Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                

Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft (zusammen mit Thomas Hensel)

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 aus: Jens Schröter (Hg.), Handbuch Medienwissenschaft, Stuttgart 2014. 414 Bosse, Heinrich: Autorschaft ist Werkherrschaft. Über die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit. Paderborn u. a. 1981. Brandt, Ahasver von: Werkzeuge des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften [1958]. Stuttgart u. a. 172007. Daston, Lorraine: Die unerschütterliche Praxis. In: Rainer Maria Kiesow/Dieter Simon (Hg.): Auf der Suche nach der verlorenen Wahrheit. Zum Grundlagenstreit in der Geschichtswissenschaft. Frankfurt a. M. u. a. 2000, 13–25. Dommann, Monika: Recording Prints, Reading Films. Mikrofilme, amerikanische Kosmopoliten und die Entdeckung des Copyrightproblems in den 1930er Jahren. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 2/2 (2010), 73–83. Droysen, Johann Gustav: Historik: historisch-kritische Ausgabe, Bd. 1: Rekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen (1857), Grundriss der Historik in der ersten handschriftlichen (1857–1858) und in der letzten gedruckten Fassung (1882). Hg. von Peter Leyh. Stuttgart-Bad Cannstatt 1977. Eckert, Astrid M.: Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg. Stuttgart 2004. Ginzburg, Carlo: Spurensicherung. Der Jäger entziffert die Fährte, Sherlock Holmes nimmt die Lupe, Freud liest Morelli – Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst. In: Ders. (Hg.): Spurensicherung. Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst. Berlin 1995, 7–44. Kittler, Friedrich A.: Aufschreibesysteme 1800/1900. München 1995. Koch, Gertrud: Nachstellungen. Film und historischer Moment. In: Eva Hohenberger/Judith Keilbach (Hg.): Die Gegenwart der Vergangenheit. Berlin 2003, 216–229. Meisner, Heinrich Otto: Aktenkunde. Ein Handbuch für Archivbenutzer, mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens. Berlin 1935. Peters, John Durham: Geschichte als Kommunikationsproblem. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 1/1 (2009), 81–92. Saxer, Daniela: Archival objects in motion: Historians ’ appropriation of sources in nineteenth-century Austria and Switzerland. In: Archival Science 3/10 (2010), 315– 331. Spode, Hasso: Ist Geschichte eine Fiktion? Interview mit Reinhart Koselleck. In: NZZ Folio 3 (1995), http://www. nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264–4db4-afd0–277884b 93470/showarticle/dd30ca32–4681-4eb3–994b-c36fe56 5dd49.aspx (11.12.2012). Vismann, Cornelia: Akten. Medientechnik und Recht. Frankfurt a. M. 2001. Wehler, Hans-Ulrich: Geschichte als historische Sozialwissenschaft. Frankfurt a. M. 1973. White, Hayden: Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen. Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Stuttgart 1986. Monika Dommann Schroeter_Medienwissenschaft.indb 414 IV. Schnittstellen 7. Kunstwissenschaft/ Bildwissenschaft Die seit dem 19. Jahrhundert akademisch etablierte Kunstwissenschaft reflektiert Werke, Geschichte und Theorie der bildenden Künste von der Spätantike bis zur Gegenwart. Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich in ihr mit dem iconic und pictorial turn (vgl. Boehm 1994, 13; Mitchell 1992) ein Paradigmenwechsel vollzogen. Die von der Kunstwissenschaft geprägten Termini beschwören jene Wende in den Geisteswissenschaften, die eine Hinwendung von der mit dem linguistic turn einhergehenden Leitvorstellung der ›Kultur als Text‹ zu derjenigen einer ›Kultur als Bild‹ bezeichnet (vgl. Bachmann-Medick 2006). Dabei hat die Kunstgeschichte Konkurrenz durch jüngere Fächer wie die Medienwissenschaft und die Visual Culture Studies (vgl. u. a. Morra/Smith 2006) bekommen, die ebenfalls bildwissenschaftliche Kompetenz für sich reklamieren (vgl. z. B. Heßler 2006; Heßler/Mersch 2009; Günzel/Mersch 2014 (in Vorb.)). In Reaktion darauf erweiterte die Kunstwissenschaft den ihr angestammten Gegenstandsbereich der Kunstbilder und nahm sich auch sogenannter nicht-künstlerischer Bilder wie technischer Zeichnungen oder wissenschaftlicher Diagramme an (vgl. z. B. Elkins 1999; Holländer 2000; Kemp 2003). Darüber hinaus wird die Kunstwissenschaft durch die Philosophie herausgefordert, die sowohl in semiotischer und pragmatischer (vgl. Scholz 2004), als auch in phänomenologischer Hinsicht (vgl. Wiesing 2005) Bildtheorien vorgelegt hat. Das Bild als wahrnehmungsnahes Zeichen definierend, fordert Klaus Sachs-Hombach eine die verschiedenen Grundlagendisziplinen der Bildforschung integrierende und systematisierende Bildwissenschaft (vgl. Sachs-Hombach 2003). In diesem Spannungsfeld betrachtet auch (und gerade) eine allgemeine Bildwissenschaft die Kunstwissenschaft als durch »die älteste und differenzierteste Tradition bildtheoretischen Nachdenkens« (ebd., 17 f.) ausgezeichnet. Die Autorität der Kunstwissenschaft beruht im Wesentlichen auf dem historischen Tiefenwissen des Fachs sowie auf einem speziell an Bildern, für und durch Bilder entwickelten methodisch-analytischen Instrumentarium zur Deutung von Form und Inhalt (vgl. Belting u. a. 2008). Auch wenn innerhalb des Fachs vereinzelt noch versucht wird, nicht-künstlerische Bilder aus dem Kanon auszuklammern, lassen starke Indizien doch auf ein weithin verbreitetes Verständnis von 26.02.14 11:34 415 7. Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft Kunstwissenschaft als Bildwissenschaft schließen: unter anderem die Stabilisierung eines diesbezüglichen Kommunikationsnetzes mittels periodisch erscheinender, sich explizit dem Bild zuwendender Fachzeitschriften (vgl. z. B. Bredekamp/Bruhn/Werner 2003 ff.), die Kanonisierung des Wissensgebietes durch Handbücher, Sondernummern in kunst- und kulturwissenschaftlichen Zeitschriften oder Ausstellungen (vgl. z. B. Beyer/Lohoff 2005; Bredekamp/ Schneider/Dünkel 2008), die Selbstrekrutierung in entsprechenden Forschungsverbünden und Netzwerken (z. B. »eikones – NFS Bildkritik. Macht und Bedeutung der Bilder«), an einschlägig (um-)benannten Instituten und Seminaren (z. B. Institut für Kunst- und Bildgeschichte, HU Berlin) oder die Einrichtung von Curricula und Professuren mit einer Denomination auch für Bildwissenschaft (z. B. Professur für Kunstgeschichte/Bildwissenschaften, Universität Passau; Professur für Historische Bildwissenschaft/Kunstgeschichte, Universität Bielefeld). Neben der unübersehbaren Rolle von Bildern in den Naturwissenschaften und ihrer Bedeutung als Erkenntnisinstrumente sowie der ständig zunehmenden Verbreitung von Bildtechnologien, liegt ein anderer Beweggrund für die forcierte Erweiterung des Gegenstandsbereichs der Kunstwissenschaft in dem Wunsch begründet, bildwissenschaftliche Überlegungen aus der Frühzeit des Faches fortzuführen und anzureichern. Das kunstwissenschaftliche Methodenrepertoire zur Bestimmung und Deutung von Bildern ist keineswegs nur auf das Verständnis historischer Phänomene der sogenannten Hochkunst beschränkt. Zu Recht wird immer wieder betont, dass sich seit ihren Anfängen führende Vertreter der Kunstwissenschaft wie Julius von Schlosser, Alois Riegl, Erwin Panofsky und Aby M. Warburg auch und gerade mit Bildwerken beschäftigt haben, die zu ihrer Zeit als Erzeugnisse der Alltagskultur massenhaft produziert worden sind – eine Tradition, die in Deutschland infolge von Emigration um 1933 und das darauf folgende intellektuelle Vakuum zeitweilig in Vergessenheit geraten ist. Als spiritus rector einer historischen Bildwissenschaft, die den Hiatus zwischen ›High-‹ und ›LowArt‹ zu überbrücken trachtete, sprach Warburg 1925 explizit von »unseren methodologischen Versuchen, von der Kunstgeschichte zur Wissenschaft vom Bilde fortzuschreiten« (WIA, GC, Aby Warburg an Moritz von Geiger, 17.11.1925). Vermutlich das erste Mal fällt jener programmatische Begriff in Warburgs Sammlung »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Schroeter_Medienwissenschaft.indb 415 Kunstpsychologie)«; hier formulierte der 23-Jährige am 18. März 1890 die Idee einer »Wissenschaft von den Bildern« (WIA, III.43.1.1., 1890, 28). Kunst/Bild und Medium Eine sich dergestalt als Bildwissenschaft verstehende Kunstwissenschaft hat sich mehrfach dezidiert zum Verhältnis von Kunst respektive Bild und Medium geäußert. Für Hans Belting etwa gewinnt der Medienbegriff seine Bedeutung erst in einer Korrelation mit Körper und Bild. Das Medium sei durch einen »doppelte[n] Körperbezug« ausgezeichnet (Belting 2001, 13): Zum einen würde der Mensch die Trägermedien der Bilder als deren symbolische Körper betrachten, als »stellvertretende[n] Ersatz und Re-Präsentation eines nicht präsenten oder rein imaginären Körpers« (Schulz 2005, 124), zum anderen wirkten die Medien auf die körperlich verfasste Wahrnehmung des Rezipienten ein und veränderten diese. In dieser bildanthropologischen Perspektive gewährleisten Medien also, dass Bilder sich verkörpern können, sich damit überhaupt erst als Bilder wahrnehmen lassen. Durch die Affizierung des menschlichen Wahrnehmungskörpers können wiederum neue Bilder entstehen, die sich qua Medien erneut verkörpern (s. Kap. IV.3). Eine zweite zentrale Position markiert die Bildontologie Gottfried Boehms, der in Übereinstimmung mit Niklas Luhmann Medien als lose Koppelungen von Elementen betrachtet, aus denen sich feste gekoppelte Formen herausdifferenzieren lassen, die z. B. als Bilder adressiert werden können (s. Kap. II.11). Darauf aufbauend (und in Anlehnung an Martin Heideggers Rede von der ›ontologischen Differenz‹), bestimmt Boehm als das minimale Definiens eines (künstlerischen) Bildes die sogenannte ikonische Differenz, d. h. »die gleichzeitige Wahrnehmbarkeit von Darstellungsebene und Dargestelltem, von medialer Prämisse und ikonischer Formung« (Boehm 1999, 173). Wenn Boehm von Medien als Vorbedingungen ikonischer Formungen spricht, bewegt er sich auf Augenhöhe mit einer Grundannahme der Medienwissenschaft, gemäß der Medien wenn nicht hinreichende, so doch notwendige Möglichkeitsbedingungen jedweder Erkenntnis- und Wissensformierung und damit auch von Bildproduktion, -rezeption und -distribution sind. Eine solche Sichtweise, die Wechselwirkungen zwischen Produktionstechniken und Repräsentationsfertigkeiten beobachtet, kündigt sich in der Kunstwissenschaft 26.02.14 11:34 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 416 schon mit der frühneuzeitlichen Gründerfigur der Kunsthistoriographie, mit Giorgio Vasari an, der in seiner Vita des Antonello da Messina die Überlegenheit der Ölmalerei über andere Verfahren feststellt, mit Blick etwa auf die Möglichkeit, Licht und Schatten illusionistisch wiedergeben zu können. Ein dritter Vertreter der neueren Bildwissenschaft ist Horst Bredekamp, der u. a. 2000 am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin das Projekt »Das Technische Bild« (vgl. Bredekamp/Schneider/Dünkel 2008) und die Kolleg-Forschergruppe »Bildakt und Verkörperung« ins Leben rief. Seine Forschungen zur Form und Funktion technischer Bilder sowie zur Performativität und Körperbezogenheit von Bildern sind relevant für vergleichbare Fragen in der Medienwissenschaft. Sein programmatischer Aufsatz »Bildmedien«, zu finden in einer einschlägigen Einführung in die Kunstwissenschaft (vgl. Belting u. a. 2008, 363–386), beginnt mit dem Satz: »Kunstgeschichte ist auch eine Medienwissenschaft«. Er weist darauf hin, dass die Kunstgeschichte bzw. Kunstwissenschaft ihre Methoden stets »nach Maßgabe der sich wandelnden Bildmedien« (ebd., 363) verändert hat und methodisch immer schon auf Bildmedien angewiesen war. Im Folgenden gibt er einen knappen Überblick über die Mediengeschichte und darüber, welche Fragen sie für die Kunstwissenschaft aufgeworfen hat, wobei er seinen Medienbegriff sowohl auf Marshall McLuhan (s. Kap. II.4), als auch auf Luhmanns Medium/Form-Unterscheidung abstützt. Er kritisiert die Medienwissenschaft dafür, das Erbe der Kunst bzw. der Kunstwissenschaft allzu leichtfertig zu ignorieren und so für die »Formspezifika des Bildes und dessen historische[] Tiefenschichten« (ebd., 364) unempfänglich zu sein. Diese Kritik legt nahe, die Blickrichtung umzukehren und nach Bezugnahmen der Medienwissenschaft auf das Bild zu fragen. Man kann feststellen, dass sich die meisten ihrer Ausprägungen – die kulturwissenschaftliche, die sozialwissenschaftliche und die technikhistorisch orientierte – auf bildliche Phänomene konzentriert haben (was neuerdings von den Sound Studies kritisiert wird, s. Kap. IV.11). Die erste Ausprägung folgt der Grundannahme, nach der Medien als Möglichkeitsbedingungen jeglicher, auch und gerade bildlicher Erkenntnis zu betrachten seien. Im Zuge der kulturwissenschaftlichen Orientierung kam es überdies zur Übernahme kunsthistorisch etablierter Methoden, etwa der von Panofsky entwickelten Ikonographie und Ikonologie (vgl. Heller u. a. 2000). Schroeter_Medienwissenschaft.indb 416 IV. Schnittstellen Die zweite Ausprägung beschreibt die zentrale Rolle des Bildes als Informationsträger und Übermittlungskanal für ihren Gegenstand, die Massenkommunikation. Die dritte Ausprägung unterstreicht die Einsicht, dass die Interaktivität ihres zentralen Gegenstandes, des Rechners, als Bedingung eine graphische, als Bild adressierbare Benutzeroberfläche voraussetzt, durch die hindurch der Computer allererst steuerbar wird. Gerade diese dritte Spielart demonstriert den das Bild aufwertenden Paradigmenwechsel der Medienwissenschaft: Nachdem der ontologische Status digitaler Bilder grundlegend problematisiert, deren Existenz unter den Verdacht eines »unangebrachte[n] Essentialismus« (Pias 2003, Abs. 50) gestellt und die Ikonizität der Benutzeroberflächen als »wackelige[s] Gerüst schiefer Metaphern« (Heidenreich 1998, 86) herabgewürdigt worden waren, hat sich in jüngerer Vergangenheit eine Sichtweise etabliert, die diese gleichsam ikonoklastische Position durch ein Konzept des sich aus binärem Code und Bildschirmerscheinung zusammensetzenden »doppelten Bildes« (Nake 2005) abfedert. Allgemein lässt sich mit Joachim Paech konstatieren, dass die Medienwissenschaft an Universitäten in der Bundesrepublik Deutschland Mitte der 1970er Jahre installiert wurde, um das »Universum der technischen Bilder« (Flusser 1985), sprich die Fotografie, den Film, das Fernsehen oder das Video, akademisch zu reflektieren. Bilder gehören demnach zu den »wichtigsten ›Schnittstellen‹ interdisziplinärer Forschung, die die Medienwissenschaft mit den traditionellen geisteswissenschaftlichen Fächern […] ursächlich verbinden« (Paech 2005, 80). Die Kunstwissenschaft hat diese Reflexion schon sehr früh geleistet (vgl. Bredekamp 2003): Nicht nur, um lediglich ein Beispiel herauszugreifen, wurde bereits Mitte der 1930er Jahre am New Yorker Museum of Modern Art eine ›Film Library‹ eingerichtet oder durch Panofskys Essay »On Movies« (1936) der – von der Medienwissenschaft als ihr Untersuchungsgegenstand und ›Leitmedium‹ apostrophierte – Film in den Kanon kunstwissenschaftlicher Betrachtung aufgenommen; auch modellierte die Medialität von Fotografie und Film schon kurz nach der Jahrhundertwende historiographische und epistemologische Entwürfe der Kunstwissenschaft, wurden fotografische Medien mithin nicht nur zu einem Objekt, sondern auch zu einem Subjekt kunsthistorischer Forschung. 26.02.14 11:34 7. Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft Die Medialität/-sforschung der Kunstwissenschaft Die Kunstwissenschaft wurde zu einer Bildwissenschaft nicht nur durch die Ausweitung ihres Gegenstandsbereichs auf nicht-künstlerische Bilder, auf »Bild- und Wortquellen aller qualitativen Grade und medialen Formen« (Böhme 1997, 140). Vielmehr wurde die Kunstwissenschaft zu einer Bildwissenschaft, weil sie in ihrer Struktur wesentlich durch bildgebende Technologien geprägt wurde und infolgedessen grundlegende kunst-, respektive bildwissenschaftliche Methoden hervorgebracht hat (vgl. Hensel 2011). In der jüngeren Fachgeschichte hat darauf zuerst Heinrich Dilly am Beispiel des Zusammenspiels von fotografischer Reproduktion und vergleichendem Sehen (Diaprojektor), insbesondere mit Bezug auf Heinrich Wölfflin, hingewiesen (vgl. Dilly 1975; Bader/Gaier/Wolf 2010). André Malraux (1987) beschreibt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wie mit den fotografischen Reproduktionstechnologien ein ›imaginäres Museum‹ der Weltkunst, in dem Werke verschiedenster (zeitlicher wie geografischer) Herkunft nebeneinander erscheinen können, möglich wurde – dadurch seien Fragen nach stilistischer, formaler wie inhaltlicher Kontinuität und Differenz zwischen verschiedenen Epochen und Kulturen überhaupt erst formulierbar geworden. Medien als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Möglichkeitsbedingungen kunstwissenschaftlichen Arbeitens zu reflektieren und insofern Medialitätsforschung zu betreiben, ist indessen keinesfalls eine Leistung erst der jüngeren Kunstwissenschaft, sondern war bereits ein Anliegen in der Frühzeit des Fachs. So räumt Herman Grimm gleich zu Beginn eines oftmals als Referenzwerk zitierten Aufsatzes über »Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons« (1897) die produktive Eigendynamik dieses Projektionsapparates ein, der künstliches Licht verwendete und das Projizieren von Diapositiven und damit die ersten Lichtbildvorträge erlaubte. Grimms Argumente sind so plastisch und wegweisend, dass es sich lohnt, sie genauer in den Blick zu nehmen. Die Projektion von Fresken in Originalgröße etwa gewähre, so Grimm, neue Erkenntnisse und die dadurch bedingte Konzentration des Auditoriums auf den Gegenstand ermögliche eine gesteigerte Auffassungs- und Vermittlungsgabe des Dozierenden: »Ich hatte Cimabue ’ s Gemälde in Assisi öfter gesehen, ich besaß die Photographien seit vielen Jahren: jetzt Schroeter_Medienwissenschaft.indb 417 417 aber, wo sie in ihren ächten Größenverhältnissen wieder vor mir standen und mit meinen Augen zugleich die so vieler junger Leute darauf ruhten, welche Belehrung enthielt dieser Anblick nun auch für mich! Sie zeigten sich mir wie zum ersten Male und es war, als ob die Theilnahme meiner Zuhörer die Schärfe meiner Auffassung erhöhte. Genöthigt, mich auszusprechen, fand ich inhaltsreichere Worte als mir ohne diese Umgebung zu Gebote gestanden hätten« (ebd., 290). Den Studierenden ermögliche die Lichtbildprojektion eine besonders einprägsame Verknüpfung des Geschauten: »Ich kann im Laufe einer einzigen Stunde bei vollkommener Stille des Auditoriums diesem eine Reihe von Anschauungen gewähren, die sich tief in das Gedächtnis einnisten und die bei der Gleichmäßigkeit der Anschauungen festen organischen Zusammenhang gewinnen« (ebd., 282). Ferner befördere das Projektionsverfahren – eo ipso und gänzlich überraschend – die Einsicht in Entwicklungszusammenhänge, bei Grimm linear teleologisch gedacht: »Noch eindrucksreicher aber werden diese Anblicke, wenn nicht nur einzelne Werke, sondern Serien vorgeführt werden, aus denen die Entwickelungsgeschichte eines Künstlers klargelegt wird, das heißt im Hinweise auf eine Folge zusammengehöriger Arbeiten desselben Künstlers gezeigt wird, wie er zu größerer Vollkommenheit sich steigert. Hier leistet das Skioptikon heute Dienste, die sich nicht voraussehen ließen, da bei den bisherigen Hilfsmitteln an die Darlegung solcher innerer Entfaltungen nicht gedacht werden konnte. Ich war eben so überrascht wie meine Zuhörer« (ebd., 285 f.). Und schließlich sei es das Verdienst des Lichtbildes, einem im Original kleiner dimensionierten Kunstwerk durch die Projektion zu seiner eigentlichen Größe und wahren Schönheit zu verhelfen: »Und endlich erschienen zwei Ansichten des Kopfes der Statue [Michelangelos David, T. H.] allein: einmal von vorn, das anderemal in Profil, beide in herrlicher Beleuchtung und in ungeheurer Größe, zugleich nun aber so in ihrem eigentlichen Formate gleichsam. Denn es schien, so groß das Werk ist, als habe es dem Geiste des Künstlers colossaler noch vorgeschwebt. Die wunderbare Schönheit des Kopfes trat jetzt erst völlig hervor« (ebd., 284). Grimm war seinerzeit nicht der einzige Protagonist des Fachs, der die Medialität der Kunstwissenschaft zu denken unternahm. Bruno Meyer, Professor für Kunstgeschichte in Karlsruhe und einer der »größten Medienoptimisten seiner Zeit« (Matyssek 2005, 231), hatte wenige Jahre zuvor einen ähnlich argumentierenden Aufsatz publiziert (vgl. Meyer 1879/ 1880), und ebensolches sollte 1906 auch der Altphilologe Karl Krumbacher tun. Krumbachers prägnante Abhandlung Die Photographie im Dienste der 26.02.14 11:34 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 418 Geisteswissenschaften (1906) liest sich wie eine Anleitung für den Ausbau des Medienrepertoires der Kunstwissenschaft, in der insbesondere die Bedeutung der Fotografie als »Basis […] für eines der wichtigsten Lehrmittel der Neuzeit, den Lichtbildapparat« (ebd., 6; Herv. i. O.) hervorgehoben wird. Das Paradigma Aby M. Warburg Warburg (1866–1929) erachtete mit vergleichbarem Aplomb die Fotografie wie die Lichtbildprojektion für seine Theoriebildung als essentiell: »Ohne den Photographen im Hause würde die Entfaltung der ›neuen Methode‹ nicht möglich sein« (Warburg 2001, 186). Die mediale Transformation, etwa von Malerei in Fotografie, betrachtete er keinesfalls nur als eine Option, sondern vielmehr als eine Notwendigkeit, die sogar noch vor der nahsichtigen Betrachtung des Originals firmiere. So findet sich im Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (K. B.W.) die das Medium adelnde Notiz: »Im Kultraum am Viale Manzoni. In den Photographien mehr zu sehen als in Wirklichkeit« (ebd., 425). Um die Bedeutsamkeit der Fotografie, wie deren Projektion für Warburg und die Kunstwissenschaft besser verstehen zu können, ist ein Blick auf die für die Arbeit des Kunsthistorikers kardinale Praxis des vergleichenden Sehens aufschlussreich. Schon in Grimms Aufsatz fällt das Schlüsselargument – dass nämlich die Doppel- oder Mehrfachprojektion ein für die kunstwissenschaftliche Arbeit unabdingbares vergleichendes Sehen ermögliche: »Das Skioptikon gewährt aber noch mehr. Eine Hauptaufgabe des Lehrers der Neueren Kunstgeschichte ist, Darstellungen derselben Scene seitens verschiedener Meister zu vergleichen: indem die Bilder nun zu gleicher Zeit sichtbar gemacht werden, tritt die vergleichende Betrachtung sofort in Wirksamkeit« (Grimm 1897, 282). Durch die Ermöglichung einer derartigen Zusammenschau erweise sich das Studium der Reproduktion gar als demjenigen des Originals überlegen. Auch Warburgs Einsicht in die komparatistische Tragweite der Fotografie artikuliert sich unmissverständlich in Bemerkungen über jenes Zusammenspiel von fotografischer Reproduktion und vergleichendem Sehen, für das ein Dreivierteljahrhundert später Dilly wieder sensibilisieren sollte: »Dank der photographischen Hilfsmittel kann die Bildvergleichung jetzt weitergeführt […] werden« (Warburg 1998, 209). Wie sehr Warburg seine Bildkonvolute nicht nur nach inhaltlichen Gesichtspunkten strukturierte, Schroeter_Medienwissenschaft.indb 418 IV. Schnittstellen sondern auch bezüglich ihrer medialen Potenz reflektierte, demonstriert u. a. ein wegen seiner Kürze zunächst marginal erscheinender, wiewohl paradigmatischer Aufsatz über »Arbeitende Bauern auf burgundischen Teppichen« von 1907. Gleich zu Beginn des Textes, in einer komplexen Verschränkung funktionsanalytischer, soziologischer sowie medienarchäologischer Argumente, denkt er nicht nur die Bilder selbst, sondern auch die Medien ihrer technischen Reproduktion: »[D]enn das Wesen des gewebten Teppichs, des Arazzo, beruhte nicht auf einmaliger origineller Schöpfung, da der Weber als anonymer Bildvermittler denselben Gegenstand technisch so oft wiederholen konnte, wie der Besteller es verlangte; ferner war der Teppich nicht wie das Fresko dauernd an die Wand gefesselt, sondern ein bewegliches Bildervehikel; dadurch wurde er in der Entwicklung der reproduzierenden Bildverbreiter gleichsam der Ahne der Druckkunst, deren wohlfeileres Erzeugnis, die bedruckte Papiertapete, die Stellung des Wandteppichs folgerichtig im bürgerlichen Hause völlig usurpiert hat« (Warburg 1998, 223). Während Warburg Medien hier bereits nicht mehr nur als Objekte historischer Darstellung würdigt, artikuliert er sein Wissen um die medientechnische Bedingtheit der Formation von Kultur und deren Geschichte vor allem in der Einleitung zu seinem Bilderatlas Mnemosyne. Hier räsoniert Warburg in einer programmatischen Passage über den Prozess der Stilbildung und die Faktoren, die diesen steuern. Mit Blick auf Tapisserie, Kupferstich und Holzschnitt erkennt er klar die frühmoderne Reproduktionstechnologie samt ihren flexiblen und dynamischen Bildträgern als mediale Möglichkeitsbedingung für die Variabilität einer kulturellen Größe wie Stil (vgl. Warburg 2003, 5). Auch wenn Warburg keine Medientheorie expressis verbis vorgelegt hat, so hat er doch explizit medientheoretisch argumentiert – und hierin ist er exemplarisch, keinesfalls eine Ausnahme. So erscheinen selbst ideengeschichtliche Antipoden Warburgs, wie der einer formalistischen Betrachtung Vorschub leistende Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin, aus heutiger Sicht als Stichwortgeber jüngerer Medientheorie: Das »Phantasma vom Menschen als Medienerfinder« (Kittler 1986, 5 f.) weist Wölfflin mit seiner von ihm so apostrophierten Kunstgeschichte ohne Namen genauso in seine Schranken, wie dies später Friedrich Kittler tun sollte (s. Kap. II.13). In der Tat lassen sich innerhalb der Kunstwissenschaft Positionen und Ansätze aufweisen, die schon seit langer Zeit mit Fragen und Problemen befasst sind, die (in ähnlicher Form) wieder in der Medienwis- 26.02.14 11:34 7. Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft senschaft auftauchen – das gilt sogar für jene Fragen, die heute im Zusammenhang mit der Rezeption der Akteur-Netzwerk-Theorie in der Medienwissenschaft gestellt werden (vgl. Hensel/Schröter 2012; s. Kap. II.15). Kunstwissenschaftliche Positionen nach Warburg – Bilder zwischen Materialität und Gesellschaft Diese theoretischen Positionen in der Kunstwissenschaft, die medienwissenschaftlichen Fragestellungen, speziell zum Bild, ähneln, verdienen wenigstens kursorische Erwähnung. Sie changieren zwischen den beiden Polen Materialität und Gesellschaft. Einer der Texte, die heute als wichtiger Schritt zur Herausbildung der Medienwissenschaft genannt werden, ist der von Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer herausgegebene Band Materialität der Kommunikation (1988). In durchaus vergleichbarer Weise plädiert Monika Wagner für eine Einbeziehung des Materials in die kunstgeschichtliche Analyse und möchte dadurch die Analyse der Form modifiziert wissen. Die Form könne nicht mehr selbstverständlich als »unveränderliches Ergebnis gestalterischer Arbeit am Material« betrachtet werden, sondern müsse als »variable Größe und Resultat von Materialeigenschaften« selbst gelten (Wagner 2001, 12). Material nicht mehr nur als eine technische Gegebenheit hinnehmend, sondern als ästhetische Kategorie würdigend, fragt dieser Ansatz nach den Aufgaben, die einzelne Materialien in konkreten historischen Zusammenhängen übernehmen, nach deren physikalischer Beschaffenheit wie auch deren geschichtlicher, zeitgebundener und damit wandelbarer Bedeutung. Historisch betrachtet, hat diese Position prominente Vorläufer. Auch wenn er mitnichten ausschließlich als Kunstmaterialist und Vorreiter eines modernen ästhetisierenden Materialverständnisses adressiert werden kann, war es der Architekt und Architekturtheoretiker Gottfried Semper, der schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts dem Material besondere Beachtung schenkte. Mehr noch suchte er den Zusammenhang zwischen Kunstwerk und den Faktoren, die dieses konstituieren, gar in einer mathematischen Formel zu erfassen. Als deren variable Faktoren waren laut Semper neben dem Material auch lokale, klimatische, ethnologische, religiöse und politische Bedingungen sowie persönliche ›Einflüsse‹ von Künstlern oder Auftraggebern ins Kalkül zu zie- Schroeter_Medienwissenschaft.indb 419 419 hen. Deren Zusammenwirken präge laut Semper (1884) letztlich das, was unter ›Stil‹ zu verstehen sei. Auch zum Pol der Frage nach dem sozialen Kontext seien nur einige wenige Positionen benannt: Michael Baxandall lässt das erste Kapitel seines Buchs Die Wirklichkeit der Bilder (1980, 9) mit dem programmatischen Satz anheben: »Die Malerei des 15. Jahrhunderts ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Beziehung«. Im Folgenden nimmt auch er sich des Stils von Kunstwerken an, den er als einen Gegenstand der Sozialgeschichte begreift: »Gesellschaftliche Tatsachen […] führen zu der Herausbildung spezifischer visueller Fertigkeiten und Gewohnheiten; und diese Fertigkeiten und Gewohnheiten verdichten sich zu identifizierbaren Elementen im Stil des Malers« (ebd., 7). Diese gesellschaftlichen Tatsachen, darunter religiöse genauso wie kommerzielle, werden anhand von Verträgen, Briefen oder Rechnungen dingfest gemacht, und der Stil der frühneuzeitlichen Malerei wird zu Kulturtechniken (s. Kap. II.19), hier noch »Erfahrungsbereiche« genannt (ebd., 7), wie dem Predigen, dem Tanzen oder dem Ausmessen von Fässern in Beziehung gesetzt. So gelingt es Baxandall zu demonstrieren, dass Malerei sich nicht zuletzt merkantiler Geometrie verdankt, dass es mithin ein kaufmännisches, auf den Warenhandel zugeschnittenes Rechnen war, das tief in die Kunsttheorie und -praxis der Renaissance eingelassen war. Wie Baxandall auf der Gewissheit aufbauend, dass die Künste sich im Feld gesellschaftlicher Kräfte bewegen, plädiert Martin Warnke in seiner wegweisenden, wohlweislich nicht bebilderten kunsthistorischen Habilitationsschrift für eine, wie er es nennt, »Bedingtheitsforschung«, welche die Geschichte gesellschaftlicher Institutionen reflektiert (Warnke 1996, 12). Auf der Suche nach den prägenden Vermittlungsinstanzen wendet er sich vom individuellen Auftraggeber oder Besteller ab und der Pluralität verwaltenden Institution zu – verstanden als eine »Vermittlungsinstanz […], in de[r] sich vielfältige Bedürfnisse, Normen und Handlungsstrategien organisieren« (ebd., 13). Als ein »Ausgleichserzeugnis unterschiedlich interessierter Subjekte« ist es insbesondere der Hof, der als »Umschlagplatz der Gesellschaft« und »spannungsreiches Gebilde« funktioniert, »in dem Fürsten und Prinzen, Günstlinge und Minister, bürgerliche Räte und adlige Kammerdiener, Frauen und Parvenüs, Zwerge, Narren und Handwerker aufeinander einwirken« (ebd., 13). Während Baxandall vom Konzept des Stils ausgeht und Warnke die Instanz des Hofes samt dessen 26.02.14 11:34 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 420 Beziehungsgeflecht zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen erklärt, nimmt Svetlana Alpers (1989) wieder das Individuum in den Blick. Doch thematisiert sie weniger das autonome Künstlergenie, als dasjenige, was sich hinter dem ›Namen‹ eines Künstlers verbirgt. Rembrandt als Maler, als Schauspieler, als Regisseur und als Unternehmer vorführend, fokussiert Alpers Aspekte von Atelierpraxis und Markt ebenso wie Sprachgebrauch und zeitgenössische Interpretationen des Theaterspiels. Damit vermag sie, das ›Label‹ Rembrandt sowohl ästhetisch als auch sozial zu erklären und die beiden in der Kunstwissenschaft miteinander konfligierenden, hier nur kurz angerissenen Traditionen, den (an Form und Material der Bildwerke orientierten) Internalismus und den (am sozial- und kulturgeschichtlichen Kontext der Bildwerke orientierten) Externalismus, zu versöhnen. Tatsächlich also, so lässt sich alleine schon aufgrund der hier skizzierten Positionen festhalten, war der modernen Kunstwissenschaft immer schon eine Dynamik zu eigen, die nicht selten die Dichotomie von Subjekt und Objekt unterlief, neben dem viel beschworenen Genie auch Materialitäten und gesellschaftliche Rahmungen und neben intrinsischen auch extrinsische Variablen zu reflektieren erlaubte. Wenn die Kunstwissenschaft der Medienwissenschaft herkömmlicherweise als eine Disziplin gilt, die lediglich Werk, Autor und kulturellen Kontext berücksichtigt und sich nur selten über die Hermeneutik singulärer Werke hinaus mit deren Medialität und Rolle in einer von Massenmedien geprägten modernen Gesellschaft befasst, dann mag jene Dynamik aufweisen, dass Kunst- und Medienwissenschaft mehr miteinander gemeinsam haben als gemeinhin angenommen. Schon die Ausbreitung und die zunehmende Bedeutung einer wie auch immer näher definierten ›Medienkunst‹ (vgl. z. B. Frieling/ Daniels 2004; Grau 2007) seit dem späten 20. Jahrhundert sind wohl nur noch interdisziplinär zwischen Kunst- und Medienwissenschaft verhandelbar; genauso wie die zeitgleich stark werdende Wortschöpfung ›Medienästhetik‹ (vgl. Schnell 2000; Faulstich 2004, 90–94; Schröter 2013) nichts Geringeres als einen Brückenschlag bezeichnet. Schroeter_Medienwissenschaft.indb 420 IV. Schnittstellen Literatur Alpers, Svetlana: Rembrandt als Unternehmer. Sein Atelier und der Markt [1988]. Köln 1989. Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg 2006. Bader, Lena/Gaier, Martin/Wolf, Falk (Hg.): Vergleichendes Sehen. München 2010. Baxandall, Michael: Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15. Jahrhunderts [1972]. Frankfurt a. M. 1980. Belting, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München 2001. Belting, Hans/Dilly, Heinrich/Kemp, Wolfgang/Sauerländer, Willibald/Warnke, Martin (Hg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. Berlin 72008. Beyer, Andreas/Lohoff, Markus (Hg.): Bild und Erkenntnis. Formen und Funktionen des Bildes in Wissenschaft und Technik. Aachen/München/Berlin 2005. Boehm, Gottfried: Die Wiederkehr der Bilder. In: Ders. (Hg.): Was ist ein Bild? München 1994, 11–38. Boehm, Gottfried: Vom Medium zum Bild. In: Yvonne Spielmann/Gundolf Winter, unter Mitarbeit von Christian Spies (Hg.): Bild – Medium – Kunst. München 1999, 165–177. Böhme, Hartmut: Aby M. Warburg (1866–1929). In: Axel Michaels (Hg.): Klassiker der Religionswissenschaft. Von Friedrich Schleiermacher bis Mircea Eliade. München 1997, 133–156. Bredekamp, Horst: A neglected tradition? Art history as Bildwissenschaft. In: Critical Inquiry 29/3 (2003), 418–428. Bredekamp, Horst: Bildmedien. In: Belting/Dilly/Kemp/ Sauerländer/Warnke 72008, 363–386. Bredekamp, Horst/Bruhn, Matthias/Werner, Gabriele (Hg.): Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Berlin 2003 ff. Bredekamp, Horst/Schneider, Birgit/Dünkel, Vera (Hg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin 2008. Dilly, Heinrich: Lichtbildprojektion – Prothese der Kunstbetrachtung. In: Irene Below (Hg.): Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung. Gießen 1975, 153–172. Elkins, James: The Domain of Images. Ithaca/London 1999. Faulstich, Werner (Hg.): Grundwissen Medien. München 2004. Flusser, Vilém: Ins Universum der technischen Bilder. Göttingen 1985. Frieling, Rudolf/Daniels, Dieter (Hg.): Medien – Kunst – Netz. 2 Bde. Wien u. a. 2004. Grau, Oliver (Hg.): MediaArtHistories. Cambridge, Mass. u. a. 2007. Grimm, Herman: Die Umgestaltung der Universitätsvorlesungen über Neuere Kunstgeschichte durch die Anwendung des Skioptikons [1892/1893]. In: Ders.: Beiträge zur Deutschen Culturgeschichte. Berlin 1897, 276–395. Gumbrecht, Hans Ulrich/Pfeiffer, K. Ludwig (Hg.): Materialität der Kommunikation. Frankfurt a. M. 1988. Günzel, Stephan/Mersch, Dieter (Hg.): Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2014 (in Vorb.). Heidenreich, Stefan: Icons: Bilder für User und Idioten. In: Birgit Richard/Robert Klanten/Stefan Heidenreich (Hg.): Icons. Berlin 1998, 82–86. 26.02.14 11:34 7. Kunstwissenschaft/Bildwissenschaft Heller, Heinz B. u. a. (Hg.): Über Bilder Sprechen. Positionen und Perspektiven der Medienwissenschaft. Marburg 2000. Hensel, Thomas: Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde. Aby Warburgs Graphien. Berlin 2011. Hensel, Thomas/Schröter, Jens: Die Akteur-NetzwerkTheorie als Herausforderung der Kunstwissenschaft. Eine Einleitung. In: Dies. (Hg.): Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 57/1 (2012): Schwerpunktthema »Akteur-Netzwerk-Theorie«, 5–18. Heßler, Martina (Hg.): Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der Frühen Neuzeit. München 2006. Heßler, Martina/Mersch, Dieter (Hg.): Logik des Bildlichen. Zur Kritik der ikonischen Vernunft. Bielefeld 2009. Holländer, Hans (Hg.): Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion. Studien zur Bildgeschichte von Naturwissenschaften und Technik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Berlin 2000. Kemp, Martin: Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Phänomene [2000]. Köln 2003. Kittler, Friedrich A.: Grammophon, Film, Typewriter. Berlin 1986. Krumbacher, Karl: Die Photographie im Dienste der Geisteswissenschaften. Leipzig 1906. Malraux, André: Das imaginäre Museum. Frankfurt a. M. 1987 (frz. 1947). Matyssek, Angela: ›Entdecker‹ und ›Erfinder‹. Über die fotografische Wissensproduktion der Kunstgeschichte und die Probleme der Reproduktion von Kunstwerken. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 28 (2005), 227– 235. Meyer, Bruno: Die Photographie im Dienste der Kunstwissenschaft und des Kunstunterrichtes. In: Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte 47 (1879/1880), 196– 209 und 307–318. Mitchell, William J. T.: The pictorial turn. In: Artforum 3 (1992), 89–94. Morra, Joanne/Smith, Marquard (Hg.): Visual Culture. 4 Bde. London u. a. 2006. Nake, Frieder: Das doppelte Bild. In: Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik 3/2 (2005) (»Digitale Form«), 40–50. Paech, Joachim: Medienwissenschaft. In: Klaus SachsHombach (Hg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt a. M. 2005, 79–96. Panofsky, Erwin: On movies. In: Bulletin of the Department of Art and Archaeology of Princeton University 6 (1936), 5–15. Pias, Claus: Das digitale Bild gibt es nicht – Über das (Nicht-)Wissen der Bilder und die informatische Illusion. In: zeitenblicke 2/1 (2003), http://www.zeitenblicke. de/2003/01/pias/ (01.02.2013). Sachs-Hombach, Klaus: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln 2003. Schnell, Ralf: Medienästhetik. Zu Geschichte und Theorie audiovisueller Wahrnehmungsformen. Stuttgart u. a. 2000. Scholz, Oliver: Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien bildlicher Darstellung. Frankfurt a. M. 22004. Schröter, Jens: Medienästhetik, Simulation und »Neue Medien«. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 8/1 (2013), 88–100. Schroeter_Medienwissenschaft.indb 421 421 Schulz, Martin: Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft. München 2005. Semper, Gottfried: Kleine Schriften. Hg. von Hans Semper/ Manfred Semper. Berlin u. a. 1884. Wagner, Monika: Das Material der Kunst. Eine andere Geschichte der Moderne. München 2001. Warburg, Aby: Die Erneuerung der heidnischen Antike. Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der europäischen Renaissance. Reprint der von Gertrud Bing unter Mitarbeit von Fritz Rougemont edierten Ausgabe von 1932, neu hg. von Horst Bredekamp/Michael Diers (Warburg, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe. Hg. von Horst Bredekamp/Michael Diers/Kurt W. Forster/Nicholas Mann/Salvatore Settis/Martin Warnke. Erste Abteilung, Bde. I. 1 und 2). Berlin 1998. Warburg, Aby: Tagebuch der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg. Mit Einträgen von Gertrud Bing und Fritz Saxl. Hg. von Karen Michels/Charlotte SchoellGlass (Warburg, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe. Hg. von Horst Bredekamp/Michael Diers/Kurt W. Forster/Nicholas Mann/Salvatore Settis/Martin Warnke. Siebte Abteilung, Bd. VII). Berlin 2001. Warburg, Aby: MNEMOSYNE. Einleitung. In: Ders.: Der Bilderatlas MNEMOSYNE. Hg. von Martin Warnke unter Mitarbeit von Claudia Brink (Warburg, Aby: Gesammelte Schriften. Studienausgabe. Hg. von Horst Bredekamp/Michael Diers/Kurt W. Forster/Nicholas Mann/ Salvatore Settis/Martin Warnke. Zweite Abteilung, Bd. II. 1) [2000]. Berlin 22003, 3–6. Warburg Institute Archive (WIA), General Correspondence (GC). WIA, III.43.1.1. »Grundlegende Bruchstücke zu einer pragmatischen Ausdruckskunde (monistischen Kunstpsychologie)«, Bd. 1: 1888–1895. Warnke, Martin: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers [1985]. Köln 1996. Wiesing, Lambert: Artifizielle Präsenz. Studien zur Philosophie des Bildes. Frankfurt a. M. 2005. Thomas Hensel/Jens Schröter 26.02.14 11:34