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Philipp Teriete
Frédéric Chopins Méthode de Piano: eine Rekonstruktion –
Zur Ausbildung der »Pianistes Compositeurs« des
19. Jahrhunderts
Es war in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine verbreitete und allgemein akzeptierte Ansicht,
dass Paris wohl das bedeutendste Zentrum des europäischen Musiklebens sei,1 unstrittig
aber die unangefochtene Hochburg der »Pianistes Compositeurs«.2 Ebenso einig war man
sich darüber, dass Frédéric Chopin (1810–1849) als einer der führenden Vertreter jener »Pianistes Compositeurs« anzusehen sei.3 Verglichen mit der Vielzahl von Darstellungen und
Studien über die sogenannte musikalische ›Romantik‹ sowie das Leben und die Werke
der ›romantischen‹ Komponisten, wurde bisher jedoch nur verhältnismäßig selten untersucht, welche Rolle der Ausbildungshintergrund der Musiker in der Herausbildung dieser
künstlerisch so produktiven Epoche gespielt hat.4 Besonders von der Chopin-Forschung mit
1 Chopin schreibt am 12. Dez. 1831 in einem Brief aus Paris an seinen Freund Titus Woyciechowski in Poturzyn:
»Paris, c’est tout ce que l’on veut. […] Je ne sais s’il y a nulle part plus de pianistes qu’ici; j’ignore aussi s’il existe
ailleurs autant de sottes gens et de virtuoses. […] Mais je ne t’ai encore rien dit de l’Opéra. Jamais je n’avais entendu le Barbier comme la semaine dernière avec Lablache, Rubini et la Malibran (Garcia). Jamais je n’avais entendu chanter Othello comme par Rubini, Pasta et Lablache, ni l’Italienne comme par Rubini, Lablache et Mme
Raimbeaux. A Paris, j’ai tout comme je ne l’ai jamais eu.« (Frédéric Chopin: Correspondance de Frédéric Chopin,
recueillie, révisée, annotée et traduite par Bronisław Edward Sydow, 3 Bde., Paris: Richard-Masse, 1953–1960;
hier Bd. 2, S. 39–44); vgl. auch: Charles Timbrell: French Pianism – A Historical Perspective, Portland: Amadeus Press, 1999.
2 Es wurde damals deutlich zwischen »Pianistes Compositeurs« und »Compositeurs Pianistes« unterschieden. Es
war undenkbar, dass ein professioneller Pianist nicht komponierte. Ob man letztlich mehr Pianist als Komponist war, entschied sich an den manuellen Fertigkeiten bzw. dem Schwerpunkt und der Qualität des kompositorischen Schaffens. Die Beurteilung eines Musikers wurde ausgehend von dieser Differenz sowohl im Ganzen, als auch im Einzelnen vorgenommen: »HUMMEL […] est aujourd’hui le plus grand des compositeurs
pianistes – ce qu’il ne faut pas confondre avec les pianistes compositeurs.« (Charles-Martin Charles [gen. Chaulieu]: »J. N. Hummel«, in: Le Pianiste, Journal Spécial, Analytique et Instructif, Paris: Meudon et Vaugirard,
1833–1835, Reprint Genf: Minkoff, 1972, hier »Première Année« [1833–1834], S. 17; vgl. hierzu auch »Deuxième Année« [1834–1835], S. 2). Ich möchte im Folgenden die Begriffe »Pianiste Compositeur« und »Compositeur Pianiste« wegen ihres differenzierten und treffenden Charakters übernehmen. Wo es möglich war, habe
ich deutsche Versionen von Zitaten gewählt, ansonsten habe ich sie in der Originalsprache wiedergegeben.
3 Vgl. z. B. Antoine-François Marmontel: Les pianistes célèbres, Paris: Heugel et Fils, 1878, S. 1–13; Franz Liszt:
F. Chopin, Reprint mit einem Vorwort von Alfred Cortot, Paris: Buchet/Chastel, 1977; Wilhelm von Lenz:
Die grossen Pianoforte-Virtuosen unserer Zeit aus persönlicher Bekanntschaft: Liszt, Chopin, Tausig, Henselt, Berlin: B. Behr, 1872, Reprint Charleston: BiblioLife LLC, 2009; Charles, Le Pianiste.
4 Vgl. zum Verhältnis der Themenbereiche in der Chopin-Forschung z. B.: William Smialek: Frédéric Chopin –
A Guide to Research, New York: Garland Publishing Inc., 2000.
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
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ihrer ausgeprägten Tendenz zu biographischer, mitunter gar hagiographischer Darstellung
wurde gerade dieses Thema oft übergangen. Dabei wird Chopin vielfach ein pianistisches
Autodidaktentum angedichtet und nicht selten behauptet, dass er in kompositorischer Hinsicht von den vermeintlich wenigen Lehrern schon früh nichts mehr habe lernen können, da
er sie bereits als Kind und Jugendlicher übertroffen habe.5 Neben solchen spekulativen,
überzeichneten und oftmals verkürzten Darstellungen blieben die tatsächlichen äußeren
Umstände und konkreten Inhalte von Chopins musikalischer Ausbildung größtenteils im
Dunkeln. Wie gezeigt werden soll, sind verbreitete Vorstellungen dieser Art gründlich zu
revidieren.
Im Gegensatz zu der eigenen Ausbildung ist Chopins Lehrtätigkeit detaillierter dokumentiert und bereits häufig untersucht worden. Aber dennoch bleiben auch hier noch einige
Unklarheiten bestehen. Dies betrifft zunächst einmal die expliziten musiktheoretisch-kompositorischen Lehrinhalte von Chopins Unterricht, aber vor allem auch Chopins Méthode
de Piano, seine unvollendete Klaviermethode.6 Zu dieser hinterließ Chopin zwar Skizzen,
die Fertigstellung wurde jedoch durch seinen frühen Tod verhindert. Auf dem Totenbett
äußerte er den Wunsch, dass die Fragmente seiner Méthode de Piano im Gegensatz zu vielen
Werken, die später gegen seinen Willen posthum veröffentlicht wurden, nicht zu verbrennen seien. Er wollte die Skizzen Charles Valentin Alkan (1813–1888) und Henri Reber
(1807–1880) vermachen, in der Hoffnung, dass diese sein Vorhaben fortführen würden.7
Aber weder Alkan und Reber, noch Chopins Freund und Schüler Thomas Tellefsen
(1823–1874), von dem er sich ebenso die Fertigstellung der Klaviermethode erhoffte, vollendeten diese.8
5 Vergleiche dazu die Anm. 15, 22 und 37.
6 Frédéric Chopin: Esquisses pour une méthode de piano, Textes reunis et présentés par Jean-Jacques Eigeldinger,
Paris: Flammarion, 1993 (Eigeldingers Veröffentlichung gliedert sich in etwa in vier Teile: eine »Introduction«
von Eigeldinger, die kommentierten Skizzen zu Chopins Méthode de Piano, die kommentierten Skizzen zu Tellefsens »Traité du Mécanisme du Piano« und einen Anhang). Zum Begriff »Méthode de Piano«: Chopin selbst
verwendet in einem Brief vom 18. Okt. 1841 aus Nohant an Julian Fontana in Paris die Bezeichnung »Méthode
de piano« (vgl. Frédéric Chopin: Korespondencja Fryderyka Chopina, hrsg. von Bronisław Edward Sydow, 2 Bde.,
Warschau: PIW, 1955, Bd. 2, S. 44; dies., Correspondance, Bd. 3, S. 87). George Sand und Wojiech Albert Grzymała überliefern jeweils die Kurzform »méthode«, Liszt und Tellefsen wiederum sprechen von Chopins »méthode de piano« (Liszt, F. Chopin, S. 261) bzw. seiner Pianoforte-Skole (s. Anm. 108). Eine Diskussion der Begriffe wird nochmals kurz und gesondert im Abschnitt »Die Méthode de Piano: Chopin als Lehrer« aufgegriffen
(vgl. Anm. 77 und 131). Ich werde im Text die Bezeichnung »Méthode de Piano« übernehmen und bei unmittelbaren Wiederholungen ebenfalls die kürzere Version »Méthode« verwenden.
7 »›On trouvera‹, a-t-il dit, ›beaucoup de compositions plus ou moins indiquées, je demande au nom de l’attachement qu’on me porte que toutes soient brûlées, le commencement d’une méthode exceptée [sic] que je lègue à
Alkan et Reber pour en tirer quelques utilitées [sic] le reste sans aucune exception doit être consumé par le feu,
car j’ai eu un grand respect pour le public et mes essaies [sic] étaient achevées [sic] autant qu’il a été en moi et je
ne veux pas que sous la responsabilité de mon nom il se répande des œuvres indignes du public« (Brief von Wojiech Grzymała an Auguste Léo, Paris, Okt. 1849, [zwischen Chopins Tod und seiner Beerdigung], in: Chopin/
Sydow, Correspondance, Bd. 3, S. 443).
8 Chopin/Eigeldinger, Esquisses. Die Umstände jener ›Vererbung‹ erscheinen etwas verwickelt. Weder Alkan und
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
Ich will im Folgenden versuchen, Chopins ›letztem Willen‹ nachzugehen, d. h. eine Rekonstruktion bzw. einen idealtypischen Entwurf seiner Méthode de Piano in Angriff zu nehmen. In einem ersten Schritt sollen dafür Chopins eigener Ausbildungsgang, sein Selbstverständnis als Musiker und sein Verhältnis zu wichtigen Musikern der Zeit nachgezeichnet
werden. Diese Aspekte spielen bei der Bewertung von Chopins kompositorischer und pädagogischer Tätigkeit eine entscheidende Rolle. In einem zweiten Schritt sollen dann Chopins
Skizzen zur Méthode de Piano sowie sein Unterricht analysiert und kontextualisiert werden,
um ausgehend davon und anhand einschlägiger Quellen der Zeit schließlich eine konkrete
Rekonstruktion der Méthode de Piano vorzunehmen. Abschließend sollen die Erkenntnisse
aus den Betrachtungen sowie ihre Relevanz für die heutige Forschung, die Lehre und den
Konzertbetrieb diskutiert werden.
Bei den vorliegenden Ausführungen handelt es sich also um eine Rekonstruktion in
einem weiteren als auch in einem engeren Sinne. Einerseits soll an Chopins Beispiel der Ausbildungshintergrund eines professionellen Virtuosen im 19. Jh. nachvollzogen werden9, andererseits soll konkret und in einem möglichst umfassenden Sinne Chopins Méthode de
Piano rekonstruiert werden. Vor allem die musiktheoretischen und kompositorischen Hintergründe werden hierbei genauer beleuchtet.10 Gerade weil sie eine selbstverständliche
handwerkliche Grundlage aller professionellen Musiker bildeten, blieben sie oft hinter
Reber noch Tellefsen waren selbst anwesend, als Chopin seinen letzten Willen äußerte. Der Überlieferung
nach sollten Alkan und Reber die Skizzen erhalten, gleichzeitig wünschte sich Chopin aber offenbar, dass Tellefsen nicht nur den Unterricht seiner Nichte übernähme, sondern ebenfalls versuchen solle, die Méthode de
Piano in seinem Sinne zu vollenden (siehe dazu auch unten, S. 276 sowie Anm. 108, 111 und 112).
9 Vgl. auch Philipp Teriete: »Ganzheitliche musikalische Ausbildung – Betrachtungen über den Fächerkanon
in der französischen Klaviervirtuosenausbildung des 19. Jh. anhand von Joseph Zimmermans Encyclopédie
du Pianiste Compositeur und anderen Lehrbüchern der Zeit«, in: Jahrbuch der Hochschule für Musik Freiburg
(2008/2009), Freiburg 2009, S. 78–89.
10 Der moderne Begriff der ›Musiktheorie‹, der ›musiktheoretischen Disziplinen‹ etc. umfasst im Folgenden immer alle Bereiche von der allgemeinen Musiklehre über die Harmonie- und Satzlehre (Generalbass, Kontrapunkt) bis hin zur Instrumentation, Formenlehre und Analyse. Die französische Terminologie unterscheidet
sich von der deutschen. In Frankreich spricht man noch heute statt von einem übergeordneten Fach namens
›théorie de la musique‹ von den zwei Hauptdisziplinen ›écriture‹ sowie ›analyse‹. Der Bereich der ›théorie de la
musique‹ bzw. ›théorie musicale‹ existiert ebenfalls, zu diesem werden jedoch in der Regel nur die allgemeine
Musiklehre, das Solfège und die theoretischen Gebiete der Harmonielehre gezählt, an deren Vermittlung sich
dann die ›praktische Harmonielehre‹ und die übrigen Teilbereiche der ›écriture‹ und ›analyse‹ anschließen. Ein
anschaulicher historischer Beleg für die Tradition dieser feinen terminologischen Differenzierungen findet
sich in der Fachzeitschrift Le Pianiste: Über den ersten der zwei Jahrgänge verteilt, wird in die einzelnen Ausgaben jeweils eine neue Folge des sogenannten »Cours Analytique de Théorie Musicale« integriert, welcher die
Grundlage für das weitere Studium legen soll: »C’est le premier pas vers les enchaînemens harmoniques. Bien
des gens écrivent et font imprimer, qui ne les possèdent pas assez. Certes, dans l’échelle des connaissances musicales, cet ouvrage ne forme que le premier degré; mais dans ceci, comme en tout, le premier degré est le plus
important; c’est la grammaire, c’est le portique du temple; et vouloir, comme M. Jacotot, enseigner une langue
sans grammaire, c’est vouloir faire entrer son élève par la fenêtre dans le temple de la science.« (»Cours Analytique de Théorie Musicale – Conclusion«, in: Charles, Le Pianiste, »Première Année« [1833–1834], S. 189). Es
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den dominierenden ästhetischen Diskursen der Zeit verborgen. Man kann sich deshalb
leicht darin täuschen, welche Bedeutung den musiktheoretischen Disziplinen im ›métier‹
(s. u., S. 271) der »Pianistes Compositeurs« zukam. In Unkenntnis dieser Hintergründe
müssten Chopins Skizzen fast schon banal erscheinen, denn sie gehen über die ersten
Grundlagen des Klavierspiels nicht hinaus. Vor diesem Hintergrund aber lassen sie sich
in einen größeren Kontext einordnen, der auch erst Chopins Kritik an den instrumentalpädagogischen Entwicklungen seiner Zeit wirklich verständlich werden lässt.
Chopins musikalische Ausbildung11
Chopin hat eine gründliche und durch und durch professionelle Ausbildung erfahren. Bei
genauerer Betrachtung ergeben sich erstaunliche Parallelen zur Ausbildung Felix Mendelssohns (1809–1847) bei Carl Friedrich Zelter (1758–1832).12 Ähnlich wie Mendelssohn erhielt Chopin neben einer erstklassigen musikalischen Erziehung auch eine umfassende Allgemeinbildung, die sich in vertieften Kenntnissen in Fremdsprachen (Französisch, Deutsch,
Latein, Altgriechisch und Italienisch), Geschichte, Literatur sowie Philosophie niederschlug.13 Nach ersten ›Klavierstunden‹ bei seiner Mutter Justyna (1782–1861) – sie spielte
ist zu bedenken, dass die Grenzen zwischen ›Musiktheorie‹ und ›Komposition‹ damals sehr fließend verliefen
und beide Bereiche in der instrumentalen Praxis wurzelten.
11 Aufschlussreiche Erkenntnisse über Chopins Ausbildung lassen sich durch das Studium seiner Briefe erlangen
(Chopin/Sydow, Korespondencja; dies., Correspondance; Frédéric Chopin: Selected Correspondance of Fryderyk
Chopin, edited by Arthur Hedley, London: Heinemann, 1962. Digital unter: <http://www.archive.org/details/
selectedcorrespo002644mbp>, 9. 01. 2010); darüber hinaus sind die wahrscheinlich treffendsten Darstellungen von Chopins Ausbildung entweder in vereinzelten sehr frühen Biographien (z. B. Frederick Niecks: Frederick Chopin, as a man and musician, 2 Bde., London: Novello, Ewer & Co., 1888. Digital unter: <http://www.
archive.org/details/frederickchopina01niec>, bzw. <http://www.archive.org/details/frederickchopina02niec>,
jeweils 9. 01. 2010), oder in jüngeren Publikationen zu finden (etwa: Maciej Goła˛b: Harmonielehre an der Königlichen Universität zu Warschau während der Studienzeit von Chopin«, in: Deutsche Musik im Wegekreuz
zwischen Polen und Frankreich, Tutzing: Schneider, 1996, S. 112–120; ders.: Chopins Harmonik: Chromatik
in ihrer Beziehung zu Tonalität [= Schriften zu Musikwissenschaft und Musiktheorie 1], Köln: Bela, 1995;
ders.: »The origins of Chopin’s output«, unter: <http://www.chopin.pl/origins.en.html>, 11. 01. 2010; Halina
Goldberg: Music in Chopin’s Warsaw, New York: Oxford University Press, 2008, hier insbesondere das Kapitel
»Musical Education«, S. 107–146; Jim Samson: »Chopin’s Musical Education«, in: Chopin Studies 6 [Warschau, 1999], S. 28–37; Tadeusz A. Zieliński: Chopin: Sein Leben, sein Werk, seine Zeit, Mainz: Schott, 2008).
Nähere Details zu den historischen und musiktheoretischen Aspekten von Chopins musikalischer Ausbildung
dürfen im Kongressbericht des Symposiums zu diesem Thema vom 1.–2. März 2010 an der HdK Bern zu erwarten sein, etwa bei Felix Diergarten: »Praxis und Wissenschaft. Chopins Generalbass«, in: Chopins Ausbildung. Historische und Musiktheoretische Aspekte (= Musikforschung der Hochschule der Künste Bern 6), Kongressbericht Bern 2010, Schliengen: Argus, 2011, i. V. Siehe hierzu auch Anm. 120.
12 Mendelssohns musikalische Ausbildung ist detailreich dokumentiert in: R. Larry Todd: Mendelssohn’s Musical
Education. A Study and Edition of his Exercises in Composition, Cambridge: Cambridge University Press, 1983.
13 Vgl. Goldberg, S. 134; Zieliński, S. 27–36.
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Klavier, Chopins Vater Mikołaj (1771–1844) spielte Geige und Flöte14 – und seiner drei Jahre älteren Schwester Ludwika (1807–1855), bekam Chopin schon im Alter von sechs Jahren
häuslichen, allgemeinen Musik- und Klavierunterricht durch Wojciech Zywny (1756–
˙
1842). Dieser war ein komponierender Geiger und wenn auch nicht der erste Pianist in Warschau, so doch ein pianistisch versierter und bekannter Musiklehrer. Zywny war ein enger
˙
Freund der Familie und unterrichtete auch Chopins Schwestern.15 Der Opernkomponist,
Dirigent und zu seiner Zeit berühmte Pädagoge Józef Elsner16 (1769–1854) soll schon
auf den siebenjährigen Chopin aufmerksam geworden sein.17 Er wurde 1822 sein Musiktheorie- und Kompositionslehrer und zur prägendsten Persönlichkeit in Chopins Ausbildung und früher Entwicklung.18 Parallel zum Unterricht bei Elsner, der zunächst privat
und später am Konservatorium gehalten wurde, erhielt Chopin ab 1822 auch Generalbassund Orgelunterricht bei Václav Vilém Würfel19 (1790–1832), einem bekannten Warschauer Komponisten und Pianisten, der später eine entscheidende Rolle bei der Organisation
von Chopins Debüt in Wien spielte.20 Nach drei Jahren Orgelunterricht bei Würfel übernahm Chopin im Alter von 15 Jahren sonntags an der Warschauer Kirche der Visitandinnen
das Orgelspiel.21 Es kann angenommen werden, dass Chopins Unterricht bei Würfel auch
einen entscheidenden Einfluss auf dessen pianistische und improvisatorische Fähigkeiten
14 Chopins Vater war »›Professor[…] für französische Sprache und Literatur‹« am Warschauer Lyzeum und außerdem Leiter eines privaten Pensionats »für Söhne des wohlhabenden Landadels«, welche in der Hauptstadt zur
Schule gingen. (Zieliński, S. 28–29).
15 Siehe Zieliński, S. 34–35; vgl. auch Niecks, Bd. 1, S. 29–30. Genauere Details über Wojciech Zywny liegen
˙
bis heute nicht vor, und es herrscht Uneinigkeit darüber, wie er als Lehrer und als Musiker zu bewerten sei.
Von der Forschung wird ihm Professionalität oft abgesprochen, ohne dass man sich dabei auf verlässliche Quellen stützte, und obwohl es dezidiert positive Äußerungen über Zywnys Unterricht vor allem von Chopin selbst
˙
gibt. So schreibt er etwa am 13. Aug. 1829 in einem Brief aus Wien an seine Familie in Warschau: »Blahetka
sagte, er wundere sich über nichts so sehr, wie darüber, daß ich das alles in Warschau gelernt habe. Ich entgegnete, daß bei Herrn Zywny and Elsner der größte Esel dies gelernt hätte.« (Zitiert nach Zieliński, S. 159; vgl.
˙
Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 108–110). Man vergleiche vor diesem Hintergrund z. B. Goldbergs
spekulative Aussage und Bewertung: »For instance, while Wojciech Zywny (really a violinist, and by all ac˙
counts, a quite ineffectual teacher) cannot be credited with Fryderyk’s amazing dexterity at the piano, Zywny’s
˙
almost daily presence at the Chopin’s household assured a continual proximity of an experienced musician,
who, if nothing else, bequeathed the love of Bach’s music to his pupil.« (Goldberg, S. 107).
16 Alina Nowak-Romanowicz/Jerzy Morawski: Art. »Elsner, Józef«, in: Grove Music Online, <http://www.oxford
musiconline.com/subscriber/article/grove/music/08750>, 13. 01. 2010.
17 Goldberg, S. 107.
18 Jean-Jacques Eigeldinger: Art. »Chopin, Fryderyk Franciszek«, in: MGG2, Personenteil 4, Kassel 2000,
Sp. 973–1010.
19 Adrienne Simpson: Art. »Würfel, Václav Vilém«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.
com/subscriber/article/grove/music/30621>, 14. 01. 2010.
20 Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 101–277; vgl. auch Zieliński, S. 149–158.
21 Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 44–45; vgl. auch Goldberg, S. 33; Zieliński, S. 71; Eigeldinger,
MGG2 Art. »Chopin«, Sp. 973. Eigeldinger bemerkt zwar, Würfel habe Chopin mit der Orgel »vertraut gemacht«, äußert sich aber weder dazu, dass Würfel auch ein bekannter Pianist und Komponist war und dem
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gehabt hat.22 Allgemeine und möglicherweise auch pianistische Ratschläge dürfte Chopin
ebenso von dem Dirigenten, Pianisten und Komponisten Józef Jawurek23 (1756–1740) bekommen haben, der auch ein guter Freund der Familie war:
»Im Salon der Chopins trafen sich jeden Donnerstag herausragende Persönlichkeiten aus
der Welt der Wissenschaft und Kunst – Rektor Bogumił Linde, der Mathematiker Juliusz
Kolberg, der Zoologe Feliks Jarocki, der Historiker Wacław Maciejowski, der Dichter Kazimierz Brodziński, der Maler Józef Brodowski und auch drei ausgezeichnete Musiker:
der Komponist Józef Elsner, Kapellmeister Józef Jawurek sowie der Pianist und Organist
Wilhelm Wacław Würfel.«24
Nachdem Chopin ein Jahr früher als üblich aus dem Lyzeum entlassen worden war, begann
er 1826 offiziell sein Studium an der Universität und dem darin eingegliederten Konservatorium.25 Zu dieser Zeit war Chopin bereits stadtbekannt, denn schon früh war er in den
Salons der höheren Warschauer Gesellschaft herumgereicht worden. So hatte er u. a. 1825
vor Zar Alexander I. auf dem orgelartigen ›Äolomelodikon‹ improvisiert, einer jener zahlreichen Neuerfindungen, die der Instrumentenbau des frühen 19. Jh. hervorgebracht hatte
und die beim Besuch des Zaren präsentiert wurden.26 Seine Studien bei Elsner vertieften
und intensivierten sich mit Eintritt in die Universität:
22
23
24
25
26
jungen Chopin ebenfalls Generalbassunterricht erteilte, noch zieht er eine Verbindung zwischen Orgel- und
Klavierspiel.
Die Behauptung Eigeldingers, Chopin sei als Pianist ein reiner Autodidakt gewesen, ist vor diesem Hintergrund nur schwer zu verstehen: »Chopin a été un pur autodidacte du piano: la destinée lui a donné pour professeur un violiniste, Zywny« (Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 10, »Introduction«). Vgl. dazu auch Cortot:
˙
»Chopin n’a jamais pris une leçon de piano. Ni comme enfant, ni durant le temps de ses études au Conservatoire de Varsovie.« (Alfred Cortot: Aspects de Chopin, Paris: Albin Michel, 1949, S. 238–239), worauf schon
Jeanne Holland kritisch hingewiesen hat (Jeanne Holland: Chopin’s Teaching and his Students, Dissertation,
University of North Carolina, 1972. Digital via: <http://disexpress.umi.com/dxweb>, Ann-Arbor, Michigan:
University Microfilms International, S. 66). Aber auch z. B. Temperley und Burger äußern sich ähnlich: »Chopin seems to have taught himself how to play the piano.« (Nicholas Temperley [et al.]: The New Grove Early
Romantic Masters 1, New York: W. W. Norton & Co., 1985, S. 4) und: »Wojciech (Albert) Zywny
˙
(1756–1842), Chopins einziger Klavierlehrer. […] Bereits 1822, als Zwölfjähriger, beendete Chopin seinen
Klavierunterricht; er war letzten Endes Autodidakt.« (Ernst Burger: Frédéric Chopin. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten, München: Hirmer, 1990, S. 20, Bildunterschrift 29).
Irena Poniatowska: Art. »Jawurek, Józef«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/sub
scriber/article/grove/music/14207>, 14. 01. 2010.
Zieliński, S. 48.
Ebd., S. 78. Zur genaueren Erläuterung der Studienstrukturen und Institutionen vgl. Goldberg, S. 108–112.
Chopin begeisterte sich seit seiner Jugend, nicht zuletzt angeregt durch seinen Orgellehrer Würfel, für alle Arten älterer und jüngerer Tasteninstrumente und besonders auch für Neuheiten wie etwa das orgelartige ›Äolopantaleon‹ oder das ›Choralion‹ (vgl. dazu auch Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 66–68; Goldberg
S. 28–53, 170 bzw. Zieliński, S. 62–63).
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
»je prends six heures de leçons de contrepoint strict par semaine avec Elsner; je suis les
cours de Brodzinski, de Bentkowski et d’autres sur des sujets ayant des rapports avec
la musique. Je vais me coucher à neuf heures.«27
Seit Würfels Übersiedlung nach Wien 1826, wo dieser Dirigent am Kärtnertortheater wurde28, übernahm Henryk Lentz den Orgel- und Generalbassunterricht am Konservatorium.29 Dort erhielt Chopin dann auch Gesangsunterricht bei Walenty Kratzer30
(1780–1855), einem der führenden Tenöre an der Warschauer Oper, der ebenfalls komponierte.31 Desweiteren ist davon auszugehen, dass er in dieser Zeit wichtige Impulse auch
dem Geiger Józef Bielawski und dem Dirigenten Carlo Soliva32 (1792–1853) verdankte, mit
denen er u. a. gemeinsam auftrat.33
Joseph Elsner war – ähnlich wie Zelter in Berlin – maßgeblich an der Konzeption und
Entwicklung der musikalischen Bildungseinrichtungen und Studienstrukturen in Warschau beteiligt. Einige wesentliche Anregungen für die Umsetzung seiner Vorhaben konnte
er 1805 auf seiner Parisreise und bei der Besichtigung des jüngst gegründeten Conservatoires sammeln. Kurz darauf entwarf man nach französischem Vorbild einen umfassenden
Fächerkanon für Warschau.34 Bezeichnenderweise deckt sich die Blütezeit des Warschauer
Musiklebens und der Bildungseinrichtungen (wie z. B. der Universität) ziemlich genau mit
Chopins ersten zwanzig Lebensjahren und insbesondere mit seinen Studienjahren. War die
Zeit bis zu Chopins Studium an der Universität noch von der Etablierung der Lehr- und
Studienpläne geprägt, so wurde 1830 – unmittelbar nach Chopins Abreise aus Warschau –
dieser kurzen Hochzeit durch den November-Aufstand und dessen Folgen ein vorläufiges
Ende gesetzt.35
27 Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 68.
28 Vgl. Zieliński, S. 80 und Burger, S. 22.
29 Goldberg, S. 111–112. Es ist unklar, ob Chopin noch Generalbassunterricht mit Lentz genommen hat, nachdem Würfel nach Wien gegangen war.
30 Tadeusz Przybylski: Art. »Kratzer«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/subscriber/
article/grove/music/15482pg3>, 14. 01. 2010.
31 Goldberg, S. 133–134.
32 Zofia Chechlińska: Art. »Soliva, Carlo Evasio«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/
subscriber/article/grove/music/26148>, 14. 01. 2010; Soliva war am Mailänder Konservatorium Schüler von
Asioli und Federici gewesen. Vor seiner Tätigkeit als Dirigent, Komponist und Pädagoge in Warschau war er
Dirigent an der Mailänder ›Scala‹, wo auch vier seiner fünf Opern aufgeführt wurden.
33 Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 147 und 177; vgl. auch Goldberg, S. 112.
34 Zum Fächerkanon vgl. Goldberg, S. 108–112; außerdem: Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 112–120.
35 Chopin wurde zwar nachträglich und ungewollt zum Emigranten, war jedoch kein politischer Flüchtling (vgl.
hierzu: Jolanta T. Pekacz: »Deconstructing a ›National Composer‹: Chopin and Polish Exiles in Paris,
1831–49«, in: 19th-Century Music 24/2, Special Issue: »Nineteenth-Century Pianism« [2000], Berkeley: University of California Press, S. 161–172. Digital unter: <http://www.jstor.org/stable/746840>, 5. 01. 2010; Renata Suchowiejko: »Polish Pianists in Paris«, in: The Circulation of Music in Europe 1600–1900, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag, 2008, S. 273–289).
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Blume/Georgi, Kongressbericht
2. Lauf Daten
Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
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Damals wie heute36 wurde aber nicht nur die Qualität der institutionellen Strukturen
bzw. die Professionalität der Musiker in Warschau unterschätzt, sondern man hatte auch keine realistischen Vorstellungen von den Ausbildungsinhalten, welche zu Chopins Studienzeiten im Lehrplan verankert waren und die Grundlage von Chopins musiktheoretischen und
kompositorischen Kenntnissen bildeten.37 In Warschau wurde mit Begeisterung über Musik
debattiert und es gab einen regen Austausch mit allen westeuropäischen Musikzentren, was
nicht zuletzt durch den Umstand begünstigt wurde, dass man die Stadt auf dem Weg nach
St. Petersburg passierte.38 Neben seiner Tätigkeit als Rektor, Komponist und Pädagoge war
Elsner – wiederum Carl Friedrich Zelter vergleichbar – auch ein fleißiger Sammler und Archivar von Musikalien und Traktaten und ein engagierter Verfechter einer nationalen, polnischen Musik.39 Seine umfangreichen Kenntnisse der Musikgeschichte und insbesondere
der Geschichte der Musiktheorie bereicherten auch seinen Kompositionsunterricht. Als begleitende Literatur verwandte er z. B. Johann Nikolaus Forkels Allgemeine Geschichte der
Musik (1788), André Grétrys Mémoires ou Essais sur la musique (1789) und Jean Jacques
Rousseaus Dictionnaire de musique (1768).40 Früh ließ er dem jungen Chopin Karol Antoni
Simons 1823 erschienene, polnisch-deutsch verfasste Nauka harmonii – Anweisung zum General Baß zukommen. Von Elsner selbst ist das Manuskript einer ›kurzen‹ Generalbassschule (Krótko zebrana nauka generałbasu – Przykłady z harmonii) erhalten.41 Darüber hinaus ist
es wahrscheinlich, dass er in Chopins Unterricht später auch Johann Georg Albrechtsbergers Gründliche Anweisung zur Komposition (1790), Johann Philipp Kirnbergers Die Kunst
des reinen Satzes in der Musik (1774–1779) und das Handbuch der Grundsätze der Harmonie der Töne mit beigefügtem praktischen Generalbaß (1821) von dem bekannten polnischen
Komponisten Karol Kurpiński42 (1785–1857) benutzte. Kurpiński war Dirigent am Warschauer Nationaltheater, wo Chopin unter dessen Leitung u. a. seine zwei Klavierkonzerte
uraufführte43:
36 Vgl. Anm. 15, 22 und 37.
37 Vgl. Charles Rosens Bemerkung in seinem Buch Sonata Forms: »They evidently did not have very clear ideas
about sonatas out there in Warsaw.« (Charles Rosen: Sonata Forms, Revised edition, New York: W. W. Norton
& Company, 1988, S. 392), auf die schon Samson (»Chopin’s Musical Education«, S. 32–33) und Goldberg
(S. 123) kritisch hingewiesen haben. Vgl. dann andererseits aber auch Goldbergs und Goła˛bs Äußerungen
über Elsner (»His teachers’ conservative instruction in harmony was probably of very little use to Chopin.«
[Goldberg, S. 116]; »Das kompositorische Schaffen Elsners konnte Chopin keinesfalls inspirieren« [Goła˛b,
»Harmonielehre«, S. 120]).
38 Vgl. dazu Goldberg, S. 274.
39 Ebd., z. B. S. 230–243.
40 Ebd., S. 124 und S. 132.
41 Ebd., S. 116–117; Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 114–116.
42 Jim Samson: Art. ›Kurpiński, Karol Kazimierz‹, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/
subscriber/article/grove/music/1569>, 10. 02. 2010.
43 Goldberg, S. 117–118.
Satz-Offizin Hümmer
Blume/Georgi, Kongressbericht
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
»Zwar ist bekannt, daß Kurpiński für Chopin keineswegs eine solche Autorität war wie
Elsner, doch ist nicht auszuschließen, daß er dessen Handbuch der Grundsätze der Harmonie der Töne mit beigefügtem praktischen Generalbaß (1821) kannte, und sei es nur deswegen, weil es leicht zugänglich war.«44
Die Einflüsse in Kurpińskis Lehrbuch sind laut Goła˛b und Goldberg hauptsächlich: Johann
Gottfried Schichts Grundlagen der Harmonie nach Verwechslungssystem [1812], Emanuel
Aloys Försters Praktische Beyspiele zu seiner Anleitung des Generalbasses (1818) (aus denen
Kurpiński 13 Generalbasssübungen übernimmt) und Anton Reichas Cours de composition
musicale (1816–1818).45 Elsners Kompositionslehrgang umfasste außer dem Studium des
Generalbasses und des Kontrapunkts auch Instrumentation, freie Komposition sowie die
Diskussion musikästhetischer und rhetorischer Konzepte.46 Zur Behandlung der Formenlehre dienten etwa Inhalte aus Heinrich Christoph Kochs Versuch einer Anleitung zur Komposition (1782–1793) und es kann vermutet werden, dass auch Anton Reichas Konzepte der
Formenlehre bekannt gewesen sind.47 Elsner selbst veröffentlichte 1818 seine Abhandlung
über die Metrik und Rhytmik der polnischen Sprache (O metryczności i rytmiczności je˛zyka polskiego) und hat außerdem ein Manuskript zu einer Abhandlung über die Melodie und den
Gesang (Rozprawa o melodyi i śpiewie) hinterlassen.48
Inwieweit und in welcher Form die Inhalte der jeweils genannten Traktate und Manuskripte letztlich in Chopins Ausbildung behandelt worden sind, wäre noch genauer zu prüfen, denn davon hängt schließlich maßgeblich der faktische Einfluss auf seine musikalische
Bildung ab.49 Es ist aber einstweilen festzuhalten, dass Chopin Zugang zu und Zugriff auf
ein breit gefächertes Angebot an Informationen hatte, und man darf annehmen, dass er dieses auch genutzt hat.
Chopin in Paris: Ziele, Selbstverständnis, Kollegen
Nach den Warschauer ›Lehr- und Jugendjahren‹ verließ der bereits in seiner Heimat und
Wien gefeierte Chopin Ende 1830 seine Heimatstadt, um international als Komponist
und Pianist Fuß zu fassen, und – wenn auch bereits ›fertig‹ ausgebildet – in Wien oder Paris,
44
45
46
47
Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 118.
Goldberg, S. 118; Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 119.
Goldberg, S. 115–131; Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 114.
Goldberg, S. 115–133; Goła˛b, »Harmonielehre«, S. 119. In Chopins Korrespondenzen mit Elsner und seiner
Schwester Ludwika wird deutlich, dass Elsner und Chopin eine hohe Meinung von Reicha hatten. (Chopin/
Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 23–55).
48 Vgl. Goldberg, S. 126.
49 Vgl. dazu auch den Kongressbericht Bern 2010 (Chopins Ausbildung. Historische und Musiktheoretische Aspekte), siehe Anm. 11.
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
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eventuell aber auch in Italien oder Deutschland seine Studien fortzusetzen.50 Große Hoffnungen setzte man in Polen auf Chopin und besonders sein Lehrer Elsner wünschte sich
eine polnische Nationaloper aus der Feder seines Schülers.51 Dass Chopins ›Bildungsund Tourneereise‹ 1831 in Paris endete, wo er bis zu seinem Tod 1849 bleiben sollte, war
nicht von Beginn an so vorgesehen.52 Nach unerwarteten Schwierigkeiten in Wien wollte
er in Paris zunächst versuchen, sich als Pianist einen Namen zu machen, um dann auch
leichter als Opernkomponist Fuß fassen zu können.53 Obwohl er bereits ein erstklassiger
Pianist war und schon in Warschau neugierig den klaviermethodischen Diskurs verfolgt hatte54, hatte seine Ausbildung dort jedoch nicht in erster Linie auf eine Virtuosenkarriere abgezielt. Er erwog deshalb, in Paris bei Friedrich Kalkbrenner zu studieren, der ihm von den
Pariser Pianisten anfänglich am stärksten imponierte.55 Zu lang erschien Chopin jedoch
die von Kalkbrenner veranschlagte Studiendauer von drei Jahren: Darüber hinaus wurde
er schnell ohne die Hilfe und den Einfluss weiterer Lehrer und trotz seiner raren öffent50 Vgl. dazu den Brief von Chopins Vater an den Minister Stanislas Grabowski (Warschau, 13. Apr. 1829): Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 1, S. 94–96; vgl. außerdem: Deborah Crisp: »Virtuoso malgré lui: Chopin’s
musical education«, in: Journal of Music Research 11 (1996), S. 5–12. Digital unter: <http://search.informit.
com.au/documentSummary;dn=435613956068489;res=IELHSS>, 5. 01. 2010, S. 7.
51 Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 23–34; Zieliński, S. 369–373.
52 Ebd., S. 365.
53 Paris sollte ursprünglich nur eine von mehreren Durchgangsstationen sein. Das nächste Ziel wäre London gewesen (Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 50–55; Crisp, S. 8–9; Zieliński, S. 369–373); vgl auch
Anm. 69.
54 »Fontana me dit que lorsque lui et Chopin étaient condisciples à Varsovie, le second attendait avec impatience
la publication de la Méthode de Hummel. Après l’avoir parcourue, il avoua sa déception, disant qu’elle était
incomplète.« (Notiz von A. J. Hipkins, zitiert nach Eigeldinger, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 77). Chopin war trotzdem sein Leben lang ein Verehrer Hummels: »Autant de différents sons que de doigts – le tout,
c’est de savoir bien doigter. Hummel a été le plus savant [?] à ce sujet.« (Chopin in den Skizzen zu seiner Méthode de Piano, zitiert nach: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 74–76).
55 Vgl. Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 13–55; Niecks, Bd. 1, S. 232–243.
Kalkbrenner erkannte bei ihren ersten Begegnungen 1831 sogleich Chopins außergewöhnliches Talent, bemerkte jedoch dessen unkonventionelle Technik und befand, dass Chopin zwar auf einem sehr guten Weg
sei, die Qualität seines Spiels jedoch zu sehr von dessen Gemütslage abhänge und er keiner ›Schule‹ angehöre
(Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 41). Es ist bekannt, dass Chopin sich nicht unbedingt an die seinerzeit gültigen Fingersätze hielt. Mikuli überliefert, er habe auch in Tonleitern des Öfteren die längeren Finger
einander übergesetzt. Hier liegt natürlich die Vermutung nahe, dass Chopin diese Art der eigentlich für das
Cembalo- und Orgelspiel typischen Fingersetzung in seinem Unterricht bei Würfel kennengelernt haben wird,
sie später beibehielt und nach den Bedürfnissen seines Klavierspiels weiterentwickelte: »Im Notiren des Fingersatzes, besonders des ihm eigenthümlichen, war Chopin nicht sparsam. Hier verdankt ihm das Clavierspiel
grosse Neuerungen, die ihrer Zweckmässigkeit halber sich bald einbürgerten, trotzdem Anfangs Autoritäten,
wie Kalkbrenner, darüber sich förmlich entsetzten. […] Das Uebersetzen der längeren Finger über einander,
ohne Zuhilfenahme des Daumens (siehe Etude No. 2 Op. 10) wandte er häufig an und nicht nur in Stellen,
wo etwa der eine Taste festhaltende erste Finger es unumgänglich nöthig machte.« (Carl Mikuli: »Vorwort«,
in: Fr. Chopin’s Pianoforte-Werke, Leipzig: Kistner, 1879, S. IV).
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lichen Auftritte ein gefeierter »Pianiste Compositeur«.56 Er zog offenbar die Unabhängigkeit
schließlich auch einem weiteren Kompositionsstudium etwa bei Anton Reicha57 vor, denn
er konnte sehr bald seinen Unterhalt vom Komponieren und Unterrichten bestreiten.58 Dennoch nahm er aber neben seiner Beschäftigung als Komponist und Klavierpädagoge auch
weiterhin am musiktheoretischen Diskurs der Zeit teil: Er arbeitete beim Komponieren mitunter mit Luigi Cherubinis59 Cours de Contrepoint et de Fugue60 (1835) und möglicherweise
auch mit einem von Jean-Georges Kastners61 Lehrbüchern.62
Chopin trat in Paris zwar nur äußerst selten in größerem öffentlichen Rahmen auf, aber
er war doch – wie schon in Warschau – ein häufig gesehener Gast bei den zahlreichen Soireen in den angesehensten Pariser Salons der Zeit.63 Als einer der berühmtesten seiner Art
muss der Salon des »Pianiste Compositeur« und renommierten Pädagogen Pierre-JosephGuillaume Zimmerman64 (1785–1853) gelten. Chopin muss Zimmerman persönlich gut
56
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Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 27 und S. 50–53.
Vgl. ebd., S. 53; Samson, »Chopin’s Musical Education«, S. 30.
Zieliński, S. 386ff. und S. 403ff.; Burger, S. 162.
Michael Fend: Art. »Cherubini, Luigi«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/subscri
ber/article/grove/music/53110>, 14. 01. 2010.
Luigi Cherubini: Cours de Contrepoint et de Fugue, 2ème édition, Paris: Schlesinger, [nach 1835]; vgl. auch
Ludwik Bronarski: »Chopin, Cherubini et le Contrepoint«, in: Annales Chopin 2, Warschau: Editions Polonaises de Musique, 1958, S. 238–242.
Martin Loeser: Art. »Kastner, Jean Georges«, in: MGG2, Personenteil 9, Kassel 2003, Sp. 1535–1536.
Chopin bittet in einem Brief vom 27. Juni 1841 aus Nohant an seinen Freund Julian Fontana in Paris um »den
Kastner«. Sydow und Eigeldinger merken jeweils an, es handele sich bei dem von Chopin bestellten »Kastner«
um Kastners Lehrbuch Théorie Abrégée du Contrepoint et de la Fugue (Jean-Georges Kastner: Théorie Abrégée
du Contrepoint et de la Fugue, Paris: Chabal, 1839). Dies erscheint durchaus möglich und im Zusammenhang
mit Chopins gleichzeitiger Bitte nach Cherubinis Cours de Contrepoint et de Fugue auch plausibel, lässt sich
jedoch – soweit ich sehe – nur vermuten (vgl. Chopin/Sydow, Korespondencja, Bd. 2, S. 21 und 478 bzw. Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 3, S. 51–52; Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 15, »Introduction«). Aus dem
besagten Brief wird nicht ersichtlich, welches von Kastners vor bzw. bis 1841 erschienenen Lehrbüchern genau
gemeint ist (bekannt war Kastner besonders auch für sein Instrumentationslehrbuch: Traité général d’Instrumentation, Paris: Prilipp, 1837).
Zieliński, z. B. S. 666–667; Burger, insbesondere S. 162.
Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman(n), selbst ein Schüler von Boïeldieu, Rey, Catel und Cherubini, kann
durchaus als der französische Gegenpart zu Carl Czerny (1791–1857) gesehen werden. Er war »einer der renommiertesten und einflußreichsten französischen Klavierprofessoren seiner Zeit. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählten u. a. Ch. V. Alkan, G. Bizet [und] C. Franck […]. Obgleich Zimmermann seine Virtuosen- und
Komponistenlaufbahn nicht mit gleicher Intensität wie die Pädagogik betrieb, hinterließ er neben einigen interessanten Klavierwerken auch zwei Opern.« (Nicole Katharina Strohmann: Art. »Zimmermann, Pierre-JosephGuillaume«, in: MGG2, Personenteil 17, Kassel 2007, Sp. 1508–1509). Zimmerman stellt somit eine bedeutende Verbindungslinie zwischen der Gründergeneration des Pariser Conservatoires (Adam, Cherubini etc.)
und der »génération de 1830« (vgl. Marmontel, S. 195; siehe ebenfalls unten, Anm. 197) her. Sein einstiger
Schüler und späterer Nachfolger Antoine-François Marmontel (1816–1898) war selbst wiederum der Klavierlehrer von Debussy, Albéniz, d’Indy, Planté, Diémer u. v. a. (vgl. David Charlton/Charles Timbrell: Art. »Marmontel, Antoine-François«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
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gekannt haben. Er trat mit ihm gemeinsam auf und er interpretierte und improvisierte auf
den Soireen, die Zimmerman seit 1830 regelmäßig in seinem Salon am Square d’Orléans
veranstaltete. Dort konnte man neben Chopin Musiker hören wie: Franz Liszt, Sigismund
Thalberg, Pauline Viardot-Garcia, Maria Malibran (Garcia), Hector Berlioz, Gioachino
Rossini, Clara Schumann, Ferdinand Hiller, Giacomo Meyerbeer, Luigi Cherubini u. v. a.65
Von 1842 bis kurz vor Chopins Tod 1849 waren Chopin und Zimmerman sogar unmittelbare Nachbarn am Square d’Orléans.66 Chopin kann als einer der schillerndsten Repräsentanten der »génération de 1830« (siehe Anm. 64 und 197) gelten, jener Gemeinschaft
aufstrebender junger Künstler, die den Square d’Orléans bevölkerten, dessen umliegendes
Viertel nicht zuletzt wegen seines kreativen Potentials auch »La Nouvelle Athènes« genannt
wurde.67 Was genau unterschied Chopin aber von den anderen Künstlern seiner Zeit? Er
schätzte seine Kollegen in handwerklicher und oft auch in künstlerischer Hinsicht. Besonders in den frühen Pariser Jahren zeigte er sich tief beeindruckt von der immens hohen Dichte erstklassiger Musiker und deren allgemeiner Professionalität.68 Unabhängig von dieser
65
66
67
68
grove/music/17837>, 12. 02. 2010). Vgl. ebenfalls Jean-Baptiste Labat: »Zimmermann et l’école française de piano«, in: Courrier de Tarn-et-Garonne, 1865; Frédéric Robert: Art. »Zimmermann, Pierre-Joseph-Guillaume«, in:
Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/30980>, 9. 01. 2010;
Charles, Le Pianiste; François-Joseph Fétis: Biographie universelle des musiciens 8, Paris: Librairie de Firmin Didot
Frères, Fils et Companie, 1867. Digital unter: <http://www.archive.org/details/biographieuniver08ft>,
19. 08. 2009, S. 517–518; Marmontel, S. 194–203; Edouard Monnais (gen. Paul Smith): »Nécrologie: Zimmerman«, in: Revue et Gazette Musicale de Paris 20/45 (1853), S. 391–392; Timbrell, French Pianism. Zum Namen:
die Schreibweise ist sehr uneinheitlich. Ich bleibe im Text bei Zimmermans eigener Version mit nur einem ›n‹.
In Zimmermans Salon wurden die namhaften Musiker aus dem Ausland empfangen und die Soireen waren
gleichsam ein Sprungbrett für die Bühnen Europas (vgl. Constance Himelfarb: »La ›Nouvelle Athènes‹: une
colonie d’artistes à Paris sous le duc d’Orléans«, in: Espaces et lieux de concert en Europe 1700–1920, Berlin:
Berliner Wissenschafts-Verlag, 2008, S. 79–99); vgl. außerdem die weiteren hervorragenden Arbeiten von Himelfarb über Zimmermans Salon und das Pariser Umfeld: »Le Foyer d’art de Pierre Joseph Zimmerman. Un
Salon de pianistes dans la Nouvelle Athènes sous Louis Philippe«, in: La Maison de l’artiste, Rennes: P. U.
de Rennes, 2007, S. 171–183; dies.: »Un salon de la Nouvelle-Athènes en 1839–1840. L’album musical inconnu de Juliette Zimmerman«, in: Revue de musicologie 87 (2001), S. 33–65; vgl. darüber hinaus: Marmontel,
S. 198–199; Jeffrey H. Cooper: A Renaissance in the Nineteenth Century: The Rise of French Instrumental Music and Parisian Concert Societies, 1828–1871, Dissertation, Cornell University 1981. Digital via: <http://disex
press.umi.com/dxweb>, Ann-Arbor, Michigan: University Microfilms International.
»Kalkbrenner, Zimmerman(n), Alkan und Gutmann wohnten am Square d’Orléans sogar so nahe bei ihm
[Chopin], daß sie sich gegenseitig bei geöffneten Fenstern hören konnten.« (Burger, S. 258).
Vgl. die Publikationen von Himelfarb (Anm. 65).
Siehe Anm. 1; vgl. auch Chopins Brief vom 18./19. Nov. 1831 aus Paris an seinen Freund Norbert-Alphonse
Kumelski in Berlin: »Je suis fort lié avec Kalkbrenner, le premier pianiste d’Europe. Tu l’aimerais certainement.
C’est le seul auquel je ne sois pas digne de dénouer le cordon de la sandale.« (Chopin/Sydow, Correspondance,
Bd. 2, S. 17; vgl. auch Zieliński, S. 366); außerdem: »Je vous écris sans savoir ce que ma plume barbouille parce
que Liszt dans ce moment joue mes Etudes et me transporte hors de mes idées honnêtes. Je voudrais lui voler la
manière de rendre mes propres Etudes.« (Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 93, [Chopin in einem gemeinsamen Brief Liszts, Franchommes und Chopins vom 20. Juni 1833 aus Paris an ihren Freund Ferdinand
Hiller in Frankfurt]; vgl. auch Zieliński, S. 376).
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
verbindenden handwerklichen Basis aber nahm er schon früh eine eigenwillige Haltung zur
Kunst im Allgemeinen und zum Virtuosentum im Besonderen ein. Sowohl kompositorisch
als auch didaktisch beschritt Chopin eigene Wege und versuchte so seinem Ziel näher zu
kommen, sich musikalisch eine »neue Welt« zu erschaffen.69 Damit verbunden war in pianistischer Hinsicht sein vieldiskutiertes Ideal des »Belcanto«-Spiels70 und sein berühmtes
»tempo rubato«71, außerdem seine Vorstellung von der Ausbildung einer körperlichen »souplesse«72 und auch seine Abneigung gegen die äußerliche Zurschaustellung der Virtuosität
um ihrer selbst Willen.73 Wir können festhalten, dass es zwischen Chopin und vielen seiner
Kollegen also durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der Ausbildung der pianistischen Technik und vom musikalischen Fortschritt gab: Über einen professionellen Standard bezüglich der musiktheoretisch-kompositorischen sowie pianistisch-handwerklichen
Grundlagen herrschte jedoch allgemeines Einverständnis.
Die Méthode de Piano: Chopin als Lehrer
Es waren jene ästhetischen und didaktischen Differenzen, seine pianistischen Innovationen
und die Erkenntnisse aus seiner langjährigen Unterrichtspraxis, die Chopin dazu brachten,
69 »So viel weiß ich, daß ich keine Kopie Kalkbrenners sein werde: Nichts wird imstande sein, einen vielleicht
allzu kühnen, aber edlen Willen und Plan, sich eine neue Welt zu schaffen, zu verwischen, und wenn ich arbeiten werde, dann nur, um auf um so festeren Füßen zu stehen. Dem als Pianisten bereits bekannten Ries fiel es
leichter, für seine ›Braut‹ Lorbeeren in Berlin, Frankfurt usw. zu ernten. Wie lange wurde Spohr nur für ein
Geiger gehalten, ehe er Jessonda, Faust usw. schrieb.« ([Chopin in einem Brief vom 14. Dez. 1831 aus Paris
an Józef Elsner in Warschau], zitiert nach Zieliński, S. 373; vgl. auch Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2,
S. 52–53).
70 Jean-Jacques Eigeldinger: Chopin vu par ses élèves, Neuchâtel: Editions de la Baconnière, 1970, S. 70–72. Chopins Ideal des gesanglichen Spiels wurde schon oft mit seiner Liebe zur Oper und dem Gesang im Allgemeinen
in Verbindung gebracht (vgl. dazu auch Anm. 1).
71 »Was Chopin’s Execution prägnant charakterisirte, war sein Rubato, wobei dem Rhythmus und Takt, im grossen Ganzen, ihr Recht blieb. ›Die Linke‹, hörte ich ihn oft sagen, ›die ist der Kapellmeister, die darf nicht weichen, nicht wanken – macht mit der rechten Hand was ihr wollt und vermöget.‹ Er lehrte: ›angenommen ein
Stück dauert so und so viel Minuten, wenn das Ganze nur so lange gedauert hat, im Einzelnen kann’s anders
sein.‹« (Lenz, S. 47); vgl. auch: Adolf von Winterfeld: »Chopin als Schüler und als Lehrer«, in: Neue Musik-Zeitung 7 (1904), S. 154–156; vgl. auch Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 76–81.
72 Mikuli, S. III (s. u., S. 275); Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 64; Jean-Jacques Eigeldinger: Chopin, pianist and teacher, as seen by his pupils, Translation of »Chopin vu par ses élèves«, by Naomi Shohet, Krysia
Osostowicz and Roy Howat (ed.), Cambridge: Cambridge University Press, 1986, S. 45; ders.: Chopin vu par
ses élèves, S. 71.
73 Vgl. Mikuli; Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves; Crisp; Es liegt nahe zu vermuten, dass diese ästhetische Haltung vor allem aus seiner Ausbildung in Warschau erwuchs, welche stark vom ästhetischen Diskurs des 18. Jh.
geprägt war und in der höchster Wert auf klassische Ideale gelegt wurde (vgl. dazu auch Goldberg und Zieliński).
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
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der Vielzahl von Klaviermethoden, die um die Jahrhundertmitte erschienen74, auch eine eigene Méthode de Piano hinzufügen zu wollen:
»Il nous promet pourtant d’écrire une méthode où il traitera non-seulement du métier,
mais de la doctrine.« (auf Januar 1841 datierte Aufzeichung George Sands)75
Es war ihm ein wichtiges Anliegen, sein musikalisches Handwerk (»métier«) und auch seine
Unterrichtsmethode (»doctrine«) nicht nur unmittelbar an seine eigenen Schüler weiterzugeben, sondern sein Können und Wissen auch in schriftlicher Form einem breiteren Kreis
von Musikern und der Nachwelt zugänglich zu machen. Die Arbeit an seiner Méthode de
Piano ging jedoch über fragmentarische Skizzen nie hinaus. Diese können wahrscheinlich
nicht vor 1837/1838 begonnen worden sein und wurden wohl ab etwa 1840 diskontinuierlich über mehrere Jahre hinweg angefertigt.76 Wir wissen nicht, welchen Umfang und welche Form Chopin seiner Méthode zugedacht hatte, er selbst scheint weder eine vollständige
Beschreibung noch ein Inhaltsverzeichnis hinterlassen zu haben.77 Die überlieferten Manu74 Z. B. François-Joseph Fétis/Ignaz Moscheles: Méthode des Méthodes de Piano, Paris 1840, Reprint Genf: Minkoff, 1973; Johann Nepomuk Hummel: Ausführliche theoretisch-praktische Anweisung zum Piano-Forte-Spiel,
Wien: Haslinger, 1828; ders.: Ausführliche theoretisch-praktische Anweisung zum Piano-Forte-Spiel, Reprint
der Auflage von 1838, Wien: Haslinger, hrsg. von Andreas Eichhorn, Straubenhardt: Zimmermann, 1989;
Friedrich Kalkbrenner: Pianoforteschule/Méthode du Piano – Anleitung das Pianoforte mit Hülfe des Handleiters spielen zu lernen/Méthode pour apprendre le Piano à l’aide du Guide-Mains, Leipzig: Kistner, [ca. 1840].
Vgl. dazu auch: Jean-Jacques Eigeldinger: »L’image de Chopin dans les méthodes pianistiques de son temps«,
in: Musical Education in Europe (1770–1914) 2, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag, 2005, S. 433–456.
75 Zitiert nach Eigeldinger, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 11, »Introduction«. Vgl. auch Liszt: »In letzter
Zeit beschäftigte ihn der Plan, eine Pianoforteschule zu schreiben, in der er seine Gedanken über die Theorie
und Technik seiner Kunst, das Ergebnis seiner langjährigen Arbeiten, seiner glücklichen Neuerungen und Erfahrungen niederzulegen gedachte. Die Aufgabe war ernst und erforderte doppelte Anstrengung, selbst für
einen so emsigen Arbeiter als Chopin.« (Franz Liszt: Friedrich Chopin, Frei in’s Deutsche übersetzt von La
Mara (= Gesammelte Schriften von Franz Liszt, Bd. 1), Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1880, Reprint, Hildesheim: Olms, 1978, S. 204).
76 Vgl. dazu Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 11–13, »Introduction«.
77 Bei dem »Plan de la Méthode dicté à Mr P. par Ch[opin]«, der sich unter den Skizzen Chopins findet, handelt es
sich nicht um ein Inhaltsverzeichnis, sondern um eine grobe inhaltliche Einteilung eines Abschnitts über Passagenübungen (vgl. Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 78; vgl. bezüglich der Überlieferung des »Plan de la Méthode« ebd., S. 79); siehe ebenfalls Anm. 94. Die Frage, ob je so etwas wie ein »Table de matières« existierte
oder sogar noch existiert, muss bei heutiger Quellenlage offen bleiben. –
Die Begriffe »Méthode de Piano« und »Méthode« waren in ihrer Bedeutung im 19. Jh. manchmal enger und
manchmal weiter gefasst. Sie selbst lassen daher eine genauere Einschätzung des Umfangs nur bedingt zu. Chopin schreibt am 18. Okt. 1841 aus Nohant an Julian Fontana in Paris: »Par exemple, il [Masset, im Auftrag vom
Verlag Troupenas] ne pourrait avoir la prétention de payer 12 Etudes ou une Méthode de piano 300 fr. Il est ainsi
pour l’Allegro Maestoso, que je t’envoie aujourd’hui; je ne puis le lui donner pour 300 et en demande 600 fr. Et il
en est de même aussi pour cette Fantaisie qu’il ne peut avoir pour moins de 500 fr.« (Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 3, S. 69 und S. 87). Dass Chopin eine »Méthode de Piano« in etwa auf eine preisliche Stufe mit 12
seiner Etüden (also z. B. op. 10 oder op. 25) setzt, lässt zumindest grob auf den Umfang schließen. Da die Erst-
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skripte behandeln einen sehr eingegrenzten inhaltlichen Bereich und konzentrieren sich neben der Vermittlung basaler Kenntnisse in der allgemeinen Musiklehre vor allem auf die pianistische Technik im engeren Sinne – den »mécanisme«78, wie Chopin es nannte. Zu diesem
zählten die Sitzposition am Klavier, die Haltung der Hände, Hinweise zum Fingersatz sowie
Tonleiterübungen und Passagen. Chopin ist sichtlich darum bemüht, diesen Teil des Klavierspiels auf möglichst fassliche Prinzipien zu reduzieren, um nach eigenen Angaben auf
schnellstem Wege zur Musik selbst vorzudringen, der »musique proprement dite«.79 Man
darf vermuten, dass nach den »Trilles«80 Übungen zu den »gammes«81 gefolgt wären und anschließend eventuell einige Stücke und Etüden: Jedenfalls dürften diesem ersten grundlegenden Abschnitt nicht mehr viele Aspekte gefehlt haben. Falls sich Chopins Méthode bereits hierin erschöpft hätte, so wäre Kalkbrenners Méthode du Piano – nicht so sehr vom
Umfang her als vielmehr thematisch-strukturell gesehen – ein gutes Vergleichsbeispiel.82
Da Chopin jedoch schon in seinen Warschauer Studienjahren Hummels 444 Seiten umfassende Pianoforteschule von 1828 als unvollständig bezeichnet hatte83 – diese beinhaltet außer der Kompositionslehre sehr ausführlich eigentlich alle Bereiche des Klavierspiels – und
Kalkbrenner in seiner Klavierschule im Prinzip in kleinerem Rahmen einem ähnlichen Vorgehen wie Hummel folgt, wäre es unsinnig anzunehmen, Chopin hätte die bemängelte Unvollständigkeit gerade durch eine Komprimierung der gleichen Inhalte beheben wollen.
Wojciech Grzymała überliefert, Chopin habe die Skizzen als »le commencement d’une méthode«84 beschrieben, was vermuten lässt, dass das vollständige Lehrwerk noch andere, gewichtige Formteile erhalten sollte und die überlieferten Skizzen somit tatsächlich nur einen
einleitenden Teil darstellen würden. Diese Vermutung wird auch durch eine Äußerung
Liszts gestützt:
»Er gestaltete im Geiste die Hauptzüge des Ganzen, sprach auch zu wiederholten Malen
davon; die Verwirklichung seines Gedankens aber wurde ihm unmöglich. Wenige Seiten
nur wurden niedergeschrieben«.85
78
79
80
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82
83
84
85
ausgaben der Etüden jeweils etwa 60 Seiten umfassten, kann man durchaus vermuten, dass er für seine Klaviermethode wohl auch einen größeren Umfang vorgesehen hatte. Jegliche Rückschlüsse bleiben aber Spekulation,
da es sich bei Chopins Aussage um eine Momentaufnahme handelt (s. u., S. 273 und vgl. Anm. 124, 131).
Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 60. Siehe unten S. 274; vgl. auch Anm. 93, 124 und 189.
Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 40 (siehe auch unten, S. 273).
Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 76–77.
Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 78. Legt man die durchaus sinnvolle Anordnung der Skizzen
durch Eigeldinger (vgl. ebd. »Introduction«) zugrunde, so brechen die Skizzen an dieser Stelle ab. Vgl. dazu
auch die Anordnung in Fétis/Moscheles’ Méthode des Méthodes und Kalkbrenner, Méthode du Piano.
Kalkbrenner, Méthode du Piano.
Vgl. Anm. 54. Zwar handelt es sich, wie Eigeldinger bemerkt, bei Chopins Kritik an Hummels Lehrwerk wohl
gleichzeitig um ein Wortspiel (»Méthode complète« – »incomplète.), dieses kann im Kontext von Chopins eigener Méthode de Piano aber durchaus ernst genommen werden.
Siehe oben, Einleitung, Anm. 7.
Liszt/La Mara, S. 204–205.
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Philipp Teriete|Frédéric Chopins »Méthode de Piano«
273
Es ist natürlich zu bedenken, dass sich Chopin selbst über die Frage des Umfangs nicht endgültig im Klaren gewesen sein mag.86 Geht man aber davon aus, dass er in seiner Méthode de
Piano die »Theorie und Technik seiner Kunst« (vgl. Anm. 75) schriftlich niederlegen wollte,
so ist es eher unwahrscheinlich, dass er es bei dem oben angedeuteten Abschnitt hätte bewenden lassen. Bei jenen elementaren Grundlagen der Musiklehre und der pianistischen
Technik handelte es sich schließlich nur um einen kleinen Ausschnitt des »métiers«, über
den die ›Pianistes Compositeurs‹ im Allgemeinen und natürlich auch Chopin verfügten.
Die ›Kunst‹ eines Virtuosen ging über die pianistische Technik im engeren Sinne weit hinaus. Die professionellen Musiker der Zeit waren fast ausnahmslos auch Komponisten,
in deren Alltag die Improvisation und das Blattspiel einen ebenso großen Stellenwert einnahmen wie die Interpretation und die Komposition eigener Stücke.87 Ebenfalls zur ›Kunst‹
zählten auch die pädagogische Qualifikation und der pädagogische Erfolg.88 Es erscheint
deshalb geboten, sich neben der genaueren Betrachtung von Chopins Skizzen auch ein differenziertes Bild von seinem Unterricht zu machen, um dadurch einerseits klarer einzugrenzen, welche Inhalte Eingang in das ›Ganze‹ seiner »Pianoforteschule« (s. o.) hätten finden
können, andererseits aber um herauszufinden, welche Inhalte als Kontext berücksichtigt
werden müssen, auch wenn sie von Chopin nicht in seine Méthode de Piano integriert worden wären.
Chopins kritische Äußerungen in der Skizzierung seines Vorwortes zur Méthode de Piano
bestätigen, dass er den klaviermethodischen Diskurs auch in Paris weiterhin aufmerksam
verfolgte.89 Es wird darin deutlich, dass er sich mit seinem eigenen Lehrwerk gezielt von
einer spezifischen Strömung in der Klaviermethodik seiner Zeit abgrenzen wollte:
»On a essayé beaucoup de pratiques inutiles et fastidieuses pour apprendre à jouer du piano, et qui n’ont rien de commun avec l’étude de cet instrument. Comme qui apprendrait
p[ar] ex[emple] à marcher sur la tête pour faire une promenade. De là vient que l’on ne sait
plus marcher comme il faut sur les pieds, et pas trop bien non plus sur la tête. On ne sait pas
jouer la musique proprement dite – et le genre de difficulté que l’on pratique n’est pas la
difficulté de la bonne musique, la musique des g[ran]ds maîtres. C’est une difficulté abstraite, un nouveau genre d’acrobatie.
Il ne s’agit donc pas ici de théories plus ou moins ingénieuses, mais de ce qui va droit au but
et aplanit la partie technique de l’art.«90
Seine Rede von den »pratiques inutiles et fastidieuses« und der »difficulté abstraite« zielt offenbar auf die seinerzeit weit verbreiteten, ausladenden Übungssammlungen für die geson86
87
88
89
90
Vgl. Chopin/Eigeldinger, Esquisses, »Introduction«; vgl. außerdem Anm. 77.
Vgl. Anm. 2, 92, 150, 163, 171 und 195.
Vgl. Marmontel; siehe auch Anm. 197.
Vgl. Anm. 54.
Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 40.
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derte Ausbildung der manuellen Fähigkeiten91 und die in Mode gekommenen ›gymnastischen‹ Apparate für die Entwicklung der Fingerunabhängigkeit sowie die Dehnung und
Kräftigung der Muskulatur, wie etwa den Chiroplast (bzw. Handleiter und Dactylion) oder
die Fingerstrecker.92 Chopin selbst war zwar nicht per se gegen eine gewisse gymnastische
Schulung, er lehnte es jedoch ab, durch abstraktes und von der eigentlichen Musik abgezogenes Training zu versuchen, die Ungleichheit der Finger zu nivellieren:
»Personne ne remarquera l’inégalité du son dans une gamme très vite quand elle sera jouée
également pour le temps – le but n’est pas de savoir jouer tout d’un son égal. Il me semble
d’un mécanisme bien formé de savoir bien nuancer une belle qualité de son. On a longtemps agi contre nature [en] exerçant les doigts à donner de la force égale. Chaque doigt
étant conformé differement, il vaut mieux ne pas chercher à détruire le charme du toucher
spécial de chaque doigt, mais au contraire le développer.«93
91 Evtl. Henri Herz: 1000 exercices pour l’emploi du Dactylion, Paris 1836; möglicherweise aber eben auch Fétis/
Moscheles, Méthode des Méthodes; Hummel, Anweisung zum Piano-Forte-Spiel bzw. Kalkbrenner, Méthode du
Piano.
92 Dies bemerkt auch schon Eigeldinger (Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 41, 76–77). Es sei aber gleichzeitig in
Erinnerung gerufen, dass beispielsweise jemand wie Logier, der den Chiroplast erfunden und propagiert hat,
auch Autor einer äußerst erfolgreichen Harmonielehre war, die zu den bedeutendsten musiktheoretischen Werken des 19. Jahrhunderts gezählt werden muss (Johann Bernhard Logier: System der Musik-Wissenschaft und
der praktischen Composition mit Inbegriff dessen was gewöhnlich unter dem Ausdrucke General-Bass verstanden
wird, Berlin 1827). Physiologische Trainingsgeräte wurden von den besten Pianisten ihrer Zeit konzipiert, angewandt und empfohlen, u. a. auch von Liszt (vgl. Auguste Boissier: Franz Liszt als Lehrer. Tagebuchblätter von
Auguste Boissier [1832], Deutsch hrsg. von D. Thode-von Bülow, Berlin: Paul Zsolnay, 1930, S. 76; vgl. auch
Anm. 93). Darüber hinaus müssen Permutationsübungen nicht zwangsläufig propädeutische Studien für die
Interpretation der ›Meisterwerke‹ sein (vgl. Eigeldingers Kommentar: »la fin consistant à interpréter les œuvres
des maîtres«, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 41), sondern können einen wichtigen Bestandteil in der
Lehre der Improvisation bilden. Kalkbrenner, Liszt und Chopin waren als große Improvisatoren bekannt
und von allen dreien liegen ›technische Übungen‹ vor (Kalkbrenner, Méthode du Piano; Franz Liszt: Technische
Studien für Klavier, 3 Bde., Budapest: EMB, 1983; Chopin/Eigeldinger, Esquisses). Eine gesondertes Improvisationslehrbuch hat jedoch nur Friedrich Kalkbrenner geschrieben (Friedrich Kalkbrenner: Harmonielehre
zunächst für Pianofortespieler als Anleitung zum Präludieren und Improvisieren mit Beispielen von Präludien,
Fugen und Etüden für das Pianoforte, op. 190, Leipzig: Breitkopf und Härtel, o. J., Reprint Boston: Elibron,
2006; vgl. auch die französische Ausgabe: Traité d’harmonie du Pianiste. Principes rationnels de la modulation
pour apprendre à préluder et à improviser. Exemples d’Études, de Fugues et de Préludes pour le Piano, Paris: L’auteur, o. J., Reprint Amsterdam: A. J. Heuwekemeyer, 1970); vgl. auch Anm. 163.
93 Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 74. Weite Teile der Kontroverse drehen sich um die unter Pianisten altbekannte Frage nach der Anwendung von ›Gewichts-‹ oder ›Fingertechnik‹. Vgl. dazu Chopins Aussage:
Il ne faut pas vouloir tout jouer du poignet, comme Kalkbrenner prétend.« (Chopin/Eigeldinger, Esquisses,
S. 76) und Tellefsens analoge Äußerung: »La main doit trouver son point d’appui sur le clavier comme les pieds
le trouvent sur le sol en marchant […]; voilà pourqoui le guide-mains est mauvais, car il déplace le point d’appui; avec le guide-mains le poignet devient point d’appui« (Thomas Tellefsen in den Skizzen seines »Traité du
Mécanisme de Piano«, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 88). Weder Chopins noch Tellefsens Äußerungen
sollten zu einseitig gelesen werden, da sich beide als erfahrene, professionelle Pianisten sehr wohl der Tatsache
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Die Unabhängigkeit der Finger schulte man nach Chopins Ansicht am effizientesten durch
eine aufmerksame Entwicklung des allgemeinen Körperbewusstseins und einer auf ihr
fußenden, natürlichen Kräftigung der Finger:
»Woran C h op i n am Anfange des Unterrichts am meisten lag, war, den Schüler von aller
Steifheit und convulsivischen, krampfhaften Bewegung der Hand frei zu machen, und
ihm so die erste Bedingung eines schönen Spiels, die ›souplesse‹ (Geschmeidigkeit),
und mit ihr die Unabhängigkeit der Finger zu geben. Unermüdlich lehrte er, dass die bezüglichen Uebungen keine blos mechanischen seien, sondern die Intelligenz und den ganzen Willen des Schülers in Anspruch nehmen, daher ein zwanzig- und vierzigmaliges gedankenloses Wiederholen (bis zur Stunde noch das gepriesene Arcanum so vieler Schulen)
gar nicht fördere, geschweige denn ein Ueben während dessen man nach Kalkbrenner’s
Rath sich gleichzeitig mit irgend einer Lectüre beschäftigen könne (!). Sehr eingehend
behandelte er die verschiedenen Anschlagsarten, besonders das tonvolle Legato. Als gymnastische Hilfsmittel empfahl er das Ein- und Auswärtsbiegen des Handgelenks, den wiederholten Handgelenksanschlag, das Spannen der Finger, alles Das jedoch mit der ernsten
Warnung vor Ermüdung.«94
bewusst gewesen sein werden, dass es sich hier nur um eine scheinbare Opposition handelt. Vielmehr ging es
wohl darum, flexibel in der Anwendung verschiedenster Techniken zu sein und um die Frage, auf welchem
Wege man diese erlernt.
94 Vgl. Mikuli, S. III. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass auch Liszt empfahl, während Fingerübungen, welche
dem reinen Muskelaufbau und der Erlangung von Routine dienten, zu lesen (vgl. Boissier, S. 28 u. S. 79).
Aber nicht nur in dieser Hinsicht vertraten Liszt und Chopin unterschiedliche Ansichten, sondern auch in Bezug auf die Art der Fingerübungen: »Er [Liszt] hat – ganz im Gegensatz zu Chopin – die Ansicht, daß um die
Finger zu kräftigen, ein schweres hartes Clavier und so anhaltendes Wiederholen der betreffenden Übungen erforderlich sei, daß man in der That für den Augenblick völlig erschöpft und nicht im Stande sei, dieselbe Übung
noch länger zu machen. Chopin wollte von einer so maßiven Behandlung des Claviers durchaus nichts wißen«
(Mikuli/Bischoff, in: Hellmut Federhofer: »Der Chopin-Schüler Carl Mikuli in Rom und Graz«, in: Deutsches
Jahrbuch der Musikwissenschaft 10 (1965), Leipzig: Peters, S. 82–96, hier: S. 85). Andererseits aber ähnelt sich
ihr systematisches Vorgehen sehr stark bei der reduktionistischen Klassifizierung von Passagen. Beiden ging es
darum, dass man auch technische Schwierigkeiten mit dem Verstand durchdringe und diese intelligent, d. h. mit
dem Verstand u n d den Sinnen übe: »Er [Liszt] legt uns immer wieder dringend ans Herz, die Finger rastlos
auszubilden, und zwar durch tägliche, mit nichts anderem untermischte Übungen. Er will alle Passagen auf bestimmte grundlegende Formeln zurückführen, aus denen alle Kombinationen sich herleiten lassen; hat man erst
den Schlüssel dazu gefunden, so führt man nicht nur alles leicht aus, sondern kann jegliche Musik vom Blatt
lesen.« (Boissier, S. 90). Außerdem: »Er [Liszt] machte uns wundervolle Angaben über das Spiel der einfachen
Noten und über die Tonleitern von Zimmermann. Man muß die Hände langsam und getrennt üben, drei
oder vier Tonleitern, täglich eine Stunde lang. Die Läufe der fünf Finger in allen Tonarten von oben bis unten,
in Gegenbewegung, die gebrochenen Akkorde von oben bis unten, den vollen Akkord: c-e-g-c und umgekehrt;
dann den vollen Moll-Akkord, die Septimenakkorde in allen Tonarten ›ad aternum‹ und schließlich die verminderten Septimen. Trifft man in irgendeinem Lauf eine schwierige Stelle an, so analysiere man sie und übe sie in
allen Tonarten. Für die Terzen ist es gut, die Tonleitern von Zimmermann zu üben.« (ebd., S. 112).
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Es war offenbar das arbeitsteilige Auseinanderklaffen von einer autonomen körperlich-sportlichen (»acrobatie«) auf der einen und einer musikalischen Ebene (»la musique proprement
dite«) auf der anderen Seite, das Chopin zutiefst suspekt gewesen sein muss, nicht zuletzt
weil dies wahrscheinlich den Erfahrungen aus seiner eigenen, ›ganzheitlich‹ konzipierten
Ausbildung widersprach. Schon damals wurde die Beziehung dieses sportlichen Lernbegriffs zur modernen Arbeitswelt erkannt: und tatsächlich glich der Alltag vieler Instrumentalisten dem eines frühindustriellen Fabrikarbeiters.95 Chopin war überzeugt, dass diese
Entwicklung der Kunst schaden und zwangsläufig zu einer Abstumpfung führen musste:
»Daily practice: how to work and for how long
He feared above all …the abrutissement [stupefaction by overwork] of the pupils. One day
he heard me say that I practised six hours a day. He became quite angry, and forbade me
to practise more than three hours. (Dubois/Niecks, II, pp. 183–4)
He always advised the pupil not to work for too long at a stretch and to intermit between
hours of work by reading a good book, by looking at masterpieces of art, or by taking an
invigorating walk.« (Gretsch/Grewingk, p. 20)96
Chopin achtete mit größter Aufmerksamkeit darauf, dass seine Schüler von Beginn an und
mit jedem Ton ›Musik machten‹.97 Anstelle des stundenlangen Übens propädeutischer Fingerübungen ließ er bevorzugt Clementis Préludes et Exercices studieren.98 Chopins eigene
Etüden spielten in der Regel nur seine fortgeschrittenen Schüler.99 Gemein ist diesen WerChopins systematisches Vorgehen wird beispielhaft an der Einteilung der Passagen in übergeordnete Kategorien
deutlich. Vgl. dazu: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 78, »Plan de la méthode dicté à Mr P. par Ch[opin]«.
95 »Pour arriver à avoir un beau talent, il faut étudier. – Voilà une maxime banale, dira-t-on; mais un moment. – Il
y a des gens dans le monde qui vous disent, en parlant de M. tel ou tel, connu par son grand talent, qu’il avait
tant de moyens naturels qu’il est arrivé où vous le voyez sans étudier. – Ceux-là sont des dupes.
Écoutez-en d’autres: ›Au point où en est l’art maintenant, il faut étudier 8 ou 10 heures par jour si l’on veut
parvenir à se distinguer.‹ – Ceux-ci sont des ignorans. – Quant aux artistes eux-mêmes, ceux qui vous disent
ceci sont des maladroits, et ceux qui vous disent cela vous prennent pour des sots.Malheur à celui qui a besoin
d’étudier 8 heures par jour! il n’est pas né pour être musicien, mais bien pour être un excellent ouvrier.
L’art du piano a pris, depuis quelques années, un grand essor, parce qu’on l’enseigne mieux; demandez plutôt
au professeur Zimmermann; il sait, lui, faire éclore les jeunes talens; il a une serre chaude à laquelle rien ne résiste: quand on est dedans, il faut croître.« (»De l’Étude [Premier Article] I.«, in: Charles, Le Pianiste, »Première
Année« [1833–1834], S. 38).
96 Zitiert nach Eigeldinger, Chopin, pianist and teacher, S. 27. Auch Hummel empfahl als zeitliche Richtlinie des
täglichen Klavierübens ein Maximum von drei Stunden (siehe Hummel, Anweisung zum Piano-Forte-Spiel
1828, »Vorerinnerung«, S. 11).
97 Vgl. z. B. Mikuli oder Winterfeld.
98 Vgl. Mikuli, S. III; Muzio Clementi: Préludes et Exercices, Leipzig: Peters, o. J.
99 Mikuli, S. IV.
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ken, dass sie wesentliche Aspekte der musikalischen Profession miteinander verbinden. Bei
Clementi folgen kurzen, figurierten Generalbass-Präludien jeweils Übungstücke mit diversen klaviertechnischen Aufgabenstellungen. Chopins Etüden bewegen sich zwar technisch
und musikalisch auf höherem Niveau, lassen aber ähnlich wie Clementis Préludes et Exercices durchweg eine klare Form erkennen. Auch ihnen liegen oft Generalbassmodelle zugrunde, die aus einer Improvisation hervorgegangen sein könnten.100
Wenngleich Chopin sich in technischer und didaktischer Hinsicht durchaus von manchen seiner Kollegen unterschied, wäre es verfehlt, anzunehmen, dass er mit seiner Méthode
de Piano eine Fundamentalkritik der Klavierpädagogik seiner Zeit im Sinn gehabt hätte – zu
groß sind schon allein die konzeptionellen Parallelen seiner Skizzen zu vielen der damals
bekannten Lehrwerke.101 Ab den 1830er Jahren erschienen neben den erwähnten Klaviermethoden bzw. ›Technikschulen‹ (vgl. Anm. 74 und 91) auch eine Vielzahl integrativer
Lehrwerke für den Instrumental- und Gesangsunterricht. In diesen Lehrbüchern findet
man u. a. Inhalte aus der Musiktheorie und Kompositionslehre (Transposition, Harmonielehre, Generalbass, Kontrapunkt, freie Komposition, Instrumentation, Partiturspiel) sowie
der Improvisationslehre:
»Die Zahl der Veröffentlichungen praktischer Harmonielehren begann in Frankreich ab
1830 sprunghaft anzuwachsen, und wenn die Lehrbücher der ersten Jahrzehnte des
19. Jahrhunderts fast ausschließlich für angehende Komponisten bestimmt waren, so
wandten sich die neu erscheinenden Werke mehr und mehr auch an Instrumentalisten
und interessierte Laien. Der Gedanke, daß eine musikalische Bildung ohne Grundkenntnisse in der Harmonielehre unvollständig sei, begann sich zu verbreiten und spiegelte sich
in den von unterschiedlichsten praktischen Intentionen und theoretischen Ansprüchen
bestimmten Werken. Speziell für ›junge Pianisten‹, Amateure wie angehende Künstler,
waren die Harmonielehren von Lemoine, Elwart, Zimmermann, Kastner, Concone, Kalkbrenner, Le Carpentier und Panseron geschrieben«.102
Auf diese Lehrwerke bezog sich Chopins Kritik gewiss nicht, denn darin wurde, wenn auch
in jeweils unterschiedlicher Form, eben jenes musiktheoretisch-kompositorische Handwerk
vermittelt, welches auch in seiner eigener Ausbildung eine so zentrale Rolle gespielt hat. Eine gründliche theoretische und kompositorische Bildung setzte Chopin bei seinen älteren
Studenten entweder voraus, oder er nahm sich ihrer in einzelnen Fällen, vor allem bei jüngeren Schülern, selbst an:
100 Vgl. z. B. die starke Ähnlichkeit von Chopins Etüde op. 25, Nr. 1 in As-Dur und Clementis Prélude (weniger
der Exercice) in As-Dur. Vgl. auch Anm. 162.
101 Vgl. auch Eigeldinger, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 23.
102 Renate Groth: Die französische Kompositionslehre des 19. Jahrhunderts, Wiesbaden: Franz Steiner, 1983, hier
S. 68–76.
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»Von einer Unterrichtsstunde zur anderen galt es, bald eine ganze Sonate durchzunehmen,
praktisch wie theoretisch, und sie auswendig zu lernen, bald eine schwierige HarmonieAufgabe zu lösen oder technische Schwierigkeiten zu überwinden, um den ebenso gefürchteten, wie verehrten Lehrer am nächsten Tage zu befriedigen.«103
»Angelegentlichst empfahl Chopin das Ensemble-Spiel, die Pflege der besten Kammermusik – aber nur im Vereine mit hochgebildeten Musikern. Wer keine solche Gelegenheit
fand, sollte lieber in vierhändigem Spiel einen Ersatz dafür suchen. Ebenso eindringlich
rieth er seinen Schülern das möglichst frühzeitige Vornehmen gründlicher theoretischer
Studien, und seiner gütigen Verwendung verdankten es die meisten, wenn sein Freund
Herr H e n r i R e b e r (seither Professor am Conservatorium in Paris), den er als Theoretiker wie als Componisten gleich hoch verehrte, die Leitung derselben übernahm.«104
Bis zuletzt war Chopin darum bemüht, seine Schüler umfassend und in einem ganzheitlichen Sinne auszubilden. Dass er die Skizzen ausdrücklich von der Bitte zur Vernichtung
nicht vollendeter Manuskripte ausnahm, verdeutlicht, wie sehr ihm an seiner Méthode de
Piano gelegen war.105 Wie eingangs bereits erwähnt, wünschte er sich, dass Thomas Tellefsen bzw. Charles Valentin Alkan und Henri Reber sich der Fortführung seiner Arbeiten annähmen. Das zeigt, dass sie in Chopins Augen am ehesten in der Lage gewesen sein müssen,
seine handwerklichen bzw. künstlerischen Konzepte und Ansichten nachzuvollziehen und
seiner Vorstellung einer »Méthode de Piano« gerecht zu werden.106 Chopins Freund, Schüler
und Kollege Thomas Dyke Acland Tellefsen107 hatte nach kurzem Studium bei Friedrich
Kalkbrenner 1843 mehrere Jahre mit Chopin zusammengearbeitet, war in Paris als »Pianiste
Compositeur« bekannt und übernahm nach Chopins Tod einige von dessen Schülern. Er
kam Chopins Wunsch zwar anfänglich nach und entwarf ausgehend von dessen Skizzen eine Art Reinschrift, gelangte aber nicht viel weiter als Chopin selbst und brach die Arbeit
103 Sophie von Adelung: »Chopin als Lehrer«, in: Neue Musik-Zeitung 44 (1923), S. 121–123.
104 Mikuli, S. IV; vgl. auch Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 134, 172, 179 und S. 184; vgl. hierzu auch die
analoge Äußerung Liszts: »Er [Liszt] meint, Valérie solle einige Stunden bei Reicha, dem durch seine Werke
über Musiktheorie sehr bekannten tschechischen Komponisten, nehmen, um ihre theoretischen Kenntnisse
zu erweitern.« (Boissier, S. 54), und: »Wenn Valérie ihre Fingerübungen macht und die Harmonielehre
nach Reicha betreibt, kann sie es weit bringen, denn sie hat Seele und Intelligenz.« (ebd., S. 86).
105 Vgl. Anm. 7. Welche Gründe Chopin im Einzelnen davon abhielten, die Méthode de Piano in der langen Zeit
ab der Beschlussfassung bis zu seinem Tode fertigzustellen, ist schwer zu beantworten und wäre noch genauer
zu untersuchen.
106 Siehe Einleitung, Anm. 7 und 8, sowie Anm. 108.
107 Vgl. Kari Michelsen: Art. »Tellefsen, Thomas«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.
com/subscriber/article/grove/music/27636>, 10. 02. 2010; Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 260–262.
Tellefsen versuchte übrigens auch seit seiner Ankunft in Paris in Zimmermans Salon Eintritt zu erhalten und
dort zu spielen, was ihm schließlich 1843 gelang (vgl. Himelfarb, »Le Foyer d’art de Pierre Joseph Zimmerman«, S. 180).
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schließlich ab.108 Im Gegensatz zu Tellefsen haben Charles Valentin Alkan109 und Henri Napoléon Reber110, die Chopin schätzte und denen er freundschaftlich verbunden war, die
Skizzen offenbar weder erhalten noch überhaupt zu Gesicht bekommen, und es ist unklar,
ob ihnen Chopins letzter Wille überhaupt zugetragen worden ist.111 Aber die Tatsache allein,
dass Chopin der Überzeugung gewesen zu sein scheint, dass es zur Vollendung seines Projektes der gemeinsamen Anstrengung eines Musiktheoretikers bzw. Komponisten sowie
eines »Pianiste Compositeur« bedurfte, ist mindestens ebenso interessant, wie die von Chopin und Tellefsen hinterlassenen Skizzen selbst.112 Neben Karol Mikuli erhielten auch Thomas Tellefsen und Joseph Schiffmacher Theorie- bzw. Kompositionsunterricht bei Henri
Reber113, und Chopins enge Verbindung zu Alkan zeigt sich schon daran, dass sich nach seinem Tod einige seiner Schüler an Alkan wandten, um weiterhin in Chopins Tradition unterrichtet zu werden.114 Die Idee einer Zusammenarbeit von Alkan und Reber kann in Bezug
auf den Inhalt als durchaus richtungsweisend gesehen werden und erscheint besonders auch
vor dem Hintergrund der oben erwähnten integrativen Lehrwerke gut nachvollziehbar. Das
Konzept der Ko-Autorenschaft eines Musiktheoretikers und Komponisten sowie eines »Pianiste Compositeur« war nicht zuletzt seit Fétis’ und Moscheles’ Méthode des Méthodes de
Piano (zu der Chopin seine Trois Nouvelles Études beisteuerte) etabliert.115 Der Umstand könn-
108 Tellefsen hatte die Manuskripte von Chopins Schwester Ludwika erhalten: »Avant de mourir il a dit à sa sœur
que j’étais celui qui devait donner des leçons à sa fille [Ludka]. Il a aussi exprimé la volonté que ce soit moi qui
termine sa Pianoforte-Skole; j’y travaille dès maintenant avec zèle.« (Brief von Thomas Tellefsen an seine Eltern [28. Dez. 1849]) und: »Sa sœur, avant son départ m’a donné le seul manuscrit achevé qu’on a trouvé après
lui« (Brief von Thomas Tellefsen an seine Eltern [10. Apr. 1850], jeweils zitiert nach Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 30, »Introduction«; siehe ebd., S. 29–34 und S. 88).
109 Vgl. William A. Eddie: Charles Valentin Alkan – His Life and His Music, Hampshire: Ashgate, 2007; François
Luguenot/Britta Schilling-Wang: Art. »Alkan, Charles Valentin«, in: MGG2, Personenteil 1, Kassel 1999,
Sp. 480–493; Hugh Macdonald: Art. »Alkan, Valentin«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusi
conline.com/subscriber/article/grove/music/00579>, 9. 01. 2010.
110 Reber, selbst ein Schüler Anton Reichas, war über Jahrzehnte Professor für Musiktheorie und Komposition
am Pariser Conservatoire. Er ist heute in erster Linie dafür bekannt, dass er den Trauermarsch aus Chopins
op. 35 zu dessen Beerdigung arrangierte. (Vgl. Frédéric Robert: Art. »Reber, Henri«, in: Grove Music Online,
<http://www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/23006>, 9. 01. 2010); Jennifer Hambrick: Art. »Reber, Napoléon-Henri«, in: MGG2, Personenteil 13, Kassel 2005, Sp. 1381–1382.
111 Chopin/Eigeldinger, Esquisses, »Introduction«, S. 17. Eine genauere Untersuchung hierzu steht – soweit ich
sehe – noch aus.
112 Eigeldinger hingegen misst dieser Tatsache in inhaltlicher Hinsicht keine weitere Bedeutung zu, sondern
wundert sich vielmehr darüber, dass Chopin Alkan und Reber im Zusammenhang mit der Vollendung seiner
Méthode de Piano in einem Atemzug nennt (»Les noms, curieusement accolés«, Eigeldinger in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, »Introduction«, S. 17).
113 Siehe oben, S. 25, Anm. 104; Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 199 und S. 234–265.
114 »A la mort de Chopin, plusieurs de ses élèves affectionnés choisirent Alkan pour continuer les traditions du
maître regretté.« (Marmontel, S. 122).
115 Fétis/Moscheles, Méthode des Méthodes.
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te ebenfalls darauf hindeuten, dass Chopin zuletzt eine größere, umfassende Konzeption seines Lehrwerkes im Sinn hatte.
Alkan und Reber selbst standen beide ganz und gar in der spezifischen Ausbildungstradition des Pariser Conservatoires. Sie haben an dieser Institution studiert und später dann auch
gelehrt.116 Verfolgt man ihre Spuren, so findet man Quellen, die es erlauben, eine fiktive Zusammenarbeit gleichsam idealtypisch zu entwerfen. Henri Reber veröffentlichte 1862, also
13 Jahre nach Chopins Tod, seinen Traité d’Harmonie, welcher für einen langen Zeitraum
ein Standardwerk für Harmonielehre am Conservatoire blieb.117 Die dort behandelten Inhalte und die didaktische Vorgehensweise dürften bereits in Tellefsens, Mikulis und Schiffmachers Unterricht bei Reber eine zentrale Rolle gespielt haben. Charles Valentin Alkan hinterließ zwar selbst kein Lehrwerk bzw. keine Aufzeichnungen zur Instrumental-Pädagogik118, aber Alkans eigener Lehrer Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman, der seinerzeit Klavierprofessor am Pariser Conservatoire war119, veröffentlichte 1840 seine Encyclopédie du Pianiste Compositeur120, welche nach Zimmermans Angaben die ›Frucht‹ seiner 30-jährigen
Lehrpraxis darstellte.121 Dieses Werk wurde von den professionellen Musikern seiner Zeit
116 Siehe Anm. 109 und 110. Alkan unterrichtete von 1829–1836 Solfège am Conservatoire, 1848 bewarb er sich
vergeblich um die vakante Klavierprofessur seines Lehrers Zimmerman, denn Marmontel bekam die Stelle
(siehe Anm. 64 und vgl. Eddie, S. 2 bzw. S. 10–11). Das Pariser Conservatoire gehörte im 19. Jh. zu den besten Lehrinstitutionen Europas. Liszt schreibt 1835 in der Revue et Gazette Musicale de Paris: »On ne compte
en Europe que cinq à six capitales qui possèdent des écoles de musique. Partout ailleurs, quelle que soit l’importance et la richesse des villes, l’enseignement s’y pratique au hasard, sans méthode fixe, sans coordination
ni ensemble. De ces écoles en si petit nombre, celle de Paris est incontestablement la plus célèbre et c’est à juste
titre: M. Cherubini la dirige; MM. Reicha, Habeneck, Baillot, A. Nourrit, Tulou, Zimmermann, etc. etc., y
professent.« (Franz Liszt: »De la situation des artistes et de leur condition dans la société«, Pages romantiques,
éd. J. Chantavoine, Paris, Éd. d’Aujourd’hui 1985, zitiert nach Himelfarb, »Le Foyer d’art de Pierre Joseph
Zimmerman«, S. 174).
117 Henri Reber: Traité d’Harmonie, Paris: Colombier, 1862; vgl. Saint-Saëns’ Bewertung: »L’œuvre la plus parfaite de Reber est peut-être son Traité d’harmonie, publié en 1862. La célébrité que cet ouvrage s’est acquise
dispense d’en faire l’éloge; l’alliance si rare d’une grande concision et d’une parfaite clarté en font un véritable
chef-d’œuvre qui suffirait á la gloire de son auteur.« (Camille Saint-Saëns: Notice sur M. Henri Reber [Lue dans
la séance du 3 décembre 1881, Institut de France – Académie des Beaux-Arts], Paris: Firmin-Didot, 1881,
S. 11); vgl. auch Groth, insbesondere S. 18–76 und Penelope Miller Peters: French harmonic theory in the Conservatoire tradition: Fétis, Reber, Durand and Gevaert, Dissertation, University of Rochester, 1990. Digital via:
<http://disexpress.umi.com/dxweb>, Ann-Arbor, Michigan: University Microfilms International.
118 Vgl. Eddie, S. 205–214.
119 Später wurde Zimmerman zum »inspecteur honoraire des classes de piano et membre à vie du comité des études musicales« ernannt (Labat, S. 6). Marmontel schreibt über Zimmermans Einfluss als Lehrer: »Zimmerman a laissé comme professeur une réputation populaire entre toutes. Nul maître n’a exercé une plus salutaire
influence sur le progrès musical.« (Marmontel, S. 194); vgl. auch Anm. 64, 95, 116 und 122.
120 Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman: Encyclopédie du Pianiste Compositeur, 3 Bde., Paris: L’auteur, [1840];
siehe dazu Philipp Teriete: »Pierre-Joseph-Guillaume Zimmermans Encyclopédie du Pianiste Compositeur«, in:
Chopins Ausbildung. Historische und Musiktheoretische Aspekte (= Musikforschung der Hochschule der
Künste Bern 6), Kongressbericht Bern 2010, Schliengen: Argus, 2011, i. V.
121 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 1, »Avant-Propos«, S. II.
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als besonders vollständig betrachtet, da es den gesamten Fächerkanon der damaligen Klaviervirtuosenausbildung umfasst.122 Mit den Inhalten und methodisch-didaktischen Verfahren, die in der Encyclopédie du Pianiste Compositeur ausgebreitet werden, dürfte Alkan bereits seit seinem achten Lebensjahr in Berührung gekommen sein und man darf vermuten,
dass sie später auch in seiner eigenen Unterrichtspraxis eine erhebliche Rolle gespielt haben.123 Es ist gut möglich, dass Chopin das Lehrwerk seines Nachbarn Zimmerman kannte
und es wäre dann nicht ausgeschlossen, dass seine spätere Idee der Zusammenarbeit von
Alkan und Reber vielleicht sogar durch die Konzeption der Encyclopédie inspiriert wurde.124
122 Zimmerman möchte mit seiner Encyclopédie du Pianiste Compositeur einen umfassenden Überblick über alle
Bereiche des Klavierstudiums geben und bemüht sich darum, auch Elemente aus anderen Klavierschulen zu
übernehmen, wobei er keiner speziellen ›Schule‹ den Vortritt geben will, sondern versucht, das ›Beste‹ aus den
verschiedenen Schulen zusammenzustellen (siehe ebd., Bd. 1, »Avant-Propos«, S. II). Vgl. darüber hinaus: Fétis, Biographie 8, S. 517–518: »Zimmerman a publié un excellent cours d’études pour former l’éducation d’un
pianiste, et comme exécutant et comme compositeur. Cet ouvrage, intitulé: Encyclopédie du pianiste, renferme
une méthode complète de l’art de jouer du piano, dans les deux premières parties, et un traité d’harmonie et de
contrepoint dans la troisième.«; vgl. auch die überaus positive Kritik zur Erscheinung der Encyclopédie (hier im
Ausschnitt): »Cet ouvrage dans lequel il [Zimmerman] a su éviter la fatras scolastique en classant tout cependant, en définissant mille petites difficultés qu’une longue pratique de l’enseignement peut seule vous faire apercevoir, mérite d’obtenir un succès européen, brillant, durable; et classerait son auteur parmi les premiers professeurs de notre époque s’il n’y était déjà depuis longtemps.« (Henri Blanchard: »Revue critique. Encyclopédie du
Pianiste-Compositeur, par M.J. Zimmerman.«, in: Revue et Gazette Musicale de Paris 7/36 [1840], S. 306–307).
123 Vgl. Eddie, insbesondere S. 205–214.
124 »sans doute a-t-il été amené à feuilleter d’autres nouveautés, comme L’Encyclopédie du pianiste (1840) de
Pierre-J. Zimmermann, son collègue et tout proche voisin au square d’Orléans.« (Eigeldinger in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, »Introduction«, S. 23).
Falls Chopin Zimmermans Lehrwerk gekannt hat und vielleicht sogar mit den Inhalten einigermaßen vertraut gewesen ist, mag man durchaus einwenden, dass Chopin freilich keine eigene ›Méthode‹ mehr hätte
schreiben müssen, wenn er vollkommen mit Zimmermans Lehrbuch einverstanden gewesen wäre. Dabei
ist jedoch zu bedenken, dass das Vorhandensein einer guten ›Méthode‹ noch kein Grund ist, einer solchen
nicht noch eine weitere gute oder sogar bessere ›Méthode‹ hinzuzufügen. Auch die geringsten Differenzen lassen ein neues Lehrwerk noch durchaus gerechtfertigt erscheinen. Die Quellenlage spricht dafür, dass Chopin
zu Zimmerman in professioneller Hinsicht ein ähnliches Verhältnis hatte wie zu Liszt. Man war sich über den
Fächerkanon der Ausbildung grundsätzlich einig, vertrat aber evtl. geringfügig abweichende Ansätze bei der
Ausbildung des ›mécanisme‹ bzw. unterschiedliche stilistische Vorstellungen. Genau wie Liszt bemerkt z. B.
auch Zimmerman, dass der Handleiter bei Fingerübungen von einiger Hilfe sei, da damit einer Ermüdung
und Verkrampfung vorgebeugt werden könne und das Üben somit an Effizienz gewinne (Zimmerman, Bd. 1,
S. 5 und Bd. 2, S. 27). Vereinzelte Differenzen sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass es zwischen den
Ansichten der professionellen »Pianistes Compositeurs« meist wesentlich mehr Parallelen als Unterschiede
gibt (vgl. Anm. 92–94). Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich Zimmermans und Chopins Wortwahl in wichtigen Fragen der Technik und des Stils häufig fast ganz genau decken: »qualité de son/
beauté du son« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 59) bzw. »belle qualité de son« (Chopin, s. o., S. 274),
»mécanisme« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 61; Chopin, s. o., S. 274 und Anm. 78), »souplesse« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 8; Chopin, s. o., S. 271, S. 275 und Anm. 72), »l’art de phraser sur le piano
c’est l’art de respirer pour le chanteur« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 59) bzw. »Le poignet [:] la respiration dans la voix.« (Chopin in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 76).
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Jedenfalls gibt es bedeutende Parallelen zwischen Zimmermans und Chopins Lehrmethodik. Die Inhalte aus Chopins und Tellefsens Skizzen finden sich in Zimmermans Encyclopédie du Pianiste Compositeur im Wesentlichen in den beiden Abschnitten »Principes de
la Musique« und »Méthode de Piano« wieder (s. u.), und nicht nur dort, sondern auch in
Zimmermans früher erschienenen Gammes, Exercices et Préludes pour Piano125 gleichen sich
Zimmermans und Chopins reduktionistisches Vorgehen bezüglich der Skalen- und Passagenübungen.126 Neben Chopins Etüden empfiehlt Zimmerman genau wie Chopin Clementis Gradus ad Parnassum127 und Zimmermans Gammes, Exercices et Préludes weisen darüber
hinaus auch Ähnlichkeiten zu Clementis Préludes et Exercices auf.128 Zunächst werden dort
systematisch die verschiedenen diatonischen und chromatischen Tonleitern behandelt und
schließlich – Clementi vergleichbar – verschiedene kurze Generalbass-Passagen zur Improvisation vorgeschlagen.129 Nicht zuletzt unterrichtete Zimmerman viele seiner Schüler außer im Klavierspiel auch theoretisch und satztechnisch: »Ch.-V. Alkan, Massé, Charlot,
G. Bizet ont reçu des leçons de contre-point et de composition de Zimmerman.«130
Vor diesem Hintergrund sei im Folgenden dem Gedanken, wie das Produkt von Alkans
und Rebers Zusammenarbeit oder vielleicht auch Chopins eigene Arbeit hätte aussehen
können, anhand einer selektiven aber doch vollständigen Lektüre von Zimmermans Encyclopédie du Pianiste Compositeur und Rebers Traité d’Harmonie nachgegangen.131 Diese Rekonstruktion umfasst zwar alle Bereiche des Fächerkanons, konzentriert sich aber in erster
Linie auf die Inhalte, welche nicht durch Chopins und Tellefsens Skizzen abgedeckt werden
und dabei wiederum besonders auf die Harmonielehre und die Improvisation. An den entsprechenden Stellen werden die Betrachtungen gegebenenfalls durch Hinweise auf Analogien und Differenzen zu Chopins Ansichten sowie Verweise auf ausgewählte Quellen ergänzt.
125 Pierre-Joseph-Guillaume Zimmerman: Gammes, Exercices et Préludes pour Piano, Paris: M. Combre, o. J.
126 Vgl. Anm. 94.
127 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 1, S. 39 und Bd. 2, S. 15ff.
128 Siehe Anm. 98.
129 Siehe oben, S. 23–24, Anm. 100.
130 Marmontel, S. 200. Zimmerman hatte sich 1821 erfolgreich um die Nachfolge-Professur Elers im Fach »Contrepoint et Fugue« beworben, entschied sich aber schließlich doch dafür, Klavierprofessor zu bleiben und ließ
damit François-Joseph Fétis den Vortritt. Zimmerman wollte die Möglichkeit, unmittelbar auf die musikalische Praxis wirken zu können, nicht aufgeben. Kontrapunkt und Komposition konnte er auch im Rahmen
des Klavierunterrichts lehren (vgl. Marmontel, S. 196; Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 62; Robert, Grove
Music Online Art. »Zimmermann« und Strohmann, MGG2 Art. »Zimmermann«).
131 Selbstverständlich könnte eingewandt werden, dass es widersprüchlich sei, in eine Méthode de Piano eine
ganze Encyclopédie hineindeuten zu wollen. Das umgekehrte Vorgehen ist hier aber der Fall. Chopins Méthode
de Piano soll in einen größeren und umfassenderen Kontext eingeordnet werden (s. o., Einleitung). Interessant in diesem Zusammenhang nun wiederum die genauen Differenzierungen der Begrifflichkeit »Méthode
de Piano« bzw. »Méthode«. Henri Blanchard bezeichnet z. B. auch Zimmermans Encyclopédie als »Méthode«
(Blanchard: »Revue critique. Encyclopédie du Pianiste-Compositeur«, S. 307), vgl. dazu Anm. 6 und 77.
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Rekonstruktion von Chopins Méthode de Piano anhand Zimmermans
Encyclopédie du Pianiste Compositeur und Rebers Traité d’Harmonie132
Das Inhaltsverzeichnis der Encyclopédie du Pianiste Compositeur kann aufgrund des sinnvollen Aufbaus und der Vollständigkeit halber als struktureller Leitfaden dienen (Abb. 1).133
Wir können dieses in zwei Teile trennen, deren erster wiederum in zwei größere Abschnitte
zerfällt und die ›Elementare Klavierschule‹ bildet. Der »Supplément« vertieft sowohl theoretische, theoretisch-praktische als auch kompositorische Inhalte. Eine zusammenfassende
Gliederung könnte folgendermaßen aussehen:
Elementare Klavierschule (»Méthode Élémentaire de Piano«)
1. Allgemeine Musiklehre (»Principes de la Musique«)
2. Klaviermethode (»Méthode de Piano«)
3. Primavistaspiel (»De la Lecture«)
4. Transposition (»De la Transposition«)
5. Repertoirestudium und Übemethodik (»Du Travail«)
Weiterführende Studien (»Supplément«)
6. Harmonielehre (»De l’Harmonie«)
7. Generalbasspiel und Improvisation (»De l’Accompagnement de la Basse Chiffrée« und
»Du Prélude«)
8. Kontrapunkt und Fuge (»Du Contrepoint et de la Fugue«)
9. Freie Komposition (»De la Composition en Général«)
10. Partiturspiel (»De l’Accompagnement de la Partition«)
Die Betrachtungen ausgewählter Inhalte aus Rebers Traité d’Harmonie werden im Abschnitt
»De l’Harmonie« einfließen.
132 Soweit ich sehe, liegt eine Rekonstruktion von Chopins Méthode de Piano in dieser Form – d. h. ausgehend
von Alkan (stellvertretend Zimmerman) und Reber, sowie mit einer Konzentration auf die musiktheoretischkompositorischen Inhalte – noch nicht vor. Die bisherigen Veröffentlichungen zu Chopins Méthode de Piano
gehen entweder nicht über eine Beschreibung, Interpretation oder Ergänzung von Chopins und Tellefsens
hinterlassenen Skizzen hinaus (z. B.: Chopin/Eigeldinger, Esquisses; Jean-Pierre Marty: La méthode de piano
de Chopin. Essai pédagogique, Sete: Editions Singulières, 2007; Zieliński, S. 848–849), oder konzentrieren
sich auf die Überlieferungen und Beschreibungen von Chopins Unterricht durch Schüler und andere Zeitgenossen (z. B.: Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves; Holland etc.).
133 Zimmerman folgt strukturell dem Aufbau der Méthode de Piano von Louis Adam, welche maßstabsetzend für
die offiziellen Klaviermethoden des Pariser Conservatoires wurde (Louis Adam: Méthode de Piano, Paris
1805, Reprint Genf: Minkoff, 1974).
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Abbildung 1: Inhaltsverzeichnis (Zimmerman, Encyclopédie du Pianiste Compositeur)
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1. Allgemeine Musiklehre
Im ersten Abschnitt von Zimmermans Encyclopédie werden die klassischen Anfangsgründe
einer musikalischen Ausbildung behandelt: das Notenlesen, die Erklärung der Intervalle
und Tonleitern, Solfège etc. Im Vergleich mit Chopins und Tellefsens Skizzen sowie anderen
Klavierschulen der Zeit (z. B. Kalkbrenners Méthode du Piano, Fétis/Moscheles’ Méthode
des Méthodes, siehe Anm. 74) fällt als einziger wesentlicher Unterschied auf, dass Zimmerman von Beginn an die sieben Schlüssel einführt. Dadurch wird nicht nur die Basis
für die Lektüre älterer Musik gelegt und die Flexibilität des intervallischen Lesens geschult,
sondern auch schon früh die entscheidende Grundlage für die Schlüsseltransposition und
das Partiturlesen geschaffen.
2. Klaviermethode
Der zweite Abschnitt ist ein klassisches Beispiel für die Vermittlung der elementaren pianistischen Grundlagen. Zunächst erläutert Zimmerman die Position des Körpers und die
Haltung von Hand und Fingern, um dann mit der Erklärung des Instruments fortzufahren.
Darauf folgen Skalen, Ausführungen über die Fingersetzung, Passagenübungen sowie kleinere Stücke (u. a. über beliebte Opernthemen). Das Besondere an dieser Stelle ist, dass
von Beginn an fächerübergreifend und mit Weitblick gearbeitet wird. Durch die Tabelle
zur Erklärung der Tastatur wird eine Analogie der an sich abstrakten Klaviertastatur zu
den Instrumenten und Stimmen mitsamt Ambitus hergestellt (Abb. 2).134 Dies ist neben
der Entwicklung einer differenzierten Klangvorstellung beim Klavierspiel ebenfalls von Bedeutung für das Partiturspiel und die Komposition.
3. Primavistaspiel
Großer Wert wurde schon in der frühen Phase einer professionellen musikalischen Ausbildung auf das Primavistaspiel gelegt. Zum Bedeutungsverhältnis des Blattspiels zum vorbereiteten Vortrag äußert sich Zimmerman folgendermaßen:
»Plus l’étude du piano se propagera et plus il sera ordinaire de rencontrer des virtuoses
prêts à exécuter convenablement des morceaux travaillés plus ou moins longtemps, mais
ce qui sera toujours rare et qui distinguera le véritable artiste, c’est la faculté de dire à
première vue un morceau de musique dans l’esprit de l’auteur. Voilà le but que quelques
uns peuvent atteindre, mais que tous doivent ambitionner. Pour devenir grand lecteur il
faut que dès la première jeunesse on ait fait une étude sérieuse du solfège et qu’ensuite on
ne cesse de lire de la musique, il ne faudrait cependant pas sacrifier à la lecture le travail
des exercices, des études, du mécanisme en un mot, parceque dans ce cas l’habitude de
134 Vgl. Adam, S. 6 (Einleitung). Durch den Vergleich von Adams und Zimmermans Lehrbüchern lässt sich
exemplarisch der Fortschritt in der Klaviermethodik des 19. Jh. nachvollziehen. Umfasste die Instrumententabelle bei Adam nur die Stimmen, die Streichinstrumente und die Holzbläser, so wird sie bei Zimmerman
durch die Blechbläser, das Englischhorn, die »Ophicléïde«, die Harfe sowie die Pauke ergänzt.
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Abbildung 2: Instrumententabelle für Pianisten (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 1, zwischen S. 2–3)
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passer par dessus les difficultés sans s’y arrêter suffisamment, ôterait au jeu la régularité et
le fini qu’il doit avoir. Copier de la musique, et surtout copier sous la dictée est aussi un
excellent exercice.«135
Neben Zimmerman betonte auch Franz Liszt den Stellenwert des Blattspiels:
»Er ist nicht dafür, daß man die Musikstücke peinlichst ausarbeite, sondern daß man ihren
Geist erfasse. Einerseits solle man die Passagen üben, andererseits viel vom Blatt lesen.«136
»Er erklärte mir, wie die Kenntnisse der Harmonielehre und die Gewohnheit, sehr viel
Musik vom Blatt zu lesen, ihm die Fähigkeit, die Passagen in allen Tonarten so zu beherrschen, erworben habe.«137
»Was das Vom-Blatt-Lesen anbelangt, so ist es klar, daß man es mit Auge und Hand, die in
allen möglichen Verbindungen geübt sind, leicht und ohne Zögern bewältigt; mehr noch,
man muß sich praktisch mit allen Akkorden, Modulationen, dem Harmoniewechsel vertraut machen und sie täglich, in Form von Doppelakkorden und in die Übungen eingefügten Oktaven, studieren. Dieses sowohl als regelmäßiges Musiklesen verhilft uns bald
dazu, alles vom Blatt spielen zu können.«138
Chopin spielte mit seinen Schülern gelegentlich auch vierhändig vom Blatt:
»Je joue […] avec Chopin à quatre mains prima vista.« Thun-Hohenstein/Simonides [77]139
4. Transposition
In diesem Abschnitt erklärt Zimmerman, wie man neben der strukturellen Transposition
(d. h. ausgehend vom harmonischen Verständnis) mit den sieben Schlüsseln transponiert:
Die Transposition erfolgt durch das ›mentale‹ Vorzeichnen eines anderen Schlüssels samt
Tonart (Abb. 3).140 Wie sehr die Schlüsseltransposition zu Zeiten Chopins (und vor allem
135 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 61. Einer der besten Blattleser, der aus Zimmermans Klasse am Conservatoire hervorgegangen ist, dürfte Georges Bizet gewesen sein: »Bizet had the opportunity to meet Liszt and
display his phenomenal powers as a sight-reader, an event recounted by Pigot with the aura of legend; Liszt is
said to have declared Bizet to be the equal, as a pianist, of von Bülow and himself.« (Zitiert nach: Hugh
Macdonald: Art. »Bizet, Georges«, in: Grove Music Online; <http://www.oxfordmusiconline.com/subscri
ber/article/grove/music/51829>, 10. 02. 2010).
136 Boissier, S. 54–55.
137 Ebd., S. 60–61
138 Ebd., S. 80–81.
139 Zitiert nach Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 96.
140 Diese altbewährte Transpositionstechnik findet sich in ähnlicher Form schon 1704 bei Johann Baptist Samber: Manuductio ad organum, Salzburg: J. B. Mayrs, 1704, S. 167–170 (bzw. die Figuren 37 und 38 des Anhangs).
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in Paris) verbreitet war, zeigt ein exemplarischer Vergleich von Antoine Elwarts Petit manuel
d’Harmonie, Jean-Georges Kastners Méthode élémentaire d’Harmonie und Adolphe Le Carpentiers École d’Harmonie.141 Das deutlichste Beispiel dürfte aber wahrscheinlich Charles
Baudiots Traité de Transposition Musicale142sein, den Zimmerman für das vertiefende Studium der Transposition empfiehlt.143 Baudiots Traktat wurde als offizielles Lehrbuch am
Pariser Conservatoire verwendet und behandelt ausschließlich und besonders detailreich
die Technik der Transposition. Die notwendige Voraussetzung bildet das flüssige Lesen
der sieben Schlüssel, welches in Solfègeübungen vermittelt wurde. Durch ein ausreichendes
harmonisches Verständnis (d. h. der praktischen Erfahrung im Generalbassspiel) und regelmäßige Übung erlangt man mit der Zeit Erfahrung in der notwendigen Anpassung der Vorzeichnung.144 Ob Chopin die Schlüsseltransposition praktizierte bzw. unterrichtete, scheint
nicht dokumentiert zu sein. Die von ihm überlieferten »deux exercises de transposition« zeigen aber, dass auch er im Unterricht Wert auf die Transposition legte, wobei er dabei strukturell transponieren ließ und nicht mithilfe der sieben Schlüssel.145 Es ist davon auszugehen,
dass er selbst die Schlüsseltransposition aufgrund seines umfassenden harmonischen Verständnisses auch bei schwierigeren Stücken nicht wirklich nötig hatte und ihm daran gelegen war, dass seine Schüler ein ebensolches Verständnis erlangten. Auch hier zeigen sich
wiederum die starken Analogien zu Liszts Arbeitsweise:
»Er verlangt, daß man, wenn in irgend einer Passage ein paar widerstrebende Takte vorkommen, dieselben nicht nur stundenlang übe, sondern herausfinde, in welche Klasse
sie gehören, und sie dann in allen Tonarten studiere.«146
141 Antoine Elwart: Petit manuel d’Harmonie, d’Accompagnement de la Basse chiffrée, de réduction de la partition
au piano, et de transposition musicale,…Ouvrage à l’usage des jeunes Pianistes, 4ème ed., Paris: Colombier,
[1839], Reprint Boston: Elibron, 2006; Jean-Georges Kastner: Méthode élémentaire d’Harmonie appliqué
au Piano suivie d’un aperçu de l’Accompagnement et de la Transposition à l’usage des Pianistes, Paris: Meissonier,
1841; Adolphe Le Carpentier: École d’Harmonie et d’Accompagnement ou Méthode théorique et pratique suivie
d’Articles spéciaux sur la Transposition et sur la Réduction au Piano des Partitions d’Orchestre, composé expressément pour les Jeunes Pianistes, Paris: Meissonier, [1854].
142 Charles Baudiot: Traité de Transposition Musicale, Paris: Espinasse, 1837. Das Lehrbuch wendet sich ebenso
an praktische Musiker wie an Kopisten (vgl. dazu das Vorwort des Traité).
143 Vgl. Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 62.
144 Vgl. Baudiot, Traité, S. 1–2.
145 Bei Chopins kurzen ›Transpositions-Aufgaben‹, welche nicht zu den Skizzen zu seiner Méthode de Piano zählen, müsste eigentlich eher die Rede von ›Aufgabenstellungen‹ bzw. ›angedeuteten Transpositions-Aufgaben‹
sein, denn es handelt sich dabei lediglich um das variierte Sequenzieren einer kurzen melodischen Wendung
(Chopin, [Deux exercices de transposition], in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, Fig. 39 bzw. S. 102–105). Chopin ließ aufgrund der günstigen Lage für die Hände Tonleiterübungen bekanntlich in H-Dur beginnen und
dann sequenzieren: »Commencer par la gamme en si majeur et arriver graduellement à celle d’ut, en reculant
chaque fois d’un doigt.« (Chopin, in: Chopin/Eigeldinger, Esquisses, S. 78).
146 Boissier, S. 75. Vgl. auch Anm. 94.
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Abbildung 3: Beispieltabelle für die Schlüsseltransposition (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 63)
5. Repertoirestudium und Übemethodik
Zum Abschluss der »Elementaren Klavierschule« gibt Zimmerman Hinweise zum täglichen
Üben sowie Literaturempfehlungen für technische Übungen und Repertoirestücke. Er
schlägt als ungefähre Richtlinie für das tägliche Üben folgende Unterteilung vor (wobei
er bemerkt, dass die Zusammenstellung selbstverständlich individuell und je nach Altersstufe dem Bedürfnis des Schülers anzupassen sei):
»½ heure
½ heure
1 heure
½ heure
½ heure
Une série de l’exercice des 5 doigts.
Une série de gammes.
Étude ou fugue.
Une série des exercices indiqués ci-contre page 67.
Exercices ou gammes contenus dans les 2 parties de la méthode et qui ne
font pas partie des séries ci-dessus.
Un morceau.
1 heure
–––
= 4 heures Plus lecture ou transposition.«147
147 Vgl. Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 67–68. Zur Effizienz von Zimmermans Unterricht vgl. Anm. 64,
95, 119 und 122. Es ist bei Chopins oben erwähnter Vorgabe von maximal drei Stunden täglicher Übezeit
(s. o., S. 276 bzw. Anm. 96) zu bedenken, dass er diese Angabe im Zuge einer Ermahnung machte und damit
sehr wahrscheinlich die ausschließlich dem Klavierstudium gewidmete Zeit meinte, aber wohl nicht den Be-
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Zimmerman gibt außerdem Empfehlungen für die Auswahl eines guten Instruments und
rät, bei Gelegenheit Fugen auch auf der Orgel zu spielen.148 Er schließt mit allgemeinen
Hinweisen zum Auftritt und Ratschlägen für die Lehrer. Die Literaturhinweise werden
im Anhang durch eine Zusammenstellung von eigenen Etüden sowie Etüden und Fugen
anderer Komponisten der Zeit ergänzt.149
6. Harmonielehre150 – Rebers Traité d’Harmonie
Eine knappe Betrachtung des Inhalts von Rebers Traité d’Harmonie soll nun die Ausrichtung von dessen potentiellem Beitrag zu Chopins Méthode de Piano verdeutlichen. Der Traité setzt sich aus zwei ›Büchern‹ zusammen, welche von einer Einleitung und Bemerkungen
zur allgemeinen Musiklehre auf der einen Seite, sowie einem »Supplément« mit Ausführungen über Imitationen, Kontrapunkt, den ›Strengen Stil‹ und Studentenarbeiten der ›Concours‹ des Pariser Conservatoires auf der anderen Seite umrahmt werden. Den eigentlichen
Hauptteil bildet die Lehre von den konsonanten und dissonanten Akkorden sowie den harmoniefremden Tönen und Alterationen. Dieser Hauptteil entspricht – abgesehen vom ungleich größeren Umfang – im Wesentlichen dem Abschnitt »De l’Harmonie« in Zimmermans Encyclopédie: Über die Erklärung der Intervalle, der konsonanten und dissonanten
Akkorde und Umkehrungen sowie Vorhalte, Durchgänge und Alterationen gelangt auch
Zimmerman zu den Orgelpunkten und Kadenzen. Beide Autoren folgen damit wiederum
dem klassischen Aufbau der Harmonielehren des Pariser Conservatoires im 19. Jahrhundert.
such von Konzerten, die Komposition und alles was im weiteren Sinne auch zu einer musikalischen Weiterbildung gerechnet werden kann.
148 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 65; vgl. auch Anm. 26.
149 Eigeldingers Aussage, in Zimmermans Encyclopédie fänden sich als Übungsstücke ausschließlich unter technischen Gesichtspunkten behandelte Etüden ist zu korrigieren, denn neben Zimmermans Nocturne (siehe
Abb. 9) finden sich auch schon im Anhang des zweiten Teils Fugen verschiedener Autoren, im dritten Teil
sogar Fugen samt Analyse: »Son approche [der Zimmermans] tient du recensement: elle est donc d’ordre
quantitatif. Contrairement à Fétis-Moscheles et surtout à Czerny, Zimmerman prend en compte uniquement
les pièces du genre Etude (qu’elles soient de Chopin ou d’autres auteurs), lesquelles sont envisagées exclusivement sous l’angle de l’argument technique et non de la qualité artistique. Aucune Etude de Chopin ne fait
l’objet de citation musicale ou de commentaire spécifique« (Eigeldinger, »L’image de Chopin«, S. 438).
150 An Zimmermans einleitenden Worten zum »Supplément« wird deutlich, mit welchem Selbstverständnis eine
theoretische Bildung bei professionellen Pianisten vorausgesetzt wurde: »À l’époque oú nous sommes, le virtuose qui ne saurait que jouer du piano, quelqu’habile il fût d’ailleurs, ne pourrait être considéré que comme
un écolier, s’il ne joint pas à ce talent la connaissance de l’harmonie qui est la grammaire de la musique.« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 1). Zimmerman folgt im Kapitel »De l’Harmonie« im Wesentlichen dem Vorgehen seines ehemaligen Lehrers Catel (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 1–17). Vgl. dazu: Charles Simon
Catel: Traité Complet d’Harmonie (Edition Populaire), Paris: Aulagnier, o. J.; ders.: A treatise on harmony: written and composed for the use of the pupils at the Royal Conservatoire of Music in Paris, from the english copy with
additional notes and explanations, by Lowell Mason, Boston: J. Loring, 1832. Digital unter: <http://books.
google.de/books?id=hOwsAAAAYAAJ&dq=Catel+A+Treatise&source=gbs_navlinks_s>, 9. 01. 2010. Darüber hinaus fallen auch besonders die Einflüsse von Zimmermans Lehrer Luigi Cherubini ins Auge (vgl.
Abb. 7 und den Abschnitt 8: »Kontrapunkt und Fuge«). Vgl. allgemein auch Groth, S. 18–76, bzw. Peters.
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Abbildung 4: Arabische Bassstufenbezifferung – »degrés« und »espèces« (Reber, Traité, S. 17)
Henri Reber behandelt sehr ausführlich auch harmonische Neuerungen der Zeit, und es ist
zu beobachten, dass sich im Traité d’Harmonie die verschiedensten musiktheoretischen Strömungen mischen. Trotz des fest verankerten Denkens in Umkehrungen und Akkordfunktionen als theoretische Erklärung von Klängen, wird bei der Vermittlung der satztechnischen Praxis konstant an der Generalbassnotation und dem skalaren Bassstufendenken
festgehalten (siehe Abb. 4).
Die Bassstufenbezifferung mit arabischen Zahlen erinnert auf den ersten Blick an E. A. Försters Generalbassübungen151 und man könnte meinen, es handele sich hier um ›Regolastufen‹.152 Eigentlich ist die Bezifferung aber schon im Sinne von römischen Ziffern gemeint,
wie die Klassifizierung der Dreiklänge (»espèces«, 1=Dur, 2=Moll, 3=vermindert, 4=über151 Emanuel Aloys Förster: Anleitung zum Generalbaß, Wien: Artaria, 1805 und die 2. vermehrte Auflage, Wien:
Artaria, 1823; ders.: Emanuel Aloys Förster’s Practische Beyspiele als Fortsetzung zu seiner Anleitung des Generalbasses, erste Abtheilung, Wien: Artaria, 1818; s. o., S. 11 und Anm. 45; desweiteren auch: Ludwig Holtmeier:
Art. »Förster, Emanuel Aloys., in: Heinz von Loesch/Claus Raab (Hg.), Beethoven-Lexikon, Laaber: Laaber,
2008, S. 253–254.
152 Vgl. ders.: Art. »Oktavregel«, in: Heinz von Loesch/Claus Raab (Hg.), Beethoven-Lexikon, Laaber: Laaber,
2008, S. 559–561.
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Abbildung 5: »Basses et Chants donnés« (Reber, Traité, S. 84)
mäßig) deutlich macht. Die Einflüsse aus der italienischen Partimento-153 und der ›Wiener
Klassischen‹ Generalbasstradition sind unübersehbar. Modelle, Sequenzen und kleine partimentoartige Übungen – die »Basses et Chants donnés« – fließen fortlaufend in Rebers
detailreiche theoretische Ausführungen ein (Abb. 5).
Wie schon Zimmerman, Kalkbrenner, Kastner und Le Carpentier, widmet auch Reber der
Oktavregel einen Abschnitt,154 wobei er die Betrachtung der Oktavregel als Grundlage für
ein eigenständiges funktional-harmonisches System ablehnt155 und sie schlichtweg als eine
von vielen Möglichkeiten einer Oktavharmonisierung bezeichnet, was dem Zeitgeist ent153 Ludwig Holtmeier/Felix Diergarten: Art. »Partimento«, in: MGG2, Supplément, Kassel 2008, Sp. 653–659;
Peter Williams/ Rosa Cafiero: Art. »Partimento«, in: Grove Music Online, <http://www.oxfordmusiconline.
com/subscriber/article/grove/music/20981>, 9. 01. 2010.
154 Siehe oben, S. 277, Anm. 102 bzw. S. 288, Anm. 141.
155 Vgl. dazu Holtmeier/Diergarten, MGG2 Art. »Partimento«; Holtmeier, Beethoven-Lexikon Art. »Oktavregel«;
Markus Jans: »Towards a History of the Origin and Development of the Rule of the Octave«, in: Towards tonality; aspects of Baroque music theory, Edited by Peter Dejans, Leuven: Leuven U. Press, 2007.
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spricht.156 Reber betont schließlich am Ende des Lehrgangs, dass nach der Lektüre, da der
theoretische Teil – das Theorielehrbuch im eigentlichen Sinne – beendet sei, sich der Schüler fleißig in der Praxis, also im Spielen und Aussetzen der Partimenti, bezifferter und unbezifferter Bässe sowie Melodien zu üben habe.157 Zu diesem Zwecke gibt er zusätzlich Empfehlungen für Lehrbücher und Übungssammlungen: die Partimenti von Fenaroli (dessen
Lehrbuch auch Zimmerman empfiehlt)158, Bässe von Sala und Mattei sowie die Uebungen
zum Studium der Harmonie und des Contrapunkts von Chopins geschätztem Freund und
berühmten »Pianiste Compositeur« Ferdinand Hiller.159
7. Generalbassspiel und Improvisation
Das Partimento- bzw. Generalbassspiel war selbstverständlicher Bestandteil eines professionellen Studiums und häufig auch des Laienunterrichts.160 Als Schemata, welche in Stücken
zur Anwendung gelangen können und durch die man eine »habitude instinctive«161, also
gleichsam ein Körpergedächtnis für die Tonalität entwickelte, übte man sowohl die Oktavregel (»Règle d’Octave«, Abb. 6) als auch die typischen Kadenzen (»Cadences«) und Sequenzmodelle (»Marches«, Abb. 7). Mit diesen Modellen dürfte auch Chopin seit frühester
Jugend durch den Generalbassuntericht vertraut gewesen sein. Sie finden sich nicht selten
als Gerüstsatz in seinen Kompositionen.162 Durch das Generalbassspiel und das auf die Im156 Durch die Mischung der verschiedenen Theorien rückte die Bedeutung des Intervallgerüstsatzes mehr und
mehr in den Hintergrund. Unter vorrangig akkordisch verstandenen Klangverbindungen musste die Standardharmonisierung der Oktavregel zwangsläufig als einengend empfunden werden. Reber bemerkt dazu:
»au siècle dernier, dans certaines écoles, cette prétendue règle était considérée comme une sorte de loi harmonique, et […] de nos jours encore, beaucoup des musiciens paraissent y attacher une grande importance. […]
Ces deux formules étaient considérées comme la règle des enchaînements harmoniques dont la Basse représente, soit une gamme entière, soit quelque fraction de gamme. Or, quoique cette manière d’enchaîner les accords, dans ce cas, soit incontestablement bonne, il est évident qu’il y a beaucoup d’autres manières de chiffrer
les deux gammes, et que rien ne justifie ni l’adoption exclusive de deux formules uniques, ni surtout le nom
inexplicable de règle d’octave qu’on leur à donné.« (Reber, Traité, S. 127–128); analog kann Kalkbrenners Äußerung zur Oktavregel herangezogen werden: »Möge es mir erlaubt sein, in der Molltonleiter ebenfalls eine
kleine Aenderung anzubringen, welche die langweilige Eintönigkeit im Octavengange, wie Albrechtsberger
und die Alten ihn uns gaben, beseitigen wird […]. Wir müssen hier noch verweilen, und über die Leiter soviel
harmonische Combinationen, Imitationen und Modulationen machen, als man finden kann; anfangs als Harmoniker, indem wir alle uns bekannten Accorde anwenden, endlich als Pianist, indem wir unser Instrument
geltend machen.« (Kalkbrenner, Harmonielehre, S. 29).
157 Reber, Traité, S. 209.
158 Fedele Fenaroli: Cours Complet d’Harmonie et de Haute Composition, Paris: Launer, o. J. (vgl. Zimmerman,
Encyclopédie, Bd. 3, S. 17).
159 Ferdinand Hiller: Uebungen zum Studium der Harmonie und des Contrapunktes, Köln: DuMont-Schauberg’sche Buchhandlung, 2. Aufl. 1860 und 28. Aufl. 1930.
160 Siehe oben, S. 269, Anm. 102 und vgl. Anm. 163.
161 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 19.
162 Vgl. z. B. die Etüden (etwa op. 10, Nr. 1; op. 25, Nr. 9), Mazurken (z. B. op. 7, Nr. 2; op. 68, Nr. 3) und Nocturnes (z. B. op. 15, Nr. 3; op. 48, Nr. 1). Vgl. auch Anm. 100.
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provisation und Komposition ausgerichtete analytische Üben von kleineren Stücken und
Passagen war es nur eine Frage der Zeit und Übung, bis man schließlich auch eigene Bässe
und Melodien erfinden und begleiten konnte. So wurde der Schüler Schritt für Schritt zum
›Präludieren und Improvisieren‹ geführt.163
Neben den verschiedenen Techniken der Variation eines Generalbassgerüstes164 wurden im
Klavierunterricht auch Verzierungen und Ornamente behandelt (siehe Abb. 8 und 9).
Dass die hier skizzierten Inhalte sich aber keinesfalls nur auf die Klaviervirtuosenausbildung
beschränkten, wird deutlich, wenn man neben den Instrumentalschulen auch die Gesangsschulen der Zeit miteinander vergleicht. In Manuel Garcias Exercises pour la voix etwa finden sich den Trillervariationen Zimmermans (Abb. 8) vergleichbare Gesangsverzierungen
über einem Generalbassmodell, mit dem sich der Sänger selbst begleiten kann.165 Anhand
163 Auch Friedrich Kalkbrenner folgt in seinem Improvisationslehrbuch dieser Vorgehensweise: Kalkbrenner, Harmonielehre bzw. Traité d’harmonie du Pianiste. Vgl. in diesem Zusammenhang auch: André Grétry: Méthode
simple pour apprendre à préluder, Paris 1801/1802, Reprint New York: Broude Brothers, 1968; Carl Czerny:
Die Kunst des Präludirens, op. 300, Wien: Diabelli, [1833]; ders.: Systematische Anleitung zum Fantasieren
auf dem Pianoforte, op. 200, Wien: Diabelli, 1829, Reprint (hrsg. von Ulrich Mahlert), Wiesbaden: Breitkopf
& Härtel, 1993; ders.: Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule: von dem ersten Anfange bis zur
höchsten Ausbildung fortschreitend …; in 4 Theilen ; op. 500, Wien: Diabelli, [1839–1846]; ders.: »Von dem
Vortrage« (1839), dritter Teil aus: Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule, op. 500, Wien: Diabelli,
1846, Reprint (hrsg. von Ulrich Mahlert), Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 1991. Gesonderte Hinweise und
Lehrbücher zur Improvisation wurden in erster Linie für junge Musiker und Laien herausgegeben, da es unter
professionellen Pianisten eine Selbstverständlichkeit war, dass man das Improvisieren lernte und beherrschte:
»QUELQUES INDICATIONS POUR PRÉLUDER[:] Le peu de conseils que je donne ici ne s’adresse pas
à celui qui a déjà l’habitude du clavier, je n’ai en vue, que l’élève qui n’ose encore rien risquer.« (Zimmerman,
Bd. 3, S. 18); vgl. auch Kalkbrenners Einleitung zu seiner Harmonielehre (Traité d’Harmonie du Pianiste):
»Den vortrefflichen Werken, welche bereits zum Studium der Harmonie erschienen sind, ein neues zuzufügen,
erscheint beinahe anmassend. Es sei daher sogleich bemerkt, dass es sich hier nur um eine Unterweisung für
junge Pianisten handelt, auf eine neue Art die Harmonie in ihren Fortschreitungen oder Accordfolgen anwenden, präludiren und improvisiren zu lernen. Was könnte man den Abhandlungen von Fuchs, Marpurg, Albrechtsberger, Catel, Cherubini, Reicha, Dourlen, Zimmermann und dem wichtigen Werke von Fétis: ›la musique mise à la portée de tout le monde‹ noch hinzufügen als gleichtiefe Kenntnisse? […] Ich habe daher geglaubt,
dass das Werk, welches ich hiermit dem gewissenhaften Liebhaber vorlege, der Kunst nützen werde, indem es
den Schleier lüftet, welcher den technischen Theil der Musik bedeckt, und sie allen denen unbegreiflich macht,
die nicht gründlich in dieselbe eingeweiht sind.« (Interessant erscheint an dieser Stelle auch Kalkbrenners weit
gefasstes Verständnis des »technischen Theil[s] der Musik«; siehe auch Anm. 92); vgl. auch Hummel, der seine
Ausführungen in der 1838er Neuauflage seines Lehrbuches von 1828 auf Bitten von Liebhabern von einer Seite
auf acht Seiten erweitert: »Ich nehme Liebhaber an, die, nach gutem Unterricht in allem theoretisch- und praktisch-Elementarischen, sich im Spiele, was Fertigkeit, Sicherheit, Geschmack und Ausdruck betrifft, beträchtlich geübt und ausgebildet haben. (Wollten Andere frei phantasieren, so wäre es dasselbe, als wollten sie malerische Compositionen liefern, ohne zeichnen zu können, oder als wollten sie dichten und ihre Dichtungen mittheilen, ohne die Sprache inne zu haben.)« (Hummel, Anweisung zum Piano-Forte-Spiel 1838, Bd. 3, S. 463).
164 Vgl. insbesondere Kalkbrenner, Harmonielehre bzw. Traité d’harmonie du Pianiste (siehe auch Anm. 156).
Hummel nennt diese Art des verzierten Generalbasses »Figuralbass« (Hummel, Anweisung zum Piano-ForteSpiel 1828, Bd. 3, S. 434).
165 vgl. Manuel (del Populo Vincente Rodriguez) Garcia: Exercises pour la voix avec un discours préliminaire, Paris:
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Abbildung 6: »Règle d’Octave« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 19)
von Zimmermans Nocturne, welches sich im Anhang der Encyclopédie befindet, lässt sich
leicht nachvollziehen, wie sich die dargestellten Übungen in einer Improvisation anwenden
lassen und wie frei seinerzeit mit dem musikalischen Text umgegangen wurde166 (Abb. 9).
Ch. Boieldieu, [ca. 1835], Faksimile, in: Chant. Vol. III/Garcia (père), Duprez, Rossini, volume réalisé par Jeanne
Roudet, Courlay: Fuzeau, 2005, z. B. S. 42. Garcias Tochter, die berühmte Sängerin Pauline Viardot-Garcia war
übrigens Schülerin von Chopin sowie von Anton Reicha und sie war für ihr herausragendes Blatt- und Partiturspiel bekannt. Chopin schätzte auch ihre Schwester Maria Malibran (Garcia) (vgl. dazu Anm. 1 und s. o., S. 269).
166 Eigeldingers Behauptung, Zimmermans Encyclopédie behandele genau wie Fétis/Moscheles’ Méthode des Méthodes im Wesentlichen den »mécanisme pianistique« (wobei er einräumt, dass bei Zimmerman auch die
»écriture« eine Rolle spiele), ist sehr verkürzend und wird Zimmermans Encyclopédie nicht gerecht, da Eigeldinger nicht zuletzt die Improvisation übergeht: »Les méthodes de Zimmerman et de Fétis-Moscheles, axées
pour l’essentiel sur des problèmes de mécanisme pianistique (mais aussi d’écriture chez le premier), sont
avares en matière de notions stylistiques.« (Eigeldinger, »L’image de Chopin«, S. 455).
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Abbildung 7: »Marches« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 12)167
167 Vgl. Luigi Cherubini: Marches d’Harmonie pratiquées dans la composition, produisant des suites regulières de
consonances et dissonances, Paris: Troupenas,1847.
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Abbildung 8: »Notes de goût« – Trillervorbereitungen und Trillerendungen (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2,
S. 60)
Es ist überliefert, dass Chopin gerne John Fields Nocturnes spielte und dabei die Verzierungen variierte.168 In seinen eigenen Werken schrieb er bekanntlich immer wieder Verzierungen um oder änderte sogar ganze Passagen. Dabei tat er sich schwer, definitive Fassungen
seiner Werke festzulegen, da so die improvisatorische Freiheit eingegrenzt wurde.169 Zieht
man zu diesen Betrachtungen die Beschreibungen von Chopins Improvisationen hinzu,
so lässt sich durchaus erahnen, wie seine ›freien‹ Improvisationen in struktureller Hinsicht
zustande kamen und wie sie geklungen haben könnten.170 Am Ende des Kapitels über die
Harmonielehre, den Generalbass sowie die Improvisation und mit dem Übergang zur Kon168 Mikuli, S. III, Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 80–81.
169 Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, vor allem »Annexes« I und II; vgl. auch John Rink: »Work in progress:
l’œuvre infini(e) de Chopin«, in: Interpréter Chopin – actes du colloque des 25 et 26 mai 2005 (ed. par JeanJacques Eigeldinger), Paris: Cité de la musique, 2006, S. 82–90.
170 Vgl. auch: Krystyna Kobylańska: »Les Improvisations de Frédéric Chopin«, in: Chopin Studies 3 (Warschau,
1990), S. 77–103; Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, insbesondere das Kapitel »Chopin improvisateur«,
S. 366–374; John Rink: »Chopin and Schenker: Improvisation and Musical Structure«, in: Chopin Studies
3 (Warschau, 1990), S. 219–231.
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Abbildung 9: Nocturne par Zimmerman mit »Ornemens« (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 2, S. 72)
trapunkt- und Fugenlehre zeigt sich, wie fließend die Grenzen in der feinen Differenzierung zwischen »Pianistes Compositeurs« und »Compositeurs Pianistes« verliefen:
»A cet endroit de mon ouvrage, la tâche indispensable d’un Pianiste peut être accomplie.
Ce qui a été dit, au sujet de l’harmonie est suffisant pour diriger ses doigts, et pour le mettre
à même de se rendre compte de ce qu’il exécute. Mais s’il veut ne rester étranger à rien de ce
qui constitue l’art du compositeur et puiser de nouvelles ressources dans l’étude de la fugue, je vais lui en offrir les moyens, en abrégeant ce travail autant que possible, sans toute
fois, négliger rien d’utile.«171
171 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 20. Man vergleiche analog dazu den Abschnitt aus der Fachzeitschrift Le
Pianiste: »Que l’amateur s’arrête, et que l’artiste continue de marcher, voilà toute la différence. Et, que l’on y
pense bien, le rôle modeste et utile d’accompagnateur exige à lui seul beaucoup de facilité à lire et une tête
meublée harmoniquement: aussi ne sortirons-nous pas de cette période sans y fixer l’étude développée des
principes de la musique et de la connaissance des accords avec application au piano. C’est le but du cours
de théorie musicale que publie le Pianiste.« (»De l’Étude [Deuxième Article] I.«, in: Charles, Le Pianiste, »Première Année« [1833–1834], S. 71); vgl. auch Anm. 2.
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8. Kontrapunkt und Fuge
Die Einflüsse von Zimmermans Lehrer Luigi Cherubini (1760–1842) sind besonders in
diesem Kapitel unübersehbar. Cherubinis Lehrbuch Cours de Contrepoint et de Fugue172 erfreute sich seinerzeit großer Popularität. Es hatte bis zu Chopins Tod einen festen Platz in
dessen Regal173 und wurde auch von Henri Reber (neben Reichas Cours de composition musicale) als Kontrapunktlehrbuch empfohlen.174 Die Kontrapunktstudien in Zimmermans
Encyclopédie basieren (Cherubini folgend) ebenfalls auf dem »contrepoint rigoureux moderne« und zielen im Hinblick auf das Klavierspiel in erster Linie auf die Fuge.175 Wiederum in
komprimierter aber prägnanter Form gelangt Zimmerman über den zwei- bis vierstimmigen Gattungskontrapunkt zu den Imitationen und schließlich zum doppelten bis vierfachen
Kontrapunkt, um dann mit dem Fugenstudium fortzufahren.176 Seiner fasslichen Behandlung der einzelnen Elemente einer Fuge fügt er Beispiele samt Analyse an (Abb. 10).
172 Neben diesem empfiehlt Zimmerman auch einen »traité de composition« von Fétis, womit Fétis’ Traité du
Contrepoint et de la Fugue von 1824 gemeint sein könnte (Zimmerman, Bd. 3, S. 42). Cherubinis Lehrbuch
basiert auf einem speziellen Kontrapunktbegriff, welcher durch sein Studium bei Sarti und Martini in Italien
geprägt wurde. Er selbst nannte ihn den »contrepoint rigoureux moderne«, welcher sich zwar an Fux’ Gattungskontrapunkt anlehnt und ausführliche Übungen zur Stimmführung beinhaltet, sich jedoch im Rahmen
der ›modernen‹ Dur-Moll-Tonalität bewegt:
»En commençant ce Cours, je suppose l’Élève déjà instruit dans la Théorie des accords et par conséquent de
l’harmonie. Je lui fais donc entreprendre sur le champ le CONTRE-POINT RIGOUREUX, non celui qui
suivait la tonalité du Plain-chant et qu’ont pratiqué les anciens Compositeurs, mais le contre-point rigoureux
moderne, c’est-à-dire suivant la tonalité actuelle, ce qui amenera l’Élève insensiblement à se rendre familier
l’art de faire la Fugue, qui est le fondement de la composition. Il est nécessaire que l’Élève soit contraint de
suivre des préceptes sévères, afin que par la suite composant dans un systême libre, il sache comment et pourquoi son génie, s’il en a, l’aura obligé de s’affranchir souvent de la rigueur des premières règles. C’est en s’asservissant d’abord à la sévèrité de ces règles qu’il saura ensuite éviter prudemment l’abus des licences; c’est avec
ce travail aussi, qu’il pourra se former dans le style convenable au genre fugué, et ce style est le plus difficile à
acquérir.« (Cherubini, Cours de Contrepoint et de Fugue, »Introduction«); vgl. ders.: Cours de Contrepoint et de
Fugue. A Treatise on Counterpoint and Fugue, translated by Mrs. Cowden Clarke. Engl. Übersetzung der
franz. Ausgabe Paris 1835, London: Novello, Ewer and Co., 1854. Digital unter: <http://imslp.org/wiki/
Counterpoint_and_Fugue_(Cherubini,_Luigi)>, 9. 10. 2010; ders.: Theorie des Contrapunktes und der Fuge,
aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von G. Stoepel, Leipzig: Kistner, 1835; vgl. zu Cherubinis
Kontrapunktbegriff auch Groth, S. 77–152.
173 Vgl. Bronarski. Siehe auch oben, S. 268, Anm. 62 und 63.
174 Reber, Traité, S. 265.
175 Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 31–42.
176 Bizet benutzte als Lehrer in seinem eigenen Kontrapunktunterricht für die cantus firmi später auch die Bezeichnung »Chants donnés«, welche auch Zimmerman und Cherubini verwendeten (Georges Bizet – Edmond
Galabert/Paul Lacombe: Etudes de composition sous la direction de Georges Bizet, Introduction et édition par
Mathilde Vittu [= AMICVS – Quatrième série, Domaine Français, Période Romantique et Moderne], Liège:
Mardaga, 2005, S. 25).
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Abbildung 10: Analyseausschnitt einer vierstimmigen Fuge (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 41)
9. Freie Komposition
In dem Kapitel über die freie Komposition kann Zimmerman im Rahmen der Encyclopédie
du Pianiste Compositeur selbstverständlich nur einen kurzen Einblick in das weite Feld der
Kompositionslehre geben.177 Dabei ist er jedoch auf Vollständigkeit bedacht. Es fällt auf,
dass sich die betrachteten Themenfelder stark mit dem Kanon aus Chopins Kompositionsausbildung in Warschau decken. Dem Vorgehen Reichas ähnelnd178 folgen bei Zimmerman
den einleitenden Bemerkungen zu Stilfragen Abschnitte über die Melodie und die Vokalmusik179 (Solo, Chor und Rezitative), die Instrumentalmusik im Allgemeinen und die Klaviermusik im Besonderen (Konzerte, Sonaten, Duos, Trios, Quartette,Variationen, Polonaisen, vierhändige Stücke) sowie Erläuterungen zur Instrumentation.180 Zum Abschluss gibt
177 Bezüglich der Einzeldisziplinen in der französischen Kompositionslehre des 19. Jh. vgl. auch Groth und Peters.
178 Vgl. Anton Reicha: Cours de composition musicale …Vollständiges Lehrbuch der musikalischen Composition …Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Carl Czerny, 4
Bde., Wien: Diabelli, 1832.
179 Vgl. auch den Titel von Elsners unveröffentlichter Abhandlung über die Melodie und den Gesang (s. o., S. 266).
180 Als eine der ersten umfassenden Instrumentationslehren im modernen Sinne kann Jean-Georges Kastners
Traktat gelten, welchen Zimmerman zum vertiefenden Studium empfiehlt (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3,
S. 49): Traité général d’Instrumentation (digital in der Version: Jean-Georges Kastner’s Traité général d’Instru-
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Zimmerman allgemeine Ratschläge und Empfehlungen zum Partiturstudium, wodurch
sich ein nahtloser Übergang zum Partiturspiel ergibt.
10. Partiturspiel
Um Kammermusik und Orchesterwerke in kleinerem Rahmen zu Gehör zu bringen, war es
eine Notwendigkeit, diese auf dem Klavier darstellen zu können. Wie zu allen anderen Teilbereichen des hier erläuterten Fächerkanons gab es natürlich auch Lehrbücher, die eigens
dem Partiturspiel gewidmet waren. Als Beispiel sei Fétis’ Traité de l’accompagnement de la
partition genannt.181 Es ist zwar nicht überliefert, dass Chopin seine Schüler gezielt im Partiturspiel unterrichtete, er begleitete diese aber selbstverständlich bei Klavierkonzerten182
und legte sicherlich auch Wert darauf, dass diese dazu ebenso in der Lage waren. Wie schon
in Louis Adams Méthode de Piano steht das Partiturspiel auch in Zimmermans Encyclopédie
sinnvollerweise an letzter Stelle, da alle anderen Teilbereiche die notwendige Voraussetzung
dafür bilden.183 Neben allgemeinen Erläuterungen zum Partiturspiel demonstriert Zimmerman exemplarisch die Vorgehensweise bei der Reduktion einer Orchesterpartitur (Abb. 11).
Abbildung 11: Reduktion einer Orchesterpartitur (Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 56)
mentation: A Translation and Commentary von Patricia Denton, University of North Texas, 2003. <http://di
gital.library.unt.edu/permalink/meta-dc-4165:1>, 16. 08. 2009).
181 François-Jospeh Fétis: Traité de l’accompagnement de la partition sur le piano ou l’orgue, Paris: Schlesinger, o. J.
182 Vgl. Eigeldinger, Chopin vu par ses élèves, S. 96–97 sowie S. 103–104.
183 Adam, S. 227–232; vgl. auch die Anordnung bei Elwart, Kastner (Méthode) und Le Carpentier (s. o., S. 277
bzw. Anm. 141).
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Diesem letzten Kapitel des »Supplément« folgt in der Encyclopédie noch ein Anhang, in dem
sich ein ergänzendes Glossar findet, welches u. a. längere Abschnitte über die Geschichte der
Musik (insbesondere auch die Geschichte der Musiktheorie), das Pariser Conservatoire und
das Klavier beinhaltet. Abschließend finden sich in diesem Anhang noch Motetten und eine
Vokalfuge von Zimmerman (als Beispiele zum Abschnitt »Kontrapunkt und Fuge«), in welchen er eindrücklich sein kontrapunktisches Können unter Beweis stellt.184
***
»La musique proprement dite«: Historisch informierte und stilistisch
differenzierte Lehrpraxis
Wie Chopins Méthode de Piano letztlich genau ausgesehen hätte – auch wenn Alkan und
Reber sie tatsächlich vollendet hätten – wird Spekulation bleiben.185 Wenn man aber Chopins eigene Ausbildung, seine Skizzen zur Méthode sowie die Beschreibungen seines Unterrichts zusammen nimmt, erscheint mir der Versuch dieser weiter gefassten Rekonstruktion
auf Grundlage historischer Quellen nicht ohne innere Berechtigung zu sein. Denn in jedem
Falle ermöglicht sie einen Einblick in das handwerkliche Selbstverständnis eines professionellen Musikers in der Mitte des 19. Jahrhunderts – einen Einblick der von entscheidender
Bedeutung für das Verständnis der Musik als auch der ästhetischen und pädagogischen Diskurse dieser Zeit ist. Betrachtet man die angesprochenen Teildisziplinen zusammenfassend,
ihre Konsistenz und Kontinuität in den unterschiedlichen Lehrwerken der Epoche, so ist
auffallend, wie umfangreich und ›ganzheitlich‹, ja in der Tat ›enzyklopädisch‹ die professionelle musikalische Ausbildung im 19. Jh. angelegt war. Es war das sowohl am Warschauer
Konservatorium als auch am Pariser Conservatoire in je eigener Form praktizierte Miteinander von Praxis und Theorie – von Improvisation, Interpretation und Komposition – welches
einen Virtuosentypus hervorgebracht hat, der dem ursprünglichen lateinischen Wortsinne
des Virtuosen, d. h. des ›virtus‹ besitzenden Musikers, wirklich gerecht wurde.186
In Anbetracht der Vielfalt der Betätigungsfelder jener professionellen Virtuosen und ihrer ›Musizierhaltung‹ im Allgemeinen müsste man sagen, dass ihnen heutzutage ein Jazzmusiker wesentlich näher zu stehen scheint als der moderne Interpret des ›klassisch-romantischen‹ Repertoires. Chopins Begeisterung für die verschiedensten orgel- und klavierarti184 Dort findet sich auch Zimmermans sechsstimmige Motette im ›strengen Stil‹, welche ihm den ersten Platz
als möglicher Nachfolger Elers sicherte (vgl. Zimmerman, Encyclopédie, Bd. 3, S. 62–63; vgl. außerdem
Anm. 130).
185 Falls Chopins Méthode de Piano nur ein kompaktes Handbuch über den pianistischen »mécanisme« geworden wäre, könnte umso mehr angenommen werden, dass Chopin mit dem allgemeinen Fächerkanon einverstanden gewesen ist und er nur auf diesem Gebiet einen wirklichen Bedarf nach einem Lehrbuch gesehen
hätte (vgl. den Abschnitt »Die Méthode de Piano: Chopin als Lehrer« und vor allem die Anm. 124 und 131).
186 Das damalige Verständnis des Virtuositätsbegriffes spiegelt neben den Lehrbüchern besonders die Fachzeitschrift Le Pianiste wieder (Charles, Le Pianiste).
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303
gen Instrumente (vgl. Anm. 26) sowie die Überlieferung seiner gemeinsamen Improvisation
mit Aleksander Rembieliński 1826 scheinen diesen Vergleich zu stützen: Suchte man für
dieses improvisierte Duo eine moderne Entsprechung, man könnte wohl die Duo-Improvisationen von Billy Taylor bzw. die gemeinsamen Improvisationen Friedrich Guldas mit
Herbie Hancock oder Chick Corea anführen.187
Natürlich kann die musikalische Ausbildung – eine ›Méthode‹ – das überragende Talent
Frédéric Chopins allein nicht begründen oder etwa abschließend erklären. Aber die gründliche Schule, durch die er in seiner Jugend ging, bildet die Basis und die Voraussetzung auf
der sich seine spätere Entwicklung überhaupt erst vollziehen konnte.188 Chopin wurde von
Anfang an mehr als »Compositeur Pianiste« ausgebildet denn als »Pianiste Compositeur«.189
Das wird einer der Gründe sein, warum seine Kompositionen über die Produktionen vieler
anderer komponierender Pianisten hinausragen. Und es mag hierin auch der Grund liegen,
warum er das Komponieren und Unterrichten in seinen letzten Lebensjahren immer mehr
dem Konzertieren vorzog. Denn beim Komponieren und in der Lehre war er der »musique
proprement dite«, so wie er sie verstand, näher als irgend sonst.190 Mikuli gegenüber soll
Chopin geäußert haben, man müsse die Musik wie eine Muttersprache beherrschen:
»Ueber falsches Phrasiren wiederholte er oft die treffende Bemerkung, es komme ihm vor,
als recitire Jemand in einer Sprache ohne sie zu kennen, eine mühevoll dem Gedächtnisse
eingeprägte Rede, wobei der Vortragende nicht nur die natürliche Quantität der Silben
nicht beachte, sondern wohl gar mitten in einem Worte einen Haltepunct mache. Der
falsch phrasierende Pseudo-Musiker gebe in ähnlicher Weise zu erkennen, dass die Musik
nicht seine Muttersprache, sondern etwas ihm Fremdes, Unverständliches sei, und müsse,
wie jener Declamator, ganz darauf verzichten, mit seinem Vortrage irgend welche Wirkung auf den Zuhörer zu erzielen.«191
Zur völligen »maîtrise«, der souveränen Beherrschung einer Muttersprache (der musikalischen ›Muttersprache‹) gehören, um im Vergleich zu bleiben und den oben dargestellten
Fächerkanon aufzugreifen, die Konversation (das Duo-und Ensemblespiel)192, die vorbereitete oder freie Rede (das Recital oder die Improvisation) und das Lesen (das Blattlesen und
187 Vgl. Kobylańska, S. 81. Man suche zum Vergleich z. B. unter <www.youtube.com> nach »Billy Taylor, Monty
Alexander« oder »Friedrich Gulda, Herbie Hancock«.
188 Vgl. dazu auch Anton Reichas Bemerkungen zu den Voraussetzungen eines Komponisten (Reicha, Cours de
composition, Bd. 2, 4. Teil, S. 351–355).
189 Vgl. Crisp und auch den Brief von Mikołaj Chopin aus Warschau an seinen Sohn in Paris (27. Nov. 1831): »tu
sais aussi que le mécanisme du jeu t’a pris peu de temps et que ton esprit s’est plus occupé que tes doigts. Si
d’autres ont passé des journées entières à faire mouvoir un clavier, tu y as rarement passé une heure entière à
exécuter les ouvrages des autres.« (Chopin/Sydow, Correspondance, Bd. 2, S. 20–21).
190 Vgl. dazu auch Mikuli.
191 Mikuli, S. IV.
192 Vgl. das Mikuli-Zitat, oben, S. 278 (siehe auch Anm. 104).
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das Partiturstudium), weiterhin aber auch das Schreiben sowie die Beschäftigung mit der
Grammatik, dem Vokabular etc. (Komposition und alles was zur Musiktheorie gezählt werden kann).193
Chopin und seine Zeitgenossen dürften kaum gezögert haben, wenn man sie gefragt
hätte, was mit dem Begriff der musikalischen ›Muttersprache‹ gemeint sei. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ist diese Frage nicht mehr so einfach zu beantworten. Inmitten
der Allgegenwart der musikalischen Stile aller Zeiten, vom Mittelalter bis zur klassischen
Moderne, von der ›Ars subtilior‹ bis zum ›Free Jazz‹, scheinen ganzheitliche pädagogische
Konzepte wie die der »Pianistes Compositeurs« an natürliche Grenzen zu stoßen und
zum Scheitern verurteilt. Wo wäre heute noch Raum für eine solchermaßen breit angelegte
Ausbildung? Und wo wäre ihre innere Berechtigung in Zeiten, in denen ein Musiker heute
eine Dufay Messe singt und morgen ein Stück von Stockhausen?
Darauf wäre zunächst einmal zu antworten, dass dem erschlagenden Überangebot und
der allgegenwärtigen Zugänglichkeit von Musik aller Stile und Zeiten eine immer größere
Spezialisierung der Einzelbereiche gegenübersteht: Das ist die Gegentendenz zur permanenten Präsenz der Geschichte. Die Departementalisierung hat auch die musikalische Ausbildung schon längst ergriffen und geprägt. Nicht nur gibt es Institute und Hochschulen für
›alte‹ Musik, sondern auch innerhalb der spezialisierten Institutionen setzt sich die Spezialisierung fort: Man studiert die Musik des Mittelalters, der Renaissance oder des Barock.
›Jazz‹ hat seinen eigenen Bereich, in dem die Improvisation heute noch einen eigentlichen
Ort hat, aber auch hier wird man kaum noch von einer geschlossenen, einheitlichen und
umfassenden Ausbildung sprechen können: Das gleiche gilt für die ›Neue Musik‹, für die
›Pop-Musik‹ etc. – ›Stile‹ die selbst nur noch schwer durch einfache Überbegriffe zu fassen
sind.
Die stilistische Gleichzeitigkeit von musikalischer Vergangenheit und Gegenwart ist kein
überzeugendes Argument gegen die Forderung, eine Ausbildung voranzutreiben, die darauf
zielt, die Musik wie eine Muttersprache zu beherrschen. Vielmehr gilt es, den ganzheitlichen
Ansatz der »Pianistes Compositeurs«, die selber nur eine jahrhundertealte Ausbildungstradition fortgesetzt haben, den Bedingungen der modernen, spezialisierten Studiengänge anzupassen. Wird etwa ein so stark in der Improvisation wurzelndes Genre wie die romantische
Klaviermusik gelehrt, sollte das in Zukunft nicht mehr durch ein reines Repertoirestudium
geschehen: Denn das wäre wiederum so, als wolle man eine Sprache nicht durch freies Sprechen, sondern ausschließlich durch Lesen und das Rezitieren von Gedichten erlernen und
ohne je eigene Gedanken zu formen und zum Ausdruck zu bringen. Ein Lösungsansatz wäre
es, stilgebundene Improvisation stärker in der Ausbildung zu verankern. Das setzt aber zunächst eine Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten und der Vermittlungspraxis, als auch
193 Der Vergleich von Sprache und Musik hinkt selbstverständlich in vielerlei Hinsicht. Er soll hier jedoch im
Sinne seiner Verwendung durch Chopin, Charles (Chaulieu), Zimmerman und Hummel aufgegriffen werden, denn im Kontext des Fächerkanons einer musikalischen Ausbildung erscheint er durchaus sinnvoll (vgl.
Anm. 10, 150 und 163).
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der Aufführungspraxis194 des jeweiligen Stils und der jeweiligen Zeit zwingend voraus. Handelt es sich dabei um ›alte‹ Musik – und dazu gehört heute eben auch die Musik des 19. und
20. Jahrhunderts –, ist es besonders geboten, sich aus unterschiedlichen Gesichtswinkeln
mit deren historischen Bedingungen auseinanderzusetzen.
Die Ausbildungspraxis des 19. Jh., die Leistungen der Pädagogen (aber auch der Verleger,
Konzertveranstalter und Förderer), ohne die es auch die ›Meisterwerke‹ nicht gegeben hätte,195 wurden bisher allzu oft unterschätzt: Man hat dadurch vor allem die Chance vergeben,
von ihnen zu lernen. Man wird jenen, die die pädagogische Grundlagenarbeit geleistet haben, nicht gerecht, wenn man sie an den »exécutants hors ligne«, den bekanntesten Virtuosen sowie den berühmtesten Komponisten und deren Werken misst.196 Dies sollte bei allen
Werturteilen nie vergessen werden. Der Bereich der Lehre ist ein ebenso wertvoller und
wichtiger Bestandteil jener musikalischen Kultur, wie die Kunstwerke selbst, die letztlich
aus ihm hervorgegangen sind: Er ist nach seinen eigenen Maßstäben zu beurteilen.197 Viel
194 Vgl. zur Aufführungspraxis z. B.: Clive Brown: Classical & Romantic Performing Practice 1750–1900, Oxford: Oxford University Press, 1999; Jean-Jacques Eigeldinger: L’univers musical de Chopin, Paris: Fayard,
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195 Eine strikte Trennung zwischen den Berufsfeldern ist für das 19. Jh. eigentlich unpassend. Viele Musiker waren parallel vielseitig tätig, konzertierten, komponierten, unterrichteten und verlegten häufig sogar auch
selbst. Vgl. dazu John Rink: »The profession of music«, in: The Cambridge History of Nineteenth-Century Music (ed. by Jim Samson), Cambridge: Cambridge University Press, 2002, S. 55–86; siehe ebenfalls Anm. 92.
196 Beispielhaft deutlich wird diese Tendenz etwa in Jonathan Bellmans Artikel »Chopin and His Imitators: Notated Emulations of the ›True Style‹ of Performance«, in: 19th-Century Music 24/2, Special Issue: »Nineteenth-Century Pianism« (2000), Berkeley: University of California Press, S. 149–160. Digital unter:
<http://www.jstor.org/pss/746839>, 9. 01. 2010. Der interessante Ansatz des Textes, Stildetails zu vergleichen – zitiert werden ebenfalls Zimmermans Nocturne und seine Trillervarianten (siehe Abb. 8 und 9) – mündet letztlich in der abwertenden Darstellung Zimmermans und Gottschalks als reine Imitatoren Chopins: »It
may just be that the composers who imitated him – none of them Chopin’s equal – were exploring on their
own, going him one better. This would be more plausible if these composers were, typically, inventive, daring,
and experimental – but they were not.« (S. 159–160). Wenngleich allgemeine stilistische Parallelen zu Chopins Kompositionen selbstverständlich auch in den Werken Gottschalks und Zimmerman anzutreffen sind,
mutet es doch seltsam an, wenn gerade der 25 Jahre ältere Zimmerman als ›Imitator‹ Chopins bezeichnet wird.
Wenn es dabei um die besagte Etüde im ›Nocturne-Stil‹ von Zimmerman geht, dann wären Parallelen eigentlich zunächst einmal an den Nocturnes ihres ›Erfinders‹ John Field (1782–1837) festzumachen. Der pädagogische Kontext von Zimmermans Nocturne (durch das eben auch Verzierungen gelehrt werden sollen) rückt
bei Bellman in den Hintergrund, wodurch letztlich auch der Wert der Komposition verkannt wird.
197 Die Leistungen der professionellen Pädagogen wurden wohl am angemessensten von ihren Schülern selbst
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von dem in Vergessenheit geratenen Wissen und Können könnte davon ausgehend heute
unschwer wieder fruchtbar gemacht werden. Welche Konsequenzen das für die gesamte
Konzeption der musikalischen Ausbildung hätte und inwieweit man spezifische Lehrinhalte von ihrer Stilgebundenheit abstrahieren und einem heutigen Musikunterricht kompatibel
machen kann, das muss die Praxis erweisen. Es mag sich schließlich auch die Frage stellen,
welche Rolle stilgebundene Improvisation im heutigen Konzertleben spielen könnte und in
welcher Art von Konzerten? Warum sollte man nicht wieder vermehrt ›gemischte‹ Konzerte
veranstalten, in denen das solistische mit dem kammermusikalischen Musizieren abwechselt, das Spielen eigener Werke mit der Interpretation der Werke anderer und die Soloimprovisation mit der gemeinsamen Improvisation?198
Um den Reichtum dieser Möglichkeiten auszuschöpfen und um den verschiedenen Epochen der Musikgeschichte in pädagogischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Hinsicht
gerecht zu werden, müsste der ›historisch informierten Aufführungspraxis‹ und der jüngeren ›historisch informierten Musiktheorie‹ eine ›historisch informierte und stilistisch differenzierte Lehrpraxis‹ an die Seite treten. So ließe sich gewiss ein inspirierendes Gleichgewicht zwischen einer bewahrenden und einer innovativen Traditionspflege herstellen.
eingeschätzt. Vgl. neben Chopins hochachtungsvoller Äußerung über Elsner und Zywny auch Liszts Äuße˙
rungen über die erstklassige Professorenschaft des Pariser Conservatoires (vgl. Anm. 116) und Marmontels
Einleitung zu seinem Kapitel über Carl Czerny: »Les maîtres savants, modestes, habiles et dévoués, qui consacrent leur vie à l’enseignement, sans autre ambition que celle d’élever le niveau des études, sans autre désir
que celui d’initier la jeunesse aux beautés de l’art, remplissent une mission égale au rôle des plus grands virtuoses. Les exécutants hors ligne ne sont pas toujours les meilleurs professeurs, tandis que beaucoup d’artistes
de valeur ont renoncé à des succès éclatants et certains pour se dévouer tout entiers à un devoir plus modeste.
Louis Adam, Zimmerman, Pradher, Mme Farrenc, Henri Herz, Kalkbrenner, et enfin Czerny ont bien mérité
de l’art, non-seulement en lui prêtant l’appui de leur science, mais encore en lui sacrifiant leur renommée de
virtuose, en renonçant à ce que nous appelerons la mise en scène de leur talent.« (Marmontel, S. 283); vgl.
auch Marmontels Würdigung Zimmermans: »Zimmerman a été un des grandes initiateurs du piano. […]
Il aurait pu laisser un nom glorieux au théâtre ou sur le livre d’or de virtuoses; son instruction musicale, la richesse de son imagination lui permettaient de choisir sa voie; il a préféré le rôle modeste, mais précieux, d’instituteur de la jeunesse, et grâce à ses soins dévoués, une pléiade d’artistes célèbres, compositeurs et exécutants,
a grandi pour continuer ses traditions. On peut l’appeler la génération de 1830« (ebd., S. 195).
198 Selbstverständlich kann hier nur von Tendenzen in der Aufführungs- und Ausbildungspraxis die Rede sein.
In diesem Zusammenhang ist vor allem die Aufführungspraxis des ›klassisch-romantischen‹ Klavierrepertoires gemeint, welche selbst einer stetigen Wandlung unterliegt (vgl. Anm. 194). Weder die ›freie‹ und ›stilgebundene‹ Klavierimprovisation noch das ›gemischte‹ Konzert sind je ganz aus dem Konzertleben verschwunden, wurden jedoch durchaus verdrängt und sind heute vielmehr weniger gewöhnlich. Während
das Klavier-Solorecital heute z. B. einen Normalfall darstellt, war es für das frühe bis mittlere 19. Jh. eher untypisch. Es etablierte sich erst in der späteren zweiten Hälfte des Jahrhunderts.
Vergleiche zu der Entwicklung der Konzertformen insbesondere Janet Rittermann: »Piano music and the public concert, 1800–1850«, in: The Cambridge Companion to Chopin, edited by Jim Samson, Cambridge: Cambridge University Press, 1995, S. 11–31; Hamilton, S. 33–72.
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