„Fremdvölkische“ – Versionsunterschied

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'''Fremdvölkische''' ist ein [[Sprache des Nationalsozialismus|nationalsozialistischer]] Sammelbegriff, mit dem Menschen erfasst werden sollten, die nicht „deutschen oder artverwandten Blutes“ (vgl. „[[Nürnberger Gesetze]]“) oder „[[deutschblütig]]“ waren. Der Begriff kam zunächst bei der [[Schutzstaffel|SS]], der Polizei, dann bei Justiz und Verwaltung in Gebrauch.
'''Fremdvölkische''' ist ein [[Sprache des Nationalsozialismus|nationalsozialistischer]] Sammelbegriff, mit dem Menschen erfasst werden sollten, die nicht „deutschen oder artverwandten Blutes“ (vgl. „[[Nürnberger Gesetze]]“) oder „[[deutschblütig]]“ waren. Der Begriff kam zunächst bei der [[Schutzstaffel|SS]], der Polizei, dann bei Justiz und Verwaltung in Gebrauch.


== Hintergrund ==
== Bedeutung ==
=== Vorgeschichte des Begriffs ===
=== Vorgeschichte des Begriffs ===
Bereits in der [[Weimarer Republik]] bezeichnete der Jurist Martin Dachselt 1926 in einer Diskussion über die „Rechtsverhältnisse der Minderheiten“ [[Polen in Deutschland|Polen]], [[Sorben|Wenden]], [[Dänische Minderheit in Deutschland|Dänen]] und [[Litauer]] als „fremdvölkisch“, im Unterschied zu [[Masuren (Volk)|Masuren]], [[Friesen]] und anderen „nicht eingesessenen, über das übrige Deutschland verstreuten kleineren Gruppen“ wie zum Beispiel die [[Ruhrpolen]].<ref>Marianne Krüger-Potratz: ''„Fremdsprachige Volksteile“ und deutsche Schule. Schulpolitik für die Kinder der autochthonen Minderheiten in der Weimarer Republik''. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Waxmann, Münster / New York / München / Berlin 1998, ISBN 3-89325-625-3, S. 41.</ref>
Bereits in der [[Weimarer Republik]] bezeichnete der Jurist Martin Dachselt 1926 in einer Diskussion über die „Rechtsverhältnisse der Minderheiten“ [[Polen in Deutschland|Polen]], [[Sorben|Wenden]], [[Dänische Minderheit in Deutschland|Dänen]] und [[Litauer]] als „fremdvölkisch“, im Unterschied zu [[Masuren (Volk)|Masuren]], [[Friesen]] und anderen „nicht eingesessenen, über das übrige Deutschland verstreuten kleineren Gruppen“ wie zum Beispiel die [[Ruhrpolen]].<ref>Marianne Krüger-Potratz: ''„Fremdsprachige Volksteile“ und deutsche Schule. Schulpolitik für die Kinder der autochthonen Minderheiten in der Weimarer Republik''. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Waxmann, Münster / New York / München / Berlin 1998, ISBN 3-89325-625-3, S. 41.</ref>


=== „Volksgemeinschaft“ als Grundlage „völkischer Gleichheit“ ===
=== „Volksgemeinschaft“ als Grundlage „völkischer Gleichheit“ ===
Neben [[Führerprinzip]] und Vorherrschaft der Partei war Grundprinzip des staatlichen Lebens im [[Nationalsozialismus]] die Dominanz der [[Rassismus|Rasse]] und damit der „[[Völkische Bewegung|völkischen]] Gleichheit“ in der „[[Volksgemeinschaft]]“ im Unterschied zur rassischen oder „völkischen Ungleichheit“. Die „Volksgemeinschaft“ war dabei kein Rechtssubjekt, sondern dem Führerwillen nachgeordnet. Auf [[Carl Schmitt]]s Lehre vom Unterscheidungsdenken zwischen „Freund“ und „Feind“ fußend, erfolgte die rechtsmindernde Sonderstellung „artfremder“ Personen mit dem Ziel ihrer „Ausgliederung“ in konkreten juristischen administrativen Maßnahmen. „Fremd“ war nicht rechtlich, sondern völkisch-rassisch definiert, und zwar nach politischer Zweckmäßigkeit ([[Werner Best (NSDAP)|Werner Best]], 1937). „Juden“, „Zigeuner“, „Farbige“ („Neger“) konnten zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wurden aber nach 1935 mit den [[Nürnberger Gesetze]]n zu Bürgern zweiter Klasse und fielen schließlich der Rechtlosigkeit anheim.
Neben [[Führerprinzip]] und Vorherrschaft der Partei war Grundprinzip des staatlichen Lebens im [[Nationalsozialismus]] die Dominanz der [[Rassismus|Rasse]] und damit der „[[Völkische Bewegung|völkischen]] Gleichheit“ in der „[[Volksgemeinschaft]]“ im Unterschied zur rassischen oder „völkischen Ungleichheit“. Die „Volksgemeinschaft“ war dabei kein Rechtssubjekt, sondern dem Führerwillen nachgeordnet. Auf [[Carl Schmitt]]s Lehre vom Unterscheidungsdenken zwischen „Freund“ und „Feind“ fußend, erfolgte die rechtsmindernde Sonderstellung „artfremder“ Personen mit dem Ziel ihrer „Ausgliederung“ in konkreten juristischen administrativen Maßnahmen. „Fremd“ war nicht rechtlich, sondern völkisch-rassisch definiert, und zwar nach politischer Zweckmäßigkeit ([[Werner Best]], 1937). „Juden“, „Zigeuner“, „Farbige“ („Neger“) konnten zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wurden aber nach 1935 mit den [[Nürnberger Gesetze]]n zu Bürgern zweiter Klasse und fielen schließlich der Rechtlosigkeit anheim.


Die ausgliedernde Sonderstellung war im Grunde auch vorgesehen für alle Personen, die vom NS-Regime als „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asoziale]]“ kriminalisiert wurden.<ref>Diemut Majer, 1993, S. 109 ff., 915.</ref> Ausgehend von der „völkischen Ungleichheit“ über die allgemeine Rechtsungleichheit und „Artfremdheit“ erfolgte ein schleichender Übergang zur „Gemeinschaftsfremdheit“.<ref>Majer, 1993, S. 140.</ref> Damit war der ursprünglich rassische Kern aufgegeben, wie es auch an der Verwendung des Begriffs „Fremdvölkische“ deutlich wird. Denn Hitlers Rasseideen waren nach Diemut Majer auch nach außen hin „nur politisches Mittel zur Verschleierung außenpolitischer Herrschaftsansprüche“.<ref>Majer, 1993, S. 85 f.</ref>
Die ausgliedernde Sonderstellung war im Grunde auch vorgesehen für alle Personen, die vom NS-Regime als „[[Asoziale (Nationalsozialismus)|Asoziale]]“ kriminalisiert wurden.<ref>Diemut Majer, 1993, S. 109 ff., 915.</ref> Ausgehend von der „völkischen Ungleichheit“ über die allgemeine Rechtsungleichheit und „Artfremdheit“ erfolgte ein schleichender Übergang zur „Gemeinschaftsfremdheit“.<ref>Majer, 1993, S. 140.</ref> Damit war der ursprünglich rassische Kern aufgegeben, wie es auch an der Verwendung des Begriffs „Fremdvölkische“ deutlich wird. Denn Hitlers Rasseideen waren nach Diemut Majer auch nach außen hin „nur politisches Mittel zur Verschleierung außenpolitischer Herrschaftsansprüche“.<ref>Majer, 1993, S. 85 f.</ref>


=== Prinzipielle Rechtlosigkeit der Völker Osteuropas und Ostmitteleuropas ===
=== Prinzipielle Rechtlosigkeit im Osten Europas ===
Mit der Ausrichtung der „[[Lebensraum im Osten|Lebensraum]]politik“ nach Osten, die vorsah, den osteuropäischen Raum zur Errichtung des „Großgermanischen Reichs deutscher Nation“ bis zum Ural „germanisch“ zu besiedeln, und der von [[Heinrich Himmler|Himmler]] im Juni 1941 auf der [[Wewelsburg]] angekündigten „Dezimierung der Bevölkerung der slawischen Nachbarländer um 30 Millionen“ zielte die Kategorie der „Fremdvölkischen“ vor allem auf die [[Slawen]], die nach der nationalsozialistischen [[Rassentheorie|Rassenkunde]] eigentlich gar nicht als eigene Rasse galten ([[Hans F. K. Günther]] genannt „Rassen-Günther“ –, 1930). So mutierte die ursprünglich rassisch fundierte „völkische Ungleichheit“ zum [[Volkstumspolitik|volkstumspolitischen]] Prinzip, und der Begriff des „Fremdvölkischen“ wurde auf alle außerhalb der deutschen „Volksgemeinschaft“ stehenden Menschen bezogen.<ref>Majer, 1993, S. 127.</ref> Slawische Völker galten einfach als „minderwertig“ und „kulturlos“. Man fürchtete dabei vor allem ihre Fruchtbarkeit, die sie zu einem erneuerten, gefürchteten „Drang nach Westen“ führen würde,<ref>[[Andreas Hillgruber]], ''Das Russland-Bild der führenden deutschen Militärs vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion''. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): ''Das Russlandbild im Dritten Reich''. Köln / Weimar / Wien 1994, S. 125–140, hier S. 125.</ref> weshalb ihre Versklavung oder Vernichtung durch Zivilverwaltung und Polizeikräfte ausgeführt werden sollte (vgl. [[Generalplan Ost]]). Für sie galt auch ein besonderer [[Fremdarbeiter]]status, nämlich der des „[[Ostarbeiter]]s“.
Die sogenannte ''[[Lebensraum im Osten|Lebensraum]]politik'' sah vor, das Gebiet der Völker Osteuropas und Ostmitteleuropa zur Errichtung des „Großgermanischen Reichs deutscher Nation“ bis zum Ural mit sogenannten ''[[Reichsdeutsche]]n'' zu besiedeln. Die Sprache des Nationalsozialismus nannte das ''Germanisierung''. Dies kündigte [[Heinrich Himmler|Himmler]] im Juni 1941 auf der [[Wewelsburg]] an und nannte es „Dezimierung der Bevölkerung der slawischen Nachbarländer“. Es umfasste nach seiner Vorstellung etwa 30 Millionen Menschen, die als ''Fremdvölkische'' kategorisiert wurden. Nach der nationalsozialistischen [[Rassentheorie|Rassenkunde]] galten sie nicht als eigene Rasse<ref>nach [[Hans F. K. Günther]], vulgo ''Rassen-Günther'' in einer 1930 erschienenen Schrift</ref>. So wandelte sich die Betrachtung vom anfangs rassistisch motivierten „völkischen Ungleichheit“ hin zum [[Volkstumspolitik|volkstumspolitischen]] Prinzip. Der Begriff des ''Fremdvölkischen'' zielte vorwiegend auf die slawischen Völker, der sie als „minderwertig“ oder „kulturlos“ entmenschlichte. Der Kampfbegriff bediente die schon in der Kaiserzeit bestehende unterschwellige Angst vor der sogenannten ''slawischen Gefahr'' ([[Antislawismus]])<ref>Majer, 1993, S. 127.</ref> als neuer „Drang nach Westen“ in Form einer falschen Gleichsetzung mit den historischen türkischen oder hunnischen Invasionen in Europa.<ref>[[Theodor Reismann-Grone]]: ''Die slawische Gefahr in der Ostmark'', Vortrag gehalten auf dem ''Alldeutschen Verbandstag zu Hamburg'' mit dem gleichnamigen Herausgeber, München 1899, digitale Referenz=https://portal.dnb.de/ Suchbegriff ''362134774''</ref>


Sie diente unter anderem als ideologische Grundlage für die unmenschliche Kriegführung im Osten Europas.<ref>[[Andreas Hillgruber]] ''Das Russland-Bild der führenden deutschen Militärs vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion''. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): ''Das Russlandbild im Dritten Reich''. Köln / Weimar / Wien 1994, S. 125–140, hier S. 125.</ref> Als Muster für die Verwaltung der sog. ''Fremdvölkischen'' im gesamten „[[Großdeutsches Reich|Großdeutschen Reich]]“ schuf man in den im besetzten Polen gelegenen beiden neuen Reichsgauen [[Wartheland]] und [[Danzig-Westpreußen]] administrative Strukturen ähnlich einer Kolonialverwaltung. Ihr Status war in der nationalsozialistischen Unrechtslogik als ''sonderrechtlich'' bezeichnet. Die Entrechtung oder Vernichtung sollte dem [[Generalplan Ost]] zufolge durch Zivilverwaltung und Polizeikräfte ausgeführt werden.
Zum Muster einer sonderrechtlich aufgebauten Reichsverwaltung im „[[Großdeutsches Reich|Großdeutschen Reich]]“ wurden die „eingegliederten Ostgebiete“ (vgl. Reichsgaue [[Wartheland]] und [[Danzig-Westpreußen]]); im „[[Generalgouvernement]]“ wurde eine sonderrechtliche Kolonialverwaltung etabliert. Zum sonderrechtlichen Umgang mit den „Fremdvölkischen“ konnte neben Versklavung auch die Möglichkeit verschiedenstufiger Einbürgerung gehören (Eintragung in die „[[Deutsche Volksliste]]“<ref>H. H. Schubert: [https://web.archive.org/web/20041017103052/http://gplanost.x-berg.de/wprim.html ''Volkspolitische Voraussetzungen der Deutschen Volksliste''.] gplanost.x-berg.de</ref>).


Die Möglichkeit der Einbürgerung auf verschiedenen Stufen galt allerdings nur für die sogenannten eingegliederten Ostgebiete. Eingebürgert –&nbsp;allerdings mit Widerrufsmöglichkeit&nbsp;– konnten sogenannte [[Volksdeutsche]] werden, d. h. deutschstämmige Personen, die in diesen Gebieten lebten, sowie Polen, die mit dem [[Deutschtum]] (durch Heirat, Sprache und Kultur etc.) verbunden waren. Dies diente dazu, sogenannten rassisch wertvollen Nachwuchs zu gewinnen. Das Ziel war, die seit 1935 eingeführte Reichsbürgerschaft diesen Personen nach einer bestimmten Bewährungszeit zu verleihen und ihnen das Abstreifen des volksfremden Status zu ermöglichen. Diese Möglichkeit der Einbürgerung galt allerdings für das „Generalgouvernement“ nicht.
Zu einem solchen ''sonderrechtlichen'' Umgang gehörte auch die abgestufte Einbürgerung, also mit einer solchen mit minderem Rechtsstatus (Eintragung in die sog. ''[[Deutsche Volksliste]]'')<ref>H. H. Schubert: [https://web.archive.org/web/20041017103052/http://gplanost.x-berg.de/wprim.html ''Volkspolitische Voraussetzungen der Deutschen Volksliste''.] gplanost.x-berg.de</ref>, aber nur in den beiden neuen Reichsgauen ''Danzig'' sowie ''Wartheland'', und nicht im anderen besetzten Polen, genannt ''[[Generalgouvernement]]''. Eingebürgert –&nbsp;allerdings mit Widerrufsmöglichkeit&nbsp;– konnten sogenannte [[Volksdeutsche]] werden. Das sind deutschstämmige Personen dieser Gebiete und auch Polen, welche mit dem [[Deutschtum]] durch Heirat, Sprache oder Kultur verbunden waren. Dies diente zur Zeugung von Kindern, welche die der nationalsozialistischen Rassenlogik als wertvoll betrachte. Vorgesehen war unter anderem auch der Anreiz, die seit 1935 eingeführte Reichsbürgerschaft nach Ablauf von Bewährungsfristen verleihen zu können.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Aktuelle Version vom 15. September 2024, 11:10 Uhr

Fremdvölkische ist ein nationalsozialistischer Sammelbegriff, mit dem Menschen erfasst werden sollten, die nicht „deutschen oder artverwandten Blutes“ (vgl. „Nürnberger Gesetze“) oder „deutschblütig“ waren. Der Begriff kam zunächst bei der SS, der Polizei, dann bei Justiz und Verwaltung in Gebrauch.

Vorgeschichte des Begriffs

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Bereits in der Weimarer Republik bezeichnete der Jurist Martin Dachselt 1926 in einer Diskussion über die „Rechtsverhältnisse der Minderheiten“ Polen, Wenden, Dänen und Litauer als „fremdvölkisch“, im Unterschied zu Masuren, Friesen und anderen „nicht eingesessenen, über das übrige Deutschland verstreuten kleineren Gruppen“ wie zum Beispiel die Ruhrpolen.[1]

„Volksgemeinschaft“ als Grundlage „völkischer Gleichheit“

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Neben Führerprinzip und Vorherrschaft der Partei war Grundprinzip des staatlichen Lebens im Nationalsozialismus die Dominanz der Rasse und damit der „völkischen Gleichheit“ in der „Volksgemeinschaft“ im Unterschied zur rassischen oder „völkischen Ungleichheit“. Die „Volksgemeinschaft“ war dabei kein Rechtssubjekt, sondern dem Führerwillen nachgeordnet. Auf Carl Schmitts Lehre vom Unterscheidungsdenken zwischen „Freund“ und „Feind“ fußend, erfolgte die rechtsmindernde Sonderstellung „artfremder“ Personen mit dem Ziel ihrer „Ausgliederung“ in konkreten juristischen administrativen Maßnahmen. „Fremd“ war nicht rechtlich, sondern völkisch-rassisch definiert, und zwar nach politischer Zweckmäßigkeit (Werner Best, 1937). „Juden“, „Zigeuner“, „Farbige“ („Neger“) konnten zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, wurden aber nach 1935 mit den Nürnberger Gesetzen zu Bürgern zweiter Klasse und fielen schließlich der Rechtlosigkeit anheim.

Die ausgliedernde Sonderstellung war im Grunde auch vorgesehen für alle Personen, die vom NS-Regime als „Asoziale“ kriminalisiert wurden.[2] Ausgehend von der „völkischen Ungleichheit“ über die allgemeine Rechtsungleichheit und „Artfremdheit“ erfolgte ein schleichender Übergang zur „Gemeinschaftsfremdheit“.[3] Damit war der ursprünglich rassische Kern aufgegeben, wie es auch an der Verwendung des Begriffs „Fremdvölkische“ deutlich wird. Denn Hitlers Rasseideen waren nach Diemut Majer auch nach außen hin „nur politisches Mittel zur Verschleierung außenpolitischer Herrschaftsansprüche“.[4]

Prinzipielle Rechtlosigkeit im Osten Europas

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Die sogenannte Lebensraumpolitik sah vor, das Gebiet der Völker Osteuropas und Ostmitteleuropa zur Errichtung des „Großgermanischen Reichs deutscher Nation“ bis zum Ural mit sogenannten Reichsdeutschen zu besiedeln. Die Sprache des Nationalsozialismus nannte das Germanisierung. Dies kündigte Himmler im Juni 1941 auf der Wewelsburg an und nannte es „Dezimierung der Bevölkerung der slawischen Nachbarländer“. Es umfasste nach seiner Vorstellung etwa 30 Millionen Menschen, die als Fremdvölkische kategorisiert wurden. Nach der nationalsozialistischen Rassenkunde galten sie nicht als eigene Rasse[5]. So wandelte sich die Betrachtung vom anfangs rassistisch motivierten „völkischen Ungleichheit“ hin zum volkstumspolitischen Prinzip. Der Begriff des Fremdvölkischen zielte vorwiegend auf die slawischen Völker, der sie als „minderwertig“ oder „kulturlos“ entmenschlichte. Der Kampfbegriff bediente die schon in der Kaiserzeit bestehende unterschwellige Angst vor der sogenannten slawischen Gefahr (Antislawismus)[6] als neuer „Drang nach Westen“ in Form einer falschen Gleichsetzung mit den historischen türkischen oder hunnischen Invasionen in Europa.[7]

Sie diente unter anderem als ideologische Grundlage für die unmenschliche Kriegführung im Osten Europas.[8] Als Muster für die Verwaltung der sog. Fremdvölkischen im gesamten „Großdeutschen Reich“ schuf man in den im besetzten Polen gelegenen beiden neuen Reichsgauen Wartheland und Danzig-Westpreußen administrative Strukturen ähnlich einer Kolonialverwaltung. Ihr Status war in der nationalsozialistischen Unrechtslogik als sonderrechtlich bezeichnet. Die Entrechtung oder Vernichtung sollte dem Generalplan Ost zufolge durch Zivilverwaltung und Polizeikräfte ausgeführt werden.

Zu einem solchen sonderrechtlichen Umgang gehörte auch die abgestufte Einbürgerung, also mit einer solchen mit minderem Rechtsstatus (Eintragung in die sog. Deutsche Volksliste)[9], aber nur in den beiden neuen Reichsgauen Danzig sowie Wartheland, und nicht im anderen besetzten Polen, genannt Generalgouvernement. Eingebürgert – allerdings mit Widerrufsmöglichkeit – konnten sogenannte Volksdeutsche werden. Das sind deutschstämmige Personen dieser Gebiete und auch Polen, welche mit dem Deutschtum durch Heirat, Sprache oder Kultur verbunden waren. Dies diente zur Zeugung von Kindern, welche die der nationalsozialistischen Rassenlogik als wertvoll betrachte. Vorgesehen war unter anderem auch der Anreiz, die seit 1935 eingeführte Reichsbürgerschaft nach Ablauf von Bewährungsfristen verleihen zu können.

  • Martin Broszat: Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik. Revidierte und erweiterte Ausgabe. Suhrkamp-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-518-06574-2 (Suhrkamp-Taschenbuch 74), dort S. 272 ff.: Fremdvolk-Doktrin und Terror.
  • Diemut Majer: „Fremdvölkische“ im Dritten Reich. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Rechtssetzung und Rechtspraxis in Verwaltung und Justiz unter besonderer Berücksichtigung der eingegliederten Ostgebiete und des Generalgouvernements. Fast unveränderte Neuauflage. Boldt, Boppard am Rhein 1993, ISBN 3-7646-1933-3 (Schriften des Bundesarchivs, 28).
  • Rolf-Dieter Müller: Der Zweite Weltkrieg 1939–1945. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-60021-3 (Handbuch der deutschen Geschichte, Band 21).
  • Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Das Russlandbild im Dritten Reich. Böhlau, Köln u. a. 1994, ISBN 3-412-15793-7.
  1. Marianne Krüger-Potratz: „Fremdsprachige Volksteile“ und deutsche Schule. Schulpolitik für die Kinder der autochthonen Minderheiten in der Weimarer Republik. Ein Quellen- und Arbeitsbuch. Waxmann, Münster / New York / München / Berlin 1998, ISBN 3-89325-625-3, S. 41.
  2. Diemut Majer, 1993, S. 109 ff., 915.
  3. Majer, 1993, S. 140.
  4. Majer, 1993, S. 85 f.
  5. nach Hans F. K. Günther, vulgo Rassen-Günther in einer 1930 erschienenen Schrift
  6. Majer, 1993, S. 127.
  7. Theodor Reismann-Grone: Die slawische Gefahr in der Ostmark, Vortrag gehalten auf dem Alldeutschen Verbandstag zu Hamburg mit dem gleichnamigen Herausgeber, München 1899, digitale Referenz=https://portal.dnb.de/ Suchbegriff 362134774
  8. Andreas Hillgruber Das Russland-Bild der führenden deutschen Militärs vor Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion. In: Hans-Erich Volkmann (Hrsg.): Das Russlandbild im Dritten Reich. Köln / Weimar / Wien 1994, S. 125–140, hier S. 125.
  9. H. H. Schubert: Volkspolitische Voraussetzungen der Deutschen Volksliste. gplanost.x-berg.de