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Commons

2018, Handbuch kritische Stadtgeographie (3. Aufl); Edited by Bernd Belina, Matthias Naumann und Anke Strüver

212 Markus Kip Mayer, Margit (1987): Städtische Bewegungen in den USA: „Gegenmacht“ und Inkorporierung. In: Prokla 68: 73-89. Mayer, Margit (1994): Post-Fordist City Politics. In: Amin, Ash (Hrsg.): Post-Fordism. A Reader. Oxford: 316-337. Mayer, Margit (2010): Social Movements. In: Hutchison, Ray (Hrsg.): Encyclopedia of Urban Studies. housand Oaks: 738-742. Mayer, Margit (2013): First World Urban Activism. Beyond Austerity Urbanism and Creative City Politics. In: CITY 17(1): 5-19. Mayer, Margit / Boudreau, Julie-Ann (2011): Social Movements in Urban Politics. Trends in Research and Practice. In: Mossberger, Karen / Clarke, Susan E. / John, Peter (Hrsg.): he Oxford Handbook of Urban Politics. New York: 208-224. Peck, Jamie (2012): Austerity Urbanism: American Cities under Extreme Economy. In: CITY 16(6): 626-655. Peck, Jamie / Tickell, Adam (2002): Neoliberalizing Space. In: Antipode 34(3): 380-404. Rancière, Jacques / Panagia, David / Bowlby, Rachel (2001): Ten heses on Politics. In: heory and Event 5(3): 1-11. Roth, Roland / Rucht, Dieter (2008): Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch. Frankfurt am Main / New York: 9-36. van Dyk, Silke (2012): Poststrukturalismus. Gesellschat. Kritik – Über Potenziale, Probleme und Perspektiven. In: Prokla 167: 185-210. Commons Der Begrif der Commons – Gemeinschafts- oder Gemeingüter – schärft ein analytisches Verständnis für soziale Prozesse der Selbstorganisation. Viele Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen verwenden in Auseinandersetzungen den Begrif, um zu unterstreichen, dass städtische Ressourcen vor allem über die Selbstorganisierung der Nutzer_innen verfügbar gemacht werden sollen, nicht über Marktmechanismen oder staatliche Steuerung. Jenseits von Markt und Staat Commons basieren auf kollektiven Prozessen, in denen Bedürfnisse durch Güter oder Dienste befriedigt werden, die nicht marktförmig oder staatlich bereitgestellt wurden. Zu den Commons werden gemeinhin traditionelle Gemeingüter wie die Allmendweide, Wälder, Fischgründe und Bewässerungssysteme gezählt. Zudem wurden in den letzten Jahrzehnten darunter auch weitere, höchst unterschiedliche Dinge erfasst, vom genetischen Erbgut zu kulturellen Wissensbeständen und Praktiken; von urbanen Gemeinschatsgärten zum Weltklima und den Meeren, vom elektromagnetischen Spektrum bis hin zum Internet (Helfrich/Heinrich-Böll-Stitung 2012). 2009 erhielt eine Pionierin der CommonsForschung, Elinor Ostrom, für ihre Arbeiten den Nobelpreis in Wirtschatswissenschaten. Seit einigen Jahren wird unter dem Begrif der „Urban Commons“ der städtische Raum als Nährboden und zugleich umkämptes Terrain der Gemeingüter-Produktion und -Nutzung beforscht (Harvey 2013). In Zeiten von Post-Demokratie (→ Post-politische Stadt) und Finanzkrisen (→ Austerität), in denen Staat und Markt zunehmend Skepsis entgegengebracht werden, hat das Interesse an heorie und Praxis der Commons zugenommen. Während Privatisierungsbestrebungen oder staatliche Einmischung bei Gemeingütern wie gemeinschatlich bewirtschateten Ländereien, Wasserversorgung oder dem Internet weltweit mit z.T. hetigen Protesten begegnet wird, gelten Commons für Verfechter_innen als gerechtere, demokratischere und teilweise auch eizientere Alternative der Produktion und Verteilung von Gütern. An der staatlichen Organisierung von öfentlichen Gütern wird eine übermäßige Bürokratisierung kritisiert, die mit zu großer Ferne, Unkenntnis und der Unfähigkeit einhergeht, auf die diferenzierten Bedürfnisse der Nutzer_innen einzugehen. Commons Zudem wird dem Staat häuig eine Eliteorientierung zugesprochen, die einer gerechten Gestaltung von Zugang und Verteilung entgegensteht. Das Ende des Staatssozialismus Anfang der 1990er sowie die Krise der Sozialdemokratie in Zeiten von Austeritätspolitik unterstreichen diese Skepsis. Dem Markt wiederum wird ebenfalls eine gerechte Bereitstellung und Verteilung von Gütern abgesprochen, da hier allein das Geld, nicht aber die Bedürfnisse der Betroffenen entscheidend sind. Auch wenn das Phänomen der Commons so alt ist wie die Menschheit selber, haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten verstärkt Aktivist_innen unter dem Begrif versammelt, um alternatives Wirtschaten und Zusammenleben – jenseits von Markt und Staat – zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Begrifflich stellen Commons ein analytisches Instrument zur Verfügung, um Phänomene der Selbstorganisierung jenseits von Markt und Staat zu begreifen und einer Verengung unseres Verständnisses von sozialem Handeln auf isoliert und eigennützig agierende Individuen entgegenzutreten. Der Commonsbegriff wird derzeit in einem fruchtbaren Austausch zwischen Wissenschat und Praxis entwickelt. Auch wenn er für sich genommen zu abstrakt ist, um ein politisches Programm zu liefern, gibt er doch eine Orientierung für die kritische Stadtgeographie. Begriffliche Grundlagen Unter den verschiedenen Autor_innen und Aktivist_innen gibt es bei aller Differenz bedeutsame Gemeinsamkeiten in der Verwendungsweise des Begrifs. Mit „Commons“ wird generell auf Gemeingüter verwiesen, eine Form des gemeinschatlichen Eigentums. Was der Begrif dabei hervorhebt, sind die sozialen Prozesse, die bei der Herstellung, Erhaltung und Verteilung des Gemeinguts von Bedeutung sind. Commons-Forscher Peter Linebaugh 213 (2008) etwa geht sogar so weit zu behaupten, dass im Fall der Commons deutlich wird, dass soziale Beziehungen nicht von denen zur „Natur“ abgetrennt werden können. „Natürliche Ressourcen“ werden nicht schlichtweg vorgefunden, sondern von den sozialen Verhältnissen deiniert, in denen sie als Ressourcen Bedeutung erlangen und angeeignet werden. Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass bei Commons drei Elemente unterschieden werden müssen: die Common-Pool-Ressource, die Commoners und das Commoning (Exner/ Kratzwald 2012, Kip et al. 2015). Obwohl die Ursprünge des Begrifs bereits im mittelalterlichen England liegen, geriet er mit der Privatisierung von Gemeingütern im Zuge der industriellen Revolution in Vergessenheit. In die wissenschatliche Diskussion kam der Begrif verstärkt erst wieder 1968 mit Garrett Hardins Beitrag „Die Tragödie der Allmende“ (1968). Hardin argumentierte darin, dass das eigennützige Handeln des Menschen den Bestand von Gemeingütern verhindere. Eine rational agierende Hirtin würde demnach ihren Vorteil darin suchen, die Allmendweide maximal für ihr Vieh auszubeuten. Wenn nun aber jede Hirtin entsprechend handelt, ist die Allmende schnell überweidet. Dieser ökonomistische Ansatz, der auch schnell als Aufweis für die Notwendigkeit der Privatisierung von öffentlichen Gütern gehandelt wurde, hat eine Reihe von Forschungsprojekten provoziert, in denen nachgewiesen wurde, dass weltweit Commons sozial nachhaltig verwaltet werden. Dazu zählt ganz wesentlich die Forschung von Elinor Ostrom zu traditionellen Gemeingütern in verschiedenen Regionen der Welt. Aufgrund ihrer ethnologischen Studien kommt sie zu acht Gestaltungsprinzipien für Common-PoolRessourcen (Ostrom 1990). Bei der Common-Pool-Ressource handelt es sich um ein Gut, das zur Befriedigung von Bedürfnissen – und nicht zur Verwertung auf Teil III: Begrife kritischer Stadtgeographie 214 dem Markt – hergestellt wird. Die Ressource kann ganz unterschiedlich beschafen sein: Es kann sich um stoliche Ressourcen handeln, bei denen die physische Gestalt einen Zweck erfüllt, oder um nicht-stoliche Ressourcen, v.a. Dienstleistungen oder wissensbasierte Commons. David Bollier (2009) unterscheidet bei der Nutzbarkeit von Common-PoolRessourcen die folgenden Aspekte: – Verbrauchbarkeit: Verschwindet die Ressource durch Gebrauch (wie z.B. Lebensmittel) oder nicht (wie z.B. Radiowellen)? – Ausschließbarkeit: Kann der Zugang beschränkt werden (für bestimmte Personen, zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Mengen etc.)? Bei einem Kindergarten wäre dies der Fall, wohingegen es beim Zugang zur Atemlut nicht möglich ist. – Konkurrenz: Schränkt der Gebrauch der Ressource durch eine Person den Gebrauch durch eine andere ein? Eine Geburtstagsfeier in einem Saal schränkt die Nutzungsmöglichkeiten für andere ein. Im Unterschied dazu können kulturelle und wissensbasierte Commons (z.B. Gesänge oder mathematische Formeln) beliebig ot und zeitgleich umgesetzt werden. – Regulationsbedarf: In welchem Maße müssen Regeln für die Herstellung und Verwendung vereinbart werden? Im Unterschied zum Tanz auf einem Nachbarschaftsfest sind für einen kollektiven Landwirtschatsbetrieb umfangreiche und explizite Regelungen notwendig. Die „Commoners” bezeichnen die Gruppe, die sich die Commons aneignen, für deren Bestand und Gebrauch sie verantwortlich sind. Die Notwendigkeit, zwischen den Insidern und Outsidern der Commons zu unterscheiden, hängt auch von der Beschafenheit der Ressource ab. In ihrem ersten Gestaltungsprinzip für Common-Pool-Ressourcen hebt Elinor Ostrom die Bedeutung der Grenzziehung Markus Kip zwischen Commoners und Nicht-Commoners, d.h. denjenigen mit und ohne Nutzungsberechtigung, hervor. Zugrunde liegt dem ihre Untersuchung von traditionellen Commons wie z.B. Allmendweiden oder Fischgründen, die verbraucht werden und bei deren Gebrauch es sich um eine konkurrierende Nutzung handelt. Bei anderen, den sogenannten „New Commons“ mit anderen Ressourcen-Eigenschaten (nicht verbräuchlich und nicht-konkurrierend), wie z.B. dem Internet, ist die Grenzziehung unmöglich. Zumindest prinzipiell kann sich jede Person spontan und ohne Einschränkung Zugang zu dem Gemeingut verschafen und es daher als Commoner nutzen und reproduzieren. Unter „Commoning“ sind grundsätzlich die sozialen Prozesse sowie die Institutionalisierungen zu verstehen, die bei Herstellung, Gebrauch, Verteilung und Erhalt von Gemeingütern bedeutsam sind. Der Aspekt des Commoning wird aktuell besonders betont, um deutlich zu machen, dass Commons nicht schlichtweg gefunden werden, sondern immer auch „gemacht“ werden müssen (Helfrich 2012). Die Formen des Commonings werden auch von den Eigenschaten der Ressource geprägt, die unterschiedlichen Regelungsbedarf und unterschiedliche Regulierungsmöglichkeiten mit sich bringen. Unter den Commons-Konzepten lassen sich zwei Zugänge unterscheiden: die der Neo-Institutionalist_innen um Ostrom und die der „Autonomen Marxist_innen“. Was bei der Auseinandersetzung auf dem Spiel steht, ist die Frage, in welchem Verhältnis die Commons zu Markt und Staat stehen. Während im ersteren Fall ein Ergänzungsverhältnis konstatiert wird, betonen letztere den Antagonismus bzw. die parasitäre Ausnutzung der Commons durch Kapital und Staat. Entsprechend unterschiedlich gestaltet sich auch das Forschungsinteresse dieser Zugänge, so dass es im neo-institutionalistischen Ansatz zumeist um die Analyse und die nachhaltige Gestaltung von Commons 215 Commons unter gegebenen Bedingungen geht. Im autonom-marxistischen Ansatz dagegen handelt es sich um eine Form der Gesellschatskritik, die die sozialen Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit (→ Marx und Engels) ausweitet. Demnach verschärt sich der Widerspruch zwischen „konstituierender Macht“, die Commons stetig neu herstellt, und „konstituierter Macht“, der herrschenden Ordnung, die versucht, die Commoning-Prozesse der Wissensgenerierung und Kreativität zu kontrollieren und für sich nutzbar zu machen. Politische Fragen des Commoning: Beispiele Die Dynamik der Einverleibung von Commons für privatwirtschatliche und staatliche Zwecke – und der Widerstand dagegen – lässt sich am Beispiel der „Sharing Economy” illustrieren: Formen des Teilens und der Zusammenarbeit, die ursprünglich eine Abhängigkeit von Markt und Staat verringern sollten, wie z.B. Wohn- und Bürogemeinschaften, Nachbarschatshilfen oder „couchsuring“, sind inzwischen zu wichtigen Elementen der städtischen Wirtschat geworden. Der Gedanke des gemeinsamen Teilens und Arrangierens wird im Rahmen einer unternehmerischen Steuerung und Verfügbarmachung kommerzialisiert, z.B. durch Vermietungsportale, Coworking Spaces, Carsharing-Modelle, Plattformen für Nachbarschatshilfen und nicht zuletzt auch internetbasierte Partnerschatsbörsen. Gleichzeitig können Commons-Projekte auch den staatlichen Interessen entgegenkommen, vor allem wenn es darum geht, soziale Probleme im Zuge von → Austerität kostengünstig zu bearbeiten. Dann kann ein Nachbarschaftsgarten zur Revitalisierung einer Nachbarschat beitragen. Aus Sicht des Staates senken von Elterninitiativen renovierte Schulen die Instandhaltungskosten und selbstorganisierte Kliniken füllen die Lücken einer unzureichenden Gesundheitsversorgung. Baugruppen und genossenschaftlich orientierte Wohnungsbauprojekte entbinden den Staat teilweise von der Verantwortung, für (kostengünstigen) Wohnraum zu sorgen. Das heißt natürlich nicht, dass derartige Commons-Initiativen immer unkritisch diese Rolle übernehmen. Viele suchen vielmehr die Formen der Selbstorganisierung auszuweiten, um politischen Druck auszuüben oder um Güter zu dekommodiizieren (Balmer/Bernet 2017). Viele Commons-Initiativen sehen ihre Aufgabe darin, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen und somit die staatliche Verwaltung von öfentlichen Gütern in eine Selbstorganisierung der Nutzer_innen zu überführen (Terkessidis 2015). In vielen Städten kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Protesten, wenn es um die Privatisierung von öfentlichen Gütern ging, wie z.B. in Berlin im Fall der geplanten Bebauung der Uferbereiche der Spree („Mediaspree“) oder des Tempelhofer Feldes (→ Kritische Kartographie). Die besonderen Herausforderungen der Urban Commons Während Commons und die damit zusammenhängenden Vorstellungen von Selbstorganisierung und Solidarität sowie die Orientierung an den Perspektiven von Produzent_innen und Konsument_innen weitestgehend positiv besetzt sind, liefern sie nur bedingt normative und politische Maßstäbe einer Gesellschatskritik. Dies hängt mit dem Problem zusammen, dass vor allem in der städtischen Praxis Ressourcen, Commoners und Commoning nur schwer eindeutig bestimmt werden können (Kip 2015). Was den Aspekt der Ressource betrit, so kann es in einem städtischen Kontext schwer sein, Einigkeit über Beschafenheit und Nutzen zu erreichen. Während bei traditionellen Gemeingütern wie Wäldern und Weiden der Nutzungsaspekt selbstverständlich gewesen Teil III: Begrife kritischer Stadtgeographie 216 sein mag, bedeuten soziale Diferenzierungen und Spaltungen mit Blick auf städtische Räume und Objekte auch unterschiedliche Interessen und Nutzungen (Borch/Kornberger 2015). Mit anderen Worten: Je nach Person können unterschiedliche Aspekte wertgeschätzt und gebraucht werden. Ein Nachbarschatsgarten mag für einige Personen eine kollektive Freizeitbeschätigung darstellen, für andere ist es eine potentielle Aufwertung der umliegenden Immobilien und für Wohnungslose schließlich mag es sich um eine begehrte Schlafstätte handeln. Das Beispiel legt auch nahe, dass aufgrund dieser unterschiedlichen Interessenslagen Nutzungskonlikte wahrscheinlich sind (Parker/ Johansson 2012). Mit Blick auf die Commoners stellt sich die Frage, wie über den Zugang zu den Commons entschieden wird – und wer Befugnis hat darüber mitzuentscheiden. Dagegen führen Michael Hardt und Antonio Negri (2010: 262 f.) ins Feld, dass Commons nur dann sozial befreiend wirken, wenn sie darauf ausgerichtet sind, das gesamte Gemeinwesen („Commonwealth“) der Gesellschat kollektiv anzueignen. Die Frage, wie Commons grundsätzlich ofen für neue Mitglieder bleiben können, ohne jedoch inhaltlich ausgehöhlt zu werden oder der „Tragödie der Allmende“ anheim zu fallen, ist ofen (Stavrides 2016: 52). Dies ist gerade in einer Stadt eine Herausforderung, die geprägt ist von weitgehend anonymen sozialen Beziehungen und einer zunehmend hohen Mobilität der Bewohner_innen, die immer seltener über mehrere Jahre in einer Nachbarschat leben. Betrachten wir ein besetztes Haus als Commons, so muss das Kollektiv bei aller Ofenheit immer wieder dafür sorgen, dass weder die Polizei Zugang hat, noch dass die neuen Mitbewohner_innen lediglich auf kostenlosen Wohnraum aus sind, ohne einen Beitrag zum Erhalt der → Hausbesetzung zu leisten. Bei allen Problemen, die CommonsVorhaben politisch mit sich bringen, wird Markus Kip Commoning in der Literatur häufig als ein wichtiger Lernprozess beschrieben. Durch Formen der Selbstorganisierung werden Personen ermächtigt, sich miteinander und mit konkreten Problemen auseinanderzusetzen und selber Entscheidungen in Bezug auf öfentliche Güter zu trefen. Diesen Prozess gilt es in einer Situation der scheinbaren Übermacht von Staat und Markt nicht zu unterschätzen. Die angestrebte Ofenheit und die Tatsache, dass gewisse Probleme der kollektiven Versorgung (wie z.B. Wasser- und Stromversorgung oder öfentliche Verkehrsnetze) eine große Anzahl von Menschen betrefen, werfen jedoch Fragen zum Commoning auf. Wie kann in einem großen und komplexen Gemeinschatsprozess die Beteiligung möglichst vieler gewährleistet bleiben? Wie kann verhindert werden, dass sich ein solches Vorhaben nicht bürokratisiert und interne Hierarchien entstehen? Noch komplizierter mutet die Aufgabe an, wenn bedacht wird, welche → Scales in der Produktion städtischen Raums und konkreter städtischer Infrastruktur verlochten sind. Die utopisch anmutende Idee, einen Flughafen als Commons zu organisieren, betrit einen potentiell weiten Personenkreis in höchst unterschiedlicher Weise (Nutzungsansprüche, Lärm- und andere Umweltbelastungen) und wirft die Frage auf, wie eine entsprechende Selbstorganisation aussehen könnte. David Harvey (2013) schlägt ein föderatives System von Basisorganisationen vor. Ofen bleibt dabei allerdings, wie die Herausforderung bewältigt werden soll, einen organisatorischen Rahmen zu schafen, in dem eine aktive Auseinandersetzung unter Einschluss aller Betrofenen willkommen ist. Zugute halten muss man der aktuellen Debatte um die Commons, dass die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten nicht geleugnet, sondern ofen thematisiert werden. Eine fruchtbare Diskussion und inspiriertes Experimentieren ist im Gange. Markus Kip 217 Alternatives Wirtschaften Leseempfehlungen Exner, Andreas/Kratzwald, Brigitte (2012): Solidarische Ökonomie & Commons. Eine Einführung. Wien. Eine gut lesbare Einführung zu dem Begrif der Commons auf Deutsch. Bietet einen guten Überblick zur Debatte über heorie und Praxis der Commons. Hardt, Michael/Negri, Antonio (2010): Common Wealth. Das Ende des Eigentums. Frankfurt am Main/New York. Die Idee der Commons wird in Beziehung gesetzt zu einer gesellschatlichen Entwicklungsperspektive und den zugrundeliegenden sozialen Auseinandersetzungen. Eine wichtige Referenz für aktuelle marxistisch geprägte Ansätze der Commons. Helfrich, Silke/Heinrich Böll Stiftung (Hrsg.) (2012): Commons: Für eine Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld. URL: https://www. boell.de/de/content/commons-fuer-eine-neuepolitik-jenseits-von-markt-und-staat [09.07.2017]. Ein umfangreicher und aktueller Sammelband mit vielen, kurzen Beiträgen, die das Spektrum der Commons-Ansätze und deren Anwendungsbereiche gut darstellt. Ostrom, Elinor (1990): Governing the Commons. he Evolution of Institutions for Collective Action. Cambridge, UK. Das Standardwerk der neo-institutionalistischen Commons-Literatur untersucht deren Herstellung, ihren Erhalt und die Verteilung anhand von Beispielen verschiedener traditioneller Commons weltweit. Weitere zitierte Literatur Balmer, Ivo/Bernet, Tobias (2017): Selbstverwaltet bezahlbar wohnen? Potentiale und Herausforderungen genossenschaftlicher Wohnprojekte. In: Schönig, Barbara/Kadi, Justin/Schipper, Sebastian (Hrsg.): Wohnraum für alle?! Perspektiven auf Planung, Politik und Architektur. Bielefeld: 259-280. Bollier; David (2009): he Commons: A Neglected Sector of Wealth-Creation. In: Helfrich, Silke (Hrsg.): Genes, Bytes and Emissions: To Whom Does the World Belong. URL: http://us.boell.org/2010/10/06/genes-bytes-and-emissions-whom-does-world-belongeconomic-governance [09.07.2017]. Borch, Christian/Kornberger, Martin (2015): Urban Commons. Rethinking the City. New York. Hardin, Garrett (1968): he Tragedy of the Commons. In: Science 162(3859): 1243-1248. Harvey, David (2013): Rebellische Städte. Berlin. Helfrich, Silke (2012): Commons sind nicht, sie werden gemacht. In: Helfrich, Silke/Heinrich Böll Stitung (Hrsg.): Commons: Für eine Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: 85-92. Kip, Markus (2015): Moving Beyond the City: Conceptualizing Urban Commons from a Critical Urban Studies Perspective. In: Dellenbaugh, Mary et al. (Hrsg.): Urban Commons. Moving Beyond State and Market. Basel: 42-59. Kip, Markus et al. (2015): Seizing the (every)day: Welcome to the Urban Commons. In: Dellenbaugh, Mary et al. (Hrsg.): Urban Commons. Moving Beyond State and Market. Basel: 7-25. Linebaugh, Peter (2008): he Magna Carta Manifesto. Liberties and Commons for All. London. Parker, Peter/Johansson, Magnus (2012): Challenges and Potentials in Collaborative Management of Urban Commons. In: Besednjak Valic, Tamara/ Modic, Dolores/Lamut, Urša (Hrsg.): Multi-Faceted Nature of Collaboration in the Contemporary World. London: 92-113. Stavrides, Stavros (2016): Common Space. he City as Commons. Chicago. Terkessidis, Mark (2015): Kollaboration. Frankfurt am Main Alternatives Wirtschaften Unter „alternativem Wirtschaften“ lassen sich vielfältige Versuche subsumieren, jenseits von Wachstumszwang und einseitiger monetärer Gewinnorientierung zu wirtschaften. Da jüngere urbane Subsistenzbewegungen auf grundlegende Fragen der Produktion und Allokation fokussieren, lenken sie einen neuen Blick auf die Stadt als Schauplatz dezentraler Produktion von Gebrauchsgütern und ökonomischen Netzwerken. Teil III: Begrife kritischer Stadtgeographie