Doppikeinführung und
Anreizwirkung auf kommunale
Investition
Elsa Egerer, M.Sc.
KOMKIS Analyse Nr. 4
Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen
am Institut für öffentliche Finanzen und Public Management
KOMKIS Analyse | Doppikeinf ührung und Anreizwirkung auf kommunale Invest it ion
Bibliographische Inf ormat ion der Deut schen Nat ionalbibl iot hek: Die Deut sche Nat ional bibliot hek verzeichnet diese Publikat ion in der Deut schen Nat ionalbibliographie; det ailliert e
bibliographische Dat en sind im Int ernet über ht t p: / / dnb. d-nb. de abruf bar.
ISSN 2511-7432
Erscheinungsj ahr 2016
Ansprechperson: Elsa Egerer, wissenschaf t liche Mit arbeit erin
T +49 341 9733-628 | F + 49 341 9733-589 | egerer@wif a. uni-leipzig. de
© Kompet enzzent rum f ür kommunale Inf rast rukt ur Sachsen; alle Recht e vorbehalt en.
St ädt isches Kauf haus, Universit ät sst raße 16, 04109 Leipzig.
Fot o: Paul Trainer | Universit ät Leipzig
Inhalt
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen......................................................................................... 2
Kurzzusammenfassung ........................................................................................................................ 3
1 Einleitung.......................................................................................................................................... 4
2 Investitionsanreize und Adressaten der kommunalen Rechnungslegung ....................................... 4
Exkurs: Verschiedene Zielgruppen kommunaler Bilanzgestaltung ................................................. 5
3 Die Effekte der Doppikumstellung über den Wirkungskanal Haushaltsausgleich ........................... 7
3.1 Beispiele zur Haushaltsbelastung verschiedener Finanzierungsformen ................................... 9
a) Finanzierung aus dem Vermögensbestand ................................................................................. 9
b) Fremdfinanzierung .................................................................................................................... 10
c) Mietmodell / Echtes Leasing ..................................................................................................... 11
3.2 Diskussion der Beispiele .......................................................................................................... 11
4 Die Rahmenbedingungen in Sachsen ............................................................................................. 13
4.1 Untersuchungsgegenstand der empirischen Analyse ............................................................. 13
4.2 Untersuchung einer potenziellen Haushaltsmehrbelastung für sächsische Kommunen ....... 14
4.3 Die Situation der sächsischen Kommunen im Ländervergleich .............................................. 17
5 Fazit ................................................................................................................................................ 18
Literaturverzeichnis ........................................................................................................................... 20
1
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen
Abb. 1:
Doppische Haushaltseffekte einer hohen Vermögenserstbewertung im Zeitverlauf
Abb. 2:
Adressaten der kommunalen Rechnungslegung
Abb. 3:
Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf bei Finanzierung aus vorhandenen Mitteln
Abb. 4:
Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf bei Fremdfinanzierung
Abb. 5:
Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf, Mietmodell
Abb. 6:
Vereinfachter Vergleich der Haushaltsbelastungen, Doppik vs. Kameralistik
Abb. 7:
Ergebnisse der empirischen Untersuchung hinsichtlich einer Haushaltsmehrbelastung,
Abschreibungs- und Tilgungsdaten für Kommunen in Sachsen
Abb. 8:
Kommunale Verschuldung pro Einwohner im Ländervergleich im Jahr 2014
Abb. 9:
Sachinvestitionen der Kommunen nach Ländern in Prozent der bereinigten Ausgaben
seit 2001
Tab. 1:
Übersicht Datengrundlage, Abschreibungen und Tilgungen der sächsischen Kommunen
2
Kurzzusammenfassung
Die vorliegende KIS Analyse untersucht die These: „Die Doppik erschwert den Haushaltsausgleich und
senkt damit die kommunalen Investitionen“. Diese kann auf der Grundlage folgender Ausführungen
nicht pauschal bestätigt werden.
In Kapitel 2 wird die These zunächst in einen breiteren Kontext gestellt und festgestellt, dass der Haushaltsausgleich nicht der alleinige Wirkungsmechanismus ist, über welchen die Doppik Einfluss auf kommunale Investitionen nimmt. Hierbei wird insbesondere auf die Adressatenvielfalt der kommunalen
Rechnungslegung und spezifische öffentliche Haushaltsziele eingegangen. Die Argumentation gründet
auf einen Exkurs zu den Möglichkeiten kommunaler Bilanzpolitik im Rahmen der Vermögensbewertung bei Erstellung der Eröffnungsbilanz.
In Kapitel 3 werden verschiedene Finanzierungsformen der Infrastrukturbeschaffung im kameralen
und doppischen Haushalt miteinander verglichen. Es zeigt sich, dass gleiche Sachverhalte in den jeweiligen Systemen unterschiedliche Haushaltsbelastungen zur Folge haben. Dies ist beispielsweise der
Fall, wenn im Rahmen einer Fremdfinanzierung Tilgungs- und Nutzungsdauer auseinanderfallen, oder
es sich um eine Finanzierung aus vorhandenen Barwerten handelt. Bei einer umfassenden zeitlichen
Betrachtung gleichen sich die Unterschiede jedoch zumeist aus.
Schließlich wird das Problem aus Sicht der Ausgangsbedingungen der sächsischen Kommunen betrachtet. Unter der Annahme aussagekräftiger Daten zeigt sich, dass die im Rahmen der Doppik haushaltswirksamen Abschreibungsbelastungen die nicht mehr haushaltsrelevanten Tilgungszahlungen für die
Mehrzahl der Kommunen überschreiten. Für die sächsischen Kommunen, die im Landesvergleich gering verschuldet sind, lässt sich somit durchaus eine Erschwerung des Haushaltsausgleichs begründen,
sofern dieser doppisch zu erbringen ist. Derzeit gelten in Sachsen jedoch Übergangsregelungen, sodass
der Haushalt noch nicht zwingend doppisch auszugleichen ist.
3
1 Einleitung
Die Einführung doppischer Rechnungslegungsstandards in der öffentlichen Verwaltung bleibt weiterhin Gegenstand der Diskussion. Dabei wird der Mehrwert eines doppischen Systems zumeist einheitlich anerkannt.1 Der Fokus auf den Ressourcenverbrauch erhöht die Transparenz und bietet somit eine
bessere Entscheidungsgrundlage2. Formal ist die Umsetzung auf kommunaler Ebene bundesweit bereits seit einigen Jahren Pflicht. Vor dem Hintergrund der Debatte um European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) steigt zudem auch auf Bundes- und Länderebene der Druck, sich in Richtung Ressourcenverbrauchskonzept zu bewegen3. Gleichwohl ist der Umsetzungsprozess auch auf
Ebene der Kommunen noch nicht abgeschlossen. Bereits seit 2013 sind die Kommunen in Sachsen verpflichtet, doppisch zu buchen. Der Umstellungsaufwand bereitet jedoch, insbesondere kleinen Kommunen, nach wie vor größere Probleme4. Aber auch auf der Ebene der größeren Städte kommt es
immer wieder zu großen, nachträglichen Korrekturen aufgrund der Umstellung. Zum Ende des laufenden Jahres tritt darüber hinaus die Verpflichtung zur Aufstellung einer Konzernbilanz in Kraft, die weitere Anstrengungen der Kommunen bedeutet.
Zu differenzieren ist jedoch zwischen der (ergänzenden) Einführung der Doppik als rein informative
Darstellung oder als bindendes Entscheidungskriterium. So buchen die Kommunen zumeist zwar bereits doppisch, hinsichtlich des Haushaltsausgleichs werden aber häufig noch Erleichterungen, die weitestgehend den kameralen Anforderungen entsprechen, gewährt.5 Auch die neuen Steuerungsmöglichkeiten auf der Grundlage doppischer Kennzahlen müssen in der Praxis erst erprobt werden6. Welche Effekte das neue buchhalterische System für die kommunale Praxis hat, wird sich somit erst in den
nächsten Jahren zeigen.
Aus der Sicht des vorherrschenden Investitionsstaus ist insbesondere die Wirkung auf die kommunalen
Infrastrukturausgaben von Interesse. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass sich die Doppikumstellung negativ auf das kommunale Investitionsverhalten auswirke. Das neue Erfordernis Abschreibungen zu erwirtschaften, so das Argument, erschwere grundsätzlich den Haushaltsausgleich.7 Diese
These soll im Folgenden hinterfragt und eine Argumentationsgrundlage hinsichtlich des postulierten
Kausalzusammenhangs zwischen Doppikeinführung und Investitionsentwicklung geschaffen werden.
Dabei werden die notwendigen Annahmen, die der Argumentation zugrunde liegen, beleuchtet. Die
vorliegende Analyse stellt dazu die Effekte verschiedener Finanzierungsvarianten auf den Haushaltsausgleich in den jeweiligen Systemen dar. Schließlich wird das Problem empirisch aus Sicht der Ausgangsbedingungen der sächsischen Kommunen betrachtet.
2 Investitionsanreize und Adressaten der kommunalen Rechnungslegung
Bevor im nachfolgenden Kapitel spezifischer auf die Effekte der Doppik über den Wirkungsmechanismus des Haushaltsausgleichs in Bezug auf verschiedene Finanzierungsvarianten eingegangen wird, soll
1
2
3
4
5
6
7
Vgl. Fullada und Wöste 2008; Bertelsmann Stiftung 2008, Burth und Hilgers 2014.
Vgl. Schramm, SSG 2016.
Vgl. Wüstemann und Conrath-Hargreaves 2015.
Vgl. Behörden Spiegel 2015; Weiß 2014.
§ 72 (4) SächsGemO.
Vgl. SSG 2013.
Bei Befragungen gaben 60 Prozent der befragten Kommunen in Sachsen-Anhalt und über 75 Prozent der
befragten Kommunen in NRW an, dass der Haushaltsausgleich durch die Doppikeinführung erschwert würde
(Vgl. Steria Mummert Consulting 2006; Weiß 2014).
4
der Zusammenhang zwischen Investitionsanreizen und Doppikeinführung zunächst in einen breiteren
Kontext gestellt werden.
Die Frage der Auswirkung der Doppikeinführung auf das kommunale Investitionsverhalten ist vielschichtig. Das Ressourcenverbrauchsprinzip erhöht die Transparenz hinsichtlich der Vermögens- und
Investitionslage der Kommunen. Auf der einen Seite wird somit die Abnutzung von Infrastrukturwerten
offenbar, woraus sich ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit von Neuinvestitionen und Erhaltungsmaßnahmen ableiten lässt.8 Ein anderer Wirkungsmechanismus legt jedoch einen möglichen
negativen Zusammenhang zwischen mehr Transparenz und Investitionsvolumen nahe. So wird in der
Tendenz erwartet, dass die Einführung der Doppik zu einer schlechteren externen Bewertung der Vermögenslage einer Kommune führen könne.9 Auf dieser Grundlage könnte sich der Zugang zu günstigen
Finanzierungskonditionen verschlechtern.
Im Gegensatz zur privatwirtschaftlichen Rechnungslegung berichtet die Kommune gegenüber einer
vielfältigeren Stakeholderstruktur10. Ein Blick auf die im Rahmen der Doppik entstandenen bilanziellen
Gestaltungsmöglichkeiten veranschaulicht diese Adressatenvielfalt des kommunalen Haushalts. Im
Rahmen eingeräumter Wahlmöglichkeiten bei der Vermögensbewertung können sich für die Kommune dabei neue Zielkonflikte ergeben.
Exkurs: Verschiedene Zielgruppen kommunaler Bilanzgestaltung
Während der ausgaben- und einnahmenorientierten Sichtweise der Kameralistik ein durch entsprechende Belege bezifferter Zahlungsvorgang zugrunde lag, ist der ressourcenbezogene Blickwinkel im
Rahmen der doppischen Haushaltsführung auf Schätzungen zur Wertigkeit von Vermögensgütern angewiesen. Dies macht die Verwendung abstrakter Konzepte zur Wertbestimmung erforderlich, zum
einen hinsichtlich der Aktivierung eines Vermögenswertes, sowie auf der anderen Seite zur Berücksichtigung des Wertverlustes im Zeitverlauf. Hinsichtlich der Aktivierung von Vermögenswerten ergeben sich entsprechende Spielräume. Je nach Adressat lassen sich jedoch unterschiedliche Zielsetzungen einer kommunalen Bilanzgestaltung begründen (Vgl. Abb. 2).
Die Höhe der turnusmäßigen Abschreibungen hat auf Grundlage der Doppik einen fortlaufenden Effekt
auf den Haushalt. Die Abschreibungen belasten das Ergebnis und müssen entsprechend „erwirtschaftet“ werden, um einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen. Bei der Erstbewertung im Rahmen
der Erstellung der Eröffnungsbilanz würde sich somit zwar auf Grundlage einer hohen Vermögensbewertung zunächst ein positiver Effekt auf die Höhe des Eigenkapitals ergeben, im Rahmen der Folgejahre ergeben sich jedoch entsprechend höhere Belastungen aufgrund der Abschreibungen, wie in
Abbildung 1 dargestellt.11
8
9
10
11
Vgl. Schramm, SSG 2016.
Vgl. PWC 2006.
Vgl. Birkner 2016; Mohl und Schlüter 2016,.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Erstbewertung bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz
unter der Annahme, dass eine Bewertung zu Anschaffungskosten nicht möglich ist und auf alternative Bewertungsansätze ausgewichen werden muss.
5
Abb. 1: Doppische Haushaltseffekte einer hohen Vermögenserstbewertung im Zeitverlauf
Quelle: Eigene Darstellung.
Die Kommune muss den Haushalt
fortwährend ausgleichen. Dabei kann
sie weniger flexibel agieren als die
Privatwirtschaft, da aus Sicht des
Haushaltsergebnisses nicht die Höhe
des Eigenkapitals von Bedeutung ist,
sondern als alleiniges Kriterium die
Veränderung im Zeitverlauf. Relevant
ist somit nicht der Vermögensbestand, sondern nur die Vermögensentwicklung als Flussvariable. Hier
wirkt sich der fortlaufende Abschreibungsaufwand haushaltsbelastend
aus.
Aus diesem Gesichtspunkt besteht für die Kommunen aus der langfristigen Perspektive ein Anreiz, bei
der Erstbewertung einen Ansatz zu wählen, der zu einer niedrigen Bewertung des kommunalen Vermögens und in der Folge geringeren Abschreibungsbeträgen führt12, sofern Wahlfreiheit bei der Bewertung besteht und die Aktivierung zu Anschaffungskosten nicht möglich ist.
Die empirischen Untersuchungen von LOPATTA und STEIN zur Erstbewertung kommunalen Vermögens
zeigen in der Praxis jedoch eine Tendenz zur Überbewertung von Vermögensgütern. Sie weisen darauf
hin, dass gerade Gemeinden, die einem Sicherungskonzept unterliegen, in der Tendenz kommunales
Vermögen eher höher oder neutral bewerten. Die Beratung durch externe Anbieter wirkt sich hier in
der Tendenz erhöhend auf das Bilanzvolumen aus. Dies deutet darauf hin, dass zukünftige Abschreibungen nicht alleiniger Fokus der kommunalen Bilanzpolitik zu sein scheinen. Neben den “technischen” Haushaltsrichtlinien lassen sich, LOPATTA und STEIN folgend, verschiedenste Anreize begründen,
den Vermögenswert möglichst hoch auszuweisen.
Die Kreditwürdigkeit der Kommune kann von externen Kreditgebern u. a. auf Basis der vorhandenen
Sicherheiten bewertet werden. Unter der Annahme, dass der Risikoaufschlag negativ mit dem Wert
der vorhandenen Sicherheiten korreliert, scheint ein hoher Vermögensausweis im Interesse der Kommune, um die Zinsbelastung zu senken. Ein weiterer Aspekt, der bei einer vorausschauenden Bilanzpolitik zu berücksichtigen wäre, ist die Option des Verkaufs kommunaler Vermögensgüter. Im Gegensatz zur Kameralistik hat der Verkauf eines Vermögensgutes grundsätzlich keinen Effekt auf den Haushaltsausgleich. Dies ist jedoch nur zutreffend, insofern Vermögensgüter zum Buchwert verkauft werden. Eine Differenz zwischen Verkaufs- und Buchwert wirkt sich hingegen im Rahmen der Doppik ergebniswirksam aus. Zum einen besteht für die Kommune also ein Anreiz den Wert gering auszuweisen,
um eine möglichst große Differenz zwischen Verkaufspreis und Buchwert zu erreichen. Auf der anderen Seite muss aber berücksichtigt werden, dass der Buchwert möglicherweise einen Einfluss auf die
Zahlungsbereitschaft des potenziellen Käufers hat. In diesem Sinne besteht ein Anreiz den Vermögenswert tendenziell höher zu bewerten.
Hinsichtlich des Adressaten „Kommunalaufsicht“ scheint es eindeutig im Interesse der Kommune, den
Haushalt fortwährend auszugleichen, da Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen eine Einschränkung
12
Vgl. Mühlenkamp und Glöckner 2010; Lopatta und Stein 2014; Innenministerium NRW 2006.
6
Abb. 2: Adressaten der komm. Rechnungslegung
der kommunalen Entscheidungsfreiheit bedeuten.
In diesem Sinne scheint die Vermeidung einer wiederkehrenden Haushaltsbelastung zentraler als der
Ausweis eines hohen Vermögenswertes im Rahmen
der Erstbewertung (vgl. Abb. 1).
Vor dem Hintergrund potenzieller Transferzahlungen, lässt sich gegenüber Bund und Ländern hingegen neben dem Ziel des Haushaltsausgleichs auch
ein möglicher Anreiz zum Ausweis einer höheren
Haushaltsbelastung begründen.
Quelle: Eigene Darstellung.
Auch aus Sicht der Wählerstimmenmaximierung
ergibt sich keine eindeutige Zielstellung hinsichtlich
der Vermögensbewertung.
Es bleibt fraglich, inwiefern Gestaltungsspielräume bei der Vermögensbewertung in der kommunalen
Praxis tatsächlich erfasst und im politischen Kontext genutzt werden (können). Der vorgenommene
Exkurs hinsichtlich der Vermögensbewertung verfolgt hier vordergründig das Ziel, die komplexere Adressatenfrage der kommunalen Rechnungslegung zu verdeutlichen. So ist das fortlaufende Haushaltsergebnis nicht von alleinigem Interesse für die kommunale Berichterstattung. Damit wirkt auch die
Doppik nicht nur über das Haushaltsergebnis auf das kommunale Investitionsverhalten.
Von einer einfachen Schlussfolgerung von der auszuweisenden Haushaltsbelastung auf das Investitionsverhalten der Kommunen soll daher Abstand genommen werden. Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Einschränkung wird im Folgenden nun der Frage nachgegangen, ob die Doppikeinführung
tatsächlich zu einer Mehrbelastung im Haushalt führt. Induktiv kann auch diese Frage nicht befriedigend beantwortet werden, da sich verschiedene Wirkungsmechanismen ergeben, die eine situative
Einzelfallbetrachtung erforderlich machen. Der nachfolgende Abschnitt greift den Wirkungsmechanismus über die unterschiedliche Behandlung von Wertverlust und Tilgungszahlung im Rahmen verschiedener Finanzierungsmodelle auf.
Unabhängig vom Haushaltsausgleich bleibt zudem das Zahlungsmittelsaldo aus laufender Verwaltungstätigkeit wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Investitionsfähigkeit einer Kommune.13
3 Die Effekte der Doppikumstellung über den Wirkungskanal Haushaltsausgleich
Ein Kernstück der Umstellung von der Kameralistik auf die doppische Buchhaltung stellt die Umdefinition des Haushaltssaldos dar.14 Während die klassische Interpretation, der Kameralistik folgend, auf
den Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben abstellt (§ 7 SächsKomHVO 2002), ermittelt die
doppelte Buchhaltung über Erträge und Aufwände Veränderungen im Eigenkapital. Erstere stellt ein
zahlungsflussbezogenes Kriterium – ähnlich dem kaufmännischen Cashflow – dar. Beim Eigenkapital
handelt es sich hingegen um eine Größe, die neben Geldvermögen auch nichtmonetäre Ressourcen
13
14
Vgl. Jänchen 2015.
In der Praxis folgt aus der Umstellung des Buchungssystems jedoch nicht zwangsläufig eine entsprechende
Anpassung des Haushaltsausgleichs. Die folgenden Ausführungen beruhen auf der Annahme, dass der Haushaltsausgleich tatsächlich doppisch erfolgt.
7
miteinbezieht. Folglich wird die doppische Betrachtung auch als Ressourcenverbrauchskonzept umschrieben. Dies ist jedoch eine einseitige Interpretation, da neben dem Verbrauch auch die Anschaffung und Erstellung von Vermögenswerten in der Bilanz abzubilden ist.
Die Kameralistik als einfache Liquiditätsrechnung zu beschreiben, greift ebenfalls zu kurz. So wird der
Haushalt im kameralen System in Verwaltungshaushalt, Vermögenshaushalt sowie Rücklagen untergliedert, die über ein länderspezifisch komplexes Regelwerk aufeinander einwirken. Hierbei gilt der
Haushalt in der weiten (maßgeblichen) Interpretation als ausgeglichen, wenn die Zuführungen vom
Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt mindestens der Höhe der planmäßigen Tilgungsleistungen
entsprechen.15 Die frühere Sächsische Kommunalhaushaltsverordnung vermerkt: „Diese [Pflicht]zuführung muss mindestens so hoch sein, dass damit die Kreditbeschaffungskosten, die Belastungen aus
im Vermögenshaushalt veranschlagten kreditähnlichen Rechtsgeschäften und die ordentliche Tilgung
von Krediten gedeckt werden können“ (§ 22 SächsKomHVO 2002). Grundsätzlich umfassen die Vorschriften zum Haushaltsausgleich folglich neben dem Verwaltungshaushalt auch den Vermögenshaushalt. Wird im Folgenden auf den kameralen Haushaltsausgleich Bezug genommen, so ist jedoch die in
der Literatur vorherrschende Interpretation des ausgeglichenen Verwaltungshaushalts (inklusive
Pflichtzuführungen, exklusive Zuführungen aus dem Vermögenshaushalt) gemeint.
Im Rahmen der Doppik bezieht sich der Haushaltsausgleich auf den Ergebnishaushalt. Dieser ist in
Sachsen „in ordentlichen Erträgen und ordentlichen Aufwendungen unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen und Überschüssen des ordentlichen Ergebnisses aus Vorjahren auszugleichen“ (§ 72 (3) SächsGemO). Erträge und Aufwände beinhalten, wie bereits erläutert, hierbei in Abgrenzung zu Ein- und
Auszahlungen auch nicht zahlungswirksame Vorgänge. In Sachsen dürfen außerordentliche Erträge
nicht mit ordentlichen Aufwänden verrechnet werden.16 In einigen Bundesländern erfordert der Haushaltsausgleich zudem, dass im Rahmen des Finanzhaushalts der Saldo zwischen ordentlichen Ein- und
Auszahlungen ausreicht, um die planmäßigen Tilgung zu decken.17 Dies entspricht einer Integration der
kameralen Anforderung an den Haushaltsausgleich in das doppische System.18 Die folgende Analyse
beschränkt sich auf die sächsische Perspektive und nimmt dabei an, dass § 72 (3) SächsGemO 2014
maßgeblich ist. Tatsächlich ist Absatz 3 derzeit jedoch nicht bindend, da das beschriebene Erfordernis
im folgenden Absatz 4 eingeschränkt wird.19
15
16
17
18
19
Vgl. Schwarting 2006.
Dies verhindert beispielsweise die Möglichkeit, Haushaltslöcher durch Vermögensverkäufe zu stopfen.
Vgl. z. B. § 18 (1) 2 RP GemO.
Damit ist hier, unabhängig von der Haushaltssituation, die Möglichkeit einer Erleichterung des Haushaltsausgleichs durch die Doppikumstellung im Grundsatz ausgeschlossen, da die kamerale Erfordernis um den
doppischen Haushaltsausgleich erweitert (und nicht ersetzt) wird.
Ein Haushaltsstrukturkonzept ist demnach erst dann aufzustellen, sofern die ordentlichen Tilgungen nicht
gedeckt sind § 72 (4) SächsGemO 2014. Dies entspricht dem kameralen Erfordernis, die Pflichtzuführungen
zu decken. Somit bleibt der kamerale Ausgleich das faktisch relevante Kriterium. Absatz 4 gilt derzeit bis
Ende 2016 (SächsGVBI, 18.10.2016). Laut Auskunft der Kommunalaufsicht scheint eine einjährige Verlängerung der Erleichterungsregelung jedoch wahrscheinlich. Des Weiteren wird derzeit darüber beraten, ob der
Haushaltsausgleich auch darüber hinaus vereinfacht wird, indem Abschreibungen für in vorangegangenen
Jahren durchgeführte Investitionen nicht haushaltsbelastend zu berücksichtigen sind. Diese Regelung wird
in dem hier vorliegenden Text jedoch nicht betrachtet.
Aufgrund der beschriebenen Einschränkungen entfernt sich das regulatorisch relevante Haushaltsergebnis
demnach vom doppischen Buchergebnis, welches alle Abschreibungsbelastungen beinhaltet.
8
3.1 Beispiele zur Haushaltsbelastung verschiedener Finanzierungsformen
Die kamerale Haushaltsrechnung bildet Investitionsvorgänge nicht finanzierungsneutral ab. Ein Blick
auf unterschiedliche Finanzierungsarten öffentlicher Infrastruktur eignet sich daher, um die wichtigsten Unterschiede zwischen Kameralistik und Doppik herauszuarbeiten. Im Folgenden wird zunächst
zwischen den zwei klassischen Finanzierungsarten - aus dem eigenen Vermögensbestand (Kassenmitteln) und Fremdmitteln - unterschieden. Des Weiteren wird dargestellt, wie die komplette Auslagerung
einer Infrastrukturmaßnahme abzubilden ist. Dabei werden die Auswirkungen der Investition auf den
Haushalt im jeweiligen System dargestellt. Außerdem wird abgebildet, wie die Investition buchhalterisch im Vermögens- und Verwaltungshaushalt der Kameralistik auf der einen Seite und in der doppischen Bilanz auf der anderen Seite berücksichtigt wird.
Exemplarisch soll der Erwerb eines Vermögensgegenstands beschrieben werden. Folgende Annahmen
werden vereinfachend zugrunde gelegt:
●
●
●
Anschaffungskosten: 1 Mio. Euro
Finanzierung über Kapitalmarkt mit einem Kredit über 10 Jahre Laufzeit, wobei sich die Zinskosten auf insgesamt 200 000 Euro belaufen20
Lineare Abschreibung über 10 Jahre
a) Finanzierung aus dem Vermögensbestand
In der häufig verwendeten Umschreibung „Finanzierung aus eigenen Mitteln“ zeigt sich die zahlungsorientierte Perspektive der Kameralistik. Im Ergebnishaushalt der Doppik reduziert eine Finanzierung
aus eigenen Vermögenstiteln (z. B. Kassenbestand) jedoch nicht das Eigenkapital. Im Folgenden soll
daher die neutralere Formulierung „Finanzierung aus dem Vermögensbestand“ verwendet werden.
Konkret wird im Folgenden die Finanzierung aus vorhandenen Kassenmitteln erläutert.
Im Rahmen der Kameralistik sind Ausgaben für Investitionen dem Vermögenshaushalt zuzuordnen.
Fortlaufende Belastungen des Verwaltungshaushalts entstehen bei der Finanzierung über den Kassenbestand nicht.21 Folglich ist auch der Haushaltsausgleich im engeren Sinne nicht von der Investition
berührt.
Im Rahmen der Doppik wird im Zeitpunkt des Erwerbs bilanziell ein Aktivtausch beschrieben. Da sich
somit nur die Vermögensstruktur, nicht jedoch die Vermögenshöhe ändert, ist dieser nicht ergebniswirksam und führt dementsprechend zu keiner Haushaltsbelastung. Da die Immobilie über 10 Jahre
linear abgeschrieben wird, muss in den Jahren t1-t10 jedoch jeweils ein Wertverlust von 100 000 Euro
ergebniswirksam berücksichtigt werden, der die Vermögenshöhe mindert. Das heißt, der Haushaltsausgleich wird jährlich mit jeweils 100 000 Euro belastet.
20
21
Aus Gründen der Vereinfachung werden Zinseffekte aufgrund verschiedener Zahlungsvarianten, sowie Änderungen im Preisniveau nicht berücksichtigt.
Betrachtung ab t0. Vgl. Erläuterungen unter 3.2.
9
Abb. 3: Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf
bei Finanzierung aus vorhandenen Mitteln22
Buchung Kameralistik
Vermögenshaushalt t0
100
Ausgaben bzw.
Reduktion
Rücklage
1 Mio.
EK (Abschr.)
-100 T
Buchung Doppik
Bilanzveränderung t0
50
0
0
2
4
Kameralistik
6
8
10
Immobilien
+1 Mio.
Kasse
-1 Mio.
Bilanzveränderung tn
Immobilien
Doppik
-100 T
Quelle: Eigene Darstellung.
b) Fremdfinanzierung
Im Rahmen der Kameralistik gleichen sich die Auszahlungen für die Investition und die Kreditaufnahme
als Zu- und Abgänge in t0 im Vermögenshaushalt aus. In den Folgejahren belasten die Fremdkapitalzinsen sowie die Tilgungsraten (über die Pflichtzuführungen) den Verwaltungshaushalt. Es wird eine Annuitätenzahlung23 unterstellt. Somit werden die laufenden Ausgaben und damit der Haushalt jährlich
mit 120 000 Euro belastet.
Im Rahmen der Doppik entsteht im Zeitpunkt des Erwerbs ebenfalls keine Haushaltsbelastung. Es
kommt zu einer Bilanzverlängerung, da die erworbene Immobilie als Vermögenswert aktiviert und
gleichzeitig die eingegangenen Rückzahlungsverpflichtungen als Verbindlichkeit passiviert werden. In
den Folgejahren wird der Haushalt durch die ergebniswirksamen Abschreibungen sowie den Zinsaufwand belastet. Die Tilgung des Kredits ist hingegen nicht ergebniswirksam und führt lediglich zu einer
Bilanzverkürzung. Diese muss im Rahmen der Doppik in den ergebnisneutralen Tilgungs- und den ergebniswirksamen Zinsanteil aufgebrochen werden. Hieraus ergibt sich zunächst eine höhere Haushaltsbelastung, da der Zinsanteil im Zeitverlauf sinkt, bzw. der Tilgungsanteil steigt.
Abb. 4: Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf bei Fremdfinanzierung
Buchung Kameralistik
Vermögenshaushalt t0
Einnahmen
1 Mio (Kreditaufn.)
Verwaltungshaushalt tn
Einnahmen
100
Ausgaben
1 Mio (Immobilienkauf)
Ausgaben
Zinsaufwand
und Pflichtzuführungen i. H.
v. 120 000 €
50
0
0
2
4
Kameralistik
Quelle: Eigene Darstellung.
22
23
6
Doppik
8
10
Buchung Doppik
Bilanzveränderung t0
Immobilien
+1Mio
Kasse
-1 Mio
Bilanzveränderung tn
Immobilien
-100 T
Kasse
ø -120 T
VBK
+1Mio
VBK
EK (Abschr..)
EK
(Zinswaufw..)
-100 T
-100 T
ø -20 T
Die Betrachtung beschränkt sich auf den Zeitraum ab dem Vermögenserwerb. Im Vorhinein müssen jedoch
aus dem Verwaltungshaushalt Mittel an den Vermögenshaushalt zugeflossen sein, um die Investitionen zu
tätigen. Es handelt sich dabei jedoch nicht notwendigerweise um für den Haushaltsausgleich relevante
Pflichtzuführungen.
Darlehen mit konstanten Rückzahlungsbeträgen.
10
Bleibt der Tilgungsanteil, wie beispielsweise beim „KFW IKK – Investitionskredit Kommunen“, hingegen
gleich, so ist auch die Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik gleich hoch, da die
linear gleichbleibenden Tilgungen den linear gleichbleibenden Abschreibungen entsprechen, wenn,
wie im Beispiel unterstellt, die Nutzungsdauer der Infrastruktur der Kreditlaufzeit entspricht.
Bei der Fremdfinanzierung sind die Unterschiede in der Haushaltsbelastung demnach auch abhängig
von den Kreditkonditionen. Je nach Terminierung von Tilgung und Zinsen können sich unterschiedliche
Haushaltsbelastungen ergeben. Sind Tilgungen endfällig zu erbringen, hängt die Haushaltsbelastung
im Rahmen der Kameralistik davon ab, ob entsprechende Rücklagen gebildet wurden24, bzw. ob die
vorangegangenen Zuführungen an den Verwaltungshaushalt den Pflichtzuführungen zuzurechnen
sind.
c) Mietmodell / Echtes Leasing
Es wird unterstellt, dass für die Kommune alternativ die Möglichkeit besteht, den Vermögenswert anzumieten bzw. über ein “echtes Leasingmodell” bereitzustellen. In diesem Fall tätigt die Kommune
keine Investition, sondern bezahlt die Leistung direkt aus laufenden Mitteln. Das Vermögen der Kommune bleibt somit unverändert, während der Mietaufwand sowohl im Rahmen von Kameralistik als
auch Doppik den laufenden Haushaltsausgleich direkt belastet. Bei einer vollständigen Auslagerung
ergibt sich somit eine buchhalterische Gleichbehandlung.
Abb. 5: Haushaltsbelastung im Rahmen von Kameralistik und Doppik im Zeitverlauf, Mietmodell
Buchung Kameralistik
Verwaltungshaushalt tn
120
Ausgaben
100
Miete
120 T
Buchung Doppik
Bilanzveränderung tn
80
EK
(Mietaufw.)
60
-120 T
40
20
0
0
2
4
6
8
Kameralistik und Doppik
10
Quelle: Eigene Darstellung.
3.2 Diskussion der Beispiele
Die Beispiele zeigen, dass verschiedene Finanzierungsformen zu unterschiedlichen Belastungen des
kameralen bzw. doppischen Haushalts führen können. Hier wird der Kontrast zwischen dem Liquiditätsfokus der Kameralistik und dem Ressourcenverbrauchsprinzip der Doppik deutlich. Während Tilgungen Zahlungsflüsse zugrunde liegen, wobei der Vermögenswert unberührt bleibt, beschreiben Abschreibungen den nicht zahlungswirksamen Wertverlust aus der Perspektive des Ressourcenverbrauchs und stellen somit die Vermögensveränderung korrekter dar.
Im Rahmen der Kameralistik belasten ordentliche Tilgungszahlungen als Pflichtzuführungen den Verwaltungshaushalt und dementsprechend den kameralen Haushaltsausgleich. In der Doppik führt die
Rückzahlung von Krediten hingegen lediglich zu einer ergebnisneutralen Bilanzverkürzung, da sich
24
Vgl. § 22(1) KHVO 2002.
11
auch die Verbindlichkeiten entsprechend reduzieren. Auf der anderen Seite führen Investitionen, die
aus vorhandenen Aktiva (z. B. Kassenvermögen) finanziert werden, in der Doppik in den Folgejahren
zu Haushaltsbelastungen, da der Wertverlust ergebniswirksam abzuschreiben ist. Diese werden im kameralen System hingegen nicht berücksichtigt, da kein Zahlungsvorgang zugrunde liegt.
Verkürzt betrachtet „bestraft“ die Kameralistik somit im Hinblick auf die Haushaltseffekte die Fremdfinanzierung, während das doppische System finanzierungsneutrale Anreize setzt. Wird der zeitliche
Rahmen jedoch weiter gefasst, müssen auch im kameralen System bei einer Eigenfinanzierung dem
Vermögenshaushalt zunächst Mittel aus dem Verwaltungshaushalt zufließen. Diese belasten aber
nicht notwendigerweise, sondern nur im Rahmen von Pflichtzuführungen, den Haushalt. Auch die Doppik bleibt im Hinblick auf die im Rahmen des Haushalts gesetzten Anreize nicht vollständig finanzierungsneutral, da die Opportunitätskosten einer Finanzierung aus eigenen Mitteln im Haushaltsausgleich nicht berücksichtigt werden.
Entspricht die Nutzungsdauer des Infrastrukturvermögens der Kreditlaufzeit im Rahmen einer linearen
Tilgung und wird die Investition komplett fremdfinanziert, so ist die Haushaltsbelastung in beiden Systemen gleich hoch.25 Aus der kameralen Perspektive ist die Kreditlaufzeit entscheidend, während für
den doppischen Haushaltsausgleich die Nutzungsdauer relevant wird. Liegt die Kreditlaufzeit unter der
Nutzungsdauer bewirkt die Doppik eine Entzerrung der Haushaltsbelastung, indem die Haushaltsbelastung über mehr Jahre verteilt wird. Umgekehrt führt eine lange Kreditlaufzeit in Kombination mit
einer kurzen Nutzungsdauer zu einer konzentrierteren Belastung im Rahmen der Doppik.
In der vorangestellten Analyse wurden Rahmenbedingungen unterstellt, die für die Fremdfinanzierung
für beide Systeme eine ähnliche Haushaltsbelastung zur Folge haben. Ein Zusammenfallen von Kreditlaufzeit und Abschreibungsdauer ist in der Realität jedoch nicht zwangsläufig gegeben. Im Beispiel
wurde unterstellt, dass der erworbene Vermögenswert innerhalb von 10 Jahren abzuschreiben ist. Der
rechtlich vorgegebene Abschreibungszeitraum variiert je nach abzuschreibendem Vermögenswert jedoch stark. Während in Sachsen beispielsweise immaterielle Vermögensgüter innerhalb von 3-5 Jahren
abzuschreiben sind, beläuft sich der Zeitraum für Betonbrücken auf 60-100 Jahre (Anlage 1 SächsKomHVO-Doppik 2013).
Die Frage, welches buchhalterische System zu einer geringen Haushaltsbelastung führt, ist folglich einzelfallspezifisch zu beantworten. Zu berücksichtigen sind u. a.:26
●
●
●
●
●
der Fremdfinanzierungsanteil,
ggf. die Höhe der Tilgungsraten (bzw. der Rückstellungen im Falle eines endfälligen Darlehens),
ggf. die Kreditlaufzeit,
die Abschreibungsdauer sowie
die Abschreibungsrate, welche sich aus Abschreibungsdauer und bilanzierten Vermögenswerten errechnet.
In den beschriebenen Beispielen wurde des Weiteren unterstellt, dass sich die Frage nach Fremdfinanzierungscharakter sowie Vermögensaufbau einfach und eindeutig beantworten lässt. Im Rahmen der
Doppik müssen Leistungsansprüche und ─ unabhängig von der vertraglichen Eigentumszuordnung ─
auch wirtschaftliches Eigentum aktiviert werden. Ebenso müssen Entgelte, die Schuldcharakter aufweisen, entsprechend passiviert werden. Inwiefern eine Infrastrukturbeschaffung zur Bildung von
25
26
Vgl. Bauer und Maier 2004.
Vgl. Schwarting 2006.
12
kommunalem Vermögen führt bzw. die verbundene Finanzierungsform Schuldcharakter aufweist, ist
im Bereich der alternativen Finanzierungsformen jedoch keine triviale Frage.
Die Beispiele beschreiben verschiedene Effekte im Rahmen der Infrastrukturfinanzierung. Unabhängig
von der Finanzierungsform gibt es weitere Umstellungseffekte, die sich auf das Investitionsverhalten
von Kommunen auswirken können, wie in Kapitel 2 beschrieben. Neben direkten investitionsspezifischen Effekten sind hier auch weitere Wirkungen zu nennen, die den Haushaltsausgleich in seiner Gesamtheit be- oder entlasten. So wirkt sich die Erfassung interner Leistungserstellung positiv auf den
Haushaltsausgleich der Doppik aus. Weitere Effekte ergeben sich im Bereich der Rückstellungen. Beispielsweise sind im Rahmen der Doppik Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen
zu bilden. Im Gegensatz zur Kameralistik wirkt sich eine Unterlassung von Instandhaltungsmaßnahmen
somit direkt haushaltsbelastend aus. Letzterer Effekt ist aus Sicht der Erhaltung der kommunalen Infrastruktur positiv zu bewerten, da der Anreiz vermieden wird, die Haushaltsbelastung durch das Aufschieben notwendiger Instandhaltungen zu reduzieren.
4 Die Rahmenbedingungen in Sachsen
Die Frage, ob die Umstellung auf die doppische Buchhaltung den Haushaltsausgleich erschwert, ist
abhängig von der individuellen Haushaltsstruktur der jeweiligen Gebietskörperschaft. Zudem sind die
gesetzlichen Rahmenbedingungen und Verordnungen im Detail zu berücksichtigen. So folgt aus der
doppischen Buchführung nicht zwingendermaßen der doppische Haushaltsausgleich. Für die sächsischen Kommunen gelten entsprechende Übergangsregelungen. Unter der Annahme, dass der doppische Haushaltsausgleich gemäß § 72 (3) SächsGemO bindend eingeführt würde, werden im Folgenden
die für die sächsischen Kommunen entstehenden Belastungen näher beleuchtet.
4.1 Untersuchungsgegenstand der empirischen Analyse
Wird der kamerale mit dem doppiAbb. 6: Vereinfachter Vergleich der Haushaltsbelastungen,
schen Haushaltsausgleich hinsichtlich
Doppik vs. Kameralistik
der Frage, ob selbiger erschwert wird,
verglichen, so ist laut SCHWARTING vereinfachend auf folgende Formel zurückzugreifen: Sind die Tilgungsbeträge
und Pensionsauszahlungen höher als
die Abschreibungen und Pensionsrückstellungen, ergibt sich eine Minderbelastung im Rahmen der Doppik.27 Im
Folgenden werden Rückstellungen für
Verpflichtungen gegenüber (ehemaligen) Beschäftigten nicht berücksichtigt, da in Sachsen die Verpflichtung, Quelle: Eigene Darstellung.
Pensionsrückstellung zu bilden, 2012 aus § 41 SächsKomHVO-Doppik gestrichen wurde. Für Altersteilzeitbelastungen müssen jedoch weiterhin Rückstellungen gebildet werden. Weitere Rückstellungsbelastungen, z. B. für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen (vgl. 3.2), werden aus Gründen der Vereinfachung im Folgenden nicht betrachtet.
27
Vgl. Schwarting 2006.
13
Unter den gegebenen Einschränkungen führt eine Umstellung von Kameralistik auf Doppik folglich zu
einer Mehrbelastung, wenn die ordentlichen Abschreibungen die ordentlichen Tilgungen überschreiben (Vgl. Abb. 6). Die folgende empirische Untersuchung prüft, ob diese Bedingung für die sächsischen
Kommunen gegeben ist. Abschließend wird die Situation in Sachsen mit anderen Bundesländern verglichen.
4.2 Untersuchung einer potenziellen Haushaltsmehrbelastung für sächsische Kommunen
Die Untersuchung basiert auf der kameralen Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Landesamtes
Sachsen, welche Abschreibungen im Rahmen der kalkulatorischen Kosten erfasst. Aufgrund der Umstellung des Rechnungslegungssystems ergeben sich jedoch Probleme hinsichtlich der Datenqualität,
die zunächst etwas ausführlicher erläutert werden.
Vorbemerkungen zur Datenlage
Ab 2008 wurde in Sachsen schrittweise die Doppik eingeführt, sodass vermutlich weniger Kommunen
(kamerale) Angaben zu kalkulatorische Abschreibungen gemacht haben. „Leere“ Datenangaben existieren in der Jahresrechnungsstatistik jedoch nicht, sodass fehlende Angaben vermutlich weiterhin mit
dem Wert „0“ erfasst werden. Es ist daher zu vermuten, dass die kameralen Angaben zu kalkulatorischen Abschreibungen nach 2007 fehlerhaft sind. Doppische Daten zu Abschreibungen werden derzeit
jedoch nicht vom statistischen Landesamt erfasst. Aufgrund der lückenhaften Datenlage wurden daher
zwei Berechnungen angestellt.
In Variante a werden Kommunen, die in der Jahresrechnungsstatistik mit einem Abschreibungswert
von „0“ erfasst sind, ignoriert.28 Hieraus ergibt sich eine geringere Beobachtungsanzahl, wie Tabelle 1
zu entnehmen ist. Eine Verzerrung mit dem Effekt einer zu hohen Bewertung der Abschreibungen ist
für Variante a nicht auszuschließen, da die Angabe „0“ ignoriert wurde. Der Vergleich für das Jahr 2007
zeigt jedoch, dass eine mögliche Verzerrung relativ gering ausfallen sollte. Dieser Rückschluss basiert
auf der Annahme, dass nicht davon auszugehen ist, dass seit 2007 die Anzahl der Kommunen, die keine
Abschreibungen verzeichnen, systematisch gesunken ist.29 Die Stichprobe der Variante a, welche über
alle Jahre mindestens 225 Beobachtungen umfasst, gibt folglich vermutlich eine gute Approximation
für die Grundgesamtheit aller Kommunen.30
In Variante b werden Kommunen, die in der Jahresrechnungsstatistik mit einem Abschreibungswert
von „0“ erfasst sind, in der Berechnung berücksichtigt.31 Für Variante b sind zumindest für die näher
28
29
30
31
In Tabelle 1 ist Variante a gelb hervorgehoben.
Grundsätzlich ist kritisch zu hinterfragen, ob überhaupt Kommunen existieren, die keine Abschreibungen zu
verzeichnen haben.
Eine weitere potenzielle Verzerrung ergibt sich aus der Zusammenfassung der Datenstelle 680 „Abschreibungen“ und der Summe aus den Datenstellen 681 „Abschreibungen für Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte“ sowie 682 „Abschreibungen für bewegliche Sachen“. Hier besteht für die Kommunen ein Wahlrecht entweder 680 oder 681 und 682 auszufüllen. Einige Kommunen haben jedoch beide Felder ausgefüllt,
wobei in wenigen Fällen die Angaben nicht deckungsgleich sind. In diesen Fällen wurde der maximale Wert
aus beiden Angaben gewählt, was vermutlich eine geringe Überschätzung der Höhe der Abschreibungen zur
Folge hat.
Variante b ist in Tabelle 1 blau hervorgehoben.
14
zurückliegenden Jahre mit großer Wahrscheinlichkeit falsche Angaben zu Abschreibungswerten erfasst.32 In der Tendenz kommt es daher zu einer Unterschätzung der Abschreibungshöhe und damit zu
einer Verzerrung der Ergebnisse.
Für die kürzer zurückliegenden Beobachtungszeiträume bietet Variante a daher eine solidere Interpretationsgrundlage. Für 2007 ist die Erfassung der Abschreibungen vermutlich relativ vollständig, was die
geringe Abweichung zwischen Variante a und b verdeutlicht. Für das Jahr 2013 fallen die Angaben zu
Abschreibungen zu lückenhaft aus, um empirisch valide Aussagen treffen zu können.
Tabelle 1 gibt eine Übersicht über Beobachtungsanzahl, Mittelwerte und Streuung der Daten für beide
Varianten. Die Tilgungsdaten sind für beide Varianten gleich, hier wurden Nullwerte jeweils erfasst.
Tab. 1: Übersicht Datengrundlage, Abschreibungen und Tilgungen der sächsischen Kommunen
Jahr
Variante
Anzahl Beobachtungen
Arithm. Mittel
2007
a
Abschreibungen. (exkl. 0)
353
233.550
394.274
200
2.609.627
2007
2007
a
Abschr. (exkl. 0) ─ Tilgungen
353
32.200
779.672
-12.200.000
2.248.818
b
Abschreibungen (inkl. 0)
468
176.161
356.796
0
2.609.627
2007
b
Abschr. (inkl. 0) ─ Tilgungen
468
-2.833
738.783
-12.200.000
2.248.818
Tilgungen
468
178.994
800.056
0
14.500.000
2007
Variable
Standardabw.
Minimum
Maximum
2010
a
Abschreibungen (exkl. 0)
342
241.123
510.248
200
6.637.551
2010
a
Abschr. (exkl. 0) ─ Tilgungen
342
60.437
917.123
-14.500.000
4.371.321
2010
b
Abschreibungen (inkl. 0)
468
176.206
448.967
0
6.637.651
2010
b
Abschr. (inkl. 0) ─ Tilgungen
468
-37.615
1.003.391
-14.500.000
4.371.321
Tilgungen
468
213.820
1.057.015
0
17.600.000
2010
2012
a
Abschreibungen (exkl. 0)
225
221.781
431.086
578
4.276.505
2012
a
Abschr. (exkl. 0) ─ Tilgungen
225
73.144
663.436
-6.693.135
4.182.883
2012
b
Abschreibungen (inkl. 0)
440
113.411
327.324
0
4.276.505
2012
b
Abschr. (inkl. 0) ─ Tilgungen
440
-523.099
5.581.132
-110.000.000
4.182.883
Tilgungen
440
636.538
5.563.136
0
110.000.000
2012
Median
46.547
12.040
49.954
15.870
45.728
0
In beiden Varianten werden aufgrund der Datenunschärfe ordentliche und vermutlich außerordentliche Abschreibungen mit ordentlichen Tilgungszahlungen verglichen werden. In der Tendenz könnte
sich so eine Überschätzung der Mehrbelastung ergeben. Auf der anderen Seite hat sich vermutlich für
viele Kommunen aufgrund der Doppikeinführung die Berechnungsgrundlage33 für Abschreibungen erhöht, da erstmals eine detaillierte Vermögensbewertung erforderlich ist. Unter diesem Gesichtspunkt
ist die Vollständigkeit der Daten nicht gesichert, 34 was vermutlich auf eine zu geringe Darstellung der
Abschreibungsbelastung schließen lässt. Zudem bestehen weitere haushaltsrelevante Effekte, die
32
33
34
Beispielsweise werden im Jahr 2012 für Leipzig Abschreibungen in Höhe von „0“ erfasst, was den Angaben
im Haushaltsplan widerspricht.
Vermutlich bestehen auch zwischen den Kommunen Unterschiede bei der Erfassung der Bemessungsgrundlage. Beispielsweise können unterschiedliche betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren (vgl. Kapitel 2)
eingesetzt werden. Aber auch im Bereich der technischen Erfassung von Bestandswerten stehen z. B. im
Rahmen der Straßenerfassung unterschiedliche Methoden zur Auswahl (vgl. Großmann et al. 2012).
Die Angaben zu kalkulatorischen Abschreibungen beschränken sich ggf. auf im Rahmen der Gebührenkalkulation erfasste Abschreibungen.
15
nicht berücksichtigt werden. Diese ergeben sich beispielsweise aus der ergebnisrelevanten Erfassung
von Rückstellungen für unterlasse Instandhaltungsmaßnahmen im Rahmen der Doppik.
Untersuchungsergebnisse
Unter Vorbehalt der vorangehend beschriebenen Einschränkungen hinsichtlich der Datenqualität lassen sich folgende Beobachtungen machen. Der Vergleich der Angaben der sächsischen Kommunen
und Landkreise zu jährlichen Abschreibungen und ordentlichen Tilgungen zeigt für die Mehrheit der
Kommunen eine Mehrbelastung im Rahmen des doppischen Haushaltsausgleichs. Abbildung 7 stellt
die relative Anzahl der Kommunen dar, für welche die kalkulatorischen Abschreibungen die ordentlichen Tilgungen überschreiten (roter Balken). Die Differenz zwischen Abschreibungen und Tilgungszahlungen ist über alle Datenreihen hinweg für mehr als die Hälfte der Kommunen positiv.
Auf Grundlage von Variante a fallen für alle Jahre mehr als 70 Prozent der Kommunen in den Bereich
der Mehrbelastung. Auch unter der Annahme, dass die Abschreibungshöhe in geringem Maße überschätzt wurde, ergibt sich somit eindeutig eine Mehrbelastung für die Mehrzahl der Kommunen. Hinsichtlich der Effekte, die sich aus der unterschiedlichen Bewertung von Finanzierungvarianten ergeben,
ist der doppische Haushaltsausgleich gegenüber dem kameralen somit für das Gros der sächsischen
Kommunen erschwert.
Abb. 7: Ergebnisse der empirischen Untersuchung hinsichtlich einer Haushaltsmehrbelastung,
Abschreibungs- und Tilgungsdaten für Kommunen in Sachsen
Variante a
Variante b
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
100%
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
2007a
Abschreibung>Tilgung
2010a
0
2012a
Tilgung>Abschreibung
2007b
Abschreibung>Tilgung
2010b
0
2012b
Tilgung>Abschreibung
Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Statistisches Landesamt Sachsen, (kamerale) Jahresrechnungsstatistik.
Dies deckt sich mit den empirischen Untersuchungen von JÄNCHEN35, welche basierend auf der Analyse von Haushaltsplandaten für das Jahr 2014 für 77% der sächsischen Kommunen einen negativen
Ergebnishaushalt feststellt. In Ihrer Untersuchung weist JÄNCHEN zudem darauf hin, dass die Mehrheit
der Kommunen mit negativem Ergebnishaushalt auch einen negativen Finanzhaushalt vorweisen.
35
Vgl. Jänchen 2014.
16
4.3 Die Situation der sächsischen Kommunen im Ländervergleich
Die vorangehende Ausgangssituation der Kommunen in Sachsen soll im Folgenden relativ zu anderen
Bundesländern betrachtet werden. Im Ländervergleich deuten einige Aspekte darauf hin, dass die
sächsischen Kommunen stärker von einer Mehrbelastung betroffen sind als die Kommunen anderer Bundesländer.
Die sächsischen Kommunen weisen einen relativ geringen Schuldenstand pro Kopf aus. Dies könnte
darauf schließen lassen, dass auch die Tilgungszahlungen relativ gesehen einen geringen Anteil am
kommunalen Haushalt ausmachen. Vernachlässigt werden bei dieser Betrachtung Unterschiede in der
Refinanzierungsfrequenz.
Der Sächsische Rechnungshof erwähnt in 2008: „Durch Zins- und Tilgungszahlungen sind die sächsischen Kommunen in ihren Kernhaushalten gegenwärtig ähnlich gering belastet wie zuvor nur in der
ersten Hälfte der Neunzigerjahre“.
Abb. 8: Kommunale Verschuldung pro Einwohner im Ländervergleich im Jahr 2014 36
4000
3000
2000
1000
0
Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Statistisches Bundesamt.
Aufgrund fehlender Daten ist im Folgenden kein Vergleich der kommunalen Abschreibungsbelastungen auf Länderebene möglich. Es soll jedoch versucht werden, aus vorliegenden Daten zu Investitionen
der letzten 15 Jahre Rückschlüsse auf die Vermögenssituation in Sachsen relativ zu anderen Bundesländern zu ziehen (vgl. Abb. 9).
36
Die Darstellung bezieht sich auf kommunale Kernhaushalte.
17
Abb. 9: Sachinvestitionen der Kommunen nach Ländern in Prozent der bereinigten Ausgaben seit 2001
25,00%
20,00%
15,00%
10,00%
5,00%
0,00%
BW
2001
2002
BY
2003
SH
2004
NI
2005
SL
2006
RP
HE
NW
2007
2008
2009
SN
BB
2010
2011
TH
ST
2012
2013
MV
2014
Quelle: Eigene Darstellung, Daten: Statistisches Bundesamt.
Die sächsischen Kommunen weisen für die vergangenen 15 Jahre relativ hohe Sachinvestitionen auf.
Nach der Wiedervereinigung wurden in den neuen Bundesländern zunächst hohe Investitionen getätigt. Dies erklärt auch die in Abbildung 9 dargestellten höheren Rückgänge der Investitionsquoten in
den ostdeutschen Ländern, welche auf die abschmelzenden Mittel aus dem Solidarpakt II zurückzuführen sind. Auch im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Bundesländern fallen die Sachinvestitionen
in Sachsen relativ hoch aus. Da getätigte Bauinvestitionen über mehrere Jahrzehnte abzuschreiben
sind, ergeben sich entsprechend fortlaufende Abschreibungsbelastungen. Auch hier zeichnet sich für
die sächsischen Kommunen im Ländervergleich somit tendenziell eine höhere Belastung ab.
5 Fazit
Die pauschale Aussage, die Doppik führe grundsätzlich zu einer höheren Haushaltsbelastung, und die
folgende allgemeine Ableitung, die Umstellung auf das ressourcenverbrauchsbasierte Buchhaltungssystem führe zu negativen Investitionsanreizen, lässt sich nicht bestätigen.
Zum einen hat die Doppik nicht nur über den Wirkungskanal des Haushaltsausgleichs Effekte auf die
kommunalen Investitionen. Die vorangehende These lässt dies außer Acht. Des Weiteren verdeutlichen die derzeitigen Übergangsregelungen, dass aus der Einführung der Doppik in der Praxis nicht
zwangsläufig ein doppischer Haushaltsausgleich resultiert. Tatsächlich muss der Haushaltsausgleich
auf Ebene der sächsischen Kommunen derzeit nicht doppisch ausgeglichen werden. Aber auch wenn
der Haushaltsausgleich doppisch erbracht werden muss, ist die Haushaltsbelastung nicht in jedem Fall
höher, wie auf Basis der beschriebenen Beispiele verdeutlicht wurde. Die unterschiedlichen Haushaltsbelastungen im Rahmen von Doppik und Kameralistik beruhen demnach vorwiegend auf einer abweichenden Bewertung der Finanzierungsstruktur. Der doppische Haushaltsausgleich führt damit nicht
per se zu einer höheren Haushaltsbelastung. In der Tendenz gleichen sich Unterschiede bei einer umfassenden zeitlichen Betrachtung aus. So relativiert sich beispielsweise auch die haushaltsrechtliche
18
Begünstigung der Eigenfinanzierung im Rahmen der Kameralistik, wenn Zahlungsflüsse in den Vorjahren der Investition in der Betrachtung berücksichtigt werden, sofern diese den Pflichtzuführungen zuzuordnen sind.
Kapitel 4 stellt einen empirischen Vergleich hinsichtlich einer potenziellen Mehrbelastung für sächsische Kommunen im Rahmen einer Doppikeinführung mit doppischem Haushaltsausgleich an. Es zeigt
sich, dass die ordentlichen Tilgungen die Abschreibungen in der Mehrheit der Fälle überschreiten. Für
20-30 Prozent der Kommunen übersteigen die Tilgungen die Abschreibungen, was der These einer allgemeinen Haushaltserschwerung durch die Doppik widerspricht. Auf der Datengrundlage ist für die
meisten Kommunen jedoch tatsächlich auf eine Erschwerung des Haushaltsausgleichs zu schließen.
Einschränkungen ergeben sich jedoch aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit.
Im Ländervergleich zeigt sich, dass die sächsischen Kommunen insbesondere aufgrund der geringen
Schuldenquote vermutlich häufiger eine Haushaltsmehrbelastung zu tragen hätten, sodass die Doppikeinführung in Sachsen besondere Brisanz hat. Bemerkenswert ist, dass der Haushaltsgleich gerade
für jene Kommunen erschwert ist, die einen Schuldenabbau erreichen konnten und das kommunale
Vermögen durch Investitionen erhalten haben37.
Abschließend soll jedoch nochmals auf die Gründe für die Doppikeinführung hingewiesen werden. „Bedeutsamer als die fruchtlose Frage danach, ob der doppische Haushaltsausgleich schwieriger als der
kamerale zu erreichen sei, ist der erzielbare Informationsgewinn.“38 Die doppische Buchhaltung bietet
mehr Transparenz, ist einfacher nachvollziehbar und sorgt für mehr Generationengerechtigkeit.39 In
diesem Zusammenhang ist auch die „Verwässerung“ der Doppik im Sinne einer Entkopplung des Buchungssystems von den Ausgleichskriterien kritisch zu bewerten. Zudem erschwert das Nebeneinander verschiedener Regelungen die interkommunale Vergleichbarkeit. Derzeit steht es den sächsischen
Kommunen offen, den Haushalt nach § 72 (3) SächsGEMO doppisch auszugleichen, oder die Übergangsregelung nach Absatz 4 in Anspruch zu nehmen und weiter die kameralen Ausgleichskriterien
anzuwenden.
37
38
39
Vgl. Fullada, Wöste 2008.
Krengel 2008, S. 217.
Vgl. Nowak et al. 2014b.
19
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In: BFuP 67 (2015), Heft 6.
21
Das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS) stellt eine
kostenfreie Informations- und Beratungsplattform für die kommunale Ebene in Sachsen dar. Im
Schnittstellenbereich zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Politik agiert das KOMKIS als
kompetenter Informationsgeber, neutralen Vermittler und inhaltlicher Ansprechpartner zu Themen
der kommunalen Infrastrukturbeschaffung, -erhaltung und -bewirtschaftung.
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