Originalveröffentlichung in:
LingAeg 11 (20O3), 163-184
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge
und das 'südsemitische' Alphabet
Joachim Friedrich Quack, Berlin
Es gibt aus einigen späten ägyptischen Papyri inzwischen hinreichend Material, um
eine verbindliche Reihenfolge der ägyptischen Laute nachzuweisen. Diese Reihen
folge weist engste Beziehungen zu derjenigen auf, wie man sie vor allem aus dem
altsüdarabischen Raum kennt, daneben auch aus wenigen keilalphabetischen Texten
Syriens und Palästinas in der Spätbronzezeit. Dieses Material möchte ich im Detail
vorstellen und anschließend die Richtung und die kulturgeschichtlichen Implikationen
der Übernahme besprechen.
Das Verdienst für die Entdeckung, daß es im spätzeitlichen Ägypten eine fest de
finierte Abfolge von Einkonsonantenzeichen, also eine Art Alphabet gibt, gebührt
Jochem Kahl. Er konnte anhand eines noch beschränkten Materials eindeutige Über
einstimmungen in einigen verschiedenen Texten feststellen, blieb jedoch hinsichtlich
einer exakten Festlegung vorsichtig, da ihm für Teile der Sequenz nur eine Hand
schrift zur Verfügung stand und die Zeugen mindestens in Teilbereichen schlecht er
halten waren.' Ich selbst habe in einer Nachuntersuchung, teilweise anhand paläographisch gegenüber den Ersteditionen verbesserter Lesungen, teilweise aufgrund
kühnerer Kombination der individuell erhaltenen Teilsequenzen, einen ersten Versuch
vorgelegt, die gesamte Abfolge zu etablieren. Dabei war es entscheidend, daß ich eine
Parallele zur erst kurz vorher definitiv geklärten Abfolge des südarabischen Alpha
betes nachweisen konnte, die als zusätzliche Stütze bei der Absicherung der Reihen
folge diente.2 Ich schlug damals vor, daß die Ägypter in der Spätzeit diese Abfolge
von einem Volk des südarabischen Raums übernommen haben, aufgrund von Details
der Phonetik am ehesten von den Minäern.
Weiteren Auftrieb bekam die Forschung einerseits dadurch, daß Karl-Theodor
Zauzich neue Quellen der Alphabetreihenfolge identifizierte und publizierte. Anderer
seits begann eine Diskussion um die Ursprünge und die Richtung der Entlehnung.
Josef Tropper hielt eine Übernahme aus dem südarabischen Raum für weniger plausi
bel und schlug vor, die Ägypter hätten bereits im Neuen Reich die betreffende Alpha
betreihenfolge aus dem nordwestsemitischen Bereich übernommen, in dem sie zu die-
1 J. Kahl, Von h bis k. Indizien ftir eine 'alphabetische' Reihenfolge einkonsonantiger Lautwerte in
spätzeitlichen Papyri, GM 122 (1991), S. 33-47.
2 J. F. Quack, Ägyptisches und südarabisches Alphabet, RdE 44 (1993), S. 141-151; ders.;
Notwendige Korrekturen, RdE 45 (1994), S. 197.
164 Joachim Friedrich Quack
ser Zeit auch belegt ist.3 Daneben gibt es einen ganz neuen Ansatz von Frank Kammerzell. 4 Er will die Ägypter als Ausgangspunkt der Entwicklung sehen und postuliert, eine ägyptische Liste von Einkonsonantenzeichen sei von den Semiten übernommen und zur Basis ihres Alphabets gemacht worden. Eine Auseinandersetzung
mit diesen Theorien wird unten erfolgen.
Zunächst sollen die ägyptischen Quellen für die Alphabetreihenfolge vorgestellt
werden:
1. Der "Sign-Papyrus" aus Tanis. 5 Diese Handschrift stammt aus der Römerzeit,
etwa 1. bis frühes 2. Jahrhundert n. Chr. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts bei Petries Grabungen in Tanis zusammen mit zahlreichen anderen Papyrusrollen in einem
Wohnhaus entdeckt. Sämtliche Rollen sind durch einen Brand verkohlt worden und
deshalb nur mit Mühe und unter speziellem Lichteinfall lesbar. In diesem Text werden
die Hieroglyphen systematisch geordnet und jeweils mit einer hieratisch geschriebenen Erklärung versehen. Da diese Erklärungen sprachlich jung, eher schon
demotisch als neuägyptisch sind, dürfte die Vorlage der Handschrift nicht allzu alt
gewesen sein. Eine der Sektionen ( V , 14-VII, 10)6 des sonst nach Sachkategorien geordneten Textes bietet Einkonsonantenzeichen bzw. sekundär dazu gewordene in einer alphabetischen Abfolge.
2. pCarlsberg 7. 7 Dieser hieratisch geschriebene Text dürfte in das 2. Jahrhundert
n. Chr. datieren. Er stammt ebenso wie eine große Masse weiterer hieratischer und
demotischer Handschriften aus einem großen Fund im Umkreis des Sobektempels von
Tebtynis im Fayum. Nach einer kurzen Einführung werden Hieroglyphenzeichen mit
einer oder mehreren hieratisch geschriebenen Ausdeutungen versehen, bei denen es
3 J. Tropper, Ägyptisches, nordwestsemitisches und altsQdarabisches Aiphabet, Ugarit-Forschungen
28(1996), S. 619-632.
4 F. Kammerzell, Die Entstehung der Alphabetreihe. Zum ägyptischen Ursprung der semitischen
und westlichen Schriften, in: D. Borchers/F. Kammerzell/St. Weninger (Hrsg.), Hieroglyphen •
Alphabete • Schriftreformeri. Studien zu Multiliteralismus, Schriftwechsel und Orthographieneuregulierungen, LingAeg Stud. mon. 3 (Göttingen 2001), S. 117-158.
5 F. LI Griffith/W. M. F. Petrie, Two Hieroglyphic Papyri from Tanis (London 1889), S. 1-19, T. IVIII.
6 Zur Option, in V, 14 das h zu erkennen, s. Quack, RdE 44, S. 142. Sonstige Bearbeiter der
Alphaberreihenfolge setzen erst mit dem r in VI, 1 ein.
7 E. Iversen, Fragments of a Hieroglyphic Dictionary (Kopenhagen 1958). Ich bereite eine
Neuedition vor, da in Iversens Publikation einige Details verlesen und die kleineren Fragmente
nicht bearbeitet, zudem die zusätzlichen Stücke in Berlin und Florenz noch unveröffentlicht sind.
Die Übersetzung des Anfangs von Kammerzell, in Hieroglyphen • Alphabete • Schriftreformen, S.
129 u. 153 weist einige Fehler auf, insbesondere sind die bereits von D. Müller, BiOr 19 (1962), S.
145-147 gegebenen Verbesserungen (besonders die Lesung des ersten Wortes als nicht
gesehen worden; am Anfang von Z. 2 ist nach späthieratischer Orthographie eher Irw als siw zu
verstehen; ferner ist am Ende von Z. 2 eindeutig nw.wt nör.w "Städte der Götter" und anschließend
wbi zu lesen. Nicht mitmachen würde ich Kammerzells Vorschlag, das gS als kopt. öaxjrr
"schauen" zu verstehen, da für das im Koptischen stets vorhandene t (die von Kammerzell
genannte Variante «wp konnte ich in den gängigen Nachschlagewerken nicht verifizieren) ein
Ausdruck auch im Hieratischen verlangt werden müßte und die Wurzel zudem im Demotischen
immer g$p mit p lautet.
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das 'südsemitische' Aiphabet
165
meist um religiöse Bezüge der Zeichen geht. Erhalten sind nur ein großes und zwei
kleine Fragmente in Kopenhagen sowie zwei kleine unpublizicrte Bruchstücke in
Berlin und eines in Florenz, die ich vor kurzem identifizieren konnte.
3. pCarlsberg 43. 8 Reste einer demotischen Handschrift der Römerzeit aus Tebtynis. Ein kleines Bruchstück mit Wortanfängen, die ausreichen, um die Abfolge zweier
Anfangsbuchstaben abzusichern.
4. pSaqqara 21? Dieser demotische Papyrus dürfte ins 4.-3. Jahrhundert v. Chr.
datieren. Er stammt ebenso wie viele andere demotische Handschriften administrativer und literarischer Natur aus den Oberflächenfunden der englischen Grabungen in
Saqqara. In diesem Text werden bemerkenswerterweise zwei Alphabetsequenzen geboten, die sich in einem wesentlichen Detail unterscheiden, was später für die Auswertung noch relevant wird. Im ersten Abschnitt wird jeweils ein Vogel mit einer
Pflanze gleichen Anfangsbuchstabens verbunden, im zweiten der Vogel mit einem
Ortsnamen gleichen Anfangsbuchstabens. Das Auftreten der Vögel wird für die weitere Darstellung von Bedeutung sein.
5. pCarlsberg 425+pBM 10852+10856.10 Die Handschrift könnte etwa ins 4.-3.
Jahrhundert v. Chr gehören." Sie stammt mutmaßlich aus Tebtynis, jedoch nicht aus
dem Fundhorizont der römerzeitlichen literarischen Handschriften, sondern aus einem
anderen, weniger klaren Komplex. Inhaltlich bietet sie eine Liste von Personennamen,
die nach dem Anlaut geordnet sind, 12 wobei im Zweifelsfall die Aussprache, nicht die
Orthographie entscheidend ist.13 Eingeleitet wird jede Sektion durch einen Vogel mit
dem betreffenden Anlaut sowie dem Vermerk "im Einzelnen".
6. pBerlin 15709 vs. 14 Diese Handschrift ist noch unpubliziert, mit freundlicher
Erlaubnis von Professor Zauzich konnte ich jedoch das Original in der Papyrussammlung des Ägyptischen Museums Berlin durchsehen.15 Paläographisch würde ich
den Text in spätptolemäische oder allenfalls frührömische Zeit setzen. Sachlich ist er
ähnlich wie das vorherige Namenbuch aufgebaut, eventuell auch tatsächlich eine
8 W. J. Tait, A Demotic Word-List from Tebtunis: P. Carlsberg 41a, JEA 68 (1982), S. 210-227, T.
XXIf., dort S. 226, T. XXII.
9 H. S. Smith/W. J. Tait, Saqqära Demotic Papyri I (London 1983), S. 198-213, T. 17.
10 K.-Th. Zauzich, Ein antikes demotisches Namenbuch, in: P. J. Frandsen/K. Ryholt (Eds.), The
Carlsberg Papyri 3. A Miscellany of Demotic Texts and Studies, CNI Publications 22
(Kopenhagen 2000), S. 27-52; E. Bresciani, Testi demotici nella Collezione Michaelidis (Rom
1963), S. 14-26; T. V1I-X1II.
11 Zauzich, m: The Carlsberg Papyri 3, S. 34.
12 Den bei Zauzich fehlenden Anlaut h kann man wenigstens aus Bresciani, Testi demotici, T. VIII,
zweite Kolumne unten entnehmen, wo hwn am Wortanfang steht.
13 Z.B. stehen Namen, die mit cnh "so wahr ... lebt!" beginnen, in der Sektion für anlautendes h, ihrer
spätägyptischen Aussprache als *ha gemäß.
14 Unveröffentlicht, erwähnt von Zauzich, in: The Carlsberg Paypri 3, S. 28-30. Inzwischen haben
Professor Zauzich und ich Pläne für eine gemeinsame Edition gefaßt.
15 Die von Tropper, Ugarit-Forschungen 28, S. 629-631 nach Informationen von Zauzich
angegebene Alphabetabfolge ist nicht in allen Details korrekt, die aus dem angeblichen Fehlen von
k gezogenen Schlüsse sind problematisch, da am Ende des erhaltenen Bereiches nicht sicher das
Ende der Handschrift erreicht ist.
166 Joachim Friedrich Quack
weitere K o p i e p r i n z i p i e l l d e s s e l b e n W e r k e s . A u c h hier finden s i c h die V o g e l - V e r merke.
7. p B e r l i n 2 3 8 6 1 . 1 6 E i n k l e i n e s F r a g m e n t aus der R ö m e r z e i t . N a c h M a ß g a b e d e r
aus derselben E r w e r b u n g s t a m m e n d e n S t ü c k e dürfte es a u s d e m F a y u m , eventuell aus
D i r n e k o m m e n . D i e letzten b e i d e n K o l u m n e n z e i g e n A b f o l g e n v o n E i n k o n s o n a n t e n z e i c h e n in alphabetischer R e i h e n f o l g e .
D i e s e 7 P a p y r i m i t i n s g e s a m t 8 A l p h a b e t a b f o l g e n 1 7 s i n d z w a r allesamt m e h r o d e r w e niger l ü c k e n h a f t u n d fragmentarisch, i n s g e s a m t f o l g e n sie aber e i n e m g e m e i n s a m e n
M u s t e r , w o b e i nur geringe A b w e i c h u n g e n v o r k o m m e n . D a d u r c h läßt sich d i e - u r sprüngliche S e q u e n z wiederherstellen.
I m F o l g e n d e n sei e i n e T a b e l l e geboten. D a b e i s t e h t f ü r verlorene B e r e i c h e , w o bei ich bei längeren L ü c k e n n i c h t s ä m t l i c h e P o s i t i o n e n a n g e m e r k t h a b e , sondern n u r
d i e R ä n d e r - der R e s t ist frei gelassen. E i n F r a g e z e i c h e n ( ? ) steht dort, w o b e i n i c h t i n
allen Z e u g e n b e w a h r t e n P o s i t i o n e n für eine k o n k r e t e H a n d s c h r i f t u n s i c h e r ist, o b sie
in der b e t r e f f e n d e n L ü c k e v o r h a n d e n w a r o d e r nicht. 1 8
16 K.-Th. Zauzich, Die Namen der koptischen Zusatzbuchstaben und die erste ägyptische
Alphabetübung, Enchoria26 (2000), S. 151-157, T. 13
17 Prinzipiell erwähnen sollte man auch noch pCarlsberg 12 vs., s. A. Volten, An "Alphabetical"
Dictionary and Grammar in Demotic (Pap. Carlsberg Xll verso), ArOr 20 (1952), S. 496-508, wo
jedoch keine Sequenzen erhalten sind, sondern nur Einzelbereiche mit $, p bzw. c als
Anfangsbuchstaben; zudem nicht nur Einzelwörter oder Namen, sondern (Teil)sätze. Ebenso ist
der von W. Spiegelberg, Demotica I, SBAW 1925, 6 (München 1925), S. 22-25 veröffentlichte
pHeidelberg 295 vs. an sich einschlägig, für die Rekonstruktion der Sequenz aber nicht relevant,
da nur Teile des Abschnittes h erhalten sind.
18 Zu den Details der Ansetzung ist zu bemerken, daß der Versuch von Kammerzell, in:
Hieroglyphen • Alphabete • Schriftreformen, S. 132 u. 153 Anm. 25, hier das Zeichen 1 als
Einkonsonantenzeichen für / anzusetzen, mich in der vorgelegten Form keineswegs überzeugen
kann. Kammerzell will von einem Wort MMw.t "Meißel" ausgehen, das er im MMy.t der Glosse
erkennen und als Beschreibung des Stößels identifizieren will. Dazu ist zu sagen, daß 1. gar kein
Wort hihiw.t dieser Bedeutung existiert, sondern nur M o.ä. für "Meißel"; 2. ein "Meißel" nicht
mit dem Holz-, sondern dem Metalldeterminativ versehen werden sollte und 3. ein "Meißel" und
ein "Stößel" doch recht verschiedene Objekte sind. Dieser Punkt ist, da ein /-Laut an dieser Stelle
durch andere Zeugen abgesichert wird, noch von geringerer Bedeutsamkeit, anderes verursacht
dagegen größere Probleme. So hat Kammerzell dadurch, daß er aus den Kolumen 1-V des TanisPapyrus Zeichen herausgegriffen und willkürlich in die Reihe eingesetzt hat, einige Fehler erzeugt;
die Position des / läßt sich durch die neuen Zeugen definitiv falsifizieren, für die von ihm
postulierten Positionen von z und 6 ist in den neuen Textzeugen kein Raum vorhanden.
Unverständlich ist mir, wie er an der Position, wo die späten Alphabetzeugen r («=> oder .**) haben,
stillschweigend 1 ansetzt. Ferner hat er den Stimmabsatz i, den pCarlsberg 425 vor demc zeigt, für
die Rekonstruktion ignoriert, obgleich ihm an entsprechender Stelle im Südarabischen ein '
entspricht. Auch die Ausklammerung des inzwischen in drei Zeugen belegten ägyptischen k (vor
n) muß bemängelt werden.
167
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das 'södsemitische' Alphabet
Sign Pap.
h(?)
r
pCarls.
pCarls.
pSaq.
pSaq.
pCarls.
pBe.
pBe.
7
43
27 a
27 b
425
15709
23861
h
m
h
M
1
w
h
h
%
r
i i
h
-
h
m
1
m
-
m
1
ü
i§
w
(w)
w
w
1
w
(s)
s
s
s
s
•/X
r
l
l
'S
b
b
b
?
t
1
S
S
-
-
1
r
b(?)
-<?) •
h/s
h
w
m
m
-
//
k
m
m
kJg
k
,/
%
n
n
n
n
h
'?/.
%
h
h
c
c
m
P
P
p
-
-
-
i
c
'0
c
c
B
B
m
h
h
t
t/t
/
W
y
y
f
ßp)
£
?(?)
g
h
h
1
t
t
/
i
k
•>
9
9
•>
k
£
p
P
m
1
m
§8?
Diese Präsentation zeigt zunächst einmal den forscherischen Fortschritt, der in den
letzten Jahren durch die Gewinnung zusätzlicher Quellen erzielt werden konnte. Kahl
hatte sich bei der erstmaligen Etablierung der ägyptischen Alphabetreihenfolge noch
darauf beschränkt, Teilbereiche zu sichern und für andere Laute nur die ungefähre
Position anzugeben.19 Ich selbst hatte beim ersten Versuch, eine Sequenz vollständig
zu definieren, noch einige Risiken in Kauf genommen. Nunmehr ist die Belegdichte
so groß, daß keine Abfolge eines Buchstabens auf den vorhergehenden nicht irgendw o materiell gesichert ist. Dabei zeigt sich, daß meine ursprünglich definierte Abfolge
korrekt war, allenfalls in Details ergänzungsbedürftig ist, aber leicht erweitert werden
muß, da die neu hinzugekommenen Zeugen teilweise Alphabetpositionen bieten, die
in den zuerst bekannten Handschriften nicht realisiert sind.
19 Kahl, GM 122,S.41f.
168 Joachim Friedrich Quack
Somit wird es Zeit, sich den speziellen Abweichungen und Besonderheiten zu
widmen, in denen die Abfolge nicht völlig spannungsfrei bezeugt ist. Ein erster Punkt
betrifft die Position des m. Die erste Liste des pSaqqara 27 stellt es zwischen das h
bzw. s und k, und diese Position ist mutmaßlich auch für den "Sign-Papyrus" anzunehmen, da es dort an keiner anderen Stelle unterzubringen ist.
Demgegenüber zeigt die zweite Alphabetabfolge des pSaqqara 27 m weiter vorne,
gegen Anfang der Liste, leider ohne daß vorhergehendes und nachfolgendes Zeichen
erhalten sind. Ein bislang wenig beachtetes kleines Fragment des pCarlsberg 7 zeigt
den direkten Obergang von Zeichen mit m zu solchen mit q20 und bestätigt damit die
von mir ursprünglich nur aufgrund der südarabischen Alphabetreihenfolge postulierte
genaue Position.21 Diese ist auch für pBerlin 15709 und pBerlin 23861 anzunehmen,
da in diesen Handschriften auf s direkt k folgt, die in der ersten Liste des pSaqqara 27
gebotene Position des m also nicht möglich ist. Die anderen Papyri sind für diese Bereiche zu schlecht erhalten, um eine Entscheidung zuzulassen. A n diesem Punkt gibt
es also eine innerägyptische Divergenz und zwei verschiedene Traditionsstränge.
Sämtliche weiteren Divergenzen in der Überlieferung betreffen nicht die Position
an sich, sondern die A n - oder Abwesenheit bestimmter Laute. Zunächst ist festzuhalten, daß pBerlin 15709 und pBerlin 23861 einen f-Laut zwischen b und s stellen,
der im "Sign-Papyrus" mutmaßlich fehlt,22 während er in beiden Abfolgen des
pSaqqara 27 eventuell noch in einer Lücke untergebracht werden könnte. Ein zweiter
/-Laut, der in allen hier erhaltenen Zeugen relevant ist, folgt weiter hinten im Alphabet, nämlich nach dem h. In allen Zeugen, die eine Entscheidung zulassen, wird dabei
bevorzugt oder ausschließlich der emphatische i-Laut verwendet. Die Frage, ob nur
eine oder zwei Positionen besetzt sind, hängt an der spätzeitlichen ägyptischen A u s sprache. In dieser Zeit beginnt sich der Unterschied von stimmlosen und emphatischen Lauten abzuschwächen, so daß es zu häufigen Wechseln und instabiler Orthographie kommt. Die Beharrung auf zwei verschiedenen Positionen erweist sich damit
als potentiell älterer Zustand, was sich im Detailvergleich mit dem Südarabischen
auch bewahrheiten wird.
Probleme gibt es auch hinsichtlich des /. Bislang ausschließlich der pCarlsberg
425 zeigt es in der Abfolge zwischen p und c. Dagegen gibt der Sign-Papyrus es weiter am Ende der Reihe, nämlich zwischen t und k an. pBerlin 15709 und 23861 besetzen eben diese Position mit einem y,23 die restlichen Handschriften sind hier nicht
20 Dies ist Fragment II bei Wersen, Hieroglyphic Dictionary. Dort ist Z. x+17 mn[.t] "Schenkel" das
letzte Lemma mit Anlaut m, anschließend folgt mit den fe'-Armen das erste für q.
21 Quack, RdE 44, S. 146.
22 Sofern man ihn in VI, 11 erkennen will (dafür wäre die Lesung 1 statt 1 in der Glosse in Erwägung
zu ziehen), Wörde dies nichts wesentlich an meiner Argumentation ändern. Dieser Punkt wird
allenfalls durch Kollation des Originals überprüfbar sein.
23 Im Falle des pBerlin 23861 liest Zauzich, Enchoria 26, S. 156 zweifelnd p, obgleich ery ins Auge
faßt. Paläographisch kann aber, da kein horizontaler Basisstrich vorhanden ist, nur y vorliegen. Bei
Zugrundelegung der lautlich gebotenen Trennung von / und y sowie t und ; liegt auch keine
Auslassung in der Abfolge vor, die Zauzich bei beiden Lesungen vermutet hatte.
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das 'südsemitische' Aiphabet
169
erhalten. Die Probleme hängen in diesem Fall wohl an der Orthographie. Im Hieroglyphischen steht das Zeichen des Schilfblattes zwar primär für Stimmabsatz (2), kann
aber aushilfsweise, bzw. vor allem verdoppelt als zwei Schilfblätter, auch für den
Halbvokal y stehen, ohne daß es zu klar unterschiedenen Graphien kommt. Im Demotischen haben sich dagegen die Linienführungen für die beiden Laute klar auseinanderentwickelt, so daß die Besetzung beider Positionen mit weniger Problemen
verbunden ist. Auch hier wird der Detailvergleich zeigen, daß die ausführlichere Fassung die ursprünglichere ist.
A u f das y folgend bieten dieselben beiden Berliner Handschriften ein f, das im
Sign-Papyrus sicher fehlt, während die übrigen Papyri hier nicht erhalten sind. Dieser
Laut ist relativ spezifisch für das Ägyptische und ungeachtet seiner modernen Transliteration wohl nicht ein einfaches frikatives/gewesen.
Hierauf folgt in den Berliner Handschriften ein c, das im Sign-Papyrus fehlt. Dieser bietet dasselbe Zeichen weiter oben, nämlich zwischen h und p. A n eben dieser
Position ist es auch im pSaqqara 27 sowie pBerlin 15709 belegt, wobei letzterer <Z
schreibt. Auch hier kann man vermuten, daß ein Problem vorliegt, stimmlose und emphatische Aussprache noch zu trennen. Allerdings ist in diesem Fall der Vergleich mit
dem Südarabischen weniger hilfreich, da es mehrere Optionen zur Deutung gibt.
Zu bemerken ist, daß der vollständige für die spätägyptische Alphabetreihenfolge
rekonstruierbare Bestand, wenn man das m nur auf einer seiner beiden möglichen Positionen zählt, genau 25 Laute umfaßt. Dies entspricht exakt der Angabe bei Plutarch,
De Iside Kap. 56 (374 A ) , daß die Anzahl der Buchstaben der Ägypter dem Quadrat
der Zahl 5 entspräche.24 Zusammengenommen mit der korrekten Angabe bei Plutarch,
das ägyptische Alphabet beginne mit dem Zeichen des Ibis (s.u.), wird deutlich, daß
Plutarch die hier behandelte Alphabetreihenfolge gekannt haben muß.
Nunmehr soll der Detailvergleich mit dem südarabischen Alphabet erfolgen, 5 um
einerseits die Übereinstimmungen klar zu dokumentieren, andererseits auch hinsichtlich der im ägyptischen Material beobachteten leichten Divergenzen voranzukommen.
Hier soll nebeneinander die Abfolge des Südarabischen und die aus den Einzelversionen des Ägyptischen rekonstruierte dargeboten werden, wobei diejenigen Positionen, die dort nicht durchgängig bezeugt sind, in Klammern gesetzt werden.
J. G. Griffiths, Plutarch's De Iside et Osiride (Swansea 1970), S. 208f. u. 509f.
25 Für die Quellen, aus denen die südarabische Alphabetreihenfolge rekonstruiert ist, verweise ich auf
meine Aufstellung RdE 44, S. 145f.; zu ergänzen durch die neuen, von Weninger bei Kammerzell,
in: Hieroglyphen • Alphabete • Schriftreformen, S. 154f. Anm. 47 genannten Zeugen.
170 Joachim Friedrich Quack
Agypiiscn
ff
u
n
l
J*2
U iUeÜc1Iio U 15>W 1
OUUaTHDlSCn
et
(mj
L
Ä
A
L
n
L
fl
S
t/t
i*
L
z
fl
A
U
k
1
\Y
w
i/t
S
s~
P
r
r
(i)
b
b
C
c
w
4
(4)
g
s
k
(t)
t
s/h
s'
/
Ifo
y
t-
/>
J
?
Diese Aufstellung läßt etliche bemerkenswerte Erscheinungen ins Auge treten. Einerseits ist das Altsüdarabische im Konsonantenbestand reicher als das Ägyptische, hat
also mehr Alphabetpositionen. In denjenigen Fällen, in denen altsüdarabische Laute
nicht mit ägyptischen parallelisiert werden können, werden die betreffenden Positionen in der ägyptischen Abfolge nicht besetzt. Umgekehrt hat jedoch das Ägyptische
zumindest ganz am Ende der Sequenz einige Positionen für spezielle Laute, die im
Altsüdarabischen fehlen, allerdings sind zwei davon auch im Ägyptischen nicht immer präsent.
Zunächst sei auf diejenigen Fälle eingegangen, wo, wie oben dargelegt, von ähnlichen Lauten einige der ägyptischen Zeugen nur eine, andere zwei verschiedene Positionen bewahren. Klar ist der Fall der r-Laute. Das Altsüdarabische zeigt, daß die
Version mit zwei verschiedenen Positionen ursprünglicher ist, wobei auch der emphatische Laut der hintere in der Reihenfolge ist. Ebenso stimmen diejenigen Zeugen,
welche Stimmabsatz / und Halbvokal y als zwei verschiedene Positionen unterscheiden, mit der Sequenz des Altsüdarabischen überein.
Soweit es sich noch beurteilen läßt, sind es auch gerade diejenigen Handschriften,
die hier durch zwei getrennte Positionen dem Südarabischen genauer entsprechen,
welche hinsichtlich des m das Ursprüngliche bewahrt haben. Die Position zwischen h
und q entspricht dem Südarabischen, während diejenige zwischen h/s und k eine innerägyptische Neuerung darstellt. Da sie durch wenigstens zwei klar voneinander unabhängige Handschriften überliefert wird, hat sie immerhin einige Legitimität gewonnen.
Manche Details der Lautentsprechung sind unter dem Gesichtspunkt der historischen Phonetik von etwas größerem Interesse. Zunächst zu nennen ist die Frage der
südarabischen Sibilanten.26 Das Altsüdarabische zeichnet sich j a dadurch aus, daß es
drei verschiedene stimmlose Sibilanten aufweist, die in der Forschung teilweise neu26 Hierzu s. bereits Quack, Rd£ 44, S. 148f.
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das 'südscmitische' Alphabet
171
tral als s1, s2 und s3 unterschieden werden. Im Allgemeinen nimmt man an, daß s1 etwa s war, s2 etwa s und s3 etwa i. 2 7 Die hier etablierten Lautentsprechungen zeigen,
daß dieser Ansatz nicht zutreffend ist und vielmehr der Ansatz von Beesten korrekt
ist, der s1 als s, s2 als i und s3 als s ansetzt,28 wobei er auch die etymologischen Entsprechungen des Ursemitischen auf seiner Seite hat. Evident ist dies im Falle von s',
dem auf ägyptischer Seite entweder direkt s entspricht, oder aber ein h, das aufgrund
eines in der Spätzeit eingetretenen Lautwandels des Ägyptischen lautlich bereits für s
steht.
Etwas weniger eindeutig ist die Lage bei s~, da das Ägyptische hier den postulierten lateralen Charakter des semitischen Lautes nicht wiedergibt - allerdings von
seinem Lautinventar her auch schlecht wiedergeben konnte. Für ihren neutralen einfachen .s-Laut standen die Ägypter offenbar vor der Wahl, entweder ein laterales s als
approximative Entsprechung zuzulassen oder eine andere ebenfalls ungenaue Korrespondenz, etwa ein semitisches t hinzunehmen. Daß sie sich für ersteres entschieden
haben, kann nicht zu sehr verwundern.
Vergleichsweise am größten ist die Problematik um die Position des südarabischen s3 bzw. des ihm vorangehenden s. A n dieser Stelle steht im Ägyptischen c
oder <f, aber jeweils nur als eine Alphabetposition. Dafür haben wenigstens einzelne
ägyptische Zeugen gegen Ende der Abfolge noch ein weiteres c, dessen lautliche A b grenzung von der anderen Position zunächst unsicher bleibt. Für die vordere Position
wage ich keine Entscheidung, welchem der beiden südarabischen Laute der ägyptische entsprechen soll. Jedoch ist zu beachten, daß südarabisches s3 entweder, sofern
es als Entsprechung zu ägyptischem if gemeint war, affriziert gewesen sein muß, oder
aber zumindest nicht ein unmarkierter einfacher s-Laut, da es sonst sicher die Korrespondenz zu ägyptischem s geworden wäre. Problematisch ist auch das zusätzliche c
gegen Ende der ägyptischen Abfolge, das im pBerlin 23861 auch noch merkwürdigerweise als cc geschrieben wird. Hierbei stellt sich das Problem, ob es sich um
ein spezifisch ägyptisches Zusatzzeichen handelt, oder um die Entsprechung zu
südarabischem z, dem sonst kein ägyptischer Laut entspricht. Gegen letztere Theorie
spricht jedoch, daß ein spezifisch ägyptischer Zusatzbuchstabe, nämlich das / , bereits
vorher steht, und man die Gruppe der Zusatzbuchstaben eher geschlossen erwartet,
nicht unterbrochen durch Laute mit fester Korrespondenz zur südarabischen Abfolge.
Zu einer definitiven Klärung sehe ich mich bei der derzeitigen Materiallage nicht imstande.
Eine gewisse Problematik gibt es bei den r- und /-Zeichen. Im Südarabischen sind
sie eindeutig so positioniert, daß / zwischen h und h steht, r dagegen zwischen s2 und
b. Im Ägyptischen ist die Besetzung weniger klar. Wenigstens der pBerlin 23861 hat
27 M. Höfher, Altsfldarabische Grammatik, (1943), S. 18-21.
28 A. F. L. Beesten, Sabaic Grammar (Manchester 1984), S. 8-10.
172 Joachim Friedrich Quack
dort, w o im Südarabischen r steht, eindeutig /, allerdings ist sein Zeugnis angesichts
seiner mutmaßlich fayumischen Herkunft von geringem Wert, da in dieser Region in
der Römerzeit altes r fast immer als / ausgesprochen wurde. Auch im pBerlin 15709
vs. scheint / an der betreffenden Position zu stehen, doch ist die Lesung nicht absolut
zweifelsfrei. Leider ist bei keinem dieser beiden Papyri der Bereich erhalten, in dem
nach Maßgabe des Südarabischen das / gesucht werden müßte. Man muß allerdings
mit der Option rechnen, daß im Zuge der Übernahme aus dem Semitischen die Positionen von / und r ausgetauscht wurden, eventuell aufgrund besonderer Ausspracheprobleme des Ägyptischen, das für das Phonem / ja lange kein verbindliches Graphem
entwickelt hat.
Zu beachten ist die Situation der Pharyngallaute.30 Im Ägyptischen gibt es zwei verschiedene Laute, nämlich h und h. Die Transliterationssymbole, die dahinter stehen,
sind konventionell, der übliche Lautansatz, h sei der "ich"-Laut, mit ziemlicher Sicherheit falsch. Im Rückblick vom Koptischen her kann man sagen, daß h als A-Laut
grundsätzlich erhalten bleibt, d.h. j e nach Dialekt zu g, j> oder £ wird. Dagegen hat h
eine ausgeprägte Tendenz, zu <p zu werden, in einigen frühkoptischen Handschriften
wird es als dritter A-Laut neben j> und$> speziell markiert. Diesen beiden stimmlosen
Kehllauten steht im Südarabischen nur einer, nämlich das h, gegenüber. Seine Position in der Alphabetreihenfolge wird im Ägyptischen stets vom h eingenommen. Dagegen steht das ägyptische h immer an der Position seines stimmhaften Pendants, nämlich des südarabischen g. Erklärbar ist dieser Zustand am ehesten so, daß die Ägypter
bei der Übernahme der Alphabetreihenfolge für ihre beiden leicht unterschiedlichen
Positionen nach passenden Stellen gesucht haben und dabei das stimmhafte g noch
ausreichend ähnlich fanden, um es mit nutzen zu können, statt für einen der beiden
ägyptischen Laute eine Sonderposition am Ende der Reihe definieren zu müssen. Man
muß dabei bedenken, daß im späten Ägypten stimmhafte Laute kaum existierten, die
Ägypter also einerseits wenig akustisches Gefühl für diesen Unterschied hatten, andererseits beim Versuch, südarabisches g auszusprechen, wohl fast automatisch h produziert hätten - ähnlich wie heute die meisten Araber für europäisches p hilfsweise b
sprechen, weil sie keinen stimmlosen labialen Verschlußlaut kennen.
Nunmehr können die durch den Vergleich mit dem Südarabischen gewonnenen
Ergebnisse zu einer vertieften Gesamtschau des spätägyptischen Alphabetes genutzt
werden. In ihm sind mutmaßlich zwei verschiedene Stränge zu unterscheiden. Der
eine hält sich enger an die südarabische Vorlage, indem er das m an der ursprünglichen Position beläßt. Papyri, in denen diese Position bewahrt geblieben sein muß,
sind es auch, welche eindeutige Evidenz für ein reicheres Inventar an Lauten bieten,
indem zwei verschiedene /-Laute unterschieden werden, / und y als getrennte Laute
Paläographisch m.E. nicht zu bezweifeln, ungeachtet der andersartigen Auffassung von Zauzich,
Enchoria 26, S. 156; das fragliche Zeichen ist nichts als eine z.B. auch in der Liller Handschrift des
Mythos vom Sonnenauge bezeugte Form des / mit besonders elaborierter diakritischer Markierung.
Vgl. hierzu C. Peust, Egyptian Phonology. An Introduction to the Phonology of a Dead Language.
Monographien zur ägyptischen Sprache Band 2 (Göttingen 1999), S. 115-119.
Die spatägyptische Alphabetreihenfolge und das 'südsemitische' Alphabet
173
erscheinen und mutmaßlich zwei Positionen für if und ö vorhanden sind, auch wenn
deren Zuordung noch Probleme bereitet. Diesem Strang sind mindestens pBerlin
23861 und pBerlin 15709 vs., vermutlich auch pCarisberg 425 und eventuell pCarlsberg 7 zuzuordnen. Mutmaßlich hatte dieser Strang am Ende der Abfolge über die
dem Südarabischen entsprechende Sequenz hinaus noch drei Zusatzbuchstaben / , c
und k, wobei die Abgrenzung der letzten beiden von entsprechenden oder ähnlichen
Lauten weiter vorne in der Reihe ein ungelöstes Problem darstellt. Eine Zwischenstufe nimmt der pSaqqara 27 in seiner zweiten Abfolge ein, wo die Position des m
gewahrt ist, aber die Position des i fehlt. Die erste Version im pSaqqara 27 sowie der
Sign-Papyrus zeigen definitiv die Umstellung des m, mindestens letzterer weicht auch
dadurch v o m anderen Strang ab, daß er nur einen Zusatzbuchstaben, nämlich das k
kennt. Insgesamt muß dieser zweite Strang als innerägyptische Modifizierung angesehen werden, scheint allerdings, soweit das inzwischen bekannte Material ein Urteil
erlaubt, weniger verbreitet gewesen zu sein.
Ein weiterer Punkt soll nicht unerwähnt bleiben, gerade angesichts des speziellen
Bezuges der Züricher Tagung, auf der diese Ausführungen ursprünglich vorgetragen
wurden, zu Otto Rößler. Die Lautentsprechungen, welche bei der Parallelisierung der
spätägyptischen und der südarabischen Alphabetreihenfolge etabliert werden können,
sind in vollem Einklang mit seinen Theorien zur ägyptischen Lautlehre, gerade im
Hinblick auf ihre umstrittensten Punkte. Rößler hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Ägypter eine Tendenz zur lautlichen Reduktion und Veränderung der
stimmhaften Verschlußlaute hatten und der ursprüngliche stimmhafte Dental, Interdental, Sibilant und Laterallaut alle in Ägyptischem c zusammengefallen seien. Dagegen hält er die von den Ägyptologen oft für stimmhaft erklärten Laute (("d") und c
("cT) für emphatisch.
Wenigstens für die spätzeitliche Aussprache bestätigt die Alphabetreihenfolge
seine Ansätze und reiht sich dabei unter etliche gleichartige Zeugnisse, insbesondere
die aramäischen Umschriften ägyptischer Personennamen der Perserzeit.31 Die semitischen stimmhaften Dentalsibilanten, nämlich d, d und z, sind gerade solche Laute,
denen auf der ägyptischen Seite keine Alphabetposition entspricht. Dagegen ist \ an
der Position des südarabischen emphatischen Dentals ( z u finden; und c zwar weniger
klar, aber zumindest potentiell an der Position des emphatischen Sibilanten s.
Nunmehr will ich mich den Argumenten stellen, die Tropper gegen eine Entlehnung
aus dem südarabischen Raum vorgebracht hat. Einerseits argumentiert er kulturgeschichtlich, daß den Ägyptern der syrisch-palästinische Raum näher gelegen habe,
auch wenn er einräumt, es habe Kontakte zu beiden Regionen gegeben. Er beruft sich
dabei darauf, daß die bislang als "südarabisch" bezeichnete Alphabetreihenfolge in
zwei spätbronzezeitlichen Tontäfelchen in keilalphabetischer Schrift vorliegt. V o n
31 Vgl. hierzu Y. Muchiki, Egyptian Proper Names and Loanwords in North-West Semitic, SBL
Dissertation Series 173 (Atlanta 1999), bes. S. 55-203; zu Detailproblemen s. die mit Recht
kritische Rezension von Th. Schneider, The Jewish Quaterly Review 92 (2001), S. 155-165.
1 74 Joachim Friedrich Quack
diesen ist eine, die Tafel aus Beth-Schemesch, schon lange bekannt, aber erst vor etwa
15 Jahren als Alphabetfolge erkannt worden. Die andere, aus Ugarit stammende, wurde erst kürzlich veröffentlicht. 32 Einerseits entsprechen diese Tafeln gut der südarabischen Abfolge, 33 andererseits haben sie ein etwas weniger umfangreiches Grapheminventar. Dabei sind leichte Abweichungen bei wenigen Lauten greifbar. Tropper sieht
einige phonetische Details, die eher für eine Herkunft der ägyptischen Alphabetfolge
aus dem syrischen Raum sprechen sollen. 34
- 1. Die Korrespondenz von ägyptischem s zu nordwestsemitischem t, das er in den
keilalphabetischen Täfelchen anstelle des s2 belegt sieht, sei phonetisch überzeugend,
da sie dem regelhaften Zustand des Neuen Reiches entspreche. Weniger plausibel sei
jedoch die altsüdarabische Entsprechung, da das mutmaßlich laterale s2 dem ägyptischen s weniger nahe gestanden habe.
- 2. Die Entsprechung des ägyptischen s zum nordwestsemitischen s sei unproblematisch, während es für altsüdarabisches s' keine sicheren Indizien für eine A u s sprache als § gebe und eher s anzusetzen sei.
- 3. Das ägyptische p sei als Entsprechung zu nordwestsemitischem p unproblematisch, dagegen sei für den südarabischen Laut eine frikative Aussprache als / anzunehmen.
- 4. Die Korrespondenz des ägyptischen k als letztem Laut der Reihe mit altsüdarabischem z sei phonetisch nicht plausibel, dagegen könne der ägyptische Laut bei
Zugrundelegung der nordwestsemitischen Sequenz, die mit y endet, an das Ende der
Reihe gehängt worden sein.
Auch wenn diese 4 Argumente in ihrer Menge scheinbar beeindruckend wirken,
lassen sie sich doch widerlegen. Ein Kernproblem ist dabei, daß wir über die A u s sprache des älteren Südarabischen ausgesprochen wenig wissen und Trappers A n nahmen weitgehend auf dem Spätsabäischen oder sogar ganz auf Mutmaßungen vom
Ursemitischen her beruhen.
A d 1: Die Bestimmung des fraglichen Buchstabens der keilalphabetischen Tafel
als / ist durchaus nicht sicher. A u f der Beth-Schemesch-Tafel, und ziemlich ähnlich
auf dem Neufund aus Ugarit, liegen an den Positionen, welche dem s2 und s' der
südarabischen Abfolge entsprechen, zwei Zeichen vor, die nicht den normalen Buchstabenformen der ugaritischen Schrift entsprechen. Das erste davon scheint, soweit
die sonstigen Zeugnisse des keilschriftlichen Kurzalphabetes ein Urteil erlauben, etymologisch für t und s gestanden zu haben. Welcher konkrete Laut in der hinter den
32 P. Bodreuil/D. Pardee, Un abec&kire du type sud-s£mitique decouvert en 1988 dans les fouilles
areheologiques francaises de Ras Shamra-Ougarit, CRAIBL 1995, S. 855-860; s. weiter W. Röllig,
Nordsemitisch-Südsemitisch? Zur Geschichte des Alphabets im 2. Jahrtausend v. Chr., IOS 18
(1998), S. 79-88 mit teilweise neuen Lesungen, die vor allem stellenweise abweichende
Positionierung gegenüber der südarabischen Alphabetabfolge zur Folge haben. Dagegen
akzeptieren H. Hayajnek/J. Tropper, Die Genese des altsüdarabischen Alphabets, UF 29 (1997), S.
183-198 die Lesungen der editio pr 'mceps.
33 Auf der Tafel aus Ugarit steht das d an anderer Position.
34 Tropper, Ugarit-Forschungen 28, S. 624-626.
Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das 'sudsemitische' Alphabet
175
Alphabettafeln stehenden Sprache gemeint war, ist schwer zu eruieren, damit ist aber
auch nicht erweislich, daß er plausibler als das südarabische s2 eine Entsprechung zum
ägyptischen s liefern würde. Die Identifizierung des anderen mit dem normalen ugaritischen 1 ist ebenfalls nicht zweifelsfrei. 35
Hierbei wird man auch die Frage nach dem Verhältais der keilalphabetischen Version zur südarabischen Alphabetfolge insgesamt betrachten müssen. Zumindest die
Tafel aus Ugarit, die allein vollständig genug erhalten ist, um ein Urteil zu erlauben,36
kann m.E. nur einen gegenüber dem Südarabischen sekundären Zustand zeigen. Einerseits bringt sie singulär das d an einer Position, die sowohl dem Südarabischen als
auch der Bet-Schemesch-Tafel widerspricht und kaum ursprünglich sein kann. Andererseits läßt sie altes t und s auf der Position zusammenfallen, die im Südarabischen s2
entsprich^ ebenso auch d und z auf der Position, die im südarabischen d entspricht,
aber mit der Zeichenform des ugaritischen z. Diese Erscheinungen sind nur plausibel,
wenn die 29-buchstabige Abfolge des südarabischen primär ist,37 wahrend im umgekehrten Falle nicht verständlich wäre, warum die Südaraber an beiden Punkten nicht
die lautlich entsprechende Position realisiert hätten, sondern eine weniger genaue, den
eigentlich entsprechenden Buchstaben jedoch irgendwo innerhalb der Abfolge selbst
nachgetragen hätten, nicht einmal als Zusatzbuchstaben am Ende des Ganzen.
A d 2: Es gibt keine gesicherten Anhaltspunkte dafür, daß südarabisches s' wirklich wie s ausgesprochen wurde. Der Zustand des Nordarabischen und auch des
Äthiopischen, mit dem Tropper argumentiert, ist zu jung, um aussagekräftig zu sein.
Gerade beim Nordarabischen ist zu beachten, daß die heutige Aussprache von altem s'
und s3 als s nicht ohne Zusammenhang mit der Aussprache von / als s ist; diese aber
38
nach dem Zeugnis des arabischen Grammatikers Schibawaih recht jung sein dürfte.
Zumindest für das Minäische, in dem griechisches s mit t wiedergegeben wird, 39 kann
man so gut wie sicher ausschließen, daß s' ein unmarkiertes reines s war, denn sonst
wäre sicher dieser Laut zur Wiedergabe des griechischen Sibilanten gewählt worden.
Ferner ist zu beachten, und hier hat die neuere Forschung zusätzliches Material erbracht, daß in den sogenannten Hierodulenlisten aus der Minäerhauptstadt auch einige
ägyptische Personennamen identifiziert werden konnten, welche die Korrespondenz
35 Quack, Rd£ 44, S. 149. S. auch Röllig, IOS 18, S. 86; allerdings ist es mir zweifelhaft, ob man für
das gegenüber normalem ugaritischem S um 90° gedrehte Zeichen fc- auf der Tafel aus Ugarit,
das im Vergleich zur vollständigeren Form auf der Bet-Schemesch-Tafel sekundär vereinfacht
wirkt, wirklich einfach den Laut S definieren darf.
36 Auf der Tafel aus Bet-Schemesch sind viele Zeichen nur in Resten erhalten.
37 Dagegen scheint Tropper, Ugarit-Forschungen 28, S. 623 Anm. 13 davon auszugehen, daß die
Altsüdaraber ihr Alphabet von einer nordwestsemitischen Vorlage übernommen hätten (ähnlich
auch Hayajnek/Tropper, UF 29, S. 183-189), kommt dabei aber in Schwierigkeiten, da etwa die
Korrespondenz von altsüdarabischem d? zur angeblichen Vorlage z nur über die ad-hoc-Annahme
irregulärer Lautentwicklung bei den Memorierlexemen erklärt wird.
38 A. L. Beeston, Arabian Sibilants, JSS 7 (1962), S. 222-233.
39 Zur phonetisch