulegen, sondern meinem Leib zunutz zu machen; Ich hab mein
Leben vielmal in Gefahr geben, und hab mich doch niemal beflissen solches zu
bessern, damit ich auch getrost und selig sterben könnte; Ich sah nur auf das
Gegenwärtige und meinen zeitlichen Nutz, und gedachte nicht einmal an das
Künftige, viel weniger, daß ich dermaleins vor Gottes Angesicht müßte Rechenschaft
geben!«
 1. Wie sieht die Lebensbilanz von Simplicissimus aus? (Ende Kapitel 23, siehe Blätter)

Lektion 12: Barock Copyright Dr. Grazia Berger 30


Simplicissimus

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