16. Juli 2024 | Magazin:

Weiter dem Quecksilbergeheimnis auf der Spur Dr. Marta Pérez Rodríguez über ihre Expedition in der Framstraße

Kurs auf Molloy Deep, hieß es Anfang Juni für Dr. Marta Pérez Rodríguez vom Institut für Geoökologie der Technischen Universität Braunschweig. An Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“ begab sie sich auf den Weg in die Framstraße, dem Meeresgebiet zwischen Spitzbergen und Grönland. Während der Expedition des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) zum sogenannten „Hausgarten“ sammelte die Umweltwissenschaftlerin Sedimente aus dieser arktischen Region für ihre Untersuchungen zum Quecksilberkreislauf.

Die Arbeit zwischen den Eisschollen stand für Dr. Marta Pérez Rodriguze in krassem Gegensatz zur vorherigen Expedition mit der „Polarstern“, bei der sie 50 Tage lang nur das offene Meer gesehen hat. Bildnachweis: Dr. Marta Pérez Rodriguez

Für Dr. Marta Pérez Rodríguez war „PS143/1 Hausgarten/FRAM 2024“ – so der Name der Expedition unter Leitung von Dr. Frank Wenzhöfer – die zweite Forschungsfahrt mit der „Polarstern“. Bereits im Oktober 2022 war sie mit dem AWI-Eisbrecher unterwegs, um in den antarktischen Gewässern um Südgeorgien Wasser- und Sedimentproben zu sammeln und herauszufinden, wo sich Quecksilber in den Tiefen des Meeres ablagert.

Jetzt also, der „Hausgarten“ ­– ein meeresökologisches Langzeitobservatorium in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, das vom AWI betrieben wird und in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert. Es dient dazu, die Auswirkungen großräumiger Umweltveränderungen auf das marine Ökosystem in einer Übergangszone zwischen dem Nordatlantik und dem zentralen Arktischen Ozean zu erfassen.

Quecksilberbelastung reduzieren

Für Pérez Rodríguez stehen dabei der Quecksilberkreislauf und die Primärproduktion in den Ozeanen im Fokus. Seit 2016 forschen Professor Harald Biester und Dr. Marta Pérez Rodríguez zu dem hochgiftigen Spurenmetall im Meer und in der Meeresumgebung, das die Gesundheit von Organismen schwer schädigen kann. Der größte Teil der Quecksilberverschmutzung gelangt durch die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen sowie durch industrielle Aktivitäten in die Atmosphäre und verbleibt über lange Zeiträume in den Ökosystemen. In der Abteilung Umweltgeochemie des Instituts für Geoökologie untersuchen die Forschenden, welche Prozesse in verschiedenen Ökosystemen ablaufen, welche Verbindungen zwischen ihnen bestehen und wie Umweltveränderungen diese Prozesse verändern oder verstärken können. „Dieses Wissen kann dazu beitragen, bessere Regulierungen und Kontrollsysteme zu entwickeln, um die Auswirkungen der Quecksilberbelastung zu reduzieren“, so Marta Pérez Rodríguez.

Zusammen mit einem Team des Danish Center for Hadal Research der University of Southern Denmark (Ronnie N. Glud) konnte Marta Pérez Rodríguez während der Expedition wichtige Proben für ihre Forschung nehmen und frühere Forschungsarbeiten mit den dänischen Wissenschaftler*innen fortsetzen. Gemeinsam untersuchen sie die Prozesse der Bildung und Anreicherung von Quecksilber, Methylquecksilber und anderen Metallen in der Tiefsee. Der Schwerpunkt ihrer Untersuchungen liegt deshalb auf der Hadal-Zone, also den tiefsten Bereichen des Meeresbodens von mehr als 6.000 Metern. Entscheidend für die Umweltwissenschaftlerin war, dass die Expedition auch Beprobungen von „Molloy Deep“, vorsah. Der Teil des Arktischen Ozeans ist zwar lediglich 5.500 Meter tief und entspricht damit nicht der Definition der Hadal-Zone, weist aber nach den bisherigen Daten Merkmale der Hadal auf.

Vor der Abfahrt aus Bremerhaven. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Die "Polarstern" auf ihrem Weg Richtung Ostgrönland. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Aufbau des MUC vor dem Einsatz. Ein Kollege vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen erklärt Dr. Marta Pérez Rodriguez, wie man alles einrichtet. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Das MUC vor dem Einsatz mit den Wissenschaftler*innen von der SDU in Dänemark und TU Braunschweig. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Die "Polarstern" schiebt sich zwischen den Eisschollen hindurch. Bildnachweis: Dr. Marta Pérez Rodriguez

Faszinierende Bilder boten sich den Wissenschaftler*innen während der Expedition. Bildnachweis: Dr. Marta Pérez Rodriguez

Ausrüstung des Landers: Mikrosensoren für Sauerstoffmessungen im Sediment. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Die Bergung des Landers. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Framstraße ... fast so ruhig wie auf einem See. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Ein neugieriger Eisbär. Wegen der fehlenden Nachtstunden im Polarsommer ist es sehr schwierig, die Zeit zu bestimmen, in der das Foto aufgenommen wurde. Hier war es ca. 21 Uhr. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Das MUC ist zurück an Bord. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Bergung der Sedimentkerne aus dem MUC. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

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Dr. Marta Pérez Rodriguez (l.) beim Schneiden der Sedimentkerne. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Beim Schneiden von Sedimentkernen. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Einer der Sedimentkerne aus dem MUC. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Wissenschaftler*innen betrachten das Sediment, das nach der Probenahme mit dem Großkastengreifer zurückkam. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Wissenschaftler*innen bearbeiten Sedimentproben, die für das "Hausgarten"-Monitoring gesammelt wurden. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Untersuchung der Sedimentproben an Bord. Bildnachweis: Alfred-Wegener-Institut/Johannes Maring

Das „OFOBS“ (Ocean Floor Observation and Bathymetry System) nimmt Bilder und Live-Videos vom Meeresboden auf. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Beste Wetterbedingungen für die Forschung

Für die Forschung boten sich ideale Wetterbedingungen – im Gegensatz zur ersten Expedition der Braunschweiger Wissenschaftlerin 2022 im Südatlantik mit teilweise bis zu zwölf Meter hohen Wellen. „Diesmal hatten wir Glück. Die Wellen waren während des größten Teils der Expedition minimal, so dass es sich fast wie auf einem See anfühlte“, berichtet Marta Pérez Rodríguez. „Dadurch konnten wir alle Probenahmen problemlos durchführen.“

So sammelte sie für ihre Arbeit in der Arbeitsgruppe Umweltgeochemie Oberflächensedimentkerne entlang eines Abschnitts zwischen Spitzbergen und Ostgrönland, der als Transekt für die Primärproduktion dient. Zusätzlich konnte sie zwei längere Sedimentkerne (je 30 Zentimeter) aus dem Molloy-Tief und einer Referenz-Zone gewinnen. „Mit diesen Proben wollen wir verstehen, wie sich die Primärproduktion im Oberflächenwasser auf die Quecksilberanreicherung in den Sedimenten auswirkt, und zwar durch den so genannten ‚Scavenging‘-Prozess. Dabei handelt es sich um den Transport von Quecksilber aus der Wassersäule durch die absinkenden Partikel aus organischem Material“, erklärt Marta Pérez Rodríguez. Dazu richtete sie mit Dr. Peter Stief vom Danish Center for Hadal Research der University of Southern Denmark ein Laborexperiment mit Drucktanks ein, um die Bedingungen in 6.000 Metern Tiefe und mehr zu simulieren und die Auswirkungen auf die Quecksilber- und Methylquecksilber-Konzentrationen in absinkenden Partikeln zu beobachten.

Die Tanks simulieren den enormen Druck, der auf die Partikel ausgeübt wird, wenn sie durch die Wassersäule in die Tiefsee absinken. „Das ist ziemlich einzigartig. Der Tank ermöglicht es uns, die extremen Druckbedingungen, die in den tiefsten Teilen des Ozeans herrschen – bis zu 100 Megapascal –, zu simulieren und zu beobachten, wie sich die Partikel während eines zehn Kilometer langen Abstiegs verändern“, sagt Marta Pérez Rodríguez.

Dr. Marta Pérez Rodriguez (l.) beim Schneiden der Sedimentkerne. Bildnachweis: Yen-Ting Chen/University of Southern Denmark

Live-Videos vom Meeresboden

Für ihre Untersuchungen nutzten die rund 50 Forschenden an Bord eine breite Palette innovativer Instrumente. So zum Beispiel das „OFOBS“ (Ocean Floor Observation and Bathymetry System), das die AWI-Tiefseegruppe entwickelt hat. Dieses Instrument wird bei geringer Geschwindigkeit dicht über dem Meeresboden geschleppt und nimmt Bilder und Live-Videos vom Meeresboden auf, die an das Schiff zurückgesendet werden. So kann jeder an Bord beobachten, was sich in der Molloy-Tiefe in mehr als 5.000 Metern Tiefe abspielt.

Außerdem wurden mehrere sogenannte Lander eingesetzt. Diese Geräte werden auf den Meeresboden abgesenkt, wo sie für einen bestimmten Zeitraum – in der Regel etwa 24 Stunden – für verschiedene Messungen und Aufzeichnungen verbleiben. Die Daten werden auch für die geochemische Interpretation der Quecksilber- und Methylquecksilberdaten der Braunschweiger Wissenschaftlerin verwendet.

Für die Probennahme von Marta Pérez Rodríguez kam der MUC (Multicorer) zum Einsatz, ein meeresgeologisches Forschungsinstrument. Der MUC wird auf den Meeresboden geschickt und sammelt in Rohren Sedimentproben. Nach der Rückkehr an die Oberfläche wird das Sediment entnommen und aufgeschnitten, so dass eine vertikale und intakte Aufzeichnung der Meeresbodensedimente entsteht. „Neu für mich war diesmal, dass der MUC mit einer Kamera ausgestattet war, die Bilder in Echtzeit an das Schiff übertrug, sodass wir genau sehen konnten, wo die Kerne entnommen wurden“, berichtet die Wissenschaftlerin.

Zurück in Braunschweig freut sie sich darauf, die Proben zu analysieren und die Ergebnisse auszuwerten. „Diese Forschung wird wertvolle Erkenntnisse darüber liefern, was mit Quecksilber und Methylquecksilber passiert, wenn Algenpartikel absinken, und unser Verständnis dieser Prozesse in den Tiefen des Ozeans verbessern.“

„Hausgarten“

Vor 25 Jahren errichtete das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung ein meeresökologisches Langzeitobservatorium in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen. Es dient dazu, die Auswirkungen der aktuellen großräumigen Umweltveränderungen auf das marine Ökosystem in einer Übergangszone zwischen dem Nordatlantik und dem zentralen Arktischen Ozean zu erfassen und zu verfolgen. Während damals einzelne Nationen ihre Nationalflaggen auf dem Tiefseeboden aufstellten, um territoriale Ansprüche zu erheben, stellten die AWI-Forschenden in selbstironischer Absicht einen Gartenzwerg im „Hausgarten“ auf.