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Inhalt Vorwort ...........................................................................................................7 Danksagung...................................................................................................11 Einführung.....................................................................................................12 Der Faschismus und die Kultur................................................................16 Theoretische Bezugnahmen und Methodologie ............................................29 Gramsci und Bourdieu: ein Vergleich......................................................32 Methodologischer Zugang .......................................................................38 Die Bewegung ...............................................................................................50 Die Grundkomponenten des Faschismus zu Beginn der 20er Jahre ........52 Die Entwicklung des Faschismus: Von den Extremen zur Mitte.............57 Geschichte und Entwicklung des intellektuellen Feldes ..........................65 Das intellektuelle Feld: Die Themen der »anti-Revolution«....................70 Die Integralisten ............................................................................................98 Das politische Feld innerhalb des Faschismus von 1924-25 ...................99 Die Spaltung des intellektuellen Universums ........................................111 Die integralistischen Intellektuellen.......................................................125 Die Ultrafaschisten ......................................................................................163 Von der Ästhetisierung zur Sakralisierung der Politik...........................166 Die Umformung des intellektuellen Feldes............................................179 Die Avantgarde wird zur Tradition: Julius Evola ..................................190 Schlußbemerkungen ....................................................................................228 Die gravierende Spaltung: der Typus des Rechtsintellektuellen............233 Das traditionalistische Denken...............................................................238 Die Tradition der Rechten......................................................................241 Nachwort .....................................................................................................249 Bibliographie...............................................................................................259 A mio padre e mia madre Vorwort Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Erklärung eines Paradoxes. Tatsächlich scheint der Weg der italienischen Autoren Curzio Suckert1, Mino Maccari, Mario Carli, Emilio Settimelli und Julius Evola in den 20er und 30er Jahren paradox zu sein: von der Avantgarde zur Tradition, vom in futuristischen Kreisen verinnerlichten Kult der Modernität zur Apologie der Tradition, zur Verteidigung der Ordnung und der Hierarchie. Filippo Tommaso Marinetti, Gründer des Futurismus, hätte nie an eine solch verblüffende Metamorphose seiner künstlerischen Revolte gedacht: Der Hypermodernismus und das revolutionäre Streben zur Zerstörung aller bürgerlichen Traditionen lassen sich schwer mit dem traditionalistischen Credo der hier betrachteten Autoren versöhnen. Wenn aber der Futurismus innerhalb der historischen Ereignisse und der Kulturgeschichte der 20er Jahre genauer und kontextuell betrachtet wird, stellt sich die Frage, ob dieses Paradox wirklich eines ist, ob diese Autoren nicht einfach nur die grundlegenden futuristischen Prinzipien und Ideen radikalisierten und diese Prinzipien weiter vertraten in einer Zeit, in der die futuristische Bewegung selbst sich bereits von ihnen abgewandt und eine konservative und mit der Kulturpolitik des totalitären Staates harmonisierbare künstlerische Auffassung angenommen hatte. Die Kernideen des originären Futurismus, z.B. das Ideal der totalen und ästhetischen Erneuerung der Lebensart, die Regierung des breiten Proletariats des Genies2 – die Artekratie, das revolutionäre antibürgerliche Credo, lebten in den Visionen dieser Autoren weiter und wurden Mitte der 20er Jahre, in einer Periode zunehmender Zensur, in der sogar Marinetti und die meisten seiner Anhänger auf eine aktive politische Rolle verzichteten, weiter von ihnen behauptet. Die fünf Autoren blieben also in ihrer Rolle als Revolutionäre und engagierte Intellektuelle dem ursprünglichen Futurismus treu und attackierten aus dieser Perspektive Futuristen und Faschisten. Sie stellten damit Mussolini, die Poli7 tik seiner Zeit und die ganze Hochkultur in Frage, mit einem rebellischen Impetus, der ihnen letztendlich Schwierigkeiten verursachte. Sie stellten sozusagen einen dem offiziellen Regime entgegengesetzten Geist des Faschismus dar. Die Frage nach dem vielfältigen Charakter des Faschismus spielt deshalb eine zentrale Rolle: Gab es unterschiedliche Interpretationen des Faschismus in den Jahren des totalitären Regimes? Und noch genauer: Existierte ein radikaler Faschismus? Diese Frage, die am Anfang dieser Untersuchung steht, ist zugleich das Ergebnis der Untersuchung der Auseinandersetzung dieser Autoren mit dem Faschismus und der Kultur ihrer Zeit. Suckert, Maccari, Carli, Settimelli und Evola stellten sich jeweils als die wahren Vertreter des reinen, integralen Faschismus dar und verteidigten diesen gegen die Konservativen, die ihrer Meinung nach die faschistische Revolution nicht vollenden wollten. Diesbezüglich unterscheiden sie sich von den Nachfolgern De Maistres und Bonalds, den Reaktionären: Für sie war die Rückkehr zur Monarchie und zur alten Ordnung nur ein Mittel, die antibürgerlichen, revolutionären Prinzipien der faschistischen Bewegung von 1919 zu verwirklichen. Diese Opposition des »integralen Faschismus«3 gegen den »konservativen Faschismus« läßt sich nur im Zusammenhang mit der allmählichen Veränderung des Faschismus in den 20er Jahren und seiner ursprünglich eklektischen Komposition verstehen. Der Faschismus war kein Monolith, sondern ein Konglomerat komplexer und widersprüchlicher Linien und Strömungen; und erst in den 20er Jahren gewann er mehr und mehr eine eigene Gestalt. Er schloß immer mehr Bündnisse mit den konservativen Kräften und verdrängte damit einige seiner ursprünglichen Komponenten. Erst vor diesem Hintergrund läßt sich eine bereits von den Zeitzeugen schon betonte Spaltung in zwei Interpretationen des Faschismus und zwei politischen Linien verstehen, d.h. die Opposition des integralen Faschismus der hier betrachteten Autoren gegen Mussolini und gegen die bedeutenden Kulturexponenten der Zeit. Ob ihre Interpretation des Faschismus nur eine radikale Form des Faschismus oder eine völlig neue Theorie der Rechten darstellt, ist eine Frage, die sich für die fünf Autoren unterschiedlich beantworten läßt: Evola und Suckert erarbeiteten eine komplexe und vom Faschismus relativ unabhängige Theorie, und insbesondere Evola, der zu vielen Exponenten der konservativen Revolution Kontakte knüpfte, entwickelte ein 8 komplexes Modell, das als eine der Grundlagen der heutigen Rechten – von der Nouvelle Droite bis zur populistischen Rechten – gilt . Die antibürgerliche und revolutionäre Ideologie dieser Intellektuellen begründet eine alternative Auffassung der Rechten, die eine Autonomie und eine gewisse Originalität gegenüber dem Faschismus zeigt und sich von der durch die faschistische Programmierung nivellierten Regimeliteratur unterscheidet: Ihre Themen und ihre Betrachtungen – die Verherrlichung der Gemeinschaft, die Verteidigung der europäischen Kultur, eine Art von »kulturellem Rassismus« überleben, oft versteckt und ohne Verweis auf die Quelle, in den heutigen Schriften der Ideologen der Rechten. Diese Arbeit setzt sich die Rekonstruktion dieses Zusammenhangs von Ideen und den Bedingungen ihrer Entstehung sowie ihrer politischen Bedeutung zur faschistischen Zeit zum Ziel. Die zwei Ausgangspunkte der Untersuchung scheinen zunächst voneinander unabhängig zu sein: Ersterer, die Revolte der extremen Intellektuellen der Rechten, impliziert eine Betrachtung der Ideengeschichte; letzterer, die Artikulierung der Interpretationen des Faschismus, eine politische Analyse. In dieser Arbeit sollen sie aber verknüpft werden, da gerade die Wechselwirkungen zwischen der politischen und der intellektuellen Welt, also die Interventionen der Intellektuellen in der Politik und umgekehrt, sowie ihre Darstellung und Selbstdarstellung als engagierte Intellektuelle von zentraler Bedeutung sind. Aus diesem Grund wird das Umfeld studiert, in dem die Intellektuellen als Akteure innerhalb ihres Feldes und als Kritiker der Politik und der politischen Entscheidungen vorkommen. Dies erfordert eine präzise Wahl der theoretischen Bezugnahmen und des methodologischen Zugangs sowie eine bestimmte Interpretation der Kultur dieser Jahre und des Begriffs des Intellektuellen, die in den ersten zwei Abschnitten erarbeitet werden. Die Zeitspanne, die hier analysiert wird, umfaßt wenig mehr als eine Dekade: von 1919 bis 1933, d.h. von der Gründung des Faschismus bis zur Auferlegung des faschistischen Eids bei den Universitätsprofessoren, der eine große Bedeutung für die weitere Einschränkung der Autonomie der Intellektuellen hatte. Diese Zeitspanne weist keine kontinuierliche Entwicklung auf, sondern ist durch starke Umbrüche gekennzeichnet, die auf politischer und intellektueller Ebene wirken: die Ausrufung des Totalitarismus im Jahr 1925 (und die entsprechenden Zensurgesetze) und das Konkordat im Jahr 1929. Das wichtigere Ereignis, das diese Zeitspanne unterteilt und das 9 intellektuelle und politische Feld spaltet, ist die Ausrufung des Totalitarismus, während das Abkommen mit der Kirche zwar Diskussionen hervorruft und unterschiedliche Fronten im intellektuellen Feld bildet, aber dennoch nur eine sekundäre Bedeutung besitzt. In Kapitel 3 wird das historische und kulturelle Tableau der Jahre 1919 bis 1923 für die eigentliche Untersuchung der radikalen faschistischen Intellektuellen entfaltet. Im 4. Kapitel wird die Entstehung der integralistischen Strömung im Zeitraum von 1924 bis 1925 untersucht und im 5. Kapitel wird die traditionalistische Gruppe Evolas während der Jahre 1926 bis 1933 betrachtet. In jedem Kapitel wird die Analyse auf drei Ebenen durchgeführt: der politischen, der strukturellen und der thematischen. Das für diese Arbeit herangezogene Material besteht aus Archivdokumenten, die zum Zweck der Beobachtung der Autoren und ihrer Beziehungen zum Faschismus von der Polizei gesammelt wurden4; aus ihren Werken, insbesondere ihren Artikeln, in denen sie ihr künstlerisches und politisches Programm entwickelten; aus ihren Biographien und Autobiographien; aus Artikeln und Kritiken, die im Lauf der Debatten mit den rechtsradikalen Autoren entstanden; aus einigen Werken und Biographien von akademischen wie dem Antifaschisten Benedetto Croce oder regimetreuen und faschistischen Autoren wie Giovanni Gentile, Alfredo Rocco, Giuseppe Bottai; und schließlich aus Sekundärliteratur. Viele der zitierten Texte sind nur auf italienisch veröffentlicht und daher von mir selbst übersetzt worden. 1 Auch als Curzio Malaparte bekannt, sein Geburtsname war Kurt Suckert. 2 Marinetti, »Al di là del comunismo« (1920), in Teoria e invenzione futurista, De Maria (Hrsg.), 1983, Milano, S. 422 3 Die Definition stammt von einem dieser Intellektuellen, Suckert. Vgl. Kap.4 4 Archive der faschistischen Polizei und der Segreteria personale del duce, heute Teil der Staatsarchive in Rom. 10 Danksagung Ohne Andere können wir nicht leben, und ohne die Hilfe Anderer hätte ich dieses Buch nie schreiben können. Mein erster Dank gilt meinen Doktorvätern, Prof. Leo Krämer und Prof. Alessandro Baratta für ihren Rat und ihre Betreuung. Weitere wertvolle Hinweise verdanke ich Prof. Wolfgang Schluchter, Prof. Gerlinda Smaus und Prof. Günther Ellscheid. Des weiteren möchte ich diejenigen nennen, die mich während dieser Zeit unterstützt und ertragen haben: meinen Mann Jens Stutte, Christian Wehlte, François Beilecke, Judith Becke, Heike Leonhard, Peter Wettmann-Jungblut sowie die Angestellten der Bibliothek San Carlo (Modena) und viele andere. Saarbrücken, den 18. November 2000 11 Einführung Man kann nicht historisch, d.h. kritisch, über den »Faschismus« sprechen, als ob der Faschismus eine Art von Wal wäre, der alles unterschiedslos verschluckte, oder der alle teuflisch zur Verdammnis führte, wie Moby Dick: Im Gegensatz dazu ist es nötig, die Vielfältigkeit von Strömungen, Bewegungen, Tendenzen, Personen, ökonomischen und finanziellen Interessen usw., und auch Illusionen, Phantasien, Gewissenlosigkeiten, usw. [zu betrachten], die es Mussolini und seiner Gruppe erlaubten, die Macht auf diese Art zu erobern, zu erhalten und zu gewährleisten. Delio Cantimori, Conversando di storia, Bari 1967, S. 134 Wenn man das kulturelle Milieu vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum politischen Totalitarismus Mussolinis von 1925 analysiert, fällt trotz des Konsenses vieler Intellektueller mit dem Faschismus und ihrer gemeinsamen Kritik am alten liberalen System und seiner Kultur die Abwesenheit einer organischen Klasse von Intellektuellen auf, d.h. im Sinne Gramscis einer homogenen Schicht von Intellektuellen, die eine mehr oder weniger artikulierte Theorie des Faschismus begründete, das kulturelle Milieu beherrschte oder gar ein gemeinsames Projekt erarbeitete, um durch die Verbreitung der faschistischen Ideale und Ideologien das eigentliche Modell der faschistischen Gesellschaft zu verwirklichen. Wenn nun nach den Kennzeichen oder sogar der Existenz einer Kultur des Faschismus gefragt wird, so findet man keine endgültige und klare Antwort. Insgesamt haben die Debatten der Historiker1 über die Einordnung der faschistischen Intellektuellen und der faschistischen Kultur und über die Gründe der Unterstützung des Faschismus durch die Intellektuellen zu unterschiedlichen, unversöhnlichen Theorien geführt: Einige Autoren haben die Existenz einer faschistischen Kultur verneint und das Engagement einiger liberaler Intellektueller als »Fehler« oder als Opportunismus2 gedeutet – 12 dabei Benedetto Croces Interpretation des Faschismus als »Parenthese« folgend3; andere haben den regressiven und konservativen Charakter der faschistischen Ideologie4 und kulturellen Produktion unterstrichen; und wieder andere schließlich wenden Interpretationsmodelle5 an, welche von den Oszillationen des Faschismus und der faschistischen Intellektuellen zwischen einer konservativen, einer reaktionären und einer revolutionären Auffassung ausgehen.6 Die verschiedenen Interpretationen stehen allesamt in der Spannung zwischen denjenigen Theorien, welche die Existenz einer faschistischen Kultur verneinen, und solchen, die die Rolle der kulturellen Exponenten und die Entwicklungen und das Zusammenfließen der literarischen, philosophischen und künstlerischen Strömungen innerhalb der faschistischen Ideologie betonen. Laut einem Exponenten der ersten Position, Carlo Bo, kann es keine Kultur im Faschismus geben, die die Bildung und die Entwicklung des Gedankens und der intellektuellen Debatten fördert, weil der Faschismus die Abhängigkeit der Intellektuellen bewirke und die Freiheit des Denkens ausschliesse.7 Deutlicher noch schreibt in diesem Sinne Norberto Bobbio8, daß die faschistische Kultur in doppeltem Sinne – als eine von den faschistischen Intellektuellen kreierte Kultur und als eine von originären, faschistischen Inhalten gekennzeichnete Kultur – »nie wirklich existiert« habe. Der entgegengesetzte Ansatz strebt nach der Bestimmung der verschiedenen Wechselwirkungen zwischen der Politik und ihren Vertretern und einigen bedeutenden intellektuellen und künstlerischen Strömungen – wie dem revolutionären Syndikalismus, dem Futurismus der frühen 20er Jahre und dem Aktualismus seit der Mitte der 20er Jahre bis zum Ende des Faschismus, um die Ausformung der faschistischen Ideologie auch außerhalb der engen politischen Praxis und Theorien nachzuzeichnen. Bobbios Betrachtungsweise setzt voraus, daß unter »Kultur« die Entstehung innovativer und weitreichender intellektueller Strömungen verstanden wird. Unter diesen Prämissen besaß der Faschismus keine eigene »Kultur«: Er erzeugte keine Kultur und leitete seine Grundelemente nicht von kohärenten theoretischen Modellen, sondern von der politischen Praxis ab – doch es bleibt immer noch die Tatsache der Existenz vieler faschistischer Intellektueller zu erklären. Vielleicht läßt sich die Frage anders formulieren: Es wäre richtig zu sagen, daß es nicht eine faschistische Kultur gab, da eine Vielfalt von faschisti13 schen kulturellen Projekten und Auffassungen erarbeitet wurde. »Als Zeichen der Krise« – bemerkte der Historiker Emilio Gentile – »war der Faschismus in der Kultur eine Äußerung des absoluten Aktivismus, frei von irgendwelcher Tradition und innerlich ohne Prinzipien, Ideen, Werte, welche die politischen Erfordernisse überstiegen ... Der Faschismus als absoluter Aktivismus reduzierte jedes Prinzip, jede Idee und jeden Wert auf einen für den politischen Erfolg verwendbaren Mythos; er war nichts mehr als das Trachten nach der Eroberung der Macht, um seinen Willen zur Macht zu demonstrieren. Als Bewegung zur Restauration der Ordnung umfaßte der Faschismus andererseits unterschiedliche Erneuerungsbewegungen, denen einige Projekte zur Schaffung einer neuen Ordnung entsprangen, obwohl viele davon nur Literaturstücke blieben.«9 Der Faschismus selbst hatte kein bestimmtes politisches Ziel oder Programm, das von Anfang an verfolgt wurde, ihm lag vielmehr eine opportunistische Haltung zugrunde, die mit der Haltung Mussolinis gegenüber der Macht verbunden war: Sein Ziel war die Machteroberung an sich. In der Äußerung des Duce zeigt sich, daß der Faschismus antiideologisch sein sollte, und deshalb die Trennungen zwischen den unterschiedlichen politischen Positionen – Links und Rechts – ablehnen und überschreiten solle, da sie keiner hilfreichen und wahren Darstellung des politischen Lebens entsprächen, sondern nur die Strukturen der veralteten und gestorbenen liberalen und demokratischen Gesellschaft widerspiegelten.10 Der politische Opportunismus Mussolinis offenbarte sich in der Unbestimmtheit des theoretischen Inhaltes der offiziellen faschistischen Doktrin – was Sternhell als die »geringe Formalisierung der faschistischen Doktrin« bezeichnet.11 Diese Unbestimmtheit der faschistischen Doktrin kann drei Aspekte der Haltung der Intellektuellen zu jener Zeit erklären: die anfängliche Unterstützung des Faschismus durch viele Intellektuelle, die eine gegensätzliche politische Vision besaßen; die internen Diskussionen und Spaltungen zwischen verschiedenen kulturellen Strömungen innerhalb der faschistischen Intelligenz; die Abwesenheit einer hegemonialen faschistischen Intellektuellenschicht. Zur widersprüchlichen Haltung einiger Intellektueller kam hinzu, daß keine homogene Klasse von überzeugten faschistischen Intellektuellen existierte, oder besser gesagt, es gab nicht nur eine Art, »Faschist zu sein«, sondern viele. Der Faschismus war am Anfang eine Art Sammelbecken, der alles aufnehmen konnte: Syndikalismus, antibürgerliche und anarchistische 14 Avantgarde, Nationalismus, Verherrlichung der Tradition, Konservativismus des Kleinbürgertums. Aus seiner »offenen« Gestalt folgte, daß er für viele Intellektuelle »all das war, was sie glauben wollten«, wie der Historiker Emilio Gentile behauptet. Aus diesem Grund läßt sich hier nicht der Begriff der hegemonialen Intellektuellen Gramscis ohne weitere Einschränkungen benutzen, da er eine relativ homogene Gemeinschaft von Intellektuellen voraussetzt, die den Konsens der Massen und die Kontrolle über sie sichern. Dieser Tatsache liefen auch die Bemühungen Mussolinis, eine faschistische intellektuelle Schicht zu fördern, nicht entgegen. Die Anstrengungen des Duce zur Bildung kultureller Institutionen waren zum Scheitern verurteilt, wovon die zeitgenössische Literatur zeugt. Zehn Jahre nach der faschistischen Machteroberung wurde die Lage der Kultur immer schwieriger: Es herrschte eine regimetreue Literatur vor, während einige wenige originäre Strömungen und Erneuerungsprojekte zur Seite gedrängt oder gar von der Zensur bedroht wurden. Dazu kam das Problem der sogenannten »Krise der Jugend«, d.h. des Fehlens einer jungen intellektuellen und politischen Elite, das in faschistischen Zeitungen thematisiert wurde.12 Außerdem war die Investition in die Kultur mit einem spezifischen Zug der faschistischen Ideologie verknüpft, da der Faschismus sich nicht nur als politische Partei, sondern auch als eine spirituelle Revolution darstellte, welche die ganze Kultur und die Institutionen umstürze, um einen »neuen Menschen« zu bilden. Dieser palingenetische Geist verband sich im italienischen Faschismus mit dem Bedürfnis, die Kollaboration der Intellektuellen zu erreichen, deren wissenschaftliche Tätigkeit als politische Funktion zur Bildung des »faschistischen Menschen« betrachtet wurde.13 Aus der Sicht der Intellektuellen ließ sich das Universum der faschistischen Kulturorganisatoren und Autoren weder als homogene Front organischer Intellektueller des Regimes, noch als unterdrückter Bereich verstehen, in dem alle kreativen Züge verschwunden oder zum Schweigen verurteilt waren. Selbst als die Zensur und der Druck von Seiten der Politik in den 30er Jahren so stark wurden, daß auch die interne Diskussion stark behindert wurde, verschwand, anders als im Nationalsozialismus, eine bestimmte Handlungsmöglichkeit der Intellektuellen nie völlig. So konnten zum Beispiel einige Andersdenkende und sogar Opponenten (wie Benedetto Croce und Luigi Einaudi) weiterhin in Italien leben und manchmal auch ihre Schriften veröffentlichen: die Zeitschriften »La critica«, »Riforma sociale«, »Cultura«, 15 »Nuova Italia«, »Civiltá moderna«, die den Faschismus nicht unterstützten, besaßen trotz ihrer geringen Verbreitung noch einen gewissen Einfluß auf die Intellektuellen und auf das Publikum. Ein weiterer Unterschied zum Nationalsozialismus bestand in der (beschränkten) Diskussion innerhalb der faschistischen Literatur über die Strategien, die Politik, die Prinzipien und den ideologischen Inhalt des Faschismus und in der Möglichkeit der faschistisch engagierten Autoren, ihre Vorschläge zu äußern und den Konformismus des Regimes zu kritisieren. Dies war kein Zeichen der Liberalität Mussolinis, sondern seiner Strategie, diese Sektoren zu umschmeicheln und damit die Zustimmung der internationalen öffentlichen Meinung zu gewinnen.14 Der Faschismus und die Kultur Die Haltung der Intellektuellen dem Faschismus gegenüber läßt sich untersuchen, wenn die Veränderung ihrer Position betrachtet und der kulturelle Hintergrund dieser Zeit skizziert wird. Die kulturellen Gärungsprozesse Anfang des Jahrhunderts hatten die Entstehung verschiedener intellektueller Gruppen, Zeitungen und Verlagsinitiativen zur Folge (in dieser Zeit wurden z.B. die Verlage Laterza und Formiggini gegründet), welche die Kultur, die Moral und die Politik erneuern und eine neue politisch und kulturell herrschende Klasse bilden wollten.15 Die Forscher haben oft das »gemeinsame Substrat«16 in der Vielfalt der kulturellen Strömungen jener Zeit betont, einen Geist von Rebellion, sei es gegen die Demokratie oder den Sozialismus oder den Parlamentarismus, den Materialismus oder den Positivismus. Dieser rebellische Charakter verband sich oft einerseits mit der Verherrlichung und dem Experiment einer revolutionären Ästhetik, z.B. in den Werken von D’Annunzio und der Avantgarde, andererseits mit dem Glauben an die Werte und die Traditionen der Gemeinschaft, die das Individuum in einem sinngebenden, kollektiven Erlebnis hätte umschließen sollen, was von den nationalistischen und teilweise avantgardistischen Strömungen behauptet wurde. Die Avantgarde, die Nationalisten, die revolutionären Syndikalisten lehnten die sozialistische wie auch die bürgerliche Gesellschaft ab und erarbeiteten dabei den Begriff des »dritten Wegs«17, in anderen Worten einer politischen und kulturellen Revolution, welche die Widersprüche und Dichotomien der mo16 dernen Gesellschaft – sei sie sozialistisch oder kapitalistisch – auflösen und überwinden sollte, um eine ideale Gemeinschaft zu verwirklichen. Diese »neue« Revolution, die sich nicht unter den alten Begriffen Links/Rechts einordnen ließ, war gemäß den Syndikalisten, der Avantgarde und den Nationalisten nicht nur eine moralische und politische, sondern auch und primär eine ästhetische Revolution, indem sie die ganze alte, bürgerliche Lebensart und Sprache zerstörte und sie durch etwas ganz Neues ersetzte.18 Die Ästhetisierung der Politik ist ein Schlüsselbegriff zum Verständnis dieser Zeit, wie Benjamin sagte19, und mit ihm lassen sich viele ihrer komplexen kulturellen Phänomene analysieren. Außerdem macht sie die zahlreichen Wechsel der Intellektuellen von Links nach Rechts20 und die kulturelle Initiative verschiedener wichtiger italienischer Intellektueller zur radikalen Kritik der bürgerlichen Kultur sowie zur Schaffung einer neuen Kultur als Opposition gegen die Dekadenz der modernen Gesellschaft verständlich, die zur Forderung einer politischen und kulturellen Revolution führte und oft in Mussolini und dem Faschismus die politische Übersetzung ihrer Wünsche fand. Die Energie und der Enthusiasmus des kulturellen Milieus der 20er Jahre trafen auf die neue faschistische Partei, die eine »konservative Revolution« initiieren wollte, welche den alten Gegensatz von Links und Rechts verschwinden lassen und die Einheit von Elite und Masse und von Theorie und Praxis durch die Bildung einer neuen Gemeinschaft und eines neuen Menschen verwirklichen sollte. So zog das für die faschistische Bewegung typische Schwanken zwischen Links und Rechts, zwischen Revolution und Erhalt der Ordnung viele Intellektuelle an, die nach einer kulturellen und sozialen Erneuerung durch die Politik strebten. In den Worten des Historikers Gentiles »fand diese kollektive Überzeugung ihre Ursprünge in der Sicherheit, ... daß die Philosophie, die Kunst und die Wissenschaft mit der Politik verschmelzen und die Theorie sich mit der Praxis verbinden würde«.21 Obwohl dem Faschismus eine ideologische und kulturelle Einheit fehlte, welche den Intellektuellen eine klare Richtung bieten konnte, waren die Ablehnung der akademischen Kultur und Institutionen – der Angriff gegen den sogenannten Intellektualismus – und die Erneuerung – die Geburt der neuen Kultur und Mentalität – diejenigen Elemente, die die Literatur dieser Zeit mit dem Faschismus teilte. Viele Intellektuelle waren der Überzeugung, daß der traditionelle Begriff des Intellektuellen nicht unverändert bleiben sollte: Der sogenannte »liberale Wissenschaftler«, der sich unter dem Vorwand der 17 Trennung22 von Politik und Wissenschaft »in einer abstrakten Welt einschließe«23, sei eine veraltete, aussterbende Figur. Einige bedeutende Intellektuelle sowie die politischen Exponenten des Faschismus forderten, daß der Wissenschaftler gegen diese Art von fruchtlosem Intellektualismus kämpfen sollte, um durch sein faschistisches Engagement die Einheit seines Denkens und Handelns zu erlangen. Auf diese Art und Weise wurde die Polemik gegen die alte Intelligenz ein Kennzeichen der Ideologie vieler faschistischer »anti-intellektueller Intellektueller« und bildete ein wesentliches Element der Kultur jener Zeit. Die Ausrufung des Totalitarismus im Jahr 1925 war in Bezug auf den Konsens der Intellektuellen und der öffentlichen Meinung ein bedeutender und gravierender Umbruch in der Geschichte des Faschismus: Die antifaschistische politische und intellektuelle Opposition (und im Besonderen jene der Intellektuellen des contromanifesto) trat an die Öffentlichkeit und die Trennung der Strömungen innerhalb des Faschismus wurde deutlicher und problematischer. So lassen sich zwei Spaltungen erkennen: eine zwischen dem Faschismus und der Opposition, die andere innerhalb des Faschismus zwischen den zwei Hauptrichtungen der intransigenti und der fiancheggiatori. Die Wurzeln dieses Konflikts innerhalb des Faschismus liegen in der Natur der faschistischen Bewegung: Der Faschismus besaß eine breite und vielfältige Wählerschaft, die nicht nur aus der Bourgeoisie und den Kapitalisten, sondern auch aus Intellektuellen einerseits und Kleinbürgern und Arbeitern andererseits bestand, die teilweise mit dem revolutionären Syndikalismus verbunden waren. Die nachfolgende Orientierung des Faschismus an einem konservativen Regime, das die Interessen der kapitalistischen Hochbourgeoisie schützte, gründete im Versuch, eine größere Stabilität und ein Gleichgewicht durch Kompromisse mit der kapitalistischen Klasse zu erreichen. Der Faschismus verwandelte sich allmählich zu einem konservativen Rechtsregime, das zur Sicherung und Konsolidierung die Unterstützung der kapitalistischen bürgerlichen Klasse suchte. Auf die Koexistenz konservativer und antibürgerlicher Elemente stützt sich der von De Felice beobachtete Unterschied zwischen dem »Faschismus als Bewegung« und dem »Faschismus als Regime«. Der Faschismus als Bewegung in der Phase von seiner Geburt bis zum Totalitarismus, als Mussolini das Ende der liberalen politischen Institutionen erklärte, war ein Zusammenspiel kultureller und psycho18 logischer Elemente (bewußt oder unbewußt). Teilweise gehörten diese zum Faschismus intransigente24 und zum Futurfaschismus des Marsches auf Rom, teilweise wiesen sie auf spätere Vorstellungen und auf das Ideal eines zukünftigen Faschismus hin, das die Grenzen, die Ängste und die praktischen Kompromisse der Realpolitik des Regimes hätten überwinden sollen und unabhängig von der Persönlichkeit Mussolinis waren.25 Der Faschismus als Regime entstellte im Gegensatz dazu die ursprüngliche Ideologie des Faschismus, indem er einen Staat bildete, der nur auf Mussolinis Charisma gründete, in dem Mussolini sich als die Personifizierung des Staates darstellte und für dessen Stabilisierung er einen ständigen Kompromiß mit den konservativen Klassen26 suchte. Die Abspaltung des späteren konservativen vom ursprünglichen Faschismus wirkte sich nicht nur als zeitliche Zäsur aus, sondern spaltete auch die Mitglieder und Unterstützer des Faschismus: Diejenigen, die noch am ursprünglichen faschistischen Programm und den Ideen, aus denen der Faschismus hervorgegangen war, festhielten, die intransigenti, stellten sich gegen die Exponenenten der konservativen Kräfte – die sogenannten fiancheggiatori, die den Faschismus unterstützten, um ihre politischen und ökonomischen Interessen zu schützen und eröffneten damit einen starken Machtkonflikt. Nicht nur das politische Feld erfuhr diese zwei Spaltungen, sondern auch das intellektuelle, dessen Entwicklungen sich in den 20er und 30er Jahre als Folge dieses Prozesses lesen lassen. Auf diese Weise lassen sich innerhalb des Faschismus die Intellektuellen, die das Regime legitimierten und von ihm unterstützt wurden (wie Giovanni Gentile und Giuseppe Bottai), von den aufgrund ihrer Treue zum ursprünglichen Faschismus von Luisa Mangoni als »Interventionisten der Kultur« – hier als Integralisten – bezeichneten radikalen Intellektuellen unterscheiden. Die Unterstützer des »reinen Faschismus«, die an zwei der ersten Grundbestandteile der faschistischen Bewegung, dem Futurismus und der Avantgarde festhielten, wurden mehr und mehr an den Rand geschoben: Sie besaßen ein immer geringeres Prestige im intellektuellen Milieu und weniger Unterstützung vom Regime. Die Avantgarde, aus der die radikalen Intellektuellen stammten, verlor immer stärker an Gewicht, bis sie nur noch eine der konventionellen regimetreuen Künste war. In den 20er Jahren opponierten sie gegen die anerkannte Strömung der Aktualisten, deren Einfluß und Prestige vor und nach der Machteroberung des Faschismus in der zeitgenössischen Literatur ein unbestrittenes Faktum war27 und die eine 19 hegemoniale28 Position im intellektuellen Feld vor und nach der Ausrufung des Totalitarismus besaßen. Die Exponenten dieser Strömung bildeten eine »Schule«, die nicht nur in der akademischen Literatur, sondern in der ganzen Hochkultur (haute culture) eine große Rolle spielte. Ihre »symbolische Macht« im bourdieuschen Sinne verknüpfte sich nach 1925 mit ihrer politischen Macht und verstärkte sich: Giovanni Gentile, der Gründer dieser Schule, übernahm mit der zunehmenden Einschränkung der Autonomie des intellektuellen Feldes neben seiner Arbeit als Professor auch eine politische Funktion und gewann als Minister und Kulturorganisator Macht, mit der er die Verbreitung und die Entwicklung seiner Schule förderte. Ein wichtiger Faktor für die Marginalisierung der Futuristen und danach der radikalen Intellektuellen war die zunehmende Heteronomie des intellektuellen Feldes, die dazu führte, daß einige Strömungen stark zensiert und andere vom Regime direkt unterstützt wurden. Der Umstand, daß radikale Intellektuelle als überzeugte Anhänger des Faschismus im Kultur- und Politikapparat des Regimes starke Opponenten gegen ihre Ideen fanden, mag unlogisch scheinen, läßt sich aber im Rahmen der komplexen Natur des Faschismus verstehen. Der Faschismus war ein vielschichtiges Phänomen und die Zensur faschistischer und antifaschistischer Schriften folglich eine delikate und schwierige Angelegenheit29: Es war nicht immer klar, was zensiert werden sollte, ob etwas gegen das Regime oder für seine Veränderung oder Vollendung war. So funktionierte die Zensur nach sehr komplizierten Regeln – und manchmal funktionierte sie auch gar nicht. Aus diesem Grund konnten selbst die bedingungslose Zustimmung zu faschistischen Ideen und die Forderung einer »Faschistisierung« des Staates, die von den radikalen integralistischen Intellektuellen gepredigt wurden, als Bedrohung betrachtet und als »antifaschistisch« bekämpft werden.30 Einerseits wurden die Ideen der faschistischen Revolution gegen die Bourgeoisie und die Forderungen, eine kritische Diskussion zu entwickeln, durch die Reden Mussolinis kolportiert, andererseits aber durch die Struktur des Regimes in Wirklichkeit verhindert. Wenn die Adhäsion der Intellektuellen also kein Produkt des Zwangs oder des reinen Opportunismus war, und die Pluralität der intellektuellen Visionen des Faschismus im Auge behalten wird, dann gerät zwangsläufig der Konflikt zwischen den faschistischen Intellektuellen über die Bedeutung der faschistischen politischen Revolution und die mit ihr verbundene kulturelle Erneuerung in den Blick, der schließlich durch die Einschränkung der 20 Autonomie des intellektuellen Feldes zur Marginalisierung der radikalen Intellektuellen führte. Verdeutlichen läßt sich diese anhand der Analyse der Arbeiten der integralistischen Intellektuellen Kurt Suckert, Mino Maccari, Mario Carli, Emilio Settimelli und später Julius Evola sowie ihrer Biographien und ihrer Tätigkeiten als Kulturorganisatoren: Sie hatten eine integrale und »reine« Konzeption des Faschismus, die sie auch gegen Mussolini und regimenahe Intellektuelle, u.a. Giovanni Gentile, Giuseppe Bottai und Alfredo Rocco, verteidigten. Die hier betrachteten Autoren waren integrale Faschisten, »päpstlicher als der Papst«.31 Sie wurden alle vom Faschismus wegen ihres »Extremismus« zensiert, sie attackierten Mussolini und seine Politik, die Exponenten der Kultur und deren kulturelle Auffassung, um die Überreste der Demokratie und der westlichen, rationalistischen, wissenschaftlichen Grundlagen komplett zu zerstören und einen Schritt weiterzugehen – die sogenannte »Zweite Welle« der totalen Revolution. Sie waren keine reaktionären Vertreter, die wie einige katholische Reaktionäre, z.B. Brunati und Fanelli einfach die Wiederherstellung des Königtums und die Rückkehr zur bäuerlichen traditionellen Gemeinschaft predigten.32 Letztere hatten nie eine politische Utopie oder ein Projekt, das sie den konservativen Komponenten des Faschismus entgegenstellten, und erarbeiteten keine globale Vision zur Veränderung der Institutionen und der Kultur. Im Gegensatz dazu rechneten die radikalen Autoren in einer gewissen Art mit der Modernität und den Veränderungen der Gesellschaft. Sie besaßen verschiedene Hintergründe und Ideale: Einige waren populistisch orientiert, andere hatten eine aristokratische Auffassung von Kultur und Politik; dennoch zeigten alle eine antibürgerliche und rebellische Haltung, die sich gegen die »Feinde der Revolution« wendete, d.h. gegen die normalizzatori, zu denen selbst Mussolini gezählt wurde. In der Übergangsphase von einem demokratischen zu einem totalitären Regime und einer autonomen zu einer heteronomen Kulturlage wurden sie wegen ihres Faschismus zensiert: Mit ihren radikalen und revolutionären Forderungen nach Vollendung der Revolution wurden sie zu Feinden der Herrschenden. Sie erlebten die Folgen der strengeren Kontrolle der Politik über die Kultur und wurden gerade wegen ihrer beharrlichen Verbreitung der bis vor kurzem noch vom Faschismus verherrlichten Ideen der totalen Revolution verfolgt. Die radikalen faschistischen Autoren sind aus zwei Gründen wichtig: Ihre Kritik am Faschismus macht einerseits die die Stabilität des Regimes bedro21 henden Kämpfe zwischen den verschiedenen Interpretationen der »wahren« kulturellen und politischen Revolution deutlich, und die zunehmende Kontrolle und Zensur innerhalb des Faschismus selbst, die sie unter anderen ab 1925 trifft, zeigt andererseits den Übergang zu einer allmählichen Heteronomie des intellektuellen Feldes. Diese Untersuchung soll verdeutlichen, daß die radikalen faschistischen Autoren, d.h. die integralistischen zu Anfang der 20er Jahren und die späteren superfaschistischen, interne Kritiker des Faschismus waren, indem sie die anfängliche antibürgerliche revolutionäre Auffassung der fasci-Bewegung von 1919 noch dann beibehielten, als Mussolini längst seine Politik der Kompromisse mit den konservativen Kräften erfolgreich durchgeführt und sich von vielen seiner revolutionären Ideale verabschiedet hatte. Zu diesem Ziel sammelten sie in den 20er Jahren einen Teil der Jugend in ihren kulturellen Initiativen, und ihren Zeitschriften – »La conquista dello stato« von Malaparte, »L’impero« von Carli und Settimelli, aber insbesondere »Il selvaggio« von Maccari und »La Torre« von Evola – und nahmen eine durchaus bedeutende politische und intellektuelle Intervention vor. Sie blieben der ursprünglichen revolutionären Idee des Faschismus ebenso treu wie der totalen Vision von der Kunst als Erneuerung des ganzen ästhetischen Lebens und Abschaffung der Grenzen zwischen Politik und Kunst – wie sie die Futuristen zunächst verbreitet hatten -, selbst nachdem die ersten Futuristen sie verleugnet hatten; aber ihre Haltung bedeutete in einem immer heteronomer werdenden intellektuellen Feld ihre Marginalisierung. So läßt sich ihre Entwicklung als ein Vorgang beschreiben, bei dem ihre Position im intellektuellen Feld – als Avantgarde, als extreme antibürgerliche Künstler und als radikale Faschisten – dieselbe blieb, während sich alles andere veränderte – die politischen Richtungen, die allgemeine Lage des intellektuellen Felds und die Position und die Haltung einiger Strömungen, insbesondere der Futuristen. Diese Veränderung fand um das Jahr 1925 statt, als sich die zwei Spaltungen – jene des intellektuellen Feldes in Faschisten und Antifaschisten und jene innerhalb des faschistischen intellektuellen Feldes in intransigenti und revisionisti bzw. fiancheggiatori33 – ereigneten. Hier läßt sich anhand der Position dieser Intellektuellen die Hypothese der Homologie des politischen Feldes zum intellektuellen Feld in Bezug auf die Konflikte innerhalb des Faschismus und den Übergang von einer autonomen zu einer heteronomen Lage der Kultur betrachten. Die Homologie 22 zwischen der politischen Gruppe der intransigenti und der Strömung der radikalen Intellektuellen verweist auf eine Wahlverwandtschaft, eine Konvergenzbewegung zwischen zwei Konfigurationen, die von keinem Kausalverhältnis bestimmt wird.34 Die intransigenti einerseits und die radikalen Intellektuellen andererseits besaßen eine homologe Position in ihren jeweiligen Feldern: Sie waren beide Nachfolger der originären faschistischen Elemente; beide versuchten, sich der Veränderung des Feldes entgegenzustellen, indem sie die »alten« Positionen und Haltungen weiterentwickelten und wurden deswegen an den Rand geschoben. Die Besonderheit ihrer Position ergab sich daraus, daß beide in ihrem eigenen Feld ihre Identität und ihre Rolle als eine zum Regime alternative Ordnung erhielten. Die Haltung der intransigenti mußte zwei gegenseitigen Bedürfnissen gerecht werden: Einerseits wollten sie den fiancheggiatori und Mussolini gegenüber ihre Differenz behaupten, andererseits durften sie nicht zu kritisch gegen das Regime sein, um nicht völlig ausgeschlossen zu werden. Dasselbe gilt für die radikalen Intellektuellen: ihre spezifische Identität gewannen sie durch ihre Abgrenzung gegenüber den hochbewerteten Strömungen der Aktualisten und der »neuen« Futuristen, obwohl die Gefahr wegen ihrer Heterodoxie völlig marginalisiert zu werden, ihre Kritik oft mäßigte. Ihr Verhalten läßt sich als Versuch erklären, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Subversion und der Annahme einiger Spielregeln zu schaffen. Dieses Gleichgewicht wurde durch die verschiedenen direkten und indirekten Wechselwirkungen des politischen mit dem intellektuellen Feld ermöglicht. Die Kontrollmechanismen des Regime wirkten direkt durch die Zensur und die Marginalisierung auf das intellektuelle wie auf das politische Feld, was beide Felder in ein Zentrum und eine Peripherie spaltete. Die revolutionäreren und radikaleren Instanzen wurden im intellektuellen Feld zensiert und im politischen geächtet, da Mussolini mit seiner Politik die moderateren und konservativeren Elemente für sich gewinnen wollte. Außerdem wirkte die politische Lage auch indirekt auf das intellektuelle Feld, indem die Unterstützung der moderaten und bürgerlichen Komponenten des Faschismus zur Umformung desselben und zur Hegemonie einiger Strömungen beitrug. Im Laufe der 30er Jahre wurde die direkte Kontrolle des politischen Feldes durch die zunehmende Zensur und den Versuch zur Bildung einer Staatsorthodoxie immer bestimmender. Die Randelemente der Kultur, die rechtsextremen Carli und Settimelli und die populistisch orientierten Maccari 23 und Suckert, schlossen sich am Anfang dieser Entwicklung unter dem Programm des Integralismus zusammen, um die konservative Kultur und Politik zu bekämpfen, dabei auf die intransigente politische Komponente verweisend. Letztere unterstützten wiederum die radikalen integralistischen Intellektuellen, so daß die zwei »Peripherien« sich für einige Monate zum gemeinsamen Kampf zusammenfanden, bevor sie stärker marginalisiert wurden.35 Die Wechselwirkungen zwischen dem politischen und dem intellektuellen Feld führten zu einer Homologie. Sowohl die intransigenti als auch die radikalen Intellektuellen besaßen eine homologe Position in ihren jeweiligen Feldern: beide waren Nachfolger originärer faschistischer Elemente; beide versuchten, sich der Veränderung des Feldes entgegenzusetzen, indem sie die »alten« Positionen und Haltungen weiterentwickelten; beide wurden deswegen an den Rand geschoben. Die Ursache ihrer besonderen Position lag in ihrem Bedürfnis, eine bestimmte Identität zu gewinnen: beide mussten in ihrem eigenen Feld ihre Identität und ihre Rolle erhalten. Die intransigenti wollten den fiancheggiatori und Mussolini gegenüber ihre Differenz festigen, um nicht absorbiert zu werden, durften aber andererseits nicht zu kritisch gegen das Regime sein, um nicht völlig marginalisiert zu werden. Dasselbe läßt sich von den radikalen Intellektuellen sagen: Sie wollten ihre spezifische Identität in Differenz zu den hochbewerteten Strömungen der Aktualisten und jener der immer mehr von ihren ursprünglichen Idealen entfernten Futuristen gestalten, durften aber nie zu gefährlich für das Regime und zu subversiv in der Kultur sein, um nicht vollkommen an den Rand gedrängt zu werden. Ihr Verhalten läßt sich sozusagen als Versuch erklären, ein Gleichgewicht zwischen diesen zwei Bedürfnissen (Subversion und Annahme einiger Spielregeln) zu schaffen. 1 Über diese Zeit wurde in Italien eine große Zahl historischer und politischer Studien veröffentlicht, aber keine soziologische Forschung über die Intellektuellen durchgeführt, im Sinne einer Analyse des ganzen intellektuellen Feldes im Hinblick auf seine internen Machtmechanismen und Kämpfe um die Steigerung des intellektuellen Prestiges, wie sie etwa in Frankreich mit den Arbeiten von Pierre Bourdieu, Christophe Charle und JeanFrançois Sirinelli in Bezug auf die Affaire Dreyfuss entwickelt wurde. Dennoch sind die Untersuchungen einiger Historiker so komplex und weitreichend, daß sie den historischen 24 2 3 4 5 6 Bereich überschreiten und wesentliche Hinweise für eine soziologische Forschung anbieten. Unter anderen Renzo De Felice mit seinem achtbändigen Werk über Mussolini (Torino, 1965-1999), seinem Intervista sul fascismo (Bari, 1975) und mit Le interpretazioni del fascismo, (Bari, 1995); Emilio Gentile mit Le origini dell’ideologia fascista (Bologna, 1996) und mit Il culto del littorio (Bari, 1993); Luisa Mangoni mit L’interventismo della cultura. Intellettuali e riviste del fascismo (Bari, 1974) und Una crisi di fine secolo (Torino, 1985); und schließlich Zeev Sternhell mit Naissance de l’idéologie fasciste«, Paris, 1989 (Deutsche Üb.: Die Entstehung der faschistischen Ideologie, 1999, Hamburg) S. Carlo Bo »L’ideologia del regime« in Bo u.a., Fascismo e antifascismo (1918-1936), Milano, 1962, S. 305-322. B. Croce, »Il fascismo come parentesi«, in Casucci C., Il fascismo. Antologia di scritti critici, Bologna, 1961. Diese Interpretation findet sich oft in den Schriften von Linksintellektuellen, die zugleich das faschistische Regimes als eine Form und ein Ergebnis der Reaktion der Bourgeoisie auf den Sozialismus und die Moderne deuten. Die Ablehnung der modernen Klassenverhältnisse und -kämpfe und die Erhaltung der Privilegien der Bourgeoisie in dem frühmodernen sozialen System seien die Kennzeichen der unvollendeten modernen Entwicklung Italiens und verursachten eine politische Reaktion der Bourgeoisie: den Faschismus. Ein erster Vertreter dieser Deutung ist Antonio Gramsci, ein späterer der kommunistische, politische Führer Palmiro Togliatti (Togliatti, Discorsi parlamentari, 1984, Roma; Rapporto sul fascismo, Roma, 1995). Ein ähnlicher Ansatz läßt sich bei Asor Rosa finden (Scrittori e popolo. Il populismo nella letteratura italiana contemporanea, Roma, 1966), der die populistische und regressive Natur der faschistischen Literatur betont und ihr Verlangen nach der Wiederherstellung der alten traditionellen Gesellschaft untersucht. Hier lassen sich die folgende Arbeiten anführen: jene des Historikers Renzo De Felice (Intervista sul fascismo, op.cit.; ders. Le interpretazioni del fascismo, op.cit.); Emilio Gentile mit Le origini dell’ideologia fascista, op.cit.; ders. Il culto del littorio, op.cit.; Luisa Mangoni L’interventismo della cultura. Intellettuali e riviste del fascismo, op.cit. .; Zeev Sternhell Naissance de l’idéologie fasciste, op.cit. Das Adjektiv »revolutionär« besitzt in diesem Kontext eine spezifische Bedeutung, die in Bezug auf die antibürgerliche Bewegung des frühen Faschismus und auf die konservative Revolution begrenzt und untersucht werden soll. In diesem Sinne wird dieses Wort breiter angewendet, als wenn es unter seiner ursprünglichen Konnotation, jener des französischen bürgerlichen Modells der Revolution, verstanden wird. Hierzu lassen sich die Definitionen Zeev Sternhells zählen, laut dem der Faschismus eine »passive Revolution« war, die nicht auf die materiellen Elemente sondern nur auf die spirituellen Werte der Gesellschaft wirkte (La naissance de l’ideologie fasciste, op.cit.; »Fascist Ideology«, in W. Laqueur (Hrsg.), Fascism, a Reader’s Guide. Analysis, Interpretation, Bibliography, Berkeley, 1976, S. 315 ff.), jene des Historikers Juan Linzs (»Some notes about a comparative Study of Fascism« in Laqueur (Hrsg.), Fascism, a Reader’s Guide ..., op.cit., S. 3 ff), dessen These ähnlich zu jener Sternhells ist, sowie Eugen Weber (»Revolution Counterrevolution What Revolution ?«, in Laqueur (Hrsg.), Fascism ..., op.cit., S. 435 ff.); Adrian Lyttleton 25 7 8 9 10 11 12 13 14 15 26 (»Italian Fascism«, in: Laqueur, Fascism ..., op.cit., S. 125 ff.; The seizure of power Fascism in Italy 1919-1929, London, 1973); Michael Leeden (L’internazionale fascista, Bari, 1972). Bo behauptet, die Rechte sei eine konservative politische Bewegung gewesen, die keine neuen Elemente und Ideen in Kultur oder Politik erzeugt habe, da sie allein von der Konsolidierung der herrschenden Schichten und Wiederholung der alten künstlerischen und literarischen Modelle gekennzeichnet sei. Diese Interpretation läßt sich auch in der schon erwähnten Haltung Croces gegenüber dem Faschismus finden, als der ihn als eine »Parenthese von 20 Jahren« beschreibt, die keine neue kulturelle Entwicklung erzeugt habe. (Croce, »Il fascismo come parentesi«, in Casucci (Hrsg.), Il fascismo. Antologia di scritti critici, op. cit.). Bobbio N., »Cultura e fascismo«, in G Quazza, V. Castronovo, u.a., Fascismo e società italiana, Torino, 1963, S. 229. Gentile E., Le origini dell’ideologia ..., op.cit., S. 295-296 »Die Worte Links und Rechts, Reaktion und Revolution sind keine für das faschistische Programm anwendbaren Klassifizierungen, das reaktionär in Bezug auf die These des Sozialismus ist, und tief erneuernd in Bezug auf andere Thesen [ist]« (Mussolini, »Programma«, in: Il popolo d’Italia, 22 Dezember 1921). Vgl. auch Rede von B. Mussolini am 5. September in Cremona, in »La provincia«, von Cremona, 7. September 1920; ders., »Nel solco delle grandi filosofie. Relativismo e fascismo«, in Il popolo d’Italia, 22 Nov., 1921. Sternhell, »Fascist ideology«, in Laqueur (Hrgs.), Fascism. A reader’s Guide ..., op.cit., S. 315 ff. Vgl. fünftes Kapitel. Vgl. E. Gentile, Il culto del littorio, op.cit., P.G. Zunino, L’ideologia del fascismo, Bologna, 1985; De Felice, Mussolini il duce. Gli anni del consenso, S. 40 ff. Für die Analyse der eschatologischen Aspekte des Nationalsozialismus vgl. u.a. G. Mosse, The Nationalisation of the Masses. Political Symbolism and Mass Movements in Germany from the Napoleonic Wars through the Third Reich, New York, 1974; ders., Masses and Man. Nationalist and Fascist Perception of Reality, New York, 1980. Dies macht z.B. auch erklärbar, warum Mussolini die von Gentile geleitete »Enciclopedia Italiana« unterstützte und verteidigte, die viele antifaschistische Intellektuelle als Mitarbeiter versammelte. (Vgl. u.a. G. Turi, Il fascismo e il consenso degli intellettuali, Milano, 1980 und De Felice, Mussolini. Il duce. Gli anni del consenso, S. 107 ff.) Ein weiteres Beispiel findet sich in der Haltung gegenüber der Kunst: obwohl Mussolini der Kultur die Funktion zumaß, das Individuum und insbesondere die neuen Generationen - die »neuen Menschen« - in die faschistische Gesellschaft zu integrieren, verbannte er keine Strömung. Auch wenn der Futurismus keine politische Rolle mehr spielen konnte, wurden die Futuristen im Gegensatz zu Deutschland nie als »entartete Künstler« bezeichnet. Vgl. u.a. Garin, Cronache di filosofia italiana, op. cit.; Turi, Il fascismo e il consenso degli intellettuali, op. cit. und Mangoni, Una crisi di fine secolo, op. cit. 16 Z. Sternhell, Naissance de l’idéologie ..., op.cit.; Stuart Hughes, Consciousness and Society. The Reorientation of European Social Thought 1890-1930, New York, 1961. 17 Agostino Lanzillo war einer der Ersten, der die Idee des dritten Weges erarbeitete (Vgl. »L’ora dei combattenti« in der von Mussolini geleiteten Zeitschrift Popolo d’Italia, 21. Juni 1919). Die Revolte der Veteranen gegen die herrschende Klasse sollte zur nationalsyndikalistischen Regierung führen, die das Recht des »armen« Volkes, insbesondere des italienischen, gegen die imperialistischen Mächte schützen würde. Diese Theorie wurde von der ganzen Gruppe der revolutionären Syndikalisten unterstützt und verbreitet. Vgl. die Artikel der in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg von Alceste De Ambris geleiteten Zeitschrift »Il rinnovamento« und der von A. O. Olivetti geleiteten »Italia nostra«. 18 Die Zerstörung der alten sprachlichen Kategorien (wie Links und Rechts) ist ein Kennzeichen der kulturellen und auch der konkreten politischen Sprache Anfang dieses Jahrhunderts nicht nur in Italien, wie das Bündnis zwischen der extremen Rechten und der extremen Linken im Dritten Reich zeigt. Vgl. J. P. Faye Les languages totalitaires, Paris, 1973 und V. Klemperer (LTI: Notizbuch eines Philologen, Köln, 1987 über die Veränderung der sprachlichen Kategorien in den politischen und kulturellen Bereichen während des Dritten Reichs. 19 Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit Frankfurt/M., 1986, S. 48. 20 Beispiele dieses Übergangs finden sich in der Strömung des revolutionären Syndikalismus, als der Führer der Bewegung sindacalismo rivoluzionario, Arturo Labriola, sich für kurze Zeit mit Elementen des Nationalismus von Corrradini verband, so daß ein großer Teil dieser auf der postmarxistischen Theorie Sorels fußenden Bewegungen schließlich dem Faschismus bis zu seinem Ende verbunden blieb. Auch Mussolinis kulturelle und politische Bildung wurde von Sorel und dem sindacalismo rivoluzionario beeinflußt. 21 N. Zapponi, »I miti e le ideologie«, in Storia contemporanea, VII, 1983, S. 203-204. 22 Diese interessante Definition wurde von Fritz Stern (Kulturpessimismus als politische Gefahr, Bern 1963) erarbeitet. 23 Giovanni Gentile, »Il fascismo e gli intellettuali«, in Opere, (XLV), Firenze, 1990, S. 423. 24 Ein weiteres Zeichen dieser Komplexität ist die Spaltung der Unterstützer des Faschismus in intransigenti und fiancheggiatori ab 1922 (Marsch auf Rom). Erstere wurden von Roberto Farinacci geleitet und waren die revolutionäre und kleinbürgerliche Komponente des Faschismus, die die Kompromisse Mussolinis mit der Industrie und den Konservativen nicht ertragen wollten. Letztere waren mit Mussolini nur opportunistisch verbunden, d.h. sie wollten den Faschismus für ihre politischen und ökonomischen Interessen ausnützen; der Faschismus sollte den Sozialismus neutralisieren und dabei die konservative Regierung sichern. Deshalb sahen sie den von den intransigenti vertretenen revolutionären faschistischen Geist als eine Gefahr für die Stabilisierung der politischen Lage an und wünschten die ›Normalisierung‹ der faschistischen Partei. Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista del potere. 25 Vgl. De Felice, Interpretazioni del Fascismo ..., op.cit., S. 28. 27 26 Unter konservativen Klassen werden politisch die ehemaligen Liberalen, die Konstitutionell-Moderaten, die Nationalisten, die Monarchisten und ökonomisch der gehobene Mittelstand, die Industrie und die Bürokratie verstanden. Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione dello stato fascista ..., op.cit., S. 8 ff. 27 Vgl. A. De Castris, »Gramsci e il problema dell’egemonia negli anni ‘30«, in Lavoro critico, XIX, 1980; N. Bobbio, »Profilo ideologico del Novecento«, in dem Band »Il Novecento« der Storia della letteratura italiana, Milano, 1969; A. Del Noce, »Idee per l’interpretazione del fascismo«, in Casucci (Hrsg.), Il Fascismo Antologia ..., op.cit.; ders. Il prolema storico del fascismo, Firenze, 1970. 28 Ich verwende hier das Wort ›hegemonial‹ anders als Gramsci, indem ich es auf das intellektuelle Feld anwende und damit auf die kulturelle Macht und das Prestige der Bewegung Bezug nehme. So lassen sich diejenigen als hegemoniale Exponenten der Kultur einordnen, die ein besonderes Prestige und das höchste symbolische Kapital besitzen und damit das ganze Feld gestalten, indem sie die legitimen Praktiken und Formen der intellektuellen Arbeit durchsetzen. 29 Vgl. Leeden, L’internazionale fascista, op.cit. 30 Es läßt sich natürlich nicht sagen, daß die antifaschistische Opposition einerseits und die interne Opposition andererseits vom Regime gleich behandelt wurden, aber auch gegen letztere zeigte das Regime seine Feindseligkeit. 31 Dieser Ausdruck von Camillo Pellizzi (Le lettere italiane nel nostro secolo, Milano, 1929, S. 175 ff) bezeichnete die jungen Faschisten, die eine viel zu ernste und radikale Vision der Revolution entwickelten und deswegen von den faschistischen Autoritäten für suspekt gehalten wurden. 32 Vgl. zu den reaktionären Autoren E. Gentile, Le origini dell’ideologia fascista, op.cit., S. 346 ff. 33 Intransigenti waren die extremen Flügel, fiancheggiatori und revisionisti waren Konservative, Moderate und ehemalige Liberale. Diese Begriffe werden im zweiten und dritten Kapitel ausführlich erläutert. 34 Vgl. M. Löwy, »Le concept d’affinité elective«, in, Sociabilités intellectuelles, Cahier IHTP, 20, März 1992. 35 Dabei ist bemerkenswert, daß die politische Peripherie nicht nur weniger Mittel, sondern auch eine geringere symbolische Macht besaß, so daß ihre Reaktionen nicht so wirksam wie die des Regimezentrums - der von Mussolini anerkannten kulturellen und politischen Autoritäten – waren. Trotzdem konnten die intransigenti Intellektuelle fördern, indem sie z.B. ihre Veröffentlichungen in Zeitungen unterstützten. 28 Theoretische Bezugnahmen und Methodologie Diese Untersuchung strebt die Beobachtung des Verhältnisses der Intellektuellen zum Totalitarismus in einer Übergangsphase an. Anstatt ihre Haltung unhinterfragt als reinen Opportunismus abzutun sollten ihr Handeln und ihre Schriften vielmehr im Rahmen der intellektuellen und politischen Kämpfe der Zeit eingeordnet und die Autoren nicht als Einzelne betrachtet werden. Dabei wird eine strukturelle Perspektive eingenommen, um eine Art »Entmythologisierung« und »Entmoralisierung« der Autoren1 zu erreichen und zur Definition eines Intellektuellentypus zu gelangen, dessen Wurzeln in einer »dauerhaften« Spaltung des intellektuellen Feldes liegen. Zweck der Arbeit ist ferner, die Definition und die Eigenschaften der radikalen rechten Intellektuellen festzustellen: die Bezeichnung aller Rechtsintellektueller als Konservative, die in heutigen Diskussionen weit verbreitet ist2, wird dadurch in Frage gestellt. Nach meiner Hypothese ist es genau die Trennung, die gravierende Spaltung innerhalb des faschistischen, intellektuellen Feldes zwischen der konservativen Kultur und der antimodernen Strömung der radikalen Intellektuellen, die das Wesen ihrer Programme und Anschauungen ausmacht. Das Wesen der radikalen Intellektuellen lag in ihrem revolutionären Charakter, der auf den »Geist« der ursprünglichen Bewegung verwies; sie vertraten eine totale künstlerische und politische Auffassung, was sie von den konservativen Intellektuellen unterschied. Sie bekämpften die konservativen Intellektuellen und Politiker und übten eine besonders gefährliche Kritik am Regime, so daß sie nicht mit den anderen internen »Verbesserern« des Faschismus – wie Giuseppe Bottai und den revisionisti – vergleichbar waren. Die Randposition der radikalen Intellektuellen läßt sich gleichzeitig auf einer intellektuellen und einer politischen Ebene als eine »grundsätzliche Spaltung« beschreiben, die eine neue Handlungsmöglichkeit eröffnet: die Kritik am ganzen politischen faschistischen System aus 29 einer »virtuellen« Perspektive – jener der totalen Revolution – vorzubringen. Die von den integralistischen Intellektuellen Mitte der 20er Jahre während des Konfliktes mit den akademischen Intellektuellen und den konservativen Kräften geschaffene Position in der Struktur des Feldes wurde später, als sie nichts Neues zu sagen hatten, von anderen Akteuren – Evola und seiner Gruppe – wie ein leergewordener »Raum« besetzt, der bereit war, von anderen »bewohnt« zu werden.3 Zwei Einwände könnten gegen die Verwendung der Worte »Kritik« und »Intellektuelle« erhoben werden: Läßt sich der Begriff der intellektuellen Kritik in diesem Fall überhaupt benutzen, wenn diese nicht der Verteidigung universeller Werte, sondern der starken Verneinung der Freiheit entspringt? Läßt sich auch in diesem Fall eine Definition von Kritik benutzen, die für die Opposition der modernen Intellektuellen als Vertreter des moralischen Fortschritts und der Entwicklung der menschlichen Urteilsfähigkeit angewendet wurde? Und weiter: Lassen sich diese Autoren überhaupt als Intellektuelle betrachten? Das Problem stellt sich hier, da eine Kategorie, die mit einer ethisch »guten« Haltung assoziiert wird, in einem anderen Kontext etwas ganz anderes bezeichnet. Eben dies ist der Fall mit dem Wort »intellektuelle Kritik«, das in unserer Geschichte eine positive Bedeutung hat. Die Entstehungsgeschichte der Worte »intellektuelle Kritik« und »Intellektuelle« verweist auf ein positives Ereignis, das der Kritik eine moralische Bedeutung verleiht. In diesem Sinne ist die Figur des Intellektuellen schon seit seiner Entstehung, d.h. seit der Verwendung des Wortes in dieser Bedeutung in der Dreyfuss Affaire, mit seiner Rolle als Verteidiger des Universellen verbunden und besitzt eine wesensgleiche Beziehung mit der Entstehung und der Konsolidierung demokratischer Werte. Die moralische Komponente des Wesens des Intellektuellen, die die Ursache seiner Autorität darstellt, ist mit unseren eigenen modernen politischen Werten verbunden: Intellektueller ist in diesem Fall nur derjenige, der nicht nur irgendwelche allgemeinen Werte verteidigt, sondern auch spezifische Grundwerte, die unserem gesellschaftlichen System zugrunde liegen sollten. Jerome Karabel4 hat diese Sichtweise der Intellektuellenarbeit als eine »idealistische normative Bezugsform«5 eingestuft und sie damit der analytischen Betrachtungsweise entgegenstellt: Ihr Ziel sei nicht die reine Forschung über die reale konkrete Intellektuellentätigkeit, sondern die Feststellung des intellektuellen Sollens. 30 Obwohl der Standpunkt Karabels nicht ganz mit meinem übereinstimmt, ist auch hier die Betonung der zweifachen Betrachtungsweise der Intellektuellentätigkeit ein wesentlicher Punkt, was dazu führt, daß das Wort »Kritik« neben der schon erwähnten »moralischen« Bedeutung zugleich einen allgemeinen und formalen Charakter besitzt: Kritik ist auch, in einem weiteren Sinne betrachtet, eine Fähigkeit und eine Handlungsmöglichkeit, die unabhängig von ihren eigentlichen Inhalten besteht. Sie ist »die Beurteilung des Verhaltens (des Tuns und Unterlassens) anderer in Bezug auf bestimmte Normen, womit keine unmittelbaren Sanktionen verbunden sind. Kritik setzt die Anerkennung eines möglichen Dissenses über die Interpretation einer allgemeinen Verhaltenserwartung voraus: sie impliziert die prinzipielle Anerkennung einer Verhaltensalternative«.6 Dergestalt läßt sich eine der obigen Fragen teilweise beantworten: Die rechtsextremen Intellektuellen übten keine Kritik aus, wenn unter diesem Begriff ein positiver ethischer Inhalt als »Appell an die Gesinnung, als Mission für Ideale, als Glaube an die ›reine Vernunft‹ und an die Macht der Aufklärung«7 verstanden wird, aber sie waren dennoch Kritiker, indem sie sich an die Öffentlichkeit wandten und damit ihre Position als Kulturexponenten benutzten, um die Regierung zu kritisieren und sie gemäß ihren Idealen zu beeinflussen suchten, wobei »ihre Ideale« die Entwicklung eines allgemeinen politischen Projekts sein sollten. Daß sie nicht von der Verteidigung ihrer individuellen Machtpositionen, sondern von den universellen allgemeinen Werten der Tradition und der Wiederherstellung der Gemeinschaft ausgingen, ist in der Tat eine unbestrittene Tatsache und läßt sich kaum anders, als die Anwendung ihrer Kritik und ihrer Dissensfähigkeit als Intellektuelle gegenüber der aktuellen Politik klassifizieren.8 So wird auch die zweite Frage beantwortet: Wenn Kritik das Kennzeichen der intellektuellen Tätigkeit ist, dann lassen sich die radikalen Autoren als antiintellektuelle Intellektuelle betrachten. Antiintellektuell waren sie wegen der Verneinung der von den Intellektuellen verteidigten aufklärerischen Prinzipien, Intellektuelle waren sie, indem sie ihre Macht als Exponenten des universellen und höheren Standpunkts der Intelligenz anwandten. Der Schriftsteller Curzio Suckert, die Künstler Mario Carli, Emilio Settimelli, Mino Maccari und der Religionsexperte Julius Evola nutzten ihre Position und ihre Kompetenz in der intellektuellen Welt aus, um durch ihre Artikel oder Werke und ihr Handeln einen politischen Einfluß auf den Faschismus 31 auszuüben, womit sie ihre spezialisierte Funktion aufgaben und in einem anderen Bereich intervenierten. Die Definition des Intellektuellen und der intellektuellen Kritik, die dieser Arbeit zugrunde liegt, wurde nach einer Untersuchung und einem Vergleich unterschiedlicher Methoden, die zur Analyse der Beziehungen der Intellektuellen zur Macht angewendet werden, ausgewählt, was zur Formulierung einer eigenen Forschungsmethode führte. Der Bestimmung der Methode werden zwei Prämissen zugrunde gelegt: Erstens sollte der Standpunkt nicht normativ, sondern analytisch/deskriptiv9 sein, um die konkrete Relation der Intellektuellen zur Politik daraufhin zu untersuchen, wie sie ist und nicht wie sie sein sollte; zweitens sollte der Intellektuelle als Mitglied der Intellektuellenschicht betrachtet werden. Grundlegend für die erste Bedingung war das Objekt der Arbeit: es besteht in den Beziehungen einer Intellektuellengruppe zur Politik in einer konkreten Lage und hat kein direktes Verhältnis zu der normativen Frage oder zum Wert der Haltung oder der Werke. Mit dieser ersten Voraussetzung ist die zweite verknüpft: Die Intellektuellen sollten nicht als moralische, individuelle Akteure untersucht werden, sondern als eine Gruppe, die in einer wandelbaren politischen Situation ihre Arbeit und ihre Identität weiterführt oder verändert.10 Zwei Grundmodelle wurden zur Untersuchung der Beziehungen der Intellektuellen zur Politik herangezogen: das Modell Antonio Gramscis, das schon als Schlüssel zur Interpretation der Haltung der Intellektuellen zum Faschismus benutzt worden ist11, und jenes Pierre Bourdieus, das im Gegensatz dazu eine Alternative zur »klassischen« Methode des Studiums des Faschismus darstellt. Gramsci und Bourdieu: ein Vergleich Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden hier betrachteten Autoren liegt auf dem methodologischen Niveau, in ihrer Haltung gegenüber der Soziologie der Intellektuellen. Die soziologische Vision Bourdieus erlaubt es ihm, einen Sektor der Gesellschaft auszuschneiden und als ein Interaktionsnetz zu untersuchen, indem er die Konkurrenzmechanismen der Akteure zur Eroberung der Macht, die interne Ausdifferenzierung und Strukturierung und 32 zugleich die externen Verhältnisse der Felder betont. Das intellektuelle Feld als einen relativ abgeschlossenen Raum der Gesellschaft zu betrachten bedeutet, das Primat der Politik abzulehnen und die Beziehungen zwischen dem intellektuellen und dem politischen Feld als ein Spiel zwischen zwei nicht aufeinander reduzierbaren Akteuren darzustellen. Im Gegensatz dazu schließt die Methode Gramscis diese soziologische Betrachtung der Intellektuellen aus. Wenn sie als Gruppe beschrieben werden, stellen sie die Vertreter einer bestimmten politischen Ideologie dar und lassen sich deswegen mittels einer politischen Analyse studieren. Wenn sie als Zeugen und Interpreten einer gewissen Stufe der menschlichen Entwicklung auftreten, werden sie durch die Instrumente der historischen Wissenschaft erforscht, insbesondere im Rahmen der marxistischen Theorie der Geschichte. Es ist kein Zufall, daß Gramsci, der die Intellektuellentätigkeit als eine rein politische Aufgabe beschreibt (um die kommunistische Gesellschaft vorzubereiten), die historische und nicht die soziologische Methode benutzt und sich sogar explizit gegen die soziologische Analyse wendet. Am Anfang seiner Studie über die Intellektuellen schreibt er, daß seine Arbeit keine soziologische Forschung sei, sondern eine Sammlung von Essays über die »Kulturgeschichte«, und unterstreicht, daß er aufpassen müsse, keine soziologischen Modelle oder Formen zu benutzen, und daß er zuerst mit einer starken Kritik an den soziologischen Arbeiten beginnen solle.12 Durch die folgenden Bemerkungen wird deutlich, daß Gramscis Ausgangspunkt eine externe Perspektive auf die Intellektuellenarbeit und -gruppe darstellt: Der Intellektuelle kann nur als ein politischer Funktionär aufgefaßt werden, und zwar immer aufgrund seiner Relation zu den gesamten sozioökonomischen Verhältnissen. Außerdem enthält seine Vision niemals eine Beschreibung der intellektuellen Tätigkeit, ohne direkt auf die politische Lage zu verweisen. Die primäre Bedeutung der politischen und historischen Analyse und die entsprechende Ablehnung der Soziologie lassen sich zum theoretischen Grundelement der Ablehnung der Trennung zwischen Intellektuellenarbeit und Politik in Bezug auf zwei Ebenen verbinden: eine politische – die Funktion der Intellektuellen auf politischem Gebiet – und eine epistemologische – seine Haltung der Wissenschaft und allgemein der intellektuellen Arbeit gegenüber. Was die Rolle der Intellektuellen in der Politik betrifft, ist die Arbeit des organischen Intellektuellen immer zunächst eine Funktion der politischen 33 Hegemonie jener Klasse, die ihr politisches Bewußtsein entwickelt hat, was dazu führt, daß der Intellektuelle ein politischer Funktionär zur Ausübung der hegemonialen Macht der herrschenden Klasse ist. Obwohl er die Klasseninteressen als universelle Bedürfnisse erarbeitet, ist der Intellektuelle immer einem spezifischen, hegemonialen Block und seiner partiellen Weltanschauung – im Sinne von Mannheim – verbunden und seine Tätigkeit hängt von dessen Entwicklung ab. Diese Funktion erweist sich dadurch, daß die Intellektuellen von der herrschenden Gruppe unterstützt werden, um die Rolle des »Treibriemens« zwischen den Massen und der Elite zur »Übertragung« der politischen sozialen Kontrolle zu spielen. Daraus folgt, daß die ökonomischen und politischen Faktoren einen bestimmenden Einfluß auf die Kultur ausüben, indem die Arbeit der Intellektuellen immer von der Existenz und den Interessen eines »historischen Subjekts« ausgeht, selbst wenn eine Klasse nur durch die Bildung einer Intellektuellenschicht eine Klasse per sé sein kann. Letztlich gründet sich Gramscis Begriff der Macht auf eine ökonomische und politische Sicht, und erst danach auf eine Betrachtung der kulturellen Macht, die als notwendiges, aber nicht primäres Moment dargestellt wird. Macht ist bei Gramsci deswegen eindimensional, weil auch die Macht über den Alltagsverstand ein Aspekt der politischen und ökonomischen Macht ist und immer in eine Richtung fließt – von oben nach unten. In dieser Vision wird die reine Möglichkeit der Existenz freier Intellektueller und ihrer kritischen Funktion verneint, da jede intellektuelle Arbeit aus der Vertretung der spezifischen Interessen einer Klasse und derer historischen Entwicklung stammt, d.h. sie drückt das Entwicklungsstadium einer Klasse aus, die sich auf die Machteroberung vorbereitet. Eine Folge dieser Sicht der Intellektuellen als Funktionäre von Klassen ist die Abwesenheit irgendeiner relevanten Trennung oder eines Unterschieds zwischen den Intellektuellen: Trotz ihrer verschiedenen Arbeiten – seien sie Professoren oder Parteifunktionäre, Grundschullehrer oder kleine Bürokraten – und ihrer Auseinandersetzungen bilden sie zusammen eine »Armee«, deren interne Konflikte nur sekundär sind, da sie ihr Ziel der gesamten Klassenentwicklung entnimmt. Aus diesem Grund verschwinden ihre Unterschiede und lassen sich durch die Instrumente der Klassenanalyse nicht als spezifische Kennzeichen, sondern nur als ganzheitliches Produkt der Klassenherrschaft untersuchen. Zweitens lehnt Gramsci das Ideal der Neutralität der Wissenschaft als typisch bürgerliches Produkt ab und beseitigt damit jede Trennung zwischen 34 der politischen und der intellektuellen Tätigkeit. Der Wissenschaftler verrichtet seine intellektuelle Tätigkeit wie der Künstler und der Politiker als direkte politische Tätigkeit, was in der Tätigkeit des kommunistischen Intellektuellen deutlich wird. Letzterer soll die Massen erziehen und vertreten und dadurch die Philosophie »zum Leben« erwecken.13 Dies führt dazu, daß die Trennung zwischen der politischen Tätigkeit und der Exposition empirischer Tatsachen in der Intellektuellenarbeit unbedeutend ist. Der Intellektuelle spricht immer von einem politischen Standpunkt aus. Die Politik gehört dann nicht nur zum Hörsaal, sondern sie muß immer dazu gehören.14 Der Intellektuelle soll sich immer des politischen Charakters seiner Arbeit bewußt sein, nicht um diesen nach außen deutlich zu machen, sondern um ihn als sein Ziel zu begreifen, was beispielhaft in der Darstellung der Tätigkeit der kommunistischen Intellektuellen, verstanden als Verbreitung der Doktrin des historischen Materialismus zur politischen Bildung, deutlich wird. Die Partei und die Intellektuellen, welchen die politische Aufgabe dieser Erziehung zukommt, sollen derart arbeiten, daß »alle Mitglieder zu Intellektuellen werden«, und zwar zu politisch qualifizierten Intellektuellen, leitenden Angestellten, Organisatoren aller Tätigkeiten und Funktionen zur Entwicklung einer vollständigen zivilen und politischen Gesellschaft.15 Laut Gramsci wird und solle die intellektuelle Elite ihre letzte Aufgabe erfüllen, wenn sie sich selbst auflöst, d.h. wenn das Kulturprivileg der letzten Intellektuellen nicht mehr als ihr Monopol gelten wird und sie ihr Wissen gänzlich verbreitet haben werden. Im Gegensatz zu Gramscis Modell ermöglicht Bourdieus Theorie eine komplexe Beschreibung der Struktur des intellektuellen Felds, die von seinem Prinzip der Differenzierung gegenüber den anderen Feldern und von seiner internen Strukturierung ausgeht, so daß sich Bourdieus Theorie in ihrem doppelten Aspekt als interne Analyse und als Analyse von innen erfassen läßt. Letzteres wird daran ersichtlich, daß die Perspektive zur Analyse der Beziehungen des intellektuellen zum politischen vom intellektuellen Feld, und zwar von den Positionen der Akteure und seiner Struktur, ausgeht. Da die Macht auf unterschiedlichen Ebenen wirkt und da sie nicht nur politische und ökonomische Dimensionen hat, läßt sich der Intellektuelle in erster Linie als ein Exponent des intellektuellen Feldes betrachten, dessen politisches Engagement von seiner Position und seinen Interessen im intellektuellen Feld herrührt. Die Intellektuellen sind Akteure innerhalb des intellektu35 ellen Feldes, und ihre Position wird durch den Kampf um den Gewinn des symbolischen Kapitals bestimmt, »als Kapital an institutionalisierter oder nicht-institutionalisierter Anerkennung oder Konsekration, das die diversen Akteure oder Institutionen mittels spezifischer Arbeit und Strategien im Laufe der vorangegangenen Kämpfe zu akkumulieren vermochten«.16 Unter diesem Aspekt wird die Ähnlichkeit der Theorie Bourdieus mit der Webers und Mannheims deutlich. Das Kennzeichen der Intellektuellen ist ihre Position der Politik und den Massen gegenüber: Sie sind nicht nur Funktionär der Politik. Wie bei Weber existieren nach Bourdieu unterschiedliche Sphären, deren jeweils verschiedene Werte in Konkurrenz zueinander stehen.17 Die akademische Elite Webers und die Intellektuellenschicht Mannheims bilden eine eigene Sphäre, und ihre Relation zum politischen Milieu – oder besser, ihre Funktion innerhalb der Politik – ist nicht das bestimmende Element ihrer Identität.18 Darüber hinaus kann Bourdieu den Übergang zu einer höheren oder niedrigeren intellektuellen Autonomie an deren internen Ergebnissen in der Hierarchie und in der Struktur des Feldes untersuchen, während Gramsci diese Phänomene nur aus einer externen Perspektive, und zwar durch die Analyse der Politik und der Intellektuellengruppe als Ganzes, erforschen kann. Bourdieus Ansatz ermöglicht ferner die Bestimmung der unterschiedlichen Positionen und der Bedeutung der Kämpfe im intellektuellen Feld sowie der Gründe des Erfolgs und des Prestiges der internen Komponenten (Akteure, Bewegungen, Gattungen) und ihres eigenen Verhaltens zur Politik – auf der Ebene der internen Analyse. Was die Haltung der Intellektuellen gegenüber der Politik betrifft, so führt die Separation der Intellektuellen vom politischen Feld zu einer Definition der Autonomie, welche innerhalb wie außerhalb des intellektuellen Feldes funktioniert, da sie die Grundlage der externen Beziehungen zwischen den Feldern darstellt und gleichzeitig die interne Identifizierung und Ausdifferenzierung bestimmt. Die Autonomie ist die Basis der Identität des intellektuellen Feldes, da sie historisch seine Konstitution begleitet und die interne Ausdifferenzierung zwischen den autonomen und heteronomen Elementen verursacht. In diesem komplexen Bild wird die intellektuelle Schöpfung nicht den Interessen und Machtmechanismen des politischen Feldes zugeschrieben, sondern in der internen Struktur und in Bezug zur Position der Autoren im intellektuellen Feld eingeordnet; die Struktur nimmt ihre Gestalt im Rahmen der Wechselwirkungen ihres Feldes zum politischen Feld an, 36 womit die Betrachtung des individuellen, schöpferischen Elements mit seiner Kontextualisierung im politischen und sozialen Hintergrund harmonisiert wird. Die Autorität der Intellektuellen außerhalb des intellektuellen Feldes basiert dann auf ihrer Zugehörigkeit zu eben diesem Feld19, und durch sie üben die Intellektuellen ihre spezifische Macht auch auf andere Felder aus.20 Obwohl das intellektuelle Feld im allgemeinen dem politischen untergeordnet ist, so daß die Intellektuellen »als Beherrschte Teil der Herrschenden« sind21, ist die politische Macht, die zum politischen Feld gehört, von untergeordneter Bedeutung innerhalb des intellektuellen Feldes, was dazu führt, daß der Intellektuelle seinen spezifischen Anspruch im politischen Feld erhebt. Insgesamt betrachtet ermöglicht diese komplexe Sicht des Problems der Autonomie eine komplette Analyse der spezifischen Lagen und Konfigurationen des Feldes. Im Gegensatz zu Gramsci kann Bourdieu die Schwankungen zwischen Autonomie und Heteronomie auf zwei Ebenen betrachten: auf einer externen – zwischen dem intellektuellen und dem politischen Feld – und einer internen – bezüglich der Position der autonomen Bewegungen und Akteure innerhalb des Feldes in Relation zur Autonomie des Feldes insgesamt. Diese Schwankung läßt sich nicht allein aus einer externen Perspektive betrachten, wie bei Gramsci, der aus der Analyse der externen politischen Haltungen zum Intellektuellenfeld dessen Lage direkt deduziert, sondern unter Berücksichtigung der Modifizierungen der internen Hierarchie des intellektuellen Feldes. Um die Beziehungen des intellektuellen Feldes zur Politik herauszufinden, sollten die Belohnungen und Sanktionen in Bezug auf Heteronomie und kritisches Verhalten der Intellektuellen untersucht werden, da sie Prestige und Gewicht des spezifischen Kapitals des Feldes oder umgekehrt seine »Entwertung« anderen Kriterien gegenüber (wie der »Treue« zu einem politischen Regime) zeigen. Als exemplarisch lassen sich zwei extreme Situationen beschreiben: 1) die Autonomie des Feldes, wobei die autonomen Bewegungen eine höhere symbolische und geringere ökonomische Belohnung erhalten und die heteronomen eine geringere symbolische und höhere ökonomische; und 2) seine Heteronomie, wenn letzteren beide Akte der Belohnung in gleichem Maße und ersteren keine der beiden zukommt. Zwischen diesen beiden Extremen existieren empirische Situationen, die sich vom Forscher untersuchen lassen. Das intellektuelle Feld schwankt nicht nur zwischen Autonomie und Heteronomie, sondern schließt im Ge37 gensatz zu Gramsci eben beide Prinzipien ein. Da sie gleichzeitig die interne Ausdifferenzierung und die äußeren Relationen zu den anderen Feldern bestimmen, ist die Frage der Abhängigkeit vom politischen Feld das konstitutive Element, um die Feldstruktur zu erklären. Außerdem berücksichtigt Bourdieus Modell auch die Phänomene des Dissidententums und der relativen Autonomie: Kritik ist ein wesentliches Element, das die Identität des intellektuellen Feldes durch den Glauben an universelle, der Politik übergeordnete Werte bestimmt. Der Prozeß der Verwandlung spezifischer Interessen zu universellen Werten, die innerhalb des Feldes durch Konkurrenz an die Definition legitimer Praktiken sowie Adhäsion an die libido sciendi und außerhalb des Feldes durch Feststellung höherer Werte der Politik gegenüber stattfindet, ist nicht wie bei Gramsci mit dem Gewinn des Bewußtseins oder der Machteroberung einer sozialen Klasse verbunden. Er ist ein Kennzeichen des intellektuellen Feldes, das seit seiner Autonomisierung die spezifische Identität des Intellektuellenwesens bildet und die Intervention der Intellektuellen in der Politik ermöglicht.22 Dieses Ideal der Freiheit der intellektuellen Sphäre grenzt die Interpretation Bourdieus von der Theorie Gramscis ab und markiert einen entscheidenden Unterschied in der Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit: Die eigenen kulturellen Werte bilden wie bei Weber die Grundelemente für die Konstitution des intellektuellen Feldes, indem sie allen in anderen Sphären23 geltenden Werten vorgezogen werden, so daß die Sache24 die spezifischen Aufgaben des Handelns und die geltenden Werte eines bestimmten Feldes bestimmt.25 Methodologischer Zugang Es lassen sich drei Gründe für die Wahl einer soziologischen Methode für diese Untersuchung nennen, die eng mit dem spezifischen Objekt der Arbeit verbunden sind. Da die internen Kämpfe und Positionen der rechtsradikalen Autoren, ihre Auseinandersetzung mit der akademischen Kultur des Faschismus sowie ihre Haltung gegenüber den literarischen Strömungen und politischen Grundbestandteilen des Faschismus das Thema der Arbeit bilden, wäre der Ansatz Gramscis – d.h. die Intellektuellen als einen einzigen Orga38 nismus zu betrachten – nicht passend. Die Frage nach den vom Faschismus vertretenen Interessen und Klassen und der politischen Funktion seiner Intellektuellen als Funktionäre wird hier beiseite gelassen, um die internen Spaltungen und Diskussionen und ihre Auswirkungen auf die Struktur und Veränderung des intellektuellen Feldes zu verfolgen. Nur mittels der soziologischen Methode gewinnt das intellektuelle Feld eine »Tiefe«, in der sich die Ähnlichkeiten und die Unterschiede der Positionen der Autoren betrachten lassen. In dieser Hinsicht ist der Begriff der »Positionen« im Feld wesentlich, um die Autoren nicht nur auf der Ebene ihrer Theorien und Werke zu vergleichen, sondern auch in ihren Haltungen und Kämpfen gegen intellektuelle und politische »Feinde« und in Bezug auf die von ihnen vertretenen »Modelle« und bekämpften »Gegenmodelle«. Außerdem werden die Reaktionen ihrer »Opponenten« untersucht. So läßt sich die Hypothese der Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten der rechtsradikalen Autoren nicht nur auf der thematischen Ebene, sondern auch auf jener der strukturellen Analyse von Macht und Positionen, von Konflikten und Debatten beweisen. Ein weiterer Grund für die Wahl der soziologischen Methode besteht in der hier betrachteten Zeitspanne: Die 20er Jahre stellen einen Bruch dar, d.h. einen Übergang von der Autonomie zur (relativen) Heteronomie der Kultur. Die Einflüsse der Regierung und die Zensur werden immer stärker und wirken auf das intellektuelle Feld, das sie zu verändern beginnen. Daher läßt sich die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Kultur von der Politik nicht abstrakt und von Anfang an postulieren, sondern nur konkret in dieser Übergangsphase untersuchen, und deshalb läßt sich auch der von Gramsci erarbeitete Begriff des organischen Intellektuellen nicht anwenden, da er die Veränderungen in den Wechselwirkungen zwischen dem politischen und dem intellektuellen Feld nicht fassen kann. Wenn wir jetzt diese methodologische Betrachtung kurz verlassen und zur historischen Debatte zurückkehren, läßt sich vielleicht eine Ursache der schwierigen Bestimmung der faschistischen Kultur eben im methodischen Ansatz vieler historischer Studien finden: Das intellektuelle Feld wird stets als ein ganzer Organismus betrachtet, der in einem Abhängigkeitsverhältnis zum totalitären Regime gestanden hätte. Aus dieser Perspektive scheint es, als ob die politischen Anforderungen direkt ohne großen Veränderungen auf die intellektuelle Ebene übertragen worden wäre, so daß die Kultur ein un39 mittelbares Produkt des Regimes dargestellt hätte. Dann aber bleibt für den Forscher nur die Frage nach der Natur und der Funktion des Faschismus selbst übrig. Eine andere Methode zur Erforschung der Beziehung der Intellektuellen zum Faschismus läßt sich Studien zur Ideengeschichte entnehmen, die einen individualistischen Ansatz überwinden und gleichzeitig das Problem des Fehlens einer offiziellen literarischen und philosophischen Richtung des Regimes – d.h. der Identifikation des Faschismus mit einer Theorie oder Bewegung – berücksichtigen. Im Rahmen ihrer Analyse wird der Entwicklung einiger gemeinsamer Fragen nachgegangen, die im kulturellen und intellektuellen Milieu gestellt wurden; die Kultur zu Anfang des 20. Jahrhunderts wird so als ein komplexes System von Problemen beschrieben, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Gemeinschaft gestellt wurden und denen, laut Zeev Sternhell26, ein »kulturelles Substrat« oder, gemäß Stuart Hughes27, ein »Geist der Zeiten« zugrunde lag. Obwohl ideengeschichtliche Untersuchungen die Interaktionen innerhalb der kulturellen Strömungen und zwischen diesen und der Politik beleuchten, beschäftigen sie sich zuerst mit den Ideen und den Werken und erst danach mit den Autoren, die nur in Bezug auf ihre geistigen Produkte untersucht werden. Die Ideengeschichte bietet daher ein notwendiges Instrument zum Verständnis der kulturellen Atmosphäre, die zum Zusammentreffen und der Fusion unterschiedlicher Bewegungen mit den politischen Anforderungen geführt hat; dennoch fehlt ihr die Dimension der Kämpfe, der Diskussionen und der Bildung von dominanten und marginalen Zonen im intellektuellen Feld. Für diese Arbeit stellt dieser Ansatz nur einen Teil der Instrumente dar, insbesondere in der Analyse der Themen und der Probleme, die ein »kulturelles Unbewußtes«28 bilden, das sowohl die Dimension der öffentlichen Diskussion von Themen, wie auch die versteckten und manchmal unbewußten Beziehungen zwischen verschiedenen Formulierungen derselben Fragen erfaßt. Dieses »kulturelle Unbewußte« wird aber nicht als eine stabile und unveränderliche »Sache« dargestellt, sondern als eine dynamische Konstellation, als Ergebnis der ständigen Entwicklung dieser Themen in Bezug auf das Spiel unterschiedlicher Relationen zwischen den Intellektuellen, ihren Werken und ihren Positionen im intellektuellen und auch im politischen Milieu, so daß ein komplexes Bild gewonnen wird, das auch die Besonderheiten der verschiedenen Akteure im Auge behält. 40 Aus der Komplexität innerhalb des intellektuellen wie politischen Feldes dieser Jahre folgt, daß eine Beschreibung des intellektuellen Feldes als ein dem homogenen politischen Feld gegenüberstehendes einheitliches Feld ungenügend ist. Deswegen sind gerade die »Marginalzonen« und ihre Beziehungen zu den Machtzentren Gegenstand dieser Arbeit. Die soziologische Methode dient dazu, einen Teil des intellektuellen Feldes auszuschneiden, um es als ein von verschiedenen, gegeneinander kämpfenden Elementen gebildetes Kräftefeld zu analysieren. Die Verteilung der symbolischen Macht innerhalb des intellektuellen wie politischen Feldes bestimmt die internen Relationen der Elemente sowie die Beziehungen der Felder. Nur durch diese soziologische interne Methode lassen sich diese verschiedenen Faktoren untersuchen, um verschiedene Intellektuellentypen und Arten von Relationen herauszufinden; auf diese Art werden die politischen Positionen der Autoren, ihre Theorien und Ideen betrachtet, die sich im intellektuellen Feld entwikkeln und sich zuerst im Bezug auf dieses und dann auf das politische Milieu auswirken. Insgesamt wird die Untersuchung auf zwei Ebenen durchgeführt: auf jener der Beziehungen des politischen zum intellektuellen Feld und auf jener des intellektuellen Feldes selbst. Letztere beinhaltet die Analyse der Themen und der Positionen der Autoren. Die historische Rekonstruktion läßt sich durch eine soziologische Betrachtung der Struktur des intellektuellen Feldes ergänzen: Die Untersuchung der Ausschließungsmechanismen und der Reaktionen der Randgruppen auf ihre Randposition sowie die Beobachtung der Position der radikalen Intellektuellen gegenüber den politisch und kulturell anerkannten Autoritäten können von einer Analyse des intellektuellen und politischen Feldes und der Milieus nur profitieren. Aus diesem Grund werden diese als Kulturorganisatoren und Gründer ihrer eigenen réseaux gesehen, was ihrer Tätigkeit als Gründer verschiedener Gruppen und deren Zeitschriften entspricht.29 Die Beziehungen der gesamten avantgardistischen Bewegungen zu einigen Schlüsselexponenten der Hochkultur werden auch die persönlichen und intellektuellen Konflikte der radikalen Intellektuellen beleuchten, so daß ihre Opposition nicht als Haltung einzelner Individuen, sondern als Produkt ihrer Verbindung mit den nichtakademischen Bewegungen und der Weiterentwicklung ihrer Vorbilder und Themen betrachtet wird. Auf der thematischen Ebene werden zunächst die Motive und Ideen der radikalen Autoren auf die Debatten, die Auseinandersetzungen und die 41 Bündnisse innerhalb der Strömungen zu Anfang der 20er Jahre zurückgeführt; danach werden sie in Bezug auf ihre unterschiedlichen Positionen und ihre durch Opposition zum akademischen Milieu gekennzeichneten réseaux und Bewegungen betrachtet. Die Autoren werden innerhalb ihrer eigenen Gruppen als deren Exponenten erforscht, die einige typischen Themen und Haltungen weiterentwickeln und gleichzeitig kritisieren und neu gestalten. Die Entwicklung ihrer Opposition zur Hochkultur und ihrer Abgrenzung von ihren ursprünglichen Bewegungen werden zugleich auch chronologisch verfolgt: Es wird gezeigt, daß die Beziehungen der drei Gruppen zueinander – die anerkannten idealistischen Intellektuellen, die Futuristen und die radikalen Intellektuellen – nicht unverändert bleiben, sondern den Schwankungen des Prestiges der futuristischen Strömung –der futuristischen Exponenten und Milieus – und der zunehmenden politischen und symbolischen Macht der akademischen Bewegungen – insbesondere des Aktualismus – folgen. Nicht nur aus einer thematischen und strukturellen Sicht wird die Gemeinsamkeit dieser Autoren unterstrichen werden, sondern auch durch zwei andere Faktoren: die Zugehörigkeit zur selben Generation30 und ihre Abstammung vom Kleinbürgertum. Die interne Analyse geht mit einer externen einher: Die Veränderung der Beziehungen zwischen dem politischen und dem intellektuellen Feld und ihre Wechselwirkungen spielen eine bedeutende Rolle, da das Gewicht der politischen Faktoren im totalitären Regime größer ist. Die Untersuchung soll in diesem Fall die »werdenden Tendenzen« studieren, d.h. die Veränderung des Regimes einer bestimmten Kultur gegenüber und die entsprechende Anpassung des intellektuellen Feldes an das politische: Der intellektuelle Konsens und das politische Verhalten gegenüber einigen der Intellektuellen verändern sich aufgrund der politischen Geschichte, und zwar durch die Bewegung des Regimes hin zu konservativen Positionen aufgrund seines Bündnisses mit den entsprechenden Kräften. Hierbei muß ein Punkt unterstrichen werden: Die Haltung eines Regimes gegenüber den Intellektuellen erschöpft sich nicht in der Alternative zwischen Vernichtung und Unterstützung. Zwischen diesen zwei Polen existiert auch eine negative Haltung, die nicht zum Exil oder zur definitiven Zensur führt: die Marginalisierung. Diese letztere ist besonders relevant und wurde bislang in der Literatur nicht ausreichend gewürdigt. Die Intellektuellen werden marginalisiert, indem z.B. ihre Periodika und Werke beschlagnahmt oder 42 zensiert werden, nachdem sie von regimetreuen Zeitschriften oder von einflußreichen Politikern attackiert wurden. Das autoritäre Regime unterstützte normalerweise die orthodoxen und regimetreuen faschistischen Intellektuellen, es vernichtete die antifaschistische Literatur und marginalisierte die interne Opposition. Außerdem wird gezeigt, daß nicht nur die direkte Intervention des Staates in das kulturelle Leben, sondern auch die internen Entwicklungen der faschistischen Strömungen eine Steuerung des intellektuellen Feldes bewirken, was am Bruch von 1925 und den nachfolgenden Spaltungen deutlich wird. Diese Ausführungen machen deutlich, daß das Modell Bourdieus in manchen Punkten modifiziert werden muß. Die geographische, zentralisierte Struktur des intellektuellen Feldes, die der Analyse Bourdieus zugrunde liegt, ist typisch für Frankreich und läßt sich nicht in dieser Arbeit anwenden, da die geographische Struktur Italiens polyzentrisch ist. Ferner wird der ökonomischen und sozialen Abstammung der Autoren in dieser Arbeit eine geringere Rolle als bei Bourdieu eingeräumt. Die Gründe dafür liegen in der besonderen Verknüpfung und Interaktion des politischen mit dem intellektuellen Feld, so daß die politische Stellung eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als in »normalen Lagen« von Autonomie und daß ökonomische Macht in den Hintergrund geschoben wird. Die politische Kontrolle wirkt hier stärker auf die Gestaltung der Strategien und die Konflikte zwischen den Autoren und den Gruppen. Der Akzent wird stärker auf die Positions- und Identitätsprobleme dieser extremen Gruppe, die in einer bedrohlicheren Lage als im »normalen« Status der Autonomie ist, und weniger auf ihre soziale Einordnung gelegt. Das Bedürfnis nach Differenzierung von den anderen »Spielern« und Gruppen, das immer eine Komponente zur Erklärung der Haltung der Autoren ist, wird aufgrund der Gefahr der Zensur verstärkt, was zu einem Konflikt zwischen Identitätsanforderungen und Existenzbedürfnissen führt. Die politischen Entwicklungen werden zur Untersuchung der Beziehungen des politischen zum intellektuellen Feld und der internen Konflikte zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb des Faschismus herangezogen, um einerseits die Maßnahmen und Interventionen der Regierung im intellektuellen Feld, und damit die Lage der Autonomie/Heteronomie dieses Feldes zu beschreiben, und andererseits den Kampf, die Bündnisse und die Ausstoßung der Randkomponente der intransigenti zu definieren. 43 Die Struktur des intellektuellen Feldes und seine Veränderungen, die mit den politischen Einflüssen verbunden sind, werden derart untersucht, daß die Randpositionen und ihre Entwicklungen dargestellt werden und die Beziehung der am Rand befindlichen zu den offiziellen faschistischen Intellektuellen und ihren Bewegungen und Milieus skizziert wird. Zu diesem Zweck werden auch die Tätigkeit der Randintellektuellen im Rahmen der Gruppen im kulturellen Feld, ihr politisches Engagement und ihre Unterstützung für einige politische Strömungen beschrieben sowie kurze persönliche Biographien erstellt. Auf diese Art lassen sie sich miteinander vergleichen und ihre Verhältnisse – ihre persönlichen Kontakte und Mitarbeitsverhältnisse – beleuchten. Auf thematischer Ebene wird die Haltung dieser Intellektuellen zur Kultur und Politik untersucht: ihre utopische Darstellung der Kultur und der Politik, ihre revolutionäre und antibürgerliche Kritik gegen die akademischen Intellektuellen und die konservativen politischen Kräfte, ihre radikale Ablehnung der Modernität und der Demokratie, ihre zwischen der Kritik des Kapitalismus und des Kommunismus oszillierende Position, um einen »dritten Weg« zu finden, ihre Berufung auf die Mission des Faschismus und die Vollendung der kulturellen und politischen Revolution. Die politischen und kulturellen Themen bei diesen Autoren sind eng miteinander verknüpft: Ihr wesentliches Kennzeichen besteht darin, daß sie keine Trennung zwischen der kulturellen und der politischen Tätigkeit, zwischen Ideen und Projekten sehen, da ihr Begriff der Revolution sowie ihre Auffassung der Kunst ›total‹ sind. Den Akademikern und Professoren setzten sie ihre Selbstdarstellung der Kunst und des Lebens entgegen, die Marinetti in folgende Worte faßte: »Die Kunst und die Künstler an die Macht. Ja, die Künstler an die Macht! Das breite Proletariat des Genies wird regieren!«31 1 Ein wichtiges Beispiel für den umgekehrten Ansatz, der einer individualisierenden Deutung der Autoren entspricht und in diesem Fall zu einer »mythologischen« Interpretation führt, läßt sich in den Arbeiten zu Julius Evola finden: z.B. wurde sein Mythos von Autoren, die seine politische Perspektive billigten, durch die Apologie seiner Figur und seiner Werke geschaffen (Beispiele sind Adriano Romualdis Essay Julius Evola: l’uomo e l’opera, Roma, 1968; und Philippe Baillets Julius Evola e l’affermazione assoluta, 1978). In Italien haben bis in die 80er Jahre nur sehr spezialisierte und politisch rechts orientierte 44 2 3 4 5 6 7 Verlage (wie die Edizioni di Ar, die dem Rechtsterrorismus nahe stand; die Ed. Giovanni Volpe und die Ed. Mediterranee, die mit der Evola Stiftung verbunden ist) die Werke Evolas veröffentlicht; erst während der 80er Jahre wurde die Rezeption angemessener und neutraler (Jesi, Cultura di destra, Milano, 1979; Veneziani, Julius Evola fra filosofia e tradizione, Roma, 1984; Ferraresi (Hrsg.), La destra radicale, Milano, 1984; Jellamo, Evola il pensatre della tradizione, in: Ferraresi (Hrsg.), La destra ..., op.cit.; Revelli, »La nuova destra« in: Ebd.; Melchinonda, Il volto di Dioniso, Roma, 1984; A. Negri, Julius Evola e la filosofia, Milano, 1988). Dieses kritische Interesse regte sich zur selben Zeit auch in Frankreich, wo nicht nur einige interessante Analysen entstanden (Cologne, J. Evola, R. Guénon et le Christianisme, Paris, 1978; Lippi, Méthaphysique et politique dans les oeuvre d’èvola et Guénon, Maseille, 1988) sondern auch von der Ecole Pratique des Hautes Études im Jahre 1986 ein Kongreß organisiert (in der Zeitschrift Politica Hermetica, 1, 1987 veröffentlicht) und die unübertroffene Studie Cristophe Boutins (Politique et Tradition. Evola dans le siècle, Paris, 1993) veröffentlicht wurde. In anderen europäischen Ländern hat keine Diskussion dieser Autoren stattgefunden, nicht einmal in Deutschland, obwohl Evolas Werke dort zuerst übersetzt wurden. Nicht nur die Interpretationen der Werke Evolas, sondern auch die Beschreibungen seiner Biographie und seiner Beziehungen zum faschistischen Regime sind unterschiedlich und widersprüchlich. Was die anderen Autoren betrifft, ist der Stand der Forschung noch unbefriedigender. Interpretationen dieser Autoren vermeiden entweder die Analyse ihrer politischen Position und konzentrieren sich auf ihren literarischen Wert - was insbesondere im Fall von Sukkert oft passiert ist -, oder sie kommen zu ganz gegensätzlichen Bewertungen, indem sie sie wie Asor Rosa als typisch faschistisch (Scrittori e popolo. Il populismo nella letteratura contemporanea, Roma, 1966), oder sogar antifaschistisch – etwa in der Analyse der Werke Maccaris von Ragghianti, Il selvaggio di Mino Maccari, Venezia, 1955 - einordnen. Vgl. u.a. Bourdieu, Les règles de l’art, Paris, 1992. Im intellektuellen Feld betrat Ende der 20er Jahre eine neue Version des Antimodernismus die Bühne, die sich unter dem Einfluß der deutschen konservativen Revolution und des französischen pensée de la tradition entwickelte. Ihr wichtigster Autor war Julius Evola und sie bezog sich auf die intrasigenti und integralistische Auffassung des »reinen Faschismus«. In dieser Arbeit wird gezeigt, daß diese antimoderne Vision den von den integralistischen Intellektuellen geschaffenen und leer gewordenen Raum einnimmt, ihre Strategien weiterführt und ihre Perspektive annimmt. J. Karabel, »Towards a Theory of Intellectuals and Politics«, in Theory and Society, 25/2, 1996. Ebenda., S. 205. R.M. Lepsius, »Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen«, in Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialphilosophie, 1964, 16, S. 82-83. Ebd., S. 82. 45 8 Die Betrachtung der intellektuellen Gemeinschaft als Dissent Community findet sich in einer interessanten Analyse von Alvin Gouldner (»The new Class Project« I und II, in Theory and Society, 6 und 7, 1978). 9 Die von J. Karabel entwickelte Trennung zwischen der normativen und der analytischen Methode wird hier allerdings ganz unterschiedlich angewendet. Bei Karabel wird die Trennung zwischen ganz unterschiedlichen Modellen (wie jene von Zygmunt Bauman, von Gramsci und von Pierre Bourdieu) ignoriert, da sie zu ein und derselben Kategorie gehöre - der des analytischen Denkens. Zur normativen Kategorie gehören für ihn nur diejenigen Theorien, die offen erklären, daß der Intellektuelle Träger der moralischen Werte der Demokratie sei. Im Gegensatz dazu verdeutlicht die Untersuchung einiger von Karabel als analytisch gekennzeichneten Modelle deren versteckten normativen Charakter, was hier teilweise mit der folgenden Betrachtung der Theorie Gramscis versucht wird. 10 Zu diesem Zweck seien auch die »klassischen« Analysen von Weber und Mannheim erwähnt, da deren Modelle zur Entwicklung der Forschungsmethode beigetragen haben. Von Interesse ist Webers Interpretation der intellektuellen Tätigkeit des Akademikers, und insbesondere seine Idee, daß die Autorität des Akademikers, die mit seiner beruflichen Verantwortung verbunden ist, nichts mit Klassenzugehörigkeit, sondern mit einer »geistesaristokratischen Lebensführung« zu tun habe (Weber, Wissenschaft als Beruf, in W. Schluchter/W. Mommsen (Hrsg.), Gesamtausgabe, Tübingen, 1992). Diese individuelle Lebensführung, die auf der ethischen, persönlichen Verantwortlichkeit gründet, schafft gleichzeitig die Verbindung mit einer Aufgabe, welche das Individuum transzendiert. Diese Aufgabe ›erschafft‹ sozusagen eine Kategorie, welche die wissenschaftliche Entwicklung fördert und den Beruf als eine ethische Handlung betrachtet. Mannheim wurde insbesondere in Bezug auf seine Analyse der Intellektuellen als Gruppe berücksichtigt (Mannheim, Ideologie und Utopie, Bonn, 1929). Der Intellektuelle ist weder jemand, der nur einen Beruf hat, noch einfach Mitglied einer Klasse. Er ist Teil einer Gruppe, welcher die Funktion der gesellschaftlichen Beobachtung zukommt, und die, ohne aktiv am politischen Leben teilzunehmen, eine politische Rolle spielt, indem sie die partiellen oder allgemeinen politischen Weltanschauungen und Bedürfnisse betrachtet und entwickelt. Der Intellektuelle wird von Mannheim zuerst als Exponent einer Gruppe gekennzeichnet, dessen Autorität und Legitimation als »unparteiischer Zuschauer« sich aus dieser Gruppenzugehörigkeit herleiten. Deswegen soll er stets als Teil dieser Gruppe und nicht nur als jemand, der eine bestimmte, selbst gewählte berufliche Ethik annimmt, erforscht werden. Seine Position als Outsider ist in einer gewissen Art institutionalisiert und objektiviert: sie ist die natürliche Folge seiner Gruppenzugehörigkeit und der Bildung, die alle Gruppenmitglieder gemeinsam haben. 11 Vgl. Asor Rosa, Scrittori e popolo ..., op.cit.; Togliatti, Discorsi parlamentari, op.cit.; De Castris, »Gramsci e il problema dell’egemonia degli anni ‘30«, op.cit. 12 Gramsci, Quaderni dal carcere, Gerratana (Hrsg.), Torino, 1975, Deutsche Üb.: Gefängnishefte, Hamburg, 1977, 12 (XXIX). 13 Gramsci, Quaderni ..., op.cit. (XVIII), §21. Aus diesem Grund sollte, laut Gramsci, jede politische Bewegung ihre Thesen ständig wiederholen (eine Art von Propaganda, um die 46 14 15 16 17 18 19 Massen zu überzeugen), um erfolgreich zu sein und gleichzeitig ihre organische Intellektuellenschicht auszubilden. Im Gegensatz dazu schrieb Max Weber: »Man sagt, und ich unterschreibe das: Politik gehört nicht in den Hörsaal. Sie gehört nicht daher von Seiten der Studenten ... Aber Politik gehört allerdings auch nicht dahin von Seiten der Dozenten ... Denn praktischpolitische Stellungnahme und wissenschaftliche Analyse politischer Gebilde und Parteistellungen ist zweierlei. Wenn man in einer Volksversammlung über Demokratie spricht, so macht man aus seiner persönlichen Stellungnahme keinen Hehl: gerade das: deutlich erkennbar Partei zu nehmen, ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Die Worte, die man braucht, sind dann nicht Mittel wissenschaftlicher Analyse, sondern politischen Werbens um die Stellungnahme der anderen. Sie sind nicht Pflugscharen zur Lockerung des Erdreiches des kontemplativen Denkens, sondern Schwerter gegen die Gegner: Kampfmittel. In einer Vorlesung oder im Hörsaal dagegen wäre es Frevel, das Wort in dieser Art zu gebrauchen. Da wird man, wenn etwa von »Demokratie« die Rede ist, deren verschiedene Formen vornehmen, sie analysieren in der Art, wie sie funktionieren, feststellen, welche einzelnen Folgen für die Lebensverhältnisse die eine oder andere hat, dann die anderen nicht demokratischen Formen der politischen Ordnung ihnen gegenüberstellen und versuchen, so weit zu gelangen, daß der Hörer in der Lage ist, den Punkt zu finden, wo dem aus er von seinen letzen Idealen aus Stellung dazu nehmen kann.« Weber, Wissenschaft als Beruf ..., op.cit., S. 600-1. Gramsci, Quaderni ..., op.cit., 12 (XXIX); »[sie] strebt nicht danach, die ›Einfachen‹ in ihrer primitiven Philosophie des Alltagsverstandes zu belassen, sondern sie statt dessen zu einer höheren Lebensauffassung zu führen«, und zwar »um einen moralischintellektuellen Block zu errichten, der einen massenhaften intellektuellen Fortschritt politisch möglich macht« Gramsci, Quaderni ..., op.cit., 11(XVIII), S. 1384. Bourdieu, Rede und Antwort, Frankfurt, 1992, S. 156. Die Verschiedenheit der Formen des Kapitals (kulturelles, symbolisches, ökonomisches, politisches Kapital) impliziert auch die entsprechende Trennung der verschiedenen Felder, wobei unter Feld »ein Raum mit objektiven Relationen - ... - und was sich in ihm abspielt, wenn man jeden Akteur und jede Institution in ihren objektiven Relationen zu allen anderen bestimmt« verstanden wird (Bourdieu, Raisons pratiques. Sur la théorie de l’action, Paris, 1994; D.Ü. Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handels, Frankfurt, 1998, S. 62). Der Unterschied zu Weber liegt in der Definition eines spezifischen Feldes der Intellektuellen, das nicht nur durch ihren Beruf bestimmt wird. Die Intellektuellen sind bei Bourdieu eine Gruppe, die sehr kompakt ist, wohingegen sie bei Weber nur als Berufsstand Akademiker oder Politiker - betrachtet werden, nie als eine homogene Gruppe. Diese Autorität wird zum Beispiel deutlich an spezifischen Themen, wie dem des Geschmacks (Bourdieu, La distinction. Critique sociale du jugement, Paris, 1979; D.Ü., Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt, 1989), der Bildung (Bourdieu P./ Passeron J.C., La réproduction. Élements pour une théorie de l’enseignement, Paris, 1970 (D.Ü., Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen 47 20 21 22 23 24 48 zur Soziologie des Bildungswesen am Beispiel Frankreich, Sutttgart, 1971; Bourdieu, »L’école conservatrice. Les inégalités devant l’école et devant la culture«, in Revue française de sociologie, VII, 3, 1966), der Politik (Bourdieu, Les règles de l’art, Paris, 1992). Die Kämpfe um Ausdifferenzierung und Erhalt der Feldstrukturen bezeichnen die Struktur des Feldes und stehen zugleich in Korrespondenz mit der Struktur der intellektuellen Werke. »Die Triebkraft des Wandels der kulturellen Werke, Sprache, Kunst, Literatur, Wissenschaft usw. kommt aus den Kämpfen, die in den entsprechenden Produktionsfeldern ausgetragen werden«. (Bourdieu, Praktische Vernunft ..., op.cit., S. 64) Die Intellektuellen gehören also dem Machtfeld an und nehmen darin nun aber eine beherrschte Stellung ein ... Sie sind als Beherrschte Teil der Herrschenden. Sie verfügen über Macht, aber diese ist beherrschte Macht, stellt, als Besitz von kulturellem - oder präziser: von informationellem - Kapital eine untergeordnete Kapitalform dar« (Bourdieu, La responsabilité des intellectuelles«, Paris, 1982; D.Ü. Über die Verantwortung der Intellektuellen, 1989, S. 31) Diese Perspektive Bourdieus führt auch zu einer bestimmten Ethik und zu einer kulturellen Politik. Die wichtigsten Werte sind nach Bourdieu die Entwicklung der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeit und die Erhaltung der Autonomie des intellektuellen Feldes, die diese Entwicklung ermöglicht. Laut Bourdieu sollten die Wissenschaftler weder die Wissenschaft zur Politik reduzieren, noch sich in die Attitüde der vom politischen Leben getrennten akademischen Orthodoxie flüchten. Bourdieu fordert die Schaffung von »Freiräumen« für die intellektuelle Gemeinschaft, und zwar durch internationale Institutionen, welche die freie Forschung ermöglichen und unterstützen. Aus dieser Perspektive ist das Kennzeichen des intellektuellen Feldes immer eine Differenzierung von politischen und ökonomischen Fragen und Strukturen, welche die Garantie einer intellektuellen Entwicklung darstellt. So muß die Politik nicht die Intellektuellenarbeit beeinflussen oder prägen, sondern das intellektuelle Feld muß im Gegenteil vor den externen Interventionen und Einflüssen geschützt werden. Webers Begriff der Wertsphäre, unterscheidet sich von dem des Feldes bei Bourdieu, - ein wesentlicher Grund dieser Differenz besteht in der mit dem Feld verbundenen Machtdimension. Deswegen spreche ich nur von einer Analogie zwischen Bourdieu und Weber. Die Verantwortung der Intellektuellen läßt sich bei Max Weber als Selbstbegrenzung verstehen, die im Bewußtsein der Wissenschaftsbedingungen in intellektueller Rechtschaffenheit und in der Bereitschaft besteht, der Sache zu dienen, wobei unter Sache ihre spezifische Arbeit verstanden wird. So schrieb Max Weber: »Verehrte Anwesende! ›Persönlichkeit‹ auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient ... Auf dem Gebiet der Wissenschaft aber ist derjenige ganz gewiß keine ›Persönlichkeit’, der als Impresario der Sache, der er sich hingeben sollte, mit auf die Bühne tritt, sich durch ›Erleben‹ legitimieren möchte und fragt: wie beweise ich, daß ich etwas anderes bin als nur ein ›Fachman’, wie mache ich es, daß ich, in der Form oder in der Sache etwas sage, daß so noch keiner gesagt hat wie ich? ..., statt daß ihm die innere Hingabe an die Aufgabe 25 26 27 28 29 30 31 und nur an sie auf die Höhe und zu der Würde der Sache emporhöbe, der er zu dienen vorgibt« (Weber, Wissenschaft ..., op.cit., S. 591-2). Die Separation der Figur des Akademikers bei Weber und jener des Intellektuellen bei Bourdieu bezieht sich u.a. auf ihr politisches Engagement: Dieser interveniert im politischen Feld aufgrund seiner eigenen Autorität, die aus seiner externen Position - als Exponent des intellektuellen Feldes - stammt, jener kann als gelehrter Bürger öffentlich sprechen, seine Position als Akademiker spielt jedoch in diesem Fall keine Rolle. Z. Sternhell, Naissance de l’idéologie fasciste ..., op.cit. M. Stuart Hughes, Consciousness and Society ..., op.cit. Diese Definition stammt von Bourdieu: » ... l’oeuve est toujour ellipse, ellipse de l’essenciel: elle sous-entend ce qui la soutient, c’est-è-dire les postulats et les axiomes qu’elle assume implicitement et dont la science de la culture doit faire l’axiomatique. Ce qui trahit le silence èloquent de l’oeuvre, c’est précisement la culture (au sens subjectif) par laquelle le créateur participe de sa classe, de sa société et de son époque, et qu’il engage, à son insu, dans ses créations en apparence les plus irremplaçable« (»Champ intellectuel et projet créateur«, in Les temps modernes, 246, S.897). Diesbezüglich werde ich die von Sirinelli erarbeiteten Begriffe von Milieus und réseaux anwenden als »dauerhafte oder zeitlich begrenzte Gruppierung, die nicht nach dem Grad der Institutionalisierung bestimmt wird, und der man anzugehören wählt«. Sirinelli, »Le hasard ou la nécessité? Un histoire en chantier: L’histoire des intellectuels«, in Vingtième Siècle, 9, 1986, S. 101 Alle von mir hier betrachteten Autoren gehören der Generation an, die in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts geboren wurde und den ersten Weltkrieg als junge Soldaten erlebte. Marinetti, »Al di là del comunismo« (1920), in Teoria e invenzione futurista, De Maria (Hrsg.), 1983, Milano, S. 422. 49 Die Bewegung Das politische und intellektuelle Feld vor Ausrufung des totalitären Regimes »Der Faschismus ist eine große Mobilisierung materieller und moralischer Kräfte. Was ist sein Ziel? ... die Nation zu regieren ... Wir glauben nicht an dogmatische Programme ... wir werden uns den Luxus leisten, aristokratisch und demokratisch, konservativ und progressiv, reaktionär und revolutionär, legal und illegal zu sein, je nach der Lage der Zeit, des Orts und der Umgebung«1 Dieser Satz Mussolinis aus dem Jahr 1934, der die wesentlichen Merkmale seiner politischen Vision, d.h. seine Ablehnung der traditionellen politischen Kategorien und seinen Relativismus zeigt, ist mit der Unbestimmtheit der faschistischen Ideologie verknüpft. Diese war laut vielen Wissenschaftlern2 ein Grund für die Entstehung und den Erfolg des Faschismus und könne das komplexe und widersprüchliche Verhältnis der Intellektuellen zum Faschismus erhellen. Nach Darstellung des Duce war es Ziel des Faschismus, einen »dritten Weg« jenseits der Linken und der Rechten zu finden. In Bezug auf die politische und soziale Unterstützung des Faschismus und seiner Programme schwankte der frühe Faschismus tatsächlich zwischen Programmen und Ideen der Linken und der Rechten und wandelte sich erst später in ein die Interessen der Bourgeoisie schützendes Rechtsregime. Damit erreichte er die Zustimmung ganz unterschiedlicher sozialer Klassen: Die Massen wurden durch den Verweis auf Gerechtigkeit und Ordnung psychologisch mobilisiert, die Kleinbürger sahen in der Bewegung Mussolinis die Hoffnung, die Risiken des Sozialismus und die Nachteile des Kapitalismus zu vermeiden, wobei Mussolini durch die Kompromisse mit dem gehobenen Mittelstand die notwendige Unterstützung erreichte, um die Stabilität seiner Bewegung zu gewährleisten. Der komplexe und widersprüchliche Hintergrund der Ideologie des Faschismus zeigt sich auch in der offiziellen Doktrin des Faschismus, 50 die 1932 in einem Artikel der Enzyklopädie Treccani, »Politische und soziale Doktrin des Faschismus«,3 erklärt wurde. Diese Doktrin sei erst sehr spät erarbeitet worden – in der zweiten Hälfte der 20er Jahre – und gehe aus der Kritik am Sozialismus und Liberalismus hervor: Jener werde aufgrund seines zum Klassenkampf und zur Anarchie führenden Materialismus bekämpft, für den nur die ökonomischen Faktoren in der menschlichen Entwicklung zählten; dieser werde attackiert, weil er den Individualismus predige, der zum Egoismus und der Zersetzung des sozialen Bündnisses führe. Die Überwindung dieser beiden ökonomischen und politischen Modelle verknüpfe sich aber mit keinem bestimmten politischen Programm: Im Gegensatz zu den intellektuellen liberalen und sozialistischen Theorien bestehe die »Philosophie« des Faschismus laut Mussolini in einem »Stil des italienischen Lebens« – und zwar in der »Bildung zum Kampf« – und werde durch das squadristische Motto »Me ne frego«4 zusammengefaßt. Die Doktrin sei deshalb keine abstrakte Theorie, sondern »ein Lebensakt«, der mit dem faschistischen Willen zur Macht und mit dem politischen Pragmatismus zusammenhänge. Das Übergewicht des »ethischen Staates« und seine unbestreitbare Beherrschung der Individuen sei die einzige »spirituelle und moralische Tat«, die revolutionär sei, indem sie die alten und schädlichen politischen Formen verändere. Die politische und ideologische Unbestimmtheit oder, mit den Worten De Felices, die Zweideutigkeit ermöglicht ein besseres Verständnis der Komplexität der politischen Bedeutung des Faschismus und auch der Wirkungen des politischen Regimes im intellektuellen Feld. Vielen Intellektuellen war tatsächlich nicht klar, was der Faschismus nun eigentlich politisch bedeutete und wessen Interesse er unterstützte, so daß, abgesehen von einigen wenigen Linksintellektuellen wie Arturo Labriola, Antonio Gramsci und Piero Gobetti, der Faschismus die begeisterte Zustimmung vieler – auch liberaler – italienischer Intellektueller gewann. Zum Beispiel erklärte einige Jahre nach dem Zusammenbruch des Regimes Benedetto Croce, antifaschistischer Intellektueller par excellence, die Gründe seiner früheren Toleranz dem Faschismus gegenüber:5 Er habe im Faschismus eine vorläufige politische Regierung gesehen, deren Funktion das Wiederherstellen der demokratischen Institutionen und der sozialen Ordnung sein sollte. 1924, nur ein Jahr vor dem vin ihm iniziierten antifaschistischen Manifest der Intellektuellen, hatte Croce sich nach dem Wahlerfolg des Faschismus gefreut, daß der »einzige 51 politische virtus, der die Gewalt ist«, in Italien gegen »die schwache moralistische sowie mechanische und egalitäre Lehre« gewonnen hatte.6 Sieht man von diesen exemplarischen Figuren ab und richtet den Blick auf die gesamte Kultur zu Anfang des 20. Jahrhunderts, so fallen die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Politik auf. Die Themen und Kritiken des späteren »Futurfaschismus«7 wurden bereits bei vielen Kulturexponenten entwickelt und bestimmten darüber hinaus die typischen Schwankungen und Übergänge der Bewegungen von Links nach Rechts, die später den Faschismus kennzeichnen. Das politische Feld: Die Grundkomponenten des Faschismus zu Beginn der 20er Jahre Zunächst werden hier die verschiedenen Komponenten des Faschismus – der Interventionismus, der Futurismus, der revolutionäre Syndikalismus, der Nationalismus, das Kleinbürgertum – in seiner Entstehungsphase skizziert, um seine Grundelemente der internen Komplexität und der Widersprüchlichkeit klar herauszustellen; erst danach wird diese interne Struktur im Laufe der Entwicklung des Faschismus von seiner Geburt bis zur Proklamation des totalitären Regimes analysiert. Die faschistische Bewegung entstand in Italien nach dem ersten Weltkrieg in einer Zeit des Überganges von einer Gesellschaft, die von einer geschlossenen Elite in einem liberalen politischen System, welches den nationalen Willen, aber nicht den Volkswillen repräsentierte, geführt wurde, zu einer modernen Massengesellschaft. Die Trennung der Massen von den Eliten und ihre Entfremdung vom politischen Leben waren schon immer Themen der kulturellen und politischen Debatte gewesen; aber während des Ersten Weltkrieges – insbesondere in der politischen Auseinandersetzung zwischen den Antimilitaristen und den Militaristen und infolge der eigentlichen Kampfhandlungen – verstärkte sich die Diskussion über die Bildung eines politischen Bewußtseins.8 Aus einem ideologischen Grund, da zwei gegensätzliche Ansichten über die interne Entwicklung und die Position Italiens in Europa und seinen Bündnissen vertreten wurden, und aus einem sozialen Grund, der in der Ablehnung des »normalen Lebens« nach dem 52 Krieg durch die ehemaligen Soldaten lag9, lösten sich die zwei Strömungen der neutralisti und der interventisti10 nach dem Ende des Krieges nicht auf. Die arditi – eine spezielle Sturmtruppe, berühmt und kritisiert wegen ihrer Unbotmäßigkeiten nach dem Krieg – fanden in der futuristischen Partei ein artikuliertes politisches Programm, in welches sie ihre Wünsche und Vorstellungen von einer Weiterführung des kämpferischen rebellischen Lebens projizieren konnten. Ihre Kriegserfahrungen, ihr undiszipliniertes Verhalten und eine Art von »anarchischem Individualismus«11 stellten andererseits für die Futuristen die Inkarnation ihres artistischen und gleichzeitig politischen Modells des »neuen Menschen« dar. 1919 gründete Mussolini die ersten fasci di combattimento, an denen sich die futuristische Partei mit ihrem Gründer Filippo Tommaso Marinetti, ein Teil der revolutionären Syndikalisten und die meisten interventisti beteiligten. Die Entstehung dieser Bewegung aus ganz unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Komponenten war nicht das Ergebnis einer individuell oder kollektiv organisierten und zielstrebigen Aktion, der ein einheitliches politisches Programm zugrunde lag, sondern das eher zufällige Produkt des Zusammentreffens verschiedener Strömungen, die durch die Kritik am vorherigen kulturellen Leben und politischen System verbunden und insbesondere durch ihren Kampf gegen die sozialistischen und liberalen Parteien, gegen die Regierung und die Demokratie sowie durch ihre starke Bindung an die Gewerkschaften gekennzeichnet waren. Mussolini, der diese Strömungen zu harmonisieren und zu organisieren versuchte, verfolgte in dieser Zeit keine klare politische Linie, sondern strebte danach, durch opportunistische und strategische Manöver die von der neuenstandenen Massengesellschaft verursachte politische Leere zu füllen und der Stimmung der Massen, der Intellektuellen, der Veteranen und der Kleinbürger und ihre Forderungen Ausdruck zu verleihen. Linke Elemente spielten eine wesentliche Rolle bei der Gründung des Faschismus, da einige der wichtigsten Mitglieder des revolutionären Syndikalismus12 (Pannunzio; Orano; De Ambris; Olivetti) der jungen faschistischen Bewegung beitraten. Die Verbindung linker sowie rechter politischer und kultureller Elemente ist ein bestimmender Faktor der italienischen Kultur zu Beginn dieses Jahrhunderts und des Faschismus der 20er Jahre, wie sich anhand des revolutionären Syndikalismus exemplarisch beschreiben läßt. Der italienische revolutionäre Syndikalismus wurde 1902 von Arturo Labriola, 53 einem bedeutenden Linksintellektuellen, der großen Einfluß auf die wichtigsten Intellektuellen der 30er Jahre ausübte, gegründet. Er entstand als Produkt der kritischen Diskussion innerhalb des Marxismus und fand in George Sorels Theorie der Revolution seinen Auslöser. Dieser intellektuellen Bewegung der Syndikalisten entstammte auch Mussolini, was sich durch den Einfluß Sorels auf seine Auffassung über die Methoden zur Mobilisierung der Massen durch politische Mythen belegen läßt.13 Auch die futuristische Partei spielte im Faschismus eine gewichtige Rolle: Erstens bestanden die ersten fasci di combattimento aus Futuristen und arditi, die mit dem Futurismus verbündet waren; und zweitens zeigte sich in vielen ideologischen und ästhetischen Elementen des Faschismus das Erbe Marinettis und seiner futuristischen Bewegung.14 Der Kult der Aktion, insbesondere der gefährlichen und kämpferischen Aktion, die Idee des Heroismus und der Zerstörung der Traditionen – etwa der Monarchie und der Kirche – und schließlich die antiideologische, antiparteiische und antiintellektuelle Vision der Politik und des Lebens überlebten auch dann noch als Grundelemente des Faschismus, als der Futurismus nichts politisch Relevantes mehr zu sagen hatte – oder sagen durfte. Außerdem übernahm Mussolini die Verwendung moderner Polittechniken vom Futurismus, vor allem die futuristische Organisation der Propaganda, die schon von D’Annunzio15 bei seiner Eroberung Fiumes erprobte »Kunst« der Mobilisierung der Massen, die später von Mussolini vervollkommnet wurde. Die Geburt der futuristischen Partei ist aber insbesondere im Zusammenhang mit dem für die Geschichte der Kunst bedeutenden Ereignis der Bildung der Avantgarde zu sehen. Die futuristische Avantgarde stellte sich als die Zuspitzung der künstlerischen Entwicklung des frühen 20. Jahrhunderts und gleichzeitig als etwas ganz Neues dar: Der von Filippo Tommaso Marinetti 1909 nach antibürgerlichen und revolutionären Prinzipien gegründete Futurismus predigte keine Trennung der Kunst von den ökonomischen und politischen Bedingungen, sondern die Einheit des Lebens und der Kunst, der Politik und der Wissenschaft, des Publikums und dem Künstler.16 Die Themen der literarischen Welt – Baudelaires künstlerischer Protest, Nietzsches Ideen des Übermenschen und des Willens zur Macht, Sorels Mythos der Gewalt als Motor der Geschichte Europas – wurden von dieser Gruppe auf originäre Weise überarbeitet. 54 Ab 1910 versuchte Marinetti dieses Ideal der ästhetischen und politischen totalen Revolution konkret zu verwirklichen: Er forderte den Krieg, um das liberale politische Systems und seine Institutionen zu zerstören. Mit der Entscheidung für die Interventionisten und mit der Teilnahme am Krieg wurden die Grundzüge des futuristischen politischen Programms formuliert. Die Unterstützung des Kriegs war zwar ein wesentlicher gemeinsamer Punkt der Futuristen und der Nationalisten, konnte aber die Unterschiede zwischen ihnen nicht verdecken. Während der Krieg für die Nationalisten eine logische Folge ihrer Expansionspolitik war, symbolisierte der Kampf gegen Deutschland für Marinetti einen Angriff der modernen und anarchischen Generation gegen den Imperialismus und die hierarchische »teutonische« Ordnung, eine antibürgerliche Revolte, die zur totalen Veränderung der Weltordnung, der Lebenswerte, der politischen Ideologien und der ästhetischen Kategorien führen sollte. Die futuristische Avantgarde richtete sich gegen das ganze System: Der antiideologische Protest des Futurismus war eine bewußte politische Entscheidung zur Vernichtung der Ordnung der Parteien und zeigte die stark anarchische Auffassung des Futurismus. »Das Leben schafft, beherrscht und bildet Ideologien«, schrieb Marinetti, »jede politische Idee ist ein lebendiger Organismus. Die politischen Parteien sind verurteilt, ruhmreiche Leichen zu werden.«17 Deshalb war das futuristische Programm »antiideologisch« und durch eine Mischung der Motive von Rechts- und Linksströmungen gekennzeichnet. Trotz der Ablehnung der sozialistischen Ideen, denen Marinetti seine »anarchisch-individualistische Demokratie« entgegensetzte, enthielt das futuristische Manifest des Jahres 1918 einige innerhalb der syndikalistischen Bewegungen diskutierte Punkte wie Streikfreiheit, Verkürzung der Arbeitszeit und Verteilung des Grundbesitzes. Die anderen futuristischen Prinzipien zielten auf die Ablehnung der traditionellen Institutionen und der bürgerlichen Moralität durch Abschaffung der Gefängnisse, Legalisierung der Scheidung, Reform der Bildung sowie die direkte Teilnahme der Jugend an der Regierung.18 Damit versuchte Marinetti ganz unterschiedliche Strömungen und Ideen zu verschmelzen, um seine Utopie der Gesellschaft zu propagieren, in der sich das Leben in ein Kunstwerk verwandeln sollte. Neben der Orientierung an sozialistischen Prinzipien19, die den Futurismus als Linksbewegung erscheinen lassen könnten, fanden sich nationalistische und teils kleinbürgerli55 che Motive wie der antidemokratische, antiegalitäre und elitäre Charakter der futuristischen Utopie, welche die Entwicklung der Genies forderte, und die Herrschaft des Politiker-Künstlers über die Massen, was D’Annunzio und seine Republik Fiume symbolisierten.20 Die Wechselwirkungen des Futurismus mit dem ursprünglichen Faschismus waren tief und weitreichend, und die typisch futuristische Mischung rechtsextremer und linksextremer Motive kennzeichnete auch den gesamten Faschismus. Auf der anderen Seite aber orientierte sich der Faschismus von 1919 bis 1925 immer stärker an dem Ziel, die Unterstützung der Kleinbürger und der Hoch-Bourgeoisie zu gewinnen, wie die Veränderung des politischen Programms zeigt. Das Programm der ersten fasci di combattimento (1919) war teilweise noch stark an den Ideen der revolutionären Syndikalisten orientiert – bezüglich der Arbeitszeitverkürzung, Teilnahme der Arbeiterorganisationen an der Unternehmensführung und Einführung eines progressiven Steuersystems – und teilweise an jenen der Futuristen – hinsichtlich der Ersetzung des Senats durch ein aus jungen technischen Experten bestehendes Organ. Es war das Programm einer Bewegung jenseits der Linken und der Rechten, die keine kohärente Ideologie aufwies und sich an keine Partei binden wollte. Eine Ursache dafür liegt in dem Umstand, daß die fasci als eine politisch begrenzte Organisation konzipiert waren, welche die interventisti sammeln, aber laut Mussolini »keine neue Partei sein« wollte. Deswegen waren sie »nicht an eine spezifische doktrinäre Form und ein traditionelles Dogma gebunden« und lehnten es ab, »alle veränderlichen und unterschiedlichen Denkströmungen, Zeichen und Erfahrungen in die artifiziellen und engen Begrenzungen eines unrealistischen Programms ... zu zwängen«.21 Später gewann diese Bewegung jedoch nach und nach eine Struktur und zeigte gleichzeitig ihre politische Natur als konservative Kraft. Einige Monate nach ihrer Entstehung wurden die Kontakte mit dem Nationalismus und mit D’Annunzio – der Fiume zunächst zusammen mit den Nationalisten regierte – durch die Mitarbeit der Nationalisten bei den fasci gefestigt, aber erst im Jahr 1920 begann der Faschismus seine eigentliche Konversion nach rechts. Der Verlust der ursprünglichen Funktion der fasci, die als reine Nachkriegs-Protestgruppe nicht mehr überleben konnten, führte zur Erweiterung der Basis durch die Aufnahme vieler kleinbürgerlicher Elemente, welche auf die sozialistischen und populären Bewegungen und Entwicklungen sowie auf den Kapitalismus reagieren wollten.22 56 Der immer stärkere Einfluß der kleinbürgerlichen Elemente auf den Faschismus ab 1920 und vor allem die Notwendigkeit, politische Kompromisse mit der Industrie und der Bourgeoisie einzugehen, führten zum Austritt der Futuristen-arditi Marinetti, Carli und Vecchi beim zweiten Kongreß der fasci von 1920, da Mussolini auf die Programmpunkte Republikanismus und Antiklerikalismus verzichtete und die Kollaboration zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat forderte. Diese Entscheidung sei »zum Fortschritt [der] Zivilisierung« nötig: Man solle »das bürgerliche Schiff nicht versenken, sondern an Bord gehen, um die parasitären Elemente über Bord zu werfen.«23 Die Entwicklung des Faschismus: Von den Extremen zur Mitte Der offene und undefinierte Charakter der faschistischen Bewegung erhielt sich bis zur Ausrufung des Totalitarismus (1925), so daß Mussolini noch nach 1920 den revolutionären und sozialorientierten Charakter des Faschismus behauptete und weiterhin Gemeinsamkeiten mit der Linken – und zwar mit der Gewerkschaft CGL – fand, auch wenn die Unterstützung durch kleinbürgerliche Kräfte und den squadrismo24 zunehmend wichtiger wurde. Der schwankende Charakter des Faschismus hing auch mit Mussolinis Auffassung der Politik zusammen, die von Paretos und Moscas elitaristischen Theorien und Sorels Interpretation der Geschichte geprägt war.25 Eigentlich war der Aktivismus bei Mussolini die einzige politische Formel, um seinen absoluten Willen zur Macht auszudrücken und das Fehlen jeglicher Programme oder Richtungen auszugleichen. »Vor unseren Augen haben wir in Italien«, schrieb er, »mit dem plötzlichen Verschwinden der Staatsautorität unter dem proletarischen Angriff die Geburt der faschistischen Bewegung gesehen, die erklärt, daß der Staat nicht ›ist‹, aber jedesmal von denjenigen geschaffen wird, die an ihn glauben und ihn wollen. Der Faschismus ist nur der in den politischen Bereich verpflanzte absolute Aktivismus.«26 In dieser Hinsicht läßt sich die Entwicklung des Faschismus nach 1920 nicht als Produkt einer gezielten politischen Veränderung, sondern eher als strategisches Manöver verstehen: Nach der durch die Aufnahme der kleinbürgerlichen Komponenten erreichten Erweiterung der Basis suchte der Fa57 schismus verstärkt die Unterstützung der konservativen Kräfte – der Hochbourgeoisie und des Kapitals. Diese veränderte Zielsetzung bewies das Verhalten Mussolinis nach 1920 gegenüber der Republik Fiume, die von D’Annunzio mit dem revolutionären Syndikalisten De Ambris regiert wurde: Mussolini unterstützte sie nicht mehr und nahm von ihrem sozial orientierten Programm Abstand. Insbesondere eroberte der Faschismus einen bestimmten Teil des politischen Raums durch eine zwiespältige Haltung, nämlich durch die Berücksichtigigung konservativer Auffassungen unter gleichzeitiger Bewahrung der ursprünglichen Themen der fasci. Dieser Wandel sollte aber äußerlich nicht zur Ablehnung des revolutionären Ziels führen, was die Unterstützung der ursprünglichen Mitglieder gemindert und wahrscheinlich zur Absorption des Faschismus durch eine schon existierende, politisch konservative Gruppe – die Nationalisten27 – geführt hätte.28 Äußerlich war der Faschismus eine revolutionäre Bewegung, die das nationale Leben vor den negativen Folgen der bürgerlichen und kapitalistischen ökonomischen Interessen und des Klassenkampfes retten wollte29, aber gleichzeitig strebte er nach der Unterstützung der Bourgeoisie und des Kapitals. Aus dieser Zweideutigkeit, die aus den Unterschieden zwischen einer antisozialistischen Agrarkomponente, einigen syndikalistischen Linkselementen und dem sich auf der Suche nach einem Abkommens mit den liberalen und konservativen Kräften befindenden »urbanen Faschismus« herrührte, entstand ein Kampf um die Definition des »wahren und richtigen Faschismus«. Obwohl die Agrarkomponente am Anfang der 20er Jahre mit dem squadrismo die soziale politische und vor allem »militärische« Stärke des Faschismus verkörperte, hatte sie aufgrund des Fehlens einer starken politischen Persönlichkeit und ihrer Verteidigung der partikularen Interessen des Agrarkleinbürgertums gegen die »Bolschewisten« allein kein bedeutendes Projekt zur Eroberung der Macht. Sie war eher eine Reaktion auf die Krise der traditionellen Arbeitsverhältnisse und die Ausbreitung der Gewerkschaften.30 »In Wirklichkeit ist der Faschismus eins« – schrieb der Historiker Luigi Salvatorelli – »aber genau weil er sich gegen zwei gegensätzliche – wenn auch komplementäre – soziale Kräfte wendet, gewinnt er unterschiedliche Aspekte, je nachdem, ob seine antikapitalistischen oder seine antiproletarischen Tendenzen betrachtet werden. Es mag vielen, sogar Philofaschisten und Faschisten, absurd scheinen, über den faschistischen Antikapitalismus zu sprechen, aber er ist eine Tatsache. Es sei an die expliziten und wiederholten 58 Erklärungen ... gegen die Plutokratie, die Bourgeoisie und die alte regierende Klasse erinnert, Erklärungen, die sehr gut mit den Ursprüngen und vergangenen Taten der meisten faschistischen Führer harmonisieren, und es wäre absolut falsch, diese als opportunistisch oder heuchlerisch zu betrachten«.31 Diese komplexen Motive innerhalb seiner Partei mußte Mussolini harmonisieren und teilweise unterdrücken, um für seine Bewegung politischen Einfluß zu gewinnen. In dieser Lage mußte er Kompromisse und Bündnisse mit den existierenden politischen Gruppen und den internen Tendenzen des Faschismus schließen. Deshalb geriet er zunehmend mit den peripheren intransigenten Komponenten des Faschismus in Konflikt, die sich nach 1921 mit den Syndikalisten verbanden und sich Mussolinis Politik der Kontaktaufnahme mit sozialistischen und liberalen Parteien zur Bildung eines »parlamentarischen Faschismus« zugunsten eines »nationalen Faschismus« widersetzten.32 Schließlich brachte die Veränderung des Faschismus am Anfang der 20er Jahre dessen Wandel von einer Protestbewegung33, die sich aus der Kritik an der liberalen Ordnung gebildet hatte, zu einer immer stärker strukturierten politischen Partei mit sich, welche gemeinsam mit der bürgerlichen Klasse agierte, ohne ihre ursprünglich antibürgerliche und sozialistische Komponente ganz zu vergessen. Die subversive Protestbewegung der fasci von 1919 konnte überleben und stärker werden, indem sie sich in nur zwei Jahren in eine konservative Partei verwandelte, die sich zunehmend auf das Kleinbürgertum mit seinem Anspruch, eine Rolle zwischen der Industrie und den sozialistischen Massen zu spielen, stützte. Mussolini nutzte je nach Gelegenheit einfach das eine oder das andere Feindbild des Kleinbürgertums aus, den Kapitalismus oder das Proletariat. Einen späteren Beweis für diese Taktik Mussolinis liefert zum Beispiel der Protest einiger ursprünglichen Faschisten, unter ihnen die ehemaligen kleinbürgerlichen intransigenti. Hier sei Mino Maccari erwähnt, der den Betrug der faschistischen doppelten Revolution gegen den Kapitalismus und den Kommunismus und die Identität des Faschismus als Vertreter des Bürgertums denunzierte.34 Einen ersten politischen Erfolg erreichte die faschistische Bewegung bei den Wahlen von 1921, als die faschistische Partei sich mit den Konservativen, den Liberalen und den Konstitutionalisten in der Koalition der sogenannten blocchi nazionali verband. Die Anerkennung des Faschismus als »legale« politische parlamentarische Partei durch die Konservativen und 59 Liberalen und ihre Zusammenarbeit in einer Koalition war von zwei Grundbedingungen abhängig: vom Verzicht des Faschismus auf seinen antibürgerlichen und revolutionären Geist und von der allgemeinen sozialen Lage und dem Klassenkampf zwischen Agrariern und Gewerkschaften. Diesbezüglich stellte sich Mussolini während der sozialen und politischen Krise von 1920, die zu organisierten Streiks und Fabrikbesetzungen führte, als Vertreter der sozialen Ordnung und der Wiederherstellung der Interessen des Kleinbürgertums und des kapitalistischen Systems dar. Sein Konkurrent, die Sozialistische Partei, geriet gleichzeitig in eine tiefe Krise, die eine Spaltung zwischen den Reformisten und den massimalisti und eine Erschütterung der Beziehungen der Sozialistischen Partei zu den Gewerkschaften und den Syndikalisten zur Folge hatte.35 Durch drei Strategien gelang es Mussolini, diese neue Rolle als Vertreter der Ordnung auszufüllen: durch die Beendigung der Unterstützung Fiumes und D’Annunzios – und damit das »Säubern« der Partei von einigen anarchistischen und revolutionären syndikalistischen Elementen -, durch die Organisation und Verstärkung des squadrismo, um die Gewerkschaften und den »Bolschewismus« zu bekämpfen, und durch die neugewonnene Unterstützung der Industrie infolge der Unterdrückung der Streiks von 1920. Die Konservativen fingen an, den Faschismus nicht mehr für eine subversive, gefährliche Bewegung zu halten, sondern als eine Art »Polizei« oder »Weiße Garde« (guardia bianca) zu sehen, die ihre Interessen schützte. Dabei unterschätzten einige Konservative und Liberale den Faschismus; Giovanni Giolitti etwa betrachtete den Faschismus als etwas Vorübergehendes, das sich im liberalen politischen System auflösen würde. Manche sympathisierten sogar mit der »neuen Version« des Faschismus, insbesondere die Nationalistische Partei. In diesem Kontext muß ihre Zusammenarbeit mit der PNF in der Koalition der blocchi nazionali gesehen werden: als Ergebnis der Unterschätzung der sozialen und politischen Bedeutung und Kraft des Faschismus. Einen weiteren Beitrag zum Erfolg Mussolinis leistete die Ablehnung der liberalen Regierung durch weite politische und intellektuelle Kreise, die als Symbol der Immobilität des politischen Systems angesehen wurde. Nach dem Erfolg bei den Wahlen 1921 begann der Faschismus, sich durch den squadrismo, den Einsatz direkter Gewalt und die Zusammenarbeit mit den lokalen Verwaltungen immer stärker auf dem Lande auszubreiten. Die Unterstützung des agrarischen Kleinbürgertums war die Grundbedin60 gung des Erfolges des Faschismus, aber es lag im Interesse Mussolinis, seine Politik nicht allein auf die Verteidigung der Interessen der Agrarier zu beschränken. Dies führte dazu, daß Mussolini eine interne Opposition duldete und teilweise auch ausnutzte, d.h. die Opposition der Front des »revolutionären Faschismus«, welche ihre Wurzeln im kurzfristigen Bündnis des agrarischen Faschismus und des alten revolutionären Syndikalismus gegen den »parlamentarischen Faschismus« Mussolinis fand. Um die Zustimmung der Industrie und der konservativen Kräfte zu gewinnen, stellte sich Mussolini in diesem internen Konflikt als einzigen politischen Führer dar, der die soziale Ordnung gegen die Gewalt des squadrismo und die Revolution des subversiven Syndikalismus sichern konnte, und benutzte dies zur Erpressung der konservativen und monarchistischen Kräfte. Die Opposition innerhalb des Faschismus wurde nach 1921 deutlicher, als die Faschisten und die Sozialisten während der Bonomi-Regierung an dem sogenannten Friedensvertrag (Patto di pacificazione) arbeiteten. Dessen Scheitern läßt sich nicht nur auf die Haltung der faschistischen intransigenti, sondern auch die der Mehrheit der Sozialisten zurückführen. Der Faschismus beschleunigte danach seine Verwandlung in eine konservative Partei auch durch sein Bündnis mit den Nationalisten, was wiederum die Veränderung seiner internen Struktur mit sich brachte: Die Partei wurde streng organisiert und immer mehr unter die Kontrolle Mussolinis gestellt, die Bewegung geriet – trotz der Opposition einiger bedeutender Politiker wie Dino Grandi und Piero Marsich – in eine Phase des Zerfalls. Drei Prinzipien wurden beim dritten faschistischen Kongreß in Rom (November 1921) festgelegt: Der Faschismus stellte sich gegen die Kontrolle der Ökonomie durch den Staat und erklärte sich als ökonomisch liberal, da »für die nationale Ökonomie nicht mehr die bürokratischen und gemeinschaftlichen Institutionen zuständig sein können«36; er lehnte jede Unterstützung von Fiume ab und gab schließlich seine Gegnerschaft zu Monarchie und Kirche auf – mit den Worten Mussolinis: »Für den Faschismus gehört die religiöse Tatsache zum individuellen Bewußtsein«.37 Die Gewinnung des kapitalistischen und klerikal-nationalistischen Konsens war die Hauptstrategie Mussolinis; sie sollte sich später als erfolgreiche Methode zum Eindringen des Faschismus in das politische System und zur Besetzung der »zentralen« politischen Positionen – konservative, liberale, monarchistische und nationalistische – herausstellen. Insbesondere fingen einige nationalistische 61 Zeitschriften an, die Ähnlichkeiten der nationalistischen und der faschistischen Bewegung und die Notwendigkeit ihrer Zusammenarbeit zu unterstreichen, was schließlich 1923 zur Fusion der PNF mit den Nationalisten führte.38 Der in den Medien und der öffentlichen Meinung erreichte Konsens und das entsprechende Mißtrauen gegenüber den von Bonomi und Facta geleiteten schwachen Regierungen stellten die Grundbedingungen für den sogenannten faschistischen coup d’état im Oktober 1922 (den nie wirklich durchgeführten Marsch auf Rom) dar, als Mussolini vom König den Auftrag bekam, eine neue Regierung zu bilden. Die öffentliche Meinung und die politischen Organisationen einschließlich der Linksexponenten, welche nicht am vorübergehenden Charakter der faschistischen Regierung und am Scheitern der neuen Politik zweifelten, unterschätzten die möglichen Folgen der Regierung Mussolinis;39 viele spätere Antifaschisten betrachteten den Faschismus demgemäß als ein »Experiment«.40 Ein baldiges Scheitern der faschistischen Regierung war auch nicht unwahrscheinlich, wenn die Lage der PNF nach 1922 genau betrachtet wird. Die Feindschaft der intransigenti gegen die politische, parlamentarische Richtung Mussolinis intensivierte sich. Die enorme Zunahme der Mitglieder der Partei modifizierte andererseits das interne Gleichgewicht zugunsten der moderaten und liberalen Elemente. Die faschistischen Syndikalisten fürchteten ein eventuelles Bündnis Mussolinis mit den sozialistischen Gewerkschaften und gleichzeitig seine liberale und kapitalfreundliche ökonomische Einstellung. Diese beiden Komponenten – die intransigenti und die Syndikalisten – attackierten die faschistischen »Konservativen« und predigten eine Rückkehr zum subversiven und antitraditionellen Geist der ursprünglichen fasci. Die Konflikte fanden in einer immer chaotischer werdenden faschistischen Partei statt, in der die neuen Mitglieder – die keine überzeugten »Faschisten« waren – die PNF allmählich in einen gigantischen, unkontrollierbaren bürokratischen Organismus verwandelten. Außerdem konnte die Partei aus vielerlei Gründen nicht direkt handeln, um die Konflikte, die Korruption und die gewalttätigen Episoden des squadrismo gegen die politischen Opponenten einzuschränken: Wegen ihrer hierarchischen und inflexiblen Struktur konnte man in den von lokalen faschistischen Organisationen kontrollierten Gebieten nicht intervenieren, so daß der größte Teil des Territoriums kaum direkt von der zentralen Partei beeinflußt 62 wurde. Daran entzündete sich die kritische Diskussion innerhalb der Partei zwischen intransigenti und revisionisti41, um die Entwicklung der Institutionen des Faschismus und seine allgemeine politische Rolle festzustellen. Mussolini entschied sich einerseits für die Auflösung der von den intransigenti kontrollierten squadre und ihre Ersetzung durch die Milizia volontaria della sicurezza nazionale, andererseits bereitete er die Unterordnung der Partei unter den Staat vor. Die andere Frage, welche Mussolini umtrieb, war die Position des Faschismus zwischen den anderen Parteien und deren Unterstützung. Die von Mussolini erarbeitete Strategie der Entleerung und Absorption der externen Kräfte bestand darin, die Mitglieder der anderen Parteien auf lokaler Ebene durch den politischen Druck der starken faschistischen Organisationen in die PNF zu überführen, während die faschistische Partei und Mussolini auf nationaler Ebene Respekt vor der Mitarbeit aller Parteien zu bekunden und ihren Ansprüchen zuzustimmen schienen. Auf diese Art wurden die Sozialdemokraten und die Liberalen mehr und mehr geschwächt und die katholische PPI (Partito Popolare Italiano) verlor ihre Rolle als Vertreterin der katholischen Wähler.42 Außerdem fürchteten viele Liberale und Demokraten eher ein eventuelles Scheitern Mussolinis, welches zu einem politischen Chaos hätte führen können – d.h. den Sieg der Kommunisten oder der Anarchisten – als die Gefahren der faschistischen Diktatur. Die einzige Opposition kam schließlich nur von den Kommunisten, den Sozialisten und den Republikanern, aber sie setzte sich nicht durch, da der Faschismus von vielen noch nicht als eine wirkliche Bedrohung der Demokratie angesehen wurde. Dazu kam, daß der »psychologische Zustand der Bevölkerung« keine politisch machtvolle Aktion zum Umsturz des Regimes ermöglichte.43 Um die ganze Entwicklung von 1919 bis 1924 zusammenzufassen, muß man die »Bewegung« des Faschismus zur Eroberung der Macht im politischen Raum verfolgen. Auf diese Art wird deutlich, daß der Faschismus anfänglich durch seinen Populismus die zwei extremen Positionen – die linke mit den revolutionären Syndikalisten und die rechte mit den arditi und Nationalisten – besetzte und sich später durch Kompromisse mit den herrschenden konservativen und liberalen Kräften (auf sozialer Ebene mit der Industrie und der Bourgeoisie und auf politischer Ebene mit den Monarchisten und den Liberalen) auf das Zentrum zu bewegte. Gleichzeitig verwaisten dabei die extremen Positionen und wurden in der Folge von anderen politischen 63 Figuren aus den fasci eingenommen, die von der radikalen Position des ursprünglichen Faschismus aus Kritik an Mussolini übten. Damit läßt sich das Bündnis zwischen Syndikalisten und intransigenti sowie die Bedeutung der letzteren, von Farinacci geführten Strömung verstehen. Insgesamt stellt sich eine hufeisenförmige Struktur dar:44 Abb. 1: Die Struktur des politischen Feldes zu Anfang des Faschismus Der vom Faschismus besetzte Raum befindet sich zu Anfang zwischen den zwei extremen Polen Links und Rechts, welche vom Zentrum – und zwar von den konservativen und liberalen Positionen – weiter entfernt sind als von den jeweils gegensätzlichen extremen Standpunkten. Die Entwicklung des Faschismus wird in diesem Schema als die Bewegung einer imaginären Linie dargestellt, die von unten zunächst die Extreme erfaßt, um sich dann zunehmend nach oben, Richtung Zentrum, zu bewegen und die extremen politischen Räume verwaisen zu lassen. 64 Geschichte und Entwicklung des intellektuellen Feldes Die hufeisenförmige Struktur, die das politische Feld gestaltete, findet sich auch im intellektuellen Feld wieder, in welchem sich die Intensivierung der Beziehungen der extremen Positionen zeigt. Die revolutionären Syndikalisten und die Nationalisten, deren Visionen ganz gegensätzliche Ursprünge hatten, verbündeten sich und arbeiteten mit der futuristischen Avantgarde zusammen. Unter »Bündnis« wird das gemeinsame Engagement revolutionärer Syndikalisten, Nationalisten und Futuristen für eine Revolte gegen die bürgerliche Gesellschaft verstanden, die in der Mitarbeit an denselben Zeitschriften und politischen Kampagnen und in der Entwicklung gemeinsamer Themen mündete. Diese neue Konstellation war keine Folge des Drucks politischer Instanzen. Sie trat ganz im Gegenteil zunächst in den Beziehungen und in den Haltungen der Schriftsteller und Künstler und erst später im politischen Spiel und seiner Feldstruktur auf. Schon lange vor der Machteroberung des Faschismus, in den ersten Dekaden des Jahrhunderts, war das intellektuelle Feld intern durch das Zusammenkommen der extremen rechts- und linksintellektuellen Strömungen strukturiert, so daß seine spätere Entwicklung als die Fortsetzung der damals gebildeten Bündnisse und Konflikte betrachtet werden muß. Diese Homologie, welche die beiden Felder während dieser Zeitspanne kennzeichnet, steht in Bezug zu den Wechselwirkungen der kulturellen mit den politischen Milieus jener Zeit. Erstens waren die meisten Intellektuellen in der Politik engagiert: die revolutionären Syndikalisten, Nationalisten und Futuristen waren gleichzeitig kulturelle Organisatoren, Literaten, Künstler sowie politische Exponenten. Zweitens war die Atmosphäre in der Entstehungszeit der faschistischen Bewegung sowohl vom Zusammentreffen intellektueller Erneuerungsideale und politischer Palingenese als auch von gemeinsamen Diskussionen zwischen Politikern, die den Anspruch erhoben, in akademischen und kulturellen Debatten zu intervenieren, und jenen unter den Intellektuellen, die nach der Verwirklichung ihres »intellektuellen Systems« und der Verschmelzung der Theorie mit der Praxis in einer politischen Revolution strebten, gekennzeichnet. Eine Interpretation, welcher die Hypothese der Unabhängigkeit der beiden Felder und ihrer Homologie zugrunde liegt, kann das Bild dieser Jahre besser als eine marxistische oder funktionalistische Deutung nachzeichnen, welche auf der einseitigen Anpassung der Kultur an die 65 Macht und den Klassenkampf beruht. Aber auch die umgekehrte Darstellung, daß eine konkrete Übertragung der Struktur vom intellektuellen auf das politische Feld stattgefunden habe, würde zu einer falschen Vereinfachung der reellen inneren Strukturen und äußeren Beziehungen der zwei Felder führen.45 Die vorliegende Untersuchung betont die Kontinuität der Struktur des intellektuellen Feldes von 1919 bis 1924 und verneint damit die Hypothese der Abhängigkeit des intellektuellen vom politischen Feld. Sie stellt demgegenüber die These einer relativen Autonomie des intellektuellen gegenüber dem politischen Feld auf, wobei als relative Autonomie das Fehlen eines allzu starken Druckes aus dem politischen Feld heraus – d.h. die Strukturierung des intellektuellen Feldes durch heteronome »Normen« und »Zwängen« – verstanden wird. Bereits am Anfang des Jahrhunderts hatten Benedetto Croce und Giovanni Gentile, zwei bedeutende Figuren der italienischen Kultur, die bis zum Ende des Faschismus ihren starken Einfluß im intellektuellen Feld behielten, den Kampf um die Erneuerung und die Durchsetzung des Idealismus gegen den Positivismus und den Materialismus begonnen. Die neue intellektuelle Generation, die Avantgarde, die sich später als junge Protagonisten der faschistischen Revolution profilieren sollte, übernahm diese Themen und führte sie schließlich ad absurdum, um sie in eine unbestimmte, ästhetische, irrationale Vision zu verwandeln. In diesem Sinne waren Giovanni Papini und Giuseppe Prezzolini Nachfolger von Croce, die »illegitimen Kinder von Croce« 46 wie Garin schrieb, aber auch seine Verräter: Ihre Lebenserfahrung war vom Krieg und einem extrem gespannten sozialen Klima gekennzeichnet, in dem der intellektuelle Protest der »Meister« Croce und Gentile der Ausgangspunkt der neuen Generation war. Diese jungen Vorläufer der Avantgarde47 organisierten sich in den Zeitungen »Leonardo« (1903), »Lacerba« (1913) und »La voce« (1908), die eine Mobilisierung der jungen Kulturkräfte forderten und dem italienischen Publikum die neue Strömung des Symbolismus nahebrachten. Durch die Verbindungen der Gruppe der prä-avantgardistischen Zeitschrift »Leonardo« mit der von Corradini geleiteten Zeitschrift »Il regno« kamen sich die Intellektuellen der Avantgarde und die Nationalisten bereits 1903 näher: Ihre Ablehnung der Demokratie und der Rationalität fand ein Echo bei den traditionsorientierten politischen Ansprüchen der Nationalisten und ihrem Verweis auf die Kraft der irrationalen Gefühle für das Vaterland 66 und die Rasse. So verband sich die subversive prä-avantgardistische Haltung mit der nationalistischen Revolte gegen die liberale Gesellschaft. Der erste Weltkrieg war das Ereignis, welches den gemeinsamen Charakter der künstlerischen Bewegung und der reaktionären politischen Nationalisten verdeutlichte und die Zusammenarbeit der beiden Gruppen für die Intervention intensivierte. Ob aus ästhetischen oder aus imperialistischen Gründen, beide verherrlichten den Krieg als gewalttätiges und befreiendes Ereignis, das zur Verwandlung der Gesellschaft führen sollte: »Der Krieg ist fürchterlich – und da er fürchterlich, schrecklich und zerstörerisch ist, sollten wir ihn mit unseren Männerherzen lieben«.48 Eine weitere Gruppe aus dieser Generation von Intellektuellen, die sich zu den Nationalisten und der jungen Avantgarde gesellte und die Notwendigkeit des Krieges predigte, waren die revolutionären Syndikalisten. Der revolutionäre Syndikalismus, der später teilweise im Nationalismus und im Futurismus weiterlebte, stellt ein interessantes Beispiel für die zeitgenössische Wanderung der Intellektuellen von links nach rechts und für die Konvergenz linker revolutionärer mit rechten nationalistischen Strömungen dar. Dieses Phänomen, das gleichzeitig in der Politik und in der Kultur stattfand, läßt sich laut Sternhell als Produkt der Rebellion gegen den Liberalismus und die Demokratie erklären, zwischen einer Rechten, die sich mit der bürgerlichen Klasse nicht völlig identifizierte und ihre frühere Rolle als Vertreter der Bourgeoisie aufgab, und einer Linken, die sich vom Proletariat, das seine revolutionäre Energie verloren hatte, distanzierte.49 Die Intellektuellen des revolutionären Syndikalismus trafen eine atypische Entscheidung: Vor die Wahl zwischen Proletariat und Revolution gestellt, wählten sie letztere; vor die Alternative zwischen einem proletarischen und demokratischen Sozialismus und einem nicht proletarischen, aber revolutionären und nationalen Sozialismus gestellt, wählten sie den zweiten. Sie entschieden sich, in anderen Worten, dafür, ihre Rolle als revolutionäre Intellektuelle beizubehalten und ihre politische Rolle als Linksintellektuelle (oder marxistische Intellektuelle) aufzugeben. Dieser Übergang wurde dadurch ermöglicht, daß ihre Revision des Marxismus sie dazu geführt hatte, die materialistischen Faktoren in der historischen Entwicklung des Klassenkampfes zu vernachlässigen und irrationale Komponenten der Geschichte höher zu bewerten. Sie strebten nach der sofortigen Revolution, ohne auf die volle Entwicklung des Klassenbewußtseins zu warten. Auf diese Art opponierten sie gegen die offizielle 67 reformistische Politik der sozialistischen Partei, die in Italien von Filippo Turati geführt wurde. Der anfängliche »Mythos zur Mobilisierung der Massen«, d.h. der Streik, wurde in den Krieg gegen die reichen Nationen transformiert, was das Zusammengehen mit den Nationalisten ermöglichte. De Ambris, Orano, Olivetti begannen ihre Kampagne gegen die neutrale Position der Sozialisten während des Ersten Weltkrieg in der Zeitschrift »La Lupa«. Die Kontakte mit den Nationalisten stützten sich insbesondere auf zwei Punkte: den Begriff des Krieges der »proletarischen Nationen« gegen die kapitalistischen reichen Nationen50 und das Symbol der Reaktion (Deutschland) sowie die pädagogische Bedeutung des Kampfes für die Massen im Sinne der Vorbereitung auf die Revolution.51 Dieses Bündnis wurde durch den Syndikalisten Olivetti und den Nationalisten Corradini besiegelt: Laut Olivetti waren beide Bewegungen »antidemokratisch, antipazifistisch, antibürgerlich. Und ... die einzigen aristokratischen Tendenzen in einer geldorientierten und hedonistischen Gesellschaft«52; laut dem Nationalisten Corradini hatten sie denselben Ursprung und dieselbe Bedeutung, d.h. der Sozialismus war »eine Form des Imperialismus, ... Klassenimperialismus, während der andere ... der Imperialismus der Nationen« war.53 So waren die »Fronten« im intellektuellen Feld und folglich dessen Struktur schon vor dem ersten Weltkrieg gestaltet. Eine subversive »Front« schloß die extremen Positionen ein: die »irrationalistische« Randströmung der Intellektuellen von »Leonardo«, die reaktionären, rechtsextremen Nationalisten, und die linksextremen revolutionären Syndikalisten. Ihr gemeinsames Ziel war die antibürgerliche geistige Revolution, die durch die Verbindung von Literatur und Kunst mit der Politik erreicht werden sollte; d.h. das Credo, daß politisches Engagement nicht nur notwendig, sondern Teil der Tätigkeiten und Selbstdarstellung der Intellektuellen war. Ihr Feindbild waren die konservativen, liberalen, akademischen und sozialistischen Intellektuellen und Politiker. Diese galten ihnen als Vertreter der alten Institutionen und der Akademie, Befürworter der langsamen sozialen und politischen Entwicklung und Vertreter der alten Ordnung. Obwohl der Krieg die Nation in interventisti (Nationalisten, Syndikalisten, einige Demokraten) und neutralisti (Liberale, Sozialisten und Katholiken) spaltete und dabei die interne Kohäsion dieser Gruppen festigte, brachte er im kulturellen Gebiet kaum Veränderungen. So wurden nach dem Krieg dieselben Zeitschriften veröffentlicht, dieselben Themen diskutiert; dieselben 68 Autoren und Kulturautoritäten – Pareto und Mosca, Croce und Gentile, Einaudi und Salvemini – fingen »mit einem vertrauensvollen ›Heri dicebamus‹ wieder an«.54 Der Idealismus herrschte in der Philosophie, während antibürgerliche und antidemokratische junge Intellektuelle neue Zeitschriften gründeten. Dies führte aber dazu, daß nicht nur die sozialen, sondern auch die durch den Krieg ausgelösten kulturellen Erwartungen nicht erfüllt wurden, zu denen die von den Syndikalisten, den Nationalisten und der jungen Generation der Intellektuellen gepredigte »Revolution« gehörte. Die sozialen Spannungen führten zur Polarisierung der extremen politischen Positionen, die in Gestalt der von der sozialistischen Partei 1921 abgespalteten Kommunisten und der stärker werdenden Nationalisten in Erscheinung traten. Im intellektuellen Feld wiederholte sich der Prozeß, der Anfang des 20. Jahrhunderts zum Bündnis der extremen und randständigen Positionen gegen die Konservativen geführt hatte. Die jungen Herausgeber von »La Voce«, Prezzolini und Papini, und die neue Avantgarde der Futuristen kamen trotz der Differenz ihrer grundlegenden Tendenzen55 in einer einzigen Bewegung zusammen: die moderne Avantgarde des Futurismus. Die Futuristen ihrerseits verbanden sich mit den Nationalisten, den ehemaligen Soldaten der arditi und den revolutionären Syndikalisten, wodurch die fasci futuristi entstanden. Der »Anti«-Charakter dieser neuen politischen Ideologie führte zwar nicht zur Entwicklung eines gemeinsamen politischen Projekts, da die Ziele der unterschiedlichen Komponenten und ihre Utopien zu widersprüchlich waren, aber zur Gründung einer Bewegung, aus der nach einigen Verwandlungen und mit Hilfe der politischen Strategien Mussolinis die faschistische Partei hervorgegangen ist. In diesem Zusammenhang stellte die Annäherung Mussolinis an den liberalen akademischen Intellektuellen Gentile ein politisches Manöver dar und setzte ein wichtiges Zeichen der Wandlung des Faschismus: Der weltbekannte Philosoph, Mitglied der Liberalen Partei, konnte dem Faschismus eine starke Legitimation bieten. Nach 1920 entschied sich Mussolini dafür, die subversiven »gefährlichen Elemente« verstärkt aus seiner Partei zu entfernen oder zu neutralisieren; der Austritt der Futuristen im Jahr 1920 war ein erstes Zeichen dieser politischen Zensur und der künftigen Kulturpolitik des Faschismus. Nach 1925 verlor die Kultur immer mehr von ihrer Unabhängigkeit der Politik gegenüber, da der Faschismus sich nun im intellektuellen wie im politischen Feld »bewegte«, indem er der Avantgarde, der ex- 69 tremen Position der Futuristen, die Unterstützung entzog und sich den konservativen Positionen des Aktualismus zuwendete. Das intellektuelle Feld: Die Themen der »anti-Revolution« Die Zeitspanne von 1919 bis 1924 zeigt eine Kontinuität sowohl in der Struktur wie in den Themen des intellektuellen Feldes; die Analyse ihrer kulturellen Themen offenbart einen »Generationenkonflikt«, eine Spaltung zwischen der Generation vom Anfang des Jahrhunderts und jener der 20er Jahre. Die neue Generation lehnte die alte ab: Wie Gentile und Croce die »alten« Marxisten und Positivisten attackiert hatten, kritisierten Papini und Prezzolini später Gentile und Croce unter denselben Slogans der Erneuerung der Kultur und der Politik, wobei sie sich anfänglich als deren Nachfolger darstellten. Die Erneuerung der Kultur war auch in den politischen Diskussionen ein Thema und läßt sich in Verbindung mit zwei wesentlichen semantischen Veränderungen in der Literatur dieser Zeit untersuchen: Der Klassenkampf wurde durch den Generationenkampf ersetzt und die Revolution als geistiger Wandel aufgefaßt, wodurch sie ihren ökonomischen, materiellen Charakter verlor und sich in den Sieg des klassenlosen Volkes oder der Jugend über die veraltete Welt verwandelte. Diese Sicht spiegelt sich in dem Konflikt zwischen der akademischen intellektuellen Generation und der jungen Avantgarde wider, welche in ersteren die bürgerlichen Vertreter der veralteten Ordnung und Institutionen sah, und führt zu einer Radikalisierung der Themen der Literatur am Anfang des Jahrhunderts: Die schon die Revolte der jungen Croce und Gentile gegen den Positivismus und den Materialismus kennzeichnenden Themen werden von den jungen Avantgardisten 20 Jahre später erneut radikalisiert und gegen die mittlerweile etablierten Autoren selbst gewendet. In diesem Teil werden jene Themen und ihre Radikalisierung untersucht: Der Antipositivismus verwandelt sich in Irrationalismus; die Antidemokratie wird zu einer totalen antibürgerlichen Revolte und der Antimaterialismus verwandelt sich in das Streben nach der geistigen Revolution, die Kritik Croces und Gentiles an den akademischen Institutionen wird zum radikalen Antiintellektualismus. Die interne Struktur des intellektuellen Feldes wird anhand dieses Generationenkampfes 70 definiert und ein Bild entworfen, in dem die anerkannten Intellektuellen der älteren Generation über ein höheres symbolisches akademisches Kapital verfügen und der Avantgarde und den Randgruppen mit ihrem niedrigen symbolischen Kapital gegenüberstehen. Jene besitzen eine relativ konservative, diese eine subversive und revolutionäre Haltung.56 Von der antipositivistischen Kritik zum Irrationalismus Die von den Neoidealisten Anfang des 20. Jahrhunderts geübte Kritik am Positivismus, die in Italien vom Philosophen Roberto Ardigò vertreten wurde, bildete aber auch für die nachfolgende Generation der Intellektuellen der Avantgarde, der Nationalisten und der Syndikalisten einen grundsätzlichen Ausgangspunkt, der in ihren Auffassungen aber einen ganz anderen Sinn erhielt: Die junge Intellektuellengeneration unterstrich nicht nur die Existenz und Bedeutung der menschlichen irrationalen Haltungen, die nicht auf eine rationale Erklärung zurückzuführen waren, sondern gelangte teilweise zu einer Apologie des Irrationalismus und der Gewalt. Die Auffassung von Geschichte als Entwicklung und der Glaube an die Fähigkeiten der Wissenschaft, das Leben der Menschen für ihren Fortschritt und ihr Glück zu organisieren und zu gestalten, wurden von den jungen Intellektuellen Benedetto Croce, Vilfredo Pareto und Giovanni Gentile Anfang des Jahrhunderts als Illusion denunziert. Bendetto Croce, der bedeutendste Schüler des sozialistischen Intellektuellen Antonio Labriola57, attackierte den Positivismus auf einer idealistischen Ebene und zugleich aus einer materialistischen Position: Die Geschichte wurde als dialektischer Prozeß betrachtete, in dem die Ideen und nicht die materiellen Bedingungen eine primäre Rolle spielten. Gegenüber dem Materialismus hob er dennoch den irrationalen und leidenschaftlichen Charakter dieser leitenden Ideen hervor, die nicht auf die Überlegenheit der materiellen ökonomischen Faktoren zurückzuführen seien. Seine erste Polemik gegen den Positivismus findet sich in »La storia ridotta sotto il concetto generale dell’arte« von 1893, wo er den wesentlichen Unterschied zwischen der Wissenschaft und der Kunst an ihren Zielen festmacht, indem erstere nach dem Verständnis der einzelnen Phänomene durch ihre Einordnung in allgemeine Kategorien strebe, die zweite hingegen nach 71 ihrer Kontemplation, und er betrachtete die Historiographie als eine ästhetische, künstlerische Tätigkeit, indem sie die einzelnen Phänomene nicht auf allgemeine Prinzipien und Gesetze zurückführe, sondern sie wie in einem künstlerischen Werk als solche darstelle.58 Die Grundannahme der sich in diesen Jahren entwickelnden Vision Croces, der die Wichtigkeit der Analyse der menschlichen Werte zur Erklärung des Handelns unterstrich, bestand in der autonomen und grundlegenden Stellung der Geschichtsschreibung im menschlichen Wissen, was für ihn bedeutete, die Methoden der Naturwissenschaften und das positivistische Paradigma zu relativieren. Das Verständnis des menschlichen Handels ließ sich laut Croce durch die Geschichtsschreibung erreichen, die durch ihre Methode jedes Ereignis in der Gegenwart als Analyse der historischen Daten und ihrer Interpretation rekreiere.59 In Bezug auf die Sozialwissenschaften, lassen sich Gesetze laut Croce nur abstrakt verstehen: Zwischen diesen und der konkreten Wirklichkeit »gibt es keine Verbindung, da das Abstrakte keine Wirklichkeit ist, sondern ein Denkschemata ... Auch wenn die Kenntnis der Gesetze unsere Wahrnehmung des Reellen erklärt, kann sie nicht dieselbe Wahrnehmung werden«.60 Die Erneuerung des wissenschaftlichen Paradigmas und die Kritik an den positivistischen und marxistischen Methoden teilte Benedetto Croce mit dem jüngeren Philosophen Giovanni Gentile, was zum Ausgangspunkt ihrer langjährigen Zusammenarbeit wurde. Trotz Meinungsverschiedenheiten gründeten sie 1903 eine neue Zeitschrift, »La critica«, in der sie insbesondere die Werke von Marx und Sorel und das elitistische Denken interpretierten und diskutierten. Das Programm der Zeitschrift »La Critica« faßte die Ideale einer ganzen Generation zusammen: Es war »antipositivistisch und antimetaphysisch, gegen die rein philologische und gelehrte Interpretation von Problemen, es strebte nach der Vereinigung der Philosophie mit der Philologie«.61 Noch stärker kritisierte Vilfredo Paretos zur selben Zeit die Ansprüche der aufgeklärten Mentalität und den Materialismus.62 Seine Kernaussage bestand darin, daß »die absolute Logik in den menschlichen Dingen eine geringe Rolle spielt«. Daher sollte der Wissenschaftler die logischen und die nicht-logischen Aktionen trennen und »zeigen, daß die zweite Kategorie für die Meisten viel wichtiger als die erste«63 sei. In seinem »Trattato di sociologia generale« (1916) wendete Pareto die soziologische Methode an, um die logischen Argumente und die politischen Ideale und Utopien auf die Instinkte und den Machtwillen des Menschen zurückzuführen, womit er die 72 positivistische Grundvoraussetzung der menschlichen Entwicklung verneinte. Nur die Instinkte stellten die unvermeidliche Konstante der – jetzigen und zukünftigen – Geschichte dar, die immer ein Schlachtfeld für die Konkurrenz der Elite sei und sein werde. Politische Ideale, Theorien der Geschichte und wissenschaftliche Methoden, wie der Sozialismus und der Positivismus, seien nur Masken des brutalen Machkampfes. Auf diese Weise attackierte Pareto den positivistischen Glauben an den Fortschritt und die rationale Natur des Menschen und »entleerte« die Bedeutung des Sozialismus, indem er ihn nur als eine der Ideologien der neuen Elite des 20. Jahrhunderts betrachtete und sein Streben nach Gleichheit und Gerechtigkeit als Instrumente zur Beherrschung der Massen darstellte. Dennoch wurde der Höhepunkt der Verneinung der Rationalität und der entsprechenden Apologie des Irrationalismus erst in den Schriften der jüngeren Generation erreicht, etwa bei Giovanni Papini und Giuseppe Prezzolini. Den Hintergrund der künstlerischen Experimente dieser prä-Avantgarde bildeten tatsächlich die kritischen Ansätze und Attacke der Neo-Idealisten Croce und Gentile und die elitaristischen Theorien von Gaetano Mosca und Vilfredo Pareto, die zum Verfall der positivistischen und marxistischen Paradigmen beigetragen hatten. Der liberal-konservative Benedetto Croce wurde auch nach 1925 von den vociani64 nicht nur als »spiritueller Vater«, sondern sogar als »Vorläufer des Faschismus«, als »Faschist malgré lui« bezeichnet65, obwohl er bereits gegen den Faschismus opponierte: Viele avantgardistische Autoren setzten die Forderung nach kultureller Erneuerung mit der von ihnen verherrlichten politischen »Revolution« des Faschismus gleich und sahen in Croce einen der ersten Vordenker der neuen Entwicklungen. Die künstlerischen und literarischen Bewegungen der jungen Generation, vertreten durch Papini und Prezzolini, begannen dort, wo die Zeitschrift »La critica« aufgehört hatte – in ihrer Kritik der Kultur, um eine kulturelle radikale Revolution zu erarbeiten. Papini und Prezzolini gründeten 1908 »La Voce«66 in der Absicht, die philosophischen Doktrinen des Neo-Idealismus von Gentile und des Historizismus von Croce zu verbreiten. Nach der Bewertung des Zeitgenossen Gramsci war La voce »ein Aspekt des militanten crocismo, da sie das, was bei De Sanctis und Croce aristokratisch war, populär machen wollte«.67 Tatsächlich beeinflußte sie wegen ihrer Verbindung mit der europäischen Avantgarde, ihres Erneuerungsstrebens und ihres antiakademischen Charakters das ganze kulturelle Leben zu Anfang des Jahrhun73 derts, obwohl sie über ein niedrigeres Prestige als »La Critica« verfügte: Während letztere die italienische Intelligenz und die akademische Literatur sammelte, war »La voce« das Organ der jungen Generationen und der Avantgarde. Diese zwei Fronten – die Avantgarde und die anerkannten Intellektuellen der älteren Generation – standen in einem Konflikt, der das ganze kulturelle Feld kennzeichnete und immer stärker wurde. Die Revolte der Irrationalisten sollte ab den 20er Jahren zu einem Kampf gegen die ehemaligen Erneuerer der Kultur führen und den Generationenkampf zwischen der anerkannten akademischen Intelligenz und der prä-Avantgarde in den Vordergrund stellen: Gentile und Croce wurden als »alte« Akademiker bezeichnet und als Feindbild der neuen Avantgarde aufgebaut, was sich nicht nur als eine »Revolte der Kinder gegen die Väter« verstehen läßt, sondern als Produkt der Radikalisierung des kulturellen Protestes und der Verwandlung der antipositivistischen Kritik, die zur Ablehnung der gesamten Rationalität überhaupt führte. Ihre zwei »Vorväter« Croce und Gentile hatten die irrationalen Faktoren und die Gewalt keinesfalls unterstützt, da diese »keine historischen Fakten sind, d.h. sie sind nicht historisch verarbeitet, nicht vom Denken durchdrungen«.68 Die grundlegende Haltung der prä-Avantgarde bestand dagegen nicht nur im Studium, sondern in der Verherrlichung des Irrationalismus. Giovanni Papini formulierte seine Philosophie des »magischen Pragmatismus«, die sich auf die komplette Zerstörung der Rationalität und die Priorität des Mystizismus in den menschlichen Tätigkeiten gründete. Der Glaube an die unveränderliche bestialische Natur des Menschen führte ihn zum radikalen reaktionären Denken: Die Menschen seien laut Papini Tiere, deren wichtigste und würdigste Tätigkeit der Krieg sei. »Gewalt« stelle ein »magisches Wort« dar, das zugleich die Bedeutung der Geschichte und die Lösung der sozialen und kulturellen Problemen symbolisiere. Papini forderte die praktische Anwendung der Gewalt, denn es gebe »nicht genug Rowdytum in unserem Land von parvenus«, und um die Bourgeoisie, die Professoren, die Bürokraten, die Akademiker zu bekämpfen, seien »die Zeitschriften nicht genug. Man benötigt Fußtritte«.69 Der Lobpreis der Gewalt und des Krieges war aber nicht nur eine Obsession Papinis, sondern verband sich bei vielen Gruppen vor dem ersten Weltkrieg mit dem Irrationalismus und wurde auf ganz unterschiedliche Arten dekliniert. Der Krieg als moralische Instanz70 oder als ästhetisches Ereignis 74 faszinierte eine Reihe von Intellektuellen und leitete damit bis dahin für unvorstellbar gehaltene Begegnungen ganz unterschiedlicher Figuren ein, insbesondere das Zusammenkommen der Leiter von »Leonardo«, der Nationalisten und der Syndikalisten. Irrationale Gefühle, wie die Verherrlichung von Blut und Gewalt, waren die Kernideen des Nationalismus, dessen Ziel eine gewalttätige politische Veränderung zur Wiederherstellung der Traditionen war: Die Nation und die Rasse, und damit die Solidarität, die Disziplin, die Autorität, die Heldenwerte, sollten über die aufgeklärte Rationalität triumphieren. Dazu benötigte der Nationalismus die »Erweckung« der Massen, die von populistischen Führern durch die Methoden der Massenpsychologie erreicht werden sollte. Laut Enrico Corradini, Gründer der nationalistischen Partei71, ließ sich die Lösung der sozialen Probleme nicht in der Teilnahme der Bürger am politischen Leben, sondern im kolonialen Krieg finden. Dieser führe zur Steigerung der italienischen Macht und zur Auflösung der sozialen Spannungen: » ... das Gefühl, daß unser Vaterland sich aus der Notwendigkeit bilden wird, mit anderen Nationen zur Gewinnung seiner Prosperität und seiner Größe in der Welt zu kämpfen, wird der beste Erzieher ... Heute fehlt dieser souveräne Erzieher in Italien! Und ... aus diesem Grund bleiben viele interne Fragen ungelöst und unlösbar.«72 Das Bild des Krieges als Ausweg aus den internen Konflikten und als Auslöser der nationalen Entwicklung fand ein Echo bei einer Gruppe von revolutionären Syndikalisten und führte zur Konvergenz eines Teiles des Syndikalismus73 und des Nationalismus während des Ersten Weltkriegs: Die Idee der Revolution »an sich« und der Zerstörung der alten Gesellschaft besaß eine so starke Anziehungskraft, daß sie selbst die sehr unterschiedlichen Utopien der beiden Bewegungen in den Hintergrund treten ließ. Von zentraler Bedeutung für die Auffassung der revolutionären Syndikalisten war die in den Schriften Sorels74 und Paretos betonte leitende Rolle des Irrationalen in der historischen Entwicklung – die Kraft der Mythen in der Politik und die der Gewalt als Motor der Geschichte; ihr politisches Projekt gründete auf der Ausnützung dieses historisch konstanten Mechanismus, der aber in der Modernität immer wichtiger geworden sei. Die Ausbildung der revolutionären Elite und die nachfolgende gewalttätige Machteroberung waren somit den Syndikalisten gemäß der erste Schritt zur Revolution, dem die soziale und ökonomische Verwandlung nachfolgen sollte. Damit wurde 75 der Marxismus quasi in eine Methode zur Beherrschung der Irrationalität der Geschichte verwandelt. Zwischen diesen militaristischen intellektuellen Gruppen und der Position der Futuristen, die sich kurz zuvor mit Papini und Prezzolini verbunden hatten und deren Slogan den Krieg als »einzige Hygiene der Welt«75 sah, existierte vor dem Ersten Weltkrieg keine scharfe Trennlinie in Bezug auf die irrationalistische Haltung: Der Krieg wurde auch vom Futurismus als befreiendes Ereignis zur Zerstörung der Traditionen und der alten Institutionen gesehen. Alle Künstler sollten an der Schaffung einer politischen Regierung teilnehmen, um eine Gesellschaft zu schaffen, in der die Identität des alltäglichen Lebens mit der Kunst verwirklicht werde. »Die nun endlich lebenden Artisten, die nicht mehr erhaben auf den verächtlichen Spitzen des Ästhetizismus standen, wollten am weltlichen Fortschritt mitarbeiten«76, so beschrieb Marinetti das ästhetisch-politische Projekt der Futuristen. Vom Antimaterialismus zur geistigen Revolution Es ist bemerkenswert, daß das antidemokratische Denken in den Werken einiger bedeutender Intellektueller des beginnenden 20. Jahrhunderts mit dem Materialismus verbunden wurde – oder besser mit dem, was sie dafür hielten. Auch diesbezüglich läßt sich eine Linie ziehen, die von den nicht orthodoxen Kritiken des Marxismus über die idealistischen Strömungen bis hin zu den subversiven Interpretationen der sozialen und geistigen Revolte führt, u.a. zu jenen der Syndikalisten und der Futuristen.77 Besondere Beachtung wird hierbei der Radikalisierung der antimaterialistischen Themen geschenkt, die eine scharfe Trennung der jungen Intellektuellen von der vorherigen Intellektuellengeneration markiert. Im Gegensatz zu seinem »Meister« Labriola hatte Croce eine Revision – eine echte »Auflösung« laut Bobbio78 – des historischen Materialismus als historisches Instrument durchgeführt und ihn seiner politischen und philosophischen Bedeutung entkleidet. In einer Zeit, in der die Diskussion um die Revision des marxistischen Modells mit Bernstein ausgebrochen war, lehnte Croce den materialistischen Ansatz des Marxismus und seinen Anspruch ab, eine Philosophie der Geschichte darzustellen. Er beschrieb ihn als einen rein historischen Kanon, der »empfiehlt, die Aufmerksamkeit auf den sogenann76 ten ökonomischen Unterbau der Gesellschaft zu richten«79, womit er seine Beziehung zum Sozialismus oder zu irgendeinem politischen Projekt als unwichtig ansah. Die Theorie Marx‘ soll laut Croce unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktion der Beschreibung spezifischer historischer Tatsachen im Kontext der seinerzeitigen politischen Leidenschaften und Kämpfe betrachtet werden. Sie stelle deshalb eine reine Kritik der Gesellschaft und eine neue historische und politische Analyse dar, die aber keine »Philosophie der Geschichte und keine Methode war, sondern eine Gesamtheit neuer Daten, neuer Erfahrungen, die ins Bewußtsein der Historiker dringen«.80 Diese Interpretation ermöglichte Croce, den »Kanon« des Materialismus für eine »realistische« Konzeption der Geschichte zu verwenden, wobei unter dem Wort Geschichte keine konkrete soziale Entwicklung zu verstehen ist, und führte zu einer Diskussion zwischen ihm und Giovanni Gentile81, dem späteren Theoretiker des Faschismus. In der Überwindung des historischen Materialismus und der Philosophie der Praxis fand Gentile den Ausgangspunkt seines Idealismus, der auf der originären Tätigkeit der Praxis basierte, die sich als schaffende Energie des Subjekts, als Einheit des Wissens mit dem Tun und des Subjekts mit dem Objekt verstehen ließ. Auch Gentile lehnte wie Croce den dialektischen Materialismus ab, da dieser die Menschen nur als Faktoren der ökonomischen Beziehungen in Betracht ziehe und ihre Denkfähigkeit und ihre spirituelle Entwicklung vernachlässige. Andererseits waren beide Autoren geteilter Meinung bezüglich der Bewertung des Marxismus: Gentile kritisierte in Croces Interpretation die Trennung der historischen Methode von der politischen und philosophischen Bedeutung der marxistischen Theorie.82 Im Gegensatz zu Croce unterstrich Gentile in »La filosofia di Marx« die Bedeutung des Begriffes der Praxis bei Marx, da Marx ein Wissen entdeckt habe, das nicht einfach Wissen, sondern wissendes Agieren sei.83 Obwohl Croce mit dem Marxismus die Sicht der Geschichte als Auseinandersetzung unterschiedlicher Kräfte und Faktoren, als historischen dialektischen Prozeß teilte, war ihm der revolutionäre Charakter des Marxismus ebenso fremd wie das Streben nach einer einheitlichen Erklärung der historischen Entwicklung, das Gentiles Philosophie zugrunde lag. Die Idee der moralischen Revolution und jene der »Konservation« konnten deshalb in den politischen und kulturellen Haltungen Croces koexistierten: Croce zielte nicht auf die Zerstörung der liberalen Institutionen, um eine neue Religion – 77 jene des ethischen Staates von Gentile – oder ein neues Leben – das »Leben als Kunst« der Futuristen – zu schaffen, sondern auf eine Erneuerung innerhalb und zugunsten der Stärkung des liberalen Denkens. Wenn er schreibt, »es handelt sich nicht darum,... eine neue Welt zu schaffen, sondern die alte Welt zu bearbeiten, die immer neu ist,«84 dann sollte die kulturelle Revolte nicht nur die alte Tradition des Idealismus wiederherstellen, sondern die Kritik am politischen und moralischen Leben bedeutete sogar die Rückkehr zu Traditionen wie »der König, das Vaterland, die Stadt, die Nation, die Kirche, die Menschlichkeit.«85 Gegen Croce predigte Gentile die Notwendigkeit, eine kulturelle Erneuerung mit einer politischen Revolution zu harmonisieren: Die auf theoretischer Ebene revolutionäre Ablehnung der partiellen Philosophien des Positivismus und des Materialismus verknüpfte sich auf politischer Ebene mit der geistigen und moralischen Revolution, die sich innerhalb der neuen Struktur des ethischen totalen Staates entfaltete. Seine politische Lösung war der Versuch, die konservativen und revolutionären Prinzipien in Einklang zu bringen86: Die Übertragung der Philosophie des ethischen Staates auf die konkrete politische Situation lief in der Schlußakte der von Gentile geleiteten »achtzehnköpfigen Kommission« von 1924 auf die Verstärkung der traditionellen Institutionen – des monarchischen Staates – und zugleich der Gewalt der Exekutivorganismen – des »revolutionären« Faschismus – hinaus. Seitens der sozialistischen und marxistischen Theoretiker fand zu Anfang des Jahrhunderts eine Revision des Marxismus statt, die zum revolutionären Syndikalismus führte. Die sozialistische Partei und ihre Auffassung der allmählichen Entwicklung der materiellen Bedingungen und des Klassenbewußtseins sollten durch die revolutionäre Bewegung ersetzt werden, die zu einer unmittelbaren und gewalttätigen Aktion der Produzenten – in Form der Gewerkschaften – geführt hätte. Die Revolution der Syndikalisten war voluntaristischer Natur und sollte als mentaler Prozeß beginnen: Die Politik, d.h. der Beginn dieser Bewegung in den Gewerkschaften und ihre Vorbereitung der Revolution, war von der ökonomischen Lage und dem Entwicklungsstand des Klassenbewußtseins unabhängig. Die beiden letzgenannten Faktoren allein reichten als Grundbedingungen der Revolution nicht aus, denn nur die Gewalt und die von ihr ausgehende Mobilisierung der Massen konnten den revolutionären Prozeß auslösen. Mit dem voluntaristischen Element verknüpfte sich das Fehlen einer ökonomischen Alternative zum 78 Kapitalismus und die gewalttätige Zerstörung und Ablehnung der Demokratie. »Der Syndikalismus bekämpft die legalen Privilegien für die anderen Klassen und für sich selbst, und nur aus der Entwicklung des Klassenkampfes und aus dem freien Spiel der ökonomischen, organisierten Kräfte erwartet er die neuen historischen Verwandlungen und neue Hoffnungen für die in der Arbeit versöhnte Menschheit,«87 schrieb Labriola, und Leone erarbeitete später einen hedonistischen Ansatz der Ökonomie, so daß das Erreichen der Gerechtigkeit die Weiterentwicklung der Marktmechanismen nicht in Frage stellte.88 Nicht das kapitalistische ökonomische System, dem sie kein anderes Modell entgegenzusetzen hatten, sondern das liberale Regime und der sozialistische Reformismus waren das Feindbild der Syndikalisten. Der Liberalismus wurde zusammen mit der Demokratie und der Bourgeoisie für ein Zeichen des Verfalls der Gesellschaft und des Proletariats gehalten. Eine weitere Interpretation der geistigen Revolution wurde von den späteren künstlerischen Strömungen des Futurismus entwickelt, welche die revolutionären Auffassungen der subversiven prä-Avantgarde von Papini und Prezzolini in die Verherrlichung der »totalen Revolution« umwandelten. Anzeichen einer grundlegenden und innovativen Auffassung der Avantgarde lassen sich nicht nur in der futuristischen Literatur und Kunst, sondern auch in der Tätigkeit und der Selbstdarstellung der Futuristen, d.h. im Begriff der intellektuellen Arbeit und im politischen Charakter der futuristischen Bewegung finden, die 1918 zur Gründung der futuristischen Partei führten. Diese war zwar von der Kunstbewegung getrennt, doch ihr Programm spiegelte das politische und zugleich künstlerische Projekt Marinettis wider: »Die Kunst und die Künstler an die Macht.«89 Marinetti sah hierin keine künstlerische Phantasie oder Übertreibung, sondern eine neue Art, die Beziehungen und die Stellung der Kunst und die intellektuelle Tätigkeit in der Gesellschaft zu deuten und damit die Mentalität der bürgerlichen Italietta zu vernichten. Der Futurismus erklärte damit nicht nur den alten Institutionen den Krieg, sondern entwickelte auch eine neue künstlerische Methode und eine totalitäre Auffassung der Kunst und des ganzen Lebens. Der Futurismus sei totalitär, sagte sein Gründer 1929 in »Il Futurismo e il novecento«: Er sei ein »weites moralisches intellektuelles künstlerisches System, das Primat des italienischen Stolzes, Schaffensoriginalität, Worte in Freiheit, geometrischer Glanz, Ästhetik der Maschine. Ohne einen starken Patriotismus wäre der Futurismus begrenzt und spezialisiert gewesen. Dagegen war und ist er totalitär«.90 79 Von der Kritik an der Demokratie zur Ablehnung der Bourgeoisie Die Kritik des Positivismus und des Marxismus verknüpfte sich bei den hier betrachteten Autoren mit einer stark antidemokratischen Haltung. Auch in dieser Hinsicht waren ihre Haltungen different, so daß sich zwei Arten von antidemokratischem Denken unterscheiden lassen: die konservative und die subversive Art, die beide im Generationenkonflikt ihren Ursprung hatten. Nur bei der zweiten verband sich das antidemokratische Denken mit der vehementen antibürgerlichen Kritik und der Ablehnung aller liberalen Traditionen. Die erste Variante der antidemokratischen Haltung war die der liberalen Intellektuellen, welche zwar die Erneuerung des politischen Lebens, aber keine radikale Veränderung predigten, da sie die alte ökonomische und soziale Ordnung durch eine Regierung der Elite gegen die Gefahr der Massengesellschaft schützten wollten und die von einer Verbreiterung der politischen Teilhabe ausgehende Nivellierung und Anarchie fürchteten. So brachte der konservative Pareto gegen die Demokratie und die Verbreitung der sozialistischen Prinzipien vor, daß die Regierungen immer von einer Elite beherrscht seien, die ihre Macht bis zum Erscheinen einer anderen stärkeren Elite ausübten. Nicht nur seien die demokratische Prinzipien falsch, sondern sie stellten eine von den neuen Eliten erarbeitete Methode zur Machteroberung dar91, was aber bedeute, daß es keine endgültige Lösung zur politischen Teilnahme der Bürger, sondern nur eine Verfeinerung der Mechanismen für die Erneuerung der Eliten gebe. Mit anderen Worten: Für Pareto war das revolutionäre Modell ohne Bedeutung, da die Struktur der Macht immer die gleiche bleibe, was letztendlich seine konservative Sicht der Politik zeigt. Eine ähnlich konservative Haltung läßt sich in den Theorien der Liberalen Gaetano Mosca und Benedetto Croce finden, die Freiheit und Demokratie als miteinander unverträglich erachteten.92 Aus dieser Perspektive läßt sich Croces Unterstützung des Faschismus verstehen, da er die durch Anarchie und Sozialismus bedrohte Entwicklung des Liberalismus durch ein autoritäres Interim-Regime gewährleisten wollte.93 Mosca und Croce94 zufolge förderte das Prinzip der Freiheit die Entwicklung verschiedener und gegenseitiger Kräfte und Interessen, während die Demokratie die »Ideologie« einer bestimmten herrschenden Klasse darstellte, eine »politische Formel« laut Mosca95 und für Croce das Ergebnis der abstrakten und vereinfachten Philo80 sophie der Aufklärung und des Positivismus – was er mit dem Wort »freimaurerische Mentalität« bezeichnete. »Die freimaurerische Mentalität« – schrieb Croce »vereinfacht alles: die Geschichte, die kompliziert ist; die Philosophie, die schwer ist; die Wissenschaft, die keine endgültige Konklusion erreicht; die Moral, die voller Kontraste und Ängste ist .... Eine Kultur, die sehr geeignet ist für Händler, kleine Freiberufler, Grundschullehrer, Anwälte und kleine Ärzte, da sie billig ist«.96 Die Demokratie stütze sich nach Croce auf das Prinzip der Gleichheit und der Teilnahme aller am Staatsleben, aber die Menschen seien nicht gleich. Der vulgus bleibe vulgus, indem er »wirkt (selbstverständlich in seiner Art) und seine Aufgabe erfüllt, darunter auch die Herausstellung und die Erhöhung des Bewußtseins der Aristokratie bei der Aristokratie selbst.«97 Auch wenn Croce die Schwäche der Regierung auf den Parlamentarismus und die Demokratie zurückführte und bis 1924 den Faschismus – als er im Senat nach der Matteotti-Krise für ihn stimmte – unterstützte, blieb für ihn dennoch eine liberale die einzig mögliche Regierung, um eben den ihm wichtigsten Wert – die Freiheit – zu garantieren.98 Weder war er politisch ein Faschist, noch konnte er die offizielle Doktrin des Faschismus, d.h. die totale Auffassung Gentiles akzeptieren, die er als mystische Doktrin bezeichnete, die zu einer die intellektuelle Arbeit entstellenden Konfusion der geistigen Aufgaben und der politischen Tätigkeit führe. Die von Gentile geforderte Verbreitung der politischen Doktrin als primäre Aufgabe des faschistischen Intellektuellen sei Betrug an der notwendigen intellektuellen Freiheit. Gentile hatte damit versucht, die Spannung zwischen Staat und Individuen durch ein »Zurückführen jeder Wirklichkeit auf die Interiorität«99 zu überwinden, wie der Aktualismus die Trennung zwischen Subjekt und Objekt, Theorie und Praxis sowie Willen und Kennen durch den »Akt des Denkens« aufgelöst hatte, da das Denken Priorität über das Handeln besaß.100 Gentile ersetzte die Auffassung des Staates inter homines durch jene des Staates in interiore homine, wo der ethische Staat101»dasselbe Individuum in seiner Universalität«102 und der Wille des Individuums unmittelbar jener des Staates sei: »Jedes Individuum handelt politisch, ist ein Staatsmensch, behält den Staat in seinem Herz, ist der Staat. Jeder trägt nach seiner Art zum gemeinsamen Staat bei, kraft der Universalität jeder eigenen Persönlichkeit.«103 Daß sich diese idealistische Auffassung nicht mit der historischen Methode Croces vertrug, zeigte sich an der theoretischen Auseinandersetzung zwi81 schen Croce und Gentile, die immer mehr Teil einer breiteren Diskussion über ihre Haltung zur Politik und dem intellektuellen politischen Engagement wurde. Die von Croce denunzierte Idee des totalen Staats, die auf Gentiles Auffassung zurückgeht und aus der Aufhebung der Trennung zwischen Ethik und Politik sowie zwischen der privaten und der öffentlichen Sphäre folgt, läßt sich mit den folgenden Worten Gentiles exemplifizieren: »Der Faschismus ist Religion, ... der Faschismus ... kann nur eine Partei, eine politische Doktrin sein, wenn er zuallererst eine totale Konzeption des Lebens ist ... Wie der Katholik, der, wenn er Katholik ist, sein ganzes Leben mit religiösem Gefühle durchtränkt, .... soll sich der Faschist immer daran erinnern, ein Faschist zu sein, wenn er ins Parlament geht oder im Fascio ist, wenn er in Zeitschriften schreibt oder sie liest, mit seinem Privatleben beschäftigt ist oder mit anderen Leuten diskutiert, an seine Zukunft oder an seine Vergangenheit – und an die Vergangenheit seines Volkes – denkt«.104 Allerdings war die Position Gentiles von der des liberalen Intellektuellen Croce weniger weit entfernt, als man glauben könnte: Seine Darstellung des Faschismus war die einer konservativen Revolution, indem er für ihn das Erbe des Risorgimento und des wahren Liberalismus reklamierte: »Das ist der Glaube Benito Mussolinis« – sagte er am 28 Oktober 1924105 – »das ist unser Glaube. Monarchistischer Glaube, treuer konservativer Glaube, aber mutiger und konstruktiver Glaube. Konstruieren, um zu erhalten, erhalten, um zu konstruieren. Dies sind die Probleme des Marsches auf Rom ... Und doch, wenn die Lösung dieser Probleme jetzt, nach zwei Jahren ... in ihren Grundelementen gefunden werden soll, sollte sie zu einer Revolution führen, aber einer Revolution, die nur den Charakter einer normalen Entwicklung haben kann«. Hier wird deutlich, daß sich der Konservatismus mit seinen Idealen der Wiederherstellung der Monarchie und der Autorität zur Revolution wandelte, nicht nur um ein rhetorisches Argument einzuführen, sondern um eine Idee der Kontinuität und gleichzeitig des Bruchs mit den vorherigen Institutionen zu propagieren. Die wahre Identität des Faschismus war nach Gentile nur dann revolutionär, wenn er die alten Traditionen und die alte Kultur erneuerte.106 Die andere Gruppe der Antidemokraten – die Subversiven – predigten die Gewalt und den Krieg als Ideal und Methode der Entwicklung der Gesellschaft. Diesbezüglich stammten ihre Bestandteile aus gegensätzlichen Posi82 tionen und Traditionen im politischen Spektrum: Aus der nationalistisch reaktionären und traditionalistischen Strömung, deren Ziele in der Wiederherstellung der Nation und im Imperialismus lagen, aus dem revolutionären Syndikalismus und der prä-Avantgarde. Sie folgten einer visionären und ästhetischen Auffassung der politischen und sozialen Prozesse und entwikkelten kein konkretes politisches Projekt. Die antidemokratische Auffassungen Croces, Moscas und Paretos gewannen in ihrer Interpretation eine revolutionäre und zerstörerische Kraft. Die junge Generation der Avantgardisten, der Syndikalisten und der Nationalisten veränderte die marxistische traditionelle Bedeutung der Begriffe der Bourgeoisie und der Revolution. Die Bourgeoisie wurde nicht länger durch materielle und ökonomische Faktoren definiert, sondern durch eine »moralische« Kategorie, so daß sie als Träger der konservativen und veralteten Lebensauffassung gebrandmarkt wurde. Zudem wurde die Einheitlichkeit der Bourgeoisie in Frage gestellt: Durch die »Entleerung« des Begriffes, d.h. die Entbindung von seiner konnotativen Klassendimension unter Beibehaltung der semantischen Formel der Klassen, schufen die Futuristen und die Nationalisten einen moralischen Generationskonflikt und unterteilten die Bourgeoisie in eine »böse« alte und eine »gute« junge Bourgeoisie. Der Generationskonflikt ersetzte auf diese Art den Klassenkampf, eine geistig-moralische übernahm die Rolle der materiellen Revolution, wobei sich das Konzept einer unbestimmten moralischen oder ästhetischen Revolution durchsetzte.107 Dennoch war der bei den jungen Intellektuellen verbreitete Begriff der »Revolution« keineswegs einheitlich: Für die Syndikalisten bedeutete sie immerhin eine sozialistische Revolution; für die Nationalisten die Wiederherstellung der Tradition und für die Avantgarde nur die Verwirklichung ihrer visionären ästhetischen Auffassung. Nur die Regierung einer »historischen Aristokratie« konnte zum Beispiel nach Papini die Gefahr des Sozialismus und die Schwäche der modernen Bourgeoisie bekämpfen, um ein »neues spirituelles und politisches nationales Leben zu erwecken, das höher, mutiger und unserer Traditionen würdiger«108 sei. Épater les bourgeois drückte nicht nur auf künstlerischer Ebene die »negative« Grundbedingung der Schriften Papinis und Prezzolinis und der Ausstellungen der Futuristen aus, die das Publikum irritierten und schockierten, um seine »spontane und befreiende gewalttätige Reaktion« zu provozieren. Es verwandelte sich in eine politische Revolte. 83 Die Attacken gegen die Demokratie und die Bourgeoisie stellen einen weiteren gemeinsamen Punkt der Kampagne Papinis und der Nationalisten gegen die Demokratie dar, die laut Corradini das Zeichen der Schwächung der Moralität war. Die nie klar artikulierte Trennung zwischen dem alten italienischen Bürgertum, welches angeblich die Zerstörung des moralischen Lebens verursacht hatte, und einer zukünftigen Bourgeoisie, die aus dem Proletariat und dem Kleinbürgertum bestehen und die Projekte des Nationalismus entwickeln sollte, lag Corradinis Theorie zugrunde. Die Haltung der Nationalisten blien bezüglich der Bourgeoisie uneinheitlich: Einerseits sei die Verwandlung des Proletariats in die Bourgeoisie ein »dynamischer, biologischer und originärer« Prozeß109, andererseits sei es der Nationalismus »unserer befreienden Väter, nicht jener des perfekten Bourgeois«.110 Der Bourgeois war jedesmal etwas anderes: Er drückte das Bedürfnis nach Stabilität aus, symbolisierte aber gleichzeitig die Korruption und die veraltete Mentalität der liberalen Regierung. Während Giovanni Papini und Giuseppe Prezzolini, die zur Entwicklung dieser Themen beitrugen und an der von Corradini gegründeten nationalistischen Zeitschrift »Il Regno« mitarbeiteten, mit den Nationalisten die Ästhetisierung der Gewalt und des Krieges und die Verherrlichung des Irrationalismus teilten, waren die gemeinsamen Themen der jungen linksextremem Syndikalisten und der Nationalisten die Ablehnung der Demokratie und der Bourgeoisie. Demokratie bedeutete für die Syndikalisten die Korruption der revolutionären Prinzipien und die Schwächung der sozialen Kraft der Arbeitermassen, die durch die ständigen Kompromisse der reformistischen Sozialisten mit der Bourgeoisie hervorgerufen worden sei und den wahren Geist des Sozialismus verrate. Anderseits hatte der Begriff des Bürgertums mit der Revision Sorels seine originäre Bedeutung verloren: Labriolas Klasse der »freien Produzenten« sollte eine Art Korporation darstellen, die alle Akteure des produktiven Prozesses – sogar die Unternehmer einschloß und sich von den »Parasiten« unterschied. Die Trennung zwischen den zwei sozialen Gruppen hing nicht länger von der Position der Arbeiter zum Eigentum und zu den Produktionsmitteln ab, sondern von der Integration in den Produktionsprozeß, so daß den Produzenten die parasitäre Klasse entgegengestellt wurde, die keine Rolle im Produktionsprozeß spielte.111 Die zwiespältige Interpretation des Bürgertums war ein dauerhaftes Kennzeichen der intellektuellen Revolte. Auch die Futuristen predigten das 84 Ende des bürgerlichen Kunstbegriffes, d.h. die Vernichtung der bürgerlichen ästhetischen Kategorien, und den Umsturz der Demokratie und der verfallenden bürgerlichen Gesellschaft auf politischem Niveau. Die Wirkung der avantgardistischen Kunst auf das Publikum, das seine Rolle als Beobachter vergessen und eine aktive Beziehung mit den Werken entwickeln sollte, wurde durch die Verhöhnung der traditionellen Ideale der Kunst erreicht. Marinetti erläuterte seine künstlerische Position mit folgenden Worten, die einige grundlegende Tendenzen späterer künstlerischer Bewegungen, etwa des Dadaismus, vorwegnahmen: »Machen wir mutig das Häßliche in der Literatur und bringen wir überall den Ernst um. Seht nicht wie Hohepriester aus, wenn ihr auf mich hört. Wir müssen jeden Tag auf den Kunstaltar spukken«.112 Dennoch sollte die zukünftige Gesellschaft gemäß der futuristischen Vorstellung von Künstlern und jungen Kleinbürgern regiert werden, d.h. von der neuen, aus »der wundervollen Masse intelligenter Jugendlicher und fleißiger Kleinbürger« hervorgegangenen Aristokratie, die von den futuristischen Künstlern und Politikern geführt werden sollte.113 Von der kulturellen Erneuerung zum Antiintellektualismus Die wissenschaftliche Meinung Croces und Gentiles läßt sich nicht von ihrer politischen und moralischen Bewertung des menschlichen Tuns trennen: Die Erneuerung der Wissenschaft und der Kultur ginge mit der politischen Reform einher, so daß die politische Veränderung, d.h. die Entfernung der demokratischen und parlamentarischen korrupten Elemente, mit der geistigen kulturellen Erneuerung anfangen sollte. Aus diesem Grund war der Kampf für die Entprovinzialisierung der italienischen Kultur und die Einführung einer kritischen methodologischen Haltung, die der Gründung der Zeitschrift »La critica« von Croce und Gentile zugrunde lag, untrennbar mit der moralischen antiakademischen Kritik verbunden. Den von Croce als »Professoren«, als »Abenteurer ohne Bewußtsein« und »Ränkeschmiede der Wissenschaft«114 bezeichneten alten Akademikern setzten die beiden Intellektuellen den moralischen und intellektuellen Wert, das konkrete Studium und die Forschung entgegen: »Gegen die Übel des universitären Milieus soll man die Lösung im Gefühl der Würde der Studien, in der inneren Freiheit, in moralischen Skrupeln, in der Kraft des Willens fordern und finden.«115 85 Ihre intellektuelle Position war durch eine Mischung konservativer und revolutionärer Motive gekennzeichnet: Gegen den Positivismus und die Aufklärung vertraten sie die Revolution der Wissenschaft, die sie dennoch auf der anderen Seite gegen die »Irrationalisten« verteidigten; sie wollten auf keinen Fall die Literatur und die Kunst zerstören, sondern erneuern. Gleichwohl bewegte sich die intellektuelle Arbeit Croces und Gentiles innerhalb fester wissenschaftlicher Methoden und Traditionen und entwickelte diese weiter – im Gegensatz zu Papini und Prezzolini, welche die bis dahin geltenden philosophischen Begriffe ganz ablehnten und verspotteten, oder dem auf ästhetischem Gebiet revolutionären Marinetti. Papini und Prezzolini trugen durch ihre Veröffentlichungen zur Verbreitung der europäischen wissenschaftlichen und künstlerischen neuen Entwicklungen und avantgardistischen Experimente im italienischen kulturellen Milieu bei, aber sie nahmen die Forderung zur Entprovinzialisierung der Kultur und den Kampf gegen die Akademie Croces und Gentiles »zu ernst« und entstellten sie. »La voce« sollte zunächst der Information und der Kritik im Sinne einer Erziehung des italienischen Volks dienen. Später sahen Papini und Prezzolini in der Weiterentwicklung des kulturellen Erneuerungsprojektes Croces und Gentiles vorrangig einen Weg zur Überwindung und Zerstörung aller Traditionen. Die Mission der neuen Intellektuellen war nach Papini »jene des Teufels im großen Universum«116: Unordnung in die Philosophie und das Leben zu bringen. Die durch die Zerstörung aller alten Institutionen geschaffene neue Welt würde das Ergebnis und die Schöpfung der Künstler und der Intellektuellen sein – der neuen »Gott-Menschen« und Philosophen, »die bislang die Welt interpretiert hatten und sie sich jetzt aneignen« sollten. Das intellektuelle Vorbild der Futuristen war Gabriele D’Annunzio, Schöpfer des Mythos vom Dichter-Kämpfer (poeta-condottiero), der durch die Verwendung religiöser Symbole eine »politische Liturgie« ins Leben gerufen und einen neuen politischen Stil entwickelt hatte. Der futuristische Intellektuelle stellte nicht nur ein neues Modell des Künstlers, sondern eine komplette künstlerische und politische Vision dar: Das futuristische Programm bestand in einer Revolution, die nach der Veränderung des ganzen Lebens strebte. Die Zugehörigkeit zum futuristischen Bund bedeutete aus dieser Perspektive eher, eine Lebensauffassung zu teilen, als ein rein künstlerisches Projekt zu entwickeln: Alle Mitglieder sollten in jedem Moment und 86 durch ihr Alltagsleben ihren futuristischen Glauben durch ihre Erfahrungen und Projekte bestätigen, und zwar durch ihre Ablehnung der bürgerlichen Mentalität und Wissenschaft. Sie sollten etwas ganz Neues, die futuristische Utopie bilden: keine l’art pour l’art, sondern ein politisch-kulturelles Projekt, das die Artekratie schaffen sollte. Ziel des Futurismus war die Zerstörung der bürgerlichen Kunst und Mentalität und damit der akademischen Literatur und der traditionellen Kunstformen: Gegen die literarischen Regeln predigte Marinetti die parole in libertà (Worte in Freiheit), die freien Reime und Rhythmen117, die Ablehnung der Romantik118 und des Realismus. Seine Würdigung bliebe aber unvollständig, wenn sie allein das negative Element der futuristischen Bewegung herauszustellen sucht: Der Futurismus war auch und zuerst eine Erneuerungsbewegung. Die Forderung nach einem kulturellen Austausch mit anderen Ländern, die Diskussion und die Rezeption der aktuellen europäischen Literatur und Kunst, die Ablehnung der liberalen Regierung und der Macht der konservativen Klassen zeigen seinen nahezu hypermodernen Geist und seinen Anspruch, einen – fragwürdigen – Weg zur Modernisierung und zur Erneuerung Italiens zu finden. 1 Mussolini, »Dopo due anni«, in Scritti e discorsi, Milano, 1934, II, S.153. 2 Vgl. R. De Felices Mussolini, 8 Bände, Torino, 1990-1996; G. Mosse, Masses and man. Nationalist and fascist perception of Reality, New York, 1980; E. Gentile, Le origini dell’ideologia fascista, op.cit.; P.G. Zunino, L’ideologia del fascismo ..., op.cit.; A. J. Gregor, The Ideology of Fascism ..., op.cit.; Z. Sternhell, Naissance de l’ideologie fasciste, op.cit.; Lyttelton A., La conquista del potere. Il fascismo dal 1919 al 1929, Bari, 1974. Dieses Charakteristikum der faschistischen Ideologie, und zwar ihr Mangel an Homogenität, ist ein grundsätzliches und ständig wiederkehrendes Element, das die Schwankungen der Bewegung zwischen links und rechts sowie die internen Konflikte erklärt. So fragte sich Pietro Melograni (»Recensione a ›Storia del partito fascista 1919-1922‹ di E. Gentile«, in Il corriere della sera, 9. Nov. 1989), ob Mussolini selbst ein Faschist war: Mussolinis Reden und Erklärungen seien so widersprüchlich gewesen, daß er selbst manchmal die Prinzipien seiner Ideologie »verraten« habe. 3 Der erste Teil des Artikels (»Doktrin«) wurde von Giovanni Gentile geschrieben, während Mussolini den zweiten Teil schrieb. (»Fascismo. Dottrina politica e sociale«, in Mussolini, Opera omnia (XXXIV), Firenze, 1961, S.122-131. Übersetzung in H. Goetz, Intellektuelle im faschistischen Italien, Kovac, Hamburg, 1997). 4 Ein vulgärer Ausdruck, der von den squadristi und Mussolini benutzt wurde und »Ich pfeife darauf« bedeutet. 87 5 Croce stimmte im Senat am 25. Juni 1924 kurz vor der Ausrufung des Totalitarismus während einer Krise des faschistischen Regimes für Mussolini. 6 Croce, »Recensione a ›Il Principe‹ curata da Chabod« in Critica, Giugno, 1924. 7 Futurfaschismus ist der ursprüngliche Faschismus, der stark vom Futurismus geprägt wurde. 8 Vgl. E. Gentile, Il mito dello stato nuovo dall’antigiolittismo al fascismo, Bari, 1982; M. Isnieghi, Il mito della grande guerra, op. cit., 1989. 9 Die ersten Fasci waren die 1915 gegründeten Fasci di azione rivoluzionaria, welche die militaristische Position innerhalb der Linken darstellten. 10 Die interventisti unterstützten die Teilnahme Italiens am 1. Weltkrieg und stammten sowohl aus linken wie rechten Parteien. 11 Vgl. De Felice, Mussolini il rivoluzionario,..., op.cit., S. 478. 12 Vgl. zu dieser Strömung: Cavallari, Classe dirigente e minoranze rivoluzionarie. Il protomarxismo italiano: Arturo Labriola, Enrico Leone, Ernesto Cesare Longobardi, Napoli, 1983; De Felice, Sindacalismo rivoluzionario e fiumanesimo nel carteggio De Ambris, D’Annunzio, Brescia 1966; Degl’Innocenti M., Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international, Paris, 1971; Dubief H. Le sindicalisme revolutionnaire, Paris, 1979; Marucco D., Arturo Labriola e il sindacalismo rivoluzionario italiano, Torino 1970; Santarelli E., Il socialismo anarchico in Italia, Milano, 1959; ders., La revisione del marxismo in Italia, Milano 1977; Isnieghi, Il mito della grande guerra, Bari 1973. 13 Vgl. zum Einfluß Sorels, Le Bons und der elitistischen Theorien u.a.: De Felice, Mussolini il rivoluzionario ..., op.cit., ; E. Gentile, Le origini ..., op.cit. E. Nolte, »Marx und Nietzsche im Sozialismus des jungen Mussolinis«, in: Historische Zeitschrift, 191, 1960. 14 Die Literatur über den Futurismus ist sehr reichhaltig und die Diskussion darüber läßt sich hier nicht erschöpfend wiedergeben; deswegen seien hier exemplarisch nur einige Titel angegeben: G. Prezzolini »La Voce 1908-1913«, Mailand 1974; R. De Felice, (Hrsg.), Futurismo, cultura e politica, Studienkongreß organisiert von der Stiftung Agnelli, Torino 1988; M. Calvesi, Le due avanguardie, Bari, 1971; P. Vita Fizi, Le delusioni della libertà, Milano 1979; G. L. Mosse, Masses and Man ..., op.cit.; U. Carpi, Bolscevico illuminista. Comunismo e avanguardie artistiche nell’Italia degli anni ‘20, Neapel 1981; C. Salaris, Storia del futurismo, Rom 1985; L. De Maria, »Einführung«, in: Marinetti, Teoria e invenzione futurista, De Maria (Hrsg.), Milano 1983; Ders., La nascita dell’avanguardia, Padova, 1986; M. Serra, »Al di là della decadenza. Marinetti e la grande rivolta futurista«, in: Storia contemporanea, XII, 6, 1991 A. Bowler, »Politics as Art: Italian Futurism and Fascism« in: Theory and Society 20, 1991; Salaris, Artecrazia, Firenze, 1992; Simonetta Falasca-Zamponi, »The Artist to Power? Futurism, Fascism and the Avant-guarde« in »Theory, Culture and Society«, 13, 2, 1996. 15 Während der zwanziger Jahre trat ein anderer Intellektueller auf den Plan, der »KämpferDichter« Gabriele D’Annunzio. 1919 besetzte eine Freischar unter Führung D’Annunzios mit Unterstützung der Nationalisten die Stadt Fiume (heute Rijeka) und gründete dort die »Republik Fiume«. Nach und nach verlor er die Unterstützung der Nationalisten und gewann gleichzeitig die der Syndikalisten, insbesondere die des syndikalistischen Führers 88 Alceste De Ambris, der 1920 die sozialistische Verfassung der Republik Fiume Carta di Carnaro schrieb. Um die Zustimmung der Massen zu gewinnen, bediente er sich dabei einer Methode, die auf dem Charisma eines Führers und der Ablehnung aller demokratischen Verfahren gründete und von Mussolini später ebenfalls benutzt wurde. Obwohl die Beziehungen Mussolinis zu D’Annunzio nach 1920 zunehmend schwierig und gespannt wurden (wegen des Abdriftens des Faschismus nach rechts und der gleichzeitigen Hinwendung der Republik Fiume zum Sozialismus), stellten der politische Stil D’Annunzios zur Mobilisierung der Massen und seine beispielhafte Beeinflussung der Politik durch die Propaganda ein Modell für den faschistischen Führer dar. Seine öffentlichen Reden in Fiume wurden so inszeniert, um durch die Verwendung moderner Theatertechnik eine »Osmose« zwischen dem Dichter-Politiker und den Zuhörern zu schaffen und durch die Musik, die Choreographie und die Sprache eine »kollektive Atmosphäre« herzustellen. Laut D’Annunzio sollte die Politik (wie bei Mussolini) Mythen schaffen und das Publikum durch die emotionale Macht dieser Mythen führen; durch die Benutzung tradtioneller christlicher Symbole (Mussolini benutzte dagegen später römische Symbole und Darstellungen) konnte D’Annunzio die Massen beeindrucken und überzeugen. Wie bei Marinetti strebten D’Annunzios Aktionen nach Verwirklichung der Ästhetik in der Politik. Sie waren an keine bestimmte politische Linie oder ein Programm gebunden, so daß sein Verhalten keiner wesentlichen Veränderung bedurfte, als er im Jahre 1920 sein ursprüngliches Bündnis mit den Nationalisten aufgab und seine langjährige Mitarbeit bei den revolutionären Syndikalisten begann. Der Begriff der Gleichheit umfaßte bei D’Annunzio das Volk als eine organische Ganzheit, eine Art mystischen Körper, der von demjenigen geführt werden sollte, der »die Virtus und die Schönheit symbolisierte«; er stand aber in keinerlei Bezug zum Gleichheitsprinzip des politischen Programm Fiumes, der Carta di Carnaro, die vom syndikalistisch-revolutionären De Ambris verfaßt worden war. Vgl. E. Gentile, Le origini ..., op.cit.; Mosse, D’Annunzio politico, in: De Felice (Hrsg.), D’Annunzio politico, Atti del Convegno, 9-10 Okt. 1985; ders., Masses and Man ..., op.cit. 16 So schrieb Marinetti im Jahr 1916 als Antwort zum Artikel »Pfeifen wir auf die Politik« von Papini (»Lacerba«, 15 Apr. 1916): »Nein, lieber Papini: wir können nicht auf die Politik pfeifen, und können dies auch nicht den Jungen als pessimistische Anregung entgegenschreien. Es sind viele, viele Tausende, die uns mit Angst und Treue nach einer Orientierung, einem nicht nur artistischen, sondern politisch und national begeisterten Antrieb fragen. Die Kunst ist mit der Politik verbunden.« (Brief Marinettis an Papini, in E. Gentile, »Il futurismo e la politica. Dal nazionalismo modernista al fascismo (19091920)«, in: De Felice (Hrsg.), Futurismo, cultura e politica, Torino, 1988, S.116). 17 Marinetti, »Democrazia futurista«, in: ders., Teoria e invenzione futurista, De Maria, (Hrsg.) Milano, 1983, S. 311. 18 Marinetti, »Manifesto del partito futurista italiano« (1918), Ebda., S. 130-135. Nach den Worten Serras war Marinetti »wegen seines Appells an das Recht des Stärkeren, seiner Ablehnung der Klassensolidarität, seiner Forderung nach dem Standrecht gegen Pazifisten und Verräter, seines Willens, die Feinde zu zerstören und nicht nur zu schlagen, rechts, 89 19 20 21 22 23 24 25 26 90 oder besser extrem rechts. Andererseits war er links, oder besser extrem links, weil der Krieg zur Zerstörung jeder festgesetzten Ordnung führen sollte, einschließlich auch der Zerstörung der Nicht-Kriegführenden wie etwa der Kirche. Es gab keine andere Gruppe oder Partei in Europa, die solches Streben nach Totalität bewies, die sich vornahm, alles das Schicksal der Gewinner und der Verlierer - dem Kult der Modernität zu opfern.« (M. Serra, »Al di là della decadenza. Marinetti, la grande guerra e la rivolta futurista«, in: Storia contemporanea, XII, 6, 1991, S.1005). Zum Beispiel die Verteilung des Landes, das progressive Steuersystem, das Streikrecht und die Arbeitszeitverkürzung. Damit läßt sich auch Marinettis Definition der getrennten Rolle der futuristischen - später faschistischen - Partei und der künstlerischen Bewegung verbinden, wie hier deutlich wird: »Der Faschismus wirkt in der Politik, und zwar auf dem Gebiet unserer heiligen Halbinsel, die verlangt, fordert, beschränkt, verbietet. Der Futurismus wirkt auf dem Gebiet der reinen Phantasie, deswegen kann und muß er immer mutiger wagen, wagen, wagen. Als Avantgarde der italienischen künstlerischen Sensibilität ist er notwendigerweise immer der langsamen Volkssensibilität voraus. Er wird deswegen oft von der Mehrheit verkannt und bekämpft, die unsere Erfindungen, die Brutalität unserer polemischen Ausdrücke und den Schwung unserer Intuitionen nicht verstehen kann« (Marinetti, »Futurismo e fascismo« (1924) in: Teoria e invenzione futurista, S. 432). Mussolini, »Postulati del programma fascista«, Mai 1920, in: Opera Omnia, XV, 1954. Wie De Felice erklärt: »Im Faschismus, in seiner konfusen Ideologie und seinem weiten Programm, die sich interpretieren ließen, wie jeder wollte ... sahen diese Leute das für ihre Wünsche [jeweils] geeignete Instrument«(De Felice, Mussolini il rivoluzionario..., op.cit., S. 591). Mussolini, Rede am Parteitag 24.-25. Mai 1920, in: Opera Omnia, XIV, 1954. Squadrismo war die faschistische Organisation der Sturmabteilung, die am Anfang des Faschismus (insbesondere beim Marsch auf Rom) sehr wichtig war. 1925 beschränkte Mussolini auf Grund seiner konservativen Politik ihre Macht. Die Eroberung der Macht war nach der von Pareto beeinflussten Vision des duce nur das Ergebnis des Kampfes zwischen Eliten, die ihre Ideologien erarbeiteten, um den Konsens der Massen zu gewinnen. Umgekehrt war jedes politisches Ideal, die demokratischen Prinzipien eingeschlossen, nur Mittel zur Erreichung der Macht und zur Durchsetzung der Interessen und Ansprüche der stärkeren Elite. Schließlich waren nur die Mobilisierung der Massen und die Gewalt, aber kein ethisches Prinzip und keine politische Doktrin in der Politik entscheidend: Wahrheit und Gerechtigkeit existierten nicht, sie waren nur die Interpretation der herrschenden Schichten, d.h. ihre Ideologie, die nur in Bezug auf ihre Geltung analysiert werden sollte. So wurde die Aktion, die Machteroberung, wichtiger als irgendein Prinzip: Mussolini erklärte auf diese Art die Politik als reinen Kampf um die Macht, (vgl. u.a. die Interpretation Noltes in seinem Buch Der Faschismus in seiner Epoche, op. cit.). (Mussolini, »Nel solco delle grandi filosofie. Relativismo e fascismo«, in: Il popolo d’Italia, 22. Nov. 1921). Eine merkwürdige Art von Relativismus wurde zu dieser Zeit 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 vom Philosophen Giuseppe Rensi entwickelt, zu dem Mussolini zu Beginn des Faschismus viele Kontakte hatte. Giuseppe Rensi schrieb 1920 »Filosofia dell’autorità«, in der er vom Relativismus der Weltanschauungen und von ihrer absoluten Unversöhnlichkeit ausging, um die Notwendigkeit einer auf Gewalt begründeten Autorität zu behaupten, die die Ordnung in der Gesellschaft schaffen sollte. Nach seiner anfänglichen Unterstützung des Faschismus opponierte er 1925 mit seiner Arbeit »Apologia dell’ateismo« gegen Mussolini, jedoch ohne ein konkretes Projekt vorzuschlagen, das seiner Position des totalen Skeptizismus zugrunde lag. Diese Politik führte im Jahr 1923 zur Fusion mit dem Nationalismus, der einen großen Teil der revolutionären Syndikalisten und der konservativen und monarchischen Elemente des Faschismus (»der Rechten«) vertrat, durch ein Abkommen, in dem Mussolini sich verpflichtet, einige Punkte des nationalistischen Programms zu übernehmen - die Anerkennung der Funktion der Monarchie und des Vatikans und den Kampf gegen die Freimaurerei. »Historisch besteht heute kein Zweifel« schreibt der Historiker De Felice, »daß der Faschismus hauptsächlich eine gegen die Arbeiter gerichtete bürgerlich kapitalistische Reaktion war; aber um seine Machteroberung zu verstehen, ist es nicht genug, dies zu sehen und seinen Erfolg mit der Hilfe, der Nachsicht und den Schwächen, die er ausnutzte [, zu erklären]. Es sollte wahrgenommen werden, wie [der Faschismus] den Italienern erschien. Er stellte äußerlich etwas anderes dar, als er historisch war.« De Felice, Mussolini il fascista. La conquista del potere ..., op.cit., S. 4. Was ein kommunistischer Schriftsteller, D. ŠaŠ (G. D’Aquila) schon Anfang der 20er Jahre ans Licht brachte, als er schrieb, daß der Faschismus in der 20er Jahren als eine revolutionäre Bewegung erscheine, welche die ganze Nation, insbesondere die mittlere Schicht und die Arbeiter retten solle. (vgl. »Il fascismo italiano« (1923) in: De Felice (Hrsg.), Il fascismo e i partiti politici italiani. Testimonianze del 1921-1923, Bologna, 1966). Ein wichtiger Beobachter dieses Phänomens war Antonio Gramsci, der in »I due fascismi« (in: L’ordine nuovo, 25. August 1921) die Bedeutung und die Folgen der Zweideutigkeit des Faschismus analysierte. Salvatorelli, Nazionalsocialismo, Torino, 1923. So 1921, als Mussolini den sogenannten »Patto di pacificazione« (Friede zwischen den rechten und linken Brigaden) mit den Sozialisten schließen wollte. Die erste interne Opposition gegen das Abkommen mit den Sozialisten begann als Kampf um die lokale Macht oder um die reine faschistische Interpretation. A.Tasca, Nascita e avvento del fascismo, Firenze, 1950. Sugo di Bosco (Pseudonym von Maccari), »Il benservito agli squadristi«, in Il Selvaggio, 16 Nov. 1924. Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista del potere, S. 3 ff. Il popolo d’Italia, 8-11 Nov. 1921. Zitiert in De Felice, Mussolini il fascista. La conquista del potere, S.185. 91 38 Über den Nationalismus vgl. A Rocco, Che cos’è il nazionalismo e che cosa vogliono i nazionalisti, Padova, 1914; Sternhell, Les origines ..., op.cit., Corradini, Discorsi politici, Firenze, 1923; ders., La rinascita nazionale, Firenze, 1929, F. Perfetti, Il movimento nazionalista in Italia (1903-1914), Roma, 1984; R.A. Webster, L’Imperialismo industriale italiano 1908-1915. Studi sul prefascismo, Torino, 1974. 39 Vgl. die Positionen von Amendola, Nitti, Salvemini in De Felice, Ebenda., S. 393 ff. 40 Dazu schrieb Nitti: »wenn es gelingt, zur Normalität und Verfassung zurückführen, ... so daß die Faschisten uns eine wertvolle Gefälligkeit täten«, »Brief an Amendola« vom 23. April 1923, in De Felice, Ebda., S. 393. 41 Siehe nächstes Kapitel. 42 Viele konservative und »rechte« Mitglieder traten wegen der beginnenden unmittelbaren Kontakte zwischen Mussolini und dem Vatikan und wegen der Maßnahmen der Regierungen für die Kirche aus der PPI aus. 43 Vgl. De Felice, Mussolini il fascista La conquista del potere,..., op.cit. S. 389 ff. 44 Ein ähnliches Bild hatte bereits Jean Pierre Faye benutzt, um die Geburt des Nationalsozialismus in Deutschland zu beschreiben. Vgl. Jean Pierre Faye, Les languages totalitaires. Critique de la raison/économie narrative, Hermann, Paris 1972. 45 Was auch teilweise für Gramscis Theorie der Hegemonie gilt, die von einem bestimmenden Einfluß des politischen auf das intellektuelle Feld ausgeht. 46 Dieser Ausdruck stammt von Eugenio Garin: »der Kontrast zwischen der durchgehenden Entwicklung der Reflexion und der Systematisierung in festen Formeln, der Kampf zwischen nicht befriedigten Instanzen, die Leidenschaft für strenge unerbittliche Kritik; im moralischen Bereich die Abneigung gegen einen erhebenden Moralismus; im Politischen die Abneigung gegen die Rhetorik und die Utopie: all dies sind die Gründe für die vielen später verjagten und zu Feinden gewordenen - illegitimen Kinder, die Croce in der ersten Zeit seiner Arbeit hatte« (Garin, Cronache di filosofia ..., op.cit., B. 2, S. 278). 47 Über diese Vorläufiger der Avantgarde vgl. La cultura italiana del 900 attraverso le riviste, B. IV (Lacerba, La voce), Scaglia (Hrsg.), Torino, 1961; Prezzolini (Hrsg.), La voce. Cronaca, Antologia fortuna di una rivista, Milano, 1974; Garin, Cronache di filosofia ..., op.cit., Carpi U., Giornali vociani, Roma, 1979. 48 Papini, »Amiamo la guerra!«, in: Lacerba, II, 20, S. 274-275. 49 Sternhell, Naissance de l’idéologie ..., op.cit. 50 Vgl. Corradini (Nationalist) »Il mito della guerra vittoriosa«, in: ders., Discorsi politici, Firenze, 1923, (jetzt in: Corradini, La rinascita nazionale, Firenze, 1929, S. 191 ff.); ders., »Nazionalismo e sindacalismo«, in: La Lupa, 16 Oktober 1910; unter den Syndikalisten: Arturo Labriola, La conflagrazione europea e il socialismo, Roma, 1915; P. Orano, »L’insipido Adriatico«, in: Pagine Libere, 1 Juni 1909. 51 Unter den Syndikalisten vgl. Olivetti »Il vaso di Pandora«, in: Pagine libere, 10. Oktober 1914; ders., »Menzogne«, in Edenda, 10. Januar 1915; De Ambris, »I sindacalisti e la guerra«, in: L’internazionale, 22. August 1914; Panunzio, »Il socialismo e la guerra« in: Utopia, 15. August-1. September 1914. 52 Olivetti, »Sindacalismo e nazionalismo«, in: Pagine libere, 15. Feb 1911. 92 53 Corradini, »Nazionalismo e socialismo«, in: Discorsi politici, Firenze 1925, S. 211; Vgl. auch ebenda »Nazionalismo e sindacalismo«, in: La lupa, 16. Oktober 1910. 54 Ausdruck von Bobbio, Profilo ideologico del Novecento ..., op.cit., S. 97. 55 Idealismus in der Philosophie, Realismus in der Kunst und Konkretismus in der Politik für die vociani und Irrationalismus in der Philosophie, Experimentalismus in der Kunst und Utopismus in der Politik für die Futuristen. 56 An dieser Stelle kann kein umfassender Überblick über die gesamte Kultur des 20. Jahrhunderts gegeben werden, doch es ist nötig, einige ihrer Konzepte zu betrachten, welche die Atmosphäre der Zeit prägten, um den Hintergrund für die Bildung der Struktur des faschistischen intellektuellen Feldes zu beleuchten und später die radikalen Intellektuellen einordnen zu können. Deswegen werden im Wesentlichen nur die Strömungen erwähnt, die mit der Entwicklung der Themen und der Positionen der radikalen Intellektuellen in der faschistischen Kultur verbunden sind. 57 Einer der ersten Kritiker des positivistischen Paradigmas war Antonio Labriola, ein bedeutender Interpret des Marxismus, der die Konfusion zwischen Marxismus und Positivismus und die in marxistischen Intellektuellenkreisen verbreitete Verbindung zwischen Marx und der Evolutionstheorie Darwins kritisierte. Die idealistische und die positivistische Erklärung der Geschichte seien beide ungültig: Erste, da sie die bestimmenden Faktoren, d.h. die ökonomisch-sozialen, ignoriere und die Ideen als »Motor« der menschlichen Entwicklung betrachte, die zweite wegen seiner falschen Methode. Der historische Materialismus stelle die einzig gültige Methode zur Analyse der Geschichte dar, indem er endlich die historischen Interessen und Mechanismen von ihrem ideologischen Überbau befreien und damit ein Bild des ganzen historischen Prozeß gewinnen könne (Antonio Labriola, La concezione materialistica della storia, Garin (Hrsg.), Bari, 1965, S. 10 ff.; 97 ff.). 58 Croce, La storia ridotta sotto il concetto generale dell’arte, 1893, Napoli. 59 Croce, Teoria e storia della storiografia, Bari 1948, S. 4-10. 60 Croce, »Per l’interpretazione di alcuni concetti del marxismo«, in: ders., Materialismo storico ed economia marxista, Bari, 1927, S.98. Über Croce vgl. u.a. Stuart Hughes, Consciousness and society ..., op.cit.; Garin, Intellettuali italiani del XX secolo, Roma, 1966; Cotroneo, La religione della libertà, Milano, 1986 . 61 Croce, Conversazioni critiche, II, Bari, Laterza, 1924, S. 353-7. 62 Pareto schrieb in seinem Buch Les systèmes socialistes: »La conception matérialiste de l’histoire est, sous ce rapport, simplement la conception objective et scientifique de l’histoire« (Paris, 1903, B.II, S.390). 63 Pareto, Lettere a Maffeo Pantaleoni, G. De Rosa (hrgs.), B II, Rom, 1960, S. 73. 64 Intellektuelle aus dem Umkreis von La Voce. 65 Noch 1925 wird Croce als Vorläufer des Faschismus bezeichnet. Vgl. die Artikel in Gerarchia, eine Zeitschrift, die unter der direkten Kontrolle Mussolinis stand: Pellizzi »L’ultimo della borghesia« in Gerarchia, II, 1923; Giusso »Il fascismo e Benedetto Croce«, in Gerarchia, III, 1924; und auch: Saitta, »Controriforma« in Vita nova, 8 Au- 93 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 94 gust, 1925. Eine interessante Analyse dieses Themas findet sich bei Garin, Cronache di filosofia ..., op.cit., S. 275 ff. La Voce war Nachfolgerin der 1903 gegründeten Zeitschrift Leonardo: beide hatten die gleiche philosophische Grundlage - die Erarbeitung des Idealismus - und die gleichen Mitarbeiter - Papini und Prezzolini. In diesen Jahren förderte die Gründung vieler Zeischriften (Il Regno von Corradini und Papini 1903; Hermes von Borghese 1903; L’anima von Giovanni Amendola 1911) die Diskussion zwischen jungen Intellektuellen und führte die philosophische europäische Debatte in der italienischen Kultur ein. Gramsci, Letteratura e vita nazionale, Einaudi, Torino, 1950, S.7-8. Croce, Teoria e storia della storiografia, Bari, 19486, S. 75. Papini, »Discorso di Roma«, in: G. Scalia (Hrsg.), La cultura italiana del 900 attraverso le riviste, B.IV, »Lacerba« »La voce« (1914-1916), Torino, 1961, S.140 ff. Vgl. Corradini, »La morale della guerra« in: ders., La rinascita nazionale, Firenze, 1929, S. 184. Die nationalistische Bewegung wurde 1910 auf einem Kongreß in Florenz gegründet. Corradini, Discorsi politici Vallecchi, Firenze, 1923, S. 117 (jetzt in Corradini, La rinascita nazionale ..., op.cit., S.155). U.a. Arturo Labriola, Sergio Panunzio, Alceste De Ambris, Enrico Leone, Massimo Rocca, Ottavio Dinale. Vgl. Sorel, Réflexions sur la violence, Paris, 1950. Vgl. Marinetti, »Guerra sola igiene del mondo«, in: ders., Teoria e invenzione ..., op.cit., S.284. Ebenda. Hier werden die Interpretationen des Marxismus von vielen bedeutenden Autoren, wie Salvemini, Fortunato, Mondolfo, Colaianni, Gramsci usw. nicht erwähnt, meine Untersuchung soll primär die Stellung und die Kämpfe der jungen subversiven Generation mit den akademischen und anerkannten Intellektuellen der vorherigen Generation rekonstruieren. Bobbio, Profilo ideologico ..., op.cit., S.68. B. Croce, »Sulla forma scientifica del materialismo storico«, in: ders., Materialismo storico ed economia marxista, Bari, 1927, S. 17 ff. Croce, »Sulla forma scientifica del materialismo storico« (Mai 1896), jetzt in: ders., Materialismo storico ed economia marxistica, S. 10. Die Literatur zu Gentile ist sehr reichhaltig; erwähnt seien hier: U. Spirito, Note sul pensiero di G. Gentile, Firenze, 1954; A. Del Noce, »Appunti sul primo Gentile« in: Giornale critico di filosofia italiana, Okt./Dez. 1964; Ders. »L’idea del Risorgimento come categoria filosofica. G. Gentile«, Ebda., Apr./Juni 1968; U. Spirito, »Giovanni Gentile, la vita e il pensiero«, in: Due giornate di studio sul pensiero di G. Gentile, Firenze, 1968; H.S. Harris, La filosofia sociale di G. Gentile, Roma, 1973; S. Romano, Giovanni Gentile, la filosofia al potere, Milano, 1984; Garin, Cronache di filosofia ..., op.cit.; Stuart Hughes, Consciousness and society ..., op.cit; G. Turi, Giovanni Gentile, una biografia, Bologna, 1995. 82 Vgl. Gentile, »La concezione materialistica della storia è una filosofia della storia ?« in: ders., La filosofia di Marx«, (1899), 1974, Firenze, S. 32 ff.; »Studi filosofici su Carlo Marx«, Ebd., S. 61 ff., Brief von Gentile an Croce, vom 17. Januar 1897, Ebd., S. 175 ff. 83 Vgl. Garin, »Introduzione«, in G. Gentile, Opere filosofiche ..., op.cit., S. 29 ff. 84 Croce, Ebd., S.162. 85 Croce, »Fede e programmi«(1911), in: Cultura e vita morale, Bari, 1955, S. 163. 86 Grundlegend war der Gedanke, daß die Souveränität immer von der Monarchie vertreten werde, so daß die faschistische Revolution nur eine neue politische Orientierung der vorherigen herrschenden Kräften dargestellt habe. 87 Arturo Labriola, »Syndicalisme et réformisme«, in: Le mouvement socialiste, N. 168-169, 15. Dez. 1905. 88 E. Leone, »Il plusvalore nell’edonismo e nel marxismo«, in: Il divenire sociale, 16. Juli 1907. 89 Marinetti, »Al di là del comunismo« (1920), in: ders., Teoria e invenzione ..., op.cit., S.422. 90 Marinetti auf der Konferenz »Il Futurismo e Novecento«, 1929, zitiert in De Maria: »Il ruolo di Marinetti nella costruzione del futurismo«, in: De Felice, (Hrsg.), Futurismo, cultura e politica, Studienkongreß in Venedig, Mai 1986 (Torino, 1988). 91 Pareto, Trattato di sociologia generale, Firenze, 1916, B.I, S. 28 ff. 92 Die Mitgliedschaft von Benedetto Croce und Gaetano Mosca, spätere Opponenten des Faschismus, und des späteren faschistischen Philosophen Giovanni Gentile in der liberalen Partei stellt keinen Widerspruch zu diesen Haltungen dar: sie kritisierten den Parlamentarismus, der zu einer schwachen Regierung und Anarchie geführt habe und der nur die ideologische Täuschung der Parteien sei, um die Massen für sich zu gewinnen; gleichzeitig predigten sie die freie Entwicklung der Individuen. 93 In einem Brief Croces an E. Pistelli vom 30. April 1923 (Croce, Epistolario, Band 1, Napoli, 1967) behauptete er, Mussolini zu schätzen, aber daß der Faschismus das Gegenteil des Liberalismus sei. Andererseits sei für eine bestimmte Periode die Aussetzung der Freiheit notwendig, wenn der Liberalismus degeneriert sei, so wie in Italien zwischen 1919 und 1922. 94 Croce nahm aber den demokratischen Institutionen gegenüber eine komplexere Haltung ein: er predigte die Freiheit als höchsten moralischen Wert und kritisierte gleichzeitig die Demokratie. Croce konnte womöglich gegen die Demokratie aber für die Freiheit sein, weil sein politisches Modell dem liberalen Staat vor dem Faschismus entsprach, d.h. einem Staat mit einer Regierung durch eine aufgeklärte Elite, nicht mit einer der Massen. In diesem System werde die Freiheit gesichert, aber nicht die materielle Gleichheit, die nach Croce zur Massengesellschaft und zum entsprechenden Verlust der individuellen Identität führe. Für eine unterschiedliche Interpretation Croces - als Vertreter der Demokratie - vgl. Papa, Fascismo e cultura, Marsilio Padova 1978. 95 Mosca, Elementi di scienza politica, Bari, 1953, B.I, S.449. 96 Croce, »La mentalità massonica«, in: ders., Cultura e vita morale, Bari, 1926, S. 146. 97 Croce, Pagine sparse, Napoli, 1943, B.II, S. 147. 95 98 In diesem Zusammenhang ist Croces Interview in »Giornale d’Italia« vom 27. Oktober 1923 interessant, in dem er seine Treue zum Liberalismus behauptet, aber gleichzeitig den Faschismus rechtfertigt, da er endlich die Schwäche der derzeitigen Politik beende. Nach Croce hätte sogar die Frage nach der Regierungsform keine Bedeutung, denn »alle Staaten sind ein einziger Staat, alle Regierungen sind nur eine Regierung: jene der Gruppe, die beherrscht und die Mehrheit regiert«; damit verweist er auf das Denken Paretos. Deswegen existiere laut Croce »keine Frage des Faschismus oder des Liberalismus, sondern eine reine Frage der politischen Stärke. Wo sind die Starken, die sich der jetzigen Regierung entgegensetzen oder ihr nachfolgen? Ich sehe sie nicht. Andererseits beobachte ich eine Angst vor der Wiederkehr der Anarchie von 1922. Ein vernünftiger Mensch kann jetzt keine Veränderung wünschen.« 99 Bobbio, Profilo ideologico ..., op.cit., S.118. 100 Seine Überwindung sei durch den Begriff des »Akt des Denkens« möglich, verstanden als Selbstbewußtsein des Subjekts und als primärer moralischer Akt: der Akt und gleichzeitig das Denken seien so das Grundelement des Aktualismus. (Gentile, »Genesi e struttura della società« (1945), in Opere (IX) Firenze, 1945, S.7) Dieser Freiheitsakt ist das Denken, in dem sich das Subjekt selbst als freier Mensch schafft und seinen Willen als sein Erkennen begreift, so die Ethik begründend. »Wenn die Moralität autoctisi - oder Freiheit - bedeutet, so liegt das moralische Gesetz jeder Äußerung des Geisteslebens zugrunde ... Kein Mensch kann dieser moralischen Welt entfliehen, die in ihn dringt, wenn er im freien Feld der abstrakten Ideen oder seiner Phantasie Trost sucht ...« (Ebd. S. 7-8). 101 Die Nation, und zwar der Wille und das Selbstbewußtsein der Gemeinschaft - das Volk sei der Staat, und zwar der totale Staat. 102 G. Gentile, »Genesi e struttura della società«, in Opere ..., op.cit., S.67. 103 Gentile »Diritto e politica«, in: Fondamenti della filosofia del diritto, Firenze 1937, S.129. 104 G. Gentile, »Che cos’è il Fascismo«, in: Opere (XLV), Firenze, 1990, S.36. 105 G. Gentile, »Che cos’è il fascismo«; in Opere (XLV), ..., op.cit. S. 171. 106 Auch die Biographie Gentiles kann teilweise mit seiner Auffassung der Kontinuität des Faschismus mit den politischen Traditionen Italiens verbunden werden. Gentile war wie Croce vor seiner Mitgliedschaft in der faschistischen Partei ein Liberaler und fing 1922 als liberaler Minister an, das italienische Bildungssystem zu reformieren. Erst 1923 wurde er Faschist, und seitdem war sein Leben mit der Entwicklung des Faschismus verbunden. Vgl. u.a.: S.H. Harris, La filosofia sociale di G. Gentile, Roma 1973; G. Turi, Giovanni Gentile. Una biografia, Firenze, 1995. 107 Was Sternhell in La naissance de l’odélogie fasciste (op.cit.) als »passive Revolution« bezeichnete. 108 Papini, »Intorno ai Murri«, in: Il regno, 22 Oktober 1904. 109 Corradini »Come si forma la borghesia« in: ders., La rinascita nazionale ..., op.cit., S. 209 ff. 110 Ebenda., S. 154. 111 Arturo Labriola, Riforme e rivoluzione sociale, 1906, Lugano, S. 214. 96 Marinetti, Manifesto tecnico della letteratura futurista, 1912. Marinetti, »Al di là del comunismo« (1920), in: ders., Teoria e invenzione ..., op.cit. Croce, »Scienza e università«, in: La critica, IV, 1906. Ebenda. Papini, »L’altra metà. Saggio di filosofia mefistofelica« in Tutte le opere, B.II: »Filosofia e Letteratura«, Milano, 1961, S.192. 117 Vgl. Marinetti, »Distruzione della sintassi. Immaginazione senza fili. Parole in libertà« (1913), in: Marinetti, Teoria e invenzione ..., op.cit., S.57. 118 Vgl. Marinetti »Uccidiamo il chiaro di luna!« (1909) in: Ebda., S.13. 112 113 114 115 116 97 Die Integralisten Die radikalen Intellektuellen im Faschismus von 1924 bis 1925 Im letzten Kapitel wurden die Bedingungen für die Geburt der integralistischen Randströmung innerhalb des Faschismus, also vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit und manchmal Widersprüchlichkeit der ideologischen Grundelemente des Faschismus von 1919, untersucht. Ab 1920 wird die Bewegung des Faschismus im politischen Feld von den extremen Positionen hin zu konservativen und moderateren Positionen, welche die Interessen der Industrie und der alten herrschenden Klassen widerspiegeln, immer deutlicher. Auf diese Art und Weise wird der »ursprüngliche« faschistische Geist, der durch die von Roberto Farinacci dominierte Randbewegung der intransigenti vertreten wurde, an den Rand gedrängt und in eine innere Kritik am Regime zur Wiederherstellung der »Reinheit« des ursprünglichen Faschismus verwandelt. Die Entwicklung im intellektuellen zeigt einige Ähnlichkeiten mit dem politischen Feld. Alle Intellektuellen zu Anfang des Jahrhunderts – von Gentile bis Croce, von den Futuristen bis zu den vociani – übten Kritik an der alten Gesellschaft und strebten nach der Erneuerung der kulturellen und akademischen Institutionen. Dieser Anspruch verkörperte sich in der neuen Idee des totalen politischen Engagements des Intellektuellen, das die liberale Trennung zwischen Kunst, Wissenschaft und Politik aufhob. Außerdem führten die gemeinsamen Themen der Revolte und der Revolution in der Politik und in der Kultur sowie die Teilnahme der Intellektuellen am politischen Leben zu einer Intensivierung der Wechselwirkungen zwischen dem intellektuellen und dem politischen Feld. Nach und nach wurden aber mit der Wendung des Faschismus nach rechts die »extremen« Vertreter der totalen Revolution – die Futuristen und die Syndikalisten – »marginalisiert«, während das intellektuelle Feld durch die Unterdrückung der antifaschistischen Presse und die Unterstützung einiger Strömungen – wie des Aktualismus von 98 Gentile durch dessen Ernennung zum Bildungsminister – immer heteronomer vom politischen Feld wurde. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie die extremen Flügel entweder absorbiert oder an den Rand gedrängt wurden, warum die Futuristen auf jeden Versuch verzichteten, ein politisches Projekt zu vertreten, und wieso jene unter ihnen, die ihre politisch-kulturelle Rolle als futuristische Intellektuelle weiterspielten, zu einer marginalen Position verurteilt waren. In diesem Kapitel wird deswegen das Forschungsgebiet auf die Untersuchung der internen Spaltung der intransigenti im politischen und jener der integralisti im intellektuellen Feld eingeschränkt: Thema sind hier nur jene Kulturexponenten und Gruppen, welche das anfängliche Erneuerungsprojekt und das revolutionäre Streben innerhalb des Faschismus weiterhin vertraten, sowie die Wechselwirkungen zwischen den Randbewegungen des intellektuellen und des politischen Feldes. Außerdem waren die hier betrachteten Intellektuellen durch ihre Position als interne Opponenten und Kritiker des Faschismus gekennzeichnet und wurden deshalb von Mussolini »bestraft«. Das politische Feld innerhalb des Faschismus von 1924-25 Aus dem unbestimmten Charakter der faschistischen Doktrin und ihrem geringen Formalisierungsniveau folgten die Schwankungen des Faschismus, der durch Kompromisse mit unterschiedlichen Kräften eine »neue Front« bildete. Der Faschismus konnte zuerst nur als Bewegung und nicht als Partei funktionieren, die immer nur auf neue politischen Situationen reagierte und immer neuer Anpassungen und Veränderungen bedurfte. Die Konsolidierung dieser Front fand sich insbesondere ab 1925 in der reinen Personifizierung des Staates in Mussolini und nicht in einer politischen oder ideologischen Linie. Die zur Bildung der Bewegung notwendigen Schwankungen führten gleichzeitig zu Spaltungen sowohl innerhalb der faschistischen Bewegung, so die zwischen den normalizzatori und intransigenti, wie auch in den anderen Parteien, den Liberalen, Nationalisten und Demokraten, da die reale »Identität« des Faschismus einem großen Teil der politischen Repräsentanten noch nicht klar war. 99 Als Mussolini im Jahr 1922 die Macht eroberte, besaß er die Unterstützung der intransigenti, des lokalen squadrismo, eines Teils der Freimaurerlogen, einiger ursprünglicher Faschisten (Futuristen, revolutionäre Syndikalisten, Nationalisten), der Kleinbürger und von Teilen der Industrie. Im Laufe der ersten Monate der Regierung Mussolinis stieg die Anzahl der Parteimitglieder stark an1; die »neuen« Faschisten waren ein Produkt des Klientelismus und der Korruption der lokalen Machtsysteme, und viele hatten den Faschismus nicht aus politischen Überzeugungen, sondern wegen ihres persönlichen Vorteils gewählt. Diese »neuen Faschisten« wurden fiancheggiatori genannt; sie rekrutierten sich aus Agrariern, welche nicht auf die faschistische Unterstützung und den Schutz vor sozialistischen und kommunistischen Organisationen verzichten wollten und das Ende der Regierung Mussolinis wegen der daraus resultierenden gefährlichen Stärkung der linken Parteien fürchteten, aus einem Teil der Katholiken, die sich von der PPI (der von Don Sturzo gegründeten Partito Popolare Italiano) nicht vertreten lassen wollten und, wie der Vatikan selbst, dem Faschismus stillschweigend Unterstützung boten, und aus Vertretern der Industrie und der Banken, welche von den ökonomischen Vorteilen einer stabilen politischen Situation profitieren wollten. Ihre politische Position war konservativ und von dem Wunsch nach politischer und ökonomischer Stabilität geprägt, die der Faschismus erhalten sollte; sie waren ursprünglich Anhänger der nationalistischen, konservativen und liberalen Parteien gewesen.2 Ihre Unterstützung des Faschismus drückte letztlich die gemeinsame Angst aus, der faschistische Zusammenbruch könne zum Kommunismus oder zur Anarchie und folglich zu ihrem ökonomischen und/oder politischen Ruin führen. Deswegen fürchteten sie die illegale, außerparlamentarische, antifaschistische Opposition, die immer mehr nach einem Umsturz der herrschenden politischen Klassen und Institutionen rief – eingeschlossen der Monarchie. Teilweise stimmte der Unterschied zwischen den »alten« und den »neuen« Faschisten mit jenem zwischen dem Kleinbürgertum und den herrschenden Klassen überein: Die ersten hatten zwar kein klares politisches Projekt oder eine Vision und waren auch durch interne Konflikte bezüglich der Machtergreifung in einigen Provinzen gespalten, zielten jedoch insgesamt auf die Durchsetzung einer neuen politischen Elite; die zweiten hingegen wollten den Faschismus in eine nationalistische und konservative Richtung steuern. Die Reaktion vieler »alter« Faschisten auf die 100 Verbreiterung und Veränderung des Faschismus bestand entweder darin, die Partei zu verlassen oder den »ursprünglichen« Charakter der Bewegung – sein revolutionäres, antiliberales Streben – erhalten und verteidigen zu wollen und auf eine politische, revolutionäre Wende zu hoffen. Dies war die Position von Roberto Farinacci, dem Führer der Bewegung der intransigenti – »diejenigen, die keine Kompromisse schließen«. Die chaotische Situation führte dazu, daß Mussolini wie immer versuchte, zwischen gegensätzlichen politischen Strömungen ein schwieriges Gleichgewicht zu finden, das so recht niemanden befriedigte. Es ist nötig, hier die drei großen, sich einander bekämpfenden Tendenzen innerhalb des Faschismus zu erwähnen: die normalizzatori, die revisionisti und die intransigenti. Die normalizzatori, die direkt nach dem Marsch auf Rom auf der politischen Bühne erschienen, waren diejenigen, die Disziplin in der Partei und Gehorsam gegenüber der faschistischen Hierarchie und der Regierung forderten, um die Einheit der Partei gegen die lokalen Machtzentren und den peripheren, intransigenten Faschismus durchzusetzen. Gleichzeitig wollten sie den Faschismus als politische Kraft innerhalb des existierenden politischen Systems etablieren, ohne dieses dabei radikal zu verändern oder gar zu zerstören. Diese Strömung, die kein bestimmtes Programm der Erneuerung des Faschismus unterstützte und sowohl aus Links- wie Rechtselementen des Faschismus gebildet wurde, fand immer mehr in den fiancheggiatori ihre Vertreter und hatte mit dem späteren Revisionismus nicht viel zu tun. Letzterer begann im Jahr 1923 und dauerte bis 1926, als die totalitäre Regierung keine kritische Stimme innerhalb der Partei mehr duldete. Die Exponenten des Revisionismus – Massimo Rocca, Giuseppe Bottai und die Redaktion der von ihm geleiteten Zeitschrift »Critica fascista«, Filippo Filippelli und seine Zeitschrift »Corriere italiano«, »Il nuovo paese« von Bazzi und »L’epoca« – erarbeiteten die Idee einer »moralischen Revolution«: Die öffentliche und institutionelle Struktur sollte von Mussolini reformiert werden, aber die alten Institutionen nicht gänzlich zerstört, sondern gefestigt und verbessert werden. Die Regierung Mussolinis sei eine »erklärte Despotie«, deren Funktion die Erneuerung der Politik sein und die, laut Massimo Rocca, auch nicht unbedingt länger dauern sollte. Diese Position, die Mussolini im Jahr 1923 offiziös unterstützte3, um die Treue und den Konsens der existierenden Parteien und Institutionen zu behalten, stieß auf die starke Opposition der von Farinacci geleiteten intransigenti, die zu jener Zeit eine wichtige 101 Rolle in der Partei spielten. Der Kampf zwischen den revisionisti und den intransigenti begann in der Zeitschrift »Critica fascista« im September 1923 mit einem starken Angriff gegen den lokalen4 und intransigenten Faschismus. Insbesondere nach Massimo Rocca »sollte die faschistische Revolution von den Faschisten für ganz Italien und nicht für die Faschisten geführt [werden] ... Die von irgendwelchen provinziellen Mächten und persönlichem Ehrgeiz durchgesetzte formelle Disziplin ... wird nicht genügen, um den Fehler zu vermeiden, der den Mißerfolg der Sozialisten verursachte: die Opposition gegen die Kultur, die technische Fähigkeit und die Intelligenz. Sie wird nicht genügen, um die Trennung – steril und todbringend für die Partei – zwischen der Partei und dem Land und, langfristig, notwendigerweise zwischen der Partei und der Regierung [aufzuheben]«.5 Dieser Angriff gegen die eigene Partei führte zu einer Reaktion einiger Exponenten der intransigenti – insbesondere von Farinacci – und zur späteren Entscheidung, Rocca aus der PNF auszuschließen.6 Die interne Opposition wurde aber durch den Ausschluß des Führers der revisionisti nicht beseitigt, weil die prinzipielle Auseinandersetzung zwischen revisionisti, fiancheggiatori und intransigenti immer stärker wurde – insbesondere nach 1924, als Mussolini ein Bündnis mit anderen Parteien und politischen Gruppen eingegangen war, um die Wahlen zu gewinnen. In der Tat hatte Mussolinis Politik zwischen dem Marsch auf Rom und 1924 nicht auf die Bildung einer faschistischen Regierung gezielt, sondern auf eine Kollaboration mit den existierenden politischen Kräften, um eine breite Koalition zu verwirklichen. Deswegen fürchtete Mussolini einige intransigenti und extreme Komponenten seiner Partei, die keine Kompromisse mit irgendwelchen Vertretern des alten Systems schließen wollten, und stützte sich auf die fiancheggiatori und die revisionisti. Die Opposition der intransigenti gegen Mussolini läßt sich als Reaktion auf die Veränderung seiner politischen Position erklären. Ihre Ideen lassen sich in einigen Punkten zusammenfassen: Sie forderten die Stärkung der Partei, indem sie sich für deren »Reinheit« aussprachen; sie wollten, daß die Partei eine eigene Miliz besäße; sie waren antiklerikal; die Regierung sollte ausschließlich aus »alten« Faschisten bestehen und sie riefen nach einer starken Unterdrückung der Oppositionspresse. Die Politik Farinaccis zielte darauf, die Reinheit der »faschistischen Grundprinzipien« wiederherzustellen: Weder die Kompromisse mit den 102 ehemaligen Liberalen oder Demokraten, noch jene mit den konservativen Unterstützern der Monarchie und den Nationalisten sollten die Natur des Faschismus verändern, selbst wenn diese unbeugsame Linie der Intransigenz eine gefährliche Auseinandersetzung mit der Mehrheit des Parlaments bedeutet hätte. Dem »integralen Faschismus«, wie der Schriftsteller Curzio Suckert die kulturelle Version des Intransigentismo nannte, lag die Weiterentwicklung der faschistischen Revolution zugrunde, welche die radikale Zerstörung des alten Systems ohne Rücksicht auf die Legalität mit sich brachte. Die Basis der intransigenti waren die Sturmtruppen des squadrismo, der illegale Methoden zur Unterdrückung der Opponenten anwendete; sein Programm führte zur Regierung lokaler Parteigruppen und zur Unterordnung des Staates unter die faschistische Partei – und zwar unter die originären Mitglieder der faschistischen Bewegung. Für sie bedeutete die Unterstützung der fiancheggiatori eine Gefahr für die Integrität der faschistischen Doktrin und die Politik Mussolinis, den Staat durch Kompromisse mit anderen Kräften zu regieren und die revolutionären und illegalen Methoden des frühen Faschismus abzulehnen, das Ende der Bewegung. »Da liegt« – behauptete Farinacci in »Oggi siamo tutti fascisti«7 schon im Jahre 1922 – »die Gefahr: bei den Freunden der letzen Zeit – der Presse wie den Menschen; bei den späteren Helden; ... bei den falschen Freunden oder versteckten Feinden von gestern, die heute die wärmsten Freunde sind, und morgen die schlechten [falschen] Berater sein werden. Notwendigerweise soll sich der Faschismus vor solcher – schlimmsten – Gefahr rechtzeitig in Acht nehmen. Diese Vorsorge – ... bildet die Grundlage, um seine ursprüngliche Stärke und seine Flexibilität zu erhalten und seine Märtyrer und seinen Erfolg nicht zu betrügen. Es ist notwendig, daß das wandlungsfähige Tier des alten duckmäuserischen Konservatismus zerstört wird; daß die alte Klientel kontrolliert ... und hauptsächlich entfernt wird; es ist notwendig, daß niemand dank des Faschismus ... seine alten sündigen Gewohnheiten weiter treibt. Der Sieg muß integral sein, indem er nicht nur zur Erneuerung der herrschenden Stände und deswegen zur kompletten Wiederaufwertung des Geistes der nationalen Stärke führe, sondern auch eine vollständige, breite Erneuerungsbewegung der lebendigen Zentren des Nervensystems der Nation im moralischen Bereich beginne.« Die Wahlen vom 6. April 1924 stellten für Mussolini eine wichtige Herausforderung dar: Sie sollten seine Position innerhalb der Partei stärken und 103 die liberal-demokratischen Kräfte für den Faschismus gewinnen. Diese, insbesondere die liberale Partei, hatten zwar noch keine klare Opposition gegen Mussolini gebildet, aber ihre Unterstützung war davon abhängig, ob Mussolini die gewalttätigen und revolutionären Komponenten aus seiner Partei entfernen und tatsächlich die Normalisierung des Faschismus innerhalb des vorherigen politischen Systems – d.h. die Verwandlung des Faschismus in eine parlamentarische Partei – durchführen würde. So dachten viele Liberale, etwa Croce und einer der bedeutendsten Regierungschefs Italiens vor Mussolini, Giovanni Giolitti. Wie Croce in einem Interview mit dem »Corriere italiano«8 erklärte, sollten die Wahlen »eine Rückkehr ... in die Legalität« einleiten. Aus Giolittis Sicht benötigte »Italien vor allem, daß die Autorität des Staates fest bleibe und die Herrschaft des Gesetztes absolut [sei]«.9 Ein Teil der Liberalen10 befürwortete die Politik Mussolinis sogar noch stärker, immer aber unter der Bedingung, daß Mussolini die extremen Komponenten seiner Partei entferne. Mussolini antwortete auf diese Forderung mit seiner Rede vom 28. Januar 1924, in der er die Notwendigkeit der »Verbannung« der ursprünglichen extremen ideologischen und militärischen Elemente und gleichzeitig der Zusammenarbeit mit allen anderen politischen Kräfte – Kommunisten und Sozialisten natürlich ausgeschlossen – unterstrich.11 Mussolini hatte damit Erfolg: Der für die Wahl gebildeten sogenannten listone12 schlossen sich die Faschisten, die Nationalisten und die Liberalen an, während die Linksparteien – Sozialistische Partei (PS), Sozialistische Unitäre Partei (PSU), Kommunistische Partei (PCdI) -, die katholische Partei PPI und die Sozialdemokraten von Colonna di Cesarò die Opposition bildeten. Die Atmosphäre der Wahlen war gespannt und durch viele gewalttätige Übergriffe der Faschisten gekennzeichnet, obwohl Mussolini die Beachtung der Gesetze und die Ablehnung der Gewalt gepredigt hatte.13 Die Faschisten gewannen, wenngleich auch die Linksopposition gestärkt aus den Wahlen hervorging. Das erste Ereignis, das die beginnende Trennung innerhalb der faschistischen Regierung zeigte, war die Polemik der intransigenti gegen die von Giovanni Gentile erarbeitete Schlußakte der achtzehnköpfigen Kommission vom 31. Januar 1925. Diese Kommission wurde von Mussolini als Verfassungsmaßnahme zur Reform des Statuto Albertino (der damaligen Verfassung) und zur Konsolidierung des totalitären Staates eingerichtet. Sie bestand zum größten Teil aus Konservativen, aus den fiancheggiatori, die zwar eine 104 Verstärkung der Exekutive zum Nachteil der Legislative forderten, aber andererseits die Regierungsautonomie teilweise beschränken wollten, um die monarchische Gewalt zu schützen. Die Intention der Kommission war, eine Art Normalisierung des Faschismus zu erreichen, seine revolutionären und antikonservativen Tendenzen zu eliminieren, die Macht Mussolinis zu reduzieren und die monarchische Macht zu restaurieren. Die Schlußakte der Kommission (5. Juli 1925) lautete: »[Die Kommission] hat nie gedacht, daß der aus der Revolution des Risorgimento gebildete italienische Staat umgestürzt werden sollte. Und so hat sie geglaubt, der treue Interpret des Geistes des Faschismus zu sein, der geboren ist, um aufzubauen, nicht um zu zerstören. Sie ist davon überzeugt, daß der Staat des Risorgimento und der ruhmreichen nationalen Monarchie ... wegen der Kraft der jedem italienischen Herzen heiligen Tradition ein zu achtendes, festes Gebilde ist, eine feste Grundlage, auf welcher der Staat der faschistischen Revolution gebildet werden sollte. ... Deshalb hat die Kommission ... geglaubt, sich darauf beschränken zu müssen, die alte und ehrwürdige Verfassungsbasis des italienischen Staates von den ihm langsam durch die Korruption des parlamentarischen Systems auferlegten Strukturen ... zu befreien ».14 Giovanni Gentiles hier dargestellte politische Vision, der sich die Tendenz der zweiten Welle des squadrismo entgegensetzte, gewann die Unterstützung einiger moderater faschistischer Gruppen wie der revisionisti, wurde aber andererseits von einflußreichen radikalen Politikern und Intellektuellen aufgrund der konservativen Auffassung Gentiles stark kritisiert. Insbesondere die intransigenti lehnten sich gegen sie auf, da die Normalisierung die Reduktion des Faschismus auf eine beliebige politische Partei bedeutete; und Farinacci eröffnete die Polemik in seiner Zeitschrift »Cremona nuova«. Die Opposition sollte sofort zerstört und die Illegalität des squadrismo legal werden: »(…) solange die Situation, derentwegen unsere Revolution ausgebrochen ist, bestehen bleibt, ist unsere faschistische Gewalt unvermeidbar; es ist nötig, daß die illegalen Taten nicht mehr gebraucht werden, um sie zu beenden; daß die vom Faschismus geschaffene staatliche Gewalt als das gilt, was sie ist, d.h. daß sie die Auffassung des idealen Kerns der Revolution verwirklicht und sie das legal … eliminiert, was ihre Negation ist. Es ist nötig, die Illegalität zu legalisieren.«15 Curzio Suckert, Vertreter des Integralismus, erklärte dem normalisierenden Versuch Gentiles, die faschistische Revolution innerhalb der Verfas105 sungsregeln und Prinzipien des monarchischen Staats zu beschränken und diesen in den Wächter des liberalen Staats zu verwandeln, den Krieg. Die Kräfte der klerikalen, nationalen und moderaten Fraktionen seien das wirkliche Hindernis bei einer »Eroberung des Staates« durch den Faschismus, die nur unter Teilnahme der »Völker der Provinzen« an den politischen Entscheidungen erfolgreich sein könne.16 Einige Monate nach dieser Polemik durchlebte die Regierung Mussolinis eine starke Krise, welche ihre Existenz bedrohte: die Affäre Matteotti. Am 30. Mai 1924 attackierte der sozialistische Deputierte Giacomo Matteotti den Faschismus und erklärte seinen Willen, eine aktive Opposition zu führen; 11 Tage später wurde er entführt und ermordet. Das Parlament und die öffentliche Meinung waren von diesem Mord schockiert und die Deputierten der Opposition protestierten, indem sie nicht mehr an den parlamentarischen Sitzungen teilnahmen, was als die »Sezession des Aventino« bezeichnet wurde. Sogar die konservativen Elemente des Faschismus – die fiancheggiatori, die Industrie und die Ex-Liberalen – begannen, sich vom Faschismus zu distanzieren.17 Aber weder von der Opposition – die sich in der Unione nazionale delle forze nazionali e democratiche zusammengeschlossen hatte – noch von der Zivilgesellschaft ging ein echter Impuls aus, die faschistische Regierung zu stürzen. Das Fehlen einer zielgerichteten Aktion der Opposition ging mit der Unterstützung der Regierung Mussolinis durch den Senat einher, der sich im wesentlichen aus liberalen und nicht-faschistischen Elementen zusammensetzte. Senator Croce stimmte ebenfalls für Mussolini und erklärte seine Entscheidung in einem Interview mit dem »Popolo d’Italia« am 10. Juli 1924 so: »Man konnte nicht erwarten und auch nicht wünschen, daß der Faschismus plötzlich zusammenbricht. Er war weder eine Vernarrtheit noch ein Spiel. Er hat auf viele ernste Bedürfnisse geantwortet und viel Gutes getan, wie jeder unparteiische Geist zugibt. Er kam mit der Zustimmung der Nation voran. ... Es ist also nötig, dem Veränderungsprozeß Zeit zu lassen. Dies ist die Bedeutung der vorsichtigen und patriotischen Wahl des Senats.«18 Die Haltung Croces ist exemplarisch für die Meinung vieler liberaler und konservativer Kräfte, die nicht faschistisch waren, aber eine »schlimmere Revolution« fürchteten – die Anarchie oder den Kommunismus -, die den Zusammenbruch des Faschismus mitsamt der traditionellen Institutionen zur Folge gehabt hätte. Außerdem vertrat ein Teil des Faschismus, dem auch Mussolini angehörte, die ökonomischen und politischen Interessen dieser 106 Gruppen, welche den Faschismus nur unter der Bedingung rückhaltlos unterstützten, daß Mussolini die intransigenti und die squadre unterdrückte und entfernte. Zum Druck dieser unorganisierten Opposition kam aus einer ganz anderen Richtung der Protest der intransigenti, die nach einer starken, gewalttätigen Unterdrückung der Andersdenkenden riefen: Sie attackierten die nach Frieden strebende Linie Mussolinis, revoltierten gegen die fiancheggiatori und die »neuen Faschisten« und sahen in Farinacci ihren Führer und ihr Vorbild. Nicht nur die squadristi, sondern auch einige Ex-Futuristen nahmen an diesem »extremistischen Kartell« teil: die extrem rechten Mario Carli und Emilio Settimelli und die extrem linken Mino Maccari und Kurt Suckert. Im Januar 1925 entschied sich Mussolini jedoch für die intransigenti, indem er seine starke politische Position nach dem Mord an Matteotti durch die Unterstützung der »Extremisten« rechtfertigte und verstärkte. Mit der berühmten Rede vom 3. Januar 1925, in der er den totalitären Staat ausrief, stellte sich Mussolini auf die Seite der intransigenti: »Wenn der Faschismus nur Rizinusöl und Knüppel gewesen ist, und nicht eine höchste Leidenschaft der besten italienischen Jugend, so ist es meine Schuld! Wenn der Faschismus eine Verbrecherbande ist, bin ich der Führer dieser Verbrecherbande!« So forderte Mussolini das Parlament heraus, das ihn daraufhin ein weiteres Mal unterstützte. Nach dieser Rede wurden die ersten Gesetze gegen die Freiheit erlassen; sie ermöglichten die Schließung politisch »verdächtiger« Treffpunkte, das Verbot für die Regierung gefährlicher Organisationen sowie die Überwachung der Kommunisten und »Umstürzler«.19 Von diesem Moment an entstand eine stärkere Opposition gegen den Faschismus: Einige Politiker und Intellektuelle bildeten eine antifaschistische, politische und kulturelle Gegenfront. Diese Opposition verstärkte die illegale Opposition der antifaschistischen (kommunistischen und sozialistischen) Intellektuellen, die sich in unterschiedlichen Gruppen organisiert hatten: die Gruppe Non mollare20; jene von Piero Gobetti und später von Carlo Rosselli und Pietro Nenni geleitete linksoppositionelle Gruppe (mit den Zeitschriften »Rivoluzione liberale« und »Quarto Stato«) und die Gruppe Rinascita liberale (liberale Wiedergeburt) von A. Tino und A. Zanetti. Aber auch innerhalb des Faschismus hatte dieses bedeutende Ereignis weitreichende Folgen, insbesondere was den Konflikt der fiancheggiatori und revisionisti mit den intransigenti betraf. Farinacci hatte sich während der 107 Matteotti-Krise von Beginn an mit seiner Position gegen die »Normalisierung« des Faschismus, gegen die Wiederherstellung der Legalität und des parlamentarischen Systems als der »wahre Faschist« profiliert, der die Feinde des Faschismus – die schwankenden und betrügerischen fiancheggiatori – erkannt hatte und die faschistische Machteroberung bis zur kompletten Veränderung der Gesellschaft im faschistischen Sinn weiterführen wollte – was die totale fascistizzazione genannt wurde. Statt wie viele faschistische Elemente die Frage nach der Legalität der faschistischen Methoden zu stellen, predigte er die totale Revolution, die mit dem Jahr 1922 nicht zu Ende sein sollte: Die »zweite Welle« (seconda ondata) sollte den intransigenti gemäß noch kommen und dazu führen, daß jeder politische und soziale Raum von der faschistischen Partei – nicht vom faschistischen Staat, wie in der Doktrin Mussolinis und Gentiles – kontrolliert würde. Die Partei zu verteidigen bedeutete, die Eigenschaften der ursprünglichen faschistischen Bewegung zu schützen und zu erhalten. Nur die Partei und ihre militärische und hierarchische Organisation, welche die ursprüngliche faschistische Revolution verteidigte und vertrat, sollte das politisch-soziale Leben bestimmen; auch Mussolini sollte immer nur ein Vertreter des Willens der Partei bleiben und seine politischen Entscheidungen immer von der Basis des sogenannten »historischen Faschismus« abhängig machen. Unter »historischem Faschismus« verstand der Farinacci nahe stehende Schriftsteller Curzio Suckert die ursprünglich in der Provinz verwurzelte faschistische Bewegung mit ihrem Reinheitscharakter und ihrer Ablehnung jeglicher Kompromisse, die sich dem »politischen Faschismus« – dem korrupten Faschismus »aus Rom« -, der kein Ideal und Erneuerungsprojekt darstellte, widersetzte: »Der Faschismus ist von zwei Arten: die erste ist historisch, traditionell und deswegen revolutionär, von den Provinzen vertreten ... die letzte ist politisch, zufällig, von Rom und König Umberto I. ... vertreten; diese [Art] wird von ... der Mentalität des Cafés, der Kompromisse, der Kombination, der Spekulation, des Opportunismus, und schließlich von der [Mentalität] des Parlaments und der Ministerien beeinflußt, die dem Ernst, der Großzügigkeit und der heldischen Naivität der Provinzen entgegensteht.«21 Die während der Matteotti-Krise besonders häufigen Diskussionen im Parlament und in der faschistischen Partei über die Staatsform oder politische und juristische Prinzipien wurden von Farinacci und einigen ihm naheste108 henden Intellektuellen, die nach der integralen faschistischen Revolution strebten, als eine Form der veralteten, abstrakten akademischen Argumentation abgelehnt, welche in der faschistischen »neuen Welt«, in der nur die Aktion zählte, abgeschafft werden sollte. »Die Propaganda der Treue und der Tat sind das Leben der Partei.« – erklärte Farinacci 1925 – » ... zum Lobpreis und zur Verherrlichung des neuen Lebens des italienischen Volkes, gehorchten wir zwei Forderungen: Die Bedeutung der Abneigung [des Volkes] gegen den Intellektualismus sollte klar werden und die Partei sollte die müßige Gefälligkeit der akademischen und abstrakten Diskussionen vermeiden ... Einige wenige klare Ideen, eine grundsätzliche Bewußtheit unserer historischen und geistigen Orientierung, die Begeisterung für die konkreten Probleme, welche Pflichten unseres nationalen Lebens sind: Dies sind die Kriterien, denen wir gefolgt sind und denen wir treu bleiben. Und hauptsächlich wurde der falsche Begriff der unparteiischen, neutralen, dem Leben und der Lebensauffassung übergeordneten liberalen Wissenschaft mit Gewalt abgelehnt und verachtet«.22 Trotz der totalitären Wende vom Januar 1925 blieb die Strategie Mussolinis grundsätzlich unverändert: Er strebte weiter nach einem Konsens mit den Konservativen, was schließlich die Ausstoßung der intransigentiKomponente mit sich brachte. Die alte Bürokratie und die politisch konservative und liberale Klasse hatten den Faschismus auch in den kritischen Momenten unterstützt, aber nicht aus politischer Überzeugung, sondern nur um ihre Position im Staat zu sichern. Aus diesem Grund »wurden sie in der Form vom Faschismus ›faschistisiert‹, aber in der Substanz schafften sie es, den Faschismus zu ›entrevolutionalisieren‹, ihn in den meisten Fällen in ihr Instrument zu verwandeln und den größten Teil [des Faschismus] in die konservative Tradition einzugliedern.«23 Um die konservativen Kräfte – die klerikalen, nationalistischen und moderaten Gruppen – zu beruhigen, war es nötig, Farinacci und die intransigenti zu opfern: Die Ernennung Farinaccis zum Vorsitzenden der faschistischen Partei 1925, die den Kern der intransigenti einschloß, diente seiner Neutralisierung, da Farinacci dem Regime Ordnung und Gehorsam in der PNF sichern sollte, was zur Folge hatte, daß Farinacci sich seinen alten Gefolgsleuten entgegenstellen mußte. Die Frage der faschistischen Gewalt des squadrismo, die offiziell von Mussolini abgelehnt und von Farinacci offiziös gerechtfertigt wurde24, bot Mussolini Gelegenheit, seinen internen Feind politisch endgültig zu ver109 nichten. In der Toskana waren einige mit Farinacci eng verbundene extreme Gruppen des squadrismo tätig, die sogenannten »Wilden« (selvaggi) von Poggibonsi, Colle Val D’Elsa, Siena und Garfagnana, deren revolutionäres und nonkonformistisches Verhalten in Maccaris Zeitschrift »Il Selvaggio« auf kulturellem und ideologischem Niveau mitgetragen wurde. Der Angriff dieser Gruppe auf die Freimaurerloge am 3. Oktober 1925 und der darauffolgende Tod einiger Faschisten verursachten eine Reihe gewalttätiger Attacken der Faschisten, die zu einer Auseinandersetzung zwischen Mussolini und Farinacci während des Gran Consiglio (5. Oktober 1925) führten, bei dem Farinacci gezwungen wurde, beim nächsten nationalen Parteitag der PNF drei Maßnahmen gegen den squadrismo in Kraft zu setzten: die Auflösung der squadre, die Absorption der Ex-squadristi durch die faschistische Miliz und die Säuberung der Partei von solchen squadristi, die diesem Befehl nicht gehorchten. Farinacci verlor damit die Unterstützung der »eigenen« intransigenti, stand aber gleichzeitig nach wie vor gegenüber dem Regime als unbequemer »Revolutionär« dar. Zugleich bedeutete die Auflösung des squadrismo mitsamt seiner kulturellen Strömung, d.h. der Gruppe der selvaggi, daß einige revolutionäre Intellektuelle ihre Heimstatt verloren, in der sie bis dahin ihre Kritik gegen das Regime entwickelt hatten. Die Zeitspanne zwischen 1924 und 1925 brachte einen bedeutenden Umbruch in der Geschichte des Faschismus, da die antifaschistische Opposition an die Öffentlichkeit trat und gleichzeitig die Strömungen innerhalb des Faschismus sich deutlicher artikulierten und problematischer wurden. Diese beiden Veränderungen führten zu zwei Spaltungen: eine zwischen dem Faschismus und der Opposition, die andere innerhalb des Faschismus zwischen den zwei prinzipiellen Richtungen der intransigenti und der fiancheggiatori. Nicht nur das politische, sondern auch das intellektuelle Feld war von diesen Spaltungen betroffen. Aus dieser Perspektive läßt sich die erste allgemeine Auseinandersetzung der faschistischen und antifaschistischen Intellektuellen sowie der Konflikt innerhalb des Faschismus zwischen den Intellektuellen, welche die konservative Politik Mussolinis unterstützten, und den »radikalen Integralisten« beobachten. 110 Die Spaltung des intellektuellen Universums Manifesto und contromanifesto Am 21. April 1925 wurde das Manifest der faschistischen Intellektuellen verabschiedet, am Schlußtag der von Giovanni Gentile geleiteten Konferenz über faschistische Kultur, die von Mussolini als Beginn der Bildung einer solchen und einer faschistischen intellektuellen Elite initiiert worden war.25 Dieses Dokument26 postulierte kein spezifisches Programm, sondern wies auf einige gemeinsame und allgemeine Diskussionsthemen der faschistischen Intellektuellen hin: die Idee der Priorität des Staates dem Individuum gegenüber, die Darstellung des Faschismus als Religion und als moralische Bewegung, die Behauptung der Heimatkultur27 und der Kampf gegen den Liberalismus.28 Einige zweifelhafte Elemente blieben nach Gentiles Auffassung erhalten, wie zum Beispiel der Widerspruch in der Bewertung der gewalttätigen faschistischen Methoden. Obwohl die Zeit des squadrismo laut Gentile beendet war, da der Faschismus keine Revolution mehr zur Ergreifung der Macht benötigte, sei es zum Schutz der faschistischen »Religion« und des sozialen Friedens notwendig, die Freiheit der Individuen einzuschränken, um das politische und soziale Chaos zu verhindern. Später machte Giovanni Gentile unter Bezug auf die Opposition der antifaschistischen Intellektuellen seinen eigenen Begriff der Intellektuellenarbeit noch klarer: Er lehnte nicht nur einzelne ihrer Vertreter, sondern die in der liberalen Tradition grundlegende Trennung zwischen Wissenschaft und Politik ab. Der Intellektuelle sollte nach Gentile also wählen, entscheiden – nicht unbedingt eine Revolution durchführen –, aber sein Credo immer bestätigen und verbreiten, auch und gerade in seiner wissenschaftlichen Arbeit: Seine Figur verweise auf jene des Erziehers, der seinen Schülern das »Gute« aufzeige und andiene. »Faschismus ist Krieg gegen den Intellektualismus. Der faschistische Geist ist Wille, nicht Intellekt ... Die faschistischen Intellektuellen dürfen keine Intellektuellen sein. Der Faschismus bekämpft ... nicht die Intelligenz, sondern den Intellektualismus, der ... die Krankheit der Intelligenz ist ... Doch auch der Gebrauch der Intelligenz ... ist ein Drama, ist der Kampf des Menschen mit dem Geheimnis, ist Anstrengung, die Natur zu beherrschen, ist Intensivierung des Lebens. Deshalb ist Intelligenz auch Wille. Und dieses 111 wenigstens spürt der Faschismus, der Kultur als Ornament oder Ausstattung des Gehirns verschmäht, aber nach einer Kultur strebt, durch die sich der Geist bewaffnet und stärkt, um ständig neue Kämpfe zu gewinnen. Und dies kann, dies muß unsere Barbarei sein. Auch Barbarei der Intellektuellen!«29 Am 1. Mai 1925 erschien die von Benedetto Croce verfasste »Antwort der italienischen Schriftsteller, Professoren und Publizisten auf das Manifest der faschistischen Intellektuellen« in der Zeitschrift »Il mondo«.30 Einige Passagen dieses Dokumentes sollen hier ganz zitiert werden, da sie ein wichtiges Zeugnis zum Verständnis der Argumente der antifaschistischen intellektuellen Opposition darstellen. Im Bezug auf die Intellektuellenarbeit war die Polemik der Antifaschisten besonders bedeutend: Die grundlegende Kritik am manifesto betraf die Bemerkung, daß die universelle Aufgabe der Intellektuellen31 nie parteiisch sein sollte: »Und wirklich, die Intellektuellen, und zwar die Kunst- und Wissenschaftsfreunde, wenn sie als Bürger ihr Recht ausüben und ihre Pflicht dadurch erfüllen, daß sie einer Partei beitreten und ihr treu dienen, sind dennoch als Intellektuelle verpflichtet, alle Menschen und alle Parteien gleichermaßen durch ihre Arbeit der Forschung und der Kritik und durch ihre Kunstwerke zur höchsten spirituellen Sphäre zu erheben, mit dem Ziel, mit immer wohltuenderer Wirkung die notwendigen Kämpfe zu kämpfen. Die Überschreitung der Grenzen dieser ihnen zugeschriebenen Aufgabe, das Verderben der Politik durch die Literatur, ist ein Fehler, der sich nicht als Kavaliersdelikt beschreiben läßt, wenn sein Zweck wie in diesem Fall die Verteidigung tadelnswerter Gewalttätigkeiten und Übergriffe und die Abschaffung der Pressefreiheit ist.«32 Das Idealbild des Gegenmanifests war der liberale Intellektuelle, der seine Arbeit nicht mit seinen politischen Interessen vermischt und die Politik nur als Politik und nicht als Religion betrachtet. Darüber hinaus sollten die Intellektuellen sich dessen gewahr werden, daß die faschistische Partei und die Auffassung der faschistischen Intellektuellen das liberale und freie politische Leben behinderten. Die einzige Religion, die Croce unterstütze, sei die Religion der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der intellektuellen und moralischen Entwicklung. Dieses Manifest, das von der Mehrheit der italienischen Intellektuellen unterschrieben wurde – obwohl viele davon später dem Faschismus angehörten – kann als die erste offizielle Opposition der ganzen Intellektuellenschicht als solche, d.h. nicht bloß einzelner Angehöriger der Oppositionsparteien, bezeichnet werden. 112 Diese beiden Manifeste verursachten die Spaltung der italienischen Intellektuellen in zwei Lager: das der Faschisten, welche die Verbreitung der faschistischen Doktrin als das Bestreben der Kultur betrachteten, und das der Antifaschisten, die an der Tradition der Freiheit der Wissenschaft von der Politik festhielten. Aufgrund der Tragweite der Debatte und der Prominenz ihrer Protagonisten hatte dieses Ereignis schwere und weitgehende Folgen für das ganze intellektuelle Feld: Gentile und Croce wurden zum intellektuellen und moralischen Muster ihrer und der folgenden Generation. Teile der liberalen und sozialistischen Intelligenz begannen mit dem contromanifesto ihren Kampf um die Freiheit der Wissenschaften, während die Philosophie von Gentiles Aktualismus immer mehr mit dem Faschismus und dem Totalitarismus assoziiert wurde.33 Die 1925 beginnende Auseinandersetzung zwischen den zwei einflußreichsten Figuren der italienischen intellektuellen Welt war deshalb nicht nur ein rein politisches Ereignis: Sie stellte zwei gegensätzliche, allgemeine philosophische und moralische Deutungen der Kultur und der intellektuellen und politischen Tätigkeit dar, deren Grundelemente schon 1913 zwischen Gentile und Croce in der Diskussion über den Marxismus entstanden waren und die nun mit dem Manifest und der »Antwort« ihren Niederschlag in zwei gegensätzlichen Visionen der politischen Rolle der Intellektuellenarbeit fanden. Die politisch gegensätzlichen Haltungen dieser beiden Intellektuellen zum Faschismus nach 1925 verursachte keine wesentliche Veränderung ihrer wissenschaftlichen Auffassungen. Die Rolle Gentiles als einflußreicher Vertreter des Regimes und die Opposition Croces gegen den Faschismus führten nicht zu einer Revision ihres Denkens in diesen Jahren. Die Kontinuität des Denkens Gentiles und die Polemik zwischen ihm und Croce wird in seinen Texten von 1919-1920 deutlich, in denen die Grundlagen der Theorie des ethischen Staats schon gestaltet sind. Es läßt sich hier unterstreichen, daß Gentile 1919 noch eine liberale Position einnahm und trotz der schweren Auseinandersetzung von 1913 über den Aktualismus immer noch mit Croce an der Zeitschrift »La critica« arbeitete.34 Eine der grundlegenden Ursachen dieser Meinungsverschiedenheit war die später viel beachtete und Mitte der 20er Jahre vom Faschismus unterstützte Theorie des ethischen Staates. Der »ethische Staat« war laut Gentile die Voraussetzung der moralischen Tätigkeit des Individuums, dessen Wille und Denken sich nur im Staat entfalteten. Der neutrale Staat des Liberalis113 mus setze eine falsche und abstrakte Betrachtung des Individuums voraus: »Dieses Tier, das spricht, ist nicht der Mensch im allgemeinen, der nie existiert hat; sondern der reale Mensch ... der historische Mensch, der in Wirklichkeit existierende, aktuelle Mensch. Ein Mensch, der keine allgemeine Sprache spricht, sondern eine bestimmte Sprache.«35 Der konkrete Mensch finde seinen Ursprung und die Bedeutung seiner eigenen Individualität in der Gemeinschaft von »uns«, d.h. in der gemeinsamen Sprache und in der Nation.36 Die Nation hatte bei Gentile dennoch nicht die Bedeutung eines Trägers der Eigenschaften und der tiefen Identität des Volkes wie bei den Nationalisten: Sie verkörpere keine von unveränderlichen Werten und Traditionen ausgehende festgelegte Wirklichkeit und werde von keinem festen Element der Natur (Rasse) oder der Kultur gekennzeichnet. Sie sei, wie bei Rénan, ein im Bewußtsein des Einzelnen und im Leben der Gemeinschaft sich ständig selbst entwickelndes Wesen, welches das »uns« immer neu bestätigen und bilden solle. Sie sei immer ein Projekt, das in der Zukunft von der Gemeinschaft zu verwirklichen sei37, und zugleich »der gemeinsame Wille eines Volkes, der sich durchsetzt und verwirklicht. Nation ist nur die Nation, die sie selbst sein will, ... die in der Art handelt, daß sie ihre Persönlichkeit in der Form des Staates verwirklicht, außerhalb dessen kein kollektiver Wille existiert, oder gemeinsame oder völkische Persönlichkeit«.38 Die Nation lasse sich dann dem Individuum gegenüber nie als Opposition betrachten, stütze sich aber auf eine individuelle, ständige Bestätigung, was sich in der aktiven Teilnahme am Staat äußere. Dadurch sei der Staat, Behauptung dieses Willens des Einzelnen, im Gegensatz zu den nationalistischen Doktrinen nicht nur Ausdruck der Nation, sondern auch bedeutender als die Nation selbst. Da der Staat und die Nation mit dem »uns« übereinstimmten, werden in der Staatstheorie Gentiles die Bedingungen zur Aufhebung der Trennung des Staates vom Willen des Ichs geschaffen: »Da [die Nation] mit der Idee des Staates selbst übereinstimmt, ist die Nation uns gegenüber so intim und mit der Natur unseres Wesens so übereinstimmend, wie unbestritten der Staatswille mit unserer konkreten und aktuellen ethischen Persönlichkeit eins ist. Unser Italien, unsere Heimat ist, was in unseren Seelen lebt: komplexe, lebendige und hohe moralische Idee, die wir verwirklichen«.39 Auf diese Art versöhnt Gentile die notwendige Autorität des Staates mit der Freiheit des Handelns des Einzelnen und überwindet den »elenden« Begriff der Freiheit des ökonomischen Liberalismus. Die wahre Freiheit des Individuums bestehe 114 logischerweise in der Selbstwahrnehmung seiner Bindung an das »uns« und damit an die Nation, in seiner Zustimmung zum Willen der Nation und in dem Glauben an seine Identifizierung mit dem Staat: »Ich, der Bürger der ich bin, will, was ich will. Aber, wenn wir genauer hinsehen, stimmt das, was ich will, genau mit dem, was der Staat will ..., überein. Und mein Wille ist der Wille des Staates« behauptet der Gründer des Aktualismus.40 Der Glaube an den Staat sei, im Gegensatz zum Liberalismus, der erste und wichtigste moralische Akt und impiziere die Anerkennung der Notwendigkeit des Bündnisses der anderen – der Nation – mit dem Ich. Dieses Bündnis sei Ursprung und Ziel des Individuums, indem es dadurch sein Wesen transzendiere und die Aufgabe der Weiterentwicklung der Menschheit übernehme. Aus diesem Grund sei der Staat ethisch und total: Er sei die Vollendung und der Ursprung jedes Menschen. Mit dieser Auffassung ist Gentiles Sicht des Staates als Religion verbunden, die in einem Aufsatz von 1920, »Discorsi di religione«41, hervortritt: »Der Staat lehrt, der Staat verwaltet, er bietet öffentliche Leistungen an. In allen seinen Funktionen muß er wissen, daß er in jedem Moment seines konkreten Lebens einer Pflicht gegenübersteht, die keine abstrakte Moralität ist, sondern die Konkretheit seiner historischen Aktualität, in der jeder Akt eine Verehrung des absoluten Ideals ist. Diese Religiosität kann nicht im Staate liegen, wenn sie nicht dem Volke gehört, und zwar dem Individuum, in dem der Staat sein Selbstbewußtsein und dadurch seine Wirklichkeit erreicht«. Konkret bleibt aber das Problem bestehen, die individuellen Instanzen und die zahllosen individuellen Entscheidungen mit der Autorität des Staates zu versöhnen, ohne die Voraussetzung der Freiheit zu opfern. Gentiles Begriff des Staates als Erzieher (Stato educatore) ist die praktische Übertragung seiner Philosophie auf die Politik, die auf die konkrete Integration des Individuums im Staate zielt. Hier wird der Bürger mit dem Schüler verglichen, was einen tiefen Einblick in die Interpretation Gentiles der »Teilnahme« der Bürger am staatlichen Leben bietet. Wie im Erziehungsprozeß die Freiheit des Schülers zwar ein notwendiges Element sei, aber der Autorität und der Führung des Lehrers angepaßt und teilweise geopfert werden solle, so sei die Freiheit des Bürgers kein fundamentaler Wert in seiner Beziehung zum Staat. Die Autorität des Lehrers und des Staates stellten den aktiven Teil dieser Beziehung dar: Der Schüler und der Bürger sollten diese übergeordnete Instanz als ihren Willen anerkennen. Die Verschmelzung des Schülers mit dem 115 Lehrer funktioniere hier wie bei der Aufgehen des Bürgers im Staat stärker von unten nach oben, vom Einzelnen zu dem Einen, von der Freiheit zur Autorität. Aus dieser Perspektive gehöre schließlich die Freiheit nur dem Lehrer, nicht dem Schüler, der gebildet werde, um zu einem politischen Bewußtsein und der Teilnahme am ethischen Staat zu gelangen. Bildung sei in diesem Sinne das Modell der Beziehung des Bürgers zum faschistischen Staat und die höchste moralische Aufgabe, um den neuen faschistischen Menschen zu schaffen. Croce lehnte diese von ihm als »mystisch« definierte Auffassung42 des Aktualismus ab, die keine Philosophie und keine intellektuelle Arbeit, sondern eine theologische Vision sei, welche den enormen Reichtum des Lebens auf ein geordnetes, abstraktes System reduziere. Die theologische Philosophie Gentiles, die »vom beständigen religiösen Bedürfnis ausgeht, in einem entweder mythologisch vorgestellten oder mystisch wahrgenommenen Gott Trost, Heiligkeit und Ruhe ... »43 zu suchen, bedeute das Schweigen der Philosophie und der Geschichte, die auf dem endlosen Verfahren der Auseinandersetzungen und Oppositionen begründet seien.44 Genau diese totalitäre Auffassung der Politik und ihre Verschmelzung mit der Wissenschaft, die von Gentile festgestellte Identifizierung des Faschismus mit dem »wahren« Liberalismus, waren die konstanten Feinde der antifaschistischen Intellektuellen. Im Gegensatz zu Gentile sollte der Staat laut Croce und den Intellektuellen des contromanifesto von der Religion und der Ethik getrennt werden: Keine allgemeine und abstrakte Entität sollte das Leben der Einzelnen einschließen oder gar ersetzen. »Wir fühlen uns daher nicht imstande, unseren alten Glauben zugunsten dieser chaotischen und unverständlichen ›Religion‹ aufzugeben: ... jenen Glauben, der aus Wahrheitsliebe, Gerechtigkeitsstreben, aus großherzigem menschlichen und bürgerlichem Sinn, aus Eifer für die geistige und ethische Erziehung, aus Sorge um die Freiheit ... besteht«.45 Infolgedessen setzte Croce dem totalitären Politikbegriff Gentiles die Freiheit des Forschers und die Trennung von Wissenschaft und Politik entgegen und predigte den »Sympolitizismus, das Interesse für die Politik als eines der Teile menschlichen Lebens«46 und nicht als Ziel aller Tätigkeiten. Da die »universelle Wahrheit nur durch die Überwindung der spezifischen Interessen und Tendenzen – die Politik genannt werden«, erreicht werde, sollten die »Wahrheits- und Schönheitsfreunde Abstand davon nehmen, aktiv an der politischen Tätigkeit teilzuhaben, oder sie sollten wenigstens keine herr116 schende oder wichtige Rolle in ihr spielen«, weil sie »Ideen in Verbindung setzen und Vorstellungen erarbeiten, während die Politiker Menschen, Leidenschaften und Interessen betrachten, sie miteinander in Einklang bringen und einander gegenübersetzen«.47 In dieser Auseinandersetzung kristallisierten sich die Positionen der beiden Protagonisten der Kultur der 20er Jahre heraus: Die Opposition Croces und seiner Schüler gegen den Aktualismus und seinen Philosophen Gentile entsprach dem Kampf der Antifaschisten gegen die faschistische Kultur. Allerdings muß hier hervorgehoben werden, daß Gentile kein organischer Intellektueller des Faschismus war: Seine hochmoralische politische Vision läßt sich nicht als reine Ideologie der politischen Macht einordnen, was sich auch an den zunehmenden Konflikten Gentiles mit Mussolini ab 1925 zeigt. Die Philosophie wurde während der Machteroberung des Faschismus und zu Beginn seiner Konsolidierung bis 1926 stark von der totalitären Auffassung Gentiles geprägt, so daß sich eine Hegemonie des Aktualismus im faschistischen intellektuellen Feld herausbilden konnte. Gentile war in diesen Jahren nicht nur ein bedeutender Philosoph und Akademiker, sondern ab 1923 auch Bildungsminister (Ministro dell’Educazione Nazionale), dann, nach seinem Beitritt zum Faschismus, Vorsitzender der achtzehnköpfigen Kommission Soloni zur Erarbeitung von Verfassungsveränderungen, ab 1925 Vorsitzender des Istituto Nazionale Fascista di Cultura, Leiter der Enciclopedia Treccani und Gründer und Herausgeber bedeutender Zeitschriften – u.a. des »Giornale critico della filosofia italiana« und der »Educazione fascista«. Dadurch fiel ihm in der faschistischen Kultur viel Macht und Prestige zu, über die kein anderer Philosoph oder Akademiker verfügte und die ihm erlaubten, eine Schule zu bilden. Mit anderen Worten: Seine politische Position verstärkte seinen Einfluß als Intellektueller, und sein Prestige wirkte auf viele kulturelle Institutionen des Faschismus und auf eine große Anzahl Intellektueller.48 Die Philosophie des Aktualismus bot dem Faschismus eine Legitimation, da sie in ihm eine Fortführung der italienischen Tradition und Geschichte sah; sie betrachtete ihn insbesondere als die Vollendung des Risorgimento, das Italien zwar vereinigt, aber die Frage der Trennung der Massen von der Politik und der Elite nicht gelöst hatte, wodurch sie ihn auf eine moderate politische Tradition zurückführte und ihm Tiefe in der Vergangenheit verlieh. Legitimation war das Grundelement dieser Beziehung, erzeugte aber keine vollständige Übereinstimmung, wie die folgenden Entwicklungen 117 zeigen sollten. Auf jeden Fall waren sowohl das Prestige und das symbolische Kapital des Aktualismus als auch das politische Kapital des Philosophen Gentile in diesen Jahren besonders hoch. Gleichzeitig verringerte sich 1924-25 die Autonomie des intellektuellen Feldes: Die kommunistischen und antifaschistischen Intellektuellen wurden zensiert, persönlich angegriffen und ins Gefängnis geschickt, andere Intellektuelle und Akademiker – u.a. Croce – wurden zwar nicht inhaftiert, aber überwacht und mußten unter immer schwierigeren Bedingungen arbeiten und veröffentlichen. Die Kontrolle über die Kultur bedeutete auch die Überwachung und Eliminierung der innerparteilichen Andersdenkenden, die eine eigene, alternative Vision des Faschismus vertraten, was sich als »Marginalisierung« bezeichnen läßt. Das Regime übte sowohl eine »negative« wie auch »positive« Intervention in der Kultur aus, indem es einige Autoren und Strömungen durch direkte Teilhabe an Politik, kulturellen Initiativen, Akademien und Schulen förderte, so daß das intellektuelle Feld stark geprägt wurde. Ein Beispiel für die Folgen der politischen Intervention im intellektuellen Feld war die Veränderung des »Musters« des faschistischen Intellektuellen Mitte der 20er Jahre: In kurzer Zeit hatte der Aktualismus und der ehemalige liberal-konservative Akademiker Gentile die Hegemonie über die faschistische Kultur erobert, und die alten Kulturexponenten des Faschismus, die rebellischen, antibürgerlichen, antiakademischen Künstler des Futurismus, wurden an den Rand geschoben und neutralisiert. Nicht die futuristische Artekratie49, nicht das faschistische Reich der Phantasie und der Anarchie galten fortan als Ideale der Faschisten; mittels der ersten faschistischen Reform – der 1924 von Gentile erarbeiteten Bildungsreform – wurden sie stattdessen durch die vorrangige Position der Philosophie und den vorrangigen Wert der klassischen Bildung abgelöst. Die Bildungsreform und die Schlußakte der achzehnköpfigen Kommission bestätigten nicht nur die neue Orientierung der Politik des Faschismus, sondern auch die neue Hegemonie des Aktualismus als kulturelles Muster und den entsprechenden Verlust von Prestige und kultureller Macht des Futurismus. Der Faschismus, der mit dem Futurismus in einer Rand- und Extremposition entstanden war, verwandelte sich immer mehr in eine konservative Partei; die Futuristen, die Träger einer extremen, revolutionären Ideologie, mußten sich anpassen oder wurden, wenn sie ihre »Antisystem«- Position weiter vertraten, als Feinde betrachtet und neutralisiert. 118 Die interne Spaltung Viele Beobachter der politischen und intellektuellen Szene dieser Jahre unterstrichen die Komplexität und die Vielfältigkeit der Strömungen innerhalb des Faschismus. Der Oppositionsführer Antonio Gramsci interpretierte 1926 auf politischem Niveau die Trennung der Kräfte innerhalb des Faschismus als Kampf zwischen zwei sozialen und politischen Tendenzen, welche den den wesentlichen internen Widerspruch des Faschismus widerspiegelten: »Einerseits [gibt es] die [nationalistische] Richtung von Federzoni, Rocco, Volpi50, welche die Schlußfolgerungen aus der Periode nach dem Marsch auf Rom ziehen will. Sie will die faschistische Partei als politischen Organismus vernichten und sie dem Staatsapparat in dem vom Faschismus durch seine Kämpfe gegen die anderen Parteien bewirkten Zustand der bürgerlichen Beherrschung einverleiben. Diese Richtung arbeitet mit der Monarchie und der militärischen Führung zusammen. Sie will einerseits die azione cattolica, d.h. den Vatikan, ... und andererseits die moderateren Elemente des Ex-Aventino in das Machtzentrum des Staates aufnehmen. .... Die andere Tendenz wird offiziell von Farinacci verkörpert. Sie stellt objektiv zwei Widersprüche des Faschismus dar. 1) Der Widerspruch zwischen den Bauern und den Kapitalisten, insbesondere die Unvereinbarkeit ihrer Zollinteressen. Sicherlich stellt der heutige Faschismus die Herrschaft des Finanzkapitals im Staat dar, der sich alle produktiven Kräfte des Landes unterwerfen soll. 2) Der Widerspruch zwischen dem Kleinbürgertum und dem Kapitalismus ist am wichtigsten. Das faschistische Kleinbürgertum sieht in der Partei ein Instrument seiner Verteidigung, seines Parlamentes, seiner Demokratie. Durch die Partei will es die Regierung unter Druck setzen, um zu verhindern, vom Kapitalismus ganz unterdrückt zu werden .... Allgemein läßt sich sagen daß es der Richtung Farinaccis in der faschistischen Partei an Einheit, Organisation und allgemeinen Grundsätzen fehlt.«51 Der schwierige soziale Status des Kleinbürgertums, das gegen die organisierten sozialen Klassen der Kapitalisten und der Arbeiter die Bildung einer eigenen Identität und die Eroberung eines Raumes in Politik und Kultur anstrebte, mündete in dem Versuch der intransigenti, ein eigenes politisches Programm zu formulieren. Dieses bestand in der Bildung eines »dritten Wegs« zwischen Kapitalismus und Sozialismus und gleichzeitig in dem Verlangen nach dem traditionellen Leben der Agrargesellschaft, in der die Integration des Individuums in eine 119 organische Gemeinschaft erreicht werden sollte. Andererseits stellte dieses Programm das industrielle und moderne ökonomische System jedoch nicht in Frage. In »Le cinque anime del facismo« (Die fünf Geister des Faschismus)52 versuchte auch der nationalistische Autor Volt die verschiedenen ideologischen und kulturellen Komponenten des Faschismus durch ein »räumliches« Kriterium zu ordnen, um eine Karte der Positionen der internen Strömungen von Links nach Rechts zu gewinnen: Die extreme Linke wurde von Curzio Suckert und den Nationalrepublikanern vertreten, das linke Zentrum von den Syndikalisten53- Rossoni, Olivetti, Grandi, Panunzio, Ciarlantini -, die extreme Rechte von »L’Impero« – Emilio Settimelli und Mario Carli –, das rechte Zentrum von den Nationalisten und schließlich die mit Bottai vebundenen54 revisionisti von der florentinischen Gruppe der Zeitschrift »Rivoluzione fascista«. Durch eine Ergänzung lassen sich Volts Schema der unterschiedlichen politisch-kulturellen Strömungen und die politische Trennung der intransigenti von den revisionisti/fiancheggiatori kombinieren, und zwar durch die Definition des Zentrums, das in den Artikeln Volts und Gramscis nicht erwähnt wird. Das unsichtbare Zentrum im politischen Feld kann nur Mussolini sein55, mit seiner Fähigkeit, durch ständige Kompromisse und oszillierende Positionen die ganze Konstellation der faschistischen Kräfte zusammenzuhalten und damit ein Gleichgewicht zu erreichen. Zwischen dem rechten Zentrum der Nationalisten und dem linken Zentrum der Syndikalisten focht Mussolini seinen politisch-strategischen Kampf, um die konservativen Mächte immer stärker an sich zu binden und sowohl den Konsens der Massen und der Arbeiter wie auch der alten Mitglieder der faschistischen Bewegung der frühen 20er Jahre zu gewinnen. Er bestimmte auch die Kultur, indem er seinen Einfluß ausübte: So entschied er, den Aktualismus zu unterstützen und die originäre Kunst der Bewegung – den Futurismus – fallen zu lassen. Auf diese Art wurde er immer mehr zum unsichtbaren Zentrum des kulturellen Feldes. Doch je mehr Mussolini nach der Besetzung der alten politischen Kräfte und Positionen strebte, desto mehr entfernte er sich von den extremen Flügeln, die innerhalb des Regimes Kritik an ihm übten, die Verbindung mit einem »neuen Mann«, Roberto Farinacci, suchten und damit die Verteidigung der »Reinheit« des Faschismus und seine Entwicklung – 120 oder besser seine Rückkehr zu den Ursprüngen – im Sinn einer radikalen Revolution predigten. Die Homologie der Position der extremen Flügel in der kulturellen Debatte mit jener der intransigenti im politischen Bereich führte zu einem Zusammentreffen zweier Randströmungen, aber nicht zur Erarbeitung einer politisch konsequenten Ideologie. Diese Homologie schuf die Bedingungen für den Versuch, politische Kritik innerhalb des Faschismus auf politischer und kultureller Ebene zu üben, und für die Unterstützung des Führers der intransigenti sowohl durch extreme Rechts- wie Linksintellektuelle (1925). Die Verschiedenheit der Ideen der »Extremfront« der integralistischen Intellektuellen einerseits, das Fehlen eines politischen Programms bei Farinacci und bei den intransigenti sowie ihre absolute politische Isolierung andererseits führten dazu, daß ihnen die notwendige Homogenität zur Bildung einer politischen Alternative zu Mussolini fehlte. Die Entstehung der integralistischen Intellektuellen: der Ausschluß der Futuristen »Wie die futuristische Kunst sich mit dem italienischen Faschismus verträgt, dies kann man nicht sehen. Es gibt ein Mißverständnis, geboren aus einer Nähe von Personen, aus einer Zufälligkeit des Zusammentreffens, aus einem Aufwallen der Kräfte, das zur Annäherung Marinettis an Mussolini führte. Dies ging gut in der Zeit der Revolution. Dies paßt nicht in die Zeit der Regierung. Der italienische Faschismus kann das zerstörerische Programm des Futurismus nicht akzeptieren, er muß aufgrund seiner italienischen Logik sogar die dem Futurismus gegensätzlichen Werte wiederherstellen. Die politische Disziplin und Hierarchie sind auch die Disziplin und die Hierarchie in der Literatur. Die Worte gehen zuschanden, wenn die politische Hierarchie zuschanden geht. Wenn der Faschismus seinen Kampf wirklich gewinnen will, muß er das, was im Futurismus aufregend ist, als absorbiert betrachten, und ihn in allem unterdrücken, was er aus künstlerischer Sicht an Revolutionärem, Antiklassischem und Undiszipliniertem bewahrt.«56 Diese Interpretation der Entwicklung der Beziehungen zwischen Futurismus und Faschismus stammt von Giuseppe Prezzolini. Er hatte Mussolini am Anfang seiner politischen Karriere mit den fasci unterstützt und einige Artikel Mussolinis in »La 121 voce«57 veröffentlicht; der ehemalige Nationalist, ehemalige Futurist und später ehemalige Faschist zog sich nach Mussolinis Machteroberung vom öffentlichen politischen Leben zurück. 1915 forderte er das politische Engagement der Intellektuellen und verherrlichte den »neuen Mann« Mussolini, der endlich die Stärke der italienischen Kultur und des Volkes pflegen und zeigen würde; wenige Jahre später jedoch predigte er die Gemeinschaft der Apolitischen (società degli apoti) und den Rückzug der Intellektuellen aus der politischen Diskussion. Dieser Wandel Prezzolinis war nicht ungewöhnlich für die damaligen Intellektuellen. Apoti wurden die Futuristen immer mehr zu Anfang der zwanziger Jahre; sogar ihr Gründer begann nach 1920, die Kunst unter Verzicht auf einen totalitären Ansatz der Ästhetik als rein ästhetische Tätigkeit und als Instrument der ästhetischen Kommunikation aufzufassen. Nach den Kompromissen Mussolinis mit den Konservativen, als Mussolini die faschistische Unterstützung der Monarchie und des Vatikans verkündigte und alle Formen von Streik verbot, kritisierten die Futuristen Marinetti und Carli die konservative Richtung des Faschismus und traten während des Kongresses von 1920 aus der Partei aus. Marinetti versuchte sogar, den Futurismus mit dem Manifest »Al di là del comunismo« von 1920 als alternative politische Bewegung zu profilieren, welcher nicht nur die wahren, ursprünglichen Prinzipien der fasci wiederherstellen und das Regime des anarchistischen Individualismus durchsetzen, sondern auch den Faschismus überschreiten sollte. Die Ideale des Lebens als Kunstwerk (vita-opera d’arte) und des Lebens als Fest sollten sich endlich verwirklichen, den Menschen befreien und sein individuelles Talent entwickeln: Alle Probleme, sogar die ökonomischen, würden durch die Verfeinerung der ästhetischen Sensibilität gelöst, da der Mensch die »Hölle« seiner täglichen Arbeit durch die Kontemplation der Schönheit vergäße.58 Natürlich war dieser Vorschlag eine reine Utopie und das typisch abstrakte Ideal der futuristischen »passiven« Revolution, welche soziale Probleme durch ihre Vernachlässigung und Verschiebung auf die künstlerische und spirituelle Ebene löste. Schließlich war dieses Manifest der letzte futuristische Anspruch, aktiv in der Politik zu intervenieren, und gleichzeitig der Anfang der sich im späteren Futurismus entwickelnden Auffassung der Kunst als Trost gegen die Wirklichkeit. Auf die Entscheidung Marinettis, die Partei zu verlassen, folgte die Attacke der Faschisten59 und einiger ehemaliger Futuristen60 wie Giuseppe 122 Bottai, zukünftiger faschistischer Minister, Verehrer von Giovanni Gentile und Organisator des kulturellen Lebens im Faschismus. Sein Scheitern ließ Marinetti jedes politische Projekt ablehnen und führte zu seinem Rückzug auf die reine Ästhetik, um eine interne Einheit in der futuristischen Bewegung zu erhalten – und gleichzeitig im Regime zu überleben. Der ursprüngliche Unterschied zwischen der futuristischen Partei und der futuristischen Bewegung wurde durch die Trennung zwischen der Politik (dem Faschismus) und der Kunst (Futurismus) ersetzt: Futurismus bedeutete von nun an nur noch Kunst. Als letzten politischen Akt forderte Marinetti eine Gewerkschaft und korporative Rechte für die Künstler61, die ihre Rolle als »Techniker der ästhetischen Kommunikation« zum Erhalt des Konsenses der Massen behalten sollten.62 Von 1920 bis 1930 strebte er danach, daß der Futurismus als die offizielle faschistische Kunst anerkannt würde. Sein Projekt war aber zum Scheitern verurteilt: Zum Beispiel wurde der italienische Futurismus 1924 von der Biennale in Venedig ausgeschlossen, auf der nur der russische Futurismus vertreten war. Der wesentliche, unversöhnliche Konflikt zwischen Futurismus und Faschismus blieb allerdings während des ganzen Regimes bestehen: Im Gegensatz zu letzterem, der eine Massenbewegung war und ein totalitäres, hierarchisches Regime organisierte, predigte der Futurismus den anarchischen Individualismus und gleichzeitig die Geburt der »Aristokratie der Genies« und kämpfte gegen die alten Autoritäten und Institutionen. Marinetti stellte später seine stets zweideutige Unterstützung des Faschismus mit seiner Kritik63 in Frage und wurde deswegen von faschistischen Exponenten stark attackiert. Andererseits konnte er nicht mehr die Einheit des Geistes des Futurismus kontrollieren und verlor viele seiner Anhänger. Trotzdem war auch nach 1920 der revolutionäre und anarchische Antrieb der Futuristen für das Regime gefährlich: Allein ihre Existenz verkörperte ständige Kritik und die Forderung, die ursprünglichen antibürgerlichen und linksorientierten Motive wiederaufzunehmen.64 Nicht alle Futuristen akzeptierten die neue Rolle des Futurismus und bildeten damit eine Opposition gegen Mussolinis Faschismus und gegen ihre eigene Bewegung. Deshalb läßt sich auf der Strukturebene ein eigenartiger Prozeß beobachten. Während sich das politische Feld veränderte, indem die Strategie und die Kompromisse Mussolinis seine Partei zur konservativen Rechten drängten, beharrten einige Intellektuelle auf den alten subversiven 123 Ideen und Idealen der extremen Flügel in der Kunst wie in der Politik. Diese ehemaligen Futuristen und Syndikalisten wurden, obwohl sich ihre Position gegenüber der Politik und der Kunst nicht wandelte (d.h. sie veränderten nicht ihr politisches oder künstlerisches Credo), immer mehr an den Rand gedrängt und in der politischen Debatte für »Opponenten« oder gar Antifaschisten gehalten; im intellektuellen Feld – das schon unter dem immer stärkeren politischen Einfluß des totalitären Regimes litt – wurde ihnen Irrationalismus vorgeworfen. Hinzu kam, daß sie die alte Gruppe der Avantgarde nicht mehr als ihre »Bezugsgruppe« ansehen konnten, weil die Futuristen trotz ihrer Weiterentwicklung der künstlerisch extravaganten Themen der Avantgarde ihre totalitäre Auffassung der Kunst aufgegeben hatten. Diese Intellektuellen blieben einem anfänglichen Ideal der Politik und der Kunst treu, welches Teil der ursprünglichen faschistischen Ideologie war und immer mehr verdrängt, wenn auch nicht gewalttätig vernichtet wurde.65 Außerdem erarbeiteten sie eine radikale Interpretation des Faschismus, die auf den Prinzipien der geistigen traditionellen Revolution basierte, und entwickelten dabei eine originäre Mischung von Motiven des reaktionären und revolutionären Denkens. Diese hier als Integralisten66 betrachteten Intellektuellen teilten mit dem ursprünglichen Futur-Faschismus die totale Kritik an der modernen Gesellschaft und das Ideal der Bildung einer völlig neuen Zivilisation. Darüber hinaus jedoch vertraten sie ganz gegensätzliche Interpretationen des Faschismus: Mario Carli und Emilio Settimelli waren Traditionalisten und Reaktionäre, Curzio Suckert und Mino Maccari predigten die Abhängigkeit des Faschismus von seiner Basis, dem Volk. Dennoch verbündeten sie sich, um die neue kapitalistische und konservative Richtung des Faschismus – die sogenannte Normalisierung – zu bekämpfen und die Reinheit der ursprünglichen Motive des Faschismus wiederherzustellen. Dieses Bündnis populistischer und reaktionärer Elemente läßt sich nur erklären, wenn der anfängliche Charakter der Ideologie der fasci im Auge behalten und dann die »negative« Basis ihres Engagements – ihre gemeinsamen Feinde, die Konservativen und die Befürworter der Normalisierung, zu zerstören – unterstrichen wird. Auf einer »negativen« Ideologie und der Homologie ihrer Randpositionen gründete außerdem ihre Beziehung zu den intransigenti von Farinacci: gemeinsam waren ihnen die Ablehnung der aktuellen Politik Mussolinis wie auch ihr Ideal, den »wahren« Faschismus ans Licht zu bringen. Die interne Oppo124 sition formierte sich zwischen 1924 und 1925: Eine neue und unbestimmte politische Richtung und eine neue kulturelle Strömung entstanden aus der internen Spaltung zwischen den intransigenti und Mussolini einerseits und zwischen den integralistischen Intellektuellen und den regimetreuen Intellektuellen andererseits. Mario Carli, Emilio Settimelli, Curzio Suckert und Mino Maccari versuchten, eine ideologischen Basis für den intransigentismo zu erarbeiten. Die integralistischen Intellektuellen Die Integralisten wollten Marinettis Wahl des »Schweigens« nicht folgen und vertraten weiterhin den Anspruch des Futurismus auf eine politische Rolle. Sie glaubten, die faschistische Revolution sei mit dem Marsch auf Rom nicht beendet, sondern habe erst angefangen und solle zur totalen Veränderung der Gesellschaft und der Kultur führen. Ihr Kennzeichen war die Mischung traditionalistischer Motive des modernen futuristischen revolutionären Stils und der totalitären Auffassung. Die Utopien der zukünftigen Gesellschaft von Carli und Settimelli einerseits, von Suckert und Maccari andererseits waren absolut gegensätzlich: Erstere waren Rechtsextremisten und entwarfen die Idee einer hierarchischen und traditionellen, von einer geistigen Elite regierten Gemeinschaft, während letztere, die oft als Linksextremisten definiert wurden67, das Vorbild einer populistischen Ideologie vertraten. Trotzdem schufen gemeinsame kulturelle und politische Themen eine Konvergenz von Links- und Rechtsextremisten: In Kunst und Literatur entwikkelten sie die revolutionären Ansprüche und den Stil des ursprünglichen Futurismus, doch ihren Visionen lag auch eine dem Futurismus unbekannte antimoderne Kritik der Gesellschaft zugrunde, die sich teilweise noch im zeitgenössischen Denken der Action Française findet. Im Gegensatz zu den Futuristen engagierten sie sich stark politisch und führten gemeinsam mit den intransigenti eine heftige Auseinandersetzung mit den revisionisti, die sich teilweise sogar gegen Mussolini richtete; wegen ihrer Kritik an der »Unreinheit« des neuen Faschismus wurden sie manchmal vom Regime zwar benutzt, aber letzten Endes doch verstoßen. 125 Carli und Settimelli, Suckert und Maccari verkörperten weiterhin die Figur des futuristischen Politiker-Künstlers, da sie das Erbe der ursprünglichen faschistischen Bewegung übernahmen und seine typischen Themen weiterentwickelten. Ihre Selbstdarstellung als Nachfolger des »reinen Faschismus« bedeutete die Ablehnung der gegenwärtigen kulturellen und politischen Modelle, die eine konservative Wende zeigten und die primitiven revolutionären Elemente verdrängt hatten. Andererseits verliehen sie der Kultur eine extrem starke moralische Bedeutung für die Bildung der utopischen Gesellschaft und für die Erziehung des Volkes zur Wiederherstellung der italienischen Traditionen, worin sich ihr Ideal von jenem des Futurismus unterschied, der durch einen spielerischen und innovativen Zug gekennzeichnet und der Modernität und Technologie verhaftet war. In diesem Sinne blieb die internationale und hypermoderne futuristischen Haltung – trotz ihres Verweises auf die aktivistische und revolutionäre Dimension des frühen Futurismus – den von ihnen vertretenen moralischen Ansprüchen sowie ihrer Apologie der Tradition und der organischen Gemeinschaft fremd: Carli, Settimelli, Suckert und Maccari waren keineswegs typische Vertreter der futuristischen Bewegung. Wegen ihrer hartnäckigen Verherrlichung des alten revolutionären Stils des Futurismus, wegen ihres Vorhabens, die bürgerliche Ordnung und das System ganz zu zerstören, und wegen ihrer Ablehnung der akademischen Kultur – insbesondere des Denkens Benedetto Croces und Giovanni Gentiles – wurden sie im intellektuellen Feld an den Rand gedrängt. Andererseits beleuchtet die Analyse der Themen und der Motive der integralistischen Intellektuellen nur einen Teil ihrer Tätigkeit und ihrer Bedeutung, d.h. nur die Entwicklung ihrer Ideen in Bezug auf die futuristische und idealistische Auffassung. Eine derartige Beschränkung vernachlässigt aber eine wesentliche Dimension, da sie in der Kultur nicht nur Nachfolger des Futurismus waren, sondern eine eigene Interpretation von Kunst und Literatur entwickelten und verbreiteten, und in der Politik keine normalen Faschisten, sondern die »reinen Faschisten« waren. Auf ihrem Idealismus und ihrem originären Charakter basierte schließlich ihre Anziehungskraft auf die jungen Mitarbeiter von »Il Selvaggio« und »L’impero«. Der Blick auf diese Autoren als einzelne und bestimmte Themen entwikkelnde Persönlichkeiten wird nun aus zwei Gründen durch eine weitere Analyse ihrer konkreten persönlichen und politischen Beziehungen ergänzt: Zum einen waren sie Kulturorganisatoren, deren Bedeutung in ihrem Cha126 risma und ihrer Fähigkeit bestand, eine ganze Generation zu repräsentieren und eine Gruppe zu kreieren; zum andern war ihre Selbstdarstellung jene des engagierten Intellektuellen, der einen eigenen politischen und gleichzeitig kulturellen Einfluß auf die Gesellschaft ausübt.68 Als Organisatoren einiger Gruppierungen (im Umfeld der Zeitungen), die Kämpfe ausfochten und Bündnisse eingingen, modifizierten sie das ganze intellektuelle Feld, da ihre Kritik und ihre Stellungnahme im politischen Feld zur Aufspaltung der faschistischen Jugend in zwei Lager führten. Ihr Kampf gegen die offizielle faschistische Kultur und ihr politischer Widerstand gegen die normalizzatori werden hier als Ausbildung einer politisch-intellektuellen Position verstanden und erforscht, die im intellektuellen Feld von der Radikalisierung der antibürgerlichen Haltung der Avantgarde und im politischen von der Verteidigung des Ideals der »Reinheit des Faschismus« und der ursprünglichen futurfaschistischen Bewegung gekennzeichnet war. Die Bedeutung dieser Position besteht im Zusammentreffen einer kulturellen mit einer politischen Opposition gegen die offizielle Kultur und gegen das Regime, so daß ihre Protagonisten aus der Perspektive ihres Ideales der »wahren Revolution« Kritik am Regime übten. Einige Frage stellen sich in diesem Zusammenhang: Was bedeutete die Kritik dieser Gruppen am Regime? Wie lassen sich die integralistischen Intellektuellen von jenen anderen internen Kritikern des Faschismus – den revisionisti – oder von den Idealisten unterscheiden? Und weiter: Welche Folge hatte ihre Kritik in der Zeitspanne 1924-1925, in dieser heiklen Übergangsphase von der Autonomie zur Heteronomie im intellektuellen und politischen Feld, z.B. hinsichtlich der Beziehungen des Politiker-Intellektuellen zum Politiker? Die Antwort auf diese Fragen verweist auf einen Leitfaden, anhand dessen die Gemeinsamkeiten der vier integralistischen Intellektuellen und die Bedeutung ihrer Kritik in der Zeit rekonstruiert werden können. Die Themen des Antiintellektualismus, des Irrationalismus, der antibürgerlichen Kritik, der Tradition, und des politischen Engagements der Künstler waren zur Zeit des politischen und intellektuellen Engagements der Integralisten nicht neu; sie waren bei Suckert, Maccari, Carli und Settimelli nur durch einen zerstörerischen Charakter gekennzeichnet, als ob diese Autoren eine extreme und übertriebene Form des Futurismus und des Irrationalismus ausüben und damit unbewußt den Niedergang des futuristischen PolitikerKünstlers und seine Unangemessenheit in der konkreten politischen Situation 127 beweisen wollten. Diese Art von Utopismus, der sich im Festhalten an einem obsoleten intellektuellen Modell äußerte, war aber nicht nur mit ihrer intellektuellen Selbstdarstellung als Träger eines neuen antibürgerlichen Begriffes der Kultur, sondern auch mit einem politischen Ideal verknüpft: das Ideal des »reinen Faschismus«, der unabhängig von der Persönlichkeit Mussolinis blieb. Diese Idee war keine rein künstlerische Phantasie, sondern ein globales Projekt. Diesbezüglich erscheint ihre Verbindung mit Farinacci bedeutend: Er stellte das historische Zusammentreffen eines künstlerisch-politischen Ideals mit einer konkreten Person dar, ohne daß sich daraus eine persöniche Gefolgschaft Farinaccis gebildet hätte. In anderen Worten: Weder besaß Farinacci jemals ein Mussolini vergleichbares persönliches Charisma, noch beschränkten die hier betrachteten Autoren ihr Ideal auf seine Person – dazu war ihre Vision des Faschismus zu »unpersönlich«. Der Faschismus war für sie eine Bewegung, eine Revolution, in der die einzelnen Männer nur Träger einer Idee der politischen und kulturellen Erneuerung waren. Die Integralisten als kleinbürgerliche Futuristen Die Betrachtung des Lebens und des Milieus, in dem die vier genannten Autoren ihre künstlerische und politische Persönlichkeit entwickelten, zeigt den sozialen und kulturellen Hintergrund der Vision der Integralisten. Sie erlaubt es, ihren politischen Kampf gegen Kapitalismus und Sozialismus und ihr Schwanken zwischen links und rechts auf ihren sozialen und geographischen Ursprung rückzubeziehen, ohne jedoch Kausalitätsverhältnisse behaupten zu wollen. Die Autoren werden hier als Repräsentanten nicht nur einer ganzen Generation, nämlich jener des Ersten Weltkriegs, sondern auch einer bestimmten Schicht, des Kleinbürgertums, betrachtet. Ihre Lebensläufe sind ganz ähnlich: Sie kamen aus der Toskana – der Heimat der Avantgarde, von Papini und Prezzolini –; sie waren kleinbürgerlicher Herkunft und nahmen eine rebellische und anarchistische Haltung im ersten Teil ihres Lebens ein; sie waren Kriegsveteranen und ihre politischen Erfahrungen waren widersprüchlich und nicht linear – für sie alle wie für Mussolini, für die Futuristen und die Syndikalisten waren Links und Rechts keine feste Kategorien. Als Mitglied der republikanischen Partei69 lehnte Suckert 1913 die monarchistische und konservative Politik in Italien nach der Wiedervereinigung 128 ab und nahm an den Streiks der »Roten Woche« (1915) teil. Schon 1914 meldete er sich mit 16 Jahren freiwillig zur »Legione garibaldina« in Frankreich70 – zu einer Zeit also, in der Italien noch nicht am Ersten Weltkrieg teilnahm und er in der Hoffnung lebte, daß der Krieg eine moralische Lebensveränderung bringen würde. 1918 beendete er seine militärische Karriere – »vom Krieg angeekelt«.71 Suckert wurde dann revolutionärer Syndikalist und glaubte, die faschistische Revolution solle in der Politik und der Futurismus in der Kunst eine totale Veränderung in Italien durchführen. »Viva Caporetto«72 war sein erstes Buch, in dem er die für Italien entscheidende Niederlage von Caporetto, die durch die Desertion der Infanterie verursacht worden war, als spontane Revolution des Volks, als eine Form des Streiks gegen die alten, liberalen und monarchistischen korrupten Politiker und Offiziere und als Anfang der Bildung eines nationalen Selbstbewußtseins beschrieb. 1921 wurde das Buch erstmals veröffentlicht und 1923 (ein Jahr vorher war Suckert der Faschistischen Partei beigetreten) mit einer Einführung73 versehen, die den Faschismus als die einzige neue politische Kraft und den Träger der Tradition des Heldentums74 verherrlichte. Mino Maccari teilte mit seinem Freund und Mitarbeiter Suckert die soziale Zugehörigkeit zum Kleinbürgertum75, die geographische Herkunft, die Teilnahme am Krieg und die künstlerische Mitarbeit in futuristischen Gruppen. Beide waren in der Provinz geboren und sahen als junge »Rebellen« im Krieg76 die Möglichkeit einer konkreten Teilnahme an der Geschichte. Nach den Enttäuschungen des Krieges hatten beide an den Mythos der Revolution als Überwindung des Kapitalismus und des Sozialismus und als tiefe moralische Bewegung geglaubt. Ihre Unfähigkeit, sich völlig mit den Massen zu identifizieren, ihre Ablehnung der Klassentrennung einerseits und ihre Attacken gegen die Bourgeoisie andererseits resultierten aus ihrer kleinbürgerlichen Position und verursachten eine gespaltene Mentalität: Die Verherrlichung der Tradition und der alten Werte war mit den Forderungen nach Gerechtigkeit, mit dem Angriff gegen die Kapitalisten und der Verteidigung der Revolution – auch in der Kunst – vermischt. Der squadrismo bedeutete für Maccari und seine Freunde und Mitarbeiter an »Il Selvaggio« den Versuch, eine Rolle in der Politik zu erlangen; so wurde »Il Selvaggio« am Anfang die kulturelle Übertragung dieses Projekts.77 Aber nach und nach zog die Zeitschrift mehr Mitarbeiter an; sie veröffentlichte die Werke wichtiger Exponenten der Kunst wie Rosai, Morandi, Carrá, Soffici, Longanesi, De Pisis, 129 Guttuso, Mafai und einiger Schriftsteller wie Soffici78, Palazzeschi, Papini, Bacchelli, Natta, Ungaretti, Bilenchi, und Brancati. 1924 und 1925 waren die Jahre des politischen Engagements von Maccari und Suckert und ihrer Mitarbeit an »Il Selvaggio«, um die Kampagne für die Vollendung der faschistischen Revolution durchzuführen. »Il Selvaggio« wurde zum lebendigen Treffpunkt der andersdenkenden faschistischen Jugend. Suckert schrieb seine virulenten Artikel79 gegen Mussolini in der Zeitschrift und Maccari zeichnete seine ironischen Karikaturen, die sich jetzt immer mehr als ein neues und faszinierendes künstlerisches Experiment darstellten. Und auch nach der Zensur und dem Ende dieses politischen und kulturellen Kampfes blieben Maccari und Suckert immer Freunde; sie standen oft in denselben Kämpfen auf derselben Seite, wie in der Auseinandersetzung zwischen strapaese und stracittà.80 Auch Carli und Settimelli81 kamen aus kleinbürgerlichen Familien und waren Kriegsveteranen. Ihre künstlerische Karriere begann 1909 mit der Zeitung »Difesa dell’arte«, die sich für die traditionelle Kunst , d.h. die Literatur des 19. Jahrhunderts, und gegen den Experimentalismus D’Annunzios und die Kritik Croces einsetzte, um die Dekadenz der Kultur zu überwinden. Der besondere Charakter dieser Zeitschrift, die weder eine neue Avantgarde, noch eine neue organische Auffassung der modernen Kunst darstellte, liegt in ihrem Scheitern im Jahre 1910, das als Zeichen der Isolation der jungen Autoren und der Interesselosigkeit des Publikums gelesen werden kann. Ihre Entwicklung wurde danach von ihrer Beziehung zu Bruno Ginanni Corradini und Arnaldo Ginanni beeinflußt, wodurch der anfängliche Symbolismus Carlis und Settimellis durch okkultistische und esoterische Komponenten sowie die aristokratische Auffassung der Politik ergänzt wurde. Die Beziehungen zu Marinetti und dem Futurismus begannen 1912-13 und bedeuteten eine Wende in ihrer literarischen Welt: Im Manifest »Pesi, misure e prezzi del genio artistico«, das Settimelli und Corra verfaßt und Marinetti veröffenticht hatte, ging Settimelli von der Verherrlichung der Literatur des 19. Jahrhunderts zur futuristischen Ablehnung der traditionellen Kunst über. 1915 begannen Carli und Settimelli, am politischen Futurismus teilzunehmen: Sie erarbeiteten mit Marinetti das »Manifesto del Teatro futurista«, in dem die Ziele des neuen futuristischen Theaters – den »italienischen Geist kriegerisch zu beeinflussen«82 – erklärt wurden. 1916 behaupteten Carli und Settimelli in der Zeitschrift »L’Italia futurista«83 ihre Zugehörigkeit zur futuristischen 130 Bewegung und ihrer interventionistischen Kampagne, obwohl sich der surrealistische und esoterische Charakter ihrer Kunst vom Futurismus unterschied. Ihr Einfluß auf den von der Gruppe Marinettis getrennten und eigenständigen römischen Futurismus – am Theater von Anton Giulio Bragaglia und in seinem Salon, in dem unter anderem der junge Dadaist Julius Evola verkehrte – war groß. 1918 schlug Carli dem futuristischen Führer vor, eine neue Zeitschrift, »Roma futurista«, zu gründen, um »eine mächtige Offensive von Ideen gegen die internen und externen Feinde der italienischen Jugend und des Ruhms« zu führen.84 Das politische Engagement von »Roma futurista« ermöglichte das Zusammentreffen und die Fusion der Veteranengruppe der arditi mit den Futuristen: Carli schrieb seinen Appell an die arditi, die neue Avantgarde der Nation zu bilden und die »neuen Werte« der Politik und der Kunst zu verwirklichen. Diesem Appell folgte die Gründung der von den futur-arditi Carli und Ferruccio Vecchi geleiteten arditi-Gliederung und das »Manifesto dell’ardito futurista«85, das die Fusion der beiden Bewegungen bestätigte. Carli trat 1920 mit Marinetti aus der PNF aus und ging nach Fiume, wo er sich mit anarchistischen und sozialistischen Gruppen in Verbindung setzte und seine alte Idee einer Zusammenarbeit der arditi und Futuristen mit ihnen entwickeln wollte.86 Seine überraschende reaktionäre Wende fand zwischen 1920 und 1921 statt und bedeutete den Anfang der neuen kulturellen und politischen Tätigkeit mit Settimelli, die 1923 zur Gründung der Zeitschrift »L’impero« führte. Die antimoderne Revolte: die Radikalisierung der futuristischen und avantgardistischen Haltung Während Marinetti nach seinem überraschenden Austritt aus der faschistischen Partei 1920 später zum Faschismus zurückkehrte und den Futurismus zu einer rein ästhetischen Strömung erklärte, setzten Carli und Settimelli ihr politisches Engagement mit der Gründung der reaktionär-futuristischen Zeitung »L’Impero« gegen die vorherrschende Richtung des Futurismus fort87: Sie versuchten nach 1920 das politische, antiklerikale und revolutionäre Programm des ursprünglichen Futurismus weiterzuentwickeln, in der Hoffnung, auf das politische Leben des Regimes Einfluß zu nehmen. Die Gründung der Zeitschrift »L’impero« drückte nicht nur die Übernahme künstleri131 scher und literarischer Ideale des Futurismus aus – in seinen Rubriken veröffentlichte »L’impero« auch die avantgardistische und futuristische Kunst -, sondern auch und insbesondere ihr Streben nach der Bildung einer faschistischen Kultur, welche das ursprüngliche futuristische Modell des »Lebens als Kunst« verwirklichen sollte. »Feinden eines antikünstlerischen, antiliterarischen, sozialistischen und veralteten ängstlichen Monarchismus, Feinden einer antikriegerischen, humanitären, verzichtenden, mittelmäßigen Republik, bereiten wir ein Reich des Genius, der Kunst, der Kraft, der Ungleichheit, der Schönheit, des Geistes, der Eleganz, der Originalität, der Farben, der Phantasie vor ...«88 Auch der ehemalige Syndikalist Curzio Suckert und der futuristische Künstler Mino Maccari lehnten die Verwandlung des Futurismus ab. Konsequenterweise attackierten auch sie den nachfolgenden Versuch Marinettis, den Futurismus als eine art de Régime zu profilieren und damit eine futuristische Kunstschule zu bilden. Laut Maccari und Suckert führte dieses Projekt Marinettis dazu, daß die Kunst »normalisiert« werde, was schon in der Politik mit der faschistischen Bewegung geschehen sei. Eine solche Kunst sei vom Regime abhängig, in Institutionen reglementiert, von Politikern geprägt und verbreitet, und werde damit dem verhaßten Bild der akademischen, bürgerlichen, konservativen Philosophie des Idealismus immer ähnlicher. Aus diesem Grund widersprach Suckert der von Marinetti unterstützten Institution des Kreditinstituts für Künstler, da sie »ein Attentat gegen die heldenhafte Natur des künstlerischen Geistes, wegen ihrer Philanthropie eine hinterlistige, heuchlerische Form des Mordes an der heiligen, heldenhaften, anarchistischen, vorurteilslosen, verrückten, blutigen, intoleranten, schönen Freiheit der Künstler«89 sei. Das Ideal der Freiheit der Kunst sollte immer ein grundlegendes Prinzip der beiden Autoren bleiben, die sich deshalb von den offiziellen kulturellen Institutionen und Initiativen des Regimes distanzierten. »Die Politik ist die Frucht der Kultur, und nicht umgekehrt. Die Kultur orientiert, sie wird nicht orientiert; sie selbst ist Ordnung oder sie ist gar nicht.«90 So schrieb Maccari in den 30er Jahren, als der Faschismus schon größere Teile der Literatur und der Kunst »kolonialisiert« hatte, und erklärte sich damit zum Feind der faschistischen Akademien, der Schule und der Institutionen. Eine faschistische Kunst sollte nicht existieren, und wenn das Regime wirklich etwas für die Kunst tun wollte, sollte es »junge Artisten fördern, statt Triumphbögen zu bauen«, schrieb 1926 ein Mitarbeiter von »Il 132 Selvaggio«, Leo Longanesi91, in der mit der politischen und künstlerischen Linie Maccaris verbundenen Zeitschrift »L’Italiano«. In der Kunst war der ursprüngliche Futurismus, in der Politik der Faschismus von 1919 das Vorbild der Integralisten: Von diesen zwei Idealen ausgehend kritisierten sie die aktuellen Entwicklungen, die der revolutionären Natur widersprachen. Diese Intellektuellen blieben deshalb in gewisser Weise Utopisten, weil sie hofften, die Artekratie Marinettis doch noch unabhängig von den gegenwärtigen politischen und kulturellen Bedingungen und Lagern zu verwirklichen. Ein Zeichen ihrer Bezugnahme auf die futuristische Revolte läßt sich in der Weiterführung und Radikalisierung der typischen Themen der Literatur vom Anfang des Jahrhunderts finden, die allein durch sie in den 20er Jahren eine so konsequente Entwicklung erfuhren und in der Folge näher betrachtet werden: der Antiintellektualismus, die Ästhetisierung der Politik, der Irrationalismus und die Attacken gegen die Demokratie und die Bourgeoisie. Diese vom Futurismus geprägten Inhalte gingen jedoch mit einer starken moralischen Bedeutung der faschistischen und künstlerischen Revolte sowie der Verherrlichung der geistigen Revolution einher, die bei ihnen eine solch besondere, originäre Stellung und Entfaltung fanden, daß sie sich nicht allein auf den Futurismus zurückführen lassen. Der Feind der integralistischen Intellektuellen blieb immer die akademische und offizielle Kultur, was die Themen der antibürgerlichen und antiintellektuellen Revolte der avantgardistischen gegen die Hochkultur vorantrieb. Curzio Suckert und Mino Maccari sahen einen unüberwindbaren Widerspruch zwischen der auf der »Intregrität und Freiheit der Instinkte« begründeten faschistischen Revolution und dem abstrakten Denken Gentiles und Croces92, die Protagonisten und Symbole der veralteten Akademie und deshalb Beispiele der Dekadenz der europäischen Zivilisation waren. Sie waren laut Suckert Vertreter der verfallenden Modernität, welche die nördliche, kritische, antidogmatische Haltung, d.h. den vorherrschenden Rationalismus und Individualismus, über das »traditionelle hierarchische, dogmatische Denken« der orientalischen südlichen Länder Italien und Spanien und ihre Traditionen gestellt hatten. Auch die populistische Vision Maccaris widersetzte sich dem elitären Projekt der faschistischen Kultur Gentiles, dem eine einheitliche Interpretation der Kultur als »Überkultur« und eine Trennung zwischen dem sich seiner Aufgabe bewußten Bürger und jenem Bürger, der erst zur Teilnahme am ethischen Staat geführt werden mußte, zugrunde la133 gen. Die bis jetzt in ihrem »Elfenbeinturm« eingeschlossenen Intellektuellen sollten nach Maccari durch die neue Jugend, durch Künstler, Literaten und Teilnehmer der neuen kulturellen politischen Revolution ersetzt werden.93 Gentile und seine Schüler und Nachfolger kritisierten auch Carli und Settimelli vehement, wenn sie z.B. das von Gentile geschriebene faschistische Manifest als »ein Essay eines kleinen Handbuchs der Propaganda ... eines späteren Faschisten, der nie ein faschistisches Temperament haben wird, obwohl er sich sehr anstrengt«94 bewerteten. Gentile sei genau wie Croce »der Philosoph der ›Italietta’«: Deren Mentalität bestehe »aus Reserven, Feinheiten, Kulturalismus, organisierter Pedanterie« und stelle die Antithese der faschistischen Mentalität dar.95 Hinter den Attacken gegen die beiden berühmten Persönlichkeiten verbarg sich die grundsätzliche Opposition einer antibürgerlichen und »revolutionären« Vision von Kultur und Politik gegen die von Gentile und Croce vertretene akademische Kultur, welche die vier Nachfolger des ursprünglichen Futurismus konsequenterweise bekämpften. Auch der von Mussolini als zutiefst faschistisch bezeichneten Bildungsreform Gentiles lag eine klassische und elitäre Prägung zugrunde, welche die Integralisten wegen der Unterscheidung zwischen dem elitären klassischen Gymnasium und den technischen Schulen, der Priorität der Philosophie über das technische Wissen sowie der Zentralisierung der Bildungsinstitutionen und Programme nicht teilten. Nur eine radikale antiphilosophische und antiakademische Haltung könne jenen Bruch in der Interpretation der Geschichte und in der Vision der Zukunft verursachen, der zur politisch-ästhetischen Revolution führen sollte. Im Gegensatz zu Gentile, der die faschistische Kultur auf einer philosophischen Basis mit seiner Theorie des ethischen Staates legitimiert und sie in den traditionellen akademischen Bildungsinstitutionen strukturiert hatte, sollte die Kultur für die integralistischen Intellektuellen in keinem theoretischen System oder institutionellen Projekt verwirklicht und eingeordnet werden, da ihr primärer Charakter die Spontaneität sei. Gemeint war damit die Spontaneität des squadrismo, der arditi, und der Bewegung, welche die gewalttätige Revolte gegen die liberalen bürgerlichen Institutionen ohne irgendwelche Doktrin durchführen sollte. Die Ästhetisierung der Politik war ein wesentliches Kennzeichen der integralistischen Vision und wurde aus zwei Richtungen vorangetrieben: Nicht nur wird die Kunst zur Politik und der Künstler zum Verteidiger einer politischen Vision, sondern auch die Politik zum ästhetischen Erlebnis erklärt. Der 134 Faschismus sei eine Revolution, da er einen neuen Lebensstil einführe: Für Suckert stellte er die Wiederherstellung und gleichzeitig die Vollendung der heldenhaften italienischen Tradition dar96, für Carli und Settimelli den Träger der instinktiven und gewalttätigen spontanen Aktion, für Maccari die politische Übertragung der in der Provinz geborenen und vom gewalttätigen squadrismo vertretenen ästhetischen und traditionellen Vision. »Faschist« bezeichnete keine politische Zugehörigkeit, sondern eine konsequente und totale Haltung gegenüber dem ganzen Leben: Als »Faschist« verstand zum Beispiel Settimelli »jenen, der die Wirklichkeit in ihrer Totalität liebt und ihr männlich entgegentreten kann«.97 Diese antiintellektuelle und ästhetische Interpretation der intellektuellen Tätigkeit und der politischen Veränderung war auch mit der Neubewertung irrationaler Komponenten und mit dem Kampf gegen die aufgeklärte moderne Mentalität verknüpft. Schon zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn hatten Carli und Settimelli die Bedeutung der irrationalen Kräfte für die menschlichen Tätigkeiten unterstrichen: Sie forderten eine neue Kunst und Literatur, deren Objekt der Geist selbst sein sollte, »dieser dunkle Grund der Psyche, wo eine chaotische Welt aus Bewegungen, Farben und Nachklängen pausenlos gärt«.98 Die spätere Entwicklung Carlis und Settimellis als Verfechter der Tradition und der Wiederherstellung der organischen Gemeinschaften muß dann aus dieser Perspektive als Entwicklung einer antirationellen und antimodernen ästhetischen Vision verstanden werden, die zur Ablehnung der aufgeklärten modernen Mentalität führte. Die Verherrlichung des herrschenden Individuums, die Revolte gegen die bürgerlichen Werte und die Wiederherstellung der heroischen Traditionen waren die Anforderungen Carlis und Settimellis an eine »wahre« politische und kulturelle Erneuerungsbewegung, welche nach der Überwindung der Dekadenz und der Vollendung der futuristisch-faschistischen Revolution streben sollte, die Marinetti nicht zu Ende geführt hatte. »Was uns unterstützt, ist nicht nur die höchste Bewußtheit der Aufgabe, die uns das Schicksal erteilt hat, sondern auch die mathematische Sicherheit, einer besseren Rasse und einer höheren Ebene des Lebens anzugehören«.99 Und um diese Aufgabe zu erfüllen, brauchte man die Gewalt – Gewalt nicht als Mittel, um eine neue Legalität und Sicherheit zu erreichen, sondern als Selbstzweck, als einen Wert und ein Zeichen der Zerstörung der alten Welt. »Faschist zu sein« bedeutete dann, Gewalt auszuüben: Die Faschisten, die Träger der neuen 135 Zivilisation, hatten nicht durch die parlamentarischen Diskussionen, sondern durch die Gewaltanwendung gewonnen, und sollten die Gewalt weiter anwenden. Die letzte Konsequenz dieses Denkens war die totale Zerstörung der demokratischen und liberalen Mentalität und folglich das Zerbrechen aller demokratischen Regeln und jeder Legalität, was Maccari und Suckert befürworteten. Auch Maccari trug zur Verherrlichung des Irrationalismus bei, indem er die »männliche« Gewalt des wichtigsten und lebendigsten Aspekts des Faschismus, des squadrismo, und die patriotischen Gefühle als Herzstück der neuen Kultur darstellte: »Die Gewalt ist die Gottesstimme. Die Gewalt ist die Gerechtigkeit der Natur. Die Gewalt ist die notwendige und unvermeidbare Waffe des täglichen Zivilkampfes. Die Gewalt, auch wenn sie zur Vernichtung eines menschlichen Lebens führt, bleibt die edelste, die reinste, die naivste, die einfachste, die christlichste Waffe für jeden Kampf«.100 Suckert trieb das Thema der Ablehnung der Rationalität auf die Spitze und verband es mit einer artikulierten Kritik an der Modernität, die auf eine pessimistische Deutung der Geschichte und Politik und auf die Theorie der Elite verwies. Die einzige Möglichkeit, die Dekadenz zu überwinden, lag gemäß dem ehemaligen revolutionären Syndikalisten Suckert in einer zweiten »Gegenreformation«101, in der geistigen Revolte gegen die europäische Dekadenz, einer Revolte, die hauptsächlich nach einer moralischen Veränderung strebte, in der südlichen Lebensweise und dem Volk ihren Ursprung hatte und die dogmatische und hierarchische Mentalität der östlichen und südlichen Gemeinschaften wiederherstellte. Für Suckert stand der Kampf zwischen dem Guten – der Latinitas – und dem Bösen – dem nordischen Geist, »tedesco e barbarico« – im Vordergrund. Die vernichtende und überall verbreitete nördliche Lebensweise, deren erstes Modell die Kritik Luthers an der kirchlichen Autorität darstellte, bedeutete für ihn den Sieg der individualistischen und materialistischen Mentalität des Bürgertums,, welches seine ökonomischen Interessen über alle anderen Werte setzte. Das Bürgertum habe dadurch die Treue und das Autoritätsgefühl, aber auch die soziale Solidarität und den Sinn des individuellen Lebens zerstört.102 Insbesondere in Italien, wo die Traditionen der alten Gemeinschaft durch die Kirche und den natürlichen »mythischen« Charakter des italienischen Volkes – und zwar seinen Glauben an traditionelle Werte – regiert hätten, sei der Einbruch der nördlichen, zersetzenden Kraft zerstörerisch gewesen. Außerdem habe sie die Lüge der Demokratie und die Sklaverei des Kapitalismus eingeführt: Erstere 136 sei nach Suckert, der auf die Elitentheorie Paretos verwies, nur die versteckte Beherrschung der Massen durch die bürgerlichen, modernen Eliten, die ihre korrupten politischen Spiele unter dem Vorwand der Legalität weiterführten; letzterer habe den Wert des Individuums insofern noch stärker reduziert, als er den Menschen als eine rein ökonomische Entität – den Arbeiter – betrachtete. Zusammenfassend implizierte die »Revolution« für alle Integralisten eine Verwandlung des ganzen Lebens in ein ästhetisches Erlebnis wie bei den Futuristen, aber auch eine moralische Aufgabe: die Bildung einer stärkeren und würdigeren Zivilisation, einer Rasse, welche die Eigenschaften der mediterranen Kultur zeigen sollte. »Wir in Europa stellen ein lebendiges Element der Opposition gegen den triumphierenden Geist der nördlichen Nationen dar; wir müssen diese sehr alte Zivilisation verteidigen, die sich auf alle Geisteswerte stützt, gegen jene neue, ketzerische und falsche Zivilisation, die sich auf alle physischen, materiellen, mechanischen Werte stützt. Dies ist unsere Funktion«.103 Die Revolution müsste, so die Integralisten, noch vollendet werden; die Gesellschaft sollte laut Carli und Settimelli in ihrer Ideologie und ihren Strukturen das ideale Modell der hierarchischen, traditionellen, monarchistischen Gemeinschaft verwirklichen, einer traditionellen Gesellschaft, in der nach Suckert und Maccari das Volk der Provinzen regieren würde. Im Gegensatz zur konservativen Revolution Gentiles stellte diese Vollendung des Faschismus eine wirkliche Subversion der bürgerlichen Ordnung dar, deren Aufgabe darin bestand, die politisch herrschenden Klassen und die liberalen Institutionen zu vernichten, und mit ihnen die Akademie, das liberale Wissen und jede Spur der Modernität, was auf künstlerischem und politischem Niveau geschehen sollte. Bezüglich Kunst und Literatur vertraten Carli und Settimelli die klassischen Werte der italienischen Tradition gegen die Dekadenz der Literatur und des Idealismus: Aus diesem Grund verherrlichte Carli die einfache Kunst des Symbolismus, und Settimelli erarbeitete eine kritische »wissenschaftliche« Methode – die »Theorie der Denkensbewertung« –, um die intellektuellen Werke nach den von ihm als positivistisch definierten, festgelegten Kriterien zu bewerten.104 Diese komplizierte und intellektuelle Analyse der Kunst durch die »zerebralistische Strömung«105 führte zur Ablehnung der zeitgenössischen Literatur und zur Rückkehr zu der des 19. Jahrhunderts. Ihre literarischen Vorbilder stellten die Werke Baudelaires und des Symbolismus dar, die durch die Vernachläs137 sigung der komplizierten und pathetischen Themen zugunsten der einfachen, reinen und klassischen Form gekennzeichnet waren, was nur teilweise dem Kunstideal Maccaris und Malapartes entsprach: Alle blieben ihrem Stil nach stets Futuristen, aber sie erarbeiteten auch Themen der klassischen Tradition, wie Carli und Settimelli. Eine Koexistenz klassischer und avantgardistischer Motive wurde bei allen integralistischen Autoren deutlich: Settimellis positivistische Analyse der Kunst war in ihrer Form avantgardistisch, führte aber zur Verherrlichung der alten Vorbilder; auf gleiche Weise präsentierten sich die Darstellungen Maccaris und Suckerts zwar in avantgardistischem Stil, zielten aber auf die Wiederherstellung des Klassizismus. So wurde die Avantgarde zur Tradition – in der Kultur und in der Politik. Die futuristische Revolution verwandelte sich in eine antimoderne Revolte, welche die Wurzeln der Kultur des 20. Jahrhunderts in Frage stellte; nicht nur den Materialismus, den Positivismus oder auch den Aktualismus, sondern das aufgeklärte Denken und die Rationalität an sich. Was aber nicht bedeutet, daß die integralistischen Intellektuellen, und insbesondere die Monarchisten Settimelli und Carli, als reine Reaktionäre eingeordnet werden können: Sie versuchten kein Modell der traditionellen Monarchie wiederherzustellen, da ihnen die Konsequenz De Maistres fehlte, die alte hierarchische Ordnung zu propagieren; im Gegensatz dazu war ihre Vorstellung der Eliten zu populistisch gefärbt. Obwohl sie die Wiederherstellung der Ordnung und der Hierarchie in der Innenpolitik sowie der Macht der »italienischen Rasse« in der Außenpolitik forderten, bekämpften sie die Nationalisten und die Monarchisten, da diese nach der Wiederherstellung der »moderaten« Politik des 19. Jahrhunderts strebten. Der vom »schwachen« Vittorio Emanuele III. geleiteten Monarchie stellten sie ihr Staatsideal gegenüber, eine von Mussolini regierte Monarchie, die dem italienischen Volk mit dessen starkem Charisma eine neue Einheit böte und eine organische Gesellschaft verkörperte. Noch stärker vom reaktionären Denken geprägt war Maccaris und Suckerts Auffassung der Tradition. Sie verkörperte für sie die völkische, italienische Tradition der Agrargesellschaft und gleichzeitig die orientalische, südliche Zivilisation, deren hierarchisches System und traditionelle, autoritätsorientierte Denkweise, welche die Solidarität und Verschmelzung des Individuums mit der Gemeinschaft ermöglichte und somit die moderne Isolation und den Individualismus bekämpfte. Andererseits unterstrichen Suckert und Maccari immer das revolutionäre Streben ihres Kampfes: Beide predigten den Um138 sturz der Bourgeoisie und die Fortsetzung des politisch-moralischen Anspruches der Frontkämpfer. Hier findet sich eine Kernposition beider Autoren, die vertieft werden muß, insbesondere hinsichtlich ihres Begriffs der Bourgeoisie. In Bezug auf die soziale Referenz war ihre antimoderne Theorie gegen die Kapitalisten wie gegen die Massen (im Sinne der sozialistischen Arbeiterklassen) gerichtet; sie lehnten zwar die Bourgeoisie ab, vertraten aber zugleich die Forderungen des revolutionären Kleinbürgertums, das im Vergleich zu den anderen sozialen Schichten nicht organisiert war und keine eigene ideologische Utopie oder kein politisches Projekt entwickelt hatte. Die Tradition und die Revolution, die Maccari gegen die »Feinde« in Gestalt der normalizzatori (ein sehr allgemeine Bezeichnung, die Gentile, Croce, Bottai, Rocca, Federzoni einschloß) verteidigte, widerspiegelten die Ansprüche und die soziale Lage des bäuerlichen Kleinbürgertums, das in der industriellen Gesellschaft zwischen den organisierten Kräften der Arbeiter und des Kapitalismus aufgerieben wurde106 und eine eigene politische und kulturelle Identität ausbilden wollte. Dies wird in den Artikeln und Essays Maccaris besonders deutlich, wenn er die bäuerliche Gesellschaft und ihrer Produktionsverhältnisse – die Halbpacht – verteidigt, aber auch bei den anderen Autoren, die eine Rückkehr zu mythischen alten Traditionen forderten. Bei Suckert läßt sich ebenfalls die schon Anfang des Jahrhunderts verbreitete Zweideutigkeit der Haltung gegenüber der Bourgeoisie beobachten: Die Revolution sei der Kampf eines jungen und mutigen gegen das alte verdorbene Bürgertum. Der wesentliche Kampf finde nicht zwischen ökonomischen Schichten, sondern zwischen Mentalitäten statt – der bürgerlichen korrupten und derjenigen der Helden und der Traditionen.107 Die Unterschiede zwischen Proletariat und Kapitalisten wurden ebenso überflüssig wie der Klassenkampf, weil das »bewaffnete Proletariat« einen Mythos, ein traditionelles nationales Ideal darstellte, das sich wie bei Marinetti nicht einer ökonomischen Schicht, sondern der veralteten, bürgerlichen Generation widersetzte. In seinem Buch »L’Europa vivente«, in dem er eine »historische Theorie des nationalen Syndikalismus« skizzieren wollte, stellte Suckert eine unorthodoxe und eigenartige Interpretation des Syndikalismus vor: »Die moderne Funktion der Produzenten kann nicht sein, eine neue Ordnung der sozialen Werte zu schaffen, sondern eine neue Ordnung der zivilen Werte. Der faschistische Syndikalismus macht im Gegensatz zu jenem von Sorel einen Unterschied zwischen 139 Gesellschaft und Zivilisation: Deshalb verschreibt er sich nicht der Aufgabe, eine neue proletarische Zivilisation auf den Ruinen der bürgerlichen vorzubereiten und festzusetzen ..., sondern der Vorbereitung und der Verwirklichung einer Rückkehr in die nationale, italienische, historische Zivilisation.«108 Die Zukunft der Nation bestand damit für Suckert in der Entwicklung der alten klassischen Zivilisation der italienischen Rasse und nicht wie im Sozialismus in der politischen und ökonomischen Herrschaft einer bestimmten Klasse. Die spirituelle Entwicklung und die Geschichte Italiens vollzogen sich in der ständig wiederholten Revolte des Volkes gegen die »Fremden«: Vom Risorgimento bis zum Faschismus habe das Volk seinen Widerstand gegen die nördliche Rasse und Mentalität erklärt, den Krieg gegen diese gewonnen und die Eliten durch die von ihm beauftragten nationalen Helden ersetzt.109 Im Sinne einer langen geistigen und antimodernen Rebellion wird die Verbindung der Revolte Caporettos mit dem Risorgimento einerseits und dem Faschismus andererseits hergestellt. Bemerkenswert ist Suckerts allgemeine Deutung der italienischen Geschichte, die der Interpretation Gentiles entgegensteht: Der Risorgimento wird nicht als Anfang des liberalen bürgerlichen Denkens und einer entsprechenden Tradition, sondern als Revolte gegen das Bürgertum betrachtet und die Weiterentwicklung der mythischen, ursprünglichen Zivilisation des lateinischen Volkes verherrlicht. Hier verschmolzen die verschiedenen Quellen der intellektuellen Bildung Suckerts: Sein ursprünglicher Syndikalismus (den er nie ganz vergaß und der seinen Beitritt zum Kommunismus nach dem Kriege bestimmte), sein Futurismus und der Einfluß des Traditionsbegriffs der Action Française von Maurras und Daudet. In überraschender Art verwandelte sich im Denken Suckerts die Volksrevolution in eine traditionelle Reaktion und in die Rückkehr zu einer traditionsorientierten Gemeinschaft: Das syndikalistische Denken war kein Ideal an sich, sondern funktionierte in der Theorie Suckerts nur als Mittel zur Revolution – zur Wiederherstellung der traditionellen Werte. In dieser Interpretation wurde der Syndikalismus seines Sinnes entleert und als Methode zur Bildung eines sozialen Gegenmodells benutzt. Weniger sozialistisch, aber immer noch antikapitalistisch war die Haltung Maccaris in seinem Aufruf zur »Verteidigung jener die natürlichen Wurzeln unserer Zivilisation und unserer Macht bildenden Elemente der italianità gegen Theorien, Praxis und Tendenzen unter der Gattung der Modernität, die sie verschmutzen und verderben können«.110 140 Zusammenfassend besaßen die zwei Varianten der Revolution, jene rechte von Carli und Settimelli und die sogenannte linke von Suckert und Maccari, ihren Ursprung in der Revolte gegen die Kapitalisten und die Arbeiterklassen und waren von einem Schwanken zwischen modernen und traditionellen, revolutionären und reaktionären Themen gekennzeichnet, was besonders in Suckerts Auffassung deutlich wurde. Insgesamt bildete die Position der vier Autoren, die sich wegen ihrer politischen und kulturellen Unbestimmtheit auf eine Anti-Theorie gründete, eine antireformistische und antimodernistische Tendenz111 aus, welche das faschistische Projekt als »einen dritten traditionellen Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus darstellte und eine »harmonische Synthese des romantischen Geistes des Aktivismus mit dem Kult der klassischen Tradition, mit der Anforderung an eine feste Ordnung und an ein in einem organischen Wertsystem integriertes Leben«112 erreichen wollte. Der politische Kampf der integralisti Die Unterstützung der intransigenti durch die integralistischen Intellektuellen – was politisch deren Mitwirkung an der intransigenti-Bewegung bedeutete – kann auf einer strukturellen Ebene, welche das politische Engagement dieser Kulturexponenten durch ihre Position im intellektuellen Milieu erklärt, und auf einer politisch-ideologischen Ebene, welche die inhaltliche Bedeutung des politischen Engagements der extremen Intellektuellen und die Ablehnung der modernen liberalen Gesellschaft erschließt, analysiert werden. Was das erste Niveau betrifft, so besetzten die beiden Strömungen – die »antimodernen« Intellektuellen und die politischen intransigenti – extreme Randpositionen in den jeweiligen Feldern: Die intransigenti bildeten eine Randbewegung im politischen Feld, die, wenn sie nicht gerade von Mussolini als taktisches Instrument ausgenutzt wurde, eine interne Gefahr darstellte; ebenso war die antimoderne integralistische Bewegung eine von der akademischen »Hochkultur« marginalisierte Strömung, die nur selten ernst genommen wurde. Die Homologie zwischen den intransigenti und den extremen Intellektuellen kann gut die besondere Position erklären, die sowohl Suckert und Maccari als auch Carli und Settimelli mit ihrer Kritik am moderaten, kompromißorientierten Charakter der Politik Mussolinis und der revi141 sionisti während der Jahre 1924-25 vertraten. Auf politisch-ideologischer Ebene ist festzustellen, daß die antimoderne Bewegung, die ihre Bedeutung hauptsächlich aus ihrer Opposition gegen die konservative, bürgerliche Regime-Politik gewann, die Intellektuellen der politisch extremen Positionen umfaßte (die der völkisch orientierten Maccari und Suckert wie die der extremen Rechten Settimelli und Carli). Ein primäres Ziel war für beide Gruppen die Weiterführung der faschistischen Revolution bis zur kompletten Veränderung der Gesellschaft und die Attacke gegen das »korrupte und veraltete« Denken der normalizzatori und der konservativen Intellektuellen und Politiker, welche die Natur des Faschismus durch Kompromisse und politische Manöver verdarben. Sie verteidigten die Reinheit und die Integrität der Kultur und des Faschismus gegen die »mit der von Gott und Gentile inspirierten üblichen Rhetorik« gerechtfertigte »Verstärkung des liberalen Staates.«113 Hierin zeigt sich ihre utopische Projektion auf den existierenden Faschismus, die sich darauf gründete, daß das »Gute« von dem »Bösen«, die Freunde von den Feinden innerhalb des Faschismus zu trennen seien, um eine totale faschistische Revolution der Gesellschaft zu ermöglichen. Gemeinsame ästhetische und moralische Motive förderten das Zusammentreffen der faschistischen, extremen Intellektuellen mit den intransigenti: die Kritik der intransigenti an den liberalen und konservativen Kräften, ihre Ablehnung der Legalität, die sie als Vorwand der Konservativen verstanden, um die faschistische Revolution zu neutralisieren und die liberale Regierung wiederherzustellen, ihr Lobpreis der Kämpfer des arditi und des Volkes der Provinzen, ihre Ablehnung der abstrakten Theorien und ihre instinktorientierte Lebensart. Was die politische Vision der integralistischen Intellektuellen betrifft, sollte die Organisation des Staates nicht derart sein, daß der Faschismus die alten Institutionen integrierte und die Kontinuität mit einem Teil der liberalen Traditionen sicherte, da dies für sie Betrug am »ursprünglichen faschistischen Geiste« war. Der »wahre« Faschismus sollte eine fließende »Antisystem«-Bewegung sein und die liberale und staatliche Doktrin intensiv bekämpfen. In politisch konkreten Machtbeziehungen bedeutete dies, den Primat der Bewegung festzuschreiben – d.h. den Primat der Partei, die zum großen Teil dem »alten«, ursprünglichen Faschismus entsprach -, und die Revolution über den faschistischen Staat zu stellen, das revolutionäre Streben über die konkrete politische Staatsräson zur Konstitution einer stabilen Re142 gierung, die Durchsetzung der faschistischen Ideale über die Beachtung der Gesetze und die Gewinnung des Konsenses. Die Utopie und die unbestimmte Auffassung dieser Strömungen wurden von den offiziellen Exponenten des Faschismus – insbesondere von Mussolini und den Nationalisten – auch auf ideologischem Niveau attackiert, und führte zu zwei Polemiken: zwischen den intransigenti und Mussolini und zwischen den intransigentiIntellektuellen und den revisionisti. Diese Polemiken erreichten ihren Höhepunkt im Jahre 1924, als der Mord an Matteotti und die darauffolgende Krise innerhalb der faschistischen Partei die Spaltung zwischen den unterschiedlichen Strömungen vergrößerte. Die Diskussion ging von der Position und der Rolle der Partei aus, die noch von ursprünglichen Elementen der Bewegung beherrscht wurde: Für Mussolini und die Nationalisten stellte die PNF wegen der Konflikte und Machtkämpfe zwischen den lokalen Führern eine Behinderung und Gefahr dar und sollte im Staat absorbiert werden – was später auch erreicht wurde; für die revisionisti und intransigenti hingegen sollte die Partei eine wesentliche Rolle im Regime behalten, wenn auch in jeweils anderem Sinne. Insgesamt war die Interpretation der Entwicklung des Faschismus durch die revisionisti an denselben politischen Fragen Gentiles orientiert: Die Bildung des Staates und die Erziehung der Eliten, die auch für sie aus der intellektuellen Schicht stammen sollten. Bottai zum Beispiel unterstrich oft die Verbindung des revisionismo mit dem Aktualismus und seinem Philosophen Gentile, die er als einzige kulturelle Basis für den faschistischen neuen Staat betrachtete. Der faschistische Staat der revisionisti sollte den Wandel und die Entwicklung der Bewegung und der Partei darstellen, die ihre illegalen Methoden und ihren spontanen Charakter zugunsten eines politisch-kulturellen Projektes zur Verstärkung des Staates beiseite legen sollten. Die Partei hätte sich am Ende mit dem Staat identifizieren, aber nicht verschwinden sollen; sie sollte sich in ein offenes Milieu zur Diskussion und zum Nachdenken über die faschistische Ideologie verwandeln. Und genau diese Entwicklung der faschistischen Doktrin und politischen und intellektuellen Eliten sei die notwendige Aufgabe der Partei und des ganzen Faschismus: Der Faschismus sei »eine Revolution der Intellektuellen. Eine intellektuelle Revolution«, wetterte Bottai gegen die von den intransigenti verlangte »Revolution, die sich in einer rein muskulären Anstregung erschöpfte«.114 Die Krise der PNF lag laut den revisionisti115 an ihrem Mangel an politischer und ideologischer 143 Diskussion und Entwicklung, was dazu führe, daß von der Partei keine politische Elite gebildet werde oder werden könne. Das Ziel des squadrismo – den Faschismus an die Macht zu bringen – sei erreicht worden; als »Unbewegliche, die glauben, daß die Partei gegen alles, was wir nicht geschaffen haben, und gegen alle, die nicht in unseren Reihen angetreten sind, bewaffnet bleiben sollte«, beschrieb De Marsanich116 die intransigenti. Die Anwendung von Gewalt, die Auferlegung militärischer Disziplin, die Aufteilung der Macht im Lande zwischen territorialen Parteiführern, denen eine gemeinsame politische Vision des Faschismus fehlte, kurzum die Existenz einer Schicht, die in der Partei gewalttätig um ihre Machtposition konkurrierte, ohne irgendwelche politischen Ideen zu entwickeln: Das war es, was die revisionisti bekämpften. Die Strömung der revisionisti, deren Mitglieder – Giuseppe Bottai, Dino Grandi, Massimo Rocca und Augusto De Marsanich – wichtige politische und manchmal intellektuelle Figuren des Faschismus waren, betrachtete die Überwindung der Geschlossenheit der Partei und die Zusammenarbeit mit den ehemaligen liberalen und konservativen Kräften als den Kern der Weiterentwicklung der faschistischen Revolution. Der Faschismus sei eine moralische und intellektuelle Bewegung, deren Wurzeln im Risorgimento zu finden seien117, und könne von keiner begrenzten Organisation wie der PNF vertreten werden. Die von den intransigenti gepredigte »zweite Welle« der Revolution und die gewalttätigen Methoden der »alten« Faschisten wurden von Bottai ebenso attackiert wie ihre Konzeption der Notwendigkeit einer hierarchischen Ordnung und ihr obsessiver Haß auf die »internen Feinde«, welche nicht zur ursprünglichen Partei gehörten und den Faschismus verderben würden. Die Kritik Bottais war gegen die kurzsichtige politische Vision und die irrationale Betrachtung der Politik der intransigenti gerichtet, indem er die Ziele der Revolution umdeutete: »Wir haben nicht die Macht, weil wir die Revolution geführt haben; wir haben die Macht, um die Revolution zu führen. Und die Revolution soll geführt werden, wenn man die Macht in Händen hält, aber in einer ganz unterschiedlichen Art, als es einige uns bekannte robespierrini gerne möchten: Es bedeutet, ein neues Gleichgewicht der Tätigkeiten und der Funktionen des Staates zu suchen, die Prinzipien neu zu erarbeiten, und die großen Grundideen in den Institutionen und, wenn nötig, selbst in der Verfassung zu konsolidieren.«118 Der Staat brauche keine populäre, unorganisierte Revolution, sondern eine Struktur, in der die im Risor144 gimento begonnene »befreiende« Politik weitergeführt werden sollte. Den revisionisti bedeutete das Risorgimento kein mystisches Bild der traditionellen Gesellschaft – wie bei Suckert und Maccari –, sondern das Denken der Rechtsliberalen, das auch von Gentile verherrlicht und weiterentwickelt wurde. Die »Zweite Welle« sollte kein Umbruch der Geschichte und Modernität sein, sondern die Bildung einer politisch-intellektuellen Basis des Faschismus, die zur Neubelebung der liberalen Politik und zur Integration des Faschismus in die moderne Geschichte Italiens führte. Die Tradition, auf die der Faschismus verweisen sollte, wurde bei Bottai und ebenso bei Gentile als jene des 19. Jahrhunderts, nicht als die alte römische oder mediterrane Tradition verstanden. In der italienischen Tradition, zu deren Vertretern Machiavelli, Vico, Croce und Gentile zählten119, sei der Faschismus Nachfolger des Liberalismus und solle keineswegs die utopische Mission einer Gegenreform erfüllen. Camillo Pellizzi, Giuseppe Bottai und Augusto De Marsanich – die gentiliani-faschistischen Intellektuellen – lehnten die anachronistische Vision der Bewegung der Gegenreform ab und verteidigten den notwendigen, modernen Charakter des Faschismus.120 Diese Auffassung der mit den intransigenti verbundenen Intellektuellen wird noch wichtiger, wenn man die zeitlichen Umstände ihrer Polemik bedenkt: Es war die Periode der faschistischen Verfassungsreform durch die achtzehnköpfige Kommission, welche die faschistische Veränderung des Staates innerhalb der vorherigen Verfassung durchführen und ihre Kontinuität mit dem Risorgimento feststellen sollte. Das Vorbild für Bottai und die revisionisti war der Staat Gentiles, auf den die Bemühungen der achtzehnköpfigen Kommission zielten. Die Strömungen der revisionisti und der integralisti waren jedoch nicht nur deshalb gegensätzlich, weil sie zwar ein gemeinsames Ziel – die Stärkung der Partei -, aber auch jeweils ihre eigene Vormachtstellung in der Partei anstrebten: Suckert wollte die revisionisti im intransigenten Element und in seiner Politik absorbieren und sie in ihrer Wirkung neutralisieren, wie umgekehrt Bottai die intransigente Strömung. Suckert sah in der Politik Farinaccis den »Kern einer neuen, historischen, typisch italienischen Formation, der vom Faschismus ihre Ehre zurückgegeben wurde, ober- und außerhalb all jener politischen Sensibilität, die wir Moderne nennen.«121; allein Farinacci, aber keineswegs die revisionisti Massimo Rocca und Giuseppe Bottai, welche die parlamentarische, liberale und veraltete Mentalität des »politischen Faschismus« vertraten, könnte also eine revisionistische Reform 145 der Partei anstoßen und so »das Problem der Eroberung des liberalen und der Bildung eines einheitlichen Staates«122 lösen. »Der revolutionäre Geist der Provinzen muß den Geist des Revisionismus überwinden, indem er ihn nicht erstickt, sondern assimiliert, integriert und umfaßt. ... Der revolutionäre Antrieb, der aus den Provinzen stammt und nach dem unitären Staat strebt, muß sich vor allem den revisionistischen Geist aneignen, der, wenn auch konfus und auf alten liberalen und demokratischen Formen fußend, jenes moderierende und friedenstiftende Bewußtsein des Staates besitzt, das dem integralen Faschismus der Provinz noch fehlt und unverzichtbar für die Bildung eines bestimmten und unabhängigen unitären Bewußtseins ist.«123 Nach der Rede Mussolinis vom 11. November 1924, in der dieser die Normalisierung des Faschismus im Sinne seiner Darstellung als traditionelle politische Partei behauptet hatte, verstand Maccari124 jedoch, daß der squadrismo in der Strategie Mussolinis nur ein Instrument war, um die Hochbourgeoisie einzuschüchtern. »Mit seiner rezenten, ultranormalisierenden, legalitären, quietistischen und pazifistischen Rede«, schrieb Maccari 1924, »entläßt Mussolini ... uns alle, die ihm als squadristi mit unseren unerfahrenen, jungen, gesunden und ehrlichen Kräften dienten. Gut. Wir haben niemals nach etwas gefragt. Und wir erwarten heute nichts ... Die Zeit der Kompetenzen ist die Zeit der Transaktionen, der Kompromisse, der Anpassungen ...«125 Der vom Faschismus verherrlichte Prozeß der doppelten Revolution gegen das alte Regime und gegen den Kommunismus sei nichts als Betrug gewesen, da nur ein Teil der Revolution durchgeführt worden sei: Obwohl der Kommunismus besiegt geworden sei, sei das Bündnis mit den alten konservativen Kräften, das dem faschistischen, »normalisierten« Staat zugrunde liege, gestärkt worden. Von der anfänglichen faschistischen Revolution sei nur die übliche politische, kompromissorientierte Mentalität geblieben: Die korrupte Politik habe gegen die Großzügigkeit und Naivität der Provinzen gewonnen. Auch Suckert warnte Mussolini in seinem Artikel vom 21. Dez. 1924, »Der Faschismus gegen Mussolini«, vom Standpunkt des »integralen Faschismus« aus: Mussolini sei von den »faschistischen Provinzen« gewählt worden; deswegen sei es seine Pflicht, »den revolutionären Willen des Volkes« zu verwirklichen. »Entweder führt Mussolini [ihn] aus, oder er legt sein revolutionäres Amt, auch vorübergehend, nieder.«126 Die Programmpunkte 146 des integralen Faschismus waren die Weiterführung der Revolution, die Opposition gegen die Normalisierung des Faschismus, der Aussschluß der korrupten Faschisten, die Übernahme der vollen Verantwortung für die gewalttätigen Aktionen durch die ganze Partei, nicht nur durch die squadristi (und zwar auch für den Mord an Matteotti), und der Vorrang der »idealen und programmatischen, antiparlamentarischen Grundelemente des Faschismus«127 vor den politischen Kompromissen und Interessen. Auf gleiche Weise attackierte Maccari die fiancheggiatori in seiner Zeitschrift »Il Selvaggio« vom 26. Juli 1924, deren Titel lautete »Man kehrt nicht zurück, hat der Duce gesagt, aber wann werden wir weitergehen?«; er verlangte zudem den Ausschluß der fiancheggiatori aus der faschistischen Partei. Einige Monaten lang sollten die Angriffe aussetzen, denn Mussolini schien den intransigenten und integralen Faschismus zu verwirklichen. Nach der Ausrufung des totalitären Staates glaubten sowohl Suckert wie Maccari, daß Mussolini die Erneuerungsbewegung der intransigenti unterstützen wollte, doch ihre Begeisterung war von kurzer Dauer. Suckert verherrlichte zwar die Zustimmung Mussolinis zum integralen Faschismus, demontierte ihn aber gleichzeitig: »[Mussolini] hat endlich verstanden, daß die Revolution ihn verurteilt hätte, wenn er sein Spiel der doppelten Politik fortgesetzt hätte. Entweder mit uns oder gegen uns. Sagen wir die Wahrheit. Mussolini hat sich bis heute über die wahre Natur des Faschismus getäuscht. Er hat immer geglaubt, daß die Faschisten einfach dem ›Mussolinismus‹ folgten und nicht dem Faschismus. Er hat geglaubt, er könne mit dem revolutionären Geist seiner Anhänger spielen, wie er will. Er hat sich vorgemacht, daß seiner Regierungspolitik alles erlaubt sei, sogar die Zerstörung und Verzerrung der Natur und des Willens seiner Partei. ... Mussolini hat gehofft, die Revolution verhüllen und in eine antirevolutionäre Bewegung verwandeln zu können, mit dem einzigen Ziel, seine parlamentarische Position zu stärken. ... Er hat nicht verstanden, daß ihn seine Pflicht als Führer zwingt, den konstitutionellen Staat nicht gegen die Revolution zu verteidigen, sondern den revolutionären Willen seiner Partei gegen den konstitutionellen Staat zu vollziehen. Er hat vergessen, daß sein Sessel im Palazzo Chigi eine Barrikade war und noch ist; daß seine Position in der Verteidigungsanlage der Institutionen jene des Frontkämpfers, der seinen Genossen vorangeht, war und noch immer ist.«128 Als das Bündnis Mussolinis mit den konservativen fiancheggiatori immer stärker wurde und er den squadrismo, wie alle Gruppen des integralen 147 und provinziellen Faschismus, bekämpfte und auflöste, führten Maccari und Suckert ihre Anschuldigungen gegen den »politischen Faschismus« weiter. In »La conquista dello Stato« analysierte Suckert die politische Strategie Mussolinis129 und fragte sich, ob »die Rede vom 3. Januar ein ernster Akt revolutionärer Treue oder nicht doch nur ein Schachzug der sehr geschickten Taktik Mussolinis [gewesen sei], eine dem Gesicht der Normalisierung übergeworfene revolutionäre Maske, um Freunde und Feinde zu täuschen«. Den revolutionären Geist des Faschismus sahen Maccari und Suckert »nicht in der Regierung, im Parlament, in den Hierarchien«, sondern »in den Augen unserer Kameraden, in der Stimme des bescheidenen Anhängers, des squadrista ohne Rang, ... wenn sie uns fragen: Was machen wir?«130 Das politische Engagement der extremen Intellektuellen war dazu verurteilt, nach kurzer Zeit erschöpft zu sein. Suckert beendete bald seine politische Arbeit in »La Conquista dello Stato«, die Zeitschrift »Il Selvaggio« wurde im Oktober 1925 konfisziert und erst 1926 als rein künstlerische Zeitschrift wieder herausgegeben.131 Alle hier erwähnten Autoren wurden immer stärker zensiert, Suckert und Settimelli in den 30er Jahren von der Regierung verbannt.132 Waren die integralen Faschisten Regimegegner? Ein Teil der bisherigen Forschung hat aus Maccaris und Suckerts Kritik am Regime auf ihre »antifaschistische« Haltung geschlossen, auf eine Art unbewußten Antifaschismus, der nicht als offene Opposition ausgedrückt werden konnte.133 Es ist richtig, daß die Autoren die Zensur fürchteten und immer versuchten, dem Regime ihre Treue zu versichern. Während sie damit einerseits den virulenten Charakter ihrer Attacken zu reduzieren suchten, scheint andererseits ihre Beschreibung als Antifaschisten unbegründet. Sie kann nicht erklären, wieso diese Autoren sich selbst als Interpreten des »wahren« Faschismus und als Erneuerer der ursprünglichen und reinen Bewegung dargestellt haben. Auch ihre Beschreibung als Linksfaschisten scheint hier ungenügend: Trotz ihrer Verweise auf das Volk hatten ihre Auffassungen wenig Gemeinsamkeit mit solchen der Linken. Die gegensätzliche Interpretation stützt sich auf ihre völkische Orientierung, d.h. auf ihre Deutung des Faschismus als Revolution des Volkes der Provinzen, die sich bei Suckert und 148 Maccari, aber nicht bei Carli und Settimelli, tatsächlich zu der Forderung nach Wiederherstellung der Tradition gesellt. Maccari legte zum besseren Verständnis der faschistischen Revolution einen besonderen Akzent auf die Unterscheidung der Provinz vom Zentrum, der »wilden Faschisten« der Sturmtruppen von den korrupten Politikern und Akademikern (»Pantoffelhelden«). Die faschistische Kultur sei die Kultur der Provinzen, der squadristi ex-nulla, der Kleinbürger, welche die faschistische Revolution in der Hoffnung betrieben hatten, der Faschismus werde eine neue Gemeinschaft verwirklichen. Der Faschismus sollte das kulturelle Projekt der Entwicklung einer eigenen italienischen Lebens- und Denkweise gegen die verderbende Kraft der Modernität fördern, was bedeutete, die spezifischen Traditionen der Provinzen und der Länder innerhalb Italiens zu fördern, da der italienische Geist ein »gemeinsamer Nenner, eine conditio sine qua non« sei und auf keinen Fall »die wunderschöne und lebendige Vielfalt der Sitten und Temperamente ersticken sollte«.134 Was Suckert betrifft, so war seine linke Position mit seinem Begriff der Revolte der »Verdammten Heiligen« und der Erwekkung des italienischen Volks verbunden: Das italienische Volk habe in Caporetto sein nationales Bewußtsein und seine Helden geboren und damit die »neue Klasse« des Kleinbürgertums gebildet. Dieses »neue Volk« sollte durch Korporationen zur verantwortlichen Teilhabe an der politischen Macht herangezogen werden, erklärte Suckert in einem Interview, in dem er seine Position als links bezeichnete.135 Diese Aussage scheint aber mit der antidemokratischen Haltung Suckerts und seiner Attacke gegen das Parlament unversöhnbar. Es ist nötig, die von ihm erkannte Bedeutung der Worte »Teilnahme«, »Korporationen« und »Bourgeoisie« zu analysieren. Da die Demokratie als eine Ideologie der herrschenden Klassen und eine Lüge beschrieben wurde und die hierarchische Struktur und das Führerprinzip im Denken Suckerts nie in Frage gestellt wurden, läßt sich annehmen, daß er keine direkte politische Partizipation der Bevölkerung am Staat wünschte, sondern die Vertretung der Massen durch Führer und Partei; auch sein Verweis auf die Korporationen, die die Trennung in Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den Begriff der Produzenten ersetzten, zeigt seine ganz unorthodoxe Interpretation des Syndikalismus; tatsächlich sprach Suckert immer von Produzenten und viel seltener von der Arbeiterklasse. Das Schwanken zwischen reaktionären und revolutionären Motiven läßt sich auch als ein Produkt der Definition des »Kleinbürgertums« erklären, die nicht nur Suk149 kert, sondern auch Maccari erarbeitete: Wie in den Theorien der Syndikalisten, der Nationalisten und der Avantgarde bezeichnete es keine ökonomische Klasse, sondern eine Aristokratie von Jungen und reinen Faschisten, d.h. die Revolte einer Generation, die eine neue geistige Lebensauffassung in sich trug und der nicht alle, insbesondere nicht die »Unreinen«, angehören konnten. Das Bürgertum und das Volk waren für sie immer eine geistige Elite, die mutigen Jungen, die nicht von der Politik verdorben waren und dem faschistischen Lebensstil folgten; so verlor jede soziale Bezeichnung ihren Wert und wurde durch rein moralische und ästhetische Kategorien zur Bestimmung der sozialen Gruppen ersetzt. Als »wenige vom Schicksal Auserwählte« bezeichnete Maccari die squadristi und kontrastierte sie mit der »zahlreichen und grauen Herde«136 der Masse der Menschen; Suckert beschreibt in seinem »L’Europa vivente« den Typus des Italieners als Nachfolger der Helden. Auch die von ihnen geforderte Revolution beinhaltete keine Veränderung der materiellen Bedingungen und keine politische Umwandlung, sondern die Rückkehr zur Tradition und das Streben nach der moralischen Erneuerung durch revolutionäre Methoden. Daß die politischen Kategorien keine feste Stellung in Suckerts Vorstellung hatten, läßt sich anhand seines Vergleiches von Faschismus und Bolschewismus zeigen. Die zwei antimodernen Revolutionen – die russische und die italienische – hätten dieselbe Funktion und würden nach der Beendigung ihrer Aufgabe miteinander um die Beherrschung der globalen Zivilisation, d.h. der Zerstörung der liberalen und demokratischen Gesellschaften, konkurrieren. »Es wird das Aufeinandertreffen von zwei Revolutionen sein: Die italienische, von der Bedeutung des Individuums beherrscht, und die russische, von der Bedeutung der Gemeinschaft beherrscht. Faschismus gegen Bolschewismus. Ich vertraue auf den mit dem Kreuz und dem Schwert bewaffneten katholischen, italienischen Christus. Unser Christus kann dem Bösen widerstehen. Er wird gewinnen.«137 Zusammenfassend läßt sich zwar ein populistischer Geist in den Werken dieser Autoren und sogar ein Verweis auf einige Elemente des Syndikalismus entdecken, aber alle Elemente werden in ein theoretisches System integriert, das auf der Wiederherstellung von Autorität und Hierarchie und auf der Ablehnung der Modernität beruht. Macht der Umstand, daß sie sich keiner linken Position zuordnen lassen, Suckert und Maccari automatisch zu orthodoxen Faschisten? Jedenfalls läßt 150 sich schwerlich behaupten, daß sie Antifaschisten waren. Der Faschismus stellte für Suckert die Weiterentwicklung der Revolte Caporettos und des ganzen Risorgimento dar, indem er gegen den Materialismus und Individualismus der Modernität kämpfe und damit Italien von der fremden vorherrschenden Mentalität befreie. »Ich glaube«, sagte er, »daß das revolutionäre italienische Phänomen antimodern, d.h. antieuropäisch, ist oder sein wird. Ich glaube, der Faschismus ist der letzte Aspekt der Gegenreformation, weil er versucht, die eigene natürliche, historische Zivilisation des natürlichen, antiken, klassischen, antimodernen, italienischen Geistes gegen den barbarischen, nordischen, westlichen, häretischen, modernen Geist wiederherzustellen. Und ich glaube, das russische revolutionäre Phänomen, das sich parallel zu jenem italienischen in seiner Ablehnung und seinem Kampf gegen den modernen Geist ... entwickelt, seine historische Ergänzung ist. Die beiden helfen sich, die Modernität zu zerstören; keines ist ohne das andere verständlich, ausführbar und richtig.«138 Aus derselben Perspektive beschrieb auch Mino Maccari die faschistische Revolution als Kampf gegen die liberale und bürgerliche Politik, die eine Bewegung gegen die Politik nach dem Risorgimento darstelle; unter dieser »Politik« sei die den Massen aufgezwungene »fremde« Ideologie der nördlichen Demokratie zu verstehen, die ihre wahre Teilnahme am Staatsleben verhindere.139 Die Frage nach der sogenannten Regimegegnerschaft Maccaris und Sukkerts muß dann ganz anders betrachtet werden, d.h. es läßt sich die Hypothese aufstellen, daß sie »interne« Opponenten waren und ihre besondere Stellung mit ihrer Selbstdefinition als Integralisten, welche die »ideale faschistische Revolution« gegen die Staatsräson verteidigen wollten, verbunden war. Daß diese Autoren sich nicht unter dem Begriff der regimetreuen Intellektuellen – wie Bottai, Gentile, Rocco – subsumieren lassen, wird auch an der Haltung des Regimes ihnen gegenüber deutlich. Maccari, Suckert, Carli und Settimelli140 wurden marginalisiert: Manchmal wurden ihre Artikel zensiert und sie wurden ständig von den »offiziellen« Zeitschriften attackiert; manchmal wurden ihnen gedroht und am Ende wurden Maccari und Settimelli ins Exil geschickt. Sie waren zwar gefährlich für Mussolini, aber er konnte sie nicht einfach als Antifaschisten verurteilen und liquidieren. Aber warum waren sie gefährlich? Die Antwort auf diese Frage kann hilfreich sein, um zum einen die Besonderheit der politischen Vision der integralistischen Intellektuellen und ihre Bedeutung innerhalb des politischen Kontextes 151 der 20er Jahre zu beleuchten, zum andern um ihre Marginalisierung nicht nur als Rache Mussolinis infolge ihrer persönlichen Attacken gegen ihn zu betrachten, sondern auch in einen komplexeren Zusammenhang zu stellen. Die vier genannten Autoren wurden tatsächlich nicht nur vom Regime zensiert und von der Polizei kontrolliert141, sondern von einer breiten Fraktion der faschistischen Intelligenz angegriffen – und von den übrigen ignoriert. Erst später sollten wenige, von der faschistischen Kultur nicht mehr überzeugte junge Intellektuelle in Settimelli und Maccari ihre Vorbilder finden. Die Gründe ihrer Gefährlichkeit für Mussolini lagen in ihrer idealen Vision des Faschismus. Die Gruppe von »L’Impero« und »Il Selvaggio« verherrlichte den »Faschismus an sich« unabhängig von der Figur Mussolinis; Mussolini war zwar der duce, aber nur soweit, wie er Träger eines von seinem Leben unabhängigen Ideals und einer Mission war. Im Gegensatz dazu hatte Mussolini stets – und besonders nach 1925 – versucht, in seiner Persönlichkeit und seinem politischen Charisma den Faschismus mit all seinen Idealen und Ansprüchen zusammenzufassen, was auch zur Unbestimmtheit des Faschismus und seinem ideologisch flexiblen Charakter führte. Eine Häresie im Faschismus, eine Interpretation, welche die von Mussolini gesetzten bzw. verkörperten Grenzen überschritt und ihn kritisierte, war daher gefährlich – »der Duce hat immer recht« war ein geläufiger Spruch des Faschismus. Aus diesem Grund läßt sich erklären, wieso die vielfältigen Deutungen sich letztlich immer nur auf eine grundlegende reduzieren ließen: die Identifizierung des Ideals des Faschismus mit der Person des duce. Dies war die unausgesprochene Basis des Konsenses: Der Faschismus wurde durch Mussolini und sein Handeln verkörpert, so daß, wenn der Faschismus eine Tat war, er die Tat des Duce war. Suckert, Maccari, Settimelli und Carli waren, wenngleich gewiß auf unterschiedliche Art, Idealisten; sie glaubten weniger an den Duce und mehr an den Faschismus, weniger an die Autorität des Einzelnen und mehr an das Zusammenleben und Zusammenfühlen der Vielen als Basis der Bewegung, und sie hatten ein Ideal: die Wiederherstellung der Tradition. Auf diese Weise konnten sie Mussolini eine andere, abweichende Idee entgegensetzen und damit einen Blick auf den Faschismus aus einer »äußeren« – aber immer rechten – Perspektive gewinnen: aus jener des »reinen Faschismus«, der traditionellen Gemeinschaft, die vor Mussolini existiert hatte und unabhängig von ihm fortbestand. Die Perspektive des integralen Faschismus war auf 152 keinen Fall – nicht einmal bei Suckert und Maccari – eine »linke« Perspektive, denn jeder Verweis auf die Basis und die Demokratie in der Partei ging mit der Verherrlichung der Hierarchie und der Ungleichheit einher. Dennoch lassen sie sich nur in einem ganz weiten Sinne ideologisch rechten Kategorien zuordnen: Die Apologie des Volkes, die Mischung von Elementen des Syndikalismus und des Futurismus und die Ablehnung der traditionellen Monarchie stellen wesentliche Unterschiede zum Denken der Action Française oder dem sogenannten »reaktionären Denken«142 dar. Die Ideologie des integralen Faschismus entsprach eher der Entwicklung der unterlegenen faschistischen Bewegung und des zerfallenden Futurismus, der jetzt zum Schweigen verurteilt wurde. Die »Bedrohung« für den Faschismus bestand darin, daß diese Gruppe eine »Häresie« verteidigte und verbreitete und damit die Spielregeln der faschistischen, regimetreuen Intellektuellen ablehnte. Es existierte eine Grauzone in der Kultur des Faschismus, ein verdrängter Raum, in dem eine andere, alternative Auffassung erscheinen konnte: ein Raum für die Entwicklung einer intellektuellen Idee des Faschismus – und nicht des Idealismus oder Nationalismus -, der für den Totalitarismus nicht weniger gefährlich war als die externe Opposition. Auf paradoxe Art war dies der Beweis der relativen Unabhängigkeit der faschistischen Kultur von der Politik und gleichzeitig das Zeichen ihres Endes: Schließlich signalisierte diese Opposition, daß das intellektuelle Feld selbst 1924-25 nicht ganz vom politischen Einfluß Mussolinis beherrscht und der Hegemonie der offiziellen Vertreter des Faschismus unterworfen war. Sie bewies, daß es keine homogene, faschistische, intellektuelle Schicht gab, daß sich unabhängig von Mussolini etwas so Besonderes und Eigenständiges wie eine Ideologie der faschistischen Bewegung bilden und mit einer politischen Randbewegung – den intransigenti – Berührungspunkte finden konnte. 1 Von circa 300.000 Mitgliedern im Oktober 1922 (Marsch auf Rom) auf 782.979 Ende 1923. (vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista ..., op.cit., S. 407). 2 Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione dello stato fascista ..., op.cit., S. 23 ff. 3 Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista ..., op.cit., S. 449-460. 4 Unter »lokalem Faschismus« wurde jener Faschismus verstanden, der die Kontrolle über die Provinzen ausübte und von der Zentralen Rregierung relativ unabhängig war. Die fa- 153 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 154 schistische Partei hatte in der Tat am Anfang eine dezentrale Struktur: jede Provinz hatte ihren faschistischen ras, einen politischen Führer, der sie in der Partei vertrat und die faschistische Bewegung in dem entsprechenden Territorium organisierte. Massimo Rocca, »Fascismo e paese«, in: Critica fascista, 15. Sept. 1923. Eine zweite Polemik fand nach der Wahl von 1924 statt; die revisionisti - Massimo Rocca und Giuseppe Bottai - versuchten ohne Erfolg, die demagogische und geschlossene Politik der intransigenti zu denunzieren, um den Faschismus zu beeinflussen, aber die intransigenti bildeten die Mehrheit und den Kern des Faschismus und Mussolini entschied sich zunächst dafür, Farinacci zu unterstützen. R. Farinacci, »Oggi siamo tutti fascisti«, in: Cremona nuova, 9. Dez. 1922. Jetzt in B. Croce, Pagine sparse, Bari, 1955, Band II, S. 374 ff. G. Giolitti, Discorsi extreparlamentari, N. Valeri Hrsg., Torino, 1952, S. 340 ff. Die Strömung der »liberalen Rechten«, geführt von Minister Salandra. Mussolini, in: Opera omnia, B. XX, Firenze, 1961, S. 161 ff. Die Wahlliste der Regierung - und zwar der Faschisten - wurde listone (»große Liste«) genannt, weil sie alle möglichen Parteien und Bewegungen einschloß. In Wahrheit war Mussolini selbst teilweise für die Gewalt verantwortlich, da er in der Tat zu wenig unternahm, um ihr ein Ende zu bereiten. Gentile, in: Relazioni e proposte della Commissione per lo studio delle riforme costituzionali, S. Romano, Firenze, 1932, S. XXI. A Nasti, »Normalità fascista«, in: Battaglie fasciste, Nr. 17, Jan. 1925. C. Suckert, »Lo stato in dissoluzione«, in: La conquista dello stato, 20 Okt. 1924. In diesem Artikel ist die Position Suckerts viel komplizierter, als die Trennung zwischen intransigenti und normalizzatori vermuten läßt: er attackiert Gentile und die klerikal- und national-moderaten, setzt sich aber von denjenigen ab, welche die Gewalt und eine gewalttätige zweite Welle predigten, was in einem vorherigen Artikel (»L’età critica del fascismo«, in: La conquista dello stato, 30. August 1924) noch deutlicher hervortritt: dort fordert Suckert die Mitarbeit aller kultivierten Schichten an der faschistischen Revolution, wobei unter Revolution das Gegenteil von Aufstand verstanden wird, d.h. die »Eroberung des Staates duch die neuen Generationen, die neuen intellektuellen Schichten, die neuen produktiven Ständen« (Ebd.). In wenigen Monaten verändert sich aber die Position Sukkerts, so daß er die intransigente Komponente des Faschismus immer stärker unterstützt. Die Industrie protestierte während eines Treffens mit Mussolini (September 1924) gegen die illegalen Methoden, die zu einer ökonomischen Krise führten; die Liberalen erklärten auf ihrer Tagung vom 4.-7. Oktober ihre Opposition. Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista ..., op.cit., S. 619 ff. B. Croce in: Pagine sparse ..., op.cit., B. II, S. 367 ff. Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista ..., op.cit., S. 726-727. Vgl. G. Salvemini, Luigi Rossi und Piero Calamandrei, »Non mollare (1925)«, Firenze 1955. Suckert, »Fascismo storico e fascismo politico«, in: La conquista dello Stato, 10. Juli 1924. 22 Farinacci, Rede auf dem Kongreß der PNF (Juni 1925), in: ders., Un periodo aureo del PNF, Foligno 1927, S. 160. 23 De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione ..., op.cit., S. 9. 24 Vgl. die Ausgaben der von Farinacci geleiteten Zeitschrift »Cremona Nuova« ab dem 10. April 1925, in denen die Frage einer Wiederaufnahme der subversiven Aktion die Diskussion in der Zeitschrift immer mehr bestimmte. 25 Einige Studien über die Kulturpolitik Mussolinis, deren Ziel die Bildung einer faschistischen Kultur war, stammen von E. R. Papa, Fascismo e cultura, Padova, 1978, Emilio Gentile, Le origini dell‹ ideologia fascista ..., op.cit.; Ders., Il culto del littorio ..., op.cit.; Cannistraro, La fabbrica del consenso, Bari, 1975; M. Leeden, L’internazionale fascista ..., op.cit.; Cassese, »Un programmatore degli anni ‘30: Giuseppe Bottai«, in: Politica del diritto, 3, 1970; Isnieghi, Intellettuali militanti e intellettuali funzionari. Appunti sulla cultura fascista, Torino, 1979. 26 Einige der Unterzeichner waren: Giovanni Gentile, Gino Arias, Leandro Arpinati, Giuseppe Bottai, Widar Cesarini Sforza, Enrico Corradini, Augusto De Marsanich, Dino Grandi, Agostino Lanzillo, Paolo Orano, Luigi Pirandello, F.T. Marinetti. 27 »Die Politik fühlte und predigte ... für eine Idee, in der das Individuum seinen Grund zum Leben, seine Freiheit und jedes seiner Rechte wiederfinden kann; für eine Idee wie die Heimat, als ein Ideal, das sich historisch aus sich selbst heraus realisiert, ohne sich je zu erschöpfen, als historisch bestimmte und eine Zivilisation ausdrückende Tradition, jedoch jene Tradition, die sich im Bewußtsein des Bürgers, weit entfernt davon, nur tote Erinnerung an die Vergangenheit zu sein, zu einer um das Ziel des Handelns wissenden Kraft verwandelt, Tradition und deshalb Mission.« (»Manifesto degli intellettuali fascisti« in: Papa Fascismo ..., op.cit., S. 167). 28 » ... Der Faschismus hatte also diesen Staat gegen sich, der sich als liberal bezeichnete, und er war liberal, aber es war ein agnostischer und unverantwortlicher Liberalismus, der nichts anderes als die äußerliche Freiheit kannte. Der Staat, der liberal ist, weil er sich dem Bewußtheit des freien Bürgers gegenüber für fremd hält ... » (Ebenda., S. 168). 29 Gentile, »Che cos‹ è il fascismo«, in: Opere, (XLV) ..., op.cit. S. 93. 30 Einige Unterzeichner waren: Giovanni Amendola, Carlo Cassola, Luigi Einaudi, Guglielmo Ferrero, Giustino Fortunato, Rodolfo Mondolfo, Luigi Salvatorelli, Matilde Serao, Giuseppe Tarozzi, Gaetano De Sanctis, Adriano Tilgher, Gaetano Salvemini, Gaetano Mosca, Giuseppe Rensi. 31 Für eine Diskussion dieser Trennung zwischen der Rolle des Intellektuellen und der des Bürgers bei Croce vgl. Garin, Intellettuali italiani del XX secolo, Roma, 1974, S. 47 ff. 32 Croce »Una risposta di scrittori, professori e pubblicisti italiani, al manifesto degli intellettuali fascisti«, in: Il Mondo, 1.Mai 1925, jetzt in Papa, Fascismo e ..., op.cit., S. 192 ff. 33 Ganz anders war die Geschichte der Opposition der kommunistischen Intellektuellen wie Antonio Gramsci, die schon von Beginn des Faschismus an ihre intellektuelle politische Tätigkeit im Sinne einer Erziehung der Massen gegen das autoritäre Regime begriffen hatten. Für sie war die Trennung der intellektuellen Tätigkeit vom politischen Engage- 155 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 156 ment unvorstellbar: ihr politischer Glaube war Kern ihrer kulturellen Aktion. Aber diese Opposition wurde von Mussolini gewalttätig zerstört. Die philosophische Auseinandersetzung hatte schon 1913 mit einem in »La voce« veröffentlichen Brief Croces an Gentile »Intorno all’idealismo attuale« angefangen und viele Reaktionen ihrer Schüler hervorgerufen. Gentile, »La riforma dell’educazione« in: Opere, B. VII ..., op.cit., S. 20. Ebenda., S. 19. Vgl. G. Gentile, »Che cos’è il fascismo«, in: Opere (XLV), ..., op.cit., S.24-26; ders. »Genesi e struttura della società«, in: Opere (IX) ..., op.cit., S.57-70. Gentile, »La riforma della scuola«, in: Opere, (VII), ..., op.cit., S. 13. Ebenda., S. 14. Ebenda., S. 25. G. Gentile, Discorsi di religione, 1957, Firenze, S.30. Croce wiederholte dieses Urteil ständig. Das erstes Mal benutzte er es in einem öffentlichen Brief an Gentile in »La Voce« 13 Nov. 1913. Gentile antwortete mit der Konferenz »Idealismo e misticismo« von 5. Oktober 1913. (Zum Streit Gentiles mit Croce vgl. Garin, »Introduzione«, in Gentile, Opere filosofiche, Milano, 1991; ders., Cronache di ..., op.cit., B II, S.366 ff.; S. H. Harris, La filosofia di Giovanni Gentile, Roma, 1973, S. 131 ff.; G. Turi, Giovanni Gentile. Una biografia, Firenze, 1995, S. 212 ff.). Croce, Nuovi saggi di estetica, Bari, 1948, S. 357-8. Croce, »Intorno all’idealismo«, in: La voce, op.cit. Croce »Risposta degli scrittori, dei professori e dei pubblicisti italiani ...«, Deutsche Übersetzung in: Nolte, Theorien über den Faschismus ..., op.cit., S. 139-140. Croce,: La religione della libertà. Antologia degli scritti politici, Milano, 1986, S. 203. benda., S.200-201. Der Philosoph Augusto Del Noce hat die Hegemonie Gentiles während des Faschismus und die Verbindung des Aktualismus mit dem Faschismus auf eine Reihe von »Übereinstimmungen« zurückgeführt. Nicht nur seien sie von ihrem Aktivismus und ihrem Solipsismus gekennzeichnet, sondern sie seien sozusagen auch einander ergänzend: »der Aktualismus war einerseits gequält von seinem Streben nach der Aktion (wegen des Denkens, daß das Denken kein wahres Denken sei, wenn es keine Aktion sei), andererseits ganz ohnmächtig, eine politische Bewegung zu bilden, zu formen, zu entwerfen ... 1922 brauchte Gentile den Faschismus, um seiner Formel der Identität von Denken und Handeln einen Anschein von Wahrheit zu geben; und umgekehrt brauchte der Faschismus eine kulturelle Legitimation« (vgl. Del Noce, »Idee per l’interpretazione del fascismo«, in: Casucci (Hrsg.), Il fascismo. Antologia di scritti critici, Bologna, 1961, S. 378, vgl. aber auch Del Noce, Il problema storico del fascismo, op. cit.; ders., »Appunti sul primo Gentile«, in: Giornale critico della filosofia Italiana, Okt./Dez. 1964; ders., »L’idea del Risorgimento come categoria filosofica«, Ebda., April/Juni 1968; G. Melhis, Il pensiero di Mussolini e il significato del fascismo, Milano, 1930; De Felice, Mussolini il duce. Gli anni del consenso, Torino, 1996, S. 36 ff.) 49 So schrieb der antifaschistische Intellektuelle Piero Gobetti 1924: »Marinetti bleibt der repräsentative Mensch der Epoche« und »unsere Ironie kann [in Marinetti] alle Eigenschaften finden, die ein anderer [Mussolini] sich zu Unrecht angemaßt hat. Marinetti ist der authentische Meister der Italiener« (»Marinetti, il precursore«, in: Il lavoro di Genova, 31 Jan. 1924). 50 Die drei erwähnten Figuren gehörten ursprünglich zu den Nationalisten. 51 Gramsci, »Relazione per il comitato direttivo del PCdI (2-3 Ag. 1926)«, in Rinascita, 14. April 1967. 52 Volt, »Le cinque anime del fascismo«, in Critica fascista, 15. Feb. 1925. 53 Die sindicalisti waren zwar Nachfolger des revolutionären Syndikalismus, aber sie hatten alle sozialistischen Elementen seiner Doktrin fallen lassen, um eine korporative Auffassung der Arbeitsbeziehungen zu erarbeiten, welche die Unterschiedlichkeit der Klasseninteressen und den entsprechenden Klassenkampf verneinte und die Lösung der sozialen Frage in der Kooperation der Produzenten mit den Eigentümern sah. 54 Obwohl Bottai von Volt in die Kategorie der Nationalisten eingeordnet wurde. 55 Das Zentrum ist unsichtbar, da Mussolini seine Politik als Strategie verstand, welche die verschiedenen und gegenseitigen Kräfte und Auffassungen der faschistischen Ideologie zusammenbringen sollte, um einen breiten Konsens im politischen wie im intellektuellen Feld zu gewinnen. 56 G. Prezzolini, »Fascismo e futurismo«, in Il secolo, 3. Juli 1923, zitiert von De Maria, Marinetti e il futurismo, Milano, Mondadori, 1973, S. 286-291. 57 In seiner Biographie (De Begnac, Palazzo Venezia. Storia di un regime, 1959, Roma) beschreibt Mussolini sein Treffen mit den Intellektuellen von »La voce«, die ihm sein Schicksal bewußt machten: die neue Welt der vociani sei in den jungen Mussolini eingedrungen und habe ihm neue Möglichkeiten seiner Entwicklung eröffnet. 58 Marinetti, »Al di là del comunismo« (1920), in ders., Teoria e invenzione ..., De Maria (hrsg.), op.cit. 59 Die Faschistische Zeitung »L’Ardito« veröffentlichte den Artikel »Il Futurismo è morto« (»Der Futurismus ist tot«) am 27. Juni 1920. 60 Die Reaktion des Futuristen Bottai war sehr bitter und einige Futuristen - Soffici, Balla, Rosai - schlossen sich mit ihm zusammen. Vgl. Giordano Bruno Guerri, »Bottai: da intellettuale futurista a leader fascista«, in: De Felice (Hrsg.), Futurismo, cultura e politica, S. 221-245. 61 Vgl. Marinetti, »I diritti artistici propugnati dai futuristi italiani«, in Il futurismo, 5, 1. März 1923, und in L’Impero, 11. März 1923; sowie in Noi, 1. April 1923. 62 Vgl. das ausgezeichnete Buch von Salaris, Artecrazia. L’Avanguardia futurista negli anni del fascismo, Firenze, 1992. 63 Marinetti kritisierte viele Entscheidungen Mussolinis, insbesondere seinen Bund mit Hitler und den Rassismus. 64 Croce war Zeuge dieser Geschichte des Futurismus und hat die Verbindung des Futurismus mit dem ursprünglichen Faschismus genau beobachtet und mit folgenden Worten beschrieben: »Tatsächlich findet derjenige, der das Gefühl für historische Verbindungen hat, 157 65 66 67 68 69 70 71 158 den idealen Ursprung des Faschismus im Futurismus: in dieser Entschlossenheit, auf die Straße zu gehen, seine Gefühle durchzusetzen, die Andersdenkenden mundtot zu machen, das Neue nicht zu fürchten; in dieser Glut, jede Tradition zu brechen; in dieser Verherrlichung der Jugend, die der Futurismus besaß und die zum Herz der Grabenveteranen sprach ...« Er verstand auch, daß die »Reinheit« des Futurismus, seine Unfähigkeit zu Kompromissen und seine Verbindung mit den ursprünglichen antibürgerlichen und anarchistischen fasci im Falle einer »zweiten Welle« sein politisches Ende wegen und zugunsten der »neuen Faschisten« verursacht hätten: »Die ›zweite Welle‹ ist nicht dieselbe wie die erste und, wenn sie auf die eine oder andere Art Erfolg hat, trägt sie auch den Makel der ›Unreinheit’, d.h. [den Makel] der Bedingungen und der neuen Gründe, zwischen denen und aus denen sie geboren ist«. Croce »Futurismo e fascismo«, in der Rubrik »Fatti politici e interpretazioni storiche«, aus La critica, März 1924. Hier wird ein wesentlicher Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Faschismus deutlich: der Faschismus tolerierte innerhalb seiner Struktur sogar eine Diskussion zwischen verschiedenen Interpretationen und liquidierte, obwohl er die Verbreitung der alternativen Meinung der extremen integralistischen Intellektuellen durch die Zensur behinderte, diese Opponenten nicht (andere »externe« antifaschistische Opponenten wurden allerdings getötet oder ins Gefängnis gesteckt). Die internen politischen und intellektuellen Opponenten wurden zwar behindert, aber nie ganz eliminiert. Diese Definition rührt von ihrer Vision der Kultur und der Politik her und wird später erklärt. Die Definition stammt von Silvio Lanaro, der die »Karte« der fünf Geister des Faschismus von Volt übernimmt. Seine Analyse der »Pseudo-Linken« innerhalb des Faschismus (Lanaro, »Appunti sul fascismo ›di sinistra’. La dottrina corporativa di Ugo Spirito«, in: A. Aquarone/ M. Vernassa (Hrsg.), Il regime fascista, Bologna, 1974) wurde von vielen Historikern akzeptiert, wird aber hier abgelehnt. Deswegen werden auch ihre gemeinsame Arbeit, ihre Kontakte mit der Avantgarde und ihre Tätigkeit als Organisatoren und Leiter von Zeitschriften, ihre Beziehung als Freunde und Mitarbeiter untersucht - in anderen Worten, ihr Milieu und ihre structures de sociabilité, d.h. die »Gruppierungen, denen man anzugehören auswählt« und die man organisiert und gründet. (Vgl. Sirinelli, »Hasard ou necessité? Une histoire en chantier: l’histoire des intellectuels«, in Vingtième siècle, 1986, 9; ders., »Les intellectuels«, in R. Rémond (Hrsg.), Pour une histoire politique, Paris, 1988; F. Beilecke, »Die Form der sociabilité intellectuelle am Beispiel der Union pour la vérité«, in: Deutsch-französisches Institut (Hrsg.), Frankreich Jahrbuch 1998, Opladen, 1998). Er war auch Chef der Jugend-Sektion der republikanischen Partei. Die »Legione Garibaldina« bestand aus Syndikalisten, Anarchisten und Republikanern. »Brano di un’autobiografia rimasta incompiuta« in: Edda Ronchi Suckert, Malaparte, 1905-1926, B.1, Firenze, 1991, S. 82. Zum Leben Malapartes vgl. Giordano Bruno Guerri, L’Arcitaliano, Milano, 1991. Über Suckert vgl. u.a. De Grand, »Curzio Malaparte. The Illusion of the fascist Revolution«, in: Journal of contemporary History, VII, 1972, 1-2; A. Hamilton, The Appeal of Fascism. A Study of Intellectuals and Fascism 1919-1924, 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 New York, 1961; L. Righi, L’uccellaccio di Prato, Curzio Malaparte 1889-1957, Fiesole, 1973; M. Isnieghi, Il mito della grande guerra da Marinetti a Malaparte, Bari, 1970; ders., I vinti di Caporetto nella letteratura di guerra, Vicenza, 1967; G. Grana, Malaparte, Firenze, 1968; ders., Novecento. Le avanguardie letterarie, B.II, Milano, 1968. Über Maccari vgl.: R. Longhi, »Maccari all’arcobaleno«, in: L’Arcobaleno, Nov.Dez. 1938; C.L. Ragghianti, Il Selvaggio di Mino Maccari, Venezia, 1959; A. Asor Rosa, Scrittori e popolo, il populismo nella letteratura italiana contemporanea, Roma, 1965; R. Busini, »Il selvaggio squadrista (1924-5): le radici di una corrente del cosiddetto <fascismo di sinistra>», in: L. Piantini, R. Busini u.a., Quaderno 70 sul novecento, Padova, 1970; F. Petrocchi D’Auria, »Il selvaggio dallo squadrismo a strapaese 1924-1927«, in: Critica letteraria, V, 1977, 15 und 16; L. Cavallo (Hrsg.), L’indice del Selvaggio, Firenze, 1968; L. Troisio, Le riviste di Strapaese e stracittà. »Il Selvaggio«, »L’Italiano«, »900«, Treviso, 1975; P. Cesarini, Italiani cacciate il tiranno, ovvero Maccari e dintorni, Milano, 1978; M.L. Weichmann, Italienische Literatur im ersten Jahrzehnt des Faschismus: »Stracittà » und »Strapaese«, Weiden, 1991. 1923 wurde der Titel in »La rivolta dei santi maledetti« (Rom 1923) geändert. Sie heißt »Ritratto delle cose d’Italia, degli eroi del popolo, degli avvenimenti, delle esperienze e inquietudini della nostra generazione«. Mussolini wird hier als »ein traditioneller und legitimer, reinblütiger, vorurteilsloser, optimistischer, großzügiger aber fester antibürgerlicher, antiproletarischer, antiliberaler, antidemokratischer, antimoderner, antieuropäischer Held« beschrieben, ebenda., S.36 Der Vater von Suckert war ein deutscher Immigrant, ein Facharbeiter. Maccari war Sohn eines Lehrers und Landbesitzers. Eine Selbstdarstellung als rebellischer Künstler gibt Maccari in seinem ersten Buch »Orgia« (Siena 1918). Die Zeitschrift wurde am 13. Juli 1924 in Colle Val D’Elsa gegründet; der Leiter war Angiolo Bencini, unter den Mitarbeiter waren Sangiorgi, Cerrano und natürlich Maccari, alle Squadristi. A. Soffici war dann ab 1926 Leiter von »Il Selvaggio«; seine Leitung sowie der Umzug der Redaktion nach Florenz bedeutete das Ende des politischen Engagements der Zeitschrift. Suckert, »Ora viene il bello« vom 1. April 1925; »Il partito deve controllare la burocrazia« vom 13. April 1925; »Dì ben so fantesima ... ovvero i compiti dell’estremismo« vom 5. und 11. Juli 1925; »I selvaggi contro la discesa dell’Aventino« vom 30. September 1925. Vgl. das nächste Kapitel. Zu den zwei Autoren vgl. u.a. R. Chiti, I creatori del teatro futurista: Marinetti - Corradini- Settimelli, Firenze, 1915; Buchignani, »Settimelli e Carli dal futurismo als fascismo«, in Futurismo, cultura e politica, De Felice (Hrsg.), ..., op.cit.; Verdone M., »Il teatro futurista a Firenze«, in Futurismo a Firenze 1910-1920, Gloria Manghetti (Hrsg.), Verona, 1984; Carpi »Ideologia e politica del futurismo fiorentino« in Futurismo a Firenze 1910-20, Manghetti (Hrsg.), Verona, 1984.; Salaris, Artecrazia ..., op.cit. 159 82 Carli, Settimelli Marinetti, Il teatro futurista sintetico, Band 1, Istituto editoriale italiano, 1915. 83 1916 gegründet, von Settimelli und Corra geleitet. 84 Brief Carlis an Marinetti, August 1918, Carli Archive, zitiert in: Buchignani, »Settimelli e Carli ... », S. 197. 85 In: Roma futurista, 17. August 1919. 86 Vgl. den Artikel »Partiti d’avanguardia, e se tentassimo di collaborare?«, in: Roma futurista, 13. Juli 1919 und die von Carli geleitete Zeitschrift »Testa di ferro« in den Jahren 1919-1920. 87 Obwohl die Zeitschrift am Anfang von Mussolini direkt unterstützt worden war, wurde sie später immer mehr - insbesondere während der Krise Matteotti - von Mussolini getadelt und am Ende zensiert. 88 Carli, Settimelli und Marinetti »L’Impero italiano«, in Il Futurismo, 6, 1. Mai 1923. 89 Curzio Suckert »Una lettera di C.E. Suckert. Il nostro referendum« in »L’impero«, 11. April 1923. 90 Maccari M., »Gazzettino ufficiale di Strapaese«, in Il Selvaggio, 31. Dez. 1935. 91 Longanesi L., »Uova sode«, in L’Italiano, I, 16-17, 24 Dez. 1926. 92 Malaparte, L’Europa vivente e altri saggi politici (1921-1931), Firenze 1961, S. 642. 93 Maccari, »Bollettino ufficiale di strapaese«, in Il selvaggio, 15. Jan. 1928. 94 Carli, Fascismo intransigente, Bemporad, Firenze, 1926, S. 43-44. 95 Settimelli, »Mentalità fascista«, in ders., Sassate, Roma-Firenze, 1926, S. 25. 96 Malaparte, L’Europa vivente e altri saggi, Firenze, 1961, S. 410 ff. und S. 459 ff. 97 Settimelli, »Liberiamo il fascismo dai falsi Fascisti«, in L’impero, 30. Aug. 1924. 98 Carli, »Romain Rolland e il romanzo dell’avvenire«, in La critica di Croce, E. Settimelli, Bologna 1912, S. 228-229. 99 Carli, Fascismo intransigente, Firenze, 1926, S.184-185. 100 Maccari, »Parla il Selvaggio«, in Il selvaggio, 28. Sept. 1924. 101 Suckert, »Il dramma della modernità«, in Rivoluzione liberale, 4. Juni 1922. 102 Malaparte, L’Europa vivente e altri saggi politici ..., op.cit., S. 468 ff. 103 Ebenda. S. 378 104 Jedes Werk sollte nach den Entdeckungen, der Originalität und den vom Artist geleisteten entsprechenden intellektuellen Anstrengungen für das Kunstwerk bewertet werden. Vgl. E. Settimelli; V. Scattolini, »Il nuovo sistema di critica«, in La difesa dell’arte, I, 2, Firenze, 2 Nov. 1909. 105 Einige Exponenten der Strömung waren Scattolini, Gregiuoli, Chieti, Corra, Ginna, Ginanni, Nannetti L’Apostata und natürlich Carli (vgl. Buchignani, »Settimelli e Carli ... », op. cit.). 106 Vgl. Busini, »Il selvaggio squadrista 1924-1925: le radici di una corrente del cosiddetto fascismo di sinistra« in Piantini L./Busini R. u.a., Quaderno 70 del novecento, Padova 1970. 107 Malaparte, L’Europa vivente ..., op.cit. S. 424 ff. 108 Malaparte, L’Europa vivente ..., op.cit., S. 463-464. 160 109 Erst in der zweiten Auflage des Buchs »La rivolta dei santi maledetti« von 1923 sieht er den Faschismus als Nachfolger des Risorgimento. 110 Maccari, in Il selvaggio, 24. Nov. 1927. 111 E. Gentile, Origini dell’ideologia ..., op.cit., S. 348-369. 112 Ebenda., S. 351. 113 Suckert, »Lo stato in dissoluzione«, in La conquista dello stato, 24. Okt. 1924. 114 Bottai, »Il fascismo nel suo fondamento dottrinario« (Konferenz 27 März 1924) in: Pagine di critica fascista, Pacces (Hrsg.), Firenze, 1941, S.331 ff. 115 Einige der revisionisti sollten hier erwähnt werden: Giuseppe Bottai, Leiter von »Critica fascista«; De Marsanich - Mitarbeiter der Zeitschrift »Critica fascista«; Bruno Spampanato - mit der Zeitschrift »La montagna«; Gherardo Casini und Simone Sammartini - mit der Zeitschrift »Rivoluzione fascista«. 116 De Marsanich, »La situazione del PNF«, in: Rivoluzione fascista, 15. Dez. 1924. 117 Der revisionismo sei »nicht eine Frage der Säuberung oder der Polizei innerhalb der Partei«, sondern ein »politisches spirituelles Problem der Revision der Methoden, der Ordnungen, der Ideen« (Bottai, »Dichiarazioni sul revisionismo«, in: Critica fascista, 17. Juli 1924.) 118 Bottai »Dichiarazione sul revisionismo«, in: Critica Fascista, 15. Juli, 1924. 119 Ebenda., S. 343-344. 120 Vgl. Pellizzi, »L’essenza aristocratica del fascismo«, in: Critica fascista, 15 Juni 1924; Bottai, Il fascismo e l’Italia nuova, Roma 1923, S.18 ff. 121 Suckert, »Fascismo storico e fascismo politico«, ..., op.cit. 122 Ebd. 123 Ebd. 124 Der Wunsch Maccaris, eine Reaktion gegen die korrupten Mächte hervorzurufen, ging mit einer negativen Bewertung Mussolinis einher: »man soll reagieren: überwachen und reagieren, und man muß den duce überwachen« (Maccari, »L’uomo normale è un imbecille«, in Il selvaggio, 21. Dez. 1924). 125 Sugo di Bosco (Pseudonym von Maccari), »Il benservito agli squadristi«, in Il Selvaggio, 16 Nov. 1924. Dieses Heft ist sehr polemisch gegen Mussolini: sein Titel ist »Führer, die Toten des Faschismus beobachten Euch«, und es enthält viele Artikel, welche die Rede Mussolinis kritisieren; u.a. »La santa canaglia« (Anonym). 126 Dieses harte Urteil gegen den duce läßt sich nur aus der idealistischen Perspektive des integralen Faschismus verstehen, der die Reinheit des Faschismus der Provinzen »gegen die Kompromisse, die Feigheiten, die Verhandlungen, die parlamentarischen Verwicklungen« schützen wollte, gegen die »sogenannten Führer der Revolution, die in zwei Jahren im Staatsamt ... nichts anderes machen wollten, als ihre [eigenen] Interessen zu verteidigen«. Sie trügen die Schuld an der Unterbrechung und am Verderben der faschistischen Revolution, die aus der provinziellen Bewegung entstanden sei. (in: Suckert, »Il fascismo contro Mussolini«, in La conquista della Stato, 21. Dez. 1924). 127 Suckert, »Tutti debbono obbedire, anche Mussolini, al monito del fascismo integrale«, in La conquista dello stato, 28. Dez. 1924. 161 128 Suckert, »Mussolini accetta e proclama alla camera la tesi del fascismo integrale«, in La conquista dello stato, 4. Januar 1925. 129 Suckert, »Rivoluzione ed elezioni«, in La conquista della stato, 18. Januar 1925. 130 Maccari, »Prepariamoci a fare ai cazzotti«, in Il selvaggio, 9. Feb. 1925. 131 Maccari schrieb in der ersten Nummer von »Il selvaggio«: »Wild ist derjenige, der sich rettet. Es ist nötig, sich vor der Engherzigkeit, vor der Banalität, vor dem Elend, vor der Lächerlichkeit der Politik zu retten ... Es gibt nichts außer der Kunst ... Die Zeit der Politik des squadrismo ist beendet und die Aufgabe ist jetzt die Entwicklung der Kunst.« (»Addio al passato«, 1. März 1926). 132 Settimelli aus politischen Gründen, Suckert hingegen aus persönlichen Gründen, wegen einer Auseinandersetzung mit einem faschistischen Führer. 133 Vgl. die Studien über Maccari von C.L. Ragghianti, »Il Selvaggio di Mino Maccari«, Venezia, 1955; Asor Rosa, Scrittori e popolo ..., op.cit.; Manacorda, Letteratura e cultura del periodo fascista, Milano, 1974; und teilweise G. Luti, Cronache letterarie fra le due guerre (1920-1940), Bari Laterza 1966. 134 Maccari, »Fascismo toscano«, in Il Selvaggio, 10. Nov. 1925. 135 Suckert, »Intervista«, in: Popolo D’Italia, 31 März, 1925. 136 Maccari, »L’uomo normale è un imbecille«, in Il selvaggio, 23. Nov. 1924. 137 Ebenda, S. 136. 138 Malaparte, L’europa vivente ..., op.cit., S. 135. 139 Maccari, »Made in England«, in: Il Selvaggio, 14. August 1924 140 Carli wurde vom Führer der Faschistischen Partei wegen seines »undisziplinierten Verhaltens« 1927 ermahnt; Settimelli wurde von der Partei viermal ausgeschlossen - im Jahr 1927, 1929, 1937 und 1938. Am Ende wurde er von Mussolini wegen seiner Kritik - an der Korruption und der Mittelmäßigkeit der faschistischen Politik und Kultur - ins Exil geschickt. 141 Vgl. die Akten der faschistischen Polizei über Maccari und Suckert in den Staatsarchiven Rom. 142 Damit ist das gegenrevolutionäre französische Denken von Bonald und De Maistre gemeint. 162 Die Ultrafaschisten Die radikalen Intellektuellen im Faschismus von 1925 bis 1933 Wenn die allgemeine Entwicklung des Faschismus von Anfang der 20er bis Anfang der 30er Jahre skizziert und zusammengefaßt werden sollte, wäre der Übergang von der »Ästhetisierung« zur »Sakralisierung« der Politik das wesentliche Charakteristikum dieser Entwicklung. Der Faschismus wurde immer mehr zu einer »weltlichen Religion« und verlor seine ästhetische Bedeutung als »Lebensstil«: Er organisierte seine Rituale immer systematischer, erarbeitete und verstärkte seine Orthodoxie gegen die »Ketzer«, benutzte eschatologische und messianische religiöse Argumente – die Idee eines neuen Menschen, der Triumph des Guten, usw.1 In diesen Jahren wurde zum Beispiel der Begriff der »Mystik des Faschismus« entwickelt, der in spezifischen kulturellen Institutionen – wie im Institut für faschistische Mystik in Mailand (Scuola di mistica fascista, die Schule der zukünftigen faschistischen, regierenden Klasse) – diskutiert und interpretiert wurde. Die Gleichsetzung von Faschismus und Religion wurde manchmal besonders deutlich, wie in einem Artikel (»La mistica del fascismo«) des faschistischen Exponenten Misciatelli: »Die Faschisten haben recht, wenn sie die Ketzer der Heimat exkommunizieren, so wie die Kirche immer recht hat, wenn sie die Ketzer von der Kommunion der wahren Gläubigen vertreibt.« 2 Die Idee der Schaffung einer weltlichen Religion entwickelte sich im Rahmen der faschistischen Politik dieser Jahre aus zwei gegensätzlichen Richtungen, aus der der Gewalt und des Konsenses, die eine kurzfristige und eine langfristige zeitliche Ebene bezeichnen: In kurzer Zeit strebte Mussolini durch die Gewalt und den Gewinn eines immer breiteren Konsenses nach der sofortigen Stabilisierung seines Regimes und seiner Autorität – unabhängig von der authentischen Überzeugung und der politischen und intellektuellen Diskussion über die faschistische Ideologie. Gleichzeitig träumte er davon, langfristig eine zukünftige, »reale« faschistische Gesellschaft durch die Er163 ziehung der nachfolgenden Generationen zu schaffen. Auch der Unterschied zwischen »Hochkultur« und »Propaganda«, der in der Trennung der jeweils zuständigen institutionellen und politischen Organismen – zum Beispiel den Akademien und Universitäten einerseits und dem Ministerium der völkischen Kultur (Minculpop) andererseits3 – seinen Ausdruck fand, läßt sich anhand dieser zwei Strategien verstehen. Die Vielfältigkeit der Strategien, die eine totale faschistische Gesellschaft durch die Entwicklung faschistischer Kultur- und Bildungsinstitutionen schaffen und die Volksmeinung durch die Propaganda verarbeiten sollten, muß betrachtet werden, um den Einfluß des Faschismus auf das intellektuelle Feld zu analysieren und so ein vollständigeres Bild des Faschismus Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre zu gewinnen. An dieser Stelle kann aber weder eine abgeschlossene Analyse der politischen Strategien und Visionen Mussolinis, den Faschismus zu konsolidieren und zu strukturieren, noch eine umfassende Betrachtung der kulturellen Politik im Regime erfolgen, sondern lediglich die Herausbildung der ketzerischen Tendenzen in der faschistischen Kultur und die Haltung der offiziellen Politik und der Hochkultur ihnen gegenüber untersucht werden. Um diese Interaktionen zu verstehen, ist es nötig, die Rahmbedingungen zu verdeutlichen, in denen dieser Kampf um ideologische Legitimation stattfand, und wie und warum einige Strömungen besonders marginalisiert wurden. Deshalb muß die allgemeine Haltung des Regimes zu Orthodoxie und Heterodoxie analysiert werden, um zu verdeutlichen, daß in dieser Zeitspanne der Faschismus den externen und internen Kritiken immer geschlossener und feindseliger gegenübertrat. Er entwickelte eine stärkere Identität, eine bestimmtere politische Orientierung, ein Ideal der zukünftigen Gesellschaft und versuchte, eine feste Doktrin zu schaffen, so daß alles, was von diesem offiziellen Muster abwich, abgelehnt und bekämpft wurde. Zunächst wird die Politik Mussolinis analysiert, welche die Ziele der Gewalt und des Konsenses verfolgte. Durch den Erlaß der fascistissime-Gesetze und durch den Krieg gegen den Aventino wurde die externe kommunistische und sozialistische Opposition besiegt; durch den Einfluß Mussolinis auf die Politik innerhalb der Partei und das Scheitern des faschistischen Syndikalismus wurde die interne Oppositionen entweder absorbiert oder erstickt. Außerdem verfolgte Mussolini durch das Abkommen mit dem Vatikan und durch die Entwicklung einer faschistischen Kultur und Ideologie mittels 164 Errichtung der entsprechenden faschistischen Akademien und Institute einerseits und Verbreitung der Propaganda andererseits die Linie eines Konsenses, der ihm aber nicht genügte, um eine stabile Unterstützung zu gewinnen. Die Adressaten der Politik werden in diesem Rahmen nicht als rein passive Objekte betrachtet: Sie werden als Akteure beschrieben, die Positionen einnahmen, diese Politik kritisierten oder bestätigten. Was die vorliegende Arbeit betrifft, ist vor allem der Konsens einer Kategorie von Adressaten wichtig: der Intellektuellen. Zu den Ereignissen, die den intellektuellen Konsens – oft im negativen Sinne – veränderten, gehören der Erlaß der fascistissimeGesetze im Jahr 1926, die die konservative und autoritäre Veränderung des Faschismus zeigten, der Concordato mit dem Vatikan und die Eidespflicht der Akademiker 1931. Diese politischen Ereignisse werden hier kurz skizziert, um die politischen Strategien und Positionen der schon vorher betrachteten Strömungen der Zeit- intransigenti, gentiliani, revisionisti, Nationalisten – zu rekonstruieren, welche die ideologische Legitimation des Faschismus, seine Identifizierung mit einigen Bewegungen des kulturellen Felds sowie die Marginalisierung anderer politischer und ideologischer Bewegungen beleuchten. Im zweiten Teil dieses Kapitels wird die Umformung des intellektuellen Feldes mit der zunehmenden politischen Kontrolle und Verstärkung der Orthodoxie verbunden, um dann die Wandlung und Permanenz einer internen Kritik im intellektuellen Feld und ihre Eigenschaften zu beschreiben. Das intellektuelle Feld blieb nicht unberührt, da der externe, direkte Einfluß des Regimes und die politische Situation der Konsolidierung des Faschismus es umformten und neu gestalteten. Vier wesentliche Veränderungen werden deutlich: die Abhängigkeit der Selbstdarstellung der Intellektuellen und ihrer Arbeit von der politischen Orthodoxie, d.h. von den den Intellektuellen vom Regime auferlegten Vorgaben für die Bedeutung und Auffassung von Kunst und Literatur als Mittel zur Integration; die Einführung der katholischen Elemente und Kultur in die faschistischen Zeitschriften; die immer stärkere Position der Nationalisten – insbesondere Alfredo Roccos – für die Definition und Entwicklung der faschistischen Doktrin; die Absorption und Neutralisierung der extremen Flügel entweder, wie bei Settimelli, durch die komplette Ächtung durch das Regime, oder, wie bei den selvaggi, durch die Einbindung in institutionellen und offiziellen faschistischen Zeitschriften. Was diesen letzten Punkt betrifft, ist bemerkenswert, daß Mino Maccari und Cur165 zio Suckert zwar immer noch eine andere Position vertraten, aber ihr revolutionäres und kritisches Streben verloren hatten. Außerdem begannen sie, in der faschistischen Kultur mitzuarbeiten: Maccari bei den revisionisti und Suckert bei der Bewegung 900. Auch wenn beide teilweise noch eine Gefahr für Mussolini darstellten, was schließlich zu ihrem Ausschluß führte, verloren sie allmählich ihre repräsentative Rolle als Organisator und Führer der Zeitschriften und der mit diesen verbundenen Gruppen der selvaggi. Ihre Nachfolger, der Kreis um die neue, von Ardengo Soffici geleitete Zeitschrift »Il Selvaggio« und jener um die Zeitschrift »L’Italiano« von Longanesi, stellten ihre rein künstlerische Auffassung in den Vordergrund und hatten keine Bedeutung mehr in der Politik. Die Personifizierung des Faschismus in Mussolini blieb die Grundlage, in deren Rahmen eine Diskussion möglich war: Die Kritik, die sie und die mit ihnen neuerlich verbundenen Gruppen – die revisionisti, die Nachfolger der Aktualisten, die Nationalisten, die ehemaligen selvaggi – zu dieser Zeit am Regime übten, stellte nicht mehr die Persönlichkeit Mussolinis und sein Handeln als Führer des Faschismus in Frage. Eine andere Strömung, ein anderes politisch-künstlerisches Experiment sollte jedoch teilweise die radikalen und kritischen Ansprüche der integralisti weiterführen: die Traditionalisten um Julius Evola. Von der Ästhetisierung zur Sakralisierung der Politik: der Faschismus als Orthodoxie 1926-1933 Der Wille Mussolinis, eine monolithische, faschistische Struktur zu bilden, welche die interne und externe Opposition und die Diskussionen annulliert hätte, kann bei der Analyse der Konsolidierungsphase des Faschismus als Leitmotiv dienen. Hier ist mit Konsolidierung der Prozeß gemeint, durch den der Faschismus von den alten politischen Institutionen wie auch von seiner Basis immer (relativ) unabhängiger wurde; so daß er einige unorthodoxe und andersdenkende Tendenzen und Kräfte zerstören oder absorbieren konnte und auf diese Weise seine Ideologie und Gestalt veränderte. Dies implizierte zum Beispiel die Anerkennung einiger traditioneller Institutionen wie Monarchie und Kirche und die entsprechende Unterdrückung bestimmter Komponenten innerhalb des Faschismus, die entweder den totalitären faschisti166 schen Staat verwirklichen wollten oder die in jedem Kompromiß mit traditionellen Institutionen eine Schwächung der faschistischen Prinzipien sahen. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Beseitigung der bekannten faschistischen Politiker Ende der 20er Jahre, die eventuell eine kritische Alternative zu Mussolini hätten darstellen können4, und die Vernichtung und Absorption der »ketzerischen« Tendenzen innerhalb des Faschismus verstehen. Der Staat sollte die Einheit und den Kern des Faschismus darstellen, »alles innerhalb des Staates, nichts außer ihm, nichts gegen ihn.«5 Die Partei wurde dementsprechend zwar langsam aber unerbittlich ihrer ursprünglichen Bedeutung »entleert« und die Möglichkeiten der internen Diskussion und der Auseinandersetzung wurden vernichtet; die Gefahr der Anerkennung der Monarchie, die noch ein mögliches alternatives Machtzentrum hätte bilden können, wurde durch die starke und hierarchische Organisation des faschistischen Staates reduziert. Diese starke Zentralisierung der Macht im Staat wurde durch die besondere Situation bedingt: Die bedeutende Rolle der ursprünglichen Partei hätte in Italien zu einer Zersplitterung der Macht auf drei Ebenen – Staat, Monarchie und Partei – und somit zur Schwächung der Autorität Mussolinis führen können.6 Vor diesem Hintergrund müssen die politischen Entscheidungen Mussolinis betrachtet werden, den Staat zu stärken und die Partei in eine reine Propagandaorganisation zu verwandeln. Mit dieser Entwicklung, die nach der Stärkung der Autorität Mussolinis in Form des Personalismus und der Einheit der Partei strebte, verbanden sich die Bemühungen, die Grundbedingungen für eine dauerhafte Existenz des Faschismus zu schaffen. In der revolutionären Atmosphäre der 20er Jahre hatte das Charisma Mussolinis genügt, um die Macht zu erobern, aber als die »Normalisierung« des Faschismus und seine Konsolidierung in einer bestimmten politischen Form vollendet waren, konnten nicht allein der persönliche Erfolg Mussolinis und die Treue seiner Mitarbeiter eine stabile politische Situation sichern. Das reine Charisma kann, wie Max Weber gezeigt hat, nur in außergewöhnlichen politischen und sozialen Lagen wirken, wenn das idealistische und revolutionäre Streben die notwendige Kohäsion der Massen schaffen kann; wenn der revolutionäre Elan aber erlahmt und das außergewöhnliche politische Ereignis – die politische Veränderung – stattgefunden hat, wird die Frage des Übergangs zu einem »normalen« und alltäglichen politischen Leben und der Auseinandersetzung mit den Institutionen und der Bürokratie immer problematischer. Weder die Massen noch die Ba167 sis der Partei stellten für Mussolini zuverlässige Elemente dar, um das Problem der »Dauer« zu lösen, da nur die persönliche Verbindung mit dem Duce und die Faszination, die von ihm ausging, dauerhafte Bindung begründen konnte. Die planmäßige Entwicklung des Konsenses und die Anwendung der Gewalt waren die zwei Mittel, um Unterstützung einzufordern und gleichzeitig den monolithischen Charakter des Faschismus dauerhaft zu behaupten. »Meine Parole ist ein Verb: dauern! Dauern, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr, derart daß alle Zurückhaltungen, Kritiken, Oppositionen an diesem monolithischen Block des faschistischen Willens und der Hartnäkkigkeit wie verächtlicher Schlamm zerschellen.«7 Dies bedeutete für Mussolini die »Faschistisierung« Italiens, so daß die externe wie interne Opposition ausgeschlossen wurden und durch Propaganda die totale Zustimmung erreicht werden sollte. Da die Massen ihm aber nur eine »Schafherde« waren, die durch »Enthusiasmus und Interesse« gewonnen werden konnte – »Musik und Frauen waren« nach Mussolini8 »die ›Hefe‹ der Massen«, der in seiner Realpolitik Le Bons Theorien der Massenpsychologie anwendete – konnte Mussolinis »Utopie« einer faschistischen Gesellschaft nicht sofort verwirklicht werden. Es bedurfte einer neuen Generation junger Faschisten, »den neuen Menschen«, die ihr faschistisches Credo zum Kern ihrer politischen Erfahrung machen sollten. Das Leben der zukünftigen Faschisten wurde von der Schule bis zur Freizeit in jeder Beziehung organisiert und kontrolliert, so daß die neue Generation nach einem »Muster« – wie in einem Labor – geformt werden sollte: »Wir werden durch hartnäckige Selektionsarbeit die neue Generation schaffen, dabei alles ins Leben übertragend, was aus der Politik nicht zu verbannen ist, ohne schwere Fehler zu machen. Manchmal flüstert mir die Idee der im Labor geborenen Generationen zu, eine Klasse von Kriegern zu schaffen, die immer zum Sterben bereit sind, oder eine Klasse von Erfindern, die nach dem Geheimnis des Mysteriums strebt ... Und durch diese methodische Selektion werden die hohen Kategorien geschaffen, die jeweils die Imperien bilden«.9 Die Grundidee von Mussolinis Kulturpolitik, die den Einfluß des politischen Feldes im intellektuellen Feld bestimmte, läßt sich auf zwei Ebenen betrachten: die Sicherung des momentanen Konsenses der Massen und der fiancheggiatori einerseits und der langfristige Plan der Bildung einer faschistischen Gesellschaft andererseits. 168 Die Unterdrückung der externen und internen Feinde Nach der Wahl von 1924 und mit dem Ende der Krise Matteotti war die Position des Faschismus gestärkt: Mussolini hatte die Unterstützung der Industrie und der konservativen Bourgeoisie gewonnen, seine Autorität in der Partei gefestigt und die Vorstellung der Stabilität des faschistischen Regimes bestätigt. Dadurch wurde die Opposition immer schwächer und zerstrittener. Während die kommunistischen Gruppen in den Fabriken eine Revolte der Arbeiterklasse zu entfachen versuchten, betrachteten die aventiniani – ein großer Teil der Sozialisten, die katholische PPI, die sozialdemokratische DS und die republikanische PRI – Widerstand immer noch als eine »ethische Frage«, die in der moralischen Ablehnung der Kollaboration mit dem faschistischen Regime ihren Ausdruck finden sollte, um eine öffentliche Debatte und eine dementsprechende Reaktion der öffentlichen Meinung zu provozieren. Die einzige relevante Initiative des Antifaschismus ging von Pietro Nenni und Carlo Rosselli mit der Gruppe »Quarto stato« aus, welche versuchten, die republikanischen und die von Arturo Labriola geleiteten sozialistischen Kräfte außerhalb der politisch passiven Strategie des Aventino zu vereinigen.10 Nach Darstellung Mussolinis wurden die beschränkenden Gesetze von 1926 durch diese Entwicklung der »feindlichen, politischen Front« verursacht.11 Schon Ende 1925 wurden vier restriktive Gesetze erlassen: Die Zensur der Presse wurde eingeführt, die Regierung zur Reform des Strafgesetzbuchs und des öffentlichen Sicherheitsgesetzes ermächtigt, die Abschaffung der Geheimbünde (insbesondere der Freimauerloge) und die Dienstenthebung derjenigen öffentlichen Beamten beschlossen, »die keine Garantie für die treue Erfüllung ihrer Aufgaben« boten oder deren Haltung »inkompatibel mit den allgemeinen politischen Richtlinien der Regierung« war.12 Diesen Gesetzen folgten die Verwaltungsmaßnahmen vom November 1926: die Revision der Pässe und die Strafen für den widerrechtlichen Grenzübertritt, die Abschaffung der oppositionellen Presse und die Auflösung aller Parteien und politischen Organisationen, »die dem Regime gegenüber ein entgegengesetztes Ziel verfolgen«, die Strafe der Wohnortsbeschränkung für Andersdenkende und die Bildung eines Büros für die politische Überwachung (Servizio di Investigazione Politica).13 Diese Maßnahmen, die Reform des Strafgesetzbuchs und die Erklärung der PNF, daß die parlamentarischen Mandate 169 der Aventino-Deputierten ungültig seien (9. November 1926), vollendeten den faschistischen Umbau des Staates: Mussolini hatte nicht nur die Opposition in Italien besiegt, sondern alle alten, liberalen Garantien abgeschafft, um den faschistischen, autoritären Staat und damit die absolute Macht des Regierungschefs durchzusetzen. Die Umwandlung des Staates folgte nicht den Prinzipien des totalen Staates von Gentile, sondern den Vorstellungen des nationalistischen, monarchistischen Alfredo Rocco, der seine Idee einer starken, konservativen, autoritären Regierung mit Hilfe der oben erwähnten Gesetze verwirklichen konnte. Sein Motto war, eine »neue Legalität zu bilden, um zur Legalität zurückzukehren«: Die neuen Gesetze sollten die Leistung der faschistischen Revolution widerspiegeln, die zu »einer Veränderung des Regimes, aber nicht nur der Regierungsmethode, sondern auch der Mentalität, des politischen Geistes, der Auffassung des Staates« 14 geführt hatten. Die politische Vision Roccos zielte nicht nur auf Schutz und Verstärkung des Regimes gegen jeden von der Opposition unternommenen Versuch, den Faschismus umzustürzen, sondern auch auf die Sicherung der internen Stabilität, um Veränderungen des politischen Systems und der Machtverteilung von Seiten der Faschisten vorzubeugen. Der Primat des monarchischen Prinzips und die Abschaffung der demokratischen Normen und Regelungen waren einerseits auf die Verstärkung des Faschismus gegen interne Opposition, andererseits auf die Begrenzung der faschistischen Macht dem König gegenüber gerichtet.15 Was die kulturelle Freiheit und die öffentliche Meinung betrifft, war die Veränderung der Funktion der Presse exemplarisch: Sie wandelte sich zu »einer nationalen Presse, die innerhalb des Machtbereichs des Staates wirkt und der Kontrolle und der Sanktion des Staates unterliegt, und zu einer faschistischen Presse, die Instrument des Regimes ist, eine bereite, sichere, außerordentliche Waffe der faschistischen Revolution«.16 Anfang der 30er Jahre bedeutete dies eine weitere Schwächung der antifaschistischen Opposition: Der interne, intellektuelle Widerstand sammelte sich um Benedetto Croce und andere Akademiker und Gelehrte wie Lombardo-Radice; die Kommunisten waren weiter in den Fabriken tätig, aber das Exil und die Verhaftung vieler Führer und Mitglieder bedeutete eine erhebliche Schwächung ihres Einflusses. Gleichzeitig versuchte Mussolini, die Einigkeit des Staates durch die Unterdrückung der internen Feinden – der intransigenti – zu erreichen. Fa170 rinacci trat am 30. März 1926 vom Parteisekretariat zurück, und an seiner Stelle wurde Augusto Turati ernannt: Dieses Ereignis markiert den Anfang der Schwächung der faschistischen Partei in der politischen Machthierarchie und die daraus folgende Auflösung der intransigenti, die bisher innerhalb des Faschismus eine alternative Linie zu Mussolini vertreten hatten. Die Funktion des neuen Sekretärs Turati sollte nach Mussolini darin bestehen, die »Einordnung« zu vollenden und die Partei in ein treues Instrument Mussolinis zu verwandeln, damit jede Kritik und Abweichung von der Regierungspolitik unterdrückt würde und die hierarchische Kontrolle und die Macht Mussolinis unumstritten bleiben sollten. »Um die PNF ›einzuordnen‹ und sie in das faschistische Regime ganz einzufügen, war es nach Mussolini nötig, der Partei jeden eigenen Charakter, jede nicht nur politische, sondern auch soziale Besonderheit zu nehmen; es war nötig, sie komplett an die Realitäten, auf denen seine Macht im Lande beruhte, anzupassen ... ».17 Die Homogenität von Partei und Staat und ihre komplette Abhängigkeit vom Regime bedeutete das Ende der »Provinzen« und der inoffiziellen »ketzerischen« Tendenzen der intransigenti, die innerhalb weniger Jahre aus den Kadern entlassen wurden – obwohl ihr Führer, Farinacci, nie aus der PNF ausgeschlossen wurde. Was an der Arbeit Turatis im Parteisekretariat von 1926 bis 1930 beeindruckend und zugleich beängstigend war, war der Umfang der Säuberungen und der Zensur der faschistischen Presse. Schon in den ersten Monaten wurde eine so starke Disziplinierung der Presse vorgenommen, daß 30 faschistische Zeitschriften abgeschafft wurden – natürlich war die Mehrheit von ihnen intransigenti-orientiert. Die Säuberung der Partei folgte demselben Schema: Bereits während des ersten Jahres wurden 2.000 Parteileiter und 30.000 Mitglieder ausgeschlossen; in den folgenden Jahren wurden diese Maßnahmen derart intensiviert, daß die Mehrheit der intransigenti schon 1928 nicht mehr in der PNF war18 – nicht nur wegen der Säuberung, sondern auch, weil die meisten sich nicht länger nach der Politik der Partei Turatis richten wollten. Sie wurden durch die »neuen« Faschisten ersetzt, d.h. durch fiancheggiatori, Exponenten des Bürgertums, ehemalige Liberale. Die Physiognomie der Partei hatte sich also gänzlich verändert: Die Mehrheit der Mitglieder bestand Ende der 20er Jahre aus Industriellen, Geschäftsmännern und Vertretern des Bürgertums.19 Giovanni Giuriati, Parteisekretär von 1930 bis 1931, führte die Politik der Säuberung von ehemaligen intransigenti und auch von einigen »neuen« Faschisten weiter, so daß nach 171 nur einem Jahr die Zahl der (männlichen) Mitglieder der PNF um weitere 21.500 gesunken war. Aber erst unter Starace (1931-1939) wurde die komplette Abhängigkeit der PNF von Mussolini und ihre Absorption im Staat als eine rein bürokratische Institution für die Organisation der politischen Propaganda und für die sogenannte politische, moralische, faschistische Erziehung erreicht. Die jetzt »eingeordnete« Partei sollte sich in verschiedenen Organen um Freizeit und Sport, politische Demonstrationen und faschistische Massenrituale kümmern und so die »Einordnung« des gesamten italienischen Volkes verwirklichen. Letztlich war dieses Projekt zum Scheitern verurteilt, was sich immer deutlicher in den Polemiken der Zeitschriften dieser Jahre zeigt. Die Gründe für das Scheitern der Disziplinierung der Gesellschaft und der Verwaltung im faschistischen Regime – der bedeutendste Teil der sogenannten Faschistisierung der Gesellschaft – lagen im ursprünglichen Charakter des Faschismus und in seiner Geschichte: Der Faschismus hatte auf Kompromissen mit verschiedenen Kräften und auf einem von Mussolini geschaffenen Gleichgewicht dieser Kräfte beruht. Drei Faktoren verdeutlichen dies: erstens die Bewahrung einiger Spuren der alten liberalen Gesetze, die einige Stände – etwa die Universitätsprofessoren, die erst 1931 den Eid auf das faschistische Regime leisten mußten – noch schützten; zweitens die Mitgliedschaft alter liberaler Politiker in der PNF, die den Faschismus nicht aus Überzeugung, sondern aus Bequemlichkeit gewählt hatten; drittens der Mangel einer »wahren« faschistischen, politischen Elite. Die faschistische Bürokratie bestand aus den alten liberalen Bürokraten und Politikern, die noch mit den alten Normen und der alten Mentalität verbunden waren. Die Unzufriedenheit der »alten« wie auch der neuen Generation der Faschisten wurde außerdem vom Ende der politischen Bedeutung des faschistischen Syndikalismus verursacht, der für viele Faschisten eine originäre ökonomische Vision zur Vollendung der Suche nach dem »dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Kommunismus dargestellt hatte.20 Dem Syndikalismus Edmondo Rossonis gemäß sollten die faschistischen confederazioni (Arbeitergewerkschaften) nicht nur die Verbindung der Massen zum Faschismus herstellen und sie zum Zweck der Anerkennung ihrer Interessen organisieren, sondern einen wirklichen Ansprechpartner der Industrie bilden; der Streik war nicht nur eine Handlungsmöglichkeit der Arbeiter, sondern ein »Kriegsakt«, der erklärt werden sollte, »um das Monopol der Organisationen 172 zu brechen, die ihre individuellen Interessen jenen der Nation und der Produktion überordnen.«21 Der Streik der faschistischen confederazioni im Jahr 1925 war zugleich Zeichen ihres Erfolgs und der Anfang ihres Konfliktes mit der Industrie, der mit dem Abkommen von Palazzo Vidoni und der darauf folgenden Stellungnahme des Gran Consiglio endete, welche zur Entscheidung des Streikverbots und damit zur Niederlage des Syndikalismus führten. Diese Auseinandersetzung, die von den wichtigsten Figuren des Faschismus wie Bottai, Turati und Rocco geführt wurde, erreichte 1928 ihren Höhepunkt, als Mussolini die Umwandlung der nationalen confederazioni in provinzielle, voneinander unabhängige confederazioni beschloß und damit das Ende jeder gemeinsamen, organisierten Politik des Syndikalismus22 herbeiführte. Die Unterdrückung neuer und originärer Initiativen und Debatten innerhalb des Faschismus und die ständige Anpassung an die ökonomischen und politischen Kräfte könnten ein Grund für die Enttäuschung alter und neuer Faschisten gewesen sein, die zu unterschiedlichen Reaktionen führte. Die Zeichen einer ideologischen bzw. einer Legitimierungskrise des Faschismus finden sich in vielen Äußerungen zeitgenössischer Intellektueller und Politiker: in der Forderung der revisionisti, eine faschistische, politische Elite zu bilden, in den Klagen und der Unzufriedenheit der frühen Faschisten – unter anderen der alten intransigenti Maccari und Suckert – und in der Verwirrung und dem Unbehagen der Jugend – was von der faschistischen Intelligenz als »Probleme der Jugend« bezeichnet wurde.23 Die Gewinnung des Konsenses Mussolini war sich bewußt, daß er nur mit Gewalt weiter regieren konnte, weil sein charismatischer Einfluß auf die Massen zwar den Erfolg in den 20er Jahren bewirkt hatte, aber das grundsätzliche Problem des Fortbestehens des Faschismus in einer »normalisierten« Situation nicht lösen konnte. Er mußte sich also mit der Frage befassen, wie ein stabiler Konsens zu erreichen war, was eine komplizierte Aufgabe darstellte, da sich eine solche Politik an viele verschiedene soziale Schichten zugleich richten und all die gegensätzlichen Bestandteile des Faschismus umfassen sollte. Einerseits mußte Mussolini seinen persönlichen Erfolg bei den Massen jederzeit bestätigen und vorzeigen können, selbst wenn er nicht Folge einer »intimen« Verbindung, son173 dern nur einer begrenzten, passiven Zustimmung war. Um dieses kurzfristige Ziel zu erreichen, bediente er sich verschiedener Rituale und der Propaganda und schuf dafür zuständige Institutionen. Andererseits war die passive Reaktion der Massen nicht zuverlässig. Der Weg zur langfristigen Dauer des Regimes führte für ihn über ein politisch-kulturelles Projekt, das sich an drei Empfänger richtete: die konservativen Kräfte, die Jugend und die Intellektuellen. Im Sinne dieser politischen Auffassung lassen sich das Abkommen mit dem Vatikan, die Bildungs- und Jugendpolitik und die traditionalistische Wende der faschistischen politischen Darstellungen als bedeutende politische Strategien dieser Jahre nennen. 1925 wurde eine Kommission (7 Laien und 3 Exponenten der Kirche und des Präsidenten, d.h. einem faschistischen Politiker) eingesetzt, um die schwierigen Beziehungen des Staates zur Kirche zu untersuchen und ein Abkommen über die Frage der kirchlichen Macht über ein Territorium und der Anerkennung der religiösen Vereine – insbesondere der Bildungsvereine – zu erreichen. Drei Jahre später, am 11. Februar 1929, wurden die Patti Vaticani zwischen Mussolini und dem Papst geschlossen. Das faschistische Regime hatte einen unbestrittenen Erfolg erzielt: Als erstes Regime hatte es nach der Wiedervereinigung Italiens ein friedliches Abkommen mit dem Vatikan zustande gebracht. Damit wurde natürlich die Verbindung mit der katholischen Öffentlichkeit und den konservativen Kräften – insbesondere den Nationalisten – gefestigt und gesichert. Die Conciliazione24 mit dem Vatikan bedeutete zwar den Gewinn eines wichtigen Wählerreservoirs für Mussolini, verursachte jedoch eine regelrechte »Verschiebung« des Konsens, die auf politischer wie auch kultureller Ebene nachwirkte. Ein großer Teil der ursprünglichen Faschisten – u. a. die Futuristen und die intransigenti – verteidigte immer noch die antiklerikalen Ursprünge der faschistischen Bewegung und strebte nach der kompletten Umwandlung der existierenden Institutionen im faschistischen Sinne, was im Widerspruch zur offiziellen Anerkennung des Vatikans als unabhängige politische Institution durch dieses Abkommen stand. Auch einige ehemalige Liberale lehnten die Patti Lateranensi ab: Für sie galt das Prinzip »freie Kirche in einem freien Staat«, das die Trennung der politischen von der religiösen Sphäre bedeutete, die in ihren jeweiligen getrennten Bereichen agieren sollten. Der wichtigste Exponent dieser Richtung war Giovanni Gentile, dessen Begriff des ethischen und totalen Staates mit der durch die Anerken174 nung der Kirche eingeführten Begrenzung seiner Souveränität nicht vereinbar war; der Staat sollte nämlich keine andere gleichwertige staatliche Institution innerhalb seines Territoriums anerkennen. In einem vor den endgültigen Patti veröffentlichen Artikel »La questione romana«25 vom 30. September 1927, in dem er jede Art eines Abkommens ablehnte und sich damit der Linie des Regimes widersetzte, erklärte er: »Die Wahrheit ist, daß die berühmte Conciliazione ... eine Utopie ist; und wenn es schöne und häßliche Utopien gibt, wie Manzoni bemerkte, läßt sie sich unter ersteren nicht einordnen ... «26 Wieso aber konnte der totale Staat im Sinne Gentiles, der »alle geistigen Werte enthält und gewährleistet«27, eine andere politische und moralische Institution in seinem Territorium anerkennen? Wie konnte der Staat als oberster Erzieher eine alternative religiöse Erziehung akzeptieren? Das Abkommen des faschistischen Staates mit dem Vatikan war für Gentile sowohl auf theoretischer wie auch auf politischer Ebene undenkbar. Der Staat als »ethische Substanz« und als Wille des Individuums war schon die universelle höchste Entität; sein Ziel lag sogar darin, alle Inhalte des Lebens zu entwikkeln. Aus diesem Grund konnte er keinen anderen souveränen Organismus billigen, da er dadurch auf seine ethische Funktion verzichtet hätte. Auf politischer Ebene war die Versöhnung mit der Kirche ein Widerspruch, weil der Staat keinen unabhängigen Organismus – einen anderen Staat – schaffen konnte. »Der Staat, den die Kirche [für ihre Anerkennung] benötigt, kann nicht aus dem Willen und dem Akt des italienischen Staats entstehen, der immer Herr über seinen Willen bleibt, und deswegen das Recht hat, den Staat der Kirche zu modifizieren und abzuschaffen«.28 Die Auseinandersetzung führte zum Streit zwischen Gentile und dem Bruder und Mitarbeiter des duce, Arnaldo Mussolini, sowie vielen Exponenten der Kirche. Dies schwächte die Position Gentiles im faschistischen Regime nachhaltig29 und nötigte ihn am Ende zur Revision seiner Position.30 Die Diskussion wirkte aber nicht nur auf das politische Prestige Gentiles, sondern auf das ganze intellektuelle Feld, indem es die Anpassung der offiziellen Kultur dieser Zeit an die Richtung des Regimes förderte und die zunehmende Bedeutung der nationalistischen Staatskonzeption zeigte. Dadurch wurde deutlich, daß der Aktualismus dem Faschismus nicht nur keine philosophische, politische und kulturelle Basis bot, sondern auch teilweise im Gegensatz zu einigen Grundlinien des Regimes stand. Außerdem verursachte 175 diese Polemik eine neue Strukturierung des politischen und intellektuellen Milieus: Durch den Frieden mit der Kirche und ihre Einbindung erreichten neue politische und intellektuelle Exponenten eine zentrale Stellung im Regime, während andere »alte« und antiklerikale Faschisten – wie Gentile – teilweise keine zuverlässigen und treuen Ideologen des Regimes mehr sein konnten. So läßt sich auch eine zunehmende Präsenz – nach der Historikerin Mangoni sogar eine Art von Hegemonie31 – der klerikalen Autoren in einigen Zeitschriften dieser Zeit (»Critica fascista«, »Il Selvaggio«), die Gründung von klerikalen Exponenten geleiteter Zeitschriften (wie »Il Frontespizio«) und eine Abkehr vom Paradigma des Idealismus, der bis zu dieser Zeit die Kultur beherrscht hatte32, erklären. Eine andere Strategie Mussolinis zur Erlangung eines stabilen Konsenses stellte die Mobilisierung der Jugend dar, die schon immer eine zentrales Anliegen totalitärer Regime gewesen war33, aber in Italien zum besonderen Ziel vielfältiger Organisationen und Anstrengungen des Staates gemacht wurde.34 Die Funktionen und die Geschichte dieses Aspekts des Regimes können hier nicht eingehehend untersucht werden; relevant ist hier einerseits das Projekt Mussolinis, eine neue italienische Kultur und Zivilisation durch Einflußnahme auf die Bildung und Kultur zu schaffen, andererseits das Scheitern dieser Initiative und die nachfolgende Krise der Legitimation und des Konformismus sowie die daraus resultierende Verwirrung der jungen Generation. Es ist bemerkenswert, daß all diese Anstrengungen zur Bildung der jüngeren Faschisten letzten Endes nicht zu einer neuen Diskussion über die faschistische Ideologie und zu einer originären künstlerischen oder literarischen Bewegung im intellektuellen Feld führten, sondern nur eine konformistische Literatur und Kunst erbrachten. Es wäre zwar falsch, zu sagen, daß sich überhaupt keine Innovationen entwickelt hatten; doch die innovativen Künstler und Schriftsteller waren meist Randfiguren, die manchmal als gefährliche interne Opponenten angesehen wurden und oft die Krise der jüngeren kulturellen Exponenten deutlich machten.35 Aus dem vom Regime verherrlichten Projektes der »Schaffung der jüngeren Eliten«, in das viel Energie investiert wurde, entstand oft nur die Enttäuschung und der Konformismus der »neuen« Faschisten. Was die Bildung der Jugend betrifft, so trafen sich hier widersprüchliche Ziele und Ansprüche des Regimes. Sofern faschistische Prinzipien gefördert 176 und verteidigt wurden, wurde die aktive Teilnahme am politischen und kulturellen Leben propagiert – aber tatsächlich waren die einflußreichen Machtpositionen weiterhin von der alten Generation besetzt. Innovation und Kreativität sollten der »Stoff« des jungen Italien sein – aber in Wirklichkeit entwickelte sich eine Literatur, die die Tradition in Kunst und Literatur lobpries und deshalb »freier« war und vom Regime mehr Unterstützung erhielt, weil sie nicht als zu »ketzerisch« betrachtet wurde. Alle diese Widersprüche gingen auf die grundsätzliche Antinomie zwischen der Selbstdarstellung und der Realität des Regimes zurück. Die Diskurse Mussolinis und vieler Faschisten betrachteten den Faschismus immer noch als eine Revolution, welche sozialen Friede, Wohlfahrt und Gerechtigkeit bringen und die kritische Debatte fördern sollte; in Wahrheit war er mit den Interessen der Bourgeoisie verbunden und die faschistische Politik war nicht nur konservativ, sondern teilweise reaktionär und immer autoritär. Die Lobpreisung der Initiativen der Jugend hätte zum Anspruch einer Liberalisierung des Regimes führen können, wenn sie ernst genommen worden wäre; die Slogans der Gerechtigkeit hätten die kapitalistische Herrschaft der regierenden Elite in Frage gestellt, wenn die Jugend sie verwirklicht hätte. In Wahrheit wurde nicht nur keine Kritik, sondern auch kein Anspruch auf die Vollendung der faschistischen Prinzipien zugelassen, da beide das unter Anstrengung erreichte faschistische Gleichgewicht hätten zersetzen können. Das Kennzeichen des frühen Faschismus – seine revolutionäre Imagination und sein konservativer Geist – wurde nur genutzt, um den nötigen Konsens zu erreichen, und verkümmerte dann zur Propaganda.36 Die Kultur dieser Zeit war von zwei gegenseitigen Tendenzen gekennzeichnet: dem Konformismus und den »utopischen« Interpretationen des Faschismus. »Die Presse interessiert die öffentliche Meinung, weil sie zu uniform ist. Das ist nicht neu, aber es ist trotzdem wahr ... Ist das Regime für diese Uniformität der Presse verantwortlich? Ich glaube es nicht ... Die einzigen Männer, die das Recht haben, die allgemeine Richtlinien vorzugeben – der Duce und der Parteisekretär – behaupteten wiederholt, daß man diskutieren kann, daß man diskutieren muß ... Warum wird dann so wenig diskutiert und so viel gebrummt? Weil auch Diskutieren voraussetzt, daß man Ideen und den Mut hat, sie zu zeigen ... Weil Diskutieren in der Presse eine Gefahr sein kann, weil immer jemand päpstlicher als der Papst ist, und die Interpretation des zentralen Willens in der Peripherie nicht perfekt ist.«37 Dieser 177 Artikel von 1931 verdeutlicht die Konfusion und die Vielfältigkeit der Interpretationen des Faschismus, die dazu verleiten könnte, eine »zu« kritische Vision des Faschismus zu vermitteln, was auch in der Untersuchung von Michael Leeden38 gezeigt wird. Die Gefahr bestand eben auch darin, »päpstlicher als der Papst zu sein«, die in den Diskursen so verherrlichten Ideale des Faschismus zu ernst zu nehmen und deswegen als ein interner Opponent betrachtet zu werden. Tatsächlich waren die Themen und Haltungen in Kunst und Literatur von zunehmendem Konformismus und Traditionalismus gekennzeichnet. Da sie sowohl auf die Strategien und Visionen Mussolinis, als auch auf das intellektuelle Leben wirkten, läßt sich die stärkere traditionalistische und konservative Wandlung der faschistischen Selbstdarstellung unter zwei Aspekten betrachten. Auf der politischen Ebene richtete sich die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf die Propaganda, die traditionelle Ideen wie Heimat, die Werte der Agrargesellschaft, die Wiederherstellung der Traditionen und des römischen Imperiums verbreitete.39 All diesen unterschiedlichen »neuen« Mythen war ihr traditionalistischer Kern gemeinsam, d.h. ihre Bindung an eine Tradition blieb so unbestimmt, daß sie sich nach den Wünschen unterschiedlicher sozialer Gruppen deklinieren ließ. Tradition als loser Zusammenhang von Vorstellungen – Heimat, Agrargesellschaft – konnte in der Tat ganz verschiedene Schichten an sich binden: die Kleinbürger und die Bauern, die im Faschismus endlich Schutz und Unterstützung für ihre Lebensprinzipien und ihre Klasse finden wollten, die Rechtskonservativen und die extremen Nationalisten, die immer eine imperialistische Politik angestrebt hatten, die Reaktionäre, welche Autorität und hierarchische Ordnung in einem ruhmreichen Imperium wünschten, und schließlich auch einige ehemalige Liberale, welche noch durch die Erinnerung an das Risorgimento und den Unabhängigkeitskrieg geprägt waren. Eine komplexe und widersprüchliche, aber sehr geschickte Mischung propagandistischer Ideen sollte die Massen und die Intellektuellen überzeugen und sie in eine Art politisch-religiöser Atmosphäre führen, in der der Faschismus nicht nur die Rolle einer politischen Doktrin, sondern die des Trägers einer spirituellen Mission spielen sollte. Die Praktiken der »politischen Überzeugung« waren so organisiert, daß sie von den Akademien und Instituten für die Hochkultur getrennt wurden. Die Massen sollten von der mythischen Figur des Duce unterjocht werden: dieses Ziel strebten ein Ministerium (Ministero della Cultura Popolare) und die 178 Partei an, die bombastische Inszenierungen vorbereiteten. Doch die Vereinnahmung und Kontrolle der kulturellen Welt nahm ganz andere Wege, nämlich die der Unterdrückung und der Förderung. Jene wurde mit Zensur und Kontrollinstitutionen gesichert und gipfelte im Eid der Lehrer im Jahr 1929 und der Akademiker im Jahr 1931; diese bestand in der Gründung und Finanzierung einer Reihe faschistischer Akademien, Schulen, Ausstellungen etc. 1925 eröffnete Giovanni Gentile das Istituto Nazionale Fascista di Cultura, und noch im selben Jahr wurde die Gründung der faschistischen Reale Accademia d’Italia angekündigt, welche den intellektuellen Bewegungen helfen und sie fördern sollte. Seit 1922 existierte die Gewerkschaft der »intellektuellen Arbeiter« (Sindacato Nazionale del Lavoro Intellettuale), die sich in ihrem Programme als »faschistische intellektuelle Arbeiter« darstellten, »die dem Proletariat durch ihr Kulturschaffen helfen wollten und zur Belohnung dessen Disziplin, Liebe für die Arbeit und spontane Mitarbeit verlangten«.40 Die grundlegende Idee all dieser Institutionen bestand darin, daß Literatur, Kunst und Wissenschaft ein einziges Ziel haben sollten: die Entwicklung der faschistischen Gesellschaft. In einem Manifest der »offiziellen« Künstler des Regimes der 30er Jahre wurde dies auf tragische Weise deutlich: »Im faschistischen Staat hat die Kunst eine soziale Funktion: eine erzieherische Funktion. Sie muß die Ethik unserer Zeit übertragen. Sie muß dem gemeinsamen Leben die Einheit des Stils und die Größe der Linien geben. Die Kunst wird also wieder werden, was sie in ihren höchsten Zeiten und in den höchsten Zivilisationen war: ein perfektes Instrument der spirituellen Regierung. Der individualistische Begriff des l’art pour l’art ist veraltet.«41 Die Umformung des intellektuellen Feldes »Die scheinbar zerstörerische, ironische, selbstkritische Literatur der ersten 20 Jahre des Jahrhunderts hat ihren Anhaltspunkt im Marsch auf Rom gefunden, indem sie einer sich zunehmend verfestigenden Macht und einem mit eigenen Initiativen ausgestatteten, kraftvollen politischen Regime gegenüber entweder schmeichlerisch wird und sich mit den gemeinen Diensten der Lobhudelei der Mächtigen beschäftigt, oder eine akademische Mentalität 179 wiederherstellt, mit tausend Sorgen um die Form und den Stil, mit Tendenzen zum Traditionalismus, zu ausladenden Kompositionen, zur Geziertheit und Virtuosität.«42 So lautet die klare Analyse des faschistischen Intellektuellen Camillo Pellizzi, der das Problem des Fehlens einer jungen politischintellektuellen Elite der autoritären und antikritischen Haltung des Faschismus zuschrieb und das Fehlen des freien und kreativen Denkens und Diskutierens innerhalb des Regimes beklagte. Dieser Konformismus der Literatur Ende der 20er Jahre muß mit der zunehmenden politischen Zensur und der Schwierigkeit, eine offene und freie Diskussion innerhalb der faschistischen Kultur zu führen, in Zusammenhang gebracht werden. Dies bedeutet, daß das intellektuelle Feld nicht unverändert blieb: Es wurde immer stärker von den politischen Anforderungen beeinflußt und gestaltet und immer abhängiger vom Regime. Will man eine Karte des intellektuellen Feldes dieser Jahren zeichnen, so läßt sich weder eine klare Abgrenzung zwischen den intellektuellen Strömungen ziehen, noch eine deutliche Gegnerschaft – auch nicht zwischen den Nationalisten und den Idealisten – oder die Entwicklung eines neuen künstlerischen oder wissenschaftlichen Projektes, das von den alten Auffassungen ausgeht und sie erneuert, ausmachen. Dies könnte seine Ursache im Konformismus der Kultur haben, der von einigen Intellektuellen beschrieben wurde, oder in der Leere und dem Fehlen ernster Diskussionen, Ideen, Vorschläge, die zu jener Zeit unter dem Begriff »Krise der Jugend« subsumiert wurden. Wie das politische Feld, in dem eine scheinbar monolithische Struktur durch die Unterdrückung der externen und internen Gegner und durch die Absorption der Mehrheit der konservativen Kräfte gebildet wurde, die seine internen Spannungen verdrängte, kann das intellektuelle Feld als eine scheinbar homogene Struktur ohne bedeutende Konflikte und Diskussionen dargestellt werden. Zusammenfassend läßt sich das Verschwinden der extremen Positionen, die entweder in den Strömungen der revisionisti absorbiert oder stark zensiert wurden, als Produkt einer allmählichen Heteronomie im intellektuellen Feld betrachten: Die Gruppen der rechtsextremen und linksextremen Intellektuellen verloren ihre politische und kulturelle Rolle, ihre Zeitschriften wurden zensiert oder von der einen oder anderen regimenahen Strömung geschluckt, sie vertraten keine originären intellektuellen und politischen Position mehr. Auch ihre Verbindung mit den intransigenti wurde geschwächt wie jene mit 180 der revolutionären Auffassung der schon völlig marginalisierten futuristischen Bewegung. Die unterschiedlichen Strömungen des Faschismus in der Kultur wurden auf eine monolithische Einheit reduziert, so daß sich auch die politische und kulturelle Opposition der Gruppen radikaler Intellektueller in den Protest einzelner verwandelte, also unorganisiert blieb. Diskussionen wurden zwar geführt – in »Critica fascista« oder unter den Schülern Gentiles -, aber ihnen lag keine wirksame Kritik des Faschismus und seiner Methoden zugrunde. In dieser Hinsicht verdeutlichte der Konflikt über das Abkommen mit dem Vatikan eine vom Regime unterdrückte Auseinandersetzung und Spaltung im intellektuellen Feld und zeigte zwei wichtige Faktoren: den Verlust des Einflusses der aktualistischen Philosophie in der Politik und in der Kultur und die Existenz einer politischen Opposition gegen die Abkommen. Diese bestand aus einer »Restopposition« der intransigenti, die aber keine kulturelle, kritische Kampagne gegen das Regime organisierte, dem Philosophen Gentile und schließlich einer neuen Gruppe von »Superfaschisten« unter der Führung Julius Evolas. Die Verknüpfung mit den schon analysierten Strategien zur Neutralisierung und Absorption der Andersdenkenden und mit der Politik des Konsenses soll verständlich machen, daß die von den Intellektuellen und der Jugend der Zeit wahrgenommene Leere damit verbunden war, daß sich die Kritik und jeder Versuch zur Erneuerung des Kunst- und Politikbegriffs erschöpft hatte. Der Konformismus der damaligen Literatur muß ebenso mit dem Ende der integralistischen Kritik wie mit dem Niedergang des aktualistischen philosophischen Paradigma in Zusammenhang gebracht werden. Nicht nur die selvaggi verloren an politischer Wirksamkeit und wurden durch die zunehmende Kontrolle des Regimes neutralisiert, sondern auch der Philosoph Gentile wurde trotz seiner einflußreichen Position im Regime in seiner direkten Mitwirkung an der faschistischen Politik eingeschränkt. Die Jungen und die Alten: Konformismus und Absorption der ketzerischen Tendenzen Die Unterdrückung der kommunistischen und sozialistischen Intellektuellen hatte schon zur Verarmung des kulturellen Lebens geführt, aber die zunehmende Zensur gegen die intransigenti, ihre Marginalisierung oder ihre Ab181 sorption innerhalb der regimetreuen Institutionen und kulturellen Initiativen wie auch die Unterdrückung einiger Exponenten der revisionisti – Massimo Roccas z. B. – bedeuteten das Ende jeden Versuchs, eine grundlegende Diskussion über die faschistischen Ideale zu führen. Da die Partei sich zudem in eine Organisation für Massenpropaganda wandelte, verlor sie dementsprechend jede Möglichkeit, irgendwelchen Einfluß im Staat und in der Regierung zu gewinnen – früher hatte der squadrismo immerhin noch eine eigenartige interne »Demokratie« innerhalb der Partei sichergestellt. Diese zwei Phänomene verstärkten einander: Die Zensur und die Kontrolle über die Kultur verschärften die Folgen der Marginalisierung der intransigenti und führten zu einem direkten Ausschluß integralistischer Intellektueller. Dem Mangel an interner Diskussion in den Eliten und einer langfristig erfolgreichen Politik, neue politische Eliten zu bilden, entsprach die parallele Krise der Jugend und der jüngeren Intelligenz. Alle bedeutenden Exponenten des revolutionären Faschismus, viele »Träger« der Erneuerungsansprüche, waren entweder schon absorbiert oder an den Rand geschoben. Die Futuristen waren spezialisierte Techniker der Massenkommunikation oder Vertreter der l’art pour l’art geworden; ihr künstlerisches und politisches Erneuerungsprojekt war schon veraltet.43 Der Aktualismus wurde zwar von einer Reihe Intellektueller und Kultur- und Politikorganisatoren – u.a. den revisionisti – weiterhin als Vorbild betrachtet, aber nicht wesentlich weiterentwickelt; erst in den 30er Jahren sollte ein Schüler Gentiles, Ugo Spirito, eine neue und sehr einflußreiche Auffassung des Idealismus erarbeiten.44 Die immer größer werdende und intern differenzierte Gruppe der ehemaligen revisionisti um Giuseppe Bottai versuchte, die alten »Ketzer« – die selvaggi – zu absorbieren und eine Diskussion über die ungelösten Fragen der Staats- und Kulturorganisation auszulösen, doch ihre Doppelbeziehung zu Mussolini, d.h. ihre Position als Exponenten der Kultur des Regimes und ihr Interesse an der Analyse und Bildung der faschistischen Kultur – führte dazu, daß letztlich keine neue Definition der Kultur und der Politik erarbeitet wurde. Hinzu kam, daß auch die Diskussionen zwischen den jungen und alten faschistischen kulturellen Exponenten keine Auswirkung auf die politische Praxis hatte. Die Generation des Weltkriegs und der Machteroberung des Faschismus – die Generation von Bottai, Marinetti, Gentile, Maccari, Malaparte, Carli, Settimelli – stellte noch Ende der 20er Jahre die Protagonisten der Kultur und der Politik, obwohl die Diskussionen und die Polemiken der ersten Jahre 182 des Faschismus stark abgeschwächt waren. Wenngleich die integralistischen Intellektuellen immer isolierter dastanden, wurden doch einige Intellektuellen der neuen Generation von ihnen noch maßgeblich geprägt. Die Ende der 20er Jahre immer deutlicher werdende Entfernung von den »alten Meistern«, unter denen der Aktualismus Gentiles und insbesondere dessen Auffassung der Einheit von Philosophie, Politik und Geschichte hervorzuheben sind, konnte nur in einer Generation stattfinden, die die intellektuelle Debatte zu Anfang des Jahrhunderts und den Krieg nicht selbst erlebt hatte. Diese Jugend, die nur im Faschismus gelebt hatte und das intellektuelle Erneuerungsstreben und die Revolution nur als Teil der Geschichte kannte, stand den »Meistern« Croce, Einaudi, aber auch Pareto und Gentile mit Befremden gegenüber. Sie hatte nur die Rhetorik der faschistischen Akademie, den Konformismus der Zeitschriften und die akademische Macht der faschistischen Professoren erfahren, und wußte weder von einer Debatte und tragischen Auseinandersetzung unterschiedlicher, vom politischen Einfluß unabhängiger intellektueller Strömungen und Lebensauffassungen, noch von kulturellen Erneuerungsprojekten, die auf eine totale Umwälzung des Lebens abzielten. Die hier betrachtete Krise der faschistischen Generation der Zwanzigjährigen, die keine Begeisterung für die faschistische Akademie, für die Philosophen und die Künstler hegten, ging entweder in eine opportunistische und konformistische Haltung45 über, oder die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Kultur führte zur Annäherung an unorthodoxe – wie die selvaggi – oder sogar kommunistische Denker, und manchmal zum Konflikt mit dem offiziellen Faschismus. So schrieb Berto Ricci, einer der bedeutendsten Exponenten dieser jungen Generation: »Zuviel Orthodoxie ... zuviel Einklang: Es ist nicht sicher, daß der Einklang Übereinstimmung ist. Vorteile? Einige sind da, aber es gibt auch Gefahren. Zuerst die des Reichtums der Mittelmäßigkeit ... Und wir glauben nicht, daß wir gezwungen sind, zwischen einer gegenwärtigen Mittelmäßigkeit und einer vergangenen Mittelmäßigkeit zu wählen, die noch teilweise überlebt; zwischen der schlechten Literatur des X. Jahres [der Revolution, 1932] und der des 19. Jahrhunderts; schließlich zwischen den faschistischen Wiederholungen und den liberalen Wiederholungen ... In Italien gibt es Leute, jüngere Leute – die bereits anfangen, sich kennenzulernen und 183 sich zu zählen – die keine Lust haben, die Schmeichler zu spielen, die überprüfen, analysieren, ihren Horizont wechseln, die Häresie riskieren ... »46 Diese aktive Jugend war von Maccari und Settimelli fasziniert, von ihrer Konsequenz und von ihrem Versuch, zu einer alternativen Vision des Faschismus beizutragen. Maccari und Settimelli wurden zusammen verehrt, obwohl sie ganz unterschiedliche Visionen des Faschismus vertraten. Dino Garrone, Berto Ricci und Edoardo Persico47 gründeten 1930 mit dem ehemaligen selvaggio Gioacchino Contri die Zeitschrift »Il Rosai«, um die italienische Kultur gegen die Kunst und die Kultur des Regimes – insbesondere die akademische Kultur und die Strömung 900 – zu verteidigen. Insbesondere Ricci verstand sich als Nachfolger der selvaggi: Er hatte schon mit Maccari gearbeitet, um antidealistische, realistische, typisch traditionelle, kulturelle Werte wiederherzustellen und den Mythos der Revolution weiterzuführen – sogar der bolschewistischen Revolution. Gleichzeitig waren die Leiter von »Rosai« auch Freunde Settimellis; Berti veröffentlichte in »L’Impero«, und Settimelli unterschrieb mit ihm 1930 das Manifest »Svaticanamento« gegen den Vatikan. Ihren Anspruch auf den antibürgerlichen, reinen Geist des Faschismus betrachteten diese Jüngeren als Basis ihres Engagements: »Die Verspottung und die Ironie der Moderaten, der Lügner, der Unparteiischen, der Kritiker, der Feinen, der Journalisten beeindrucken uns nicht: über die Unreinen ... lachen wir nur ... ».48 Trotz der Kritik und des persönlichen politischen Engagements einiger Jüngerer wie Berto Ricci waren auch für sie Kunst und Literatur von der Politik getrennt. Keiner von Ihnen war ein Kulturorganisator, der versuchte, eine alternative politisch-intellektuelle Vision des Faschismus durchzusetzen und eine Polemik gegen die Autoritäten zu initiieren. In diesem Sinne waren diese Jüngeren ebensowenig Nachfolger der intransigenti wie der Mitarbeiter und neue Leiter von »Il Selvaggio«, Ardengo Soffici. Sie waren nämlich in diesen Jahren unfähig, eine umfassende Kritik zu entwickeln, die den Bereich der Kunst und der Literatur überschritt, um eine ideelle Auffassung des menschlichen Lebens zu entfalten. Andererseits erschöpfte sich die von Teilen der Jugend mit Interesse verfolgte politische Bedeutung der intregralistischen Intellektuellen – die sogenannte faschistische fronda (Opposition) der Jahre 1924-25 – nach den Auseinandersetzungen mit Mussolini. Ihre Exponenten wurden entweder in faschistischen intellektuellen Gruppierungen absorbiert (selvaggi), ihre politischen Interventionen wurden immer seltener 184 (Suckert) oder sie wurden noch stärker zensiert (Settimelli). Sie waren nicht mehr Katalysatoren der alternativen Visionen der Bewegung und Organisatoren der extremistischen Intellektuellen, sondern nur noch isolierte Künstler und Literaten, die ihre rein persönliche Kritik an bestimmten politischen Fragen übten. Sie waren und wurden andererseits nie Vertreter der faschistischen Kultur, was auch in der Haltung Mussolinis ihnen gegenüber und in ihrer prekären Lage innerhalb der faschistischen Kultur deutlich wird. Vom Duce wurden Maccari und Suckert als »Frondiste«, als polemische Journalisten, Settimelli als Exponent einer »Kultur, die sich mit Flüchen und Beschimpfungen ausdrückt«49, beschimpft. » ... Sie leiden unter der Krankheit des Exils von etwas, das nicht ist, von einem Land, das nicht existiert. Sie suchen Trost in einem unerreichbaren Hinterland, das für sie Bollwerk einer auf dem Nichts der unnützen Erfahrungen und der Ideenkonfusion basierenden poetischen Kultur [ist].«50 Suckert51 führte, trotz seiner sporadischen, ironischen und subtilen Polemik gegen das Regime52, die aber keine politische, alternative Vision darstellte, für kurze Zeit nur den künstlerischen Teil der »integralistischen Revolution« weiter. Er wirkte mit Maccari und seinem Nachfolger an der Leitung von »Il Selvaggio«, mit Ardengo Soffici an der Debatte zwischen den Verteidigern der Kunst der »Provinzen« (strapaese) und der künstlerischen Strömung 900 (stracittà) mit. Strapaese war »die Behauptung ... des aktuellen, wesentlichen, unverzichtbaren Werts der typisch italienischen Sitten und Traditionen, die im Land ihren Ausdruck, Hüter und Erneuerer finden«53, und widersetzte sich den Ansprüchen der Gruppe 900, eine europäische Kunst zu bilden, die als rein ästhetisches Spiel zu verstehen sei, in dem der Künstler seine Arbeit nur als Erzeugung von Mythen begriff54, ohne irgendwelchen Anspruch an der Diskussion und Intervention am politischen Leben zu erheben. Diese Polemik offenbarte die Entleerung und die Ästhetisierung des moralischen Erneuerungsstrebens der ehemaligen integralistischen Intellektuellen, die aber auch dieses Mal gegen eine von Mussolini und vom Regime unterstützte Strömung kämpften. Obwohl Mino Maccari und Ardengo Soffici versuchten, eine eigene Position in der futuristischen Debatte zu vertreten und mit Suckert55 in »Il Selvaggio« die Auffassung der Kunst von strapaese, d.h. die Entwicklung eines eigenen italienischen literarischen und künstlerischen Ausdrucks, predigten, war für den Nachfolger Maccaris, Soffici, die Politik von der Literatur losgelöst. Kunst und Literatur waren ihm 185 Surrogate des politischen Engagements: »Alle wahren großen Italiener haben ...geschrieben oder gedichtet, wenn sie nicht handeln konnten.«56 Maccari selbst versuchte, sein politisches Engagement teilweise noch weiterzuführen, aber er war immer stärker isoliert, sogar in seiner eigenen Zeitschrift.57 Im Gegensatz dazu vergaß Carli noch stärker als Suckert seine politische Kritik und seinen revolutionären Anspruch im Futurismus: Nur zwei Jahre nach seinem politisch-intellektuellen Kampf für den faschistischen Futurismus predigte er den Künstlern die »Rückkehr in die Museen«58 Auf diese Art erledigte sich die Bedeutung der Revolte der intransigenti-Intellektuellen dadurch, daß die Aufgabe der Künstler als eine spezifische Tätigkeit verstanden wurde, um an der Entwicklung des Vaterlandes mitzuwirken. Die ästhetische Betrachtung des Faschismus als reiner »antitraditioneller, antikultureller« Stil verband sich bei Carli mit dem Verzicht auf politisches Engagement und mit der akritischen Annahme der Ideale des neuen Futurismus: der Intellektuelle als »Regime-promoter«.59 Emilio Settimelli blieb wie Maccari kohärenter und bezahlte für seine hartnäckige und utopische Vision, obwohl er den Integralismus nach seinem Kampf für die intransigenti weniger vehement weiterführte: »L’impero« wurde oft beschlagnahmt und Settimelli viermal aus der Partei ausgeschlossen – beim letzten Mal 1938 definitiv. 1933 wurde er auch vom Futurismus »exkommuniziert«60, nach einer Stellungnahme gegen Marinetti und Carli, als er den Anfang der »allgemeinen, reinen, futuristischen Revolte gegen die Erstarrung der von Marinetti geleiteten offiziellen futuristischen Bewegung«61 erklärte. Die Ächtung der integralistischen Intellektuellen ging mit der Absorption eines Teils von ihnen in der politischen Strömung der revisionisti einher, die sich auch auf deren Haltungen und Themen auswirkte. Um die Veränderung dieser Jahren besser erfassen zu können, kann die allmähliche Entfernung der revisionisti vom Paradigma des Aktualismus einerseits an ihrer zunehmenden Zusammenarbeit mit klerikalen Autoren, andererseits an ihrer Kollaboration mit den ehemaligen selvaggi abgelesen werden. Die von vielen heutigen Forschern62 als die bedeutendste kulturelle Strömung des Faschismus in diesen Jahren angesehenen revisionisti, insbesondere jene von »Critica fascista«, besaßen in den Debatten um die wesentlichen Themen – die Krise der Jugend, die Bildung der Elite und die Entwicklung einer kulturellen und politischen Erneuerung – eine gewisse Freiheit und eine spezifische Kompetenz. In der »Critica fascista« der späten 20er Jahre findet man überraschenderweise die Namen ehe186 maliger unversöhnlicher Gegner aus der Mitte der 20er Jahre als Mitarbeiter der Zeitschrift wieder: die ursprünglichen revisionisti (Casini, De Marsanich, Sammartano), die ehemaligen Nationalisten (u.a. Ugo D’Andrea und Filippo Carli), Syndikalisten wie Barni und Olivetti, Aktualisten wie Agostino Nacci und Luigi Chiarini, die katholischen Intellektuellen (u.a. Piero Bargelli und Eugenio Martire) und schließlich die selvaggi Maccari, Gioacchino Contri, Alberto Luchini. Letztere nahmen seit 1926 eine immer wichtigere Rolle in der Zeitschrift als Vertreter der »Bewegung« und Befürworter der Weiterentwicklung der Partei ein und widersetzten sich der von Mussolini durchgeführten Politik der Verwandlung der PNF in eine Institution für die Verbreitung von Propaganda. Giuseppe Bottai, der bedeutende Kulturexponent des Revisionismus und Schöpfer dieses Gleichgewichts, das unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Strömungen vereinte63, hatte schon ab 1925 ein Bündnis mit den intransigenti-Intellektuellen der selvaggi vorgeschlagen64, das zur Entstehung von »Kulturzentren« des Faschismus führen sollte, um die »liberale Gegenrevolution« zu bekämpfen. Die Bedrohung durch die »Männer der alten regierenden Klasse«65, bestand nach Bottai in der Entleerung der faschistischen Prinzipien und der Wiederherstellung der alten Trennung von Staat und Regierten, wobei mit diesen »Männern« die Nationalisten und insbesondere Alfredo Rocco gemeint waren. Das Programm der revisionisti lautete, »Mussolini zu konstitutionalisieren«, d.h. den Faschismus zu konsolidieren, um eine politische Organisation und Doktrin – d.h. insbesondere eine faschistische Elite – zu bilden; im Gegensatz zu Alfredo Roccos Doktrin der Staatsautorität sollte die faschistische Regierung sich die Unterstützung der Massen nicht durch ihre Unterdrückung, sondern durch ihre Organisation in den Parteistrukturen und teilweise durch ihre Selbstbestimmung sichern. Die Verteidigung der Partei und der Traditionen des ursprünglichen Faschismus sowie der entsprechende Verweis auf die demokratischen Strukturen der ursprünglichen Partei boten eine Basis zur Zusammenarbeit von revisionisti und selvaggi, um die Funktion der PNF für die Bildung der faschistischen Elite zu verstärken und damit die gegenwärtige Politik Roccos zu stören.66 Dies stand außerdem in starkem Gegensatz zur damaligen Strategie Mussolinis, die Partei als Machtzentrum zu zerstören. Dennoch scheiterte die Reform der Partei und das Bündnis der selvaggi mit den revisionisti. Erstere hoben die bürgerliche und idealistische Auffassung 187 der revisionisti als zu starken Unterschied zur eigenen Position hervor, so daß ihr Bündnis nie wirklich funktionieren konnte. Gleichzeitig veränderten die selvaggi und die Gruppe um »Critica fascista« ihre kulturellen Referenzen und Vorbilder, so daß ihre Auffassung der antiklerikalen Grundlinie des Faschismus teilweise revidiert wurde. Der Verweis der revisionisti auf den Aktualismus Gentiles und die Vision der absoluten Herrschaft des Faschismus über alle Institutionen – auch die Kirche – wurden bei den selvaggi erheblich reduziert, um sich der neuen politischen Situation anzupassen. So fingen die katholischen Intellektuellen Bargellini, Lisi und Bertocchi ab 1928 an, in der Zeitschrift »Il Selvaggio« mitzuarbeiten, zeitgleich zur Diskussion über die katholische Frage in »Critica fascista«, die teilweise von denselben Autoren geführt wurde.67 Die Beziehung des Aktualismus zum Faschismus und seine Bedeutung als dessen Philosophie waren damit bedroht: Für die Katholiken De Luca, Martire und Bargellini stellten der Aktualismus und seine Position als politische und kulturelle Basis des Faschismus ein Hindernis für die Annäherung des Vatikans an Mussolini dar, da die traditionelle Bedeutung und universelle Tradition der Kirche einer bestimmten philosophischen Auffassung des Staates – dem totalen Staat Gentiles – untergeordnet wurden. Bottai und seinen Mitarbeitern wurde immer klarer, daß der Aktualismus keine starke faschistische Identität und dauerhafte Legitimität bilden konnte – was auch die Meinung Mussolinis war – und daß stattdessen der starke institutionelle Apparat der Kirche, der auf einer universellen, dauerhaften Tradition begründet war, am Ziel der Einheit und der ideologischen Legitimation des Faschismus mitwirken könnte. Außerdem stellten die katholischen Jugend- und Massenorgansiationen eine bereits existierende Struktur dar, die für das Ziel der Normalisierung des Faschismus erfolgreich verwendet werden könnte. Gleichzeitig gewannen katholische Zeitschriften und kulturelle Initiativen dadurch, daß sie einen wesentlichen Teils der faschistischen Politiker und Intellektuellen zu untersützten begannen immer mehr Gewicht im Faschismus.68 Im Gegensatz dazu war der Aktualismus in immer geringerem Maße der offizielle Spiegel des Faschismus; nicht nur »Il Selvaggio«, sondern auch die Redakteure von »Critica fascista« begannen eine kritische Kampagne gegen Gentile, die seine Ideen im Hinblick auf die Verhältnisse des Staates zur Kirche attackierte und die Basis des Aktualismus unterminierte.69 Dies steht im Zusammenhang mit dem immer engeren Bündnis Mussolinis mit den Nationali188 sten und mit Alfredo Rocco, dem Schöpfer des faschistischen Rechtssystems.70 Schon die Diskussion der Bildungsreform Gentiles71 und die fehlende Verwirklichung des Finalen Dokuments der achtzehnköpfigen Kommision hatten gezeigt, daß der politische Einfluß Gentiles geringer geworden war und daß Mussolini einen neuen kulturellen Bezug in dem Nationalisten Alfredo Rocco gefunden hatte. In dieser Hinsicht war die Auseinandersetzung Gentiles mit dem Regime – und mit den Klerikalnationalisten – wegen der Conciliazione nur ein verspätetes Zeichen einer Divergenz von Aktualismus und Faschismus, der dem Regime nur noch zur Legitimation diente. Mussolini hatte andere und praktische Interessen zu vertreten, die mit dem totalen Staat Gentiles nicht vereinbar waren. Die Auffassung Roccos, eines der wichtigsten Exponenten des Nationalismus, faschistischer Intellektueller und Staatstheoretiker des Faschismus, wird hier erwähnt, um die Distanz der kulturellen und politischen Motive des tatsächlichen Urhebers des faschistischen Staatssystems Rocco zum Philosoph des Aktualismus zu zeigen. Alfredo Rocco, der wie Gentile eine politisch wichtige Rolle in der Regierung spielte72, setzte seine Staatstheorie aufgrund ihres Konservatismus und Nationalismus dem ethischen Staat Gentiles entgegen. Anders als Gentile, der in der achtzehnköpfigen Kommission die Kontinuität des faschistischen Staats mit der liberalen monarchischen Regierung behauptete, unterstützte und forderte Rocco illegale und gewalttätige Methoden zur Vernichtung jedweder Spur des vorherigen liberalen und demokratischen Systems. Mit der Verabschiedung der von ihm erarbeiteten Gesetze in den Jahren 1925 bis 1928 – der sogenannten leggi fascistissime – erreichte er die Identifizierung des Staats mit dem faschistischen Duce beziehungsweise seine Trennung von der Partei, aber auch die Kontrolle Mussolinis über alle politischen Funktionen und Institutionen. Die Regierung wurde zum beratenden Organ ohne gemeinsame Verantwortung; die Partei wurde eine Institution innerhalb des Staats, dessen Führer und Organe direkt von Mussolini ernannt wurden; der Gran Consiglio, der strikte Beirat der höchsten faschistischen Führer, wurde zur Versammlung der Anhänger Mussolinis: Die Kammer hatte keine Legislativgewalt mehr. Alle Veränderungen strebten eine Verringerung der Risiken politischer Instabilität an, was bedeutete, daß nicht nur die Initiative der Massen, sondern auch jene der faschistischen Eliten beschränkt werden mußte, um die Hierarchie und die Kontrolle des Führers nicht in Frage zu 189 stellen. Das war das Gegenteil von Demokratisierung des politischen Lebens und gradueller Partizipation der Massen an den Staatstätigkeiten, die Gentile und die mit ihm verbundene Strömung der revisionisti als langfristige Ziele geplant hatten. Die Demokratie, die liberalen Ideale und der Sozialismus wurden in Roccos reaktionärer Vision sogar als Prinzipien der Unordnung und der Anarchie bezeichnet: Sie seien im dekadenten Milieu der protestantischen Länder erzeugt worden und führten zur sozialen Zersetzung der italienischen Kultur und Politik. Aufgabe des italienischen Staates sei es, sich gegen diese gefährlichen fremden Modernitätsideologien zu wenden, um die Traditionen des römischen Reiches und der Kirche zu erneuern und damit die Autorität und die entsprechende Ordnung und Hierarchie wiederherzustellen. Die Avantgarde wird zur Tradition: Julius Evola Der biographische Hintergrund Evolas Julius Evola, ein Autor aus der Generation von Maccari, Suckert, Settimelli und Carli, vertrat eine Position im intellektuellen Feld, die unter einigen Aspekten mit der der extremen Intellektuellen verglichen werden kann und sich als Fortsetzung des von ihnen erarbeiteten Standpunkts interpretieren läßt. Evola wurde oft als Autor betrachtet, der aufgrund mangelnder Identifizierbarkeit mit einer der kulturellen italienischen Strömungen und aufgrund seiner Rekurse auf die europäische Kultur nicht in Bezug auf andere zeitgenössische Akteure analysiert wurde. Diese Auffassung, dergemäß Evola sich als ein »Alleinstehender«, als eine Ausnahme in der Literatur der Zeit profiliert habe, wird durch die Untersuchung seiner intellektuellen und politischen Tätigkeit in Frage gestellt. Aufgrund der Ähnlichkeit seines Lebenslaufs, seiner Position im intellektuellen Feld und seiner Themen mit den vier integralistischen Autoren einerseits, seines Verweises auf den Faschismus – oder besser: auf jenen der intransigenti – und seiner Opposition gegen die Normalisierungselemente und die Politik andererseits muß seine intellektuelle und politische Tätigkeit in den Rahmen der kulturellen und politischen Diskussionen und Milieus der 20er Jahre gestellt werden. Diese verschiedenen Aspekte der Auffassung Evolas ergeben sich aus seinem intellektuellen Le190 benslauf: von seinem Anfang im Futurismus, wo er den antibürgerlichen und antiintellektuellen Protest entwickelte, über seine philosophische Periode, in der er eine starke Kritik am Aktualismus und der Rationalität übte, hin zur postphilosophischen Phase, in der sich die Entfaltung seiner Theorie der Tradition und der spirituellen Revolte zeigte. Evola stammte aus einer kleinbürgerlichen Familie73 und war noch recht jung, als er mit der utopischen Hoffnung, daß der Krieg eine totale Revolution brächte, am Ersten Weltkrieg teilnahm. Den Futurismus und Militarismus teilte der junge Evola mit vielen anderen seiner Generation ebenso wie den Glauben, die zentralen europäischen Mächte zu besiegen; unüblich war der idealistische Grund für seine Teilnahme an dem Krieg: Er wollte das moderne Deutschland zerstören, um die deutschen Traditionen der Ordnung und der Hierarchie von den modernen verdorbenen Sitten zu befreien.74 Am Ende des Kriegs kam die Ernüchterung: Die Kultur und die politischen Institutionen blieben unverändert. Dies führte aber nicht dazu, daß Evola in eine politische Partei eintrat; im Gegensatz zu den Integralisten wurde er nie Angehöriger der faschistischen Bewegung und beschäftigte sich mit dem Problem des politischen italienischen Systems erst nach 1925. Es fällt schwer, Evola einem kulturellen Teilbereich zuzuordnen: Er war Futurist, der viele Ideale des Futurismus nicht teilte, und für eine kurze Zeit Dadaist; danach versuchte er, aus einer Mischung von Aktualismus und theosophischem und esoterischem Wissen ein philosophisches System zu entwickeln, und wurde schließlich Experte des traditionellen Wissens und Esoteriker. Seiner ganzen Laufbahn lag das Streben nach der Überwindung der Philosophie und die Polemik gegen die westliche moderne Kultur zugrunde. Im intellektuellen Feld stand er immer am Rand der anerkannten Kultur, und bezeichnenderweise wurden seine philosophischen Essays von den damaligen philosophischen Autoritäten nicht ernst genommen. Obwohl er persönliche Beziehungen mit vielen dieser Intellektuellen zu pflegen versuchte, verachtete er das akademische und intellektuelle Milieu und richtete ständig philosophische Polemiken gegen die »Professoren« – insbesondere Giovanni Gentile –, die schuldig seien, die nicht-akademische Kultur – d.h. seine Werke – nicht zu beachten. 1925 schrieb Evola über die unüberwindbare Trennung zwischen seinem »magischen Idealismus« und dem Aktualismus: »Könnte Gentile wirklich den ›reinen Akt‹ seines Rationalismus als ›Ich‹ bezeichnen, so schiene er nicht nur ein Universitäts-Professor zu sein, ..., 191 sondern ein kosmisches Zentrum, das die Esoterik in den Typen des rishis, des yogin, des Christus und des Buddhas zeigt. Dies ist der ganze Unterschied zwischen dem ›aktuellen Idealismus‹ und dem ›magischen Idealismus‹.«75 Die heftigen Attacken Evolas deuten auf seine isolierte Stellung in Bezug auf die anerkannte Kultur hin und zeigen gleichzeitig sein Bemühen, in der Kultur Anerkennung zu finden. Nach der interessanten Hypothese Antonio Negris76 wollte Evola sogar die Rolle des Anti-Gentile in der italienischen Kultur spielen und dessen Konkurrent werden, vielleicht nicht aufgrund der intellektuellen Position des aktualistischen Philosophen, sondern wegen seines politisch-kulturellen Prestiges: In seiner »politischen Phase« versuchte Evola tatsächlich, einen kulturellen Hintergrund des Faschismus zu schaffen, ihn zu berichtigen und damit eine neue Legitimation für den Faschismus – oder besser für die Rechte – anzubieten. Klar ist, daß Evola weder ein akademischer Intellektueller, der eine gesicherte und »konsekrierte« Stelle in der offiziellen Hochkultur innehatte, noch ein von Mussolini finanzierter und unterstützter regimetreuer Intellektueller war. Doch er war auch kein isolierter Gelehrter. Als Exponent eines Randsektors der Kultur, d.h. zuerst des Milieus der Dadaisten, danach jenes der Spiritualisten, hatte er einen gewissen Erfolg und gründete sogar die spiritualistische, antimoderne Gruppe »Krur« und danach »La Torre«. Seine ersten Kontakte mit der Kunst und der Literatur der Zeit fanden im futuristischen Milieu77 der römischen »Casa d’arte« Bragaglia78 statt, die in den 20er Jahren ein wichtiger Treffpunkt von Exponenten des Futurismus, des Dada und der Avantgarde, von Künstlern wie Ginna, Carli, Settimelli und Suckert war. Die Besucher der »casa d’arte« unterhielten mannigfaltige Kontakte, und einige waren sogar Mitglieder esoterischer und theosophischer Gruppen, wie die Futuristen Corra, Ginni, Carli und Settimelli. Wie letztere war auch Evola Avantgardist und frequentierte spiritualistische Kreise. Zu Anfang der 20er Jahren verkehrte Evola auch in der Freimauerloge der Piazza del Gesú in Rom und insbesondere mit ihrem bedeutenden Mitglied Arturo Reghini.79 Die Bedeutung der Freimaurerloge wird oft in der Beschreibung der politischen und literarischen Milieus unterschätzt. Sie war aber nicht nur ein Treffpunkt vieler bedeutender Intellektueller und Politiker, sondern zudem ein wenn auch marginaler, so doch höchst lebendiger kultureller Kreis innerhalb des römischen Milieus. Außerdem hatte besagter Leiter der Freimaurerloge, Arturo Reghini, Kontakte zu berühmten Exponenten des 192 sogennanten pensée de la tradition, wie Guido De Giorgio und Réné Guénon, mit denen Evola eine für seine Entwicklung wichtige persönliche und intellektuelle Beziehung begann. Ferner hatten die Mitglieder der Freimaurerloge enge Beziehungen zu dem von Decio Calvari geleiteten theosophischen Verband »Lega teosofica indipendente«, in dem einige der wichtigsten antifaschistischen Politiker und viele Intellektuelle (unter ihnen Adriano Tilgher) tätig waren. So lernte Evola durch Reghini Decio Calvari, den Leiter der Zeitung »Ultra«80, kennen und trat dem theosophischen Bund bei.81 Aus dieser Perspektive läßt sich die Mitarbeit Evolas an der antifaschistischen Zeitschrift »Il Mondo«82, welche die Politik Giovanni Amendolas unterstützte83, und an der von Colonna di Cesarò geleiteten »Lo Stato Democratico«84 nicht als politische Intervention gegen den Faschismus betrachten, sondern als Versuch, eine neue Form der Philosophie (den »magischen Idealismus«) zu gründen – eine Philosophie, die auch die Bedürfnisse des Spiritualismus und des esoterischen Wissens erfüllen könnte. In der zweiten Hälfte der 20er Jahre hatte Evola Zugang zum faschistischen kulturellen Milieu durch seine Mitarbeit an der vom revisionista Bottai geleiteten Zeitschrift »Critica fascista« und der von Leandro Arpinati geleiteten »Vita nova«.85 Die Möglichkeit, in der Zeitschrift Bottais weiterhin mitzuwirken, war aber schon 1928, nach der Veröffentlichung seiner Essays gegen das Abkommen mit dem Vatikan86 und dem nachfolgenden Skandal, ausgeschlossen. In diesem Klima gründete Evola die Zeitschrift »La Torre«, die viele Exponenten des spiritualistischen Milieus – Theosophen und Freimauer – anzog: den italienischen Schüler Guénons, Guido De Giorgio, den avantgardistische Künstler Girolamo Comi, Ermanno Gelovich, Arturo Onofri und den berühmten Psychologe Emilio Servadio. Dieses Milieu stand am Rand der Kultur, wie die Erklärungen Evolas bestätigen: Alle Mitarbeiter, erklärte der Anfangsartikel »Ai Lettori« von »La torre«, gingen davon aus, daß »die Ablehnung der modernen Zivilisierung das Prinzip und die Voraussetzung jeder kreativen Aktivität« 87 sei, d.h. zur Wiederherstellung der aristokratischen und spiritualistischen Lebensauffassung führe. Ihre Selbstdarstellung spiegelte ihre Isolation und auch ihre aktive Einstellung gegenüber der Politik und der Gesellschaft wider: »Einige ›Einzelgänger‹, einige ›Unbeugsame‹, einige ›Freie‹ kommen in ›La torre‹ [der Turm] zusammen, nicht wie in einem Refugium oder einem mehr oder weniger mystischen Fluchtort, sondern wie in einem Ort des Widerstandes, des Kampfes und des überlege193 nen Realismus. Mehr als Programme oder Richtungen: Wege, verschiedene Äußerungen der einen Tradition, die in der Vielfältigkeit der Verwirklichung nicht nach der Bildung, sondern nach dem Zusammenkommen von Individuen nicht in dem gleichen Credo, sondern in der gleichen Würde strebt«.88 In dieser Hinsicht behandelten die Mitarbeiter von »La torre« esoterische, historische und politische Fragen, wie z.B. die Essenz der Tradition, die Dekadenz des Abendlands, die Demokratie, die aristokratische Haltung und die Frage der Rassen. Auch dieser Versuch, einer Intervention der spiritualistischen Strömung im politischen Diskurs Vorschub zu leisten, war wie die vorherigen freimauerisch orientierten Zeitschriften »Ignis« und »Atanor« zum Scheitern verurteilt: »La Torre« wurde von den faschistischen Autoritäten behindert und zensiert. Tatsächlich veröffentlichte »La torre« Kritiken an der Politik des Regimes (insbesondere an den Maßnahmen zum Bevölkerungswachstum, welche die Menschen als »Hasen« und »Tiere« betrachteten89) und an politischen Intellektuellen – an erster Stelle natürlich Gentile – und Politikern. Einige Exponenten mehr oder weniger faschistischer Zeitschriften – Gherardo Casini von der regimenahen »Critica fascista«, »Il resto del Carlino«, »Antieuropa«, aber auch »Il Bargello«90 – attackierten wiederum mit Billigung des Regimes die Gruppe von »La torre«, u.a. auch wegen ihres angeblichen Antifaschismus. Evola wurde in der Folge immer stärker überwacht und die Zeitschrift von der Polizei als »Organ des deutschen Imperialismus« definiert.91 Dennoch gelang es Evola dank seiner Beziehung zu Giovanni Preziosi, Leiter der Zeitschrift »La vita italiana«, die Unterstützung Farinaccis zu gewinnen. Das Bestreben Farinaccis, eine integrale Strömung der intransigenti innerhalb des Faschismus zu vertreten und zu führen, um die Normalisierung des Faschismus zu verhindern, besaß viel Ähnlichkeit mit der integralistischen und traditionalistischen Vision Evolas und seinem Versuch, den Faschismus zu korrigieren.92 Die wahre Revolution wurde von ihm als eine Veränderung des Lebensstils (ästhetisch) und der Spiritualität (moralisch) definiert, in der die Tradition sich als höchstes Ideal darstellte, das die Menschheit erreichen könne. In diesem Punkt traf sich Evola mit den intransigenti und mit Farinacci. Er begann seine Mitarbeit an dem von Farinacci geleiteten »Regime fascista«, weil es eine Radikalisierung der antibürgerlichen Elemente des Faschismus, die Zerstörung des demokratischen und liberalen Erbes und die Bildung einer hierarchischen traditionellen Gesellschaft 194 anstrebte. Evola, der seit seinen Anfängen im künstlerischen Milieu auf die Radikalisierung des antibürgerlichen Protestes zielte, verwandelte und integrierte seine künstlerische Auffassung nun in eine totale, spiritualistische Auffassung, deren politischer Aspekt in der Entwicklung der reinen und traditionellen Rechtselemente des Faschismus bestand. Evola betreute in »Il regime fascista« die Rubrik »Diorama filosofico«. Dort machte er das italienischen Publikum mit den Essays der »Traditionsdenker« Réné Guénon und Guido De Giorgio sowie einiger Autoren der sogenannten konservativen Revolution – Othmar Spann, Karl A. Rohan, Wilhelm Stapel und Walter Heinrich – bekannt. »Diorama filosofico« stellte die Fortsetzung des Projektes von »La torre« dar: Sein Ziel war die Entwicklung des traditionalistischen Denkens. Die Beiträge verschiedener wichtiger Autoren des pensée de la tradition und der konservativen Revolution waren charakteristisch für den Versuch, eine intellektuelle Denkströmung der Rechten zu bilden, die auch jenseits der historischen Entwicklungen des Faschismus die Diskussion über die Begriffe der Tradition und der Gesellschaft aus einer antikapitalistischen und antisozialistischen Perspektive kultivierte und verbreitete. Das Zerbrechen der bürgerlichen Regeln: Evolas Dadaismus Trotz aller Unterschiede war der Dadaismus eine Frucht des Futurismus: Dieser hatte einen Ausgangspunkt gesetzt, um ein neues und noch radikaleres ästhetisches und moralisches Selbstbewußtsein zu gewinnen. Der 1916 von dem rumänischen Künstler Tristan Tzara begründete Dadaismus führte die revolutionäre und negative Idee des Futurismus ad absurdum, indem er den Begriff der Kunst und der künstlerlischen Bewegung zerstörte. Er strebte die Konfusion der ästhetischen Kategorien an, um das Spiel in das starre »Gebäude« der Kunst einzuführen, die nach Tzara nur zum Verstecken der Lügen und der Heuchelei der Gesellschaft existierte. Im Gegensatz zum Futurismus wollte der Dadaismus den Begriff der Kunst lediglich zerstören, nicht aber erneuern; kein anderes künstlerisches Projekt begründete eine Bewegung vergleichbar dem Dadaismus, der keine künstlerische Lehre sein und keine Schüler haben wollte. Ganz deutlich trat bei den Dadaisten die Verwandlung der hypermodernen Avantgarde in eine primitivistische Kunst hervor, die unter Vollendung des negativen und destruktiven Aspektes des 195 futuristischen Projekts die Selbstzerstörung der Kunst als eines bürgerlichen Ausdrucksmittels und die radikale Ablehnung der Modernität verwirklichen wollte. Tzara verachtete sogar die Idee des Kunstwerks und das gemeinsame Projekt und die Arbeit der Avantgarde: Die Kunst solle nicht mehr gelehrt und gepflegt werden. Mit der Kunst sei auch die bürgerliche Idee des Individuums – des Autors – gestorben, um eine kosmische, organische und anonyme Kunst entstehen zu lassen: Einziges Projekt des Dadaismus war, »gemeinsam, anonym, an der großen Kathedrale des Lebens, das wir vorbereiten, zu arbeiten«.93 Der Bezug auf die gotischen Kathedralen war nicht nur ein künstlerisches Bild, sondern ein spezifisches Zeichen des wesentlichen Unterschieds zwischen Dadaismus und Futurismus: Während letzterer die Geschwindigkeit und die Technologie der Moderne als Vorbild hatte, zielte der Dadaismus auf die Zerstörung der rationalen Welt der Moderne und die Wiederkehr der gotischen und prämodernen Formen. Die Dadaisten wollten »die Tradition des Negers, die ägyptische, byzantinische, gotische Kunst weiterführen und in uns die atavistische Empfindlichkeit zerstören, die uns die abscheuliche, dem 14. Jahrhundert folgende Epoche vererbt hat.«94 Evolas Haltung der künstlerischen Revolution des Futurismus gegenüber war, wie bei den Dadaisten, zweideutig95: Der futuristische Ansatz sollte einerseits in seiner Opposition gegen die bürgerliche Mentalität weitergeführt und radikalisiert, andererseits durch die Ablehnung seines Aktivismus und Modernisierungsstrebens auf den Kopf gestellt werden. Im Gegensatz zum Futurismus, der auch als Technik für die Massenpropaganda verwendet werden konnte, strebte der Dadaismus zuerst nach einer persönlichen, inneren Revolution, welche »die Orientierung der intimen individuellen Essenz, eines unmittelbaren Lebenszustandes«96 hätte hervortreten lassen. Der Dadaismus sei »absolute Interiorität«, während der Futurismus, der in der Kategorie der traditionellen bürgerlichen Kunstbewegungen eingestuft wurde, die »absolute Exteriorität« vertrete.97 Die abstrakte Kunst sei die höchste ästhetische Form, indem sie nicht nach der Darstellung der alltäglichen Gefühle oder Erinnerungen strebe, sondern das Individuum außerhalb seiner normalen Erfahrungen leite. Der Künstler und der Betrachter sollten ihr individuelles und sinnliches Leben – ihre alltäglichen Erfahrungen – überwinden und zu einem Spiel übermenschlicher Kräfte geführt werden .98 Das Ich sei das einzige Objekt und Subjekt der Kunst; seine Entwicklung als »Sinn der intimen 196 Freiheit, des unendlichen Reichtums«99, als das Einzige, als Zentrum des Universums – in der Bedeutung Stirners – sei das moralische Ziel des Kunstwerks. Man könne dann die Kunst als eine Therapie des Individuums auffassen, da sie die Entfremdung vom Alltag und von bürgerlichen Werten und Gefühlen – die Überwindung der normalen Selbstwahrnehmung – ermögliche und damit die wahre Offenbarung fördere, d.h. die mystische Vision von »etwas Anderem«. Diese »mystische«100 Erfahrung werde nicht nur durch die Verneinung des Alltagslebens, sondern auch durch jene der Wissenschaft, der Philosophie und sogar der Kunst selbst und letztlich durch eine Ablehnung der Rationalität und der Kommunikation erreicht. Im Gegensatz zum Futurismus sei die Beziehung der Künstler zum Publikum im Dadaismus unterminiert, um einen solipsistischen Individualismus zu behaupten. Für den Dadaismus stellte die Kunst nicht mehr die herrschenden Werte und Begriffe in Frage, um eine totale, von den Massen unterstützte künstlerische und politische Revolution zu verwirklichen. Die Kunst sollte vielmehr die wissenschaftlichen Kenntnisse, die Werte und Gefühle – die Auffassung der Kunst als Kommunikation eingeschlossen – überwinden und zerstören, um das Ich der Künstler als exemplarische Vertreter der spirituellen, wahren Elite zu fördern und zu pflegen. Der Mann »der Straße«, das »normale« Individuum, war im Gegensatz dazu zum »Nicht-Leben« verurteilt: Lässigkeit und Feigheit waren die Kennzeichen seines statischen Lebens, das sich nie veränderte, da »das vitale Element ... ihn vernichten würde«, wenn er mit ihm konfrontiert würde.101 Ergänzt wurde diese spirituelle und »heilige« Bedeutung der Kunst für den jungen italienischen Dadaisten Evola – der sich in dieser Hinsicht von der provokativen und ironischen Sicht des DadaFührers Tzara entfernte102 – durch die »moralische« Entwertung und Verneinung des Lebens der Anderen, da Moralität gerade als Zerstörung der Bindung zwischen den Menschen und Erweiterung der Kluft zwischen dem wahren Ich und den Anderen verstanden wurde. Wie der Historiker Marco Rossi bemerkt hat103, waren die Philosophie und die antibürgerliche und antiintellektuelle Kritik Evolas bereits in nuce in seinen dadaistischen Werken angelegt.104 Auf welche Weise sich diese visionäre und solipsistische Auffassung in eine politische verwandelte und damit die elitären und exzentrischen Aspekte seiner avantgardistischen Auffassung einen reaktionären und traditionsorientierten Charakter gewinnen konnten, zeigt die weitere Entwicklung Evolas. 197 Die Umwertung aller Werte: der magische Idealismus Die Philosophie Evolas105 soll folgend skizziert werden, um seine »Revolte« gegen den Aktualismus als ein Beispiel der Generationsrevolte und seine Philosophie des »Transidealismus«106 im Rahmen seiner Überwindung der philosophischen Methoden und der Polemik gegen Gentile und die offizielle Hochkultur zu untersuchen. Außerdem soll die Entwicklung der drei wichtigsten Themen Evolas, des Antiintellektualismus, der antibürgerlichen Kritik und der Ablehnung wissenschaftlicher Methoden, verdeutlicht werden. Die Radikalisierung dieser Themen, die in der Kultur Anfang des Jahrhunderts und später in der Literatur der Integralisten in den 20er Jahren besonders verbreitet waren, erreichte mit Evola ihren Höhepunkt. Er kritisierte nicht nur eine Strömung – den Idealismus -, sondern pauschal sowohl die ganze Philosophie wie auch die Wissenschaft. Die Abkehr von der philosophischen Methode deutet einen Widerspruch im Zentrum des Denkens Evolas an, der auf zwei Besonderheiten der radikalen rechten Intellektuellen hinweist und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Antiintellektualismus steht, der zur Ablehnung aller intellektuellen Formen und im besonderen der philosophischen Tradition führte. Bei Evola nimmt diese Absage an überkommene Formen selbst eine traditionelle Form an: Er schrieb paradoxerweise philosophische Essays und Bücher und gebrauchte die philosophische Sprache, um die Philosophie, die Logik und die Rationalität abzulehnen.107 Diesem Selbstwiderspruch zu entgehen wurde ihm durch den Umstand ermöglicht, daß seine Philosophie eine esoterische und »magische« Praxis einschloß. Das alte aktualistische Paradigma genügte ihm nicht wegen seiner Ohnmacht, an der realen Tätigkeit der Menschen direkt mitzuwirken; im Gegensatz dazu war die praktische individuelle Verwandlung der wichtigste Teil des philosophischen Denkens Evolas. Auf diese Weise führte Evola ein neues und heterogenes Element – und zwar die Praktik der spirituellen Forschung – in den philosophischen Diskurs ein, um die Begrenzungen des Idealismus zu überwinden. Damit verband er zwei traditionell getrennte »Sprachen«, die zu zwei unterschiedlichen Traditionen und Milieus gehörten: Die logische und theoretisch-philosophische Sprache und die praktischen Übungen der spiritualistischen Kreise, in denen sich allein eine Lösung des Problems der Kulturkrise finden ließe. Ein traditionell sekundäres und verfemtes Wissen (die Esoterik und die Theosophie) konnte dadurch auf dersel198 ben Ebene wie die Philosophie betrachtet und sogar als Lösung aller Fragen bezeichnet werden. Das »ketzerische« Projekt Evolas bestand also darin, die Philosophie in eine praktische Tätigkeit, in ein spirituelles und esoterisches Wissen zu verwandeln. Evola wollte seine Philosophie als absoluten und magischen Idealismus bezeichnet wissen, der sich sowohl auf die Ablehnung des Positivismus und des Realismus als auch auf die Kritik des Idealismus gründete. Die historische Kulturkrise der Gesellschaft und ihre Dekadenz schrieb Evola der unvollständigen Form der Gewißheit zu, da das moderne Denken sich nicht selbst überwinden und zur Tat wandeln konnte. Evola ging von der idealistischen Prämisse aus, daß die Welt nur in der Darstellung und im Handeln des Ichs existieren konnte, kritisierte aber die praktische Ohnmacht des einzelnen Idealisten – und des Aktualisten -, das Nicht-Ich in der Wirklichkeit zu bestimmen und auf sich selbst zu reduzieren. Die Antwort auf diese Frage fand Evola in einem anderen Wissen, nämlich in der Überwindung der Philosophie durch die praktische esoterische Doktrin. Da die Trennung zwischen der subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit auf ein und dasselbe Subjekt zurückgeführt und als Mangel seiner Tätigkeit und Macht, der noch zu eliminieren sei, betrachtet werden müsse, könne diese Tätigkeit nur als praktische »magische« Entwicklung des Ichs verstanden werden. Auf dieser Überzeugung basierte Evolas Solipsismus.108 Absoluter Idealismus bedeutete nach Evola eine »Grenzphilosophie«, welche alle wissenschaftlichen Argumente und Methoden überwinden sollte, um eine neue Phase in der Gewißheitsentwicklung des absoluten Ich hervorzubringen109, deren regierendes Prinzip das Machtvermögen war.110 Das Individuum erkannte in dieser Phase die Natur als von ihm geschaffen. Was eine eigene, von der Tätigkeit des Individuums getrennte Existenz zu haben schien, war nur eine vom Ich zu beherrschende und zu zähmende »Existentia«, und zwar ein Mangel des Willens des Ich, der durch eine »transzendental moralisierende« Tätigkeit unter die Macht des Ichs gebracht werden mußte. Auf diese Art zeigte sich »der absolute Idealismus ... erst dann als Lösung: Die Natur selbst wird Akt des Individuums, so wie das Individuum Akt der Natur – jener Akt, der sie befreit und mit seiner Erlösung erlöst.«111 Der Übergang von einer passiven, spontanen Selbstdarstellung des Ichs zum absoluten Ich bedeutete auch die Überwindung des ganzen philosophischen Wissens und die Opposition gegen dieses: »Die menschlichen Möglichkeiten erschöpfen sich nicht – wie Hegel glaubte – in Kunst, offenbarter Religion und Philoso199 phie ... Erst nach all diesem kann ein Prozeß von absoluter und konkreter Aktualität anfangen und das Licht einer ›magischen‹, nicht mehr ›menschlichen‹ Epoche des Geistes scheinen.«112 Das absolute Individuum war demgemäß auf keinen Fall der Philosoph, der die Realität durch seine Reflexion untersuche, aber nicht beherrsche, sondern derjenige, der mit seiner »Kraft des intellektuelles Aktes« auf die Realität einwirke. Evola kritisierte die Unzulänglichkeit des Aktualismus für die konkrete Selbstverwirklichung des Individuums deshalb, weil diese eine Hinwendung zur Tat benötigte, die durch esoterische Veränderung des Individuums durch Initiation erreicht werden sollte. Die Verwandlung definierte Evola als Produkt des »transzendentalen Experimentierens«: Die Methoden der antiken Religionen, insbesondere die verschiedenen Askese- und Yogamethoden, stellten sich als praktische Überwindung der rationalistischen und philosophischen Mentalität dar, die nach demselben Ziel, aber eben mit falschen Mitteln, strebte. Dieses Ziel lag darin, »die Spontaneität [zu] überwinden (welche dort den Namen Gier, Durst, Unwissenheit, ›irdischer‹ oder ›dämonischer‹ Wille u.s.w. annimmt), sie zu Willen, zu vollkommener Herrschaft um[zu]wandeln und [zu]erheben.«113 Deswegen sollte das absolute Individuum die falschen Wege zu seiner Selbstverwirklichung vermeiden und sogar zerstören, und mit ihnen auch alle Werte, Normen und Sicherheiten. Dadurch wurde es möglich, die höchste Gewißheit zu gewinnen, seine »kosmischen immateriellen Kräfte« zu entwickeln, und das unvollständige intellektuelle Wissen in Handeln zu verwandeln. Die antiintellektuelle Kritik, die bei Evola nicht nur gegen die Philosophie, sondern gegen alle Formen der westlichen Rationalität gerichtet war, wurde gegen die herrschenden Intellektuellen der damaligen Zeit besonders vehement. Der Idealismus wurde als eine »ungenügende Philosophie« beschrieben, da er das Wissen vom praktischen Handeln trenne und das Subjekt als abstraktes Wesen konzipiere. Aus diesem Grund sei er »inhuman und amoralisch«114, und seine Vertreter Gentile und Croce nur veraltete Professoren. Die Idealisten wurden als Exponenten der spirituellen und moralischen Krise gekennzeichnet, die den bürgerlichen Rationalismus und die Moralität repräsentierten. Auf diese Art verband sich die Überwindung der Philosophie bei Evola mit der Überwindung der modernen und bürgerlichen Gesellschaft. Die Moralität des absoluten Individuums gründete sich zuerst auf die Ablehnung der religiösen Auffassung, da es »an eine von einem Ord200 nungsprinzip regierte Welt«115 glaube, welches sich außerhalb des Ichs finden ließe. Der Weg zur Selbstverwirklichung bestehe darin, daß das Individuum »die Form transzendieren sollte, um sich mit der originären Grausamkeit einer Welt zu verbinden, in der das Gute und das Böse, das Göttliche und das Menschliche, das Rationale und das Irrationale, die Ungerechtigkeit und die Gerechtigkeit keinen Sinn haben, da sie zur Macht verwandelt sind«.116 Dieses vergöttlichte Ich war »die absolute und selbständige Immanenz, die keinen Platz zur Anschauung, zur Kontemplation und zur Liebe läßt«117; es mußte die Regeln, die Moral und die Religion ablehnen, um seine Freiheit und seine Macht zu gewinnen. Das Schlußwort läßt bereits die spätere Entwicklung im Denken Evolas über den radikalen und gewalttätigen Kampf gegen die Zivilisation erahnen: »Wie könnten wir nicht im Bösen und in der Grausamkeit die höchste Disziplin sehen? ... Dionysos offenbart sich im Moment der Krise und der Schuld, in dem das Gesetz einstürzt: Dort findet die Ekstase statt und der apollonische Schleier zerreißt ... man sollte das Verbrechen nicht fürchten ... als die Tat im reinsten Sinne des Wortes. Die Untat, die Ordnungsübertretung, ist eine Notwendigkeit für jene, die eine titanische Macht begehren.«118 Wenn wir den Text genau interpretieren, sehen wir, daß die Gewalt nicht nur gegen sich selbst angewendet wird. Die Beziehung zu den Anderen wird nur durch den Willen des Individuums bestimmt, und wenn es will, kann es »das Gute, die Ordnung, die Liebe als die äußerste Tätlichkeit, als die vortreffliche Umsetzung Dionysos«119 erreichen. Diese Sichtweise der Verhältnisse des Ichs zu den Anderen ist mit der Herrschaft und der Verneinung der Beziehung zu den Anderen verbunden – mit der Verneinung der sogenannten Moralität. Die vom absoluten Individuum zu überschreitenden Grenzen der Philosophie und der Moralität sind eins: die Anerkennung des anderen Ichs. »In Bezug auf einen einzigen Punkt gingen fast alle Idealisten nicht bis zum Ende, weniger aus theoretischen als aus moralistischen und ›menschlichen‹ Gründen: in Bezug auf die Verneinung jeder Wirklichkeit an sich der anderen Subjekte, der anderen Ichs.«120 Der Aktualismus hatte in dieser Hinsicht das Ich sogar auf dem »Uns« begründet, d.h. auf der Anerkennung von etwas – des Uns, der Kollektivität -, das Priorität dem Individuum gegenüber besäße und von jedem immer als Quelle und Ziel seines Selbst betrachtet werden sollte. Aber dieses Etwas war gemäß Evola genau die zu zerstörende bürgerliche Moralität, die das absolute Individuum – das »seine Sache auf Nichts gebaut hat«- überwinden sollte, da sie 201 nur ein Hindernis und einen Beweis der Feigheit darstellte. Moral hieß hier, sich über das Bedürfnis des »Sich-Mitteilens« und des »Sich-Verstehens«, über die »Wollust des Liebens« und des »Sich-geliebt-Fühlens, des Sichgleich-und-zusammengehörig-Fühlens« zu erheben, die allesamt für Kräfte der Korruption des Adels gehalten wurden, wohingegen die »NichtMitteilbarkeit« das Ideal des Adels darstellte. Die Anderen sind in dieser solipsistischen Philosophie reine Objekte des Ichs und werden auf das Ich reduziert.121 Das absolute Individuum Evolas versteckt aber seine Abhängigkeit von den Anderen genau in diesem Herrschaftsverhältnis: Er braucht Objekte, um sein überlegenes Leben zu behaupten, beispielsweise die Frau122 oder den normalen (bürgerlichen) Menschen.123 Seine absolute Freiheit und seine Macht äußerten sich darin, wie der Philosoph Ugo Spirito bemerkte, daß die Freiheit die Ausübung der Macht auf die Wirklichkeit voraussetzt, in der nur Objekte existieren, die auf den Einzigen reduziert werden sollen. Die unbedingte Freiheit setzt voraus, daß »frei nur ein einziger heißen kann«.124 Die positive Freiheit des Einzigen, seine Macht über die Realität, setzt die Unfreiheit der Anderen voraus, weil sie absolut ist und einer konkreten Umformung der Realität entspricht. »Ein ›anderes Ich‹ ist ein Widerspruch in sich selbst, da es ... Begriff oder Vorstellung des Ichs und deswegen etwas Untergeordnetes und Peripheres« sei.125 Die Ablehnung des Respekts vor den Anderen – von Evola als bürgerlich bezeichnet – paart sich mit der Ablehnung der »bürgerlichen« demokratischen Ideen und der Bildung einer elitären Ethik: Die Entwicklung des Ichs ist nur wenigen Individuen möglich, die eine Art von Selbstvergöttlichung erreichen können. Diese philosophische und gleichzeitig esoterische Vision bereitet bei Evola die Theorie der Herrschaft einer transzendentalen Tradition vor, die von den Eliten verbreitet und gewährleistet werden soll.126 Die Revolution der Tradition Die philosophische Theorie Evolas mündete später in eine Auffassung, welche die Motive der europäischen Dekadenz im Rahmen einer globalen historisch-mythologischen Auffassung klärte und Lösungen der Krise einfordern sollte. Es muß betont werden, daß Evola, wie Suckert oder Maccari, kein reiner Wissenschaftler und Künstler war, der innerhalb der Grenzen seines 202 wissenschaftlichen Gebietes arbeitete, sondern versuchte, ein eigenes umfassendes Denksystem zu entwickeln, in dem die gesamten Erfahrungen und Anforderungen der Gesellschaft und der Geschichte untersucht werden sollten. Sein Anspruch bestand darin, die totale und endgültige Erklärung der politischen und kulturellen Situation anzubieten. Seine Theorie des absoluten Individualismus versuchte eine elitäre Auffassung zu verwirklichen, die sich in der späteren Überarbeitung zu einer Doktrin der Tradition entfaltete. Aus dem absoluten Charakter der Freiheit des differenzierten Individuums ergab sich für Evola die Notwendigkeit, eine politische und gleichzeitig soziale Ordnung durchzusetzen, welche die absolute Herrschaft des Ichs festschreiben würde. Das differenzierte Individuum, das absolute Ich war aber in der Vision Evolas nicht wirklich das Einzelne, sondern Exponent einer Elite, welche etwas Anderes, Untergeordnetes voraussetzte. Die Anerkennung der Differenz zwischen dem Ich und den Anderen führte zur hierarchischen Auffassung und Rechtfertigung – oder besser Lobpreisung – der freien Entfaltung der Gesellschaft der Ungleichen, d.h. zur Apologie der sogenannten traditionellen Ordnung der Natur. Die wahre Freiheit war dann nicht von der Bildung einer Hierarchie und vom Gehorsam der Massen zu trennen: »Wahre Freiheit gibt es nur in der Hierarchie, im Unterschied, in der Unversehrbarkeit der individuellen Qualitäten; es gibt sie nur dort, wo das soziale Problem derart gelöst ist, daß man die restlose Entfaltung der menschlichen Möglichkeiten begünstigt, auf Grund eines Ideals der Gliederung, folglich der Ungleichheit, wofür das vollkommenste Vorbild das antike Kasten-System ist – aber abgesehen davon gibt es wahre Freiheit nur dann, wenn der Sinn der Treue, des Heldentums, des Opfers die kleinen Werte des materiellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens zu überwinden vermag.«127 Hier wird deutlich, daß die Herrschaft der freien Individuen, der wahren Aristokratie für Evola wie für die integralistischen Autoren, auf die Wiederherstellung der Tradition zielte, um die Geschichte, die alte Kultur – insbesondere die römische – und die Werte des Mittelmeers wieder zu neuem Leben zu erwecken. Die Überwindung der Dekadenz, d.h. der ökonomischen, materialistischen, rationalistischen, modernen, von Professoren und Bürokraten regierten Gesellschaft, verknüpfte sich bei Evola mit der totalen Ablehnung der Modernität und dem Engagement für die Verstärkung einer »Rasse« des Mittelmeeres, deren Kennzeichen wie bei Suckert nicht rein biologisch, son203 dern kulturell wären. Das zivilisierte Europa, die kritische Haltung der Reform, die bürgerliche und als oberflächlich definierten aufgeklärten Theorien ihrer Verbreiter, d.h. der Philosophen, waren die Feindbilder Evolas, die ihn mit den integralistischen Autoren verbanden. Was ihn von den integralistischen Autoren trennte, war die Vielfältigkeit und Artikulation der antimodernen Auffassung. Ein Grund hierfür liegt in Evolas vertiefter Rezeption der Theorien der Tradition Réné Guénons128 und Mircea Eliades sowie in seinem Verweis auf eine ganze Reihe von Autoren der reaktionären Strömung und der konservativen Revolution.129 Ein gutes Beispiel ist der Begriff der Tradition bei Evola: Diese war ihm keine bestimmte historische Zeit – etwa der Klassizismus bei Suckert -, sondern ein metaphysischer Status, ein Prinzip, das die Wirklichkeit nach einer stabilen Ordnung gestaltete und sich im Sinne Guènons nur durch eine esoterische Doktrin erfassen ließe.130 Die Wirklichkeit sollte anhand dieses Prinzips erklärt werden, und dieses von der Tradition hergeleitete Wissen sei das einzige Wissen. Deshalb blieb dieses Wissen in seinem Kern unveränderlich und unabhängig von geschichtlichen und menschlichen Alltagserfahrungen: »Tradition – ein Korpus von Lehren mit einem metaphysischen Charakter, deshalb ganz unabhängig von der menschlichen und zeitlichen Kontingenz«.131 Nur wenige besäßen dieses Wissen, die anderen seien durch ihren Gehorsam der hierarchischen, legitimierten Autorität gegenüber und ihre entsprechende Adhäsion an ihre Funktion in der Gesellschaft dazu verurteilt, den Vertretern dieses Prinzips zu folgen, ohne die Bedeutung der Tradition zu erkennen.132 Erkennen sei ein Vorrecht der hohen Kasten, welche das Prinzip der Tradition vertreten, und würde ihnen durch die traditionellen Initiationsmethoden übertragen. Wissen sei die Eigenschaft der Eliten. Es läßt sich feststellen, daß Evola in seinen Schriften unabhängig von seinen Interessen und den Themen, die er entwickelte, immer dasselbe Vorbild zugrunde legte: den Dada-Künstler, das absolute Individuum und die hohe Kaste der traditionellen Gesellschaft, die einen gemeinsamen Kern besäßen und sich auf gewisse Weise glichen. Ihre Autorität stütze sich immer auf das Wissen, das aber kein westliches, aufgeklärtes, rationalistisches Wissen, sondern eine esoterische, transzendentale, metaphysische Doktrin sei. Ferner seien alle diese Figuren vom normalen Menschen »differenziert«133, ihre Begründung und ihre Existenz leiteten sich aus ihrer hierarchisch übergeordneten Position ab: der Führerfunktion den ignoranten und »un204 individualisierten« Massen gegenüber. Es gebe kein wahres Wissen, das nicht elitär wäre, da die Doktrin sich nicht in Büchern oder wissenschaftlichen Essays finden ließe und nicht einfach erklärt werden könne: Sie rühre von der Ausübung der »männlichen« 134 Macht her; deshalb sei sie zugleich ein »Sein«, das zur Veränderung (der Initiation) des Subjektes führe, eine Transzendierung des Alltagslebens erfordere und nur von wenigen Männer durch esoterische Praxis erreicht werden könne. Als Vorbild des Adels135 bezeichnete Evola die Figur der römischen Krieger, welche die sogenannte Tradition des Mittelmeers in sich getragen habe, die ihrerseits nach Evolas Geschichtstheorie dieselben Wurzeln wie die nordische arische Kultur gehabt hätte. Damit versuchte er, die in den Werken vieler deutscher Autoren136 wesentliche Trennung der östlich-südlichen Tradition von der westlichnördlichen zu überwinden.137 Das Wesen dieser einzigen Tradition sei solar, männlich und hierarchisch gewesen, seine Prinzipien seien die Individualität, die Differenzierung, die Gliederung gewesen, d.h. eine Ordnung, die aus nichts anderem als aus Persönlichkeiten bestanden hätte, die sich der weiblichen, tellurischen, dämonischen Tradition – der Entartung – entgegengestellt hätte.138 Die beiden Pole – absolut positiv der erste, absolut negativ der zweite – stellten auch Stadien eines mythischen, historischen Prozesses dar139, der ihren Kampf und die darauffolgende progressive Dekadenz des Abendlands zeige. Wie bei Spengler vollziehe sich die Geschichte in einer Abfolge von Zyklen, so daß das Ideal des Fortschritts nur eine Illusion des Westens sei, um sich die eigene Dekadenz nicht eingestehen zu müssen. Man könnte sagen, daß die Geschichte in dieser Konzeption sogar rückwärts ging und alles – insbesondere die aktuelle Gesellschaft – an einem absolut positiven Idealbild der ursprünglichen Welt gemessen wurde. Das Feindbild des pensée de la tradition – dessen wichtigste Exponenten Guénon, Eliade und Evola sind – ist dann die Modernität als solche. Wenn dieser negative Begriff differenziert betrachtet wird, erscheinen die Feinde, die schon vorher bei den Integralisten analysiert wurden: Europäismus, Reform, Intellektualismus, Rationalismus, Positivismus. Allen Autoren des pensée de la tradition gemeinsam ist die Ablehnung der individuellen Kritik an der Autorität und der Hierarchie, die die Reduktion der spirituellen und sakralen Kräfte auf materielle, hedonistische Bedürfnisse mit sich bringe. Europa bedeutet für Evola, aber auch für Suckert140, das Reich der Technik, des Geldes und der »Gelehrten«, das Vergessen der sakralen römischen Ganzheit des Lebens, dem er 205 den mediterranen, »aktiven, antirhetorischen, antiphilosophischen, antisentimentalen, antichristlichen, antidemokratischen«141 Geist gegenüberstellt. Erste Ursache der Dekadenz ist das Christentum, die »unmoralische« Religion der Sklaven, die auf dem Prinzip der Gleichheit basiere und damit die natürliche Hierarchie und die Unterschiede der Menschheit verberge. Die Reformation hätte den Zerfall der Tradition und der moralischen natürlichen Prinzipien nur fortgesetzt und den Krieg der abstrakten individuellen Vernunft gegen die sakralen Normen erklärt.142 Die Aufklärung und die technologisch-industrielle Revolution hätten diesen Prozeß der Dekadenz vollendet: Damit habe das Abendland die Kali Yuga (das eiserne Zeitalter Hesiods) erreicht, in der die vierte Kaste (die Massen) regiere.143 Es wäre aber falsch, aus diesem Bild – aus seiner Ablehnung der individuellen Kritik – zu schließen, daß Evola ein Antiindividualist war. Er verleugnete nie seine ursprüngliche Theorie des absoluten Individualismus und seinen Bezug auf Stirner. So versuchte er, das hierarchische Prinzip mit einem adligen, »gegenbürgerlichen« Individualismus zu harmonisieren, indem er die zwei oberen Kasten der Gesellschaft (die Krieger und die Priester) von den unteren Kasten trennte und ihnen eine von diesen ganz unterschiedliche »Natur« verlieh. Nur die Angehörigen der ersten Stände seien Individuen, die ihr »Ich« durch die esoterische Doktrin entwickelten und durch Loyalität miteinander verbunden wären, während die zwei tieferen Stände – die Händler und der vierte Stand – die undifferenzierte Masse bildeten und nur gehorchen sollten. Alle sollten ihre Funktion in der organischen Gesellschaft ihrer Natur gemäß erfüllen, um ihren unterschiedlichen, von der Natur festgelegten Entwicklungen zu folgen. Auf dieselbe Art erklärte Evola die Unterschiede zwischen Mann und Frau und zwischen Kasten und Rassen als ein beizubehaltendes und zu verherrlichendes dato de facto; diejenigen, die es in Frage stellten und damit den Wunsch der unteren Ständen (oder der Frauen) weckten, eine andere Position zu erreichen, trügen die Schuld am Verfall unserer Kultur. »Die Aktion des Geistes wirkt auf den Stoff eines bestimmten Rassenbestandes, den [der Geist] anwendet und auf einem höheren Niveau blühen läßt ... Die Aktion des Geistes ... besteht darin ..., daß er eine Form aus der Unform ›verwirklicht‹, nicht daß er sie verändert ... Jede vom Naturstatus herkommende Rasse hat ihre typische, entsprechende, eigene Natur, ..., und man muß sie anhand eines spirituellen Faktors erklären, der nicht auf irgendwelche ethnischen Faktoren zurückzuführen ist«.144 206 Es steht außer Frage, daß bei Evola der Begriff der Rasse viel stärker als bei Suckert hervorgehoben wird und eine wichtige Stelle seines Denksystems markiert, obwohl auch Evola unter Rasse in erster Linie die Kultur versteht. So ist zum Beispiel die semitische Rasse nur aufgrund ihrer Mentalität für die Dekadenz verantwortlich: Die semitische Antikultur führe zur Herrschaft der Ökonomie, zur Reduktion jeder spirituellen Kraft auf materialistische Faktoren, zum Rationalismus, zum abstrakten Intellektualismus – die meisten Intellektuellen seien entweder Juden oder »judifiziert«. Evola behauptet, daß »den Juden die ›Freiheit‹ zu geben« zwar »bedeutet, den Weg zu ihrer Herrschaft zu öffnen«145, aber er erklärt gegen Moeller van den Bruck, Jouvenel und die ganze nationalsozialistische, rassistische Literatur, daß die Frage der Veränderung der Gesellschaft damit nicht gelöst sei: Die Juden seien nur ein Teil des Problems, und der Kampf gegen sie könne auf keinen Fall ausreichen146, um die ganze moderne verdorbene Gesellschaft zu verändern. Die Rechte bei Evola Die Betrachtung Evolas als politischer Intellektueller, d.h. als ein Autor, der in der Absicht schrieb, durch seine intellektuelle Tätigkeit an einer totalen gesellschaftlichen Veränderung mitzuwirken, ist nicht unproblematisch. Einige Forscher147 haben eine unpolitische Interpretation der Werke Evolas bevorzugt und damit den von Evola selbst in seinen späteren Schriften hervorgehobenen Charakter der apolitia unterstrichen.148 Wenn Evola dennoch auf einen apolitischen Denker reduziert wird, verliert seine Figur die sie von den anderen Autoren der pensée de la Tradition unterscheidenden originären Kennzeichen, und man versteht keinesfalls die diesbezüglichen Konflikte Evolas mit seinen »Meistern« Guénon und Di Giorgio. Die Möglichkeit, die Tradition konkret und politisch wiederherzustellen, war für Evola mit der Existenz einer westlichen traditionellen esoterischen Gruppe verbunden. Guénon hingegen blieb skeptisch bezüglich der Frage des Überlebens der westlichen Tradition und wünschte auf keinen Fall eine auf nicht traditionell legitimierten Gruppen basierende politische Ordnung149, so daß er die praktische Widerherstellung der Tradition im Westen und durch westliche Gruppen schließlich verneinte. Evola behauptete nicht nur die Existenz traditionell 207 legitimierter esoterischer Gruppen in Europa, sondern schob sogar die Frage der Initiation in den Hintergrund. Damit war für Evola unwesentlich, ob die zukünftig regierenden traditionellen Kreise legitim oder illegitim sein würden – d.h. ob sie eingeweihte Gruppen sein würden, da sie eine »Selbstinitiation« durchführen und folglich alle, auch die faschistische Partei, diese Elite darstellen könnten. Dies war nach Guènons Auffassung inakzeptabel, weil antitraditionell, und mit der esoterischen Tradition nicht vereinbar.150 Die Beziehung zwischen der Politik und der Wissenschaft einerseits und der geistlichen Tradition andererseits, ist bei Evola jene zwischen Teil und Ganzem: »Der Geist – alles, was jedwedes Interesse, jede Form und jeden beweglichen, politischen und menschlichen Stoff transzendiert – ist für uns Zentrum, absoluter Wert. Er gilt als ... Ort des Kampfes. Der Geistliche muß den Weltlichen beherrschen«.151 Wenn Evola im Namen der Tradition die Modernität bekämpfte, führte er einen »totalen« Krieg, in dem die Attacke gegen die Politik, die Wissenschaft, die Kunst in einer idealen und radikalen Auffassung der Ganzheit subsumiert wurden; wenn er sein Ziel einer traditionsorientierten, organischen Gemeinschaft ausrief, war die Politik nur ein Aspekt seiner (anti)utopischen Vision. Die ersten Attacken Evolas gegen den Faschismus lassen sich deshalb nicht als apolitische, sondern als metapolitische Kritiken gegen die gesamte kulturelle und spirituelle Leere der faschistischen Revolution ansehen, die eine breitere Basis für die Verwirklichung einer erneuerten Gesellschaft benötigte. Dem Faschismus fehlten kulturelle und spirituelle Wurzeln infolge seines Mangels an »innerer Bildung«; er habe später, d.h. nach der Machteroberung, versucht, eine kulturelle und spirituelle Identität zu gewinnen, »nachdem er den Erfolg durch Kompromisse, materielle Gewalt und externe Faktoren schon erreicht hatte ... Deswegen bedeutet der Ausdruck ›ideale Superstruktur der Partei‹ nur ... eine Doktrin, die eine Art von Sack ist, der alle möglichen Dinge enthalten kann«.152 Dieser Mangel an kultureller und spiritueller Identität – der Faschismus sei, so Evola, »eine Ironie der Revolution« – bleibe eng mit seiner Zweideutigkeit, mit seinem »Schwanken zwischen Legalität und Illegalität«153 und mit seiner Unfähigkeit zur Lösung der italienischen politischen Probleme verbunden. Diese Passage zeigt die Unzufriedenheit Evolas mit dem Regime und insbesondere mit dessen Denkern, vor allem mit Gentile, der zu dieser Zeit zum ständigen Thema Evolas wird. 208 Das war nur der Anfang eines immer stärkeren Interesses Evolas an den politischen Entwicklungen. Die Gründung der Gruppe Ur im Jahre 1927, die mit einigen wichtigen Vertretern der Freimaurer wie Arturo Reghini verbunden war, bezeugte nicht nur das Interesse Evolas an der Esoterik, sondern auch seinen Versuch, eine traditionelle integralistische Elite zu bilden, der sich als Fortsetzung des gescheiterten Projekts der Freimaurer Reghinis begreifen läßt. Die Kritik an der modernen Gesellschaft wurde in diesem Sinne auf zwei Ebenen durchgeführt: auf einer analytischen Ebene mit Hilfe des Studiums des Charakters der Tradition und der orientalischen Gesellschaften, auf einer praktischen und politischen Ebene durch die Formierung einer neuen spirituellen Elite (einer »unsterblichen Rasse«) zur Zerstörung der modernen Zivilisation und zur Ablösung der Ideen der technischen Entwicklung durch die magische Auffassung der Welt.154 Da das von der Gruppe Ur übertragene Wissen nicht nur die Entfaltung der rationalen Fähigkeiten des Individuums, sondern seiner ganzen Persönlichkeit einschließlich seines magischen Potentials erforderte, besaß es die »moralische Bedeutung« der »Integration« und der Veränderung der menschlichen Natur.155 Transzendentales Experimentieren sei eine »aristokratische« Doktrin, die eine Verwandlung des Ichs forderte, damit sich die Laien durch das Studium und die Praktiken zu diesem Erlebnis erhöhen konnten – was das Gegenteil der »demokratischen, sozialistischen und gleichmachenden Tendenz, welche die heutige Kultur beherrscht«156, darstelle. Die Diskussion über die Initiation und die Gründung dieser neuen Wissenschaft verband sich deutlich mit dem Projekt der Bildung einer neuen traditionellen Gesellschaft: » ... Und er wird denken, daß der Himmel vielleicht eines Tages wieder öd werden wird, daß der Nebel sich zerstreut und langsam die elementare, nackte, grausame und metallische Realität erscheint – und nichts anderes, nichts auf das man sich stützen könnte ... An diesem Punkt wird die Schwäche zusammenbrechen und die Stärke sich durchsetzen. Und vielleicht wird das verborgene und in den Jahrhunderten der esoterischen Tradition bewahrte Licht wieder in dieser westlichen Nacht scheinen. ... Und neues Leben [wird entstehen] ... in einer sonnigen Welt, in großen Wellen aus Licht und aus Schrecken; neues Leben, das die von den Gnostikern prophezeite ›Rasse ohne König‹, die ›unsterbliche Rasse der Weltkönige‹ sein wird.«157 Die »Weltkönige« konnten nach Evola nur die »Eingeweihten« sein, welche das Potential ihres magischen Ichs, und zwar als Teil der Gruppe Ur, er209 forscht hatten. Obwohl Evola eine visionäre Sprache benutzte, die sich nicht nach der Rationalität des Publikums, sondern nach seinen Gefühlen und Phantasien richtete, wird deutlich, daß er ein praktisches und politisches Ziel verfolgte, nämlich die Wiederherstellung der traditionellen Ordnung durch die Bildung einer und die Regierung durch eine traditionelle Elite. Mit seinen Artikeln aus dem Jahr 1927, »Fascismo antifilosofico e tradizione mediterranea«158 und »Il fascismo quale volontà d’impero e il cristianesmo«159, sowie der Gründung der Zeitschrift »La Torre« ein Jahr nach dem Ende der Gruppe Krur160 setzte Evola seinen Versuch, den Faschismus zu »korrigieren«, fort. Dem Faschismus billigte Evola das Verdienst zu, eine Alternative zur Dekadenz der modernen Gesellschaft darzustellen und ein neues politisches Modell gegen den amerikanischen Kapitalismus und den russischen Bolschewismus zu vertreten. Diese Regierungsformen waren für ihn »zwei gleichwertige Beispiele, zwei nämliche Gesichter ein und derselben Sache«, d.h. der Herrschaft der »Massen-Menschen«, welche die Individualität und die mit ihr verbundene Spiritualität vernichteten und den Triumph der Mechanisierung und der Rationalisierung bestätigten.161 Deswegen bedeutete der Faschismus, allerdings nur jener Teil, der von gewalttätiger und zerstörender Kraft gekennzeichnet war – d.h. der reine ursprüngliche Faschismus des squadrismo bzw. der intransigenti -, zunächst eine spontane Revolte der Irrationalität, eine »antikulturelle Revolution«162, den Sieg der Tat über das bürgerliche dekadente Denken. Die Spontaneität und der Kampf gegen die Kultur verherrlichte Evola aus denselben Gründen und mit denselben Hoffnungen wie Suckert. Doch wie dieser spürte auch Evola die Notwendigkeit, die Revolution zu vollenden, d.h. durch die Entwicklung eines spirituellen, traditionalistischen Projektes zur Wiederherstellung der Tradition, die von den faschistischen »spontanen« und integralen Kräften durchgeführt werden sollte.163 Diese Entwicklung des Faschismus zu fördern und aufzuzeigen war das Ziel des jungen Evolas, der zwei Methoden anwendete: die langfristige Bildung einer neuen Aristokratie von Helden und die Polemik gegen die politischen Entscheidungen, welche die positiven Kräfte und Motive des Faschismus behinderten und die Normalisierung ermöglichten. In Bezug auf die zweite Strategie begann Evola mit seinem Artikel »Il fascismo quale volontà d’impero e il cristianesmo« in »Critica fascista« eine Polemik gegen jede Form eines Abkommens zwischen dem Faschismus und der Kirche, die nicht nur viele Gegenangriffe auf ihn nach sich zog164, sondern auch 210 für das Ende seiner Mitarbeit an der Zeitschrift verantwortlich war. Zwei Argumente brachte Evola gegen das Abkommen vor. Zuerst sei die Kirche die Quelle der abendländischen Dekadenz und Trägerin der Entartung der ursprünglichen Gesellschaft der Ungleichen. Zweitens lasse sich das Streben des Faschismus nach Bildung einer übergeordneten politischen und Lebensorganisation mit einem Abkommen mit der Kirche nicht vereinbaren: Entweder bleibe der Faschismus, wie jede moderne Regierung, eine rein »materielle Organisation« und überlasse der Kirche die spirituelle Bildung und Verantwortung, oder er verkörpere das ursprüngliche Reich und vereine beide Funktionen der Vertretung und der Organisation der spirituellen und materiellen Kräfte. Wenn der Faschismus letzteren Weg gehen wolle, müsse er das hierarchische Prinzip wiederherstellen und damit jeden Rest der liberalen demokratischen Institutionen – insbesondere das repräsentative System – abschaffen und sich als einziges, spirituelles, politisches Prinzip darstellen. Das Vorbild Evolas war dabei die mittelalterliche politische Struktur: »in dem Maße, wie die Herrscher, die vollendeten Individuen, die Achse des ganzen sozialen Organismus bildeten, dieser Organismus also gleichsam ein vom Geiste regierter Körper war, waren zeitliche Macht und geistliche Autorität eins; die Hierarchie war legitim im unbedingten Wortsinne«.165 Die Spitze der Organisation bildete der Führer, der in sich die Eigenschaften des Asketen, des Königs und des Priesters vereinigte und deshalb eine »universelle und fast übernatürliche Persönlichkeit« dargestellt habe.166 Die politische Methode, die Massen im »hierarchischen Organismus« zu regieren, bestehe in der Verwendung von Mythen, von Ideen-Kraft, die der Führer, wie bei Sorel, kaltblütig als Mittel, als hypnotisierende Instrumente betrachten solle, ohne selbst an sie zu glauben. Anders als bei der Aristokratie gelte für die Massen das Prinzip, daß die Idee einen Wert habe, der unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt sei: Sie sollte so lange gültig sein, wie sie wirke.167 Die zweite Methode zur Beherrschung sei die Gewalt, die jedoch als solche für ein Zeichen der Schwäche der Herrschenden gehalten werden müsse, weil sie den Kampf gegen einen Widerstand voraussetze und deshalb eine paritätische Beziehung zwischen den Herrschenden und den Beherrschten suggeriere. »Die Gewalt ist zu wenig. Die Macht ist nicht die Gewalt, insofern diese ein ›Dagegen-Stehen‹ (und damit ein Stehen auf der gleichen Ebene) ausdrückt, und nicht ein ›Darüberstehen‹.«168 Dies gelte jedoch nur von einem absoluten Standpunkt aus. Evola behauptet einige Zeilen später, 211 daß die Gewalt durchaus auch nützlich sein könne – ohne daß eine klare Grenze zwischen der »richtigen« und »unrichtigen« Anwendung von Gewalt gezogen werden könne. Auf diese Art versöhnte Evola eine machiavellistische Vision der politischen Machtinstrumente, die in der Ära von Politikern wie Mussolini und von Intellektuellen wie Pareto und Sorel unterstützt wurde, mit einer spirituellen, »hohen« Interpretation der politischen Aufgaben, die nur von einem kleinen elitären Kreis verstanden und übertragen werden sollten.169 In »Imperialismo pagano« macht Evola die Durchführbarkeit seiner politischen Vision von der Voraussetzung abhängig, daß der Faschismus sich in seiner »reinsten Kraft mit dem Reichswillen identifiziert, daß sein Wachrufen der Adler und des Liktorenbündels nicht nur rhetorisch ist, ... daß er etwas Neues darstellt.«170 Aus dieser Perspektive läßt sich die Gründung von »La Torre« als Versuch verstehen, den integralen Imperialismus durch Bildung faschistischer Aristokratien durchzusetzen, um dadurch den Faschismus in eine traditionalistische Richtung zu lenken. Als Antwort auf die Attacke der faschistischen Presse und die Beschlagnahmung der Zeitschrift infolge der Kritik von »La Torre« an der demographischen Kampagne der Regierung schrieb Evola: »Wir sind weder ›Faschisten‹ noch ›Antifaschisten‹. Der ›Antifaschismus‹ ist nichts. Aber für uns integrale Imperialisten, für uns Aristokraten, unbeugsame Feinde jeder plebejischen Politik, jeder ›nationalistischen‹ Ideologie, jeder Intrige oder jeden Geistes der ›Partei‹, jeder mehr oder weniger versteckten Form von Sozialismus und Demokratie, ist der Faschismus zu wenig ... Wir können nie als ›Antifaschisten‹ betrachtet werden, höchstens wenn der ›Superfaschismus‹ dieselbe Bedeutung wie der ›Antifaschismus‹ hat ...«.171 Dieser nie wirklich erforschte Versuch Evolas und seiner Gruppe von »La Torre«, die zum großen Teil aus ehemaligen Mitgliedern der Freimaurerloge der Piazza del Gesù und des Theosophischen Bund bestand, sollte die Richtlinie für das weitere Vorgehen vorgeben, dergestalt, daß die Adressaten – die zukünftige Elite – und die als positiv bezeichneten Kräfte innerhalb des Faschismus, die diese Revolution unterstützen sollten, definiert wurden. Diese Gruppen entsprachen dem heterogenen Leserkreis von »Imperialismo pagano« und später von »La Torre«. Die Gründe dieser Uneinheitlichkeit werden im Folgenden erklärt. Die zu unterstützende und zu bildende Elite bestand aus jenen, welche die Lehre der Tradition verstehen oder wenigstens an ihrer 212 Entwicklung, wenn auch nicht immer bewußt, mitwirken konnten. Zum einen waren damit die Soldaten gemeint – aber nicht irgendwelche Soldaten, sondern nur jene, die den Krieg als einen Wert für sich selbst und für die Entwicklung des eigenen Ichs betrachteten.172 Ferner umfaßte sie die Aristokraten173 – nicht als Träger eines Titels, sondern als Repräsentanten einer moralischen, spirituellen, traditionellen Vision.174 Um die Elite und das Reich zu bilden, wünschte Evola eine konkrete politische Schicht und Ideologie innerhalb des Faschismus, die sein Projekt verwirklichen sollten, eine »reine« faschistische Ideologie175 und eine Art »Aristokratie«, welche das positive und antibürgerliche Streben vertreten, verbreiten und eine ständige Revolution in der vollständigen Beziehung des Einzelnen zu seiner Existenz ermöglichen sollte. Diese faschistische Kraft war jene »ultraintransigente«176, welche die Normalisierung bekämpfte, d.h. die squadristi, die »Soldaten« des Faschismus, die einzigen Protagonisten der »integralen faschistischen Revolution«.177 Auf diese Art ließ sich das aristokratische Projekt von Evola trotz seiner esoterischen Wurzeln auf das konkrete politische Leben übertragen und fand in »den reinen Faschisten« – den nicht so kultivierten squadristi und den intransigenti – seine Vertreter. Hier werden Evolas Ähnlichkeiten mit und gleichzeitig seine Differenzen zu den integralistischen Intellektuellen in Bezug auf die politische Auffassung deutlich: Alle unterschieden zwischen einer rein antibürgerlichen Strömung innerhalb des Faschismus und einer normalisierenden, korrupten und modernen Entartungskraft. Alle sahen den Faschismus als Aktivismus und zerstörende Revolution an; alle zielten auf die Wiederherstellung der Tradition, d.h. der natürlichen Hierarchien, die aus der Aristokratie der Krieger bestehe; alle bezogen sich auf die »Integralen«, auf die Feinde der modernen bürgerlichen Kultur und Politik – die intransigenti; alle differenzieren die »reinen« Faschisten von den »unreinen«; alle hatten schließlich ein Ideal der traditionellen zukünftigen Gesellschaft, das sie dem »realen« Faschismus entgegensetzten. Das Vorbild der Tradition entlehnten alle diese Autoren dem römischen Reich. Das Ideal Evolas und der Gruppe um »La torre« steht jedoch in einer mystischen Distanz, in der esoterischen Welt der Tradition, während die integralistischen Intellektuellen oft eine konkrete, begrenzte politische Bewegung – die intransigenti – mit der Tradition identifizierten. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch nicht in ihrer Haltung dem Faschismus gegenüber, der als eine Mischung positiver und negativer Motive 213 betrachtet wurde, sondern in ihrer Auffassung der Tradition. Maccari, Sukkert, Settimelli und Carli waren weniger konsequent und weniger originell, so daß sich ihr Ideal oft auf eine konkrete politischen Strömung und einen konkreten Kampf begrenzen läßt. Das Verhältnis Evolas und der Gruppe um »La torre« zu Maccari und Suckert läßt sich auch an den Kritiken an diesen in »La torre« zeigen. Obwohl sie teilweise als Vorreiter des Kampfes gegen die Modernität und der antiamerikanischen und antikapitalistischen Kritik anerkannt werden, wird ihre Vision dennoch als »dilettantisch und literarisch« bewertet, weil sie die Tradition auf einer begrenzten Wirklichkeit, etwa die der Provinzen, reduziert hätten.178 Ihr Ziel sei zwar hoch zu schätzen, aber ihre Methoden nicht radikal genug, weil ihre Analyse an der Oberfläche bleibe. Daß sie dennoch relativ positiv bewertet wurden, stellt ebenso wie die wechselhafte Kritik am Dadaismus eine Ausnahme vom grundsätzlichen Tenor der in »La Torre« publizierten Artikel dar, in denen der Futurismus, Gentile, Croce und ihre Schüler zusammen mit einem großen Teil der italienischen Kulturexponenten ständig verrissen wurden. Evola und die Kontinuität mit den Integralisten Der Radikalismus des Denkens Evolas und sein Begriff der Tradition stellen im Vergleich zu den Auffassungen der integralistischen Intellektuellen ein artikuliertes System dar. Aber auch zwischen jenen selbst gibt es Unterschiede, obwohl sie weniger auffällig sind: Maccari war kein systematischer Denker, sondern ein Künstler, der eine unreflektierte und spontane Kritik des Faschismus und der Modernität übte. Carli und Settimelli waren ursprünglich auch keine Erneuerer der Literatur, aber bei ihnen wurden die Themen der politischen und kulturellen Revolution schon in Verbindung zur Entwicklung der Tradition – des römischen Reichs – gesetzt. Bei Suckert ist die historische und kulturelle Reflexion über die Tradition stark entwickelt. Es ist auch bemerkenswert, daß Maccari und Suckert insbesondere an die Jüngeren der Partei denken, wenn sie über die natürliche Elite sprechen, während Evola eine aristokratische Konzeption der Politik und der gesellschaftlichen Beziehungen hat. Dieser Unterschied kann aber dennoch nicht die Tatsache verdecken, daß bei diesen Autoren eine elitäre Definition der politischen Bezie214 hungen und eine hierarchische Auffassung des sozialen Bündnisses den Kern ihrer Ansichten bildeten. Die Eliten lassen sich unterschiedlich definieren, als »jüngere« squadristi (Maccari) oder als squadristische Miliz (Evola) aber sie stellen immer eine spirituelle Elite dar, deren Wert nicht in wissenschaftlichen oder politischen Fähigkeiten gründet, sondern an persönliche geistige Eigenschaften gebunden bleibt. Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei Betrachtung der Ursrpünge der hier analysierten Autoren. Maccari, Suckert, Settimelli und Carli waren Faschisten der Bewegung, deren Träume und idealistische Vorstellungen enttäuscht wurden. Evola hingegen war ursprünglich kein Faschist, sah jedoch im integralistischen Faschismus die Möglichkeit, eine hierarchische Gesellschaft und die Verwirklichung eines reaktionären Regimes zu erreichen, das der Tradition entsprach. Aus diesem Grund knüpfte Evola an die Themen der Integralisten an und transponierte deren antimoderne und antieuropäische Haltung auf ein höheres und komplexeres Niveau, auf dem die Strömungen des pensée de la tradition, der Literatur über die Dekadenz und der Theorien des organischen Staates zusammenflossen. Evola verlieh den Themen der antimodernen und antimaterialistischen Kritik eine neue Bedeutung und erarbeitete eine komplexere Utopie, die sich quasi als logische Folge des integralistischen Protestes darstellte. Die bei den vier integralistischen Autoren noch unbestimmten Begriffe der Rasse, der Tradition, der Hierarchie und der Ordnung wurden bei Evola in ein abgeschlossenes Denksystem integriert und entsprachen damit einem Ideal, das immer weniger mit dem ursprünglichen Faschismus und dem politischen Regime übereinstimmen konnte. Evola ging zunächst denselben Weg wie die integralistischen Intellektuellen: von der Avantgarde zur Tradition, vom Wunsch nach Zerstörung der liberalen und bürgerlichen Gesellschaft zur Verteidigung der Tradition und der Hierarchie. Dabei kämpften sie alle immer gegen dasselbe Feindbild: die konservativen und die moderaten Exponenten sowohl der Politik wie der künstlerischen und literarischen Welt. Die vier integralistischen Autoren verteidigten wie Evola eine totale Funktion von Kunst und Wissenschaft: Ihre Auffassung war dadurch gekennzeichnet, daß sie eine politische, intellektuelle und kulturelle »Revolution« durchführen wollten, in der diese drei Momente zusammengehörten. War deren Kritik bereits radikal und absolut, so radikalisierte Evola wiederum ihre Ansätze. Den Faschismus kritisierte er mit seiner Gruppe von »La Torre«, er versuchte ihn zu berichtigen, pochte 215 aber in erster Linie auf die Freiheit seiner Prinzipien: »Unsere Zeitschrift ist nicht geboren, um Faschismus zu predigen ... sie ist im Gegensatz geboren, um Prinzipien zu verteidigen, die ganz dieselben wären, sei es unter einem faschistischen oder kommunistischen, anarchistischen oder republikanischen Regime ... In dem Maße, in dem der Faschismus diese Prinzipien verfolgt und verteidigt, und nur in diesem Maße können wir uns als Faschisten betrachten«.179 Die ganze Zivilisation zu zerstören, die Modernität, ihr Fortschrittsprogramm und ihre bürgerlichen Professoren endgültig zu verabschieden: hierin lag der Kern seines antiintellektuellen intellektuellen Projektes, dafür war sogar der Faschismus zu wenig. 1 Vgl. E. Gentile, Il culto del Littorio, Laterza, Bari, 1993. 2 P. Misciatelli, »La mistica del fascismo«, in: Critica fascista, 15. Juli, 1923. 3 Vgl. P. Cannistraro, La fabbrica del consenso, Laterza, Bari, 1975; A.L. De Castris »Gramsci e il problema dell’egemonia negli anni ‘30«, in: Lavoro critico, XIX, 1980; P.G. Zunino, L’ideologia del fascismo, Bologna, 1985; E. Gentile, Il culto del Littorio ..., op.cit. 4 Volpi, Rossoni und Federzoni wurden 1928 von den politischen relevanten Posten entfernt; Turati im Jahr 1930; Bottai im Jahr 1932; Rocco im Jahr 1933. 5 Mussolini, »Per la medaglia dei benemeriti nel comune di Milano«, in: Opera omnia, XXI, Firenze, 1960, S.425. 6 Vgl. De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione ..., op.cit., 296 ff. Hannah Arendt macht den Unterschied des italienischen faschistischen Regimes zu den »reinen« totalitären Regimen dadurch klar, daß nur im Faschismus die Überlagerung des Staates mit dem Regime stattfinde; wobei in Deutschland zum Beispiel der Staat der Partei und ihrer Militärgruppe untergeordnet war. »Die Nazis haben sich von dieser faschistischen Form der Diktatur, in der die ›Bewegung‹ nur dazu dient, die Partei an die Macht zu bringen, bereits vor der Machtergreifung deutlichst distanziert, und zwar dadurch, daß sie die Partei dazu benutzten, ›die Bewegung vorwärts zu treiben’, die ihrerseits, im Gegensatz zur Partei, keine ›bestimmten, fest umrissenen Ziele‹ haben darf« (H. Arendt, Elemente und Ursprüng totaler Herrschaft, 1998, München, S. 545). 7 Mussolini, »Al popolo di Roma per il 28 ottobre« in: Opera ..., op.cit., XXII, S. 241 ff. 8 Ludwig, Colloqui con Mussolini, Milano, 19503, S. 64. 9 Mussolini, »Intransigenza assoluta«, in: Opera omnia ..., op.cit. B. XXI, S. 363. 10 Vgl. De Felice Mussolini il fascista. L'organizzazione ..., op.cit., S. 159 ff. 11 Vgl. Y. De Begnac, Palazzo Venezia. Storia di un regime, 1959, Roma, S. 286. 12 De Felice, Mussolini il fascista. L'organizzazione ..., op.cit., S.120 ff. 216 13 Zur Bedeutung dieser Maßnahmen vgl. u.a. A. Aquarone, L’organizzazione dello stato totalitario, Torino, 1965; L. Paladin, »Fascismo (diritto costituzionale)« sub voce, in Enciclopedia del diritto, B. XVI, Milano, 1966. 14 A. Rocco, La trasformazione dello Stato, Roma, 1927, S. 178 ff. 15 Über die Figur von Alfredo Rocco vgl. u.a. P. Ungari, Alfredo Rocco e l’ideologia giuridica del fascismo, Brescia, 1974; De Felice, Mussolini il fascista. L'organizzazione ..., op.cit., S. 161 ff., Gentile, Il mito dello stato nuovo ..., op.cit. 16 E. Amicucci, Il giornalismo nel regime fascista, Roma, 1930, S. 60 ff., zitiert in: De Felice, Mussolini il duce. Gli anni ..., op.cit., S. 182-3. 17 De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione ..., op.cit., S.190. 18 Nach De Felice lag die Gesamtzahl der Säuberungsaktionen zwischen 55.000 und 60.000. (De Felice, Ebenda., S.187). 19 Um die Verbindung der Partei zum Regime zu festigen, veränderte der neue Sekretär die Struktur der Partei so, daß kein demokratisches Gremium und keine Wahl zur Ernennung der Kader beitrugen: der Gran Consiglio (der zentrale Beirat der Partei), der aus Mussolini, den faschistischen Senatoren und anderen faschistischen politischen Exponenten bestand, sollte auch die untere Führungsschicht in der Partei ernennen, damit jeder Einfluß der Basis auf die oberen Ränge verhindert werde. Um die Autonomie der Partei noch weiter zu beschränken, wurde die Figur des Präfekten gestärkt, der nicht nur die antifaschistischen Tätigkeiten unterdrücken, sondern auch die Haltung und das politisches Leben der Faschisten überwachen sollte. Dadurch wurden die Entwicklungen und die für das Regime »gefährlichen« Tendenzen innerhalb der PNF besser kontrollierbar. 20 Leider lassen sich hier nur wenige Hinweise auf die Diskussion über den faschistischen Syndikalismus geben, aufgrund der Komplexität und des Reichtums der Themen und der Dokumenten, die nur eine spezifische Analyse komplett untersuchen könnte. 21 Erklärungen des Gran Consiglio del fascismo, April 1925, in: De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione ..., op.cit., S. 93 ff. 22 Vgl. De Felice. Ebenda., S. 330 ff. 23 Zur Krise der Jugend vgl. die Untersuchungen von G. Germani, Autoritarismo, fascismo e classi sociali, Bologna, 1975 und von M. Leeden, L’internazionale ..., op.cit. 24 Conciliazione ist der Lateranvertrag. Das Wort »conciliazione« bedeutet eigentlich Versöhnung. 25 In »Il corriere della sera«, jetzt in: Opere, XLV ..., op.cit., S. 350-351 26 Gentile, Ebenda; vgl. auch De Felice, Mussolini il fascista. L’organizzazione dello ..., op.cit. ., S. 387 ff. 27 Gentile, »Fascismo e cultura«, in: Opere ..., op.cit., XLV, S. 343; und noch S. 349 ff. 28 Ebd., S. 351. 29 1934 wurden z.B. die Opera omnia von Gentile von der Kirche mit schweigender Zustimmung des Faschismus auf den Index gesetzt. 30 Vgl. Erklärung von Gentile in Foglio d’ordini, 37, 20. Oktober, V Jahr (1927). 31 Mangoni, L’Interventismo ..., op.cit. 32 Vgl. Mangoni, L’interventismo ..., op.cit.; Gentile, Le origini ..., op.cit. 217 33 Vgl. Germani, Autoritarismo, fascismo ..., op.cit. 34 Die ersten Jugendorganisationen wurden schon 1922 gebildet, aber später erweitert und verstärkt. 1926 wurde die Opera nazionale balilla gegründet, die sich später in die Organisation Gioventù italiana del Littorio verwandelte. Zu dieser Institution für die politische und kulturelle Bildung der faschistischen Jugend kamen die Gruppi Universitari Fascisti (faschistische Universitätsvereine) wie auch die Fasci Giovanili di Combattimento hinzu. 35 Vgl. die von »Critica fascista« während der 30er Jahren veröffentlichten Debatten. 36 Diese Analyse stammt von Germani, Autoritarismo, fascismo ..., op.cit. 37 G. Giovanelli, »Conversazione ?«, in: Critica fascista, 15 März 1931. 38 M. Leeden, Internazionale ..., op.cit. 39 Dieses Thema wird hier nur teilweise betrachtet, um den politischen Hintergrunds zu skizzieren. Ich verweise lediglich auf einem kleinen Teil der Literatur zu diesem Thema: De Felice, Mussolini il fascista L’organizzazione ..., op.cit.; Ders., Mussolini il duce. Gli anni ..., op.cit.; Gentile, Il culto del littorio ..., op.cit.; Cannistraro, La fabbrica del consenso ..., op.cit.; Zunino, L’ideologia del fascismo ..., op.cit. 40 Cannistraro, La fabbrica del ..., op.cit., S.31. 41 M. Campigli, C. Carrá, A. Funi, M. Sironi »Manifesto della pittura murale« in: La colonna, Dez. 1933. 42 Camillo Pellizzi, Le lettere italiane nel nostro secolo, Milano, 1929, S. 175 ff. 43 Vgl. Salaris, Artecrazia ..., op.cit. 44 Der Kongreß von Ferrara, auf dem sich eine bedeutende Entwicklung des Aktualismus durch den Korporativismus Ugo Spiritos profilierte, fand erst 1932 statt. Zur Analyse des Aktualismus in den späten 20er und 30er Jahren vgl. u.a. Del Noce, »Idee per l’interpretazione del fascismo«, in: Casucci (Hrsg.), Il fascismo ..., op.cit.; Bonsanti, »La cultura degli anni 30. Dai littoriali all’antifascismo«, in: Il segnacolo, Nov./ Dez. 1963, und Jan./Feb., 1964; Festa, Cultura e intellettuali nelle riviste del 900, 1984, Urbino. 45 In seinem Roman »Gli indifferenti« beschreibt ein wichtiger Schriftsteller dieser Zeit, Alberto Moravia, der auch dieser Generation angehört, diese Haltung. 46 Berto Ricci »Avvisi« in: L’universale, Mai 1932. 47 Letzterer war kein überzeugter Anhänger des Regimes. 48 Anonym »I Rosai«, Firenze, 1930, S. 3. 49 De Begnac, Taccuini mussoliniani, Bologna, 1990, S. 402. 50 Ebenda., S. 440. 51 Er war bis 1929 Leiter der Zeitung »Il Mattino«, dann Leiter von »La Stampa« und verließ 1931 die Partei und emigrierte nach Frankreich. Obwohl sein Buch »Technique du coup d’état« in Italien zensiert, in Deutschland sogar verbrannt und Malaparte 1933 ins Exil geschickt wurde, wurde er nie vom Faschismus ganz unterdrückt. Auch während seines Exils konnte er Artikel für die Zeitung »Il corriere della sera« schreiben. Sein Faschismus wie seine Polemik gegen den Faschismus nach seiner Unterstützung der intransigenti waren nie mehr konsequent und zielstrebig. Sein Pessimismus wird in diesen Worten von 1940 deutlich: »die alexandrinische Zeit von Europa (unsere Zeit, leider) schließt sich. Und wir fangen schon an zu stinken. Gott sei Dank stinken wir alle; und der 218 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 einzige Trost ist, daß wir nicht auf die gleiche Art stinken. Einige stinken mehr, einige weniger. Einige sind mehr tot, einige weniger. Aber der Schluß jedes Diskurses über die aktuelle italienische und europäische Literatur kann nur sein, daß unsere literarische Generation ihre Aufgabe beendet hat« (in: Prospettive, Nn.6-7, 1940). Vgl. Don Camaleo e altri scritti satirici, Florenz, 1963. Diese Erzählung hätte schon von dem antifaschistischen Freund Suckerts, Piero Gobetti, veröffentlicht werden sollen, aber 1926 wurde Gobetti getötet. Als Leo Longanesi in seiner Zeitschrift »Giornale di Genova« ihre Veröffentlichung begann, wurde sie von Mussolini zensiert (zum Leben Suckerts vgl. Grana, Curzio Malaparte, 1968, Firenze; Martelli, Curzio Malaparte, Torino 1968); De Grand, »Curzio Malaparte. The Illusion of the fascist revolution«, in: Journal for contemporary history, N.7, 1972; A. Hamilton, The Appeal of fascism. A Study of Intellectuals and Fascism, 1919-1945, London, 1971; A. Lyttleton, The Seizure of power. Fascism in Italy 1919-1929, London, 1973). Orco Bisorco (Pseudonym von Ardengo Soffici), »Bollettino ufficiale di strapaese«, in: Il Selvaggio, 24 Nov. 1927. Bontempelli, in: Novecento, N. 3, 1940. Malaparte, »Strapaese e stracittà«, in: Il Selvaggio, 10 Nov. 1927; Vgl. Mangoni, L’interventismo ..., op.cit., S. 141 ff. Soffici, »Semplicissimi«, in: Il Selvaggio, 30 Jan. 1927. Die Historikerin Mangoni hat scharfsinnig die Haltung Maccaris und die Gründe seines Scheiterns und seines endgültigen Ausschlusses erklärt: »... ›Il Selvaggio‹ übernahm mit absoluter Strenge und pathetischem Ernst die Propaganda-Slogans des Faschismus von Mussolini, als Anregungen zur Vollendung der Kämpfe und der Diskurse, an denen der Faschismus tatsächlich nicht interessiert war.« (Mangoni, L’interventismo ..., op.cit., S.148). Aus diesem Grund waren Maccari und seine Zeitschrift als gefährliche fronda verschrien, und Maccari war wiederholt gezwungen, seine Treue zum Faschismus zu unterstreichen. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt, als Arnaldo Mussolini 1927 in der regimetreuen Zeitung »Il Popolo d’Italia« die kleinen, parteiischen und faktiösen Versammlungen der florentinischen Gruppe attackierte. Dies war auch der Anfang einer Attacke derjenigen Faschisten, die nach der Isolierung Maccaris strebten. Carli, »Il ritorno delle muse«, in: L’Arte fascista, 1928, 3-4, 1928, S. 47 ff. vgl. auch, Solaris, Artecrazia ..., op.cit. Ebd. Marinetti brachte auf dem Kongreß des Futurismus (Bologna 1933) den Ausschluß Settimellis zur Abstimmung, da Settimelli und seine Zeitschrift »die auslandsorientierten Kritiker« gefördert hätten (Settimelli, »Al buon Marinetti«, in: L’impero, 21. Mai 1933). Bemerkenswert ist der von Marinetti angegebene Grund für die Ausstoßung Carlis, da Marinetti sich immer als kosmopolitischer und europäischer Autor darstellte (Vgl. Solaris, Artecrazia ..., op.cit., S.127 ff.; Buchignagni, »Settimelli e Carli dal futurismo al fascismo«, op.cit., S. 212 ff.). Settimelli, »Fine del movimento futurista«, in: L’Impero, 31. Dez. 1932. 219 62 Vgl. u.a. De Felice, Mussolini il duce. Gli anni del consenso, ..., op.cit.; Gentile, Le origini dell’Ideologia ..., op.cit.; Mangoni, L’interventismo della cultura ..., op.cit. Die Theorie des Korporativismus, die anfänglich von Bottai entwickelt worden war, wird erst Mitte der 30er Jahren mit Ugo Spirito die wichtigste Strömung der jüngeren intellektuellen Generation. Aus diesem Grund wird sie hier nicht betrachtet. 63 Zur Figur Bottais und zu seinem Werk vgl. u.a. De Grand, Bottai e la cultura fascista, Bari, 1978; Cassese, »Un programmatore degli anni ‘30: Giuseppe Bottai«, in: Politica del diritto, 1970, N.3; E. Gentile, »Bottai e il fascismo Osservazioni per una biografia«, in: Storia contemporanea, Juni 1979; Giordano B. Guerri »Introduzione« in: Bottai, Diario, Milano 1994; Bottai, Diario, Milano 1994; ders., Vent’anni e un giorno, Milano, 1949. 64 Die Position Suckerts war zu weit entfernt vom modernisierungsorientierten Ansatz Bottais, während die selvaggi wegen ihres mangelnden Radikalismus – und vielleicht auch ihrer fehlenden Konsistenz - leichter zu Bottais Partnern werden konnten. 65 Bottai, »Per arginare una controrivoluzione«, in: Critica fascista, 15. Mai 1925. 66 Nicht nur eine Mitarbeit der selvaggi an »Critica fascista«, sondern auch die positiven Bewertungen der Zeitschrift »Il Selvaggio« durch Bottai, und viceversa, machten deutlich, daß ein Prozeß der Annäherung stattgefunden hatte. Vgl. Mangoni L’interventismo ... op. cit., S.162 ff. 67 Vgl. Mangoni, L’interventismo ..., op.cit., S. 167 ff.; 170 ff. 68 Vgl. Ebda., S. 239 ff. 69 Vgl. Sechi »Critica fascista 1929-32. Idealismo politico e fermenti di una cultura nuova alla svolta del regime«, op.cit.; zur Kritik der jüngeren Intellektuellen an Gentile vgl. Garin, Cronache ..., op.cit., II, S. 405 ff. 70 Vgl. Ungari, Alfredo Rocco e l’ideologia giuridica del fascismo, Brescia, 1974. 71 vgl. Turi, Giovanni Gentile ..., op.cit., S.381 ff.: die Auseinandersetzung fing 1924 im Senat wegen der Frage der katholischen Lehre an, die laut Fedele implementiert werden sollte. Diese Diskussion mit den katholischen Kräften ging weiter und führte zur wesentlichen Modifizierung des Geistes der Bildungsreform. 72 Nach dem Marsch auf Rom war er Minister in der faschistischen Regierung: Finanzminister 1922, Parlamentspräsident 1924 und Justizminister 1925. 73 Der Vater Evolas entstammte einer verarmten aristokratischen Familie. Julius Evola führte immer den Titel eines Barons in seinem Namen. 74 Evola, Il cammino del cinabro, Milano, 1972, S. 19 ff. 75 Evola, Saggi sull’idealismo magico, Todi, 1925, S. 148. 76 Negri, Julius Evola e la filosofia, Milano, 1988. 77 E. Valento, Homo faber, Roma 1994. 78 Sie war ein kulturelles Zentrum, das insbesondere für die Verbreitung der futuristischen und Dada Avantgarde eine wesentliche Bedeutung hatte (vgl. M. Verdone, »La casa d’arte Bragaglia 1918-1930«, in: terzo occhio, 2 (59), 1991). 79 Die Rolle der Freimaurerei für den Aufstieg des Faschismus und für die Bildung der integralistisch-traditionellen Bewegung ist wesentlich, obwohl die Freimaurerei als kultu- 220 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 relle Kraft marginal war und vom Milieu der Hochkultur (Universitäten, kulturelle Institutionen) ausgeschlossen blieb. Die Freimaurer boten Mussolini wichtige Unterstützung während des Marsches auf Rom 1922; und das, obwohl sie von einer dem Faschismus verbundenen politischen Komponente der Nationalisten (ANI) bis 1925 bekämpft wurden, als die Gesetze zur Abschaffung der Geheimbünde verkündet wurden. »Ultra« wurde 1907 gegründet und von Decio Calvari geleitet, der zu dieser Zeit ein hohes Regierungsamt bekleidete. In diesem Milieu lernte Evola einige antifaschistische Intellektuelle und Politiker kennen, insbesondere Giovanni Amendola, einen der Führer der Partito di opposizione costituzionale, der nach der Matteotti-Krise (1924) die antifaschistische Opposition des Aventino leitete, und den Grafen Colonna di Cesarò, Führer der Democrazia Sociale. Außerdem freundete er sich mit Adriano Tilgher an, einem bedeutenden Intellektuellen, mit dem er bei der Zeitschrift »Idealismo realistico« zusammenarbeitete, und mit Sir John Woodroffe (Arthur Avalon), dem Übersetzer des »Tantra«, das einen starken Einfluß auf die Entwicklung von Evolas Denken ausübte. Die Artikel von Evola in »Il mondo« sind: »L’io supernormale«, 24 Jan, 1924; »La scuola della sapienza di Keyserling«, 4. März 1924; »La costruzione dell’immortalità«, 12 April 1924; »L’idealismo dell’insufficienza«, 26 Juni, 1924. Deswegen ist es fragwürdig, zu behaupten, daß die Mitarbeit Evolas an »Il mondo« einen politisch antifaschistischen Charakter hatte, oder Evola mit Amendola zu vergleichen. Obwohl Evola in dieser Zeit nicht faschistisch war und er diese Position in »Lo stato democratico« vertrat, ist er ganz klar kein Antifaschist. Die Artikel von Evola in »Lo Stato democratico« sind recht interessant wegen ihrer kritischen Bewertung des Faschismus. Insbesondere »Stato potenza e libertà« (I, 7, 1 Mai 1925) und »Per un rinnovamento dell’idea politica«(I, 24, 31 Dez. 1925) sind bemerkenswert. »Vita nova« wurde in Bologna gegründet und von Giuseppe Saitta geleitet. Diese Zeitschrift, die eine kritische Position gegen die Abkommen mit dem Vatikan einnahm und die Auffassung Gentiles unterstützte, spielte eine gewisse Rolle in der faschistischen Kultur und enthielt die Essays von jungen Intellektuellen wie Delio Cantimori und Ugo Spirito, die auch nach dem Faschismus eine wichtige Rolle in der italienischen Kultur spielten. Evola, »Fascismo antifilosofico e tradizione meditterranea«, in: Critica fascista, V, 12, 15 Juni 1927; »Il fascismo quale volontà d’impero e il cristianesimo«, in: Critica fascista, V, 24, 15 Dez. 1927. Evola, »Ai lettori«, in: La Torre, 1, 1. Feb. 1930; jetzt in: ders., La torre. Foglio di espressioni varie e di tradizione una, Tarchi (Hrsg.), Roma, 1995, S. 21. Ebd. Nummer 3 von La torre, 1 Mars 1930. Insbesondere mit Bottai und seinen Mitarbeiter von »Critica fascista« kam es zu heftigem Streit. Zwischen Mario Carli und Evola fand sogar eine gewalttätige Auseinandersetzung statt, die aber durch rein persönliche Motive verursacht wurde. 221 91 Akten über Evola, Polizia Politica, Staatsarchive, Rom. 92 Daraus ergibt sich aber keine Übereinstimmung der politischen Ideen des Rechtsdenkers Evolas und des Politikers Farinaccis, was auch in einer späteren Kritik Evolas (Evola, »Storia vissuta della rivoluzione fascista«, in: Vita italiana, Feb. 1940) an Farinaccis »Storia della rivoluzione fascista« deutlich wird. 93 »Travailler en commun, anonymement, à la grande cathédrale de la vie que nous préparons; niveler les instincts de l’homme qui, si l’on accentuait trop la personnalité, prenderait des proportions babyloniennes de méchanceté et de cynisme« (Tristan Tzara »Lampisterie-Sept Manifestes Dada« Paris, 1963, S. 95) 94 »Nous voulons continuer la tradition de l’art nègre, égyptien, byzantin, gothique et détruire en nous l’atavique sensibilité que nous a léguée la détestable époque qui suivit le Quattrocento«, Ebenda., S. 94 95 Der junge Julius Evola nahm an den Bewegungen des Futurismo und des Dadaismus teil und beschrieb sie später als den einzigen italienischen »Sturm und Drang«. Sein interventistisches Engagement diente aber lediglich der Verwirklichung seiner Werte, die nach Evola in Deutschland verdorben wurden. Diese Position Evolas stellte eine erste Differenz zum Futurismus dar, so daß Marinetti zu Evola sagte: »Deine Ideen sind meinen so fern wie die eines Eskimos«. Abgesehen von der boutade, zeigt dies die Entfernung Evolas, der die von Marinetti und den Futuristen abgelehnte Literatur und Philosophie Deutschlands las und liebte. Nach einiger Zeit (während der er in Zeitschriften wie »Roma futurista« und »Cronache d’attualità« schrieb und in der Ausstellung »Grande Esposizione Nazionale Futurista« im Jahre 1919 seine Gemälde ausstellte) begann Evola, sich für den Dadaismus zu interessieren. 96 Tzara, »Manifeste Dada 1918«, in: Ders., Manifesti del dadaismo e Lampisterie, Torino, 1964 97 Evola »L’arte come libertá e come egoismo«, in: Noi, 6-7, Jan. 1920. 98 Ebd. Das Ziel der Polemik Evolas waren der Futurismus, der Sensorismus und die Ästhetik Rimbauds, da sie eine »brutale/antigeistige Ästhetik« bildeten und »die Aufgabe des praktischen Ichs auf ein Element des reinen und subjektiven Gefühls« reduzierten (Ebd.). 99 Ebd. 100 Vom Mystizismus als ästhetische Erfahrung sprach auch Evola in dem letzten Kapitel von Saggi sull’idealismo magico, Todi, 1925. 101 Evola, »L’arte come libertà«, op.cit. 102 Vgl. C. Solaris »Einführung« in: Valento, Homo faber, Roma, 1994. 103 vgl. Rossi, »L’Avanguardia che si fa tradizione: L’Itinerario culturale di Julius Evola dal primo dopoguerra agli metà degli anni ‘30« in: Storia contemporanea, XXII, 6, 1991. 104 Die Tätigkeit Evolas im Dadaismus war bedeutend: er nahm mit der ersten Gruppe italienischer Dadaisten (Fiotti und Cantarelli) 1921 an einer Ausstellung in Rom teil; darüber hinaus schrieb er einige Artikel in Zeitschriften der Avantgarde (»Noi«; »Bleu«; »Dadaphone«) sowie dadaistische Gedichte und Essays, so daß er im Laufe der DadaAusstellung des Jahres 1921 als Maler, Dichter und Philosoph (vgl. Evola, Arte astratta 1920; La parole obscure du paysage intérieur, 1921) des Dadaismus vorgestellt wurde. 222 105 Zwischen 1921 und 1924 verfaßte Evola seine philosophischen Werke - Saggi sull’individualismo magico (erschienen 1925); Teoria dell’individuo assoluto (1927) und Fenomenologia dell’individuo assoluto (1930). Die Philosophie Evolas wird nur bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Politik betrachtet; deswegen werde ich hier vorzugsweise die Artikel Evolas analysieren, unterstützt nur durch einige Bemerkungen über seine philosophischen Arbeiten. 106 A. Negri, Julius Evola e la filosofia ..., op.cit. 107 Dieses Widerspruch wird auch von Furio Jesi in seinem Buch La cultura di destra (Milano, 1979) als der Grundcharakter des Denkens der Rechtsintellektuellen bezeichnet. 108 Evola, »Sulle ragioni del solipsismo«, in: L’Idealismo realistico, 15. März, 1925 (jetzt in: Evola, L’idealismo realistico (1924-28), Lami (Hrsg.), S. 71 ff. 109 Evola, »Die drei Epochen der Gewissheitsproblems«, in: Logos, XX, 1931. Übersetzung von »L’individuo e il divenire del mondo«, (in: Ultra, XIX, Dez. 1925, jetzt in: Evola, L’individuo e il divenire del mondo, Milano, 1976). 110 Evola unterschied in seinem Essay »Die drei Epochen des Gewißheitsproblems« drei Phasen der Gewißheit: die ersten zwei Phasen - die der spontanen Identifizierung des Subjektes mit der Welt und die der Ablehnung der Welt - seien nicht vollkommen, weil sie von der Spontaneität regiert würden. Das Individuum sei in diesen Situationen passiv der Welt gegenüber. Es sei nur in einer negativen Bedeutung frei, d.h. obwohl es nicht von Außen determiniert werde, verwandele es die Welt nicht durch seine Taten. Es »bezieht sich tatsächlich auf jenes Wirken, durch welches man die Dinge perzipiert und dann ins System des Erkennens einordnet. Doch ist ein solches Wirken, wenn auch notwendige Bedingung für jede Wirklichkeit, insofern sie für uns sein soll, nicht genügende Bedingung. In der Tat wird bei der vorstellenden Tätigkeit in engeren Sinne das Reale nicht vom Möglichen beherrscht, das Ich bleibt passiv den eigenen vorstellenden Handlungen gegenüber: nicht so sehr, daß es die Dinge bejaht, sondern, daß sich sozusagen die Dinge in ihm bejahen.« (Evola »Die drei Epochen ...«, op.cit.) Die dritte Epoche stelle die Überwindung dieser partiellen Form der Erkenntnis dar und entspräche dem absoluten Idealismus. 111 Ebd. 410. 112 Ebd. 412. 113 Ebd. 413. 114 Evola, »L’idealismo dell’insufficienza«, in L’Idealismo realistico, 2, 15 Dez. 1924, jetzt in ders., L’idealismo realistico ..., op.cit., S. 37 ff. 115 Evola, »Dioniso«, in Ignis, 11-12, Nov./Dez. 1925 (jetzt in: L’individuo e il divenire del mondo op. cit., S. 72). Dieser Essay Evolas wurde stark beachtet und in der zweiten Nummer (Winter 1926-27) der von Massimo Bontempelli und Curzio Malaparte geleiteten Zeitschrift »900« unter dem Titel »Par delà de Nietzsche« veröffentlicht. 116 Ebd., S. 86. 117 Ebd., S. 89. 118 Ebd., S. 90-91. 119 Ebd. S. 95. 223 120 Evola, Il cammino del cinabro ..., op.cit., S. 39 ff. 121 Auch die Gefühle seien eine entsprechende Reduktion des Anderen zum Ich: »Was ist tatsächlich die Liebe, wenn nicht eine Selbst-Eroberung in dem Anderen, wo es aber von dem ›Anderen‹ als solchem gelöst wird (als etwas Fremdes und Externes), um es im Prinzip des Ichs wiederaufzunehmen?« (in Evola, »Sulle ragioni del solipsismo«, in Idealismo realistico, II, 6-7, jetzt in: ders. Idealismo realistico ..., op.cit., S. 77). 122 vgl. Evola, »La donna come cosa«, in: Ignis, 1-2, Jan./Feb. 1925. 123 Vgl. Ugo Spirito, »Rassegna di studi sull’idealismo attuale«, IV, in, Giornale critico della filosofia italiana, N. 4, April, 1927 (jetzt in Spirito, »L’idealismo italiano e i suoi critici«, Firenze, 1930); Negri, Julius Evola e ..., op.cit. 124 Evola, Heidnischer Iperialismus, Leipzig, 1933, S. 27 (Or. Imperialismo pagano, 1928, Roma). 125 Evola, »Le ragioni del Solipsismo«, op.cit., jetzt in: Idealismo realistico ..., op.cit. S. 73. 126 Die vielen Verweise Evolas auf Nietzsche hinsichtlich der Ablehnung der bürgerlichen, christlichen und sozialistischen Moralität sollten nicht die grundlegenden Unterschiede der zwei Autoren verstecken (vgl. contra Melchionda, »Il volto di Dioniso«, Roma, 1984). Evola wie Nietzsche wollten die bürgerliche und christliche Moralität zerstören, um eine neue transzendentale metaphysische Moralität zu schaffen; dennoch ist Evolas Vision von der magischen und esoterischen Praxis geprägt, was mit der Deutung des deutschen Philosophen unversöhnbar ist. Auch Evolas Auffassung des Ichs orientiert sich eher am solipsistischen Individualismus Stirners als an der Deutung Nietzsches. (vgl. auch Jellamo, »Il pensatore della tradizione«, in, Ferraresi u.a., La destra radicale, Milano, 1984). 127 Ebd., S.34 128 Mit Guénon und seinem Schüler De Giorgio hatte Evola persönliche Kontakte (vgl. Evola, »La mia corrispondenza con Guénon«, in, La destra, Mars, 1972; Evola, Il cammino ..., op.cit.). Mit De Giorgio war er sogar befreundet; sie arbeiteten an der von Evola geleiteten Zeitschrift »La Torre« zusammen. 129 Bonald und De Maistre waren die Vorbilder für seine Theorie der sakralen Monarchie; andererseits waren auch Moeller van der Bruck, Spengler, Rosenberg, Jünger, Othmar Spann, Walter Heinrich und die Rassentheoretiker (Chamberlain, Gobineau) wichtige Quellen für Evola. 130 Zur Beziehung zwischen der Auffassung Evolas und jener Guénons vgl. Di Vona, Evola e Guénon. Tradizione e civiltá, Napoli, 1985. 131 Evola, »Appendice«, in: ders. Imperialismo pagano ..., op.cit., S. 152. 132 Vgl. Evola, Revolte gegen die moderne Welt, 1982, Interlaken, S. 17 ff., S. 29 ff. 133 Der Ausdrück stammt aus Evolas späterem Buch Cavalcare la tigre. 134 Ich benutze das Wort »männlich«, weil die Macht für Evola eine virile Eigenschaft ist. Die Frauen sind nicht nur kein Teil der Elite, sondern auch das Gegenprinzip der traditionellen und positiven Ordnung. Was die Betrachtung der Opposition weiblich/männlich angeht, wurde Evola von Otto Weininger und dessen Buch Geschlecht und Charakter (1917) stark beeinflußt. 224 135 Evola, Heidnischer ..., op.cit., S. 64 ff. 136 Siehe u.a. Rosenberg A., Der Mythus des 20. Jahrhunderts, München, 1932. 137 Seine Kritik an Rosenbergs Buch basiert auf zwei Punkten: zum einen, daß keine Bewertung der Kultur von einer reinen Zugehörigkeit zu einer Rasse abgeleitet werden könne, da die biologische Rasse nur eine der Komponenten zur Erklärung der Dekadenz oder der Beherrschung eines Volks sei; zum andern, daß die italienische Rasse ihre Ursprung in den nordischen Rasse habe (vgl. Evola, »Il mito del nuovo nazionalismo tedesco« in: Vita nova, Nov. 1930). 138 Evola, Heidnischer Imperialismus ..., op. cit. S. 5 ff. 139 Nach Evola, der sich auf die Konzeption Bachofens bezieht, existiert kein Bruch zwischen Geschichte und Mythos; der Mythos ist eine Metapher, welche die wahre Bedeutung der Geschichte enthält und überträgt (Evola, Revolte gegen die moderne ..., op.cit., S. 17 ff.). 140 »Der Faschismus - sagte uns einmal Curzio Suckert - ist Antieuropa. Wäre er das! Wollte er so sein!« (Evola, »Fascismo antifilosofico«, in: Critica fascista, 15 Juni, 1927). 141 Evola, Heidnischer Imperialismus ..., op. cit. S. 5 ff. 142 Evola, Heidnischer Imperialismus ..., op.cit. 143 Ursprünglich hätten im goldenen Zeitalter die sakralen Könige regiert; im zweiten Zeitalter werde die sakrale Macht von der weltlichen Macht getrennt, die zweite Kaste der Krieger und der König käme an die Macht (Mittelalter, insbesondere Zeit der Hohenstaufen); im dritten (Aufklärung, französische Revolution) sei der dritte Stand der Bürger und der Händler Herrscher; im vierten (mit dem Bolschewismus und der Massengesellschaft) regieren die Massen (Evola, Heidnischer Imperialismus ..., op.cit.). 144 Evola, »Stirpe e spiritualità«, in: Vita Nova, Juli, 1931. 145 Und weiter: »Und aus diesem Grund ist die liberale und demokratische Ideologie, pour cause, eine jüdische Ideologie« (Evola, »Sulle ragioni dell’antisemitismo«, in: Vita nova, August 1933). 146 Das ist Evolas Position in der Zeit bis 1933. Danach sind auch bei ihm einige Veränderungen bemerkbar, obwohl seine Theorie immer auf einem spirituellen Rassismus begründet blieb. 147 Insbesondere Autoren der nuova destra (neue Rechten, eine gegenwärtige Rechtsbewegung), wie Marco Tarchi (»Introduzione« in Evola, Diorama filosofico, Roma, 1974); Marcello Veneziani (Veneziani, Julius Evola tra filosofia e tradizione, Roma, 1984), unterstreichen den unpolitischen Charakter Evolas (die sogenannte ›Apolitia‹, die aber nur in der Nachkriegszeit von Evola vertreten wurde). Es ist bemerkenswert, daß die gegensätzliche Bewertung dieser Eigenschaft der Werke von Evola meistens von Interpreten stammt, die keine Angehörige der Rechtsbewegungen und manchmal sogar Experten der Phänomen der Rechtsbrigaden sind (wie zum Beispiel Franco Ferraresi; Furio Jesi; Marco Revelli; Christoph Boutin). 148 Evola, Cavalcare la tigre, 1961, Milano. 149 »Traditionell legitime« Gruppen waren laut Guénon nur diejenigen, die eine direkte Verbindung zu den traditionellen Prinzipien hatten und die ursprünglich sakrale Doktri- 225 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 226 nen übertrugen, d.h. die katholische Kirche, weil sie auf das Wort Gottes verweise und direkt von einer alten Religion herstamme, und die Freimaurerei, weil sie teilweise auf der Tradition des mittelalterlichen Ritterstands beruhe. Vgl. u.a. Di Vona, Evola e Guénon ..., op.cit.; ders., »R. Guénon e il pensiero di destra«, in: Hermeneutica, 6, 1986; Evola, »La mia corrispondenza con Guénon« in: La destra ..., op.cit.; Robin, » ›La contreinitiation‹ selon Guénon et Evola«, in: Politica Hermetica, 1, 1987. Evola, »Cose a posto e parole chiare«, in: ders., La torre, op.cit., S. 177. Evola, »Stato, potenza e libertà«, in: Lo stato democratico, 7, I. Mai 1925. Ebd. »Introduzione a Ur«, in Ur. Rivista di orientamenti per una scienza dell’io, 1, 1928, jetzt in: Evola, Introduzione alla magia, Roma, 1971. Evola, »Il valore dell’occultismo nella cultura contemporanea«, in: Bilycnis, XVI, Nov., 1927, jetzt in: Ders., I saggi di Bilycnis, Padova, 1970, S. 71. Ebenda, S. 72. Ebenda, S. 90 In: Critica Fascista, V, 12, 15 Juni, 1927. In: Critica Fascista, V, 24, 15 Dez., 1927. Die Texte der zwei Artikel wurden 1928 in seinem Buch Imperialismo pagano zusammengestellt, das 1933 von Friedrich Bauer unter dem Titel »Heidnischer Imperialismus« ins Deutsche übersetzt wurde. »Krur« wurde 1928 von Evola gegründet, nach einer starken Auseinandersetzung mit Reghini. Sie war die Fortsetzung von »Ur«. Evola, »Das Doppelantlitz des Nationalismus«, in: Europäische Revue, 1932, B. 8. Vgl. Evola, »Cultura e stile di vita fascista«, in: Vita nova, Januar, 1932. Evola, in: Imperialismo pagano ..., op.cit., S. 11. In der deutschen Version existiert diese Stelle nicht. Dem Anhang zu Imperialismo pagano - nicht in der deutschen Übersetzung - sind die Liste der Reaktionen auf diesen Essay und die Antworten Evolas beigefügt. Evola, »Das Doppelantlitz ...«, op.cit. In dieser Zeit war die organische Auffassung des Staates im Wiener Kreis um Walter Heinrich und Othmar Spann - mit letzerem pflegte Evola persönlichen Kontakt - eine alternative Vision der Aufgabe des Faschismus. Evola und Carlo Costamagna führten diese Literatur im intellektuellen italienischen Milieu ein. (vgl. O. Spann und W. Heinrich, Lo stato organico, Rom, 1997; Evola, Lo stato, Lami (Hrsg.), Rom, 1995). Auch die elitäre Auffassung Evolas und der Primat der Politik gegenüber der Ökonomie sind Themen, die von Spann und Heinrich entwickelt wurden. Evola, »Das Doppelantlitz des Nationalismus«, op.cit. Ein Beispiel dafür ist das Abkommen mit der Kirche. Es zu unterstützen könne nur gerechtfertigt werden, wenn es ein Schein-Abkommen wäre, um die Massen und die Kirche zu unterjochen, behauptete Evola in Heidnischem Imperialismus. Evola, Heidnischer Imperialismus ..., op.cit., S. 29-30. 169 Was Stapel in seiner Rezension von »Heidnischer Imperialismus« (in: Deutsches Volkstum, 9. 1934) kritisierte: die Trennung von König und Volk sei der deutschen Tradition fremd, weil dort der Führer immer schon »erster Diener« des Volkes gewesen sei. 170 Evola, Anhang in Imperialismo pagano ..., op.cit., S. 160. 171 Evola, »Cose a posto ...«, op.cit., S. 176. 172 »L’Arco e la clava« in La Torre, 8, 15 Mai, 1930; Evola, »La grande e la piccola guerra santa«, in, La Torre, 10, 15 Juni, 1930, jetzt beide in Evola, La torre, op.cit., S. 312 ff.; S. 355 ff. 173 Evola, »La consacrazione dei re e lo spirito santo«, in La torre, 6, 15 April, 1930 (Jetzt in Evola, La torre, S. 224 ff.); Peg, »Dizionario etnico«, Ebda., 7, 1 Mai, 1930 (Ebenda, S. 257 ff.); C. Rossi di Lauriano, »Spirito aristocratico e casta aristocratica«, Ebda., 8, 15 Mai, 1930 (Ebenda, S. 185 ff.); »L’arco e la clava«, ebd., 1 Juni, 1930, (Ebenda, 347 ff.). 174 Obwohl häufig die Übereinstimmung beider bei Evola zu finden ist; vgl. »L’arco e la clava«, in ebd., 1 Juni 1930 (Ebenda., S. 347 ff.). 175 vgl. Evola, » ›Cultura‹ stile di vita e stile fascista«, in: Vita nova, Januar, 1932. 176 Evola, »Il fascismo quale volontà d’impero e il cristianesimo«, in: Critica fascista, 15. Dez., 1927. 177 Evola, »Cultura e rivoluzione fascista integrale«, in: Vita nova, Feb., 1933. 178 »L’arco e la clava«, 2, 1 Mars, 1930, jetzt in Evola, La torre, op.cit., S. 90 ff. 179 Evola, »Carta d’identità«, in: La Torre, 1, 1 Feb. 1930, jetzt in: Evola, La torre, op. cit., S. 43. 227 Schlußbemerkungen Die »Integralisten«, die »Reinen«, die »Wilden«, die »Superfaschisten« sind der Gegenstand der vorangegangenen Kapitel. Herausgestellt wurden ihre Ansprüche an eine reine Entwicklung des Faschismus, der ohne Kompromisse und Verzögerung eine neue Welt und Kultur schaffen sollte; ihre fanatische Kritik an allem, was mit den verhaßten liberalen und demokratischen Institutionen verbunden war; ihr Kampf gegen die okzidentale Kultur und die moderne Welt; ihre strenge Trennung zwischen Gut und Böse, Rein und Unrein; ihre utopische Vision einer kompletten und zerstörenden Gegenrevolution; und insbesondere ihr Anspruch an die »Absolutheit«, an die »Reinheit« und an die »wahre« Interpretation des Faschismus. Die »Reinen« waren keine antifaschistischen Gegner des Regimes: Sie verwiesen entweder auf die ursprünglichen Wurzeln des Faschismus, auf die Bewegung von 1919, die von diesem absoluten Streben nach einer radikalen Veränderung gekennzeichnet war, oder sie beriefen sich auf eine höhere Tradition der Rechten (Evola). Sie verherrlichten den squadrismo, als ein gewalttätiges und »edles« Element und als Träger des originären, faschistischen Geistes; wenn sie Mussolini und Gentile bekämpften, taten sie dies vom Standpunkt einer Idealvorstellung des Faschismus und der Revolution aus, die noch vom Faschismus vollendet werden sollte. Somit stellten sie sich als Interpreten und Verteidiger der Reinheit der faschistischen Prinzipien dar, an dessen Modell sich die politischen Spiele und Strategien orientieren sollten, was eine ideologische Konkurrenz der Integralisten zum Führer des Faschismus zur Folge hatte. Aus verschiedenen Gründen betrachteten sowohl Mussolini als auch die faschistischen Politiker und Intellektuellen der Zeit diese »Rettungsversuche« als besonders gefährlich und drängten die Integralisten und Evola an den Rand.1 Diese ließen sich – und lassen sich noch heute – in keine der verschiedenen Strömungen innerhalb des orthodoxen Faschismus einordnen. 228 Ihre Existenz stellte eine Bedrohung dar, die mit dem stabilitätsgefährdenden Potential der Diskussionen der revisionisti oder der Aktualisten nicht verglichen werden kann. Dies liegt weniger am polemischen und gewalttätigen Charakter der Attacken der Integralisten und Traditionalisten, als an ihrer komplexen und anspruchsvollen Vision, die sie nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Kultur und die umfassende spirituelle Entwicklung der Menschheit projizierten. Die Radikalität ihres Denkens und ihrer Kritik waren wesentlich mit einer Geisteshaltung verbunden, die sie als Nachfolger des Futurismus kennzeichnet: Ihre totale Vision der Gegenrevolution. Mussolini, der Faschismus und sogar die Politik waren nur untergeordnete Momente, nur Mittel, um eine neue Gesellschaft zu erschaffen und der Modernität den Weg zu versperren: Die Revolution sollte weder rein politisch und noch rein kulturell sein, sondern eine Veränderung der Einzelnen bewirken und ihre bisherigen Lebensauffassungen zerstören. Der Utopismus kennzeichnete die kulturelle und die politische Vision Suckerts und Maccaris, in der sie ihre konfusen Ideale auf die Wirklichkeit projizierten. Der Faschismus sollte zum Beispiel laut Suckert nicht danach bewertet werden, was er wirklich war, d.h. nach seinen politischen, aktuellen Strategien, sondern als eine ideale Weiterentwicklung des unterdrückten italienischen Geistes angesehen werden, die relativ unabhängig von der Politik Mussolinis sei. Demgemäß dürften auch die Fehler und die Mängel des realen Faschismus nicht als feste, sondern verbesserungsfähige Bestandteile verstanden werden. »Die Dinge, die Ereignisse und die Personen erhalten auf diese Art eine Bedeutung, welche über die Grenzen der unmittelbaren Taten hinausgeht und die zufälligen Aspekte in historische Aspekte verwandelt.«2 Die neue Kultur und Politik brachten die Zerstörung aller Perspektiven und Denkarten mit sich, so daß selbst die Begriffe der Kultur und Politik eine unterschiedliche Bedeutung gewannen. Die Gegenrevolution war die Voraussetzung für die Bildung des neuen Menschen. Der Bruch mit der dekadenten, alten, demokratischen Gesellschaft wurde von den hier untersuchten Integralisten als die Revolution definiert, von Evola als Initiation der Eliten, die eine Revolution – im Sinne von re-volvere, zurückkehren – ermögliche. Der wesentliche Aspekt der beiden Begriffe, Revolution und Initiation, wurde in der Veränderung durch moralische und ästhetische Kategorien gesehen: Die Veränderung wirkte nicht auf die materiellen Bedingungen und Mittel, 229 sondern auf den Geist. Die totale Revolution, nach der diese Intellektuellen strebten, war außerdem mit ihrer Selbstdarstellung – und zwar mit der Darstellung ihres Engagements und ihrer Arbeit – verknüpft. Sie wollten als Künstler, Literaten, Philosophen und gleichzeitig Politiker (oder besser als Berater von Politikern) betrachtet werden3, da ihre Vision alle menschlichen Lebensansichten berührte. Diese Vorstellung umfaßte nicht nur die Umkehrung der Werte der modernen Gesellschaft, sondern auch der Methoden der Wissenschaft und der Darstellung der Kunst und der Politik. In einer totalen, alles umfassenden Theorie lösten sich alle Unterschiede und Sphären der Moderne auf: jene zwischen Wissenschaft und Politik, Kunst und Alltagsverstand, Privatheit und Öffentlichkeit, Religion und Ästhetik. Der Grundunterschied in der Politik – die Links-Rechts-Polarisierung – verschwand: Bolschewismus und Faschismus waren ähnliche antidemokratische Revolutionen, und die Modernität im Sinne Suckerts, die einen »antiklassizistischen, friedenbringenden nationalen Syndikalismus« hervorbringen würde, war Nachfolger des Sozialismus. Kapitalismus und Sozialismus waren nach Evola zwei vergleichbare Krankheiten, »die zwei Gesichter ein und derselben Sache«4, welche die Dekadenz des Westens zeigten. Ähnlich sahen es auch Maccari, Settimelli und Carli.5 Ein »mystisches Kriterium«6 lag ihrer Auffassung zugrunde, das die Unterschiede und Trennungen verschwinden ließ. Der spirituelle und metaphysische Charakter ihrer utopischen Vision war mehr oder weniger artikuliert und bewußt gewählt: von Maccari, der viel konkreter auf die Probleme der Zeit verwies, über Settimelli und Carli, die nach der Wiederherstellung der römischen Werte und Mentalität im politischen Reich strebten, über Suckert, der eine Theorie der Geschichte und der Politik auf der Entwicklung der mythischen Mentalität und Zivilisation aufbaute, bis hin zu Evola, der die metaphysische Auffassung der Tradition als Ordnungsprinzip und als Wissen entfaltete. Bei Suckert und Evola herrschte ein metaphysisches Prinzip, das schon bei de Maistre den zentralen Punkt der Theorie der Wiederherstellung der Tradition darstellte.7 Es wurde von den Integralisten und von Evola übernommen und weiterentwickelt. »Metaphysisch« verwies bei ihnen auf keinen philosophischen Begriff der westlichen Denktradition, sondern auf ihre Idealvorstellung der Form der utopischen Gesellschaft und des Lebens in ihr. Diese werde nicht von materiellen und konkreten Veränderungen hervorgebracht, sondern durch eine geistige Erneuerung, welche zum Gehorsam gegenüber einem nicht materiellen (hier als 230 »metaphysisch« bezeichneten) Prinzip führte, d.h. einer »höheren Form«, welche die Gesellschaft prägte und sie verwandelte. Nicht durch materielle Faktoren ließ sich laut Suckert die Dekadenz der modernen Gesellschaft überwinden, welche nur durch die Wiederherstellung der dogmatischen und mystischen Mentalität des Mittelmeers eine neue Harmonie gewinnen könnte.8 Die metaphysische Haltung bedeutete für Evola, die Wirklichkeit von einer höheren Ebene erfassen zu können, um die wahren, nicht evidenten Regelungsprinzipien zu entdecken. Die wissenschaftlichen Methoden werden hier umkehrt: Die Realität soll nach einem metaphysischen Prinzip gemessen werden und sich diesem anpassen. In den systematisch artikulierten Versionen dieses Denkens (bei Suckert und Evola) existierten kein Wirklichkeitskriterium, keine Wissenschaft und schließlich auch keine Politik. Im Gegensatz zu modernen westlichen, wissenschaftlichen Methoden sollte alles mittels metaphysischer Axiome beurteilt werden. Mit dem Begriff der Wissenschaft wurde die rationale Haltung und der »Mythos« der Aufklärung als oberflächliche und lügnerische Selbsttäuschung der modernen Gesellschaft denunziert.9 Die kritische moderne Haltung und das Emanzipationsstreben wurden gar als Produkte der Unterwanderung durch fremde Kräfte der nordischen (Suckert) oder der christlich-jüdischen Mentalität (Evola) verstanden, die aus der italienischen Kultur entfernt werden müßten. Der »Mythos des Fortschritts« wurde schließlich als eine Lüge und eine Illusion bezeichnet.10 Die Ablehnung der Rationalität führte aber nicht zum Irrationalismus, sondern nur zur Ablehnung der modernen Rationalität11 und zur Entdeckung ihrer »anderen« Dimension, die auf den Mythen und der Intuition basierte, und eines Wissens, das bei Evola schon Sein war und die direkte Entwicklung des Subjektes auf einer höheren Ebene bewirkte (die Initiation), das das Individuum mit der Tradition verband und die Vernichtung seiner vorherigen falschen Kenntnisse voraussetzte: »Die Tradition beginnt dort, wo es mit der Erlangung eines überindividuellen und nicht rein menschlichen Standpunktes gelingt, sich über das alles [das moderne Wissen] zu stellen ... Am Diskutieren und ›Beweisen‹ liegt uns daher wenig. Die Wahrheiten, die die Welt der Tradition verstehen lassen, sind nicht jene, die man ›erlernt‹ oder über die man ›diskutiert‹. Entweder sind sie oder sind sie nicht.«12 Die Abschaffung der Trennung zwischen den Rollen und den Sphären, die mit der Modernität eingeführt wurden, zog auch die Abschaffung eines 231 »politischen« Projekts nach sich. Die Politik war bei diesen Autoren keine getrennte Tätigkeit oder Sphäre, sondern nur Teil der menschlichen Tätigkeiten, die alle unter dem Druck der neuen Gegenrevolution und unter der Voraussetzung der Bildung einer neuen Gesellschaft eine entsprechende andere Bedeutung erhielten. Der zentrale Gegensatz bestand nicht so sehr zwischen Faschismus oder Sozialismus als vielmehr in der Alternative zwischen der modernen und der traditionellen Gesellschaft, unter der sich alle anderen Gegensätze – Gleichheit versus Hierarchie, Demokratie versus Oligarchie usw. – subsumieren ließen; ein Gegensatz, der »vielmehr ideeller als historischer Natur ist, also morphologischer und sogar metaphysischer Art«.13 Der offizielle Faschismus war in diesem Sinne für Evola zu wenig und ein nicht perfektes Instrument, da die unterschiedlichen bürgerlichen und veralteten Komponenten des Regimes die Durchführung der »wahren« Revolution verhinderten. Der Faschismus, diese »Rache« der Kultur des Mittelmeeres an der Modernität, war auch für Suckert von den korrupten und dekadenten Elementen und Persönlichkeiten des alten Regimes verdorben. Um ihn zu retten und das wahre Projekt der totalen Lebensveränderung wiederzuentdecken und zu verwirklichen, plädierten die Integralisten und Evola für eine Säuberung. Eine Säuberung fand dann auch statt, aber sie richtete sich gegen die Befürworter der Reinheit. Die Herausforderung der Integralisten konnte Mussolini nicht akzeptieren, da er seine Macht auf den Kompromissen mit den regierenden Klassen – den Feinden der Integralisten und Evolas – aufgebaut hatte. Es ist bekannt, daß der Faschismus im Gegensatz zum Nationalsozialismus weniger strukturiert war.14 Er stellte die Praxis über die Doktrin und die Ideologie und benutzte Visionen, Darstellungen und Ideale des ganzen politischen Spektrums, unabhängig von ihrer ideologischen Herkunft. In dieser Hinsicht war der Faschismus teilweise eine Weiterentwicklung der Moderne15 wie auch eine Reaktion gegen sie. Die »revolutionäre Rechte«16 benutzte Techniken zur Massenmobilisierung und die ideologischen Argumente des Sozialismus, um ein totalitäres System durchzusetzen und die Macht und Kontrolle über die Gesellschaft zu zentralisieren. Das »andere Denken«17 der Integralisten und der Traditionalisten war nicht nur deshalb bedrohlich für das Regime, weil es auch gegen einen wesentlichen (modernen) Teil von ihm gerichtet war, sondern primät, weil es jenseits einer Kritik an einzelnen Institutionen oder Praktiken eine »unterschiedliche Art zu den232 ken« und damit die totale Umwertung der modernen Werte einforderte. Dem hybriden Charakter der faschistischen Ideologie stellten die Integralisten, aber insbesondere Evola, die klare Eröffnung einer neue Perspektive gegenüber, die keine reine Doktrin bleiben, sondern ein soziales und moralisches Projekt werden solle. Die gravierende Spaltung: der Typus des Rechtsintellektuellen Die Auseinandersetzung zwischen den faschistischen und den radikalen Auffassungen von Politik und Kultur wurde im Rahmen dieser Arbeit als eine gravierende Spaltung betrachtet, die mit keiner anderen Diskussion innerhalb der Kultur und der Partei verglichen werden kann. Sie bedeutete die Opposition zwischen einem komplexen und utopischen Projekt auf der einen Seite und dem Regime mit seinen kulturellen Exponenten auf der anderen Seite. Die Spaltung im intellektuellen Feld zwischen den Integralisten und den Revisionisten/Aktualisten/Nationalisten ereignete sich zur gleichen Zeit wie jene zwischen faschistischen und antifaschistischen Intellektuellen und diejenige im politischen Feld zwischen den intransigenti und Mussolini. In der Logik und der Geschichte der Politik und der Kultur kam dieser Moment im politischen Feld der Strukturierung des Faschismus, und im intellektuellen Feld dem Anfang der Kontrolle und der Zensur, d.h. des Überganges von einer relativen Autonomie zu einer relativen Heteronomie, gleich. Die Reaktion der ursprünglichen Bewegung gegenüber der Konversion und neuen Organisation der Partei fand ihren Ausdruck im Protest der intransigenti: ihre Forderungen nach Rückkehr zum ursprünglichen Faschismus, nach Entfernung der neuen Faschisten und Vollendung der Revolution, die insgesamt als »zweite Welle« definiert wurden, lassen sich als Kampf um den Erhalt der Positionen der »alten Faschisten« in einer Partei deuten, die ihnen zunehmend fremd wurde, da sie ihre Physiognomie verändert hatte18 und vom Staat allmählich absorbiert worden war. Im intellektuellen Feld drückte sich die Opposition der Integralisten in der Verteidigung der ursprünglichen, futuristischen Ideale und Revolte gegen die neuen liberalen Intellektuellen aus, die eine immer wichtigere Position im Regime gewannen. Es war die Reaktion gegen den Konformismus der faschistischen Kultur, welche die 233 revolutionäre und totalitäre Auffassung der Avantgarde verworfen hatte und die Verbindung mit ihr leugnete. Zugleich war es auch der Protest gegen den heterogenen Charakter dieser Kultur und der Kampf zur Wiederherstellung der »totalen« Idee der Kultur und des Intellektuellen. Reinheit des Faschismus, Revolution in der Kultur, dies waren die Schlagworte der intransigenti im politischen und der Integralisten im intellektuellen Feld in ihrem Kampf um die Definitionsmacht dessen, was als »wahrer Faschismus« zu gelten habe. Für beide war der Charakter der Authentizität durch die »Nähe« zum Ursprung bestimmt: Der reine Faschismus sei die ursprüngliche Bewegung gewesen, so wie die revolutionäre und wahre Kultur die Rückkehr zur ursprünglichen Kultur des Mittelmeeres oder des Landes (der »Provinzen«) darstellte. Zwei Gründe liegen der Homologie zwischen den Randposition der intransigenti und jener der integralistischen Intellektuellen zugrunde. Der erste ist ein methodologischer: Das Zusammentreffen von Integralisten und intransigenti bedeutete keine direkte Übertragung der politischen Anforderungen auf das intellektuelle Feld, da dieses bis 1925 relativ unabhängig blieb. Durch das Unabhängigkeitsverhältnis allein lassen sich aber die Wechselwirkungen und die Interaktionen der zwei Felder nicht erfassen, die für diese Arbeit wesentlich sind und der kulturellen und politischen Auseinandersetzung der integralistischen und traditionalistischen Intellektuellen zugrunde lagen. Der zweite Grund besteht in der Entdeckung gemeinsamer Aspekte und Lagen, die zum Treffen der intransigenti mit den Integralisten führten. Unter Aspekten wurden hier die Themen und unter Lagen die Kämpfe und Diskussionen verstanden, die ihre Positionen bedingten. An ihrem Kampf gegen die normalizzatori und ihrer subversiven Haltung konnte ihre konkrete Randposition innerhalb der jeweiligen Felder ebenso nachgewiesen werden wie die Relevanz des politischen Engagements dieser Intellektuellen, die eine praktische Rolle in den politischen Debatten der Zeit spielten. Sie stellten eine Herausforderung und Bedrohung dar, da sie eine reale politische und kulturelle Alternative zu Mussolinis Regime und zur Definition des Faschismus seitens Gentiles und seitens der revisionisti bieten wollten und ihre kulturellen Subversionsbemühungen eine politische Basis (die intransigenti) gefunden hatten. Diese Arbeit versucht zudem, die verbreitete Ansicht zu widerlegen, daß die Existenz der Intellektuellen nur als »Anwalt des Universellen«, als Verteidiger der Menschenrechte und Gerechtigkeit gegeben sei – ein Modell, das 234 in idealtypischer Weise von den Persönlichkeiten der Dreyfus-Affäre verkörpert wird. Der Intellektuelle der Rechten wird in dieser Betrachtungsweise oft ignoriert oder ohne weitere Untersuchungen in der allgemeinen Definition des konservativen Intellektuellen erfaßt. Diese Definition des konservativen Intellektuellen als einzige Kategorie scheint zu allgemein: Gentile, Rocco, Bottai, Marinetti, Suckert und Evola ein und derselben Gruppe zuzurechnen, heißt ihre thematischen sozialen und politischen Unterschiede sowie ihre Diskussionen und Kämpfe zu vernachlässigen. Außerdem läßt sich nach den Kriterien der Radikalität und des antimodernen Strebens – was »anders Denken« genannt werden kann – eine klare Unterscheidung in zwei Gruppen treffen, die trotz ihres persönlichen und individuellen Charakters die Definition zweier Typen des Rechtsintellektuellen ermöglicht. Die hier betrachteten radikalen Rechtsintellektuellen waren keine konservativen Intellektuellen, die eine herrschende Position im herrschenden Feld verteidigten. Sie standen am Rand, im politischen wie im intellektuellen Feld. Außerdem stammten sie aus kleinbürgerlichen Familien und verfügten über keine dominierende Stellung, deren Werte und »Glauben« sie verteidigen sollten. So ist die in der Theorie Bourdieus für die konservativen Intellektuellen bestimmende trajectoire croisée, die »gekreuzte Bahn«, kein Attribut ihrer Position. Sie kämpften nicht um ein Gleichgewicht zwischen ihrem Streben nach einer herrschenden Position im intellektuellen (relativ beherrschten) Feld und ihrer Zugehörigkeit zur herrschenden Position im politischen (herrschenden) Feld. Aus diesem Grund war ihre Strategie nicht darauf ausgerichtet, den »Konservatismus auf erster Stufe« der Herrschenden im politischen Feld zu bekämpfen und gleichzeitig den intellektuellen Werten und Regeln die »einfachen Wahrheiten« und den politischen Realismus entgegenzusetzen, um ihre Ausdifferenzierung von den Herrschenden im politischen und gleichzeitig im intellektuellen Feld zu erreichen – was Bourdieu als Strategie der »doppelten Distanz« bezeichnet. Ihre Position im politischen Feld entsprach jener des Kleinbürgertums, das eine relativ unorganisierte und mit alten Produktionsmethoden und Werten verbundene soziale Kraft war, die zwischen der herrschenden kapitalistischen Hochbourgeoisie und der in diesen Jahren immer besser organisierten Arbeiterklasse »erdrückt« wird. Das Kleinbürgertum mit seinem Streben nach einem »dritten Weg« zwischen Kapitalismus und Sozialismus und nach einer Revolution, die gleichzeitig die Rückkehr zur traditionellen Gesell235 schaft sein sollte, wird der Protagonist der faschistischen Bewegung und wirkt an seinem Projekt mit. Dieses Kleinbürgertum wurde später allmählich an den Rand geschoben, als Mussolini sich den konservativen und herrschenden Kräften zuwandte und das entsprechende konservative intellektuelle »Personal« – z.B. Giovanni Gentile und Alfredo Rocco – förderte. Während sich viele dieser Persönlichkeiten in Bourdieus Kategorie der »konservativen Intellektuellen« einordnen lassen, stellen die radikalen Rechtsintellektuellen ein gegenteiliges Modell dar – und sie waren deren größte Feinde und Opponenten. Vor der Beschreibung der besonderen Kennzeichen des Typus der radikelen, integralistischen und traditionalistischen Rechtsintellektuellen sei noch einmal an die Definition dieses »Intellektuellentypus« Bourdieus erinnert, die dieser Arbeit zugrunde liegt: er sei »jemand, der in der Gelehrtenrepublik über Autorität verfügt, im Bereich der Politik intervenieren kann, und zwar nicht nach Art eines Politikers ..., sondern eben als Intellektueller, mit einer intellektuellen Autorität, die der Intellektuelle zum Teil gerade der Tatsache verdankt, daß er nicht Politik treibt, sondern ›interessenlos‹ ist, ›rein‹ ist, daß er transzendente Werte hat etc.«19 Das intellektuelle Engagement der Integralisten und der Traditionalisten läßt in dieser Hinsicht keine Zweifel an ihrer Kategorisierung als Intellektuelle aufkommen. Es ist genau ihr politisches Engagement als Träger eines höheren Wissens, das nicht politisch spezialisiert ist, und ihre totale – oder bei Evola metapolitische – Auffassung der intellektuellen Tätigkeit und der kulturellen Revolution, die ihre besondere Rolle in der Kultur der Zeit und auch ihre Randposition verursachen und kennzeichnen. Ihr politisches Engagement läßt sich von ihrer kulturellen Tätigkeit nicht trennen, so wie ihr politisches Projekt nur Teil ihrer gesamten Utopie zur Veränderung des Lebens ist. Die Selbstdarstellung als Intellektuelle wird deswegen mit dem politischen Engagement verknüpft, so daß die Kritik der intellektuellen Methoden und die Apologie der »neuen« traditionellen Kultur mit ihrem Projekt der politischen Erneuerung verschmilzt. Diese Intellektuellen waren aber nicht einfach »antiintellektuelle Intellektuelle«, die der Darstellung der Intellektuellen als Verteidiger der universellen Vernunft zuwiderhandelten – wie z.B. die Protagonisten der intellektuellen Front gegen Dreyfus.20 Sie predigten die Zerstörung eben dieser Rationalität und Modernität, so daß sie zuerst antirationale Intellektuelle waren. Aus diesem Grund lehnten sie die Mission und den »Beruf« aller 236 Exponenten der modernen Zivilisation ab – die Intellektuellen eingeschlossen. Ihrer Selbstdarstellung entspricht in diesem Sinne, wie schon gesagt wurde, das »andere Denken«. Dieses zielte nicht auf die Zerstörung einiger Institutionen und Praktiken, sondern auf die des ganzen Systems, d.h. der Modernität und ihrer Kultur. In dieser Hinsicht spiegelte sich ihre politische Vision in ihren kulturellen Forderungen wider: Die Überwindung des Kapitalismus und des Sozialismus bedeutete gleichzeitig immer die Überwindung des liberalen und des sozialistischen Modells der Intellektuellen. Diese Konzeption ging gelegentlich mit einer anfänglichen Oszillation der Integralisten und Traditionalisten zwischen der extremen Linken (Syndikalismus) und dem Faschismus einher. Entgegen der Wertfreiheit der Wissenschaft, die zu jener Zeit von den liberalen Intellektuellen des antifaschistischen Manifests befürwortet wurde, vertraten sie eine totale Auffassung der intellektuellen Arbeit, die die moderne Trennung der Wissenschaft von der Politik abschaffen sollte. Ihr reiner Faschismus beinhaltete zugleich den Anspruch auf eine »höhere« und traditionelle Interpretation von Kultur, die sich als ein totaler »Akt« – ästhetisch und zugleich moralisch und politisch – verstehen läßt. Der Mission der kommunistischen Intellektuellen als Erzieher21 und als Träger der politischen hegemonialen Funktion setzten sie den elitären Charakter ihres Wissens entgegen. Sie wollten nicht die Massen erziehen, sondern sie durch Mythen für eine ästhetischen Revolution mobilisieren und für das »wahre« faschistische Projekt gewinnen. Ein Merkmal ihres Denkens bestand darin, daß ihr Wissen nicht gelehrt, sondern nur von einer spirituellen Elite gefühlt und geteilt werden könnte. Es ist kein Zufall, daß ihr Ideal des Menschen der squadrista war, der vielleicht ignorant war, aber die Revolution agiert und »fühlt«. Die von den Integralisten durchgeführte Apologie des »Zusammenfühlens« und der »beau geste«, die höheren Wert als eine akademische Rede hätten, traf auf diese Art mit dem esoterischen Wissen von Evola und der Gruppe um »La Torre« zusammen: beide sind nicht zu lehren oder zu lernen, sondern nur zu fühlen; sie sind ein Sein, indem sie die Verwandlung des Subjektes und die moralische Entwicklung seines Geistes erfordern. Diese Intellektuellen waren entwurzelte: »weder Religion noch politische Tradition, noch ein berufsständisches Leitbild, noch sonst ein unbestrittenes Klischee gibt ihnen komplette Modelle für ihre Ich-Findung vor. Sodann: Sie handeln im politischen Feld, als ob dies ein leerer Raum wäre, in dem man 237 gefahrlos und gleichsam experimentierend neurotische Dekonstruktionstriebe zum Durchbruch kommen lassen darf.«22 Zusammenfassend ist das Kennzeichen der radikalen Rechtsintellektuellen die Marginalität im politischen und zugleich im intellektuellen Feld, was ihrem Kampf gegen die existierenden intellektuellen Modelle und politischen Alternativen entspricht: »erdrückt« im politischen Feld, als Vertreter des Kleinbürgertums, übertrugen sie diese Position und die entsprechende doppelte Ablehnung der liberalen und der sozialistischen Selbstdarstellung der intellektuellen Arbeit in das intellektuelle Feld. Sie stellten die extreme Position dar: Sie bekämpften alle anderen Denkstile und Projekte und sprachen damit aus einer »rein utopischen« Perspektive, welche der totalen Umkehrung der modernen Zivilisation das Wort redete. Ihre Ausdifferenzierung wurde von ihrer Suche nach einer Alternative bestimmt, die auf der »Karte der Möglichkeiten« nicht existierte, sowie von ihrer Position, die sie gegen alle und an den Rand aller anderen stellte. Was Antimo Negri über Evola geschrieben hat, läßt sich auch für die Integralisten bestätigen: »Überholen, Überholen! Man kann, ja man muß sogar überholen«23; das war ihre fixe Idee. Das traditionalistische Denken Die radikale Ablehnung der aufgeklärten Rationalität und ihre Randposition im politischen Feld stellten einen wichtigen Unterschied dieser Intellektuellen zu den konservativen dar und kennzeichneten ihre Auffassung als das Produkt eines traditionalistischen Denkens. Für sie bedeutet die Apologie der Tradition nicht die Verteidigung der Privilegien der herrschenden Klassen, so daß die von Mannheim erarbeitete Kategorie des konservativen Denkens hier nicht gelten kann.24 Geeigneter hingegen ist Mannheims Definition der traditionalistischen Haltung, die aber bei ihm nur eine psychologische Bedeutung besitzt. Diese Haltung verwandelten die Autoren, die Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, in eine politische und kulturelle Vision: Aus einer reaktiven und formellen Position wurde eine »spirituelle objektive Struktur«, die sich, ähnlich dem Konservatismus, entwickelte und sich als Produkt von Kämpfen, Oppositionen und Ausdifferenzierungen konstituierte – was Mannheim als dynamische Struktur bezeichnete. In der vorliegenden Studie 238 wurden ein Typus und ein Modell für die Entwicklung des radikalen Denkens der Rechten untersucht. Diese historische Denkstruktur verwandelte sich im historischen Verlauf des Faschismus und gewann dadurch ihre spezifische Gestalt, was implizit die Hypothese Noltes über das Denken der Rechten in Frage stellt. Die Rechte wurde von ihm als eine ideenhistorische Linie beschrieben, die von den reaktionären Denkern zur Action Française, zum Faschismus und zum Nationalsozialismus gehe und ohne Bruch bis heute weiterentwickelt werde.25 Im Gegensatz dazu konnte in dieser Arbeit die Trennung zwischen einer radikalen Rechten und einer konservativen Rechten innerhalb des Faschismus aufgezeigt werden, die gegensätzliche Interpretationen der faschistischen Revolution erzeugten und miteinander in Konflikt gerieten. Die radikale Rechte gewann eine besondere Bedeutung und Form in dem Moment, als sie sich vom offiziellen Faschismus löste und ihm ein totales Projekt für die Rückkehr zur Tradition und für die radikale »Re-volution« entgegenstellte. Diese radikale Rechte formte auch nach dem Krieg einen wesentlichen Teil der Doktrin der »Neuen Rechten«, was durch deren Bezug auf die radikalen Autoren, die interne Opponenten des Faschismus waren, und nicht auf die konservativen Autoren innerhalb des offiziellen Faschismus, deutlich wird. Es kann und soll nicht geleugnet werden, daß die Rechte vor dem Faschismus existierte, aber sie war, die sogenannte konservative Revolution ausgeschlossen, nur eine Weiterentwicklung der Reaktion gegen die Aufklärung, die später keine politische Ideologie und kein Programm in die moderne Gesellschaft getragen hat. Die Auffassung der Reaktionäre, welche die Themen der Wiederherstellung der sakralen Monarchie und der hierarchischen Gemeinschaft als Reaktion der Noblesse auf die französische Revolution artikulierten, hat in einer vom Klassenkampf gekennzeichneten Gesellschaft ihre politische Bedeutung verloren. Die politischen Alternativen am Ende des 19. Jahrhunderts bestanden nicht mehr, wie noch zu Beginn desselben, zwischen der Rückkehr zur Tradition und der Entwicklung der Modernität. Es bestand die Wahl zwischen Sozialismus und Kapitalismus (deren jeweilige Voraussetzung die Modernität ist), da sie zwei antithetische Lösungen für die Probleme der modernen Entwicklung anboten. Die Machteroberung des Faschismus in Italien stellte für viele den ersten erfolgreichen politischen Versuch dar, die Programme und das Projekt der Rechten in der modernen Zeit zu verwirklichen: Mussolini und die Futuristen stellten sich, wie 239 gezeigt wurde, als Befürworter der Zerstörung der dekadenten modernen Institutionen dar, was ihren Erfolg beim Kleinbürgertum ermöglichte. Andererseits war ihr Programm eine Mischung aus sozialistischen, revolutionären und reaktionären Motiven, ohne eine bestimmte Struktur und eine klare politische Linie zu präsentieren: Die Praxis, d.h. die Anpassung an die politischen Gegebenheiten und Kompromisse, wog viel schwerer als die Artikulation einer konkreten Doktrin. Auch die Verbindung des politischen Regimes mit einer homogenen intellektuellen Schicht, die zur Formulierung seiner Legitimation und einer offiziellen Ideologie beitragen sollte, gelang nie vollständig, trotz entsprechender Anstrengungen Mussolinis und von Teilen der faschistischen Kulturorganisatoren wie Bottai und Gentile. Der Faschismus blieb eine »revolutionäre Rechte«, eine »politische Praxis«, die sich oszillierend zwischen sozialistischen und reaktionären Motiven und Ideen entfaltete und die Methode der Massenmobilisierung und -organisation für eine Politik zum Schutz der Interessen des konservativen Kapitalismus gegen die Arbeiterklasse nutzte. Der konkreten Entwicklung einer konservativen Rechten, die ihre radikalen Ansprüche beiseite legte und eine realistische Position einnahm, setzten die Integralisten und später Evola die Verwirklichung der absoluten und reinen Revolution entgegen. Gegen die Praxis Mussolinis predigten sie ein Denksystem, in das sich der Faschismus, der seine Bedeutung für die allgemeine menschliche Entwicklung sogar außerhalb seines konkreten historischen Verlaufs finden sollte, integrieren sollte. Der offizielle Faschismus war für sie eine »partielle« Revolution, die Mussolini nie vollendet hatte und die sie zu vollenden versuchten. Gegen die Unbestimmtheit der faschistischen Praxis opponierten sie mit einem kulturellen und politischen Projekt, das ihnen Gestalt und Identität dem offiziellen Faschismus und dem Konservatismus gegenüber verlieh: Sie gehörten derselben Familie des Rechtsdenkens an, aber sie besaßen einen absoluten, totalen (»reinen«) Charakter.26 Das reaktionäre Denken wurde durch die radikale Rechte, und vorher bereits durch die konservative Revolution, erneuert und wiederhergestellt. Die nostalgischen Wünsche und die Verteidigung der herrschenden Klassen nach der französischen Revolution wurden damit zur politischen, kulturellen Utopie, die mit den intransigenti einen politischen Arm gewann. 240 Die Tradition der Rechten Die von einer Reihe von Forschern27 als typisch für die Tradition des Rechtsdenkens analysierten Themen sind von den Integralisten entwickelt worden: die Verherrlichung der Ungleichheit als Gegensatz zu den Prinzipien sozialistischer und demokratischer Doktrinen; die hierarchische Konzeption der politischen und sozialen Beziehungen; die Verteidigung des »natürlichen« Standes der menschlichen Beziehungen, dem ein Naturbegriff zugrunde lag, der die unüberwindbare Existenz der Ungleichheiten, der Kriege und der Gewalt beinhaltet; die Verherrlichung der ursprünglichen Gemeinschaften und die Wiederherstellung der Vergangenheit. Die Grundideen und Themen der Autoren der radikalen Rechten entsprechen diesen »klassischen« Topoi der Literatur des Rechtsdenkens, so daß ihre Einordnung nicht schwer fällt. Ihren Visionen liegen aber auch eine Reihe von Haltungen zugrunde, die ihre Auffassung in jener Zeit gegenüber den faschistischen Intellektuellen kennzeichnen. Viele dieser Themen wurden als Aspekte der Verteidigung der Reinheit behandelt: Wie schon mehrfach bemerkt wurde, waren Reinheit bzw. Integralität Schlüsselwörter der Integralisten und der Traditionalisten. Ihr Vorbild ist eine ungestörte, reine, perfekte Gesellschaft, in der alles harmonisiert und kontrolliert wird und einem höherem Prinzip gehorcht. Die hierarchische, traditionelle Gesellschaft von Suckert, die Provinz von Maccari, der monarchische Staat von Carli und Settimelli und der organische Staat von Evola sind reine, perfekte Utopien, in denen die Ordnung nur selten durch Gewalt, sondern durch die freiwillige Fusion der Menschen mit einem Ordnungsprinzip, das oft metaphysischen Ursprungs ist, erhalten wird.28 Die Koinzidenz von individuellen und sozialen Forderungen, von Wünschen und Bedürfnissen, von natürlichen und kulturellen Anforderungen wird durch das natürliche Streben nach einem metaphysischen Prinzip erreicht: das Prinzip der Tradition. Obwohl es bei den verschiedenen Autoren unterschiedlich artikuliert wird, bleibt es immer die kohäsive Kraft, welche die Harmonie und die Integration der Einzelnen erzeugt und spirituelle Bedeutung trägt. Der Tradition verliehen Suckert und insbesondere Evola einen transzendentalen Wert: Bei Evola setzt sie »die Betrachtungsweise von einem außermenschlichen Standpunkt, objektiv in einem transzendenten Sinne« voraus, welche »die traditionelle Betrachtung ist, die man in Hinblick auf die traditionale Welt anwenden muß«.29 Auf die Transzendenz verweist ihr Vorbild 241 der Gesellschaft und ihre Theorie, in der die Transzendenz als »Motor« der Gemeinschaft, als Voraussetzung und Ziel der Entwicklung des Einzelnen verstanden wird. Die menschliche Entwicklung wird von diesen Autoren insofern eingefordert, als die Initiation oder die geistige Erneuerung Kernthemen ihrer Auffassung sind. Allen Autoren gemeinsam sind die Unbestimmtheit und der nicht materielle Charakter dieses Ordnungsprinzips. Was die Tradition bei Evola, die Zivilisation des Mittelmeers bei Suckert, die traditionelle monarchische Gesellschaft bei Settimelli und Carli oder gar die Provinz bei Maccari konkret bedeutet und wie sich auf ihnen eine neue Gesellschaft gründen ließe, bleibt vage und im Dunkeln, denn die materiellen Bedingungen und notwendigen Veränderungen werden nicht klar definiert. Nur eins wird deutlich, nämlich daß dem Duce oder dem Monarchen als Verkörperung dieses Prinzips bedingungslos gehorcht und gefolgt werden muß. Die Theorie Noltes, nach der der Widerstand gegen die Transzendenz dem rechten Denken zugrunde liegt, muß hier in Frage gestellt werden. Das Streben nach Transzendenz wurde von den Integralisten und Traditionalisten nicht verneint. Vielmehr erarbeiteten sie eine eigene Auffassung von Transzendenz, die »statisch« war und keine Folgen für die sozialen Beziehungen haben sollte. Die Transzendenz verliert hier ihren Charakter als unendliche und unentschlossene Suche nach etwas, was das menschliche Leben überwindet. Sie ist ein erreichbarer, bestimmter Punkt, an dem die Verschmelzung des einzelnen mit den vielen, der Natur mit der Kultur, der Bedürfnisse mit den Wünschen möglich wird. Sie ist das Reich der Versöhnung und der Harmonie mit der Natur – mit ihren Ungleichheiten, ihren Kriegen und ihrer Gewalt – mit dem menschlichen Streben nach Verbesserung des Lebens, in dem die natürliche Ordnung in einem anderen Licht akzeptiert und »umarmt« wird. Das Reich der Naturordnung wird von den neuen Menschen gebildet: »der typische Charakter dieses neuen italienischen Typus ist es, treu gegen sich selbst zu sein«.30 Das Ziel der Harmonie mit der Ordnung des einzelnen wird auch bei Evola deutlich: Die Harmonie bestehe darin, »die ›Dominante‹ in sich zu entdecken und sie zu wollen, d.h. sie in einen ethischen Imperativ umzuwandeln, um sie darüber hinaus noch in Treue ›rituell‹ zu verwirklichen und damit alles, was als Instinkt hedonistischer Motive, materialistischer Bewertungen an die Erde fesselt, zu zerstören«.31 Es wäre aber falsch zu sagen, daß der Ausgangspunkt dieser Autoren einfach in der Rechtfertigung der Existenz be242 stand; er lag eher in dem Streben des einzelnen, die Gründe der Ordnung und der natürlichen Harmonie verstehen und völlig »bejahen« zu können. Aber dies bedingt immer eine individuelle Veränderung, die nur die spirituellen Eliten durchlaufen können und die nicht direkt in Bezug zu den Massen steht. Auch den Theorien von Maccari und Suckert lag diese Apologie der Eliten zugrunde. Sie definierten zwar diese Eliten als »Volk der squadre«, meinten aber nicht das Volk im eigentlichen Sinne. Es handelte sich um eine spirituelle Elite der nicht korrupten Jugend, die nie als soziale Schicht definiert wurde. In dieser Hinsicht wurde die Transzendenz als Streben für alle, die moralische, aber auch soziale und entsprechende materielle Veränderungen vornehmen wollten, verneint oder vernachlässigt. Zum Wunsch nach Vollendung und Harmonisierung der Widersprüchlichkeit des Lebens gesellte sich die Angst vor dem Bruch der Harmonie, welcher immer auf das Einwirken externer, fremder Kräfte zurückzuführen wäre. Ein wesentliches Merkmal des Denkens der in dieser Arbeit behandelten Intellektuellen war folglich, daß das Eindringen der Fremden desto gefährlicher und bedrohlicher erschien, je reiner das Ideal der traditionellen Gemeinschaft konzipiert wurde: Die Reinheit erforderte die Gefahr. Und desto stärker mußte die »Revolution« gegen die Fremden sein. Hier läßt sich das wiederholte Wort »Revolution« nach Evola verdeutlichen: Sie stelle eine gewalttätige Veränderung der kulturellen und politischen sozialen Strukturen dar, die eine Befreiung von externen Einflüssen verursache, die den Fortschritt der Menschheit ermögliche, indem sie die Wiederherstellung der natürlichen Ordnungsprinzipien bewirke. Die Haltung der kosmopolitischen Politiker (der »Politiker made in England«)32 und die materielle Auffassung der nordischen Kultur nahmen bei den Autoren dieselbe Metapher an: die Gefahr des Eindringens. Luther galt als das Symbol des »Fremden«, unter dessen Einfluß die »Krankheit der Jahrhunderte« angefangen hatte: Er habe die »universelle und minuziöse Tendenz zur Erklärung und Rechtfertigung von allem, der Gesetze und der natürlichen Phänomene«, eine Tendenz »voller Schatten«33, der dogmatischen südlichen Mentalität entgegengesetzt. Luther bei Suckert, die christlich-jüdischen Exponenten bei Evola und jene des Rationalismus bei den übrigen drei Genannten galten als die Kräfte, die die alten, sakralen Traditionen verändert und die alte Gemeinschaft zerstört hätten. Unter Gemeinschaft wurde dabei ein geschlossener Raum verstanden, der seine starke interne Kohäsion durch den Gehorsam der vielen gegenüber 243 diesen traditionellen Prinzipien gewann. Die Demokratie und die öffentliche Diskussion, die Rationalität und die Kritik wurden als Produkte des Eindringens der Fremden verstanden, da sie eine Pluralität voraussetzten, die zur Auflösung der geschlossenen Gruppe führen konnte. Der Feind erschien hier als besonders bedrohlich, da er ein innerer Feind in Form einer Mentalität oder einer Kultur und nicht ein identifizierbarer Fremder war. Interessant an dieser Vorstellung ist, daß der Konflikt der Kulturen und der Mentalitäten im Vergleich zum Kampf zwischen Rassen dominiert. Er bestimmt die Rolle und die Mission eines Volks, während die Rasse nie »als solche«, sondern nur als Metapher für die Kultur Erwähnung findet – bei Suckert, Maccari und Settimelli -, oder als ein sekundäres Element dargestellt wird – so bei Evola.34 Die fremde Mentalität bringe die Entwurzelung des Einzelnen vom geborgenen Leben in der Gemeinschaft, die Entfernung vom natürlichen Streben nach Ordnung, und das Chaos werde von etwas Fremdem, von einer ganz anderen Zivilisation verursacht. All dies sei Folge der modernen, intellektuellen, rationalistischen Haltung, der diese Autoren die traditionsorientierte Denkweise gegenüberstellten. Der Konflikt mit der rationalistischen Auffassung blieb bei den Integralisten relativ unbewußt und unartikuliert, während Evola die mythologische Konzeption der Geschichte propagierte. Suckert, Maccari, Settimelli und Carli sprachen sich für die Zerstörung des modernen kritischen und rationalen Systems aus, aber ihre Ablehnung folgte keiner bewußten Systematik: Sie erarbeiteten eine »mythische« Vision der Geschichte, setzten ihre Arbeitsmethode aber nie dem Vergleich mit der modernen Wissenschaft aus. Im Gegensatz zu ihnen fügte Evola seine Theorie in eine der modernen Wissenschaft gegensätzliche Tradition ein – in die Esoterik und die mythologische Deutung der Geschichte.35 Zwei Kennzeichen dieser Vision der feindlichen Mentalität, welche die italienische Zivilisation zerstöre, lassen sich bestimmen: Die metapolitische Ebene und die Grundidee, daß jede Zivilisation ein »Wesen für sich« ist, das in seiner Integrität unangetastet bleiben solle. Der Feind sei kein bestimmtes Volk, keine politische Doktrin oder Ideologie, sondern eine Kraft, eine Mentalität, die die historischen Formen des Liberalismus, der Reform, des Sozialismus und der christlich-jüdischen Tradition annehme. Alles und jeder kann zum Feind werden, da die gesamte Modernität der Feind sei. Wenn aber 244 die Natur dieses Feindes, sein bestimmender Charakter analysiert werden, stellt man fest, daß er eine Gefahr für die Integrität der Gemeinschaft darstelle. Einer organischen Metapher vergleichbar werde der »Körper« (die traditionelle Organisation) von einem »Virus« (etwas Unterschiedlichem) bedroht – eine Vorstellung, der die Idee der Verneinung des sozialen und kulturellen Austauschs zugrunde liegt. Die Interaktion und die Verschmelzung unterschiedlicher Kulturen seien das »Böse« an sich, weil sie eine Verringerung der Fähigkeit und der Würde der Kultur bedeuteten. In dieser Hinsicht läßt sich die unüberwindbare Trennung der modernen und der traditionellen Zivilisation bei Evola ebenso erklären wie die Ablehnung der Idee des Fortschritts, die auch bei Suckert eine bedeutende Rolle spielt: Die Geschichte wird nicht als Produkt der positiven und fruchtbaren Kreuzungen der Menschen und der Kulturen, sondern als Kampf zwischen »Blöcken« von Zivilisationen beschrieben, um die Integrität zu bewahren. Während die Idee der Veränderung dem Ideal des Fortschritts zugrunde liegt, was oft bedeutet, die Möglichkeiten für das Lernen und für des Treffen unterschiedlicher Meinungen und Kulturen zu eröffnen und die unberechenbaren Ergebnisse dieser Mischungen und dieses Austauschs in Kauf zu nehmen, ist die Tradition ein perfekter Spiegel der statischen und geschlossenen Gemeinschaft, die ein bestimmtes Ziel – eben die Verwirklichung derselben Tradition – erreichen oder untergehen kann. Dem nie endenden Streben nach einem immer besserem Verständnis und mehr Wissen stellt Evola ein anderes Wissen als Mythos und als Erinnerung entgegen: Das Wissen der Tradition steht schon fest auf einer anderen, »metaphysischen« Ebene und muß nicht implementiert werden. Die esoterischen Doktrinen der Tradition »sind oder sind nicht«, wie Evola behauptet: Sie würden bei den Eliten durch einen Erinnerungsprozeß wiedergewonnen. Deswegen spielten die wissenschaftlichen Methoden, die rationalen Ideen, die politischen Ideale keine Rolle in Evolas Vision der Geschichte.36 1 Ein interessantes Beispiel für die »Rätsel« der offiziellen faschistischen Haltung ist die Zensur gegen Settimelli und Carli: die Themen von »L’impero« - d.h. die Bildung eines faschistischen Reichs und einer faschistischen Aristokratie nach dem Modell des römischen Reiches - wurden später von der konformistischen, regimetreuen Literatur aufge- 245 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 246 nommen und verarbeitet, ohne Protest oder gar Zensur des Regimes zu erwecken. Anhand der Ergebnisse dieser Arbeit läßt sich dieses Rätsel insofern lösen, als die Arbeiten Carlis und Settimellis von einem kritischen, intrasigenten, utopischen Charakter gekennzeichnet waren, der die Politik des Regimes oft in Frage stellte. Suckert, L’Europa vivente ..., op.cit., S. 380. Laut Evola solle der Intellektuelle dem Bild des Philosophen Platos entsprechen, d.h. den Berater des Politikers und den Weisen darstellen (vgl. Evola, »La cultura nella rivoluzione«, in: Lo stato, Juli 1926; jetzt in: Evola, Lo Stato, Lami (Hrsg.), Roma, 1995). Evola, »Das Doppelantlitz der Nationalismus«, in: Europäische Revue, 8, 1932; vgl. auch ders., »Americanismo e bolscevismo«, in: La nuova antologia, 1930. »Faschismus bedeutet für uns grundsätzlich die ›Befreiung von der veralteten Mentalität‹, zu der auch die letzten - sozialistischen und liberalen - Anhängsel des Romantizismus gehören«, in Carli, Fascismo intransigente, Firenze, 1926, S. 12. Der Ausdruck stammt von Antimo Negri (Negri, »Appunti sulla destabilizzazione (diseguale) di due categorie: ›destra‹ e ›sinistra‹, in: Hermeneutica, 1986, n.6), der ein wesentliches Kennzeichen der Ideologie der Rechten nach dem zweiten Weltkrieg in dem Versuch sieht, die Unterschiede (zwischen Links und Rechts) zu beseitigen. Vgl. Berlin, The crooked Timber of Humanity, London, 1991; vgl. auch die Untersuchung von Stern, der bei Moeller van den Bruck, Lagarde und Langbehn eine metaphysische Grundkonzeption der gesellschaftlichen und politischen Beziehungen analysiert (Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr, Bern/Stuttgart, 1963). Zur Rolle des metaphysischen Prinzips vgl. auch Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, München, 1978. Auch das zukünftige Reich Carlis und Settimellis war Folge einer neuen Mentalität, welche Handeln und Denken in einer hierarchischen Gesellschaft versöhnte - was dem Ideal des Kunst-Lebens entspricht (Carli, Fasscismo intransigente ..., op.cit., S. 38-39) -, obwohl ihre Vision viel unartikulierter als jene Evolas und Suckerts blieb. Vgl. Evola, Rivolta contro il mondo moderno ..., op.cit. (Deutsche Üb.: Revolte gegen die moderne Welt ..., op.cit.) und Suckert, L’Europa vivente e altri saggi ..., op.cit. Suckert, L’europa vivente ..., op.cit., S. 371 ff.; Evola, Revolte gegen ..., op.cit., S. 17 ff. In diesem Sinne wurde in dieser Arbeit das Wort »Irrationalismus« benutzt. Evola, Revolte gegen ..., op.cit., S. 23-24. Evola, Revolte ..., op.cit., S. 19. U.a., Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche, München, 1963; Mosse, Masses and Man ..., op.cit.; für den Faschismus: Sternhell, La naissance ..., op.cit. D. Cofrancesco, »Fascismo, destra o sinistra?«, in: K. D. Bracher, L. Valiani (Hrsg.), Fascismo e nazionalsocialismo, Bologna, 1986; E. Gentile, Le origini ..., op.cit. Cofrancesco, »Fascismo, destra ...«, op.cit. K. Mannheim, Konservativismus. Ein Beitrag zur Soziologie des Wissens, Frankfurt, 1984. De Felice, Mussolini il fascista. La conquista del potere ..., op.cit. 19 Bourdieu, Über die Verantwortung der Intellektuellen, Berlin, 1989, S. 22 (Originalfassung, La responsabilité des intellectuels, Paris, 1982). 20 Bourdieu, Les règles de l’art ..., op.cit.; C. Charle, Naissance des intellectuels. 18801900, Paris, 1990, op.cit.; ders. »Naissance des intellecutels contemporains (1830-1898)«, in: J. Le Goff-B. Kopeczi (Hrsg.), Intellectuel francais, intellectuel hongrois, 1985 Budapest. 21 Gramsci ist derjenige Theoretiker, der eine komplexe Definition des sozialistischen Intellektuellen erarbeitete. Für ihn sind von der Politik unabhängige Intellektuelle eine Fiktion, da sie immer eine politische Funktion ausüben, um die Macht - die Hegemonie - der herrschenden Klassen zu sichern. Gramsci, Hefte ..., op.cit. (1977), XI (XVIII). 22 Zitat von T. Mann in: Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr, Bern/Stuttgart, 1963. Die Ergebnisse der Analyse von Fritz Stern über Lagarde, Moeller van den Bruck und Langbehn zeigen einen ähnlichen Charakter dieser drei Autoren, die eine utopische, von der Realität weit entfernte politische Perspektive vertraten. 23 Negri, Julius Evola e la filosofia ..., op.cit., S. 14. 24 Mannheim, Konservatismus ..., op.cit. 25 Laut Nolte läßt sich die Grundstruktur der Rechten vor dem Zeitalter des Faschismus finden, d.h. in der Action Française und in der rassistischen und reaktionären Literatur, die vor dem Faschismus erschien. Der Faschismus sei eine Weiterentwicklung dieser Auffassung und Denkstruktur und verwirkliche sie. Eine andere Interpretation, die den Faschismus als Fortsetzung der reaktionären Auffassung darstellt, ist jene von Isaiah Berlin, The crooked Timber ..., op.cit. 26 Über den stärkeren Bezug Evolas und der aktuellen »neuen Rechten« zum Nationalsozialismus als zum Faschismus haben einige Forscher geschrieben. Zu Evola und dem Nationalsozialismus vgl. Boutin, Politique et tradition ..., op.cit., Jesi Cultura di destra ..., op.cit.; zu Evola und der radikalen Rechte vgl. die Werke von Ferraresi: »Julius Evola et la droite radicale de l’après guerre«, in: Politica hermetica, 1, 1987; ders. (Hrsg.), La destra radicale, Milano, 1984; ders., Minacce alla democrazia, Milano, 1995; Drake, »Julius Evola and the ideological origins of radical Right in contemporary Italy«, in: Merkl (Hrsg.), Political violence and Terror, 1986, Berkeley; T. Sheeman, »Myth and violence. The fascism in J. Evola and A. de Benoist«, in Social Research, XLVIII, 1981. 27 u.a. Bobbio, »Per una definizione della destra reazionaria«, in, Quazza (Hrsg.), Nuova destra e cultura reazionaria negli anni ‘80, Cuneo, 1983; ders., Destra e sinistra, Milano, 1994; Tranfaglia, »Fascismo, neofascismo e nuova destra. Appunti per una nuova definizione storica«, in Quazza (Hrsg.), Nuova destra e cultura ..., op.cit.; Confrancesco, »La nuova destra davanti al fascismo«, Ebda.; Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche ..., op.cit.; Revelli, »Panorama editoriale e temi culturali della destra militante«, in: Quazza (Hrsg.), Nuova destra e cultura ..., op.cit., Revelli, »La nuova destra«, in: Ferraresi (Hrsg.), La destra radicale ..., op.cit.; Ferraresi, »Da Evola a Freda«, Ebda.; Ignazi, L’estrema destra in Europa, Bologna, 1994. 28 Bei Maccari ist diese metaphysische Dimension schwächer, sein Ideal ist die Provinz und deren lebensweltliche Harmonie. 247 29 Evola, Revolte ..., op.cit., S. 24. 30 Und weiter: »d.h. er hat das überhäufte Eigene trotz der Verirrungen und Verunstaltungen der fremden Jahrhunderte wiedergefunden und hat es unversehrt und erneut im Licht der Moderne wiederhergestellt.« Carli, Fascismo intransigente ..., op.cit., S. 41. 31 Evola, Revolte gegen ..., op.cit., S. 128. 32 Maccari attackierte (»Made in England« in: Il Selvaggio, 16 Aug. 1924) die liberalen bürgerlichen italienischen Politiker, welche die Revolution des Risorgimento mit ihrer »Politik des gesunden Menschenverstandes« zerstört hätten. 33 Suckert, L’Europa vivente ..., op.cit., S. 362. 34 Obwohl sich die Position Evolas zur Theorie der Rassen in den 30er Jahren verändert und die Umsetzung seiner Theorie auf politischer Ebene zum Rassismus führte, bleibt sein Augenmerk immer auf die Kultur, und erst danach auf die Rasse gerichtet. 35 Die Grenze zwischen der traditionellen Doktrin und der weltlichen Kultur werde deutlich, wenn »das, was als Mythos, Legende, oder Sage ohne historischen Wahrheitsgewalt und ohne Beweiskraft ist, gerade dadurch eine höhere Wertigkeit erlangt und zur Quelle einer echten und sichereren Erkenntnis wird«. Evola, Revolte ..., op.cit., S.23. 36 Diese Auffassung Evolas läßt sich mit der Literatur der »Bachofen-Renaissance« vergleichen, insbesondere mit der zweiten Phase dieser Renaissance (Alfred Baeumler), in der die Theorie Bachofens derart verzerrt wird, daß sie eine politische Bedeutung für die Herrschaft der Zivilisation der Väter - die dem Nationalsozialismus entspricht - gewinnt. (vgl. zu Bachofen Grossman, Orpheus Philologus versus Mommsen on the Study of Antiquity, Philadelphia, 1983; ders., »Basle, Bachofen, and the Critique of Modernity«, in Journal of Warburg and Courtland Institut, 47, 1984; über Bachofen und die Bachofen Renaissance: Giulio Schiavoni, »Un capitolo di cultura di destra: dai cosmici monacensi al Bachofen di Alfred Baeumler« in F. Amendolagine, B. Bandini, A. Benelli et al., Il pensiero reazionario, Ravenna, 1982). 248 Nachwort Die Debatten und Auseinandersetzungen einer Gruppe fanatischer Anhänger der ursprünglichen faschistischen Prinzipien und Befürworter einer unvorstellbaren Rückkehr zur Tradition: So könnten die hier betrachteten Ereignisse und die Konflikte der radikalen Faschisten abgetan werden. Selbst Marco Tarchi, der Begründer der italienischen »Neuen Rechten«, nimmt diese Position ein, wenn er immer wieder die auf Evola verweisenden traditionalistischen und fanatischen Tendenzen im Denken und in der Ideologie der Rechten »minimiert«, deren Verfechter er als Splittergruppe bezeichnet, als Extremisten, die ohne jede Rücksicht auf politische und soziale Lebenszusammenhänge eine naive oder unpraktikable Vorstellung von der »Revolte gegen die moderne Welt« predigten.1 Damit wird den Kämpfen um die wahre Interpretation des Faschismus in den 20er Jahren kaum Bedeutung zugemessen: Selbst wenn Evola und Suckert in der faschistischen Zeit und auch noch in den ersten Jahren nach dem Krieg positive oder negative Symbole und Vorbilder für die Jugend waren, seien sie heute nur Protagonisten der Vergangenheit, Figuren einer für immer beendeten Geschichte. In diesem Fall wäre diese Untersuchung nur eine historische Beschreibung dieser Zeit, ein Bild der täglichen Kämpfe und Diskussionen der faschistischen kulturellen und politischen Exponenten, die Beschreibung des Scheiterns einer faschistischen Strömung. Evola, Suckert, Settimelli, Carli und Maccari scheiterten am Faschismus, aber sind ihre Werke und Ideen wirklich mit dem Faschismus und dem Nazismus verschwunden? Blieben sie so unbeachtet, wie die von den Faschisten scheinbar distanzierte »Neue Rechte« behauptet? Diese Frage, welche auch den Nutzen dieser Untersuchung betrifft, läßt sich auf zwei Ebenen beantworten, nämlich auf der Ebene der direkten Wirkung der hier betrachteten Autoren, und auf jener der Forschungsbegriffe, d.h. ob die für die 20er und 30er Jahre gebildeten Begriffe und Kategorien und insbe249 sondere die hier betonten Spaltungen für die Analyse des heutigen politischen Diskurses hilfreich sein können. Ich möchte kurz einen Fall skizzieren, bei dem sich die Untersuchung der Ideologie der radikalen Rechten als sehr fruchtbar für die jetzige politische Analyse erweisen könnte, indem ich eine Anwendungsmöglichkeit in Bezug auf die Interpretation der sogenannten »neuen Rechten« 2 vorschlage. Nicht nur nach postmoderner Lesart scheinen der Faschismus, der Nazismus und sogar der Rassismus überholt zu sein: Das von einem breiten Spektrum von Wissenschaftlern und Autoren der Linken und Rechten gepredigte und ständig wiederholte Ende der Ideologie3 scheint die Ideale, aber glücklicherweise auch die »Monster« der Modernität weggewischt zu haben. Die Rassen als solche werden nur von einigen extremen politischen Gruppen als Basis für ihre praktische Politik und ihre Programme benutzt: in der Wissenschaft hat das rassistische Paradigma jedwede Bedeutung verloren und ist zum Objekt von Forschungen über politische und ideologische Darstellungen geworden. Kein anerkannter Denker kann heute, ohne die Marginalisierung in fast sämtlichen wissenschaftlichen Milieus zu riskieren, die Rassenlehre und den direkten und bestimmenden Einfluß der physischen Rasse auf Kultur und Geschichte behaupten; keine politische Partei wagt es, das faschistische Erbe zu beanspruchen, um damit in der Politik der im antifaschistischen Geiste gegründeten Nachkriegs-Demokratien aufzutreten. Gleichzeitig verschwand das Wort Faschismus und sogar manchmal Kommunismus als politische Bezeichnung der demokratischen Parteien. Nur kleine Gruppen, Skinheads oder extreme Organisationen besetzen die »verbrannte Erde« der faschistischen oder nazistischen Rechten. Diese Gruppen werden oft als »gesellschaftliche Krankheit«, als Pathologie der demokratischen Mechanismen bezeichnet. Die »Neue Rechte« scheint eine ganz andere Identität als diese Randgruppen zu haben: Ihr Publikum, ihr kulturelles und intellektuelles Niveau, ihre Haltung der alten Rechten gegenüber sollen diesen Unterschied beweisen. Sie nimmt eine kritische Haltung dem alten Faschismus gegenüber ein und unterstreicht ihre Distanz zu der faschistischen Doktrin und ihren Persönlichkeiten. Ein breites Spektrum an Literatur wird von der »Neuen Rechten« benutzt. Obwohl die »Klassiker des Faschismus« wie Gentile und Rocco nicht zitiert werden, stehen die Theorien der Autoren der konservativen Revolution (Eliade und sogar Guénon, der sich nicht für politische Ent- 250 wicklungen interessierte) neben Autoren wie Evola und sogar dem Rassentheoretiker Clauss.4 In mancher Hinsicht distanziert sich Alain De Benoist, der Führer der französichen Bewegung, von der dunklen Seite der »alten Rechten«: Neben dem Totalitarismus werden der Nationalismus und der Rassismus abgelehnt.5 Auf ideologischem Niveau erklärt die »Neue Rechte« ihre Opposition zur totalitären Doktrin des faschistischen Staates, welcher eine organische Auffassung entgegengesetzt wird. Der Staat brauche keine Kontrolle und keine starke Regierung aus Institutionen und Individuen; er ziele auf die gewaltlose Integration des Einzelnen auf natürliche Art6, so daß der Staatsorganismus seine Funktionen als lebendiges Wesen erfülle. Die soziale Ordnung und die Hierarchie werden als natürliche Folgen dieser Integration betrachtet, die Individuen folgen ihren natürlichen und gemeinschaftlichen Stellungen und Funktionen und der Staat ist ein motor immobile, der wie in einem magnetischen Feld die Haltung der Individuen beeinflußt und ihren Gehorsam erzeugt. Deshalb sei der organische Staat im Gegensatz zum totalen und totalitären Staat dezentralisiert, er koordiniere die Kräfte, deren Freiheit er anerkennt, und bringe sie zur Mitwirkung an einer höheren Einheit, so daß die Gesellschaft in unterschiedliche Stände und Organismen aufgeteilt werden könne.7 Die organischen Gemeinschaften und nicht die Rassen sind das wesentliche Grundprinzip der »Neuen Rechten« als Ausgangspunkt der individuellen Entwicklungen und der internationalen Beziehungen. Gemeinschaft stimmt in ihrer Auffassung mit dem Begriff des Volkes überein: Diese zwei Begriffe beschreiben quasi lebendige Wesen, homogene Entitäten, »Wesenheiten mit eigener Persönlichkeit, die im Laufe der Geschichte geprägt wurde«8, die eine besondere »ethnokulturelle« Identität besäßen. Im Gegensatz zum physischen und rassistischen Charakter der Volksidentität in der NaziIdeologie stehen hier die kulturellen Elemente im Vordergrund: Unter »ethnokultureller« Identität werden die Tradition, die Sitten und die Mentalität eines Volks verstanden. Die Verteidigung und Entwicklung der ethnokulturellen Identität ermögliche die Integration des Einzelnen in die Gemeinschaft, was zur Wiederentdeckung der Werte und des Sinnes des Lebens führe und damit die Gefahr der Entwurzelung in der modernen Massengesellschaft vermeide. Die »neue Rechte« lehnt den Rassismus ab und predigt die Wiederbelebung der lokalen Gemeinschaften, die mit der Wiedergeburt 251 volkstümlicher Traditionen einhergehe, »deren Verfall oder, schlimmer noch, deren Vermarktung die Moderne hervorgerufen hat«.9 Das Ziel der neuen Rechten ist letztendlich kein nationalistisches Ideal: Die lokalen Gemeinschaften und die Völker sind nur ein Teil eines zu bildenden einheitlichen europäischen Organismus (eines Imperiums vielleicht), der sich gegen den amerikanischen Imperialismus durchsetzen solle. Amerika steht hier nicht nur für eine externe feindliche Nation, sondern auch für die materialistische Mentalität, die hedonistische, konsumorientierte Lebensart, die Europa bedrohe. Dies wird durch die Interpretation der westlichen Entwicklungsgeschichte zu belegen versucht: Europa habe sich immer gegen Feinde seiner Kultur verteidigen müssen. Die christlich-jüdische Mentalität sei zum Beispiel in Europa eingedrungen, habe das falsche und entartete Prinzip der Gleichheit eingeführt und damit die Annahme der natürlichen Ungleichheit sowie den Glauben an die natürliche Hierarchie zerstört.10 Heute werde Europa auf ähnliche Weise bedroht: Die fremde Mentalität verursache die Entwurzelung der Individuen und die Entwertung der europäischen Traditionen. Mit der Wiederherstellung der Gemeinschaften und der Apologie Europas predigt die neue Rechte zugleich die Verteidigung des ökologischen Systems: Die Integration des Individuums in lokale, selbstorganisierte Gemeinschaften geht mit der Harmonie des Menschen mit der Natur und der Wiederentdeckung seines Körpers und seiner Position im biologischen System einher. Die Vielfältigkeit der Bilder und Ideen, die diese Vision begleiten, ist beeindruckend: Das Ideal der direkten, plebiszitären Demokratie wird neben die persönliche Verantwortung und die ökologische Politik gestellt; die moralisierende Attacke gegen das Kapital und den Hedonismus fällt mit der Ablehnung der Utopien des Universalismus und mit der radikalen Kritik am Fortschritt zusammen; das Plädoyer für die autonome und getrennte Entwicklung der dritten Welt paart sich mit dem Zwang, das Öko-System zur zyklischen Erneuerung der Ressourcen zu schützen. Diese Mischung von Argumenten und Themen aus einem breiten Spektrum ist mit der generellen Haltung der »Neuen Rechten« gegenüber starren politischen Positionen verknüpft. Die Trennung zwischen der Linken und Rechten wird praktisch verneint und die Gegensätze in der Politik werden auf ein sogenanntes metapolitisches Niveau übertragen. Auf eine »Kultur neuer Synthesen« beruft sich Marco Tarchi11; und der französische Gründer der nouvelle droite leitet seine 252 Zeitschrift »Krisis« mit den Worten ein: »Auf politischer Ebene wird [Krisis] links sein, rechts sein, tief in den Dingen und am Zentrum der Welt«.12 Wie schwierig eine einfache Einordnung der neuen Rechten ist, wird unter anderem in ihren Konflikten mit der konservativen Rechten13 deutlich, die durch die Ablehnung der materialistischen Gesellschaft durch die »Neue Rechte« hervorgerufen werden. Zusammenfassend ist die Selbstdarstellung der »Neuen Rechten« durch eine »utopische« Position gekennzeichnet: gegen den Kapitalismus und zugleich gegen den Kommunismus, auf der Suche nach einem dritten Weg. Letztendlich aber entnimmt die neue Rechte ihre Themen verschiedenen politischen Quellen. Auf de Maistre verweisend, verneint de Benoist die Existenz einer menschlichen Gattung: Es gebe nur einzelne Menschen mit individuellen Eigenschaften und Unterschieden, die gegen die Gleichmacherei der modernen Massengesellschaft geschützt werden sollten. Die unterschiedliche individuelle Identität bedeutet für Benoist automatisch, daß keine Gleichheit der Menschen existieren könne. Damit wird die Gleichheit als »universalistische Utopie« bezeichnet, der gegenüber die nouvelle droite »die Kraft und die Normalität der Unterschiede« betont, »die weder ein Übergangszustand zu einer höheren Einheit noch eine nebensächliche Einzelheit des Privatlebens sind, sondern die eigentliche Substanz des gesellschaftlichen Lebens«.14 Diese Auffassung führt aber nicht zu einer individualistischen Doktrin, sondern zur Apologie und Verteidigung der organischen Gemeinschaft und Identitäten. In der modernen, pluralistischen, kapitalistischen Gesellschaft seien die »Quellen« des individuellen und gemeinschaftlichen Wohlstands – die »ethnokulturellen« Identitäten – durch Entwertung bedroht. Die organischen Gemeinschaften werden durch Bevölkerungsimmigrationen gleichgeschaltet und durch eine auf Konsum angelegte Gesellschaftsform ersetzt. Die Mischung der Kulturen und die Durchsetzung mit einer materialistischen Mentalität bedrohten unsere Lebensart. Was nicht die Schuld der Einwanderer, sondern der »Logik des Kapitals« sei. Hinter dieser begrifflichen Abstraktion, die in dem Werk eines sich als Nominalisten darstellenden Autors überrascht, versteckt sich eine »neue Klasse«, eine »Führungskaste, deren einzige Rechtmäßigkeit in der abstrakten (logisch-symbolischen) Handhabung der Zeichen und Werte des herrschenden Systems liegt«.15 Die Gemeinschaften und ihre »ethnokulturelle« Identität werden von einem sichtbaren Feind – dem Ausländer – und einem unsichtbaren Feind – dem Materia253 lismus, dem Kapital – bedroht. Letzterer sei gefährlicher als ersterer, da er ein gezieltes Projekt zur Eliminierung der Traditionen und der organischen Lebensarten verfolge; die Immigration sei nur Folge dieser »Logik des Kapitals«, die Menschen zwinge, ihre Heimat zu verlassen.16 Zwei Elemente kommen hier zum Vorschein: die paranoide Haltung gegenüber einem »Feind«, der einen »metaphysischen« Charakter besitze und nicht einfach zu identifizieren sei, und der »persönliche« Charakter der Kulturen, die homogen seien und deren Reinheit gegen äußere Einflüsse und »Verschmutzungen« bewahrt werden müsse. Dies erinnert stark an die Haltung der radikalen Rechten der 20er Jahren: Auch diese Autoren betonten die Bewahrung der Kulturen und der Traditionen mehr als jene der Rassen, was sie von den traditionellen Rassisten unterschied. Es läßt sich die Hypothese formulieren, daß bereits in den 20er und 30er Jahren eine Trennung zwischen einer kulturellen und einer biologischen rassistischen Auffassung gemacht wurde, die zur heutigen nouvelle droite führt. Betrachtet man die Themen und Argumente der »Neuen Rechten«, so findet man in ihren Grundprinzipien auch andere Spuren der »alten Rechten«17: die klare Trennung der Moderne von der traditionellen Gesellschaft; die Ablehnung der Wissenschaft und der Rationalität; die moralisierende Attacke gegen die hedonistische Konsumsgesellschaft; die »KomplottMentalität«, nach der die Geschichte von dunklen, geheimnisvollen Kräften und Zirkeln gesteuert werde; das Zurückführen aller Unterschiede und ungleichen Beziehungen (zwischen Mann und Frau, aber auch die sozialen Unterschiede) auf die Natur, deren unveränderlichen Gesetzen gehorcht werden müsse; die nachfolgende Apologie der Hierarchie und die Hervorhebung konstanter Werte und natürlicher Gegebenheiten – der Körper, die Natur und das ökologische System – und der Tradition als stabile und sinngebende Entitäten. Es bleibt noch die Ursache dafür zu klären, warum die »Neue Rechte« ihren Bezug zur Alten, zu Evola und den Traditionalisten leugnet, warum sie sich jenseits der Oppositionen Links und Rechts sehen will. Läßt sich die von der nouvelle droite gepredigte Distanz zum Faschismus in Bezug auf diesen Aspekt nur mit dem Motiv des politischen Opportunismus erklären, so daß die Beziehungen zu einer unterlegenen Ideologie und einem gescheiterten Regime abgelehnt werden, um eine neue Legitimation in der demokratischen Gesellschaft zu finden?18 Die Gründe dieser Wahl lassen 254 sich hier zwar nicht restlos aufklären, aber aus dieser Untersuchung ergeben sich einige weiterführende Hinweise. Sicher haben Benoist und Tarchi Recht, wenn sie behaupten, sie seien keine Kinder der französischen Konterrevolutionäre de Maistre und Bonald. Aber sie und andere lassen sich mit Recht als Kinder von Evola und Suckert sehen. Die Ähnlichkeit zwischen den Themen und Positionen der »neuen Rechten« und jenen der radikalen Rechten im Faschismus hat womöglich ihre Ursache in der Anwendungsmöglichkeit der Theorien von Evola und Suckert: Die Theorien der Tradition eignen sich besser dazu, in der heutigen Gesellschaft verbreitet zu werden. Evola wie Suckert sind dem heutigen Publikum viel näher als de Maistre oder Bonald, indem sie einen Vorschlag zur Wiederherstellung der metaphysischen Ordnung in einer modernen Gesellschaft entwerfen und damit die Ideen des Sozialismus, des Kapitialismus und sogar des konservativen Teils des Faschismus sowie die Probleme der modernen Gesellschaft ansprechen. Dennoch ist es genau die Alternative zwischen Sozialismus und Kapitalismus, die diese neue politische Kraft »jenseits der Linken und der Rechten«19 überwinden will. Was wären dann aber die Folgen dieser Perspektive? Und warum sollte sich die Neue Rechte in diesem Fall noch »Rechte« nennen lassen, wenn sie die Kategorien der Rechten und Linken als veraltete Werkzeuge verwirft? Und sind diejenigen, die noch einer solchen Kategorisierung der politischen Positionen nachhängen, einfach als Vertreter einer veralteten Mentalität zu beschreiben – was übrigens schon Mussolini in den 20er Jahren tat, als er den bürgerlichen politischen Kategorien den Kampf erklärte? Gemäß der Politikauffassung der neuen Rechten würden sich die Grenzen der traditionellen politischen Kategorien auflösen, wodurch sich eine postideologische Welt eröffnete. Paradoxerweise ist Alain de Benoist, Verteidiger der Werte und der Traditionen, Autor dieser als »postmodern« darstellbaren Wende des politischen Diskurses. Ohne die gewohnten, die politischen Erfahrungen ordnenden räumlichen Kriterien findet man sich sozusagen in einem ungeformten politischen Raum wieder, in einer Art Nebel, in dem alle Grenzen und Gegensätze überschritten sind. Durch ein mystisches Kriterium, sagte Negri, verschwinden alle Unterschiede. Die alten Kategorien und die Analyse der alten Positionen und Spaltungen sowie der historischen Ereignisse können dann zwar einige versteckte Hinweise, Bezüge und Verknüpfungen aufdecken, die jedoch im Nebel fehlender Trennungen und Gegensät255 ze verloren gehen. Von Nutzen sind allein unser Verständnis und unsere von der Rechten so kritisierte Urteilskraft, denn kein mystisches Kriterium und keine sakrale Intuition erleuchten die Verbindungen, die Konfusionen und die Natur der ideologischen Kämpfe. Kritik der Linken und der Rechten bedeutet dann, wie Antimo Negri erklärt, auf keinen Fall ihre Auflösung, sondern ihre Unterscheidung, ihre Betrachtung als gegensätzliche Kategorien und ihre kritische Gegenüberstellung. Sie bedeutet auch, die Programme der neuen Rechten ernst zu nehmen, d.h. ihre Verteidigung von Werten und Traditionen, ihre Kennzeichnung der Feinde als Fremde und als »neue regierende Klasse«, ihre Ablehnung der Gleichheit, der Modernität, des Fortschrittes als wichtige und starke Position zu betrachten und sich ihr kritisch gegenüber zu stellen.20 Die Re-Kategorisierung der politischen Positionen, welche eine Perspektive bietet, aus der die Kreuzungen, Überlagerungen und Entwicklungen der Ideen deutlicher werden, setzt einen Erinnerungsprozeß und eine Analyse von Geschichte und Kultur, d.h. auch wissenschaftliche Arbeit, voraus. Um den Spuren der Ausgangsbedingungen und der ursprünglichen Bedeutung einiger Begriffe, Strukturen, Ideen, Positionen zu folgen, muß die Sicht der heutigen Geschichte problematisiert werden. Rekonstruieren bedeutet hier kontextualisieren, d.h. Verknüpfungen zwischen Begriffen, Grundstrukturen, Personen, Veröffentlichungen, Regimen und Parteien aufdecken, die der Selbstdarstellung der »Neuen Rechten«, die auf eine Enthistorisieung ihrer Identität zielt, zuwiderlaufen. Neben den Erklärungen der Autoren und den veröffentlichten Programmen besteht eine »ebenso banale wie unveränderliche Wirklichkeit: die sozialen Milieus, die politischen Bündnisse, die intellektuellen und gefühlsmäßigen Wahlverwandtschaften existieren«.21 Es ließe sich zeigen, daß einige Mythen und Symbole aus der wissenschaftlichen und literarischen in die politische Rede übertragen wurden und daß einige politische Ideologien keine Früchte der neuen Kultur und des politischen Wandels sind, sondern seit langer Zeit existieren. Und die »Neue Rechte« steht vielleicht wirklich jenseits des Faschismus, aber eben auf der anderen Seite: Der Faschismus ist für sie, wie für Evola, zu wenig.22 Er sei eine nie richtig genutzte Möglichkeit zum Umsturz der modernen Welt, eine nie vollendete Revolution, die wegen menschlichen Versagens und der Mischung guter und böser (unreiner) Ideen gescheitert sei, wie Marcello Veneziani schreibt23 – was übrigens völlig mit der Meinung Evolas übereinstimmt.24 Eine solche Auffassung setzt voraus, daß ideologische 256 Entwicklungen auf die Einstellung der Menschen wirkten und daß es keinen großen Bruch zwischen Alltagsverstand, politischem Diskurs und wissenschaftlicher Praxis gebe.25 Sie setzt auch voraus, daß die wissenschaftliche Analyse zu einer kritischen Betrachtung der politischen Reden und der Wirklichkeit beitragen kann und daß jeder Wissenschaftler ein Recht und eine Pflicht zur Kritik besitzt. 1 Vgl. Tarchi, »Viele Menschen akzeptieren, daß man sie der Rechten zuordnet«, in: Junge Freiheit, 15. Okt. 1999. 2 Zur »Neuen Rechten« werden hier gezählt die im Jahr 1968 gegründete Organisation GRECE (Groupement de Recherche et d’Études pour la civilisation européenne) und die Intellektuellen im Umfeld dieser Gruppe (z.B. Alain de Benoist; Guillaume Faye; JeanClaude Valla), die Ende der 70er Jahre (laut Revelli im Jahr 1977) gegründete italienische nuova destra, deren Exponenten u.a. Marco Tarchi, Marcello Veneziani, Stenio Solinas, Enzo Erra und Franco Cardini sind. Mittlerweile hat sich die »Neue Rechte« in ganz Europa - in Deutschland u.a. mit Pierre Krebs und in Österreich mit Andreas Mölzer, »intellektueller« Vetreter der FPÖ - verbreitet. 3 De Benoist, »Aufstand der Kulturen. Rückkehr zur Arbeit des Denkens«, in: Junge Freiheit, 24. Sept. 1999. 4 Vgl. Programme der Veröffentlichungen in: Éléments, 70, 1991, S. 24. 5 De Benoist, Les idées à l’endroit, Paris, 1977. 6 vgl. u.a. Seminar von GRECE, »Against Totalitarianism: Toward a new Culture«, Paris, 1979; Tarchi, »Presentazione«, in: De Benoist, Visto da destra. Antologia critica delle idee contemporanee, Napoli, 1981, (Original Auff.: Vu de droite, Paris, 1977). 7 Hier zeigt sich eine starke Ähnlichkeit der Ideen der neuen Rechten mit dem Begriff des organischen Staates von Evola und insbesondere von Wilhelm Stapel und der Wiener Schule von Othmar Spann und Walter Heinrich. 8 Benoist, »Aufstand der Kulturen ... », op.cit. 9 Ebd. 10 Benoist, Les idées ..., op.cit.; Pierre Vial, »Jean-Claude Vialla: une Communauté de Travail et de Pensée«, in ders., Pour une Renaissance culturelle, Paris, 1979. 11 Tarchi, »Viele Menschen akzeptieren, daß man sie der Rechten zurechnet«, ..., op.cit. 12 »Sur le plan politique elle sera de gauche, de droite, du fond des choses et du milieu du monde«, (Benoist, in: Krisis, 1, 1988). 13 Unter der konservativen Rechten wird die »New Right« verstanden (wie z.B. die Partei Front National und die Organisation Club de l’Horologe in Frankreich; die Partei des Polos in Italien), die von einer neokonservativen Haltung gekennzeichnet ist: sie predigt den ökonomischen Liberalismus, den Konservatorismus, den Individualismus und das Ende des Wohlfahrtsstaates. (vgl. Ignazi, L’estrema destra in Europa, Milano, 1994). 14 Benoist, »Aufstand der Kulturen ... », op.cit. 257 15 Ebd. 16 Ebd. 17 Vgl. Revelli, »Panorama editoriale e temi culturali della destra militante«, in: Quazza (Hrsg.), Nuova destra e cultura reazionaria negli anni ottanta, Cuneo, 1983; ders., »La nuova destra«, in: Ferraresi (Hrsg.), La destra radicale, Milano, 1984; Ferraresi »Da Evola a Freda. Le dottrine della destra radicale fino al 1977«, in: Ferraresi (Hrsg.), La destra radicale, op. cit. 18 Diese Strategie wurde von Ferraresi (»Julius Evola, Tradition, Reaction und the radical Right«, in Archives européennes de Sociologie, XXVIII, n.1, 1987) und Taguieff (»La stratégie culturelle de la nouvelle droite en France, 1968-83« in, R. Badinter, (Hrsg.), Vous avez dit fascisme?, Paris, 1984) untersucht. Das Verstecken der Motive und Themen - wie Rassismus und Totalitarismus -, die eine negative Reaktion der öffentlichen Meinung hervorrufen könnten und die Bewegung disqualifizieren würden, und die Verwendung anderer und »political correct«-Begriffe wird von Ferraresi Strategie der »Euphemisierung« genannt und hat eine doppelte Funktion: die Quellen und die Kontinuität der neuen Rechten mit den Faschismen zu verbergen, und mit den Initiaten durch einen verschlüsselten Kode zu kommunizieren. Auch die Beziehungen der Rechten zu den schwarzen Brigaden und ihrem ideologischen Hintergrund läßt sich in Bezug auf die Ideologie der radikalen Rechten innerhalb des Faschismus erforschen. (Vgl. u.a. Ferraresi, (Hrsg.), »La destra radicale«, Milano, 1984; Ferraresi, »Minacce alla democrazia«, Milano, 1995; Quazza (Hrsg.), Nuova destra e cultura reazionaria negli anni ‘80. Atti del convegno. Cuneo, Nov. 1982, Cuneo, 1983; Peter Merkl (Hrsg.), Political violence and terror. Motivs and motivations, Berkeley, 1986) Die Definition der radikalen Rechten und der extremen Rechten läßt sich in Ignazi (Ignazi, L’estrema destra in Europa, Bologna, 1994) und in Ferraresi (Ferraresi, Minacce alla democrazia, op.cit.) finden. 19 Vgl. das Buch Al di là della destra e della sinistra, Roma, 1982, (Tarchi M/ Solinas .u.a.) das die Akten eines Kongresses enthält. 20 Diese Reflexionen sind das Ergebnis der Lektüre der reichhaltigen und tiefen Essays Antimo Negris, »Appunti sulla destabilizzazione (diseguale) di due categorie: ›destra‹ e ›sinistra‹«, in: Hermeneutica, 6, 1986. 21 Olender »Usages ›politiques‹ de la préhistoire indo-européenne«, in: Wieworka M., (Hrsg.), Racisme et modernité, Paris, 1993, S. 93. 22 Diese Meinung wird von Cofrancesco (La nuova destra..., op.cit.) bestätigt. Vgl. die interessante Hypothese von Jacques Julliard, nach der die Rechte nur durch ihre extremere Position ihre Identität bildet. Die konservative Rechte sei keine Rechte, sondern das Produkt des Kompromisses mit bürgerlichen und kapitalistischen Anforderungen. (Julliard, »De l’extremisme à la droite«, in: Mil neuf cent. Revue d’histoire intellectuelle, 1991, 9). 23 Veneziani, Mussolini il politico, Roma, 1981, S. 72 ff. 24 Evola, Il fascismo visto dalla destra ..., op.cit. 25 Eine andere Meinung wird teilweise von Taguieff vertreten, wenn er die Trennung zwischen Rassismus als Haltung und Rassismus als Ideologie betont. (vgl Taguieff, Le racisme, Paris, 1997). 258 Bibliographie Schriften der betrachteten Autoren MARIO CARLI UND EMILIO SETTIMELLI Carli M./Settimelli E., Pesi, misure e prezzi del genio artistico, Mailand, 1914. Carli M./Settimelli E./Marinetti F.T., Il teatro futurista sintetico, Band 1, Florenz, 1915. Carli M., Notti filtrate, Florenz, 1918. Carli M., Noi Arditi, Mailand, 1919. Carli M., »Manifesto dell’Ardito futurista«, in: Roma futurista, 17. August 1919. 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