Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                
Zum Inhalt springen

RE:Perdikkas 4

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Sohn des Orontes, Diadoche, Reichsverweser nach Alexanders d. Gr. Tod
Band XIX,1 (1937) S. 604614
Perdikkas (Diadoche) in der Wikipedia
GND: 130522341
Perdikkas in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register XIX,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|XIX,1|604|614|Perdikkas 4|[[REAutor]]|RE:Perdikkas 4}}        

4) Sohn des Orontes (Arrian. anab. I 14, 2; Ind. 18, 5), aus der Landschaft Orestis (Arrian. VI 28, 4. Ind. 18, 5), aller Wahrscheinlichkeit nach dem orestischen Fürstengeschlecht antstammend, obwohl der Name P. in ihm nicht belegt ist. Da wir aber nur den orestischen Fürsten Antiochos (Thuk. II 80, 7) und vielleicht einen König Ἐρ.... (IG I² 71. Geyer Makedonien 71) kennen, ist gegen das Vorkommen des Namens P. kein stichhaltiger Grund anzuführen. Damit wäre auch die Angabe des Curtius (X 7, 8), er sei stirpe regia genitus, erklärt; denn auf die Zugehörigkeit zum makedonischen Königshause kann sich beim Fehlen anderer Zeugnisse die Notiz nicht beziehen. Auch bei seinem Bruder Alketas (Berve Das Alexanderreich II 22) und seiner Schwester Atalante (Berve II 90) müßte man sonst einen Hinweis auf die Verwandtschaft mit den Argeaden erwarten. – Das Jahr seiner Geburt ist nicht überliefert, doch möchte Berve II 313 aus Diod. XVI 94, 4, wo P. unter den Somatophylakes Philippos’ II. erwähnt wird, schließen, daß er damals etwa 20 Jahre zählte; vgl. Berve I 122ff. über die Hypaspistenleibwache, die er an dieser Stelle unter den Somatophylakes verstehen möchte. Wenn auch Berve darin recht hat, daß P. unter Alexandros d. Gr. in frischester Manneskraft stand, so möchte ich ihn doch für erheblich älter als den König halten. Dieser hätte ihn trotz seiner vornehmen Abkunft nicht zum Führer einer τάξις, d. h. zum Obersten eines Regiments, gemacht, wenn er 336 erst 20 Jahre zählte. So mag er um 365 v. Chr. geboren sein.

Zum erstenmal trat P. bei der Ermordung Philippos’ II. 336 hervor, als er mit Leonnatos und Attalos zusammen den Mörder Pausanias einholte und tötete: Diod. XVI 94, 4. Er übernahm dann sofort das Kommando einer τάξισ der Pezhetairoi, ein Beweis für das Vertrauen, das ihm der neue König schenkte. Sein Regiment bestand aus Angehörigen der Orestis und Lynkestis. für deren Führung er durch seine Geburt prädestiniert war: Diod. XVII 57. 2. Vgl. Curt. IV 13, 28. An seiner Spitze kämpfte er gegen die Triballer: Arrian. anab. I 6, 9. Vor Theben hat er nach Ptolemaios (Arrian. anab. I 8, 1; vgl. dazu Kornemann Alexandergesch. des Königs Ptolemaios I. |Lpz. 1935] 247) den Sturm auf die Stadt eigenmächtig eröffnet. Kornemann setzt eine gewisse Voreingenommenheit des Ptolemaios gegen P., seinen größten Gegner nach dem Tode Alexanders, voraus; so könnte auch die Beschuldigung eigenmächtigen Vorgehens darauf zurückgeführt werden, zumal nach Diod. XVII 12, 3 der König dem P. den Befehl gab, gegen das unbesetzte Tor vorzugehen. Bei dem Kampfe um Theben wurde P. schwer verwundet; Arrian. anab. I 8. 3: χαλετῶς διεσώθη ἀπὸ τοῦ τραύματος. Auch im weiteren Verlauf des Alexanderzuges trat P. nirgends aus der Stellung eines Obersten heraus. Einen Blick in sein Innenleben gewährt uns vielleicht die Behauptung Plutarchs (Alex. 15: de fort. Alex. II 11), daß er beim Übergang nach [605] Asien die ihm von Alexander zugewiesenen Geschenke abgelehnt habe, da er mit dem König die Hoffnung teilen wolle. Ob wir allerdings berechtigt sind, mit Berve II 313 daraus auf seine Kampflust als stärkste Triebfeder seines Handelns zu schließen, ist mir zweifelhaft. Die Notiz bei Ailian. var. hist. XII 16 (P. war πολεμικός; vgl. Athen. XII 539 c. Ailian. IX 3) ist wohl kaum in diesem Zusammenhang zu verwerten. Vielmehr sind seine Worte in erster Linie Zeichen der unbedingten Ergebenheit an die Person seines Königs, die ihn Alexander vor seinem Tode als den Würdigsten erscheinen ließ.

Als Führer seiner Taxis kämpfte er am Granikos: Arrian. anab. I 14, 2, vor Halikarnassos: Arrian. I 20, 5 und auf dem rechten Flügel bei Issos: Arrian. II 8, 3. Curt. III 9, 7. Nach Curt. IV 3, 1 übertrug Alexander P. und Krateros den Oberbefehl vor Tyros, als er seinen Streifzug gegen die Araber (Ituraeer) unternahm. Bei Gaugamela stand er mit seiner Taxis im Zentrum der Phalanx: Arrian. III 11, 9. Diod. XVII 57, 2; falsch Curt. IV 13, 28, der die Truppen des P. in die zweite Linie verweist. In dieser Schlacht wurde er wieder verwundet, ein Beweis, daß er sich rücksichtslos aussetzte: Diod. XVII 61, 3. Curt. IV 16, 32 (sagittis prope occisus). Auch beim Kampf um die persischen Pässe 331 war er noch Regimentskommandeur: Arrian. III 18, 5.

Nach Berves Vermutung (II 314), der sich dabei auf Curt. VI 8, 17 (armiger) stützt, wurde P. 330 zum Somatophylax ernannt; er gab damit seine Taxis auf und trat in den Stab des Königs ein, um für besondere Aufgaben verwandt zu werden. So leitete er 329 in Sogdiana mit Meleagros die Belagerung einer befestigten Stadt bis zum Eintreffen Alexanders: Curt. VII 6, 19ff.; Curtius bringt dabei Kyropolis und eine Stadt der Memakener durcheinander. 328 kommandierte er eine der Heersäulen, mit denen Alexander in Sogdiana einmarschierte, bis zur Vereinigung des ganzen Heeres in Marakanda: Arrian. anab. IV 16, 2f. Während des Gastmahls, auf dem Kleitos ermordet wurde, befand er sich in der Umgebung des Königs; nach Curt. VIII 1, 45 hat er mit Ptolemaios den König, der bereits die Lanze des Trabanten ergriffen hatte, zurückgehalten und zu beschwichtigen gesucht. Bald finden wir P. vor der Burg des Sisimithres, wo er mit anderen Somatophylakes bei Nacht die Schanzarbeiten leitete: Arrian. IV 21, 4. und beim Einmarsch nach Indien stand er mit Hephaistion an der Spitze der Abteilung, die aus den Taxeis des Gorgias, Kleitos, Meleagros, der Hälfte der Hetairen und den hellenischen Söldnern bestand; sie erhielten die Aufgabe, während Alexander mit der Unterwerfung der Anwohner des Kophen beschäftigt war, durch das Tal zum Indos zu marschieren, die am Wege liegenden Ortschaften einzunehmen und alles zum Übergang über den Indos vorzubereiten: Curt. VIII 10. 2. Sie durchzogen die Peukelaotis, beseitigten deren Hypachos Astis, indem sie nach längerer Belagerung die Stadt, in die er sich geflüchtet hatte, eroberten: Arrian. IV 22, 7f., befestigten die Stadt Orobatis: Arrian. IV 28, 5, und trafen nördlich der Kophenmündung auf den Indos: vgl. Aur. Stein On Alexander's Track to the Indus, Lond. 1929, 120. 159. Die glatte [606] Durchführung des Marsches war wohl in erster Linie dem Fürsten Taxiles zu danken, der mit anderen Indern den Zug begleitete: Arrian. IV 22, 7. Als Alexander am Indos ankam, fand er die Brücke fertig vor: Arrian. IV 28, 5. 30, 9. In der Schlacht am Hydaspes erscheint P. als Inhaber einer Hipparchie, ohne daß es wahrscheinlich ist, er sei seitdem an dieses Kommando gebunden gewesen: Arrian. V 12, 2. Vgl. 22, 6. Berve I 109 nimmt wohl mit Recht an, daß die Somatophylakes, die einer Hipparchie den Namen gaben, dadurch lediglich Chefs dieser Reiterregimenter wurden, während das Kommando in den Händen von Truppenoffizieren lag. Beim Übergange über den Fluß befand er sich als Generaladjutant in der Umgebung des Königs: Arrian. V 13, 1, und während des Kampfes selbst führte er mit Hephaistion den Angriff der Reiterei gegen den linken Flügel des Poros: Curt. VIII 14, 15. Wie hier übertrug der König ihm auch vor Sangala eine der wichtigsten Aufgaben: die Führung seiner Hipparchie und sämtlicher Taxeis der makedonischen Phalanx: Arrian. V 22, 6. Aus Curt. IX 1, 19 geht dann hervor, daß P. auch sonst bei der Unterwerfung des Landes hervorragend beteiligt war. Bei den Mallern schickte ihn der König mit zwei Hipparchien und den Agrianen gegen eine ihrer Städte, deren geflüchtete Einwohner P. niederhauen ließ: Arrian. VI 6, 4. 6. Beim Sturm auf die Hauptstadt der Maller führte er einen Teil des Heeres: Arrian. VI 9, 1. Als Alexander tollkühn von der Mauer in die Stadt hinabsprang, folgten ihm mehrere seiner nächsten Umgebung, unter denen sich P. nicht befand. Doch soll er nach der Eroberung der Stadt, die wohl vor allem seiner Umsicht zu verdanken war, die Brustwunde des Königs mit dem Schwerte erweitert haben, um den Pfeil herausziehen zu können: Arrian. VI 11, 1. Indes erwähnt Arrianos. daß andere dem Arzt Kritodemos von Kos die Operation zuschrieben. Berve 315 hält die letzte Version für glaubwürdig und führt die erste auf den Wunsch zurück, P. wie andere Somatophylakes in eine Beziehung zu dem berühmten Ereignis zu bringen. Nach der Abfahrt des Königs zu seinem wartenden Heere mußte P. den noch im Lande der Maller weilenden Teil des Heeres dem Könige nachführen; auf dem Wege unterwarf er die Abastener (doch vgl. Diod. XVII 102, 1ff. Curt. IX 8, 4) und stieß an der Mündung des Akesines in den Indos wieder zum König: Arrian. VI 15, 1. Wenn P. während des weiteren indischen Feldzugs und auf dem Marsche durch Iran nach Susa nicht erwähnt wird, so wird er sich in dieser Zeit im Gefolge des Königs befunden haben, ohne wie Leonnatos für besondere Aufträge benutzt zu werden. In Susa erhielt er die Tochter des Satrapen Atropates von Medien zur Gemahlin: Arrian. VII 4, 5, und wurde durch einen goldenen Kranz ausgezeichnet: Arrian. VII 5, 6 (Ἡφαιστίωνα καὶ τοὺς ἄλλους τοὺς σωματοφύλακας).

Nach dem Tode Hephaistions und dem Rückmarsch des Krateros, die beide unter seinen Getreuen Alexander am nächsten gestanden hatteu, trat P. in die erste Reihe der Gehilfen des Königs. So mußte er die Leiche Hephaistions nach Babylon überführen: Diod. XVII 110, 8, und erhielt das Kommando über die Hetairenreiterei (ἒπὶ τῇ [607] ἵππῳ τῇ ἓταιρικῇ), ohne allerdings wie Hephaistion den Titel Chiliarch zu führen; auch behielt die Reiterei die Bezeichnung Ἡφαιστίωνος ἡ χιλιαρχία und das Feldzeichen des Hephaistion (τὸ σημεῖον αὐτῆς ... τὸ ἐξ Ἡφαιστίωνος πεποιημένον): Arrian. VII 14, 10. Diod. XVIII 3, 4. Appian. Syr. 57. Plut. Eum. 1. Danach scheint P. nicht im vollen Sinne Nachfolger des Hephaistion geworden zu sein, dessen Amt neben dem Oberbefehl über die Reiterei die ἐπιτροπὴ τῆς ξυμπάσης βασιλείας gewesen war: vgl. neben Berve besonders Plaumann o. Bd. VIII S. 293 im Anschluß an Arrian. succ. Alex. 1 a, 3 (Roos) und Diod. XVIII 48, 5. Doch ist es nicht unmöglich, daß Ptolemaios in seiner Geschichte mit Absicht P. zurücktreten ließ: Kornemann 92. Strasburger Ptolemaios und Alexander, Lpz. 1934, 47. Auf jeden Fall wurde P. jetzt der erste im Rate des Königs. Davon zeugen seine Teilnahme am Gastmahl des Medios (Ps.-Kallisth. III 31, 20f., S. 134 Kroll) und sein Verweilen am Krankenlager des Königs: Curt. X 5, 6. Ps.-Kallisth. III 32, 10f. Besonders deutlich tritt aber seine Stellung als oberster Beamter in der Überreichung des königlichen Siegelrings hervor, an deren Geschichtlichkeit mit Berve II 316 nicht zu zweifeln ist: Diod. XVII 117, 3. XVIII 2, 4. Curt. X 5, 4. 6, 5. Iustin. XII 15, 12. Lukian. dial. mort. XIII 2. Synkell. p. 503 Dind. Mit Recht vermutet Berve, daß Arrians Schweigen wieder durch die Einstellung des Ptolemaios zu erklären ist, unter Zustimmung von Kornemann 247.

Mit dem Tode des großen Königs begann die weltgeschichtliche Rolle des P. Als Verweser des Königtums fiel ihm ganz von selbst die Entscheidung über die Ordnung der Nachfolge zu. Es war das Verhängnis für das Weltreich, daß kein Thronfolger da war, aber zugleich eröffneten sich damit dem ehrgeizigen Reichsverweser Aussichten auf die Begründung einer selbständigen Herrschaft. Seine Politik läßt sich nur dann verstehen, wenn man annimmt, daß in P., wie ja ähnlich auch in allen den gewaltigen Männern, den bisher so gefügigen Marschällen Alexanders, der von der schweren Hand des Königs niedergehaltene Drang nach eigener Betätigung, nach rücksichtslosem Einsetzen der so lange aufgespeicherten Kraft mit naturhafter Gewalt durchbrach. Die Gelegenheit war für P. entschieden günstig, aber sofort mußte er erkennen, daß seine Mitspieler nicht gesonnen waren, ihm kampflos die Bahn zu überlassen. Schon bei den ersten Beratungen in Babylon traten die Gegensätze offen hervor. Denn insoweit darf man wohl dem Bericht Iustins XIII 2 (vgl. Curt. X 6, 1ff.) Glauben schenken, daß sich P. und Ptolemaios als die Vertreter zweier unvereinbarer Anschauungen gegenüberstanden: dort Weltreich, hier Territorialstaat. Schließlich einigte man sich, gewiß in Alexanders Sinne, darauf, die Niederkunft der Rhoxane abzuwarten und wenn sie einen Knaben gebäre, diesen als König anzuerkennen. Diese Regelung verbaute zunächst weder dem P. noch dem Ptolemaios und seinen Gesinnungsgenossen die Zukunft. Aber die Phalanx, in der gegen die hohen Führer und die Ritterschaft eine natürliche Eifersucht lebte und die sich außerdem auf die [608] alten Gerechtsame der Heeresversammlung bei Erledigung des Thrones berufen konnte, lehnte den Sohn der Asiatin ab, riefen einen Halbbruder Alexanders, den geistesschwachen Arrhidaios, als Philippos zum König aus und gingen gegen die Führer vor, die aus der Stadt weichen mußten: Curt. X 7, 1. Diod. XVIII 2, 3. 4. Dabei sprachen die Erinnerung an ihren Volkskönig und das Mißtrauen gegen die egoistischen Pläne I der Generale mit. Dem Ansturm des Fußvolkes mußten diese schließlich nachgeben, und es kam zu einem Kompromiß, durch das neben dem erwarteten König auch Philippos III. als Herrscher anerkannt wurde; P. spielte bei diesen Verhandlungen eine wichtige Rolle. So hatte man zwei regierungsunfähige Könige (denn Rhoxane gebar bald darauf einen Knaben, Alexandros IV.), und dem Ehrgeiz der Generale war weiter Spielraum gelassen: Iustin. XIII 2. 3. Curt. X 5, 7 ff. Arrian. succ. Alex. 1 a, 1. 1 b, 1. Dexippos FGrH 100 F 8, 1. Diod. XVIII 2. Plut. Eum. 3.

So war das Streben des P. nach der Weltherrschaft unter dem Deckmantel der Vormundschaft für den erwarteten König am Widerstand der Generale und des Heeres gescheitert. Es kam nun für ihn alles darauf an, sich in der Zentralverwaltung die entscheidende Stellung zu sichern. Auch dies ist ihm zunächst nicht geglückt. Über die Gewaltenteilung nach dem Tode des großen Königs ist sehr viel geschrieben worden. Es würde den Rahmen eines Artikels sprengen, wollte man über die Einzelheiten dieser Frage mit philologischer Genauigkeit berichten. Vor allem handelt es sich darum, ob P. oder Krateros die Reichsverwesung erhalten hat. Während man sich früher allgemein für P. entschieden hat, hat Beloch (GG IV 1, 65. IV 2, 307), dem sich besonders Kromayer Histor. Ztschr. C 43 und Grimmig Arrians Diadochengesch., Halle 1914, 13ff. angeschlossen haben, sich dahin ausgesprochen, daß nach Arrian Krateros der Reichsverweser geworden ist (vgl. dazu Geyer Suppl.-Bd. IV S. 1042f.). Die eingehende Behandlung der Überlieferung scheint mir doch Klarheit geschaffen zu haben. Im Gegensatz zu meinen früheren Ausführungen (Geyer Alexander d. Gr. u. die Diadochen, Lpz. 1925, 116f.; Suppl.-Bd. IV S. 1042f.) halte ich für gesichert, daß nicht P., sondern Krateros in Babylon die erste Stelle erhalten hat (vgl. besonders Enßlin Rh. Mus. LXXIV 293ff.). Nach Hieronymos von Kardia (bei Arrian und Dexippos [s. o.]) wurde dieser προστάτης τῆς Ἀρριδαίου βασιλείας; diese προστασία war ein Amt, das bei der Regierungsfähigkeit Philippos’ III. notwendig war, nach Dexippos πρώτιστον τιμῆς τέλος παρὰ Μακεδόνων. Da man an der Fikton festhielt, daß der König persönlich regiere, konnte man weder nach makedonischer Sitte einen ἐπίτροπος noch einen eigentlichen Reichsverweser bestellen; vielmehr übertrug ein königlicher Erlaß dem Krateros die Reichsverwaltung, die προστασία. Unter ihm standen P. mit der Amtsbezeichnung Chiliarch als unumschränkter Feldherr (στρατηγὸς αὐτοκράτωρ) für Asien und Antipatros für Europa. Das Ganze war ein Kompromiß zwischen den Anhängern der Erbfolge des Sohnes der Rhoxane und der Phalanx, die gerade in dem allgemein beliebten, als durchaus [609] loyal bekannten Krateros (s. Suppl.-Bd. IV S. 1046f.) ein Gegengewicht gegen die Selbständigkeitsgelüste der Großen, besonders des P., an die Spitze bringen wollte. Seinen Gegnern mag die Zustimmung zu dieser Regelung leichter geworden sein, da sich Krateros auf dem Marsche nach Makedonien befand; tatsächlich ist ja die Gewaltenteilung aus diesem Grunde und wegen des frühen Todes des Krateros überhaupt nicht in Kraft getreten. Deshalb erschien auch der Überlieferung P. als eigentlicher Reichsregent: Curt. X 7, 9. 10, 4. Diod. XVIII 2, 4. 3, 1. Com. Nep. Eum. 2, 1. Appian. Syr. 52; Mithr. 8. Für verfehlt hatte ich die Vermutung Miltners (Klio XXVI 39ff.), daß die Bestellung zweier Könige ein Auseinanderfallen des Reiches in Makedonien und Asien bedeute. Sonst sind noch neben Beloch (s. o.) anzuführen: Droysen Hellenism.² II 6ff. Kaerst Gesch. d. Hellenism. II2 6ff. Niese Griech. u. mak. Staaten I 192ff. Niezold Die Überlief. d. Diadochengesch., Diss. Würzburg 1904, 55. Vezin Eumenes von Kardia, Münster 1907, 137ff. Laqueur Herm. LIV 295ff. Schachermeyr Klio XIX 438ff. Schur Rh. Mus. LXXXIII 129ff. Tarn Cambr. Anc. Hist. VI 461ff.

Nach dem Friedensschluß war es die erste Handlung des P., den Meleagros, der sich als Führer der Phalanx hervorgetan hatte und gegen P. persönlich vorgegangen war, unschädlich zu machen. Hatte doch nur das Ansehen des P. das Heer zum Zurückweichen vermocht: Iustin. XIII 3, 7ff. 4, 1. Curt. X 8, 2ff. Nachdem er den Meleagros sicher gemacht hatte, veranstaltete er vor den Toren Babylons eine Musterung des Heeres (exercitum patrio more lustrari). Dabei verlangte der König Philippos von der Phalanx, die sich der Reiterei und den Elefanten gegenübersah, die Auslieferung der Aufwiegler. Der Befehl wurde befolgt, und nach Diod. XVIII 4, 7 wurden 30, nach Curt. X 9, 18: 300 Soldaten den Elefanten vorgeworfen. Vgl. Iustin. XIII 4, 7f. Meleagros, der im Verlauf der Verhandlungen als ὕπαρχος des P. bestellt worden war (Arrian. succ. Alex. 1 a, 3. Iustin. XIII 4, 5 [hier falsch dem P. gleichgestellt]), wurde noch geschont, einige Zeit später aber beseitigt, obwohl er in einem Tempel Zuflucht gesucht hatte: Arrian. succ. Alex. 1 a, 4. Diod. XVIII 4, 7. Curt. X 9, 20f. Vgl. Geyer o. Bd. XV S. 478f.

Jetzt ging P. daran, seine Stellung zu befestigen. Philippos’ III. war er sicher; nun wußte er auch Rhoxane zu gewinnen, indem er ihr half, sich der verhaßten Nebenbuhlerin Strateira zu entledigen: Plut. Alex. 77. Zugleich warb er um die Hand der Nikaia, der Tochter des Antipatros, um diesen in Makedonien allmächtigen General sich zu verpflichten: Diod. XVIII 23, 1. 2. Iustin. XIII 6, 5. Arrian. succ. Alex. I 21. Es war selbstverständlich, daß P. Gegenstand des Neides und Mißtrauens war, da niemand unter den Marschällen ihm nachzustehen glaubte: ὕποπτος ἐς πάντας ἦν καὶ αὐτὸς ὑπώπτεύεν: Arrian. succ. Alex. 1 a, 5. Und gewiß hat Arrian. a. O. Recht, wenn er die auf Befehl des Königs vollzogene, vielleicht auf der Versammlung der Großen bereits in Aussicht genommene (und vom Heer gebilligte) Verteilung der Satrapien zugleich als [610] willkommenen Vorwand benutzte, um die Nebenbuhler aus der Nähe des Hofes zu entfernen: vgl. Iustin. XIII 4, 9. Droysen Hellenism.² II 20ff. Auf diese Verteilung der Satrapien gehe ich hier nicht ein; nur sei erwähnt, daß Seleukos an Stelle des P. das Kommando der Hetairenreiterei erhielt: Diod. XVIII 3, 4. Iustin. XIII 4, 17. Nach Diod. XVIII 4, 1ff. soll P. die letzten Verfügungen Alexanders, sein sog. Testament, die schon in der Versammlung der Generale auf Ablehnung gestoßen waren, ἐπὶ τὸ κοινὸν τῶν Μακεδόνων πλῆθος gebracht haben, um sie als zu kostspielig aufheben zu lassen. Diese Verfügungen betrafen die Vollendung des Scheiterhaufens für Hephaistion, den Bau von 1000 Kriegsschiffen, den Zug nach Karthago und dem Westen, den Bau der Küstenstraße bis zur Straße von Gibraltar, die Errichtung von Tempeln, Vereinigung von Städten und Verpflanzung von Einwohnern u. a. Gegenüber der Anschauung mancher Forscher, daß diese Anordnungen des Königs apokryph seien, möchte ich mit Droysen Hellenism.² II 37f. an ihrer Geschichtlichkeit festhalten; denn nichts widerspricht den Anschauungen Alexanders, im Gegenteil entsprechen die Vorbereitungen für einen Feldzug nach dem Westen ganz den Plänen des Welteroberers, der ausgezogen war, um die Oikumene zu unterwerfen. P. mag allerdings für die Ablehnung auch der Umstand bestimmt haben, daß Alexander dem Krateros die Ausführung übertragen hatte, dem damit die Verfügung über ungeheure Geldmittel zugesprochen war.

P. wurde sofort vor wichtige Entscheidungen gestellt. Schon während des Aufenthalts Alexanders in Indien 326 v. Chr. hatten sich die in Baktrien und Sogdiana angesiedelten Griechen zusammengerottet, um die Rückkehr in die Heimat zu erzwingen (Droysen II 42), nach Beloch GG IV 1, 67, 1, um ihre Entlassung zu erreichen: Diod. XVII 99, 5. Nach dem Tode des Königs gewann diese Bewegung neue Kraft; nur aus Furcht vor Alexander hatten die Griechen diese Verbannung an die äußersten Grenzen des Reiches ausgehalten. An 20 000 Mann zu Fuß und 3000 Reiter, alles erprobte Krieger, vereinigten sich und wählten den Ainianen Philon zum Führer. Wenn diese Masse sich nach dem Westen auf den Weg machte, waren die schwersten Verwicklungen zu befürchten. Daher beschloß P., den Aufrührern entgegenzutreten. Er wählte aus dem makedonischen Heer 3000 Mann zu Fuß und 800 Reiter aus und gab ihnen auf ihren Wunsch den Somatophylax Peithon, der bei der Verteilung der Satrapien Medien erhalten hatte, zum Führer; zugleich wies er die Satrapen der iranischen Gebiete an, ihm 10 000 Mann und 8000 Reiter zuzusenden. Peithon übernahm den Befehl um so lieber, als er die Griechen für sich zu gewinnen und dadurch Herr der oberen Satrapien zu werden hoffte. P. suchte solche Pläne durch den Befehl zu durchkreuzen, die Abtrünnigen nach dem Siege sämtlich niederzuhauen. Peithon brach mit seiner Streitmacht nach dem Osten auf, zog die Verstärkungen an sich und traf wohl die Söldner noch in der Nähe der baktrischen Grenze. Durch Verrat eines Unterfeldherrn, der von ihm bestochen war, siegte er in der Schlacht und sicherte den Besiegten Entlassung in die Heimat [611] zu, wenn sie die Waffen niederlegten. Obwohl dies beschworen wurde, fielen die Makedonen, die von dem Befehl des P. erfahren hatten, über die Griechen her und machten sie alle nieder. So mußte Peithon seine kühnen Hoffnungen aufgeben und die Truppen zu P. zurückführen: Diod. XVIII 7.

Während des Lamischen Krieges in Griechenland zog P. mit dem Reichsheer nach Kappadokien, um diese Provinz, die sich unter Ariarathes selbständig gemacht hatte, zu unterwerfen: 322 v. Chr. Ariarathes wurde besiegt, gefangen genommen und hingerichtet. Darauf erhielt Eumenes die ihm zugewiesene Satrapie: Arrian. succ. Alex, la, 11. Diod. XVIII 16. 22, 1. Iustin. XIII 6, 1–3. Plut. Eum. 3. Appian. Mithr. 8. Corn. Nep. Eum. 2. Im Anschluß an diesen Feldzug unterwarf P. Isaurien: Diod. XVIII 22, und ließ durch Neoptolemos die Eroberung Armeniens in Angriff nehmen: Plut. Eum. 4. P., der durch die Abwesenheit und dann den Tod des Krateros tatsächlich Reichsregent geworden war, hielt es nun an der Zeit, im Namen der Könige die Überordnung über die Satrapen zur Geltung zu bringen, zumal es an Anwärtern auf die erste Stelle nicht fehlte. So hatte Leonnatos, als er sich nach Europa zur Hilfeleistung für Antipatros in Bewegung setzte, dem Eumenes anvertraut, daß er mit Hilfe von Alexanders Schwester Kleopatra die Herrschaft zu gewinnen hoffe: Plut. Eum. 3. Diese Kleopatra verließ nun im Winter 323/22 Europa und ließ sich in Sardes nieder, und Olympias, die durch P. ihren Feind Antipatros stürzen lassen wollte, bot jenem die Hand ihrer Tochter an: Arrian. succ. Alex. 1 a, 21. Diod. XVIII 23, 1ff. Iustin. XIII 6, 4. Zwar hätte P. die angebotene Hand gern ergriffen, denn die Heirat mit der Tochter ihres alten Königs hätte gewiß die Makedonen seinem Streben nach der obersten Macht (τὴν τῶν ὅλων ἐξουσίαν) geneigter gemacht, aber er wagte nicht, schon jetzt mit Antipatros offen zu brechen, dessen Tochter Nikaia ihm gerade damals zugeführt wurde, obwohl ihm Eumenes zur Verbindung mit Kleopatra riet: Diod. XVIII 23, 1ff. Arrian. succ. Alex. 1 a, 21. Iustin. XIII 6, 5. 6. Zur selben Zeit mußte P. noch über das Schicksal einer andern Prinzessin entscheiden: Kynna, Tochter Philippos’ ΙΙ. und Witwe des Amyntas (IV.), seines Neffen, sammelte ein Heer, um ihre Tochter Eurydike, die mit Philippos III. verlobt war, gegen den Willen des Antipatros und P. nach Kleinasien zu führen. Da die Truppen sich weigerten, gegen sie zu kämpfen, gelangte sie nach Asien, wurde aber hier auf Befehl des P. durch seinen Bruder Alketas getötet. Doch wagte P. nicht, auch gegen Eurydike vorzugehen, sondern vermählte sie mit Philippos III.: Polyain. VIII 60. Arrian. succ. Alex. 1 a, 22. 23. Vgl. Diod. XIX 52, 5.

Gefährlicher war für ihn die Stellung des Satrapen Antigonos, des wohl gewaltigsten unter den Nachfolgern Alexanders; er hatte sich geweigert, dem Eumenes bei der Eroberung Kappadokiens zu helfen: Plut. Eum. 3. Jetzt zur Rechenschaft gezogen, entzog er sich der Verantwortung durch die Flucht zu Antipatros und Krateros, da er sich nicht der Rachsucht des P. aussetzen [612] wollte: Diod. XVIII 23, 3. 4. Arrian. succ. Alex. 1, 24. Er traf sie beim Kampfe gegen die Aitoler und wußte ihnen solche Besorgnis vor den ehrgeizigen Plänen des P. einzuflößen, daß sie mit den Aitolern Frieden schlossen, um sich gegen P. wenden zu können. Dann gewannen sie die Mithilfe des Ptolemaios, des schärfsten Gegners des P., weil er der konsequenteste Vertreter der Aufteilung des Weltreiches war: Diod. XVIII 25, 4. 5; vgl. 14, 2. Auch Lysimachos, der mit der Unterwerfung Thrakiens beschäftigt war, schloß sich der Koalition an; wenn er auch keine Hilfe leisten konnte, so ermöglichte er den Verbündeten doch den Durchmarsch zum Hellespontos: vgl. Geyer o. Bd. XIV S. 3. P. mußte dieser Bedrohung tätig entgegentreten; hatte er bisher gehofft, nach der Vermählung mit Kleopatra die Leiche Alexanders nach Aigai in Makedonien überführen und hier das Königtum an sich reißen zu können, so war nicht mehr daran zu denken, zumal Kleopatra seine Werbung abgelehnt zu haben scheint und Arrhidaios entgegen den Befehlen des P. die Leiche des großen Königs nach Ägypten brachte: Arrian. succ. Alex. 1, 25. 26. 24, 1ff. Diod. XVIII 28. Iustin. XIII 6, 11ff. Paus. I 6, 3. Ailian. var. hist. XII 64. Auch mit Athen hatte P. bereits Verbindungen angeknüpft: Arrian. succ. Alex. 1, 14f. Diod. XVIII 48, 2. Plut. Demosth. 31.

P. mußte sich zunächst entscheiden, ob er den aus Makedonien heranrückenden Feldherren entgegengehen oder Ptolemaios in Ägypten angreifen solle. In dem Kriegsrat wurde beschlossen, daß P. gegen Ptolemaios vorgehen und Eumenes dem Krateros die Spitze bieten solle. Mit Recht weist Beloch GG IV 1, 87 darauf hin, daß P. seiner Truppen gegen die hochangesehenen Führer Antipatros und Krateros nicht sicher gewesen wäre; auch hätten die Gegner das Meer beherrscht: vgl. Plut. Eum. 5. Den Oberbefehl in Kleinasien erhielt der durchaus zuverlässige Eumenes, den Gesinnung und Selbsterhaltungstrieb auf die Seite des Vertreters der Reichseinheit wiesen, da die stolzen Makedonen den Griechen nicht als voll ansahen. Ihm wurden Alketas, der Bruder des P., und Neoptolemos zur Seite gestellt. Philotas, der Satrap von Kilikien, wurde als unzuverlässig seiner Stellung enthoben, und Archon, Satrap von Babylon, von dem ihm zum Nachfolger bestimmten Dokimos im offenen Kampfe verdrängt: Diod. XVIII 25, 6. 29, 1. 2. Iustin. XIII 6, 14–16. Plut. Eum. 4. Corn. Nep. Eum. 3, 2. Arrian. succ. Alex. 24, 9–20. 4–14 (p. 278ff. Roos). Gegen Kypros sandte P. den Leibwächter Aristonus, da die Stadtkönige sich mit Ptolemaios verbündet hatten: Arrian. p. 280f.

Auf den Gang der Ereignisse in Kleinasien kann hier nur kurz hingewiesen werden, da sie nur in ihrer Rückwirkung auf das Schicksal des P. für uns von Interesse sind. Antigonos gewann 322 die Satrapen von Karien und Lydien, Asandros und Menandros, für sich und vertrieb Eumenes aus Sardes: Arrian. succ. Alex. p. 281ff. Roos, so daß Antipatros und Krateros den Hellespontos überschreiten und Gesandte an Eumenes und Neoptolemos schicken konnten: Arrian. succ. Alex. 1, 26. Da Neoptolemos abzufallen Miene machte, wurde er von Eumenes vernichtend geschlagen [613] und zur Flucht genötigt. Während nun Antipatros sich nach Kilikien wandte, zog Krateros gegen Eumenes; er wurde geschlagen und fiel mit Neoptolemos in der Schlacht, während sich das Fußvolk zu Antipatros durchschlagen konnte: Arrian. succ. Alex. 1, 27. Diod. XVIII 29ff. Plut. Eum. 5ff. Iustin. XIII 8. Corn. Nep. Eum. 4: Mai 321 (Beloch GG IV 1, 90).

Es war das Mißgeschick des P., daß diese Nachricht in Ägypten eintraf, als er nicht mehr unter den Lebenden weilte (Plut. Eum. 8). Er war im Frühjahr 321 mit dem Reichsheer und der Flotte unter Attalos von Damaskos gegen das Niltal aufgebrochen. Vorher legte er der Heeresversammlung (ἐπὶ τοῦ πλῆθους) die Anklage gegen Ptolemaios vor, und trotz dessen persönlicher Verantwortung und der nicht günstigen Stimmung des Heeres wurde der Krieg beschlossen: Arrian. succ. Alex. 1, 28. Es gelang P. aber nicht, die Grenzfestung Pelusion zu nehmen, und auch der Angriff auf die Befestigung Καμήλων τεῖχος, die den Übergang über den Nil deckte, wurde abgeschlagen. Ptolemaios hatte sein Land in vorzüglichen Verteidigungszustand gesetzt und besaß auch die Zuneigung seiner Offiziere und Soldaten. Zwar kämpften die Leute des P. mit äußerster Tapferkeit, sie konnten aber den Heldenmut der Verteidiger nicht brechen. So zog P. in der Nacht ab und versuchte gegenüber von Memphis, wo der Fluß eine Insel bildete, den Nil zu überschreiten. Nur mit Hilfe der Elefanten konnte ein Teil des Heeres durch die reißenden Fluten hindurchkommen; der Rest sah sich durch ein plötzliches Anschwellen des Flusses abgeschnitten, so daß schließlich die bereits jenseits des Nils befindlichen Soldaten wieder umkehren mußten. Dabei sollen gegen 2000 umgekommen sein, durch deren Bergung sich Ptolemaios beliebt zu machen wußte. Diese Mißerfolge schürten die Abneigung der Truppen gegen den herrischen und unbeliebten Reichsregenten zu offener Revolte: an die Spitze stellten sich 100 höhere Offiziere unter Führung des Satrapen Peithon und des Chiliarchen Seleukos. P. wurde in seinem Zelte überfallen und nach heftiger Gegenwehr mit seinen Getreuen niedergehauen; sogar seine Schwester Atalante wurde nicht verschont: Diod. XVIII 33–36. Arrian. succ. Alex. 1, 28. Iustin. XIII 6, 16. 8, 1–10. Plut. Eum. 8. Strab. XVII 794. Corn. Nep. Eum. 5, 1. Vgl. Polyain. IV, 19: Mai/Juni 321.

Charakter. Unsere Quellen sind sich darin einig, daß P. es nicht verstanden hat, sich die Zuneigung seiner Soldaten zu erwerben. Hochfahrend und gegen die Untergebenen rücksichtslos, besaß er nichts von der gewinnenden Art seines großen Königs, der von seinem Heere scheinbar Unmögliches verlangen konnte. Als er bei dem Unternehmen gegen Ptolemaios, der die Gabe des kameradschaftlichen Umgangs mit den Soldaten in viel höherem Maße besaß, auch als Feldherr versagte, da brach die allgemeine Abneigung gewaltsam hervor: vgl. etwa Diod. XVIII 33, 3. Arrian. succ. Alex; 1, 28. Iustin. XIII 8, 2. Suid. s. v. (Arrian. succ. Alex. p. 285 Roos). Memn. IV 3. – Wenn Berve II 316 neben seinem Mut, seiner Kriegslust, seiner unbedingten Treue gegen Alexander, wie sie die angeführten [614] Quellenstellen belegen, hervorhebt, daß er als einer der wenigen schon zu Lebzeiten des Königs zu eigener Größe gelangte, so kann man diese Behauptung auf die Überlieferung nicht stützen.

Seine selbständigen Kommandos lassen nirgends bei ihm mehr als bei Krateros oder anderen Generalen, soweit sie von Alexander mit solchen betraut wurden, den über seine Genossen hinausragenden Feldherrn erkennen. Und während Männer wie Antigonos, Ptolemaios, Seleukos, Lysimachos nach dem Tode Alexanders sich als wirkliche Staatsmänner und Führer bewährten, hat P. mit der ihm zufallenden Machtfülle nichts anzufangen gewußt. Er versagte als Staatsmann und Feldherr kläglich und bewies dadurch, daß er wohl ein tüchtiger Unterfeldherr war, aber nicht wie jene dazu berufen, als Herrscher zielbewußt zu handeln. Vielmehr trat zutage, daß er zwar ausschweifende Pläne zu fassen verstand, ohne sie in die Wirklichkeit umsetzen zu können. Seine Treue gegen seinen König aber ließ es zu, daß er egoistisch nur an sich dachte. Er fiel dem Haß seiner Truppen zum Opfer, weil sie erkannten, daß seine hochmütige, herrschsüchtige Gesinnung nicht auf dem sicheren Grunde wirklicher Größe ruhte. Den Mitspielern in dem furchtbaren Kampfe um das Erbe Alexanders war er nicht gewachsen.

[Geyer. ]