Tobsucht
Tobsucht, früher auch „Hirnwut“ (zu „Wut“) genannt, ehemals auch Delirium furibundum, Delirium furiosum und Furor maniacus,[1] ist ein veralteter medizinischer Begriff für eine psychische Störung, meist im Sinne einer Manie, die durch hochgradige Erregung und deren nachfolgende, oft aggressiv gefärbte Entladung gekennzeichnet ist. Ein tobsüchtiger Mensch wurde früher auch als „hirnwütig“ bezeichnet.
Tobsuchtsanfall, bei „hysterischer“ Struktur früher auch als Delirium hystericum bezeichnet, ist ein ebenso veralteter medizinischer Begriff für eine Phase extrem gesteigerter motorischer Unruhe. Verwendung findet er in der Alltagssprache noch im Sinne einer plötzlichen Entladung einer besonders starken Erregung mit Tendenz zur Sachbeschädigung, häufig auch auf das Verhalten (Wutausbruch) von Kindern bezogen.[2][3]
Definitionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Karl Jaspers (1883–1969) unterscheidet die Sprache von alters her die bloßen Gemütskrankheiten von der eigentlichen Verrücktheit als uneinfühlbarer und unverständlicher Verhaltensweise. Für diese unverständlichen seelischen Äußerungen trafen Bezeichnungen wie u. a. sinnloses Toben neben Verwirrtheit und nicht einfühlbarer Affekt zu. Sie wurden im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff der Geisteskrankheit zusammengefasst.[4][5] In der älteren Psychiatrie wurde die Bezeichnung für eine Krankheitseinheit mit stärkster Erregung (Raptus) verwendet.[6] Bisweilen wurde sie als Synonym für Manie, manchmal als Bezeichnung für die Erregung bei Hysterie verwendet. Heute ist die bereits oben genannte umgangssprachliche Bedeutung erhalten.[7] Stärkste sinnlose Erregung, die wie bereits oben gesagt früher als Tobsucht bezeichnet wurde, ist auch als Symptom der Katatonie bekannt.[4] Tobsucht wird gleichfalls als mit Bewusstseinstrübung verbundener höchstgradiger Bewegungsdrang und Trieb zu gewalttätigen Handlungen definiert, der bei Mania gravis – auch synonym für diese – u. a. bei Psychosen auftritt.[8] Auch der Definition von Pschyrembel (1964) liegt diese Bedeutung zugrunde.[9]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Uwe Henrik Peters (Hrsg.): Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, medizinische Psychologie. 6. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, München 2007, ISBN 978-3-437-15061-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Tobsucht. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 19: Sternberg–Vector. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1909, S. 583 (Digitalisat. zeno.org).
- ↑ Wutanfälle bei Kindern – Wie Eltern gelassen bleiben. In: adhs-hyperaktivitaet.de. 1. Juni 2003, abgerufen am 29. August 2019.
- ↑ 5 Tipps wenn dein Kind einen Tobsuchtsanfall hat. In: netpapa.de. 2019, abgerufen am 29. August 2019.
- ↑ a b Karl Jaspers: Allgemeine Psychopathologie. 9. Auflage, Springer, Berlin 1973, ISBN 3-540-03340-8, (a) zu Stichwort Geistes- und Gemütskrankheit: 4. Teil: Die Auffassung der Gesamtheit des Seelenlebens; § 2 Die Grundunterscheidungen im Gesamtbereich des Seelenlebens, II. Wesensunterschiede d) Gemütskrankheiten und Geisteskrankheiten (natürliches und schizophrenes Seelenleben). Seite 483 f.; (b) zu Stichwort Katatonie: Seite 505.
- ↑ Oswald Bumke: Lehrbuch der Geisteskrankheiten. 6. Auflage, Verlag J. F. Bergmann, München 1944; zur Begriffs- und Forschungsgeschichte der Geisteskrankheit: S. 1–4.
- ↑ Walter Marle: Grundbegriffe der klinischen Medizin. Eine Einführung und zugleich synthetische Terminologie. 2. Auflage, Urban & Schwarzenberg, Berlin 1932, Seite 338.
- ↑ Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. 3. Auflage, Urban & Schwarzenberg, München 1984; Lexikon-Stichwort Tobsucht, Seite 565.
- ↑ Herbert Volkmann (Hrsg.): Guttmanns Medizinische Terminologie. Ableitung und Erklärung der gebräuchlichsten Fachausdrücke aller Zweige der Medizin und ihrer Hilfswissenschaften. Urban & Schwarzenberg, Berlin 1939.
- ↑ Organische Krankheiten. In: Willibald Pschyrembel: Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. Walter de Gruyter & Co., Berlin 1964, S. 880.