Zusammenfassung
In diesem Artikel werden die besonderen Herausforderungen und Treiber der Handwerksbranche in der digitalen Transformation (DT) dargestellt. In den letzten Jahrzehnten hat sich die DT schrittweise in nahezu allen Branchen etabliert und dabei beispielsweise Beziehungen, Interaktionen, Prozesse und Geschäftsmodelle neu gestaltet. Das Handwerk wird hier keine Ausnahme bilden. Obwohl die DT vielfältige Vorteile bietet, stellt ihre Integration ins Handwerk kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor große Herausforderungen. Fehlendes Verständnis, Unsicherheiten in der Einführung und ein Mangel an Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der DT im Handwerk führen zu ihrer sehr langsamen Durchdringung. Damit bleiben Chancen ungenutzt ureigenste Interessen des Handwerks zu bedienen: Dienstleistungen für Kunden zu verbessern und Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende gut zu gestalten. Dieser einleitende Artikel stellt den aktuellen Stand der DT im Handwerk vor und zeigt auf, dass im Handwerk trotz oder gerade wegen der Digitalisierung der Mensch im Mittelpunkt steht.
Abstract
In this article, the specific challenges and drivers of the craftsmanship in digital transformation (DT) are presented. Over the last few decades, DT has gradually established itself in almost all industries, reshaping relationships, interactions, processes and business models, for example. The craft sector is no exception. Although DT offers many advantages, its integration into the crafts sector poses major challenges for small and medium-sized enterprises. A lack of understanding, uncertainties in the introduction, and a lack of trust in the usefulness of DT in the craftmanship lead to its very slow penetration. As a result, opportunities to serve the most fundamental interest of craftmanship remain unused: To improve services for customers and working conditions for employees. This introductory article presents the current status of DT in craftmanship and shows that, despite or perhaps because of digitalization, humans remain at the centre of craftsmanship.
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1 Die Handwerkbranche und deren digitale Transformation
Die digitale Transformation (DT) verändert Wertschöpfungsprozesse, Produkte und Dienstleistungen sowie Arbeit und Berufsbilder (Burr et al. 2020). Sie revolutioniert nicht nur die Industrie und den Dienstleistungssektor, sondern greift auch tief in die Strukturen des Handwerks ein. Die eher traditionell geprägte Handwerksbranche stellt diese rapide Entwicklung in Zeiten von Fachkräfte- und Nachwuchsmangel sowie dem demographischen Wandel vor besondere Herausforderungen, ist sie doch eher für eine geringe digitale Durchdringung bekannt. Dabei bietet die DT im Sinne einer tiefgreifenden Integration digitaler Technologien und Konzepte gerade dem Handwerk Möglichkeiten Technologien effektiv einzusetzen, Prozesse neu zu gestalten und neue Dienstleistungen zu entwickeln.
Die Kennzahlen des ZDH aus 2023 verdeutlichen die Relevanz des Handwerks für die deutsche Wirtschaft. Von insgesamt 3,4 Mio. Betrieben in Deutschland entfallen über 1 Mio. Betriebe auf das Handwerk. Damit sind ca. 30 % der Unternehmen in der Handwerksbranche tätig. Mit einem Umsatz i. H. v. 766 Mrd. € und ca. 5,6 Mio. Beschäftigten ist die Handwerksbranche ein wichtiger Bestandteil des deutschen Mittelstandes. Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft entspricht der Wertschöpfungsanteil knapp 8 % (ZDH 2023). Diese Kennzahlen zeigen, dass die Branche durch eine große Anzahl vieler kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit nur wenigen Beschäftigten gekennzeichnet ist. In den Betrieben werden vorwiegend physische Tätigkeiten an wechselnden Einsatzorten für die Kunden umgesetzt. Mitarbeitende sind oft sehr direkt und umfassend von (digitalen) Veränderungen betroffen, weil sie die gesamte Prozesskette von Angebot, Dienstleistungserbringung bis hin zur Dokumentation häufig komplett bearbeiten. Somit unterscheidet sich die Arbeitsweise in dieser Branche von typischen Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen, die arbeitsteiliger vorgehen.
Im Folgenden werden zentrale Erkenntnisse zur DT im Handwerk vorgestellt. Hierfür wurde im Rahmen des BMBF Projekts HaMiZu (Handwerk mit Zukunft) von den Autoren eine umfangeiche Literaturanalyse, sowie eine Status-Quo-Analyse mit Interviews von acht HandwerkerInnen aus verschiedenen Gewerken (SQA 2024) sowie mit acht Beauftragten für Innovation und Technologie (sogenannten Digi-BIT) (Beuchel et al. 2024) durchgeführt. Unsere Untersuchungen zeigen in den folgenden drei Abschnitten, dass die DT das Handwerk nur langsam durchdringt, aber auch, dass das Handwerk nicht nur in der Lage und grundsätzlich bereit ist neueste Technologien zu nutzen, sondern vor allem, dass der Mensch – als Kund:in oder Mitarbeiter:in im Zentrum dieser Transformation stehen muss. Dieser Beitrag endet mit einem zusammenfassenden Ausblick.
2 Technologien und Dienstleistungen im digitalen Transformationsprozess des Handwerks
Die fortschreitende DT bringt für das Handwerk erhebliche Veränderungen mit sich. Diese betreffen nicht nur die Technologien, die in den Betrieben eingesetzt, sondern auch die Art und Weise wie Dienstleistungen entwickelt und erbracht werden. Im Folgenden wird auf die Einsatzbereiche der Technologien sowie die Entwicklung neuer Dienstleistungen eingegangen, einschließlich der damit verbundenen Stärken und Herausforderungen.
Aktuelle Studien zeigen, dass deutsche Handwerksbetriebe weniger stark digitalisiert sind als ihre Pendants aus anderen Industrien. In 2021 waren noch etwa 17 % aller Handwerksbetriebe in Deutschland größtenteils analog aufgestellt und knapp 54 % der Handwerksbetriebe konnten als digitale Anfänger klassifiziert werden. Lediglich knapp 10 % waren Plattformökonomieteilnehmer und 19 % konnten sich als digitale Vorreiter auszeichnen (Thomä et al. 2021). Dies spiegelt sich auch in den eingesetzten Technologien wider. Hauptsächlich wird grundlegende IT-Hardware in Handwerksbetrieben universell genutzt, während High-Tech-Lösungen wie Cloud-Computing und intelligente Sensorik seltener eingesetzt, aber zunehmend beliebter werden (Veltkamp und Schulte 2020). Hierbei sehen Handwerksbetriebe durchaus das Potenzial digitaler Plattformen und Cloud-Computing für eine effiziente Verwaltung und Kommunikation, in der Verarbeitung von Auftragsdaten und in der Flexibilisierung von Arbeitszeiten. Auch sind in Handwerksbetrieben die wichtigsten Kommunikationskanäle nach wie vor Telefon und E‑Mail, jedoch gewinnen Messenger-Dienste und Online-Meetings an Bedeutung (ZDH 2022). Konkret werden digitale Lösungen umgesetzt und Online-Plattformen genutzt, die vor allem die Entlastung der Mitarbeitenden fördern und die Attraktivität des Arbeitsplatzes steigern sollen. Ziel ist es mit einem positiven Außenauftritt neue Fachkräfte anzuwerben und Nachfolgen für Betriebsübergaben zu finden. Darüber hinaus ist abzusehen, dass in Zukunft digitale Lösungen eine zentrale Rolle bei der Kommunikation, Terminfindung, Kontaktaufnahme, Außendarstellung, Nutzung von Konfiguratoren, Beratung und der Positionierung auf dem Arbeitsmarkt darstellen werden. Handwerksbetriebe sehen auch durchaus großes Potenzial in Dienstleistungen, die durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt werden, um repetitive und zeitaufwendige Aufgaben zu automatisieren. Als Beispiel wird häufig die automatisierte Terminplanung, vorausschauende Wartung von Maschinen und die Erstellung von Angeboten genannt.
Die Einführung und Wartung digitaler Technologien erfordern allerdings beträchtliche finanzielle Mittel. Viele Handwerksbetriebe zögern daher, umfassend zu digitalisieren, da sie die hohen Kosten fürchten. Dies wird besonders deutlich in kleineren Betrieben, die oft nicht die notwendigen Ressourcen haben. In größeren Betrieben scheint dies weniger der Fall zu sein (Bischoff und Thonipara 2023). Mit der Digitalisierung steigen ebenso die Anforderungen an die Informationssicherheit und den Datenschutz. Viele Betriebe haben Bedenken hinsichtlich der Sicherheit ihrer Daten und des Umgangs mit sensiblen Informationen. Diese Unsicherheiten stellen eine große Hürde dar. Der beobachtete Mangel an digitalen Kompetenzen bei den Mitarbeitenden kann die DT ebenfalls verlangsamen: Schulungen und Weiterbildungen sind notwendig. Auch sehen viele Handwerksbetriebe noch heute nicht die Vorteile, die digitale Technologien mit sich bringen. Bestehende digitale Anwendungen und Angebote für Dienstleistungsunternehmen und für die Produktion werden häufig als handwerksfern wahrgenommen.
Als Kerntreiber für den Einsatz neuer Technologien und Konzepte stellen sich im Handwerk nicht nur betriebsinterne Aspekte heraus, sondern vor allem auch Anforderungen und Erwartungen von Kunden und Partnerunternehmen (Bischoff und Thonipara 2023). Handwerksbetriebe orientieren sich stark an den Wünschen ihrer Kunden und passen ihre Dienstleistungen entsprechend an. Überdies verläuft die Entwicklung neuer Dienstleistungen im Handwerk sehr nah am Menschen und häufig entlang des Tagesgeschäfts und wird durch die Bedürfnisse der Kunden und die Anregungen der Mitarbeitenden bestimmt. Die Mitarbeitenden stellen somit einen wesentlichen Faktor für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten dar. Sie sind nicht nur Ideengeber für Innovationen, sondern müssen auch befähigt werden, die Potenziale neuer digitaler Tools zu erkennen und diese effektiv nutzen zu können.
Zusammenfassend zeigt die SQA (2024), dass eine tiefgreifende Integration digitaler Elemente für die Handwerksbranche in vielen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette umfangreiche Chancen bietet. Gleichzeitig stellen hohe Kosten, die Komplexität der Technologien und ein Mangel an Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung erhebliche Herausforderungen dar.
Berücksichtigt man zudem, dass Handwerksbetriebe wegen fehlender Kenntnisse über betriebliche Einsatzmöglichketen digitale Technologien fehlender, auf sie zugeschnittene digitaler Lösungen und Preismodelle und fehlender konkreter Umsetzungsstrategien oftmals keinen erkennbaren Nutzen durch die Digitalisierung sehen, lässt sich dies auch so interpretieren, dass den Betrieben die Digitalisierung als etwas erscheint, das wenig mit ihrer eigentlichen Wertschöpfung zu tun hat. Zudem besteht das Risiko in eine Abhängigkeit von IT-Spezialisten zu geraten, wenn die benötigten Kompetenzen, insbesondere bei auftretenden Problemen, nicht im Betrieb vorhanden sind (Schuh und Hempel 2016). Nicht von ungefähr fordern deshalb über 60 % befragter Handwerksbetriebe, dass konkret die Handwerkskammern und -verbände die Betriebe stärker bei der Digitalisierung unterstützen müssen. Zusätzlich soll die Politik speziell auf die Bedürfnisse des Handwerks zugeschnittene Förderprogramme für Digitalisierungsmaßnahmen schaffen (Schulte und Veltkamp 2022).
3 Die Rolle der Kunden für die digitale Transformation
Im Handwerk ist die Erfüllung von Kundenanforderungen eine zentrale Serviceleistung, deren Bewertung stark von der Kundenzufriedenheit abhängt. Ein positives Kundenerlebnis kann diese Zufriedenheit steigern. Auch hier bietet die DT Chancen für das Handwerk. Masoud und Basahel (2023) zeigen auf, dass die DT das Kundenerlebnis und dadurch die betriebliche Leistung, insbesondere in serviceorientierten Betrieben, verbessern kann. Entsprechend spiegelt sich für Kunden der wahrgenommene Wert meist nicht allein in dem Produkt, bzw. durch die Dienstleistung wider, sondern auch über den gesamten Dienstleistungs- bzw. Interaktionsprozess hinweg. Dabei entstehen durch Co-Creation sowie Kooperation mit Kunden, sei es im Design oder in der Erbringung von Dienstleistungen, entscheidende Chancen (Robra-Bissantz und Lattemann 2022).
Die Erkenntnisse aus der SQA (2024) zeigen dementsprechend, dass der Einsatz neuer Technologien nicht nur im Interesse der Betriebe ist, sondern auch von Kunden gefordert wird. Digitale Bestell- und Abwicklungsprozesse mit Transparenz für Kunden sind bereits Standard in der Industrie. Auf diesen Komfort wollen diese auch im Handwerk nicht verzichten. Damit werden die Kunden zu einem der maßgeblichen Treiber der DT. Kundenwünsche nach digitalen Dienstleistungen sowie ihre Integration in den Wertschöpfungsprozess müssen umgesetzt werden, um die Kundenerfahrung positiv zu gestalten und für Kunden nachhaltig der Anbieter der Wahl zu sein. Konkret wurden in der SQA (2024) beispielweise digitale Produktkonfigurationen, einfache Kommunikation zu Verfügbarkeiten von Mitarbeitenden der Handwerksbetriebe sowie hinsichtlich einer größeren Transparenz im Bereich der Nachhaltigkeit genannt.
Neben der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung spielt dabei auch eine genaue Betrachtung der externen Kommunikation mit Kunden eine zentrale Rolle. So konnte festgestellt werden, dass die Nutzung digitaler Plattformen eine starke regionale Heterogenität zeigt (Bischoff und Thonipara 2023). In ländlichen Gebieten wird weniger auf digitale Plattformen gesetzt als in städtischen Regionen. Plattformen bieten Handwerksbetrieben Chancen für eine effizientere Kundenakquise und eine vereinfachte Auftragsabwicklung. Gleichzeitig bergen sie jedoch Risiken bei einer nicht kundenorientierten Gestaltung, wie die Abhängigkeit von der Preisbildung der Plattformen und einen verstärkten Wettbewerbsdruck (Alhusen et al. 2021).
Die Ergebnisse der Experteninterviews bestätigen den positiven Einfluss von Kunden auf die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. Dies verdeutlicht die Bedeutung ihrer Rolle für den digitalen Fortschritt, da Kunden sowohl als wesentliche Treiber als auch als Nutznießer der DT von Handwerksbetrieben beschrieben werden.
Eine Studie von Lages und Piercy (2012) zu den Treibern von Ideen der Mitarbeitenden zur Verbesserung von Dienstleistungen verdeutlicht, dass auch Mitarbeitende die Signale der Kunden erkennen und interpretieren können müssen, um die richtigen Digitalisierungsmaßnahmen im eigenen Unternehmen zu fördern. Dies ist vor allem bei Mitarbeitenden mit einer hohen Arbeitszufriedenheit der Fall, die einen eigenen hohen Nutzen aus ihrer Arbeit für Kunden ziehen. Im Folgenden wird daher auf die Rolle der Mitarbeitenden genauer eingegangen.
4 Die Rolle der Mitarbeitenden in der digitalen Transformation
Mitarbeitende im Handwerk können sowohl Motivatoren als auch Hindernisse für die DT sein. Deswegen dürfen digitale Veränderungen nicht nur auf betriebsinterne Prozesse und Kunden ausgerichtet werden. Digitalisierung muss als Dienstleistung für Mitarbeitende gesehen werden (Robra-Bissantz und Lattemann 2022), denn eine DT im Arbeitsumfeld kann das Wohlbefinden von Mitarbeitenden beeinflussen. So wird in Studien eine verbesserte Work-Life-Balance sogar oft als Ansporn für Digitalisierungsbestrebungen genannt (z. B. Schuh und Hempel 2016; Helms et al. 2024). Weitere Motivatoren für die Einführung von Digitalisierungsmaßnahmen in Betrieben sind die Gewinnung von jungen, motivierten und innovativen Fach- und Führungskräften (Krcmar et al. 2017). Überdies ist die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ein entscheidender Faktor für die Unternehmensproduktivität. Mitarbeitende, die sich wohlfühlen, sind besser in der Lage, auf digitale Kundenbedürfnisse einzugehen, Veränderungen voranzutreiben und produktiver zu arbeiten (Nielsen et al. 2017). Auf der anderen Seite können Mitarbeitende, deren Wohlbefinden negativ von digitalen Maßnahmen beeinflusst wird, Widerstand gegen Veränderungen leisten, was sich negativ auf die Produktivität auswirkt. Daher ist es entscheidend, die Bedürfnisse und Motivationen der Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern, um die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Mitarbeiterzufriedenheit zu gewährleisten (Runst und Proeger 2020). Hierbei gilt es auch die Lebensphasen von Mitarbeitenden zu beachten, denn sie können in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich auf Veränderungen reagieren (Helms et al. 2024).
Diese Erkenntnisse aus der Literatur decken sich mit den Ergebnissen unserer SQA (2024). So haben digitale Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance eine hohe Priorität. Entsprechend stehen neue Technologien im Fokus, die zur Entlastung der Mitarbeitenden beitragen. Dies betrifft insbesondere die Digitalisierung von Routinetätigkeiten aber auch neuartige Technologien und Verfahren, die eine Entlastung bei der physischen Arbeit ermöglichen. Dies kann einerseits die Attraktivität des Arbeitsplatzes bis ins hohe Alter steigern bzw. sicherstellen und andererseits zusätzliche Kapazitäten für produktive Tätigkeiten frei machen. Es ist davon auszugehen, dass nur digital fortschrittliche Betriebe, die mit innovativen Ansprachen und Technologien ihre Attraktivität steigern, die dringend benötigten Fach- und Führungskräfte halten und gewinnen. Gleichzeitig verdeutlichen die befragten Experten in der SQA (2024), dass heute der Mangel an Fachkräften aufgrund geringer Mitarbeiterkapazitäten in den Betrieben die DT behindert. Zudem werden geringe digitale Kompetenzen als Hindernis für die DT genannt. Mitarbeitende können damit sowohl einer der größten transformationslimitierenden Faktoren sein. Gleichzeitig können sie aber auch Anreize zur Transformation geben und damit einer der wesentlichen Treiber für die erfolgreiche Umsetzung der DT sein.
Als wichtiges Hindernis für die DT im Handwerk zeigt sich – häufig bei familiengeführten Betrieben, mit einer älteren Geschäftsführung – eine fehlende Akzeptanz der und Affinität zur Digitalisierung. In der SQA (2024) wird angegeben, dass der Geschäftsführung in diesen Betrieben die Möglichkeiten und die Vielfalt an innovativen und digitalen Lösungen oftmals nicht bekannt sind. Projekte, wie jene der Digi-BIT, versuchen bereits in den Meisterschulen, das Bewusstsein und die Sensibilität für die Notwendigkeit digitalisierter Prozesse zu schaffen. Diese Bemühungen sind jedoch nur erfolgreich, wenn die Geschäftsführung offen und bereit für Umstrukturierungsmaßnahmen sind und erkennen, dass diese, bei genauerer Betrachtung, ihre handwerklichen Traditionen befördern. Denn es sind häufig die traditionellen Handwerksbetriebe, die Schwierigkeiten mit der DT und der Implementierung digitaler Prozesse haben (SQA 2024).
Ein weiteres wichtiges mitarbeiterbezogenes Thema in Bezug auf die DT ist die Rolle von Schulungen und Austauschformaten (SQA 2024). Um den Hemmschwellen im Bereich Informationssicherheit zu begegnen, gibt es staatliche Förderprogramme und Schulungen, die explorative und kollaborative Lernformate anbieten. Diese Programme befinden sich jedoch noch im Aufbau. Aufklärungsarbeit in Form von Informationsseminaren durch Digi-BIT soll Handwerksbetriebe in Digitalisierungsfragen schulen und die Teilnahme an Beratungsangeboten fördern. Sichtbare Beispiele von bereits digitalisierten Leuchtturmprojekten können dabei initiale Hemmschwellen abbauen und konkrete Digitalisierungsformate aufzeigen, die genau die handwerkliche Dienstleistung verbessern.
Zuletzt können Self-Learning Unterstützungsformate über unterschiedlichste Medien als interne Treiber zur Befähigung von Mitarbeitenden betrachtet werden. Ebenso können Anreize gesetzt werden, damit Mitarbeitende ihre positiven Erfahrungen aus der privaten Mediennutzung (z. B. Social Media) ins berufliche Umfeld transferieren. Für Kleinstbetriebe stellt der Zugang zu Social Media häufig eine besondere Herausforderung dar, da diese Betriebe etablierte Strukturen aufweisen, in welchen Führungskräfte die private Medienkompetenz ihrer Mitarbeiter nur selten als wichtig für die berufliche Qualifizierung betrachten.
Unsere Analysen zeigen, dass im Kontext der DT ein vielfältiges Gemisch aus Herausforderungen und Anforderungen existiert, das sorgfältiges und differenziertes Handeln erfordert. In vielen Fällen erscheinen die Ängste und Anforderungen (z. B. in Bezug auf Privatsphäre, individuelle Kontrolle, soziale Interaktion) von Mitarbeitenden in der Industrie und Handwerk ähnlich. Gleichzeitig sind aber auch Abweichungen zu beobachten. Dies zeigt sich in Bezug auf die Förderung der Selbstverwirklichung und Kreativität im Handwerk, die nicht so ausgeprägt erscheint, wie in der Industrie. Es wird empfohlen, Veränderungen durch gezielte Veränderungsmodelle, die bereits in der Industrie genutzt werden, zu begleiten (Bosbach et al. 2024). Hier bieten sich vor allem Change-Modelle an, die die Mitarbeitenden als integrierten Bestandteil der Wertschaffung sehen (z. B. Einbringung der eigenen Kreativität) und deren Bedürfnisse (z. B. nach Selbstverwirklichung) berücksichtigen. Denn wenn Mitarbeitende Entscheidungen selbst beeinflussen, ist die Chance höher, dass sie diese auch mittragen.
In der SQA (2024) werden auch externe Treiber zur Digitalisierung betrachtet. Hierunter fallen beispielsweise Betriebsübergaben. Schätzungen zeigen, dass zwischen 2022 und 2026 etwa 125.000 Betriebe im Handwerk zur Übergabe anstehen (Runst und Thomä 2021). Gleichzeitig besteht in Deutschland ein Bedarf an 240.000 Fachkräften (Stand 2022), wobei im Durchschnitt 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben (Kofa 2023). Dies führt dazu, dass Betriebe einem erheblichen Druck ausgesetzt sind, sich zu digitalisieren, um für BewerberInnen attraktiv zu bleiben. Eine Studie der Bundesagentur für Arbeit (2023) stuft über 38 % der Handwerksberufe als vom Fachkräftemangel betroffen ein. Innerhalb der Interviews wurde der Fachkräftemangel als der wichtigste Antriebsfaktor genannt, der viele Initiativen und Prozesse zur Digitalisierung auslöst, wie etwa die Entwicklung von Websites und Social-Media-Präsenzen, die Auslagerung des Erstkontakts durch Online-Terminvereinbarungen oder Chatbots sowie die Modernisierung des Handwerks im Allgemeinen.
5 Fazit und Blick in die digitale Zukunft
Die Ergebnisse der SQA (2024) heben hervor, dass Fachkräftemangel, demografischer Wandel und eine innovative, aber trotzdem traditionelle Sichtweise auf das Handwerk, mit einem klaren Fokus auf die Menschen, als Katalysatoren für die Digitalisierung in diesem Sektor angesehen werden können. Dabei wird der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren nicht nur als Treiber, sondern auch als Hemmnis betrachtet, der die Umsetzung digitaler Transformationsprojekte erschweren könnte (vgl. Abb. 1).
Ein wesentliches Hemmnis besteht darin, dass Digitalisierung, vor allem von „digital Immigrants“, als Bedrohung oder Neuland, das dem eigenen Geschäft fremd ist, gesehen wird. Auch jüngere Mitarbeitende trennen häufig die Digitalisierung im privaten Bereich von der im betrieblichen Kontext. Diese segmentierte Sichtweise verhindert, dass beide Gruppen die potenziell positiven Beiträge der Technologie zu ihrer Arbeit erkennen und sich damit auseinandersetzen. Hieraus leitet sich die präskriptive Forderung „aus Tradition innovativ“ ab, die darauf abzielt, die Einstellung gegenüber Technologie dahin gehend zu verändern, dass sie einer guten Tradition nicht entgegensteht.
Der Ansatz „Service for Good“ (Robra-Bissantz und Lattemann 2022) steht damit auch im Mittelpunkt unserer Überlegungen zur Digitalisierung im Handwerk. Er reflektiert die Erkenntnis, dass mehr Digitalisierung nicht weniger Mensch bedeutet und zielt daher darauf ab, mithilfe von neuen digitalen Technologien Services, wie auch die handwerkliche Dienstleistung, zu verbessern und damit das Wohlbefinden von Menschen, Mitarbeitenden wie Kunden, zu steigern.
Wir argumentieren daher, dass die Digitalisierung immer die Bedürfnisse und Wünsche von Menschen berücksichtigen muss. Dies spiegelt den grundlegenden Antrieb von Handwerksbetrieben wider, die von Natur aus kundenorientiert und betriebsintern stark untereinander verbunden sind. Digitalisierung sollte daher primär dazu dienen, Kundenbedürfnisse noch präziser zu erkennen und durch verbesserte Dienstleistungen zu unterstützen, die genau den gewünschten Wert für die Kunden liefern. Gleichzeitig sollte sie das Arbeitsleben der Mitarbeitenden erleichtern. Durch die Entlastung von administrativen Tätigkeiten und die digitale Abbildung von Prozessen steht die Steigerung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden im Vordergrund der DT.
Auch die Beziehung zwischen den beiden menschlichen Seiten der handwerklichen Interaktion und Dienstleistung – nämlich zwischen Kunden und Mitarbeitenden spielt eine große Rolle in Digitalisierungsbestrebungen. Die aus unseren Studien gewonnenen Erkenntnisse zeigen hierzu auf, dass bereits heute die DT im Handwerk insbesondere durch direkte Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Kunden vorangetrieben wird.
Neue Technologien bilden zwar die Basis der DT, aber deren Erfolg wird maßgeblich durch die Menschen (Kunden und Mitarbeitenden) bestimmt, die sie vorantreiben oder behindern. Weitere Forschung ist notwendig, um die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung auf die Beteiligten zu verstehen und sie bestmöglich zu unterstützen. Wie können Chancen für Unternehmen und Mitarbeitenden erkannt werden? Welche Bedürfnisse haben die Mitarbeitenden? Wie kann das Wohlbefinden gefördert und welche konkreten Maßnahmen können aus dem Change Management abgeleitet werden, um den Übergang für die Mitarbeitenden in der Transformation zu erleichtern?
Im Rahmen des BMBF Forschungsprojekts HaMiZu (Handwerk mit Zukunft) entwickeln wir gezielte zu diesen Fragen Initiativen, die auf die Förderung nachhaltiger und menschenzentrierter Service-Ökosysteme abzielen. Zu den Kernkomponenten gehören Ansätze zur Identifikation von Chancen durch Digitalisierung (z. B. durch das Konzept des Fractional CIO) und zur Steigerung einer (sozialen) Nachhaltigkeit, zu einer Information Security as a Service, zu Reifegradmodellen sowie Change Management und Well-Being sowie zum Thema Nachfolge, die unter anderem in Workshops aufgegriffen werden. Abschließend werden die Ergebnisse in Bildungsinitiativen, wie Zertifikatskurse für BIT und DIGI-BIT, einfließen.
Durch diese vielschichtigen Initiativen streben wir danach, die DT in Handwerksbetrieben nicht nur als technologischen Fortschritt zu sehen, sondern als integralen Bestandteil eines ganzheitlichen, nachhaltigen und menschenzentrierten Geschäftsmodells.
Literatur
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Förderung
Diese Forschungsarbeit wird gefördert durch das Verbundprojekt Handwerk mit Zukunft (HaMiZu FK02K20D000-004) im Programm „Innovationen für die Produktion, Dienstleistungen und Arbeit von morgen“ des BMBF
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Helms, M., Bosbach, J., Finster, R. et al. Handwerk – aus Tradition innovativ: Der Mensch im Mittelpunkt der Digitalisierung. HMD 61, 1380–1391 (2024). https://doi.org/10.1365/s40702-024-01123-x
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