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Wie Siebenbürgen verschwand Ungarn, Rumänien und der »Transsilvanismus« Gabor Egri Es ist einfach und herkömmlich, und auch nicht ohne Grund, den Vertrag von Trianon als nur einen Höhepunkt der jahrhundertelangen ungarisch-rumänischen Feindselig keiten zu betrachten, Feindseligkeiten, die logischerweise später zu anderen Krisen, wie dem Zweiten Weltkrieg und dem Zweiten Wiener Schiedsspruch führten. Dass beide Staaten sich gegenseitig als Opponenten, von Zeit zu Zeit als auch Feinde wahr genommen haben, ist in der Historiographie gründlich dokumentiert. Das Verlust Siebenbürgens, und damit etwa 1,4 Millionen ungarisch-sprachiger Einwohner des Landes, symbolisch sehr gewichtiger Städte und Regionen wie Klau- senburg/Kolozsvär/Cluj, Nagybanya/Frauenbach/Baia Mare, Szeklerland, und auch von Wirtschaftszentren wie dem Banat oder Großwardein, schockierte die ungari sche Gesellschaft und Politik zutiefst. Die Wirkung des Friedensvertrags war umso erschütternder, als im System der ethnischen Auto- und Heterostereotypen der Ungarn die Rumänen seit Jahrhunderten als minderwertig und für Staatsbildung ungeeignet betrachtet wurden, was auch bedeutete, dass einer der Grundpfeiler der ungarischen Selbstwahmehmung infrage gestellt wurde. (Solche Stereotypen gab es natürlich auch umgekehrt, da in der rumänischen Selbstwahrnehmung die Ungarn als asiatische Bar baren, als Hunnen betrachtet und den lateinischen Rumänen gegenübergestellt wur den.) Deswegen war der Verlust der Provinz nicht nur ein praktisches Desaster, es war auch symbolisch unvorstellbar und untragbar, einen Teil (Zentral)Europas dem Balkan anzuschließen. Vor diesem Hintergrund ist es keinesfalls überraschend, dass Ungarn während der Zwischenkriegszeit Revisionspläne pflegte und Rumänien und die Rumänen propa gandistisch in finsteren Farben malte. Rumänien reagierte mit Hysterie auf den unga rischen Irredentismus, die manchmal auch zu willkürlichen Sicherheitsmaßnahmen gegen nationale Minderheiten führte. Doch wenn man das Leben in Siebenbürgen genauer anschaute, konnte man konstatieren dass wesentliche Elemente aus Öster reich-Ungarn in der Provinz überlebten und sich im Alltagsleben häufig manifestier- 45 ten. Jenseits des Alltags waren politischer Regionalismus und kultureller »Transsil vanismus« die Erscheinungsformen dieses Phänomens. In diesem Essay versuche ich dessen Überleben bis heute zu erklären. Von der symbolischen zur praktischen Trennung: Irredentismus, Hysterie und ethnische Säuberungspläne Ungarns staatliche Außenpolitik forderte vom Anfang an entweder die Milderung oder eine vollkommene Revision des Friedensvertrags. Doch wegen der Isolation des Landes und der dringend nötigen Finanzhilfe, um die Wirtschaftskrise zu bewältigen, machte Istvan Bethlens Regierung ab 1921 Anpassung an die neue Weltordnung zu ihrer Priorität. Während der Periode zwischen Ende 1919 und der Unterzeichnung des Friedensvertrags versuchte Bethlen verzweifelt, eine Personalunion mit Rumänien un ter der Hohenzollem-Dynastie zu errichten. Obwohl dieser Plan ebenso wie andere Re visionsversuche scheiterte, blieb der wirtschaftliche Wiederaufbau unvermeidlich und die wichtigste Aufgabe der Politik. Deswegen wurden revisionistische Organisationen einer Zentralstelle, von Pal Teleki geleitet, unterstellt, und mit offiziösen Leitlinien für die Propaganda ausgestattet. Keinesfalls bedeutete diese Zurückhaltung aber einen Verzicht auf Revisionspläne. Bethlen glaubte an eine Annäherung an Großbritannien, das Land, das nach Bethlens Meinung am einfachsten zur Unterstützung Ungarns be wegt werden konnte, weil es im britischen Interesse lag, den französischen Einfluss in Osteuropa zu beschränken. Britische Mithilfe hinsichtlich der Völkerbund-Anleihe, die die Stabilisierung der Krone und später die Einführung der neuen Währung, Pengö, ermöglichte, schien Bethlens Pläne zu rechtfertigen, aber weitere Schritte in Richtung einer britisch-ungarischen Zusammenarbeit und territoriale Änderungen blieben aus. Deswegen wandte sich Bethlen an Italien und dessen Diktator Mussolini, der auch eine Änderung der europäischen Ordnung, die er als nachteilig für sein Land ansah, anstrebte. Da sich die italienische Außenpolitik zunächst aber gegen Jugoslawien rich tete, unternahm Mussolini nur wenig gegen Rumänien, in dem er auch einen mögli chen Verbündeten erkannte. Doch Mussolinis öffentliche Unterstützung und geheime Waffenlieferungen ermunterten Bethlen, der einen außenpolitischen Kurswechsel im Jahr 1928 ankündigte. Parallel dazu, aber nicht von der ungarischen Regierung insze niert, betrieb der britische Pressemagnat, Lord Rothermere seine Kampagne für eine Revision der ungarischen Grenzen, die aber durch ihre Lautstärke manchmal auch die ungarische Politik belastete. Rothermere wurde nach Ungarn eingeladen und gefeiert, auch die Idee der Krönung seines Sohnes mit der Stephanskrone tauchte auf. Dieser Siegeszug des englischen Magnaten zeigte auch, wie einfach die Emotionen mit Hilfe der Propaganda angefeuert werden konnten. Diese Ereignisse bedeuteten, dass eine friedliche Revision der Grenzen jetzt auch das Ziel der offiziellen ungarischen Regierungspolitik war, und dies auch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb. Die Begründung dieser Politik waren angebliche und wirkliche Diskriminierungen der ungarischen Minderheit in den Nachbarländern, wie es ein beachtlicher Teil der Propaganda behauptete. Logischerweise wurde Rumä nien darin als ein Staat der Unterdrückung gezeichnet, in dem die Minderheiten unter ständiger Verfolgung litten. Um deren Leiden zu beenden, war territoriale Revision die einzige Möglichkeit; denn der Völkerbund weigerte sich angeblich, sich um seine vertragliche Verpflichtung des Minderheitenschutzes zu kümmern. 46 Die Zielsetzung der rumänischen Politik war der der ungarischen Politik diame tral entgegengesetzt. Obwohl auch den Politikern des Altreiches bewusst war, dass Großrumänien, nicht zuletzt wegen seiner Multiethnizität und des unterschiedlichen Entwicklungsniveau zwischen den Provinzen, auch wegen des rumänisches Regio nalismus ein sehr fragiles und unsicheres Land war, das zuerst im Inneren gefestigt werden musste, so blieb die Lösung, einige Gebiete loszuwerden, um Homogenität zu gewinnen, immer ein Anathema. Dieses Unsicherheitsgefühl, ohne Kompromissfähig keit mit Ungarn, ohne eine Minderheitenpolitik, die durch großzügige Konzessionen die Nationalitäteneliten zu gewinnen versuchte, führte dazu, dass nichts anderes übrig blieb, als die Minderheitenfrage in eine Sicherheitsfrage umzuwandeln, was vor allem durch den Staatssicherheitsapparat, und auf politischer Ebene durch Gegenpropaganda erreicht werden sollte. Letztere wurde durch einen antirevisionistisches Verband (Lega Antirevisionistä) einer Massenorganisation erweitert (ebenso wie die Ungarische Revisionistische zu Liga - Reviziös Liga - unter der Führung des Schriftstellers Ferenc Herczeg), die seit ihrer Gründung im Dezember 1933 Massendemonstrationen in den wichtigsten Städten organisierte - neben der Propagandaaktivität, die die Regierung finanziell un terstützte. Die Staatssicherheit - Siguranta- versuchte, angeblichen verdächtigen Irredentismus zu beobachten und zu verhindern: der Begriff Irredentismus war aber vage und unpräzise, meistens erfasste es jegliche Aktivität der Minderheiten ohne Diffe renzierung, oder einzelne Personen wurden als Irredentisten betrachtet wegen einer unbedeutenden Tat in der Vergangenheit, nicht selten vor Jahrzehnten. Daraus ergab sich eine willkürliche Verwendung des Begriffs, mit allen vorstellbaren Konsequen zen: Schauprozesse, Schikanierung, administrative Strafen, aber auch überraschende Nachgiebigkeit und informelle Kompromissbereitschaft auf lokaler Ebene. Schon diese Ereignisse waren wenig vorteilhaft für das ungarisch-rumänische Ver hältnis. Was aber nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch - der Entscheidung Nazi deutschlands und Italiens am 30. August 1940, Nordsiebenbürgen (mit etwa Million Rumänen von 2,5 Millionen Einwohnern) wieder an Ungarn anzuschließen kam, war noch einige Jahren früher unvorstellbar: Etwa 200 000 Menschen starke Flüchtlingswellen in beide Richtungen, Unter drückungsmaßnahmen gegen die Intelligenz, in Südsiebenbürgen auch gegen alle Un garn, beiderseitige Pläne für ethnische Säuberung durch einseitige Deportation oder durch Bevölkerungsaustausch, nach September 1944 auch ein Krieg mit Waffen und paramilitärischer Gewalt gegen Ungarn in den rückeroberten Gebieten Ende 1944. Be sonders die Flüchtlingswellen wirkten sich schlimm aus, weil in Rumänien die mehr als zweihunderttausend Vertriebenen eine verbitterte und kompromisslose Propaganda gegen Ungarn führten, und mit einfachen Gesten, wie z.B. regelmäßige Ausflüge aus Torda/Thorenburg/Turda, um die Stadt Klausenburg von oben, von einem Gipfel zu sehen, die antiungarischen Gefühle in der rumänischen Gesellschaft festigten. 1 »Transsilvanismus« und siebenbürgische Gemeinsamkeit: wo die Monarchie noch lange anhielt Soweit ist es die gewöhnliche Geschichte einer immer tieferen Trennung Ungarns von Rumänien, die schließlich zum Krieg führte und zusammen mit der Erinnerung an die Ceau§escu-Ära, besonders in den 1980er Jahren, auch heute noch dieses Verhältnis vergiften kann. Innerhalb dieser Geschichte, die eigentlich das Bild eines ewigen Kon- 47 flikts auf diese Periode transponiert, gibt es sehr wenig Platz für Nuancen, und noch weniger für friedliches Zusammenleben, von der Möglichkeit einer siebenbürgischen inter- oder transethnischen Gemeinschaft gar nicht zu reden. Wenn man aber eine alternative Perspektive sucht, und statt der höheren Ebene der Politik und der diskursiven Gruppenidentität einen Blick auf das Alltagsleben wirft, manifestiert sich etwas Unerwartetes - die Persistenz des Erbes von ÖsterreichUngarn als Basis für manche soziale Praxis, die sehr häufig auch ethnische Grenzen überschritten oder neugezogen hat. Dies trug dazu bei, dass Ungarn aus Siebenbürgen und Ungarn aus Ungarn einander immer ferner fühlten. Was bedeutete diese weit verbreitete Praxis und diese sozialen Normen, auf wel chen Feldern des Lebens war es wichtig und wie beeinflusste es die Minderheitenexis tenz in Großrumänien? Es war keinesfalls eine Gesellschaft, in der interethnischer Kontakt auf allen Gebieten selbstverständlich war. Die Nationalitäten Siebenbürgens, d.h. Rumänen, Ungarn, Sachsen-Deutsche hatten ihre eigenen Systeme und Institutio nen, die nationale Kultur und Identität reproduzierten, - wie Schulen, Kirchen, wissen schaftliche Assoziationen, Lesekreise, Zeitungen und Zeitschriften usw. Diese boten nicht nur den Rahmen, wo die eigene Sprache erlernt und weitgehend für nationale kulturelle Zwecke benutzt, ja auch gefördert war, durch diese Institutionen waren die einzelnen als Ungarn, Rumänen, Sachsen-Deutsche sozialisiert. Der Staat versuchte auch die Wirtschaft sehr schnell zu nationalisieren und nicht rumänische Besitzer der Firmen und Betriebe aus ihrer Position zu verdrängen. Es wurde aber bald klar, dass ohne das Kapital, die Kenntnisse und die Erfahrung der nichtrumänischen Eigentümer eine wirksame Organisation der Wirtschaft fast unmög lich war. Deswegen genügte es am Ende auch bei den strategisch wichtigsten Betrie ben, wie z.B. den Eisenwerken von Reschitza, eine Minderheit von nichtrumänischen Aktien an rumänischen Banken und Firmen loszuwerden, und rumänische Politiker in die Direktions- und Aufsichtsräte aufzunehmen. Doch blieb ein überraschend großes Feld im Alltagsleben von direkter Nationalisierung verschont - mindestens im Sinne der Existenz einer gemeinsamen Alltags- und Unterhaltungskultur, die sich nicht nur als Praxis manifestierte, und Normen für soziales Verhalten auf diesem Gebiet anbot, sondern in besonderen Situationen auch eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl unter Siebenbürgem erwecken konnte. Eines der Zentren dieses sozialen Raumes war das Kaffeehaus, und darin die Mu sik sei es Zigeuner- oder in den 1930er Jahren immer mehr Jazz -, aber auch die Lektüre von Zeitschriften und gemeinsame Unterhaltung, ohne Rücksicht auf Ethnizität. Musik war auch außerhalb des Kaffeehauses sehr wichtig: Operette, leich tere Theaterstücke, Musikprogramme der neuen Rundfunkstationen, vor allem aber jene von Budapest, waren beliebt. Mehrere Dokumente der Staatssicherheit deuten darauf hin, dass solche Produkte aus Ungarn vor und nach 1918 auch unter Rumä nen sehr beliebt waren. Universitätsprofessoren, wie Silviu Dragomir (Geschichte), oder Augustin Maior (Physik, auch ein Funkamateur) aber auch Bauern in den Dör fern entlang und in der Nähe der Grenze hörten der Musik aus Budapest zu. Ärzte, Mittelschullehrer, höhere und mittlere Staatsbeamte, Privatangestellte amüsierten sich mit Zigeunermusik und die Kapellen spielten Lieder, die die Staatssicherheit als irredentistisch betrachtete und mit schweren Strafen bedrohte, nicht selten über Aufforderung von Rumänen (Unter solchen Liedern war manchmal auch die unga rische Nationalhymne). Theatertruppen, die herkömmliche leichtere Theaterstücke aus Ungarn aufführten, das Badeleben im Sovata oder Buzias - noch einmal mit 48 Musikkapellen und Theateraufführungen am Abend aber auch im Stadtbad oder die Sportereignisse Strand, wie Tennisturniere Fußballspiele haben alle oder am Menschen angezogen. Solche sozialen Verbindungen und Netzwerke halfen den Minderheiten, die nati onalisierende Staatspolitik abzuwehren. Wo man ein gutes Verhältnis mit den loka len Repräsentanten des Staates hatte, wurden repressive Maßnahmen nicht oder nur scheinbar verwendet, aus der Zeit der Dualismus stammende soziale Hierarchien wur den aufrechthalten. Dieser Typ von informellem Kompromiss ging so weit, dass in den Jahren 1934-35, als die Bukarester Regierung möglichst viele Minderheitenbeamte aus dem Staatsdienst entlassen wollte, deren rumänische Vorgesetzte die Betroffenen mit allen Mitteln und nicht ohne Erfolg verteidigten. Es ist keine Überraschung, dass manche Rumänen, die aus dem Altreich, aus Bukarest, lasi, Tägoviste oder Craiova nach Siebenbürgen reisten oder sich dort ansiedelten, erschüttert waren, weil das All tagsleben in der Provinz noch immer von einer Kultur, die sie als ungarisch ansahen, geprägt war. Dieser fremde Charakter Siebenbürgens blieb bis dem Zweiten Weltkrieg und auch danach immer wieder erwähnt, und als wesentlich nichtrumänisch beschrieben. Was aber diese Altreichsrumänen wirklich skandalisierte, war das Benehmen der Sieben bürger Rumänen, die sich immer wieder jener angeblich nichtrumänischen Praxis an geschlossen. Dazu bot dieser Unterschied auch die gute Möglichkeit für Siebenbürger Rumänen, Altreichsrumänen in jeglichen Situationen praktisch und symbolisch abzu grenzen. Wenn man plötzlich eine Konversation in Ungarisch begann oder ein ungari sches Lied sang, brachte dies eine wesentliche Differenz, und mit Hilfe des Repertoires eine andere Ethnizität zum Ausdruck. Daraus ergaben sich wechselseitige Ressentiments und gegenseitige Anschuldi gungen, mit denen man sehr leicht die rumänische Ethnizität der anderen bestritt. Es war politischer Regionalismus, der dieses Gefühl auch in der Politik ausdrückte, mit dem Ziel, den nationalstaatlichen Zentralismus zu lockern. Obwohl es eine politische Zusammenarbeit zwischen ethnischen Minderheiten und rumänischen Regionalisten nur sehr selten gab, diente der »Alltagstranssilvanismus« als gewichtige und einfach fassbare Ausdrucksform des Regionalismus. Inzwischen kam es zur Entfremdung der Ungarn an beiden Seiten der Grenzen. Begegnungen im Ungarn vor 1940, und nach August 1940 in Nordsiebenbürgen, mündeten in ähnlichen Ressentiments und Verfestigung von politischem Regiona lismus. Mindestens im Diskurs wurden Rumänen und die Gesellschaft Rumäniens als ausgeglichener, sozialer, mobiler, und damit auch näher zur Minderheitenerfah rung der Ungarn im Rumänien wahrgenommen als jene von Ungarn: dies führte aber nochmals zu einer neuen Spaltung der Nation, diesmal eine Trennung von Ungarn und Ungarn. Zwischen diesen neuen quasi-ethnischen Grenzen hatte Siebenbürgen und dessen Gesellschaft soziale Praxis und Normen des Alltagslebens von Österreich-Ungarn ge erbt oder zumindest mit einem solchem Erbe diskursiv verknüpft. Zur Erhaltung dieses Konstrukts spielten die Mittelschichten eine Schlüsselrolle, die Provinz war »ihr Sie benbürgen«, das sie gegen Fremde jeder Richtung und Nationalität bewahren wollten. Es erklärt aber auch, warum dieses Konstrukt so schnell zerbrach und verschwand. Verantwortung dafür trug die Politik, aber nicht einfach Revisionismus, Irredentismus und Hysterie. Die Ursache war eine Art Absage oder Kündigung von beiden Seiten mit dem und nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch. Einerseits begann Ungarn 49 ebenso wie Rumänien eine Politik, die auf die Verdrängung der Mittelschichten der Minderheiten aus allen sozialen und wirtschaftlichen Positionen abzielte und damit den Sozialisierungsrahmen der nationalen Identitäten zu eliminieren versuchte. Die ser Zielsetzung folgend sollten beide Siebenbürgischen Mittelschichten - trotz aller regionalistischen Ideen - die Nationalstaaten stützen, da diesen die nötigen Ressour cen zur Abwehr, oder im Falle der Rumänen, zur Rückeroberung des Nordens, fehl ten. Damit sollten die neuen, während der Zwischenkriegszeit errichteten und gefes tigten Trennlinien innerhalb der ungarischen und rumänischen Nation geschwächt, gleichzeitig aber die Grenze zwischen Ungarn und Rumänen gestärkt werden. Andererseits wurde diese Mittelschicht, die rumänische wie auch die ungarische, von den ersten repressiven Maßnahmen der Kommunisten nach 1945 betroffen, was zu ihrer Eliminierung in Gefängnissen, oder zumindest zum völligen Verlust des sozialen Status, und damit auch zum Verschwinden jenes Milieus führte, in dem vorher der Alltagstranssilvanismus verankert war. Die Kommunistische Partei Rumäniens etab lierte eine neue, bis zum Anfang der 1960er Jahre weitgehend interethnische Elite an der Macht, die auch eine gemeinsame Kultur hatte. Die soziale Praxis und die sozialen Normen der Zwischenkriegszeit wurden nur teilweise übernommen oder überliefert, und jedenfalls als bourgeoise Überreste stigmatisiert. Diese neue Elite war sehr tief in dem neuen kommunistischen Rumänien integriert, jeder Versuch, unter ihnen ethnische Toleranz nach der nationalistischen Wende von Gheorghe Gheorghiu-Dej und später von Nicolae Ceausescu aufrechtzuhalten, war wegen Parteidisziplin erfolglos. Für jene, die weder der Partei angehörten noch Ceausescus Ethnokommunismus dulden wollten, war es nur auf Grund der Ethnizität möglich, Widerstand gegen den Staat zu leisten. Ungarn und Rumänen aus Siebenbürgen blieben endlich getrennt und allein. Literatur Balogh, Beni L. (2012) Küzdelem Erdelyert. A magyar-romän kapcsolatok 6s a nemzetisegi kerdes 1940-1944. Akademiai Kiadö, Budapest. Balogh, Beni L. (Hrsg.) (2013) 2013, Kiszolgältatva. A del-erdelyi magyar kisebbseg 1940-1944 között. Pro Print, Csfkszereda. Bärdi, Nändor (2013) Otthon es haza. Tanulmänyok a romäniai magyar kisebbseg törteneteböl. Pro Print. Csfkszereda. Case, Holly (2009), Between States. The Transylvanian Question and the European Idea during WWII. Stanford University Press, Stanford CA. Egry, Gabor (2008), Serelmek, felelmek, kisällami szuverenitas-dogma: A romän politikai gondolkodäs magyarsägkepe a ket viläghäborü között. Limes, XXI, 78. 87-98. Egry, Gabor (2008), Az erdelyiseg »szfnevältozäsa«. 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