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Wahlkapitulation Rudolfs II., Regensburg, 1. November 1575

2015, Die Wahlkapitulationen der römisch-deutschen Könige und Kaiser 1519–1792

Wahlkapitulation Rudolfs II., Regensburg, 1. November 1575 [HHStA Wien, AUR 1575 XI 1]1 Wir Rüdolph der annder von Gottes Genaden erwelter Römischer Khünig, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien, zu Hungern, Behaimb, Dalmatien, Croatien und Sclavonien etc. Khünig, Ertzhertzog zu Österreich, Hertzog zu Burgundi, zu Brabant, zu Steyr, zu Karnten, zu Crain, zu Lützemburg, zu Württemberg, Ober und Nider Schlesien, Fürst zu Schwaben, Marggrave des Hailigen Römischen Reichs zu Burgaw, zu Märhern, Ober und Nider Lausznitz, gefürster Grave zu Hapspurg, zu Tyrol, zu Pfierdt, zu Khyburg und zu Görtz, Landtgrave in Elsaß, Herr auf der Windischen Marck, zu Portenaw und zu Salins etc. bekhennen offentlich mit disem Brief und thuen khundt aller­ meniglich2: Als Wir aus Schickung des Allmechtigen, in khurtz vergangenen Tagen, durch die ordenliche Wahl der ehrwirdigen unnd hochgebornen Da­niels zu Maintz, Jacoben zu Trier, Salentin erwelten und bestettigten3 zu Cöln Ertzbischoven, Ludwigen, Pfaltzgraven bei Rhein, Hertzogen in Bayrn und Graven zu Spanhaimb als volmechtigen Gwaltragers seiner Lieb Vatters, Pfaltzgraf, Friderichs Augusten, Hertzogen zu Sachsen, Landtgraven in Türingen, und Marggraven zu Meissen und Hanß Georgen, Marggraven zu Brandenburg, zu Stettin, Pommern, der Cassuben unnd Wenden Hertzogen, Burggraven zu Nürmberg und Fürsten zu Rügen, des Hailigen Römischen Reichs durch Germanien, Gallien und des Khünigreichs Arelat, auch Italien Ertzcantzlern, Ertztruchsessen, Ertzmarschalcken und Ertzcamerern, Unnserer lieben Neven, Ohai- 1 Aufschrift Titelblatt: »Articul der Pacten und Capitulation Rudolphi secundi Romanorum Regis damit sich ir königliche Mayestät vermög gethanen Aydtts, gegen den Churfürsten verpflicht obligirt und verschribent / 1. November 1575«. Das dreizehnseitige Schriftstück ist vom Anfang bis zum Ende durchgeschrieben und mit eigener Hand signiert. Wo früher Artikel begannen, ist nun eine Leerstelle innerhalb der Zeile. Neue Absätze fangen mit einigen Wörtern in Auszeichnungsschrift an. Eine Nummerierung der Abschnitte findet nicht statt. Das rote, in Naturwachs eingeschlosse Siegel hängt an einem geflochtenen goldenen Draht, der mit einem schwarzen Seidenfaden umwunden ist und auch zur Bindung der Urkunde dient. Das Römische Königssiegel besteht aus einem einfachen rechtssehenden Adler mit Heiligenschein ohne Krone und Kette. Auf der Brust ein mit einer Königskrone bedeckter Schild mit Herzschild. 2 Hier markierten 1562 ein erkennbarer Freiraum in der Zeile und eine folgende A-Initiale den Beginn eines neuen Abschnitts. 3 Der gewählte Salentin von Isenburg war noch nicht geweiht. 77 Regensburg, 1. November 1575 men und Churfürsten zu der Ehr unnd Würde des römischen khüniglichen Namens und Gwalts erhaben, erhöhet und gesetzt sein, der Wir Unns auch, Gott zu Lob, dem Hailigen Reich zu Ehrn unnd der Christenhait und teutscher Nation, auch gemaines Nutzes willen beladen. Das Wir Uns demnach aus freyem gnedigen Willen, mit denselben, Unnsern lieben Neven4, Ohaimen und Churfürsten, diser nachvolgender Artickl geding unnd pactsweiß verainigt, vertragen, die angenomen, bewilligt unnd zugesagt haben5, alles wissentlich und in Crafft dits Briefs. [Art. I]6 [Schutz der Christenheit, des Papstes, der christlichen Kirche. Herstellung von Frieden, Recht und Einigkeit. Handhabung der Gerechtigkeit. Reservation der weltlichen Kurfürsten gegen diesen sowie gegen Artikel XV] Zum Ersten: Das Wir in Zeit solcher /2/ Unnserer khüniglichen Würden, Ambts unnd Regierung, die Christenhait unnd den Stuel zu Rom, auch babstliche Hailigkhait und die christliche Kirchen als derselbigen Advocat, in guetem Bevelch, Schutz unnd Schirmb haben. Dartzue innsonderhait in dem Hailigen Reich Friden, Recht unnd Ainigkhait pflantzen7, aufrichten unnd verfuegen sollen und wöllen, das die iren gebürlichen Gang, dem Armen, als dem Reichen gewinnen unnd haben, auch gehalten unnd denselbigen Ordnungen, auch F ­ reyhaiten unnd altem löblichem Herkhomen nach, gerichtet werden sollen8. Gleichwol, soviel disen, auch den nachvolgenden Artickel gegenwertiger Obligation, an­fahende, das sollen und wollen Wir mit ir, der Churfürsten etc. belangendt, haben vorgemelte Unnsere liebe Ohaim, die weltliche Churfürsten, sich austrücklich gegen Uns erclärt, was daselbsten von dem Stuel zu Rom, auch der babstlichen Hailigkhait für Meldung beschicht, das ire Liebde darein nit9 bewilligen, noch Uns darmit verbunden haben wöllen. 4 1562 »lieben Freundten, Neven«. 5 1562 »zuhalten zuegesagt haben«. 6 In der Urkunde wird der neue Abschnitt lediglich durch einen Freiraum in der Zeile und eine folgende Z-Initiale angezeigt. Auch die weitere Unterteilung erfolgt nur durch Freiraum und Initiale. 7 1562 »pflanntzen unnd aufrichten«. 8 1562 beginnt hier ein neuer Abschnitt. 9 1562 »nit wollten bewilligen«. 78 Wahlkapitulation Rudolfs II. [Art. II]10 [Einhaltung der Reichsordnungen und Gesetze und, deren allfällige Verbesserung mit Hilfe der Reichsstände] Wir sollen und wöllen auch sonderlich die vorgemachte Gülden Bull, den Friden in Religion- unnd Prophan Sachen, auch den Landtfriden, sambt der Handthabung desselben, so auf jüngster zu Augspurg im fünffundfünfftzigsten Jahr gehaltenen Reichstag aufgericht, angenomen, verabschiedet unnd verbessert worden, steht unnd vest halten, handthaben unnd darwider niemandts beschweren oder durch andere beschweren lassen unnd die andere des Hailigen Reichs Ordnungen unnd Gesetz, sovil die dem obgemelten angenommenen Reichs Abschiedt, im fünffunnd fünffzigisten Jahr zu Augspurg aufgericht, nit zuwider, confirmiern, ernewren und wo Not, dieselbigen mit Rath Unser unnd des Reichs Churfürsten, Fürsten unnd anderer Stende bessern, wie das zu jedertzeit des Reichs Gelegenhait erfordern wirdet. [Art. III]11 [Sicherung der Rechte und Freiheiten der Reichsstände] Und in allweg sollen und wöllen Wir die teutsche Nation, das Hailig Römisch Reich und die Churfürsten, als die vordersten Glider desselbigen, auch andere Fürsten, Graven /3/ Herrn unnd Stende bei iren Hochaiten, Würden, Rechten, Gerechtigkhaiten12, Macht und Gwalt, jeden nach seinem Standt und Wesen, bleiben lassen, ohne Unnser unnd meniglichs Eintrag und Verhinderung. Und inen dartzue ire Regalia und Obrigkhait, Freyhaiten, Privilegien, Pfandt­ schafften unnd Gerechtigkhaiten, auch Gebreuch unnd guet Gewonhaiten, so sie bißhero gehabt haben oder in Üebung gewesen sein, zu Wasser unnd zu Landt in gueter bestendiger Form, ohne alle Waigerung confirmirn und bestetten, sie auch darbei, als erwelter Römischer Khünig, handthaben, schützen unnd schirmen, doch meniglichen an seinen Rechten unschedlich. 10 1562 war Artikel II dem Widerspruch der protestantischen Kurfürsten gegen den Schutz für den Papst und Artikel 16 gewidmet. Hier ist dies Teil von Artikel I. 11 1562 Artikel IV. 12 1562 »Rechten unnd Gerechtigkhaiten«. 79 Regensburg, 1. November 1575 [Art. IV]13 [Versammlungsrecht der Kurfürsten] Wir lassen auch zu, das die gedachten sechs Churfürsten je zu Zeiten, nach Vermöge der Gülden Bull unnd irer Glegenhait, des Hailigen Reichs, zu irer Notturfft, auch so sie beschwerlich Obligen haben, zusamen khommen m ­ ögen, dasselb zubedencken und zuberathschlagen. Das Wir auch nit verhindern, noch irren und derohalb khain Ungnade oder Widerwillen gegen inen sambtlich, noch sonderlich schöpffen unnd entpfahen, sonder Unns in dem unnd anderm, der Gülden Bull gemeß, gnediglich unnd unverweißlich halten sollen und wöllen. [Art. V]14 [Vorgehen gegen Aufruhr der Untertanen] Wir sollen und wöllen auch alle untzimbliche hessige Bündtnussen, ­Verstrickung unnd Zusamenthuen der Underthanen, des Adels unnd gemainen Volcks, auch die Entpörung unnd Auffrur unnd ungebürlich Gwalt gegen den Churfürsten, Fürsten unnd andern furgenomen und die hinfuro geschehen möchten, auf­ heben, abschaffen unnd mit irer, der Churfürsten, Fürsten unnd anderer Stendt Rath unnd Hülff daran sein, das solches wie sichs gebürt unnd billich ist, in khünfftige Zeitt verbotten unnd furkhomen werde. [Art. VI]15 [Bündnisse] Wir sollen und wöllen dartzue für Unns selbst, als erwelter Römischer Khünig, in des Reichs Handlen auch khain Bundtnus oder Einung mit frembden Nationen, noch /4/ sonst im Reich machen, Wir haben dann zuvor die sechs Churfürsten deßhalben an gelegne Malstat zu zimblicher Zeit erfordert und iren Willen samentlich oder des mehrern Thails aus inen in solchem erlangt. 13 1562 Artikel V. 14 1562 Artikel VI. 15 1562 Artikel VII. 80 Wahlkapitulation Rudolfs II. [Art. VII]16 [Besitzrestituierung] Was auch die Zeit hero ainem jeden Churfürsten, Fürsten, Herrn unnd andern oder dero Voreltern oder Vorfharen, gaistlichs unnd weltlichs Standts, der­ gestalt ohne Recht gewaltiglich genomen oder abgetrungen, sollen unnd wöllen Wir der Billichait, wie sich in Recht gebürt, wider zu dem seinen verhelffen, bei solchem auch, sovil er Recht hat, handthaben, schützen unnd schirmen, ohne alle Verhinderung, Aufhalt oder Seumnus. [Art. VIII]17 [Gebietsabtretungen, verlorene Gebiete] Zu dem und insonderhait sollen unnd wöllen Wir dem Hailigen Römischen Reich und desselben Zugehörden, nit allain ohne Wissen, Willen und Zulassen gemelter Churfürsten samentlich nichts hingeben, verschreiben, verpfenden, versetzen, noch in andere Weeg vereussern oder beschweren, sonder auch Uns aufs höchst bearbaiten unnd allen müglichen Vleiß und Ernst furwenden, das jhenig, so darvon khomen, als verfallen Fürstenthumb, Herrschafften unnd andere, auch confisciert und unconfiscierte merckliche Guetter, die zum Thail in anderer frembder Nation Hende ungebürlicher weiß gewachsen, zum furderlichsten wider dartzue bringen, zuaignen, auch darbei bleiben lassen unnd in disem mit Rath, Hülff und Beystandt der sechs Churfürsten, der andern Fürsten unnd Stendt, jedertzeit an die Handt nemen, weß durch Unns unnd sy für rathsamb, nützlich unnd guet angesehen unnd verglichen sein wirdet. Doch meniglichen an seinen gegebnen Privilegien, Recht und Gerechtigkhaiten onschedlich. [Art. IX]18 [Unrechtmäßig erworbene Lehen] Und ob Wir selbst oder die Unnsern ichts, das dem Hailigen Reich zustendig und nit verlihen19, noch mit ainem rechtmessigen Titul bekhomen were oder würde, /5/ innhetten, das sollen unnd wöllen Wir, bei Unnsern schuldigen und gethanen Pflichten, demselben Reich ohne Vertzug, auf ir, der Churfürsten, Gesinnen, wider zu Handen wenden, zustellen unnd volgen lassen. 16 17 18 19 1562 Artikel VIII. 1562 Artikel IX . 1562 Artikel X. 1562 »verglichen«. 81 Regensburg, 1. November 1575 [Art. X]20 [Frieden mit Nachbarn. Kriegserklärung. Fremde Truppen. Angriff von außen] Wir sollen und wöllen Unns dartzue in Zeit bemelter Unnserer Regierung fridlich und nachpaurlich gegen den Anstössern und christlichen Gewäldten halten, khain Getzenck, Vhedt, noch Krieg, in21 oder ausserhalb des Reichs, von desselben wegen anfahen oder undernemen, noch ainich frembdt Kriegsvolck ins Reich führen, one Vorwissen, Rath und Bewilligen des Reichs Stende, zum wenigsten der sechs Churfürsten. Wo Wir aber von des Reichs wegen oder das Hailig Reich angegriffen und bekriegt würden, alßdann mögen Wir Unns dargegen aller Hülff gebrauchen. [Art. XI]22 [Abgaben, Steuern. Keine Reichstage außerhalb des Reiches Deutscher Nation] Dergleichen sie, die Churfürsten unnd andere desselben Reichs Stende mit den Reichstagen, Cantzleygelt, Nachraisen, Auflagen oder Steur unnottürfftiglich und ohne redliche dapfere Ursachen nit beladen, noch beschweren, auch in zugelassenen nottürfftigen Fellen, die Steur, Auflage unnd Reichstäge, ohne Wissen und Willen der sechs Churfürsten, wie obgemelt, darin erfordert, nit ansetzen noch ausschreiben unnd sonderlich khainen Reichstag ausserhalb des Reichs Teutscher Nation furnemen oder ausschreiben. [Art. XII]23 [Indigenat und Ämtervergabe] Wir sollen und wöllen auch Unnser khüniglich unnd des Reichs Ämbter am Hoff und sonst am Reich auch mit khainer andern Nation, dann gebornen Teutschen, die nit nidern Standts noch Wesens, sonder nambhafftig, redlich Leuth von Fürsten, Graven, Herrn, vom Adel unnd sonst dapfers guets Herkhomens, hohen Personen besetzen unnd versehen, die sonst niemandts als Unns unnd dem Hailigen Reich mit Pflichten unnd Diensten verwandt seyen. Auch die obbenenten24 Empter bei iren Ehren, Wirden, Fallen, Rechten und Gerechtigk20 21 22 23 24 1562 Artikel XI. 1562 »innerhalb«. 1562 Artikel XII. 1562 Artikel XIII. 1562 »obbemelten«. 82 Wahlkapitulation Rudolfs II. haiten bleiben unnd25 denselben nichts entziehen oder entziehen /6/ lassen, in ainiche Weeg, sonder Geverde. [Art. XIII]26 [Reichssprachen] Dartzue in Schrifften unnd Handlungen des Reichs khain andere Zungen noch Sprach gebrauchen lassen, dann die teutsche oder lateinische Zunge, es were dann an Orten, da gemeinlich27 ain ander Sprach in Uebung were unnd Gebrauch stünde, alßdann mögen Wir unnd die Unnsern Unns derselbigen daselbst auch behelffen. [Art. XIV]28 [Gerichtsstand] Auch die Churfürsten, Fürsten, Prelaten, Graven, Herrn, vom Adel, auch andere Stendt und Underthanen des Reichs mit rechtlichen oder guetlichen Tag­ laistungen ausserhalb teutscher Nation und von iren ordenlichen Richtern nit dringen, erfordern, noch furbeschaiden, sonder sy alle unnd jede innsonderhait im Reich, laut der Gülden Bulla, auch wie des Hailigen Reichs29 Ordnung unnd andere Gesetz vermugen, bleiben lassen. [Art. XV]30 [Konkordate und Gravamina] Und als über und wider Concordata Principum, auch aufgerichte Vertrag zwüschen der Kirchen, babstlicher Hailigkhait oder dem Stuel zu Rom unnd teutscher Nation mit unformblichen Gratien, Rescripten, Annaten der Stifft, so taglichs mit Manigfaltigung und Erhöhung der Officien am römischen Hof, auch Reservation, Dispensation unnd in andere Weeg, zu Abbruch der Stifft Gaistlichait unnd anders, wider gegeben Freyhait, dartzue zu Nachthail Juris Patronatus unnd den Lehenherrn stätigs unnd ohne underlässig offentlich gehand25 26 27 28 29 30 1562 »oder«. 1562 Artikel XIV. 1562 »gewonndlich«. 1562 Artikel XV. 1562 »Heiligen Römischen Reichs«. 1562 Artikel XVI. 83 Regensburg, 1. November 1575 let, derohalben auch unleidliche verpotten Gesellschafft und Contract oder Pündtnus, als Wir berichtet, furgenomen unnd aufgericht worden31, das sollen unnd wöllen Wir mit ir der Churfürsten, Fürsten und anderer Stende Rath bei unnserm Hailigen Vatter dem Babst und Stuel zu Rom, Unnsers besten Vermügens abwenden und furkhomen. Auch darab unnd daran sein, das die vermelte Concordata Principum unnd aufgerichte Vertrag, auch Privilegia unnd Freyhaiten gehalten, gehandthabt und denselben vestiglich gelebt und nach khomen. Jedoch was /7/ Beschwerung darinn befunden unnd Mißpreuch entstanden, das dieselbigen vermög deßhalben gehabter Handlung zu Augspurg, der mindern Zall im dreissigsten Jahr gehaltnen Reichstags abgeschafft unnd hinfurters dergleichen, ohne Verwilligung der Churfürsten, nit zugelassen werden. [Art. XVI]32 [Vorgehen gegen große Handels- und Kapitalgesellschaften] Wir sollen und wöllen auch die grosse Gesellschafften der Khauffgewerbsleuth, so bißhero mit irem Gelt regiert, ires Willens gehandlet unnd mit Teurung vil Ungeschicklichaiten dem Reich, dessen Inwohnern und Underthanen mercklich Schaden, Nachthail und Beschwerung zugefuegt, infüeren und noch täglich thuen gepehren, mit irer, der Churfürsten unnd anderer Stende Rath33, wie dem zubegegnen, hievor auch bedacht unnd furgenomen, aber nit volnstreckt worden, gar abthuen. [Art. XVII]34 [Verbot neuer Zölle und der Erhöhung alter Zölle ohne Zustimmung der Kurfürsten] Wir sollen und wöllen auch insonderhait, dieweil die teutsche Nation unnd das Hailig Römisch Reich, zu Wasser unnd Lande, zum höchsten vor damit beschwerdt, nuhn hinfuro khainen Zoll von newem geben, noch ainihe alte erhöhen lassen, ohne besondern Rath, Wissen, Willen unnd Zuelassen der bemelten sechs Churfürsten, wie vor unnd offt gemelt. 31 32 33 34 1562 beginnt hier ein neuer Absatz. 1562 Artikel XVII. 1562 »Räthe«. 1562 Artikel XVIII. 84 Wahlkapitulation Rudolfs II. [Art. XVIII]35 [Keine Empfehlungsschreiben für die Errichtung neuer Zölle] Und da jemants bei Uns umb newe Zollsbegnadung oder Erhöhung der alten und vorerlangten Zollen suppliciern und anlangen würde, so sollen und wöllen Wir ime ainiche Vertröstung, Promotoriales oder vorpittliche Schreiben an die Churfürsten nicht geben oder außgehen lassen. [Art. XIX]36 [Ohne Zustimmung der Kurfürsten keine neuen Zölle] Auf den Fall auch ainer oder mehr, was Standts oder Wesens der oder die weren, die ainichen newen Zoll in iren Fürstenthumben, Landtschafften, Herrschafften und Gepieten, für sich selbst, ausserhalb Unser Begnadigung und der sechs Churfürsten Bewilligung, angestelt oder aufgesetzt hetten oder khünfftiglich also anstellen oder aufsetzen würden, /8/ den oder dieselben, so baldt Wir dessen für Unns selbst in Erfarung khomen oder von andern Antzaig davon empfangen, sollen unnd wöllen Wir durch Mandata sine Clausula und in alle andere mügliche Weeg, davon abhalten und gantz unnd zumal nit gestatten, das jemandt de facto und aigens Furnemens, newe Zöll anstellen oder sich deren gebrauchen und innemen möge. [Art. XX]37 [Kurfürstliche Zölle am Rhein] Und nachdem etliche Zeit hero die Churfürsten am Rhein mit vilen unnd grossen Zollfreyungen, über ire Freyhait unnd Herkhomen, offtermals durch Furderungs Brief und in ander Weeg ersuecht und beschwerdt werden, das sollen unnd wöllen Wir als untreglich abstellen, für khommen und zumal nicht verhengen, noch zuelassen, furter mehr zuüben noch zugeschehen. 35 1562 Artikel XIX . 36 1562 Artikel XX . 37 1562 Artikel XXI. 85 Regensburg, 1. November 1575 [Art. XXI]38 [Unabhängigkeit der Justiz in Angelegenheiten der Reichsunmittelbaren] Und insonderhait so sollen und wöllen Wir, ob ainicher Churfürst, Fürst oder andere, seiner Regalien, Freyhaiten, Privilegien, Recht und Gerechtigkhait halber, das ime geschwecht, geschmelert, genommen, entzogen, bekümert oder betrüebt worden, mit seinem Gegenthail und Widerwertigen, zu gebürlichen Rechten khomen oder furtzufordern understehn wölte oder auch anhengig gemacht hette, dasselb unnd auch alle andere ordenliche schwebendt Rechtfer­ tigung nit verhindern noch verbieten, sonder den freyen stracken Lauff lassen. [Art. XXII]39 [Keine Beeinträchtigung der Rechte der Reichsstände. Bewahrung des Friedens im Reich. Konfliktlösung auf dem Rechtsweg] Wir sollen und wöllen auch die Churfürsten, Fürsten, Prelaten, Graven, Herrn unnd andere Stende des Reichs selbst nit vergwaltigen, solches auch nit schaffen, noch andern zu thuen verhengen, sonder, wo Wir oder jemandt anders zu inen allen oder ainem insonderhait zu sprechen hetten oder ainiche Forderung furnemen, dieselben sambt unnd sonder Aufrhur, Zwitracht und ander Unrath im Hailigen Reich zuverhuetten, auch Fridt und Ainigkhait zuerhalten, zu Verhör und gebürlichem Rechten stellen /9/ unnd khommen lassen unnd mit nichten gestatten, in den oder andern Sachen, in was Schein oder under was Namen es geschehen möcht, darinn sie ordenlich Recht leiden mögen, und des urbittig sein, mit Raub, Nahme, Brandt, Vheden, Krieg oder anderer Gestalt zubeschedigen, antzugreiffen oder zuüberfallen. [Art. XXIII]40 [Reichsacht] Wir sollen und wöllen auch furkhomen und khaines wegs gestatten, das nuhn hinfüro jemandts, hoch oder nidern Standts, Churfürst, Fürst oder andere, ohne Ursach, auch unverhört, in die Acht unnd Aber Acht gethan, bracht oder erklert werde. Sonder in solchem ordenlicher Proceß unnd des Hailigen Römischen Reichs voraufgerichte Satzung, nach Außweisung des Hailigen Reichs in 38 1562 Artikel XXII. 39 1562 Artikel XXIII. 40 1562 Artikel XXIV. 86 Wahlkapitulation Rudolfs II. bemeltem fünffundfünffzigsten Jahr reformirter Camergerichts Ordnung in dem gehalten und volntzogen werden, doch dem Beschedigten sein Gegenwehr vermög des Landtfridens unabbrüchig. [Art. XXIV]41 [Rückfall von städtischen Abgaben an das Reich] Und nachdem dasselb Romisch Reich vast und höchlich im Abnemen und Ringerung khomen, so sollen und wöllen Wir, neben andern, die Reichssteur der Stett und anderer Gefelle, so in sonderer Person Hende gewachsen unnd verschriben, wider zum Reich ziehen unnd nit gestatten, das solches dem Reich unnd gemainem Nutz, wider Recht unnd alle Billichait entzogen werde. Es were dann, das solches mit rechtmessiger Bewilligung der sechs Churfürsten be­ schehen were. [Art. XXV]42 [Heimfallende Lehen. Unterhalt des Reichs und Kaisers] Was auch Lehen dem Reich unnd43 Unns bei Zeit Unnserer Regierung eröffnet und lediglich haimbfallen werden, so etwas Mercklichs ertragen, als Fürstenthumb, Grafschafften, Herrschafften, Stett und dergleichen, die sollen unnd wöllen Wir ferner niemandts leihen, sonder zu Underhaltung des Reichs, Unnser und Unnserer Nachkhomen, der Khünig unnd Kaiser behalten, eintziehen unnd incorporiern, biß so lang dasselb Reich wider zu Wesen und Aufnemen khombt. Doch Uns /10/von wegen44 Unnserer Erblande unnd sonst meniglich an seinem Rechten und Freyhaiten unschedlich. [Art. XXVI]45 [Übernahme von Reichslasten] Auf den Fall aber zu künfftiger Zeit Fürstenthumb, Grafschafften, Herrschafften unnd andere Gueter dem Hailigen Reich mit Dienstparkhaiten, Reichs Anlagen unnd Steurn unnd sonst verpflicht, dessen Jurisdiction underwürffig 41 42 43 44 45 1562 Artikel XXV. 1562 Artikel XXVI. 1562 »Unns«, offensichtlich ein Schreibfehler. 1562 »Unns unnd von wegen«. 1562 Artikel XXVII. 87 Regensburg, 1. November 1575 unnd zugethan, nach Absterben dero Inhaber, Uns durch Erbschafft haimbfallen oder aufwachsen unnd Wir die zu Unnsern Handen behalten oder andern zukhomen lassen würden, darvon sollen dem Hailigen Reich seine Recht, Gerechtigkhaiten, Anlagen, Steuren und andere schuldige Pflicht, wie darauf herbracht, gelaist, abgericht und erstattet werden. [Art. XXVII]46 [Eroberungen zum Vorteil des Reiches] Wo Wir auch mit Rath und Hülff der Churfürsten unnd anderer Stende des Reichs ichts gewönnen, überkhomen oder zu Handen bringen, das alles sollen unnd wöllen Wir dem Reich zuwenden unnd zuaignen. Wa Wir aber in solchem, ohne der Churfürsten, Fürsten unnd anderer Stende Wissen unnd Willen ichts furnemen, darinn sollen sie Uns zuhelffen unverbunden sein. Und Wir nichts destominder das jhenig, so Wir in solchem erobert oder gewunnen hetten oder würden und dem Reich zustünde, dem Reich wider zustellen unnd aignen. [Art. XXVIII]47 [Verbesserung des Münzwesens] Und nachdem im Reich bißhero vil Beschwerung unnd Mängel der Müntz halben gewesen und noch sein, wöllen Wir dieselben zum furderlichsten, mit Rath der Churfürsten, Fürsten, unnd Stende des Reichs, zuvor khomen48 unnd in bestendige Ordnung unnd Wesen zu stellen müglichen Vleiß furwenden. [Art. XXIX]49 [Neue Münzregalien] Wir sollen und wöllen auch hinfuro, ohne Vorwissen der sechs Churfürsten, niemandt, was Standts oder Wesens der seye, mit Müntzfreyhaiten, begaben oder begnadigen. 46 47 48 49 1562 Artikel XXVIII. 1562 Artikel XXIX . 1562 »zuerkhennen«. 1562 Artikel XXX . 88 Wahlkapitulation Rudolfs II. [Art. XXX]50 [Erhalt des Wahlreiches. Freies Königswahlrecht der Kurfürsten] Und /11/ insonderhait sollen unnd wöllen Wir Unns khainer51 Succession oder Erbschafft des offt ernenten Römischen Reichs anmassen, underwinden, noch in solcher Gestalt undertziehen oder darnach trachten, auf Unns selbst, Unnser Erben unnd Nachkhomen oder auf jemandt anders understehn zu wenden. Sonder Wir, dergleichen Unnsere Khinder, Erben unnd Nachkhomen, die gemelten Churfürsten, ir Nachkhomen unnd Erben, zu jeglicher Zeit bei irer freyen Wahl, auch Vicariat, wie von Alter hero auf sie khomen, die Gülden Bull, ­babstlich Recht unnd andere Gesetz oder Freyhaiten vermögen, so es zu Fellen khomen, die Notturfft unnd Gelegenhait erfordern würde, auch bei irem gesonderten52 Rath in Sachen das Hailig Reich belangen, geruwiglichen bleiben unnd gantz unbetrangt lassen. Wa aber darwider von jemandts gesuecht, gethan, oder die Churfürsten in dem getrungen würden (das doch khains wegs sein solle) das alles soll nichtig sein unnd darfür gehalten werden. [Art. XXXI]53 [Krönung, Residenz, Erzämter] Wir sollen und wöllen auch die römische khünigliche Cron, wie Uns als erweltem Römischen Khünig wol getzimbt, empfahen unnd anders, so sich deßhalb gebürt, thuen. Auch Unnser khüniglich Residentz, Anwesen unnd Hof­ haltung in dem Hailigen Römischen Reich Teutscher Nation, allen Glidern, Stenden unnd Underthanen desselben zu Ehren, Nutzen unnd Guetem, des mehrern Thails, sovil müglich, haben unnd halten, unnd nachvolgens, so sich der Fall Erledigung des Kaiserthumbs begebe (das der Allmechtig lang miltiglich verhueten wölle), Unns alßdann unnd nit eher, zum Besten bevleissigen, die kaiserliche Cron zu zimblicher gelegner Zeitt zum schiersten zuerlangen, unnd alle unnd jede Churfürsten ir Ambt zuversehen, zu solcher Crönung thuen erfordern und auch in dem allem dermassen ertzaigen und beweisen, /12/ das Unnsernthalben an aller Müglichait khain Mangel gespürt oder vermerckt werden solle. 50 51 52 53 1562 Artikel XXXI. 1562 »Unns auch khainer«. 1562 »gesambten«. 1562 Artikel XXXII. 89 Regensburg, 1. November 1575 [Art. XXXII]54 [Befugnisse des Königs vivente Imperatore] Wir sollen und wollen auch Unns khainer Regierung noch Administration im Hailigen Römischen Reich weiter oder anders undertziehen, dann sovil Unns des von kayserlicher Majestät vergont und zugelassen wirdet. Das Wir auch irer kayserlichen Majestät die Zeit ires Lebens an irer Hochait unnd Würden des Kaiserthumbs khain Irrung oder Eintrag thuen sollen noch wöllen. [Art. XXXIII]55 [Beachtung und Änderung der Reichsgesetze] Wir wollen auch in diser Unnserer Zusage der Gülden Bulla, des Reichs Ordnung, dem obangeregten Friden in Religion- unnd Prophan Sachen, auch dem Landtfriden, sambt Handthabung desselben und andern Gesetzen, jetzo gemacht oder khünfftiglich durch Unns, mit irer56, der Churfürsten unnd Fürsten, auch anderer Stendt des Reichs Rath möchten aufgericht werden, zuwider khain Rescript oder Mandat oder ichtes anders beschwerlichs außgehn lassen oder zugeschehen gestatten, in ainiche Weiß oder Weg. Dergleichen auch für Unns selbst, wider solche Gülden Bulla unnd des Reichs Freyhait, den Friden in Religion- unnd Prophan Sachen unnd Landtfriden, sambt Handthabung desselbigen, von ainicher höhern Obrigkhait nichts erlangen, noch auch, ob Unns etwas dergleichen aus aigner Bewegnus gegeben were oder würde, nit gebrauchen, in khain Weiß sonder alle Geverde. [Art. XXXIV]57 [Nichtigkeit alles Entgegenstehenden] Ob aber diser oder andern vorgemelten Articuln und Puncten ainiches zu­w ider erlangt oder außgehn würde, das alles soll krafftloß, todt unnd ab sein. Inmassen Wir es auch jetzo alßdann unnd dann als jetzo hiemit cassiern, tödten unnd abthuen. Unnd, wo Not, der beschwerten58 Parthey derohalben nottürfftig Urkhundt oder brieflichen Schein zugeben unnd widerfaren zulassen, schuldig sein59 sollen, Argelist unnd Geverde hierin außgeschaiden60. 54 55 56 57 58 59 60 1562 Artikel XXXIII. 1562 Artikel XXXIV. 1562 »der«, offensichtlich ein Schreibfehler. 1562 Artikel XXXV. 1562 »begerten«. 1562 »schuldig unnd pflichtig sein«. 1562 »außgeschlossen«. 90 Wahlkapitulation Rudolfs II. [Art. XXXV]61 [Vereidigung des Reichsoberhaupts auf die Wahlkapitulation] Solches alles /13/ unnd jedes besonder, wie obsteht, haben Wir, obgemelter Römischer Khünig62, den gedachten Churfürsten geredt, versprochen unnd bei Unnsern khüniglichen Ehren, Würden unnd Worten, in Namen der Wahrhait zugesagt. Thuen dasselb auch hiemit und in Krafft diß Briefs, inmassen Wir dann des ainen leiblichen Aidt zu Gott und dem hailigen Evangelio geschworen, dasselb steht, vest und unverbrochen zuhalten, dem trewlich nachzukhomen, darwider nit zu sein, zuthuen, noch schaffen gethan werden, in ainiche Weiß oder Weg, die möchten erdacht werden. [Art. XXXVI]63 [Ausfertigungen und Datierung] Des zu Urkhundt haben Wir diser Brief sechs in gleichen Laut gefertigt unnd mit Unserm anhangendem Insigel besigelt unnd jedem obgenantem Churfürsten ainen zu stellen lassen. Der geben ist in Unser und des Reichs64 Statt Regenspurg65, den ersten Tag des Monats Novembris, nach Christi unnsers lieben Herrn und Seeligmachers Geburt, fünffzehenhundert und im fünff und sibentzigsten, Unserer Reiche, des Römischen im ersten, des hungerischen im vierten und des behaimischen im ersten Jahren. Rudolph Vt. Hegenmüller Doktor Ad Mandatum Sacrae Regiae Majestatis proprium Altenstaig. collatio 61 62 63 64 65 1562 Artikel XXXVI. 1562 »obgemelter erwölter Romischer Khünig«. 1562 Artikel XXXVII. 1562 »des Heiligen Reichs«. 1562 »Franckhfort am Main«.