Tiki-Restaurants als exotisierende Kommodifizierung mimetischer Repräsentationen Polynesiens?
Di... more Tiki-Restaurants als exotisierende Kommodifizierung mimetischer Repräsentationen Polynesiens?
Die US-amerikanische Restaurantlandschaft der späten 1950er Jahren war von den sogenannten Tiki-Restaurants geprägt. Diese Lokale bildeten den Dreh- und Angelpunkt einer auch außerhalb der Gastronomie stattfindenden Modewelle, die den Amerikanern ein Stück Südseeromantik für Zuhause versprach und erst in der nächsten Dekade abebben sollte. Knallbunte Cocktails, mit Ananas angerichtete Chicken Wings sowie provozierend freizügig gekleidete Kellnerinnen lockten damit, polynesische Kultur „authentisch“ zu erfahren und diverse Tabus der damaligen Zeit unter dem Deckmantel des ethnographischen Interesses brechen zu dürfen. Dieses Erlebnis wurde – zumeist im Schatten gigantischer, mysteriös anmutender Holzfiguren, die die altertümliche, wohlwollende polynesische Gottheit Tiki abbilden sollten – inszeniert. Bereits in den 40er Jahren gab es in Kalifornien und von da ausgehend, in ganz Nordamerika zahlreiche populäre Bars und Restaurants, die mit polynesischer Küche und tropischem Dekor warben. Mit dem in wenig differenzierter Sekundärliteratur verbreiteten Missverständnis, die bloße Inkorporation solch exotischer Stilelemente allein würden ein Tiki-Restaurant als solches auszeichnen, soll direkt zu Beginn dieser Arbeit aufgeräumt werden: Denn erst Mitte der 50er tauchten die eben angeführten Tiki-Figuren sowie anderen Tiki-Darstellungen in sämtlichen Bereichen des amerikanischen Alltags auf.1 Mit ihrer Präsenz ging die Umstrukturierungen von bestehenden polynesischen Restaurants und Eröffnungen von komplett neuen Gastronomiebetrieben einher, die retrospektiv als Tiki-Restaurants bezeichnet werden und Epizentren der Tiki-Modewelle darstellten – wie der historische Abriss im zweiten Kapitel dieser Arbeit konkreter aufzeigen wird. Dass vor allem westliche Geschäftstreibende durch die jüngere Geschichte hinweg immer wieder fremde Kulturen und Regionen für ihre kapitalistischen Zwecke ausnutzten, ist eine zentrale Erkenntnis wissenschaftlicher Forschung des Postkolonialismus. Vertreter letzterer wie Christopher Balme oder Graham Huggan haben bereits zur Rolle polynesischer oder allgemein pazifischer Kultur für den westlichen Mainstream geforscht. An Studien zum konkreten Phänomen Tiki-Restaurants mangelt es allerdings. Fraglich ist auch, wie authentisch so eine Repräsentation aus westlicher Perspektive überhaupt sein konnte. Um diese Problematiken zu bearbeiten, setzt sich diese Bachelorarbeit kritisch mit der Fragestellung auseinander, wie polynesische Kultur in den kalifornischen Tiki-Restaurants der 1950er Jahre repräsentiert wurde. Dabei bezieht sich „kalifornisch“ auf die Herkunft der Tiki-Kultur und -Restaurants, deren Geschichte im folgenden Kapitel dargestellt wird. Das schlagartig erfolgreiche Konzept wurde von Gastronomen in allen Bundesstaaten der USA jedoch so rapide kopiert und gleichförmig umgesetzt, dass de facto kein relevanter Unterschied zwischen einem Tiki-Restaurant in Kalifornien und einem solchen in einem anderen Staat feststellbar gewesen sei.2 Der viel zitierte Tiki-Historiker Sven Kirsten merkt sogar an, dass der tropische Charakter der Tiki-Restaurants und ihr damit verbundenes Eskapismuspotential in weniger sonnigen Bundesstaaten noch herausragender war, da sie dort in stärkerem Kontrast zum örtlichen Klima standen.3 Als Gegenstand der Analyse bietet sich mir tatsächlich kein Tiki-Restaurant in Kalifornien an, wie etwa das Trader Vic’s in Los Angeles, da ich keinen Zugriff auf eine ausreichende Dokumentation habe. Der dieser Arbeit zugrundeliegenden umfassenden Recherche in den Berliner und Kölner Bibliotheken und Museen, sowie ergänzenden Onlinequellen nach eignen sich zur Bearbeitung des Themas stattdessen das Mai-Kai in Fort Lauderdale, Florida und der Kahiki Supper Club in Columbus, Ohio. Beide Restaurants sind ausreichend dokumentiert, inkorporieren stilgetreu die typischen Merkmale der Tiki-Gastronomie, wie im dritten Abschnitt dieser Arbeit deutlich werden wird, und waren äußerst populär. Während das Mai-Kai 1956 pünktlich mit dem Durchbruch der Tiki-Kultur eröffnete, experimentierten die Betreiber des Kahiki Supper Clubs in den 1950er Jahren mit einer Bar namens „Grass Shack“, die jedoch 1959 abbrannte. Dabei studierten sie die Alleinstellungsmerkmale der sich schnell etablierenden Tiki-Restaurants und setzten diese dann in vollem Umfang in ihrem 1961 auf dem alten Grass Shack-Grundstück errichteten Kahiki Supper Club um; dieser wird im Folgenden „das Kahiki“ genannt. Das Kahiki hatte in den 1950ern Jahren also noch nicht geöffnet, inkorporierte aber die typischen Merkmale dieser Dekade in Vollständigkeit4 und ist als „Prachtexemplar der [Tiki-]Eventgastronomie“5 ein geeigneter Untersuchungsgegenstand zur Analyse der in den 1950er Jahren betriebenen Tiki-Restaurants, deren Ursprung in Kalifornien liegt. Diese beiden Beispiele operationalisiere ich als Untersuchungsobjekt stellvertretend für die aus Kalifornien kommende Bewegung der Tiki-Restaurants in den 1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den USA skizziert und der Umfang der sie umgebenden Tiki-Kultur erklärt.
Tiki-Restaurants als exotisierende Kommodifizierung mimetischer Repräsentationen Polynesiens?
Di... more Tiki-Restaurants als exotisierende Kommodifizierung mimetischer Repräsentationen Polynesiens?
Die US-amerikanische Restaurantlandschaft der späten 1950er Jahren war von den sogenannten Tiki-Restaurants geprägt. Diese Lokale bildeten den Dreh- und Angelpunkt einer auch außerhalb der Gastronomie stattfindenden Modewelle, die den Amerikanern ein Stück Südseeromantik für Zuhause versprach und erst in der nächsten Dekade abebben sollte. Knallbunte Cocktails, mit Ananas angerichtete Chicken Wings sowie provozierend freizügig gekleidete Kellnerinnen lockten damit, polynesische Kultur „authentisch“ zu erfahren und diverse Tabus der damaligen Zeit unter dem Deckmantel des ethnographischen Interesses brechen zu dürfen. Dieses Erlebnis wurde – zumeist im Schatten gigantischer, mysteriös anmutender Holzfiguren, die die altertümliche, wohlwollende polynesische Gottheit Tiki abbilden sollten – inszeniert. Bereits in den 40er Jahren gab es in Kalifornien und von da ausgehend, in ganz Nordamerika zahlreiche populäre Bars und Restaurants, die mit polynesischer Küche und tropischem Dekor warben. Mit dem in wenig differenzierter Sekundärliteratur verbreiteten Missverständnis, die bloße Inkorporation solch exotischer Stilelemente allein würden ein Tiki-Restaurant als solches auszeichnen, soll direkt zu Beginn dieser Arbeit aufgeräumt werden: Denn erst Mitte der 50er tauchten die eben angeführten Tiki-Figuren sowie anderen Tiki-Darstellungen in sämtlichen Bereichen des amerikanischen Alltags auf.1 Mit ihrer Präsenz ging die Umstrukturierungen von bestehenden polynesischen Restaurants und Eröffnungen von komplett neuen Gastronomiebetrieben einher, die retrospektiv als Tiki-Restaurants bezeichnet werden und Epizentren der Tiki-Modewelle darstellten – wie der historische Abriss im zweiten Kapitel dieser Arbeit konkreter aufzeigen wird. Dass vor allem westliche Geschäftstreibende durch die jüngere Geschichte hinweg immer wieder fremde Kulturen und Regionen für ihre kapitalistischen Zwecke ausnutzten, ist eine zentrale Erkenntnis wissenschaftlicher Forschung des Postkolonialismus. Vertreter letzterer wie Christopher Balme oder Graham Huggan haben bereits zur Rolle polynesischer oder allgemein pazifischer Kultur für den westlichen Mainstream geforscht. An Studien zum konkreten Phänomen Tiki-Restaurants mangelt es allerdings. Fraglich ist auch, wie authentisch so eine Repräsentation aus westlicher Perspektive überhaupt sein konnte. Um diese Problematiken zu bearbeiten, setzt sich diese Bachelorarbeit kritisch mit der Fragestellung auseinander, wie polynesische Kultur in den kalifornischen Tiki-Restaurants der 1950er Jahre repräsentiert wurde. Dabei bezieht sich „kalifornisch“ auf die Herkunft der Tiki-Kultur und -Restaurants, deren Geschichte im folgenden Kapitel dargestellt wird. Das schlagartig erfolgreiche Konzept wurde von Gastronomen in allen Bundesstaaten der USA jedoch so rapide kopiert und gleichförmig umgesetzt, dass de facto kein relevanter Unterschied zwischen einem Tiki-Restaurant in Kalifornien und einem solchen in einem anderen Staat feststellbar gewesen sei.2 Der viel zitierte Tiki-Historiker Sven Kirsten merkt sogar an, dass der tropische Charakter der Tiki-Restaurants und ihr damit verbundenes Eskapismuspotential in weniger sonnigen Bundesstaaten noch herausragender war, da sie dort in stärkerem Kontrast zum örtlichen Klima standen.3 Als Gegenstand der Analyse bietet sich mir tatsächlich kein Tiki-Restaurant in Kalifornien an, wie etwa das Trader Vic’s in Los Angeles, da ich keinen Zugriff auf eine ausreichende Dokumentation habe. Der dieser Arbeit zugrundeliegenden umfassenden Recherche in den Berliner und Kölner Bibliotheken und Museen, sowie ergänzenden Onlinequellen nach eignen sich zur Bearbeitung des Themas stattdessen das Mai-Kai in Fort Lauderdale, Florida und der Kahiki Supper Club in Columbus, Ohio. Beide Restaurants sind ausreichend dokumentiert, inkorporieren stilgetreu die typischen Merkmale der Tiki-Gastronomie, wie im dritten Abschnitt dieser Arbeit deutlich werden wird, und waren äußerst populär. Während das Mai-Kai 1956 pünktlich mit dem Durchbruch der Tiki-Kultur eröffnete, experimentierten die Betreiber des Kahiki Supper Clubs in den 1950er Jahren mit einer Bar namens „Grass Shack“, die jedoch 1959 abbrannte. Dabei studierten sie die Alleinstellungsmerkmale der sich schnell etablierenden Tiki-Restaurants und setzten diese dann in vollem Umfang in ihrem 1961 auf dem alten Grass Shack-Grundstück errichteten Kahiki Supper Club um; dieser wird im Folgenden „das Kahiki“ genannt. Das Kahiki hatte in den 1950ern Jahren also noch nicht geöffnet, inkorporierte aber die typischen Merkmale dieser Dekade in Vollständigkeit4 und ist als „Prachtexemplar der [Tiki-]Eventgastronomie“5 ein geeigneter Untersuchungsgegenstand zur Analyse der in den 1950er Jahren betriebenen Tiki-Restaurants, deren Ursprung in Kalifornien liegt. Diese beiden Beispiele operationalisiere ich als Untersuchungsobjekt stellvertretend für die aus Kalifornien kommende Bewegung der Tiki-Restaurants in den 1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den USA skizziert und der Umfang der sie umgebenden Tiki-Kultur erklärt.
Uploads
Thesis Chapters by Jonathan Gehlen
Die US-amerikanische Restaurantlandschaft der späten 1950er Jahren war von den sogenannten Tiki-Restaurants geprägt. Diese Lokale bildeten den Dreh- und Angelpunkt einer auch außerhalb der Gastronomie stattfindenden Modewelle, die den Amerikanern ein Stück Südseeromantik für Zuhause versprach und erst in der nächsten Dekade abebben sollte. Knallbunte Cocktails, mit Ananas angerichtete Chicken Wings sowie provozierend freizügig gekleidete Kellnerinnen lockten damit, polynesische Kultur „authentisch“ zu erfahren und diverse Tabus der damaligen Zeit unter dem Deckmantel des ethnographischen Interesses brechen zu dürfen. Dieses Erlebnis wurde – zumeist im Schatten gigantischer, mysteriös anmutender Holzfiguren, die die altertümliche, wohlwollende polynesische Gottheit Tiki abbilden sollten – inszeniert. Bereits in den 40er Jahren gab es in Kalifornien und von da ausgehend, in ganz Nordamerika zahlreiche populäre Bars und Restaurants, die mit polynesischer Küche und tropischem Dekor warben. Mit dem in wenig differenzierter Sekundärliteratur verbreiteten Missverständnis, die bloße Inkorporation solch exotischer Stilelemente allein würden ein Tiki-Restaurant als solches auszeichnen, soll direkt zu Beginn dieser Arbeit aufgeräumt werden: Denn erst Mitte der 50er tauchten die eben angeführten Tiki-Figuren sowie anderen Tiki-Darstellungen in sämtlichen Bereichen des amerikanischen Alltags auf.1 Mit ihrer Präsenz ging die Umstrukturierungen von bestehenden polynesischen Restaurants und Eröffnungen von komplett neuen Gastronomiebetrieben einher, die retrospektiv als Tiki-Restaurants bezeichnet werden und Epizentren der Tiki-Modewelle darstellten – wie der historische Abriss im zweiten Kapitel dieser Arbeit konkreter aufzeigen wird.
Dass vor allem westliche Geschäftstreibende durch die jüngere Geschichte hinweg immer wieder fremde Kulturen und Regionen für ihre kapitalistischen Zwecke ausnutzten, ist eine zentrale Erkenntnis wissenschaftlicher Forschung des Postkolonialismus. Vertreter letzterer wie Christopher Balme oder Graham Huggan haben bereits zur Rolle polynesischer oder allgemein pazifischer Kultur für den westlichen Mainstream geforscht. An Studien zum konkreten Phänomen Tiki-Restaurants mangelt es allerdings. Fraglich ist auch, wie authentisch so eine Repräsentation aus westlicher Perspektive überhaupt sein konnte. Um diese Problematiken zu bearbeiten, setzt sich diese Bachelorarbeit kritisch mit der Fragestellung auseinander, wie polynesische Kultur in den kalifornischen Tiki-Restaurants der 1950er Jahre repräsentiert wurde.
Dabei bezieht sich „kalifornisch“ auf die Herkunft der Tiki-Kultur und -Restaurants, deren Geschichte im folgenden Kapitel dargestellt wird. Das schlagartig erfolgreiche Konzept wurde von Gastronomen in allen Bundesstaaten der USA jedoch so rapide kopiert und gleichförmig umgesetzt, dass de facto kein relevanter Unterschied zwischen einem Tiki-Restaurant in Kalifornien und einem solchen in einem anderen Staat feststellbar gewesen sei.2 Der viel zitierte Tiki-Historiker Sven Kirsten merkt sogar an, dass der tropische Charakter der Tiki-Restaurants und ihr damit verbundenes Eskapismuspotential in weniger sonnigen Bundesstaaten noch herausragender war, da sie dort in stärkerem Kontrast zum örtlichen Klima standen.3 Als Gegenstand der Analyse bietet sich mir tatsächlich kein Tiki-Restaurant in Kalifornien an, wie etwa das Trader Vic’s in Los Angeles, da ich keinen Zugriff auf eine ausreichende Dokumentation habe. Der dieser Arbeit zugrundeliegenden umfassenden Recherche in den Berliner und Kölner Bibliotheken und Museen, sowie ergänzenden Onlinequellen nach eignen sich zur Bearbeitung des Themas stattdessen das Mai-Kai in Fort Lauderdale, Florida und der Kahiki Supper Club in Columbus, Ohio. Beide Restaurants sind ausreichend dokumentiert, inkorporieren stilgetreu die typischen Merkmale der Tiki-Gastronomie, wie im dritten Abschnitt dieser Arbeit deutlich werden wird, und waren äußerst populär. Während das Mai-Kai 1956 pünktlich mit dem Durchbruch der Tiki-Kultur eröffnete, experimentierten die Betreiber des Kahiki Supper Clubs in den 1950er Jahren mit einer Bar namens „Grass Shack“, die jedoch 1959 abbrannte. Dabei studierten sie die Alleinstellungsmerkmale der sich schnell etablierenden Tiki-Restaurants und setzten diese dann in vollem Umfang in ihrem 1961 auf dem alten Grass Shack-Grundstück errichteten Kahiki Supper Club um; dieser wird im Folgenden „das Kahiki“ genannt. Das Kahiki hatte in den 1950ern Jahren also noch nicht geöffnet, inkorporierte aber die typischen Merkmale dieser Dekade in Vollständigkeit4 und ist als „Prachtexemplar der
[Tiki-]Eventgastronomie“5 ein geeigneter Untersuchungsgegenstand zur Analyse der in den 1950er Jahren betriebenen Tiki-Restaurants, deren Ursprung in Kalifornien liegt.
Diese beiden Beispiele operationalisiere ich als Untersuchungsobjekt stellvertretend für die aus Kalifornien kommende Bewegung der Tiki-Restaurants in den 1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den USA skizziert und der Umfang der sie umgebenden Tiki-Kultur erklärt.
Die US-amerikanische Restaurantlandschaft der späten 1950er Jahren war von den sogenannten Tiki-Restaurants geprägt. Diese Lokale bildeten den Dreh- und Angelpunkt einer auch außerhalb der Gastronomie stattfindenden Modewelle, die den Amerikanern ein Stück Südseeromantik für Zuhause versprach und erst in der nächsten Dekade abebben sollte. Knallbunte Cocktails, mit Ananas angerichtete Chicken Wings sowie provozierend freizügig gekleidete Kellnerinnen lockten damit, polynesische Kultur „authentisch“ zu erfahren und diverse Tabus der damaligen Zeit unter dem Deckmantel des ethnographischen Interesses brechen zu dürfen. Dieses Erlebnis wurde – zumeist im Schatten gigantischer, mysteriös anmutender Holzfiguren, die die altertümliche, wohlwollende polynesische Gottheit Tiki abbilden sollten – inszeniert. Bereits in den 40er Jahren gab es in Kalifornien und von da ausgehend, in ganz Nordamerika zahlreiche populäre Bars und Restaurants, die mit polynesischer Küche und tropischem Dekor warben. Mit dem in wenig differenzierter Sekundärliteratur verbreiteten Missverständnis, die bloße Inkorporation solch exotischer Stilelemente allein würden ein Tiki-Restaurant als solches auszeichnen, soll direkt zu Beginn dieser Arbeit aufgeräumt werden: Denn erst Mitte der 50er tauchten die eben angeführten Tiki-Figuren sowie anderen Tiki-Darstellungen in sämtlichen Bereichen des amerikanischen Alltags auf.1 Mit ihrer Präsenz ging die Umstrukturierungen von bestehenden polynesischen Restaurants und Eröffnungen von komplett neuen Gastronomiebetrieben einher, die retrospektiv als Tiki-Restaurants bezeichnet werden und Epizentren der Tiki-Modewelle darstellten – wie der historische Abriss im zweiten Kapitel dieser Arbeit konkreter aufzeigen wird.
Dass vor allem westliche Geschäftstreibende durch die jüngere Geschichte hinweg immer wieder fremde Kulturen und Regionen für ihre kapitalistischen Zwecke ausnutzten, ist eine zentrale Erkenntnis wissenschaftlicher Forschung des Postkolonialismus. Vertreter letzterer wie Christopher Balme oder Graham Huggan haben bereits zur Rolle polynesischer oder allgemein pazifischer Kultur für den westlichen Mainstream geforscht. An Studien zum konkreten Phänomen Tiki-Restaurants mangelt es allerdings. Fraglich ist auch, wie authentisch so eine Repräsentation aus westlicher Perspektive überhaupt sein konnte. Um diese Problematiken zu bearbeiten, setzt sich diese Bachelorarbeit kritisch mit der Fragestellung auseinander, wie polynesische Kultur in den kalifornischen Tiki-Restaurants der 1950er Jahre repräsentiert wurde.
Dabei bezieht sich „kalifornisch“ auf die Herkunft der Tiki-Kultur und -Restaurants, deren Geschichte im folgenden Kapitel dargestellt wird. Das schlagartig erfolgreiche Konzept wurde von Gastronomen in allen Bundesstaaten der USA jedoch so rapide kopiert und gleichförmig umgesetzt, dass de facto kein relevanter Unterschied zwischen einem Tiki-Restaurant in Kalifornien und einem solchen in einem anderen Staat feststellbar gewesen sei.2 Der viel zitierte Tiki-Historiker Sven Kirsten merkt sogar an, dass der tropische Charakter der Tiki-Restaurants und ihr damit verbundenes Eskapismuspotential in weniger sonnigen Bundesstaaten noch herausragender war, da sie dort in stärkerem Kontrast zum örtlichen Klima standen.3 Als Gegenstand der Analyse bietet sich mir tatsächlich kein Tiki-Restaurant in Kalifornien an, wie etwa das Trader Vic’s in Los Angeles, da ich keinen Zugriff auf eine ausreichende Dokumentation habe. Der dieser Arbeit zugrundeliegenden umfassenden Recherche in den Berliner und Kölner Bibliotheken und Museen, sowie ergänzenden Onlinequellen nach eignen sich zur Bearbeitung des Themas stattdessen das Mai-Kai in Fort Lauderdale, Florida und der Kahiki Supper Club in Columbus, Ohio. Beide Restaurants sind ausreichend dokumentiert, inkorporieren stilgetreu die typischen Merkmale der Tiki-Gastronomie, wie im dritten Abschnitt dieser Arbeit deutlich werden wird, und waren äußerst populär. Während das Mai-Kai 1956 pünktlich mit dem Durchbruch der Tiki-Kultur eröffnete, experimentierten die Betreiber des Kahiki Supper Clubs in den 1950er Jahren mit einer Bar namens „Grass Shack“, die jedoch 1959 abbrannte. Dabei studierten sie die Alleinstellungsmerkmale der sich schnell etablierenden Tiki-Restaurants und setzten diese dann in vollem Umfang in ihrem 1961 auf dem alten Grass Shack-Grundstück errichteten Kahiki Supper Club um; dieser wird im Folgenden „das Kahiki“ genannt. Das Kahiki hatte in den 1950ern Jahren also noch nicht geöffnet, inkorporierte aber die typischen Merkmale dieser Dekade in Vollständigkeit4 und ist als „Prachtexemplar der
[Tiki-]Eventgastronomie“5 ein geeigneter Untersuchungsgegenstand zur Analyse der in den 1950er Jahren betriebenen Tiki-Restaurants, deren Ursprung in Kalifornien liegt.
Diese beiden Beispiele operationalisiere ich als Untersuchungsobjekt stellvertretend für die aus Kalifornien kommende Bewegung der Tiki-Restaurants in den 1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den1950er Jahren. Methodisch werde ich die beiden Restaurants nach Erika Fischer-Lichtes Kategorisierung theatralischer Zeichen im dritten Teil meiner Arbeit im Sinne einer Aufführung analysieren. Dabei beziehe ich die Analyse auf Abbildungen, die im Anhang der Arbeit zu sehen sind. Diesen Ansatz verknüpfe ich im folgenden Teil mit Stephen Greenblatts Begriff des mimetischen Kapitals, da dieser seinem Ansatz die Idee der Repräsentation, entsprechend der Idee einer Aufführung nach Fischer-Lichte, zugrunde legt: Was für Bilder wurden in den Tiki-Restaurants dargestellt, wie genau evozierten sie die Südsee-Atmosphäre und woher stammen sie? Im fünften Abschnitt der Arbeit wird das Phänomen dann unter den Gesichtspunkten Kommodifizierung und Exotisierung kritisch untersucht. Als historische Kontextualisierung wird nachfolgend zunächst die Entwicklung der Tiki-Restaurants in den USA skizziert und der Umfang der sie umgebenden Tiki-Kultur erklärt.