Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen
Die Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSShD; russisch Организация сотрудничества железных дорог Organisazija sotrudnitschestwa schelesnych dorog abgekürzt ОСЖД; chinesisch 铁路合作组织, Pinyin Tiělù hézuò zǔzhī, kurz 铁组, Tiězǔ) ist eine zwischenstaatliche Einrichtung auf dem Gebiet des Eisenbahnverkehrs. In einigen Sprachen ist auch die Abkürzung OSJD oder OSZhD gebräuchlich. Auf Deutsch wurde der Name früher auch als „Komitee für Eisenbahnverkehr“ wiedergegeben.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Bildung von „Blöcken“ auch verkehrsgeografisch zu veränderten Vernetzungen und Schwerpunkten. Um das zu organisieren, bildeten die Bahnen des „Ostblocks“ Arbeitsgemeinschaften, um eine Reihe von Abkommen zu erarbeiten. Das waren[1]:
- Abkommen über die Beförderung von Reisenden und deren Gepäck im internationalen Verkehr (MPS) – heute: Abkommen über den internationalen Verkehr von Reisenden (SMPS)
- Abkommen über die Beförderung von Gütern im internationalen Verkehr (MGS) – heute: Abkommen über den internationalen Eisenbahngüterverkehr (SMGS)
- Tarif für die Beförderung von Reisenden, deren Gepäck und als Gepäck aufgegebene Güter (MPT)
- Einheitlicher Transittarif [für den Güterverkehr] (ETT)
- Vorschriften für die Nutzung der Wagen im internationalen Verkehr (Regeln für die gegenseitige Nutzung von Personen- und Güterwagen im internationalen Verkehr, Prawila polsowanija wagonami w meschdunarodnom soobschtschenii – PPW)
- Regeln für die Abrechnung der Abkommen MPS und MGS
Die Abkommen traten zum 1. November 1951 in Kraft.[2] Die Betreuung der MPS- und MGS-Abkommen übernahm die Polnische Staatsbahn (PKP), die dafür ein Büro in Warschau einrichtete.[3]
Die Abkommen erforderten immer wieder Anpassungen an geänderte verkehrliche und technische Gegebenheiten. Außerdem ergaben sich neue Arbeitsfelder – wie etwa technische Standardisierungen – die abgesprochen werden mussten. Für all das empfahl sich die Gründung einer festen Stelle, die das koordinierte. So beschloss eine Konferenz der Eisenbahnminister der beteiligten Staaten im Juni 1956 in Sofia, die OSShD zu gründen. Beteiligt waren[4]:
- Volksrepublik Bulgarien
- Volksrepublik China
- Deutsche Demokratische Republik
- Mongolische Volksrepublik
- Demokratische Volksrepublik Korea
- Volksrepublik Polen
- Volksrepublik Rumänien
- Sowjetunion
- Tschechoslowakische Sozialistische Republik
- Volksrepublik Ungarn
Der Zusammenschluss entsprach in seiner Zusammensetzung den RGW-Staaten, örtlich angedockt wurde das an das in Warschau bereits bestehende Büro.
Bis 1990 traten der OSShD noch die Staaten Albanien, Kuba und Vietnam bei. Nach der Wiedervereinigung blieb Deutschland, in Nachfolge der DDR-Mitgliedschaft, nur noch als Beobachter der OSShD. Nach dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion trat Russland deren Nachfolge an, während alle ehemaligen Sowjetrepubliken mit Ausnahme Armeniens im Zeitraum zwischen 1992 und 1995 wieder der Organisation beitraten. Zusätzlich schloss sich 1997 der Iran als Vollmitglied an, während Finnland, Frankreich und Griechenland ebenfalls Beobachterstatus erhielten. Gleichzeitig wurden auch siebzehn Firmen als kommerzielle Mitglieder zugelassen, darunter auch Siemens und Deutsche Bahn. Zuletzt schlossen sich Afghanistan, Laos und 2018 auch Südkorea der Organisation an, nachdem Nordkorea seine Vetoposition aufgegeben hatte (Neumitglieder werden nur einstimmig aufgenommen).
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 wird der Krieg im offiziellen Organ der OSShD, dem OSJD Buletin, totgeschwiegen. Im gesamten Jahrgang 2022 fand sich dazu nichts. Erstmals in der Ausgabe 2023/1 fand sich wieder ein Bericht, der die ukrainische Bahn betraf. Es geht um die Wiederaufnahme des Personenverkehrs zwischen der Ukraine und Rumänien sowie der Ukraine und Moldau. Auch hier findet sich kein Wort zum Krieg.[5]
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sitz der OSShD ist Warschau. Vorsitzender ist Mirosław Antonowicz.[6]
Die OSShD hat heute 29 staatliche Mitglieder: Afghanistan, Albanien, Aserbaidschan, Belarus, Bulgarien, Volksrepublik China, Estland, Georgien, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Kuba, Laos[Anm. 1], Lettland, Litauen, Republik Moldau, Mongolei, Nordkorea, Polen, Rumänien, Russische Föderation, Slowakei, Südkorea[7], Tadschikistan, Tschechische Republik, Turkmenistan[8], Ukraine, Ungarn, Usbekistan und Vietnam.[9]
Sieben weitere Bahnverwaltungen haben Beobachterstatus[10]: Deutsche Bahn, VR-Yhtymä, SNCF, Organismos Sidirodromon Ellados, Eisenbahnen Serbiens, GySEV/Raaberbahn und der Personenverkehr der RŽD.
Aufgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hauptaufgabe der OSShD ist die Entwicklung und Verbesserung des internationalen Eisenbahnverkehrs, insbesondere zwischen Europa und Asien, sowie die technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedsländer. Die OSShD koordiniert die beteiligten Eisenbahnen und betreut Vereinbarungen zwischen ihnen. Für die ehemaligen RGW-Staaten und deren Nachbarländer dient die OSShD auch als Normungsgremium. Die OSShD plant transkontinentale Verkehrskorridore und arbeitet an der Harmonisierung von Frachtrecht und technischen Bedingungen im internationalen Eisenbahnverkehr.[11]
Die OSShD gibt seit 1958 eine Zeitschrift heraus.[12] Sie erscheint seitdem mit sechs Ausgaben im Jahr, jeweils sprachlich in drei parallelen Versionen und zwar in Russisch, Chinesisch und Englisch. Bis Ende 2014 erschien statt einer englischsprachigen eine deutschsprachige Ausgabe.[13]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mirosław Antonowicz: OSJD: 65 Years in Service of the World’s Railways 1956–2021. In: OSJD Bulletin 1/2021, S. 1–9.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website (auf Englisch)
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die Aufnahme erfolgte 2022 oder 2023, einen genauen Zeitpunkt nennt die Quelle nicht (NN: Accession of the Lao People's Democratic Republic to OSJD. In: OSJD Buletin 2023/1, S. 1–4).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Zu den Abkürzungen vgl. auch: OSShD (Hg.): Англо-французско-немецко-русский словарь аббревиатур, используемых в Организации сотрудничества железных дорог (ОСЖД) (PDF).
- ↑ Antonowicz, S. 1.
- ↑ Antonowicz, S. 2.
- ↑ Antonowicz, S. 2.
- ↑ UZ: Ukrainian Railways JSC has resumed railway traffic with Romania and Moldova. In: OSJD Buletin 2023/1, S. 45.
- ↑ Executive Body auf der Homepage der OSShD; abgerufen am 8. April 2021.
- ↑ Seit Juni 2018. Vgl.: [Pressemitteilung der OSJD]: Visit of the Delegation of the Republik of Korea to the OSJD Committee. In: OSJD Bulletin 1/2019, S. 17.
- ↑ Seit 1994 (NN: Turkmenistan to Build Up Its Potential for Transport Diplomacy and Transit Railway Traffic. In: OSJD Bulletin 2/2024, S. 1–11 (1).)
- ↑ Antonowicz, S. 4.
- ↑ Homepage der OSJD.
- ↑ Andrzej Golaszewski: OSShD—Organization for the Collaboration of Railways = Feature: International Cooperation (part 2). In: Japan Railway & Transport Review 14, S. 27–29.
- ↑ Mirosław Antonowicz und Sergey Kabenkov: 65 Years of Publishing Activities in the Interests of the Railway Transport Developement in the OSJD Area. In: OSJD Bulletin 1–2/2022, S. 10–16; Sergey Kabenkov: OSJD Bulletin: More than 60 Years of Publishing Activities in the Interests of Railway Transport Developement in the OSJD Area. In: OSJD Bulletin 4/2019, S. 21–24 (21).
- ↑ Sergey Kabenkov: 15th Terminology Group Meeting in Paris. In: OSJD-Bulletin 3/2018, S. 35–42 (36); Sergey Kabenkov: OSJD Bulletin: More than 60 Years of Publishing Activities in the Interests of Railway Transpoert Developement in the OSJD Area. In: OSJD Bulletin 4/2019, S. 21–24 (23); vgl. auch: Nachweis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.