Thesen zur Theorie der Revolution.
1. Es gibt keinen Determinismus der Geschichte.
2. Zum Prinzip der (immanenten*) Notwendigkeit gehört
dialektisch immer auch das Prinzip der Freiheit. Notwendigkeit
im Sinne aber der Dialektik gibt es nur, wenn es Freiheit gibt,
denn nur dann gibt es auch Entwicklung. Ein strenger
„Determinismus“ würde besagen, daß es keine Freiheit gibt,
und darin aber auch, daß es gar keine Geschichte, gar keine
Entwicklung gibt. Denn Geschichte und Entwicklung gibt es
nur dann, wenn es Freiheit gibt. Nur dann, wenn die Welt
nicht eindeutig determiniert ist, dann gibt es Entwicklung, und
dann gibt es auch Freiheit.
3. Das Prinzip „Notwendigkeit“ ist ein kausales Prinzip, das
besagt, daß es durchaus eine innere Logik der Dinge, der Welt
gibt. Lehmann Brothers Einbruch war vorhersehbar und er
wurde auch vorhergesehen. Eine einseitige Ernährung kann
zu erheblichen Störungen der Gesundheit eines Körpers
führen, kann ebenfalls zu erheblichen psychischen Schäden
führen, und der gleichen mehr. Das, was im Bereich der
Ökonomie passiert kann auch im Bereich der Psychologie
passieren, im Bereich der Anatomie, im Bereich der
Gesundheit, im Bereich der Technik. Wenn permanent
Techniken angewendet werden, die in einem eklatanten
Widerspruch stehen zum Zweck derselben, wenn Zweck und
Mittel stark differieren, so soll man sich am Ende nicht
wundern, wenn einem dann die halbe Welt um die Ohren fliegt.
4. Ein Virus ist immer auch ein Indiz für einen Mißstand im
Bereich der Natur, sei dies im Bereich der subjektiven
Individual-Natur oder im Bereich der Objektiven Natur. Alles
hängt mit allem zusammen. Hen kai pan.
5. Notwendigkeit heißt nicht, daß alles determiniert ist und nach
einem ehernen Plan verläuft. Das ist oft von der politischen
Linken in Bezug auf die Revolution gesagt worden: die
Revolution aber ist keine historische Notwendigkeit, sondern
immer nur eine Möglichkeit: sie kann aber kommen, wenn die
Bedingungen in sich da sind, wenn die Motive reif sein. Das
aber ist immer schwer auszumachen. Die Revolution kann
man nicht an einem Tag festmachen, nicht an einem Ereignis
und nicht an einer Person. Die Revolution als Möglichkeit
heißt aber auch immer, daß die Revolution nur dann
stattfindet, wenn bestimmte Bedingungen da sind,
Bewußtsein wie ökonomische Verhältnisse, Ideen von einer
anderen Gesellschaft müssen ebenfalls da sein, Antizipation
derselben muß ebenfalls da sein. Rein aus der Verelendung
entsteht gar nichts. Die Verhältnisse alleine tun gar nichts.
Das Bewußtsein der Menschen tut ein Übriges. Die Technik
muß da sein, ökonomische Potenzen müssen da sein.
Gesamtgesellschaftliche Konditionen müssen da sein, die
Philosophie muß da sein, Personen müssen da sein, und erst
all dies ermöglicht eine Revolution, oder gestaltet sie, oder
gibt ihr eine Form oder einen Charakter. Rein aus dem Nichts
heraus entsteht gar nichts, und rein aus einer ökonomischen
Krise heraus auch nicht. Denn ohne das Telos einer anderen,
einer besseren Welt, einer besseren Ökonomie entsteht gar
nichts. Die Menschen, die Arbeiter, müssen Subjekte der
Revolution sein: das sind sie aber erst in ihrem Bewußtsein.
Das Bewußtsein ist letztendlich der Träger der Revolution. Die
materiellen Verhältnisse können sein, wie sie sind: rein aus
Elend heraus entsteht nicht die Vorstellung einer besseren
Welt. Da muß immer viel zusammenkommen, was
zusammengehört, und einen Automatismus gibt es nicht. Die
Revolution ist kein Gesetz der Geschichte, wenngleich man
ein Gesetz der Geschichte so formulieren kann, wie man ein
Gesetz der menschlichen Gesundheit formulieren kann: wer
sich permanent unternährt, soll sich am Ende nicht wundern,
wenn er krank wird, wenn sein Körper zusammenbricht, wenn
sein Geist und seine Psyche zusammenbrechen. Das aber ist
eine Logik der Geschichte, eine kausale Dimension, die aber
keine Determination ist. Rein formal, rein dogmatisch gibt es
keine Revolution: denn die Revolution braucht immer ein
Telos eines Anderen! Dieses „Andere“ muß eine klare
Differenzgestalt sein zum Jetzt, zum Sein, es muß dieses
„Andere“ antizipierbar sein, es muß ideell vorstellbar sein,
dann kann ein Schritt in eine andere Ökonomie gewagt und
getan werden. Rein aus Verelendung geht gar nichts. Auch
nicht der Lohn, der Reallohn, der Mindestlohn, der Niedriglohn
entscheiden über eine Revolution, sondern einzig und alleine
die komplexe Lebensweise der Menschen, zu der aber viele
andere Faktoren ebenso gehören wie der Lohn. Es war und es
ist falsch, eine Revolution bloß am Moment des Elends, der
sinkenden Profitrate und dergleichen festmachen zu wollen.
Nichts folgt aus all dem. Revolutionen sind Umschlagspunkte
im Sein, in dem ein Neues entsteht. Aber darin gibt es keinen
Automatismus wie es darin auch keinen Determinismus gibt.
6. Es war immer falsch, Marx diesen Determinismus
vorzuwerfen, er läßt sich aus seinen Schriften nicht ableiten.
Die ökonomische Analyse bei ihm widerspricht nie total
seinen theoretischen, seinen philosophischen Schriften. Das
eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden. Und das
eine wirkt auch immer ins andere, und wirkt auch immer im
anderen. So wie der Geist immer in der Materie wirkt, und das
Bewußtsein immer im Sein und das Sein immer im
Bewußtsein wirkt, so wirkt auch der Lohn, das materielle Sein
der Menschen immer in ihre Psyche hinein, in ihren Geist
hinein. Und die Idee einer anderen Welt, die Idee einer guten
Welt: die haben alle Menschen! Kein Mensch wird auf dieser
Welt geboren und denkt und hofft, daß es ihm endlich dreckig
geht, sondern jeder Mensch denkt und hofft, daß es ihm gut
geht. Die Idee des Guten darin ist eine sehr reale Idee, eine
sehr praktische Idee. Und ohne diese Idee kann der Mensch
gar nicht leben. Diese Idee aber muß auch im Falle des Elends
da sein, und sie muß auch im Falle des Tendenziellen Falls der
Profitrate da sein, sie muß in allen Elendsquartieren dieser
Welt da sein, sie muß lebendig sein, sie muß darin dann real
sein, politisch sein. Die Idee ist immer politisch, weil die Idee
immer auch real ist. Sie ist als Idee ideell, aber sie ist als Idee
gleichen Sinnes auch materiell.
7. Die Frage, ob die Russische Revolution am richtigen Ort und
zur richtigen Zeit stattgefunden hat, ist schwer zu
beantworten! Denn diese russische Revolution war ein PartialEreignis der damaligen Welt, aber eine wirkliche Revolution in
den Industrienationen kann immer nur eine Total-Entwicklung
sein, kann immer nur eine „Welt“-Revolution sein, weil alle
diese Welt-Nationen mit sich ökonomisch, sozial, politisch,
technisch, wissenschaftlich, kulturell miteinander
zusammenhängen. Es wird nicht gut gehen, wenn nur eine
Nation ausschert und dann eine „Revolution“ macht! Marx
dachte immer „Welt-Revolution“ – und nicht, weil er damit die
damaligen Kolonien auf den Level Europas bringen wollte,
oder weil er damit die Globalisierung mit Gewalt
universalisieren wollte, sondern weil die Real-Entwicklung
schon in seiner Zeit eine globale war, eine universale war, und
weil sie es heute erst recht ist!
8. Die Aborigines und die Indigenen Völker in Südamerika
partizipieren heute an der Globalisierung: im Internet, im
Smartphone. Die Flüchtlinge aus Afrika wären ohne die
Navigation des Handys gar nicht nach Europa gekommen! Sie
hätten ohne das Fernsehen in Afrika, ohne die Medien dort,
ohne das Internet gar keine Ahnung gehabt von einem
besseren Leben in Europa und von einem besseren Leben
überhaupt! Die Aufklärung ist heute eine globale - und es gibt
keinen Weg mehr zurück!
9. Jeder Versuch eines Zurück würde eine gewaltsame
Zerstörung der Zivilisatin bedeuten, ein Ausrotten von
Technik und Technologie, von Wissenschaft und von Denken,
von Ökonomie und Transport, von Medizin und von Wissen,
von Medien und von Menschen.
10.
Es kann heute keinen Way-Back hinter die Aufklärung
geben! Die Globalisierung und die Universalisierung sind
unumkehrbar!
11.
Das heißt aber nicht, daß weiten Teilen der Welt diese
Aufklärung „beigebracht“, aufoktroyiert wird! Kant sprach in
seinen Aufklärungsschriften verräterisch oft von
„Aufpfropfen“! Kolonialismus aber ist etwas anders als
Universalismus! Im Kolonialismus werden andere Völker
gezwungen, als Mittel für den Zweck=Reichtum der führenden
Welt-Nationen zu dienen: Kolonialismus also ist immer ein
Ausbeutungs-Verhältnis!
12.
Universalismus aber meint, daß alle Menschen und alle
Völker an der modernen Medizin, an der modernen Technik
und Wissenschaft partizipieren können! Daß also der
Möglichkeit nach auch materielle Standards global real sind,
politisch, ökonomisch realisiert werden, daß also Wasser und
Grundnahrungsmittel allen Menschen auf dieser Erde zur
Verfügung stehen, daß also Medizin, Transport,
Kommunikation allen Menschen zur Verfügung stehen! Das ist
die „Moral“ des Universalismus! Es geht hier nicht um eine
Form der Herrschaft und der Ausbeutung, sondern es geht
hier um unhintergehbare egalitäre Standards in der Ökonomie,
in der Ökologie, in der Wissenschaft, in der Medizin, in der
Bildung.
13.
Es kann nicht verachtet werden, wenn Kinder überall auf
dieser Welt in die Schule gehen, und Bildung sich aneignen!
Das hat mit Kolonialismus rein gar nichts zu tun, sondern mit
dem geraden Gegenteil: es hat mit Menschenwürde zu tun, mit
Achtung eines jeden Menschen und eines jeden Volkes!
14.
Die Revolution also ist ein sehr weites Feld, in dem
Momente der Evolution genauso eine Rolle spielen wie
Momente des quantitativen Umschlags in einen qualitativen.
Es gibt weder eine historische Ein-Ein-Deutigkeit, noch gibt es
einen Zwang zur Freiheit: es gibt keinen Zwang zur
Revolution, auch nicht zur Menschenwürde: die
Menschenwürde ist in ihrer globalen, in ihrer universalen
Form und Gestalt kein Diktat einer Partei oder einer Doktrin,
sondern sie ist die genuine Grund-Idee des MENSCHEN
selbst: alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und an
Würde geboren: dieses universale Grundprinzip darf nicht in
den Dreck gezogen werden, es muß politisch verteidigt und
politisch realisiert werden!
15.
Die Revolution darin sind die Kraft und die Macht der
Idee. Die Ideen aber sind seit je universell. Die Ideen von
Freiheit und Recht sind universell.
16.
Es gibt weder einen Zwang zur Revolution, noch gibt es
einen Zwang zur Freiheit, noch gibt es einen Zwang zum Sein.
Die Qualität des Lebens wird vom Menschen selber
entschieden, und auch realisiert. Dazu aber gehören alle
Dimensionen des Seins: wie Ökonomie, Ökologie, Medizin,
Bildung, Kultur, Sprache, Kommunikation, Technik, Emotion,
Geist. Und vieles mehr.
17.
Determinismus bedeutet: Ausschalten aller Freiheit,
Ausschalten aller Möglichkeit. Die Kategorie der Möglichkeit
aber steht nicht diametral der Kategorie der Notwendigkeit
gegenüber: denn Notwendigkeit heißt nicht: Determiniertheit!
Notwendigkeit ist ein kausales Prinzip, aber ein kausales
Prinzip ist kein Determinations-Prinzip. Wo es Determination
gibt, kann es gar keine Kausalität geben, denn Kausalität
besagt ja, daß aus einer Ursache eine Wirkung erfolgt, oder,
daß aus Ursachen Wirkungen erfolgen. Wenn aber alles
determiniert wäre, könnte aus nichts mehr überhaupt etwas
folgen. Dann wäre die ganze Welt ein fester Stein, ein ehernes
Prinzip, das in sich gar keine Bewegung mehr kennt.
Kausalität aber besagt immer, daß es Bewegung gibt, daß ein
Sein ein anderes Sein beeinflußt, prägt, produziert oder
verändert. Kausalität ist ein Wechsel-Prinzip, während die
strenge Determination gar keinen Wechsel mehr kennt. In der
strengen Determination ist die Erde die Erde, ist der Mond der
Mond und ist die Sonne die Sonne. Und eine kausale
Wechselwirkung des einen ins andere gäbe es gar nicht.
Determination ist die stoische Ataraxie. Der totale
Positivismus ist Determination: Sein ist, Nicht-Sein ist nicht.
Mehr ließe sich dann von der Welt nicht sagen. Der Mensch
ist, und der Nicht-Mensch ist nicht. Damit wäre alles Latein ja
am Ende.
18.
„Notwendigkeit“ hingegen besagt, daß aus dem Einen an
Anderes folgt oder folgen kann: selbst aber diese
Möglichkeitsform des „kann“ ist nicht streng determiniert: es
folgt eben nicht aus dem Rauchen total und automatisch der
Lungenkrebs! Aber das eine kann aus dem anderen folgen!
19.
Die Geschichte läßt insofern immer mehrere
Möglichkeiten zu, die in der Folge dann so etwas wie eine
innere Notwendigkeit ergeben. Das Rauchen beeinflußt die
Gesundheit eines Körpers. Es ist möglich, daß daraus ein
Lungenkrebs entsteht. Aber es ist nicht zwingend
„notwendig“! Diese Art der Determination in der Kausalkette
des Seins gibt es nicht. Wohl aber gibt es logische, denkbare
Folgen des Einen aus dem Andern, oder, des Anderen aus
dem Einen.
20.
Entscheidend ist hier, daß das Prinzip der inneren
Notwendigkeit vom Prinzip der Determination unterschieden
wird. Denn Notwendigkeit heißt nur, daß es eine innere
Kausal-Kette gibt, in der es viele Möglichkeiten gibt, die aber
in summa eine Logik ergeben: aus vielen falschen Schecks
heraus ist Lehmann Brothers zusammengebrochen: das war
und das ist seine innere Logik! Es hätte aber auch anders
kommen können!
21.
Wenn aber das Sein streng determiniert wäre, dann
bräuchte niemand über dieses Prinzip nachzudenken, denn
dann wäre selbst sein Denken sinnlos, denn ein streng
determiniertes Denken wäre die reine Tautologie: dieses
Denken würde dann immer nur sagen: das Sein ist das Sein,
das Wasser ist das Wasser, der Mensch ist der Mensch.
Subjekt und Prädikat wären immer identisch. Kein Prädikat
bräuchte je ermittelt werden.
22.
Da aber alles Denken immer nur Ermittlung von Wahrheit
ist, von Satzaussage, von Weltaussage, kann dieses Denken
gar nicht determiniert sein, denn diese Satzaussage, diese
Weltaussage muß ja erst ermittelt werden, dann ist sie auch
wahr!
23.
In einer streng determinierten Welt geriete die Sprache
zu leeren tautologischen Formeln.
24.
Also muß doch, wo es Denken gibt, auch Freiheit des
Seins geben, und muß es, wo es Sein gibt, auch Freiheit des
Denkens geben, sonst wäre die Welt für uns gar nicht
erkennbar, und auch gar nicht erklärbar.
25.
Eine streng determinierte Welt wäre ohne Sprache, wäre
ohne Logik: denn Logik gibt es nur da, wo es Freiheit gibt.
Alle Logik drückt eine Beziehung aus: es gibt eine KausalLogik, eine Wesens-Logik, eine Seins-Logik: aber das alles
gibt es nur in einer offenen Welt. In einer rein determinierten
Welt gäbe es gar keine Logik und bräuchte es auch gar keine
Logik zu geben: dann wäre die Sonne identisch mit dem Mond
und der Mond identisch mit dem Menschen und der Mensch
identisch mit dem Sein.
26.
Alles aber ist eine Differenz: alles ist eine DifferenzGestalt zu einem Anderen, und darin und nur darin liegt seine
Existenz. Existenz heißt nicht: Da/Das-Da! Sondern Existenz
heißt Differenz-Gestalt zu sein zu einem Anderen. Das je
eigene existiert in s/einer Differenzgestalt zu s/einem Anderen,
und darin wird es „Ich“. Der Mond wird Mond in seiner
Differenz zur Sonne. Und darin ist die Existenz des Mondes
eine Kausal-Kette zur Sonne, eine Relation zur Sonne.
27.
Existenz heißt nicht „pure Entität“. Das „reine Sein“
gerade existiert nicht. Alles Sein ist eine Differenz-Gestalt zu
einem Etwas. Jedes Etwas ist eine Differenz-Gestalt zu einem
anderen Sein. Das „Sein als solches“ gibt es gar nicht. Diese
Abstraktion von allem können wir nicht denken! Alles Denken
ist immer nur ein Denken der Differenz, der Differenz-Gestalt.
Aber das „Sein an sich“ können wir nicht denken.
28.
Wenn also alles Sein immer nur eine Differenz-Gestalt ist
zu einem anderen Sein, so muß es eine Relation zwischen
dem einen und dem anderen geben. Der Mond ist eben dann
eine Differenz-Gestalt zur Sonne, so wie der Mensch eine
Differenz-Gestalt ist zum Tier.
29.
Alles Denken ist demnach immer auch nur ein Denken in
Differenz-Gestalten. Im Modus des „Seins an sich“, im Modus
des „Dings an sich“ kann der Mensch nicht denken!
30.
Alles Sein ist also wie alles Denken immer schon eine
Differenz. Ist immer schon in einer Differenz. Gerade das „Sein
an sich“, die „Existenz an sich“, die gibt es nicht.
31.
Aber die Differenz und die Differenz-Gestalt, die kann
existieren, die kann gedacht werden.
32.
In einer streng determinierten Welt aber gäbe es gar
keine Differenz: dann wäre Ursache und Wirkung identisch,
dann wäre Subjekt und Objekt identisch, dann wäre Mensch
und Welt identisch. Der Mensch hätte dann gar keinen Raum,
aber auch kein Medium mehr fürs Denken. Er bräuchte auch
nicht mehr zu denken, denn sein „Sein“ wäre identisch mit
seinem Wesen.
33.
Eine streng determinierte Welt wäre eine Welt ohne
Raum und ohne Zeit. Denn Raum und Zeit bilden die DifferenzModi allen Seins. Durch Raum und Zeit ist alles, was ist, in
seinem Sein, und damit in seiner Differenz. Der Mond ist
notwendig an einem anderen Ort, in einem anderen Raum als
die Sonne, und die Sonne ist notwendig in einer anderen Zeit
als der Mensch, und in einem anderen Raum noch dazu. Nur
deshalb kann der Mensch die Differenz-Gestalt der Sonne
überhaupt sehen und wahrnehmen und erkennen.
34.
Darin aber, in dieser Differenz-Gestalt allen Seins
offenbart sich der Modus der Relation, der Modus der
Kausalität, der Modus der Bewegung, der Modus der Relation.
Und dergleichen.
35.
Nur weil der Mond an einem anderen Ort als der Mensch
steht, und an einem anderen Ort als die Sonne steht, kann der
Mensch den Mond und die Sonne und aber auch sich
wahrnehmen: also nur in de Differenz und nur in der DifferenzGestalt existiert alles Sein. Darin aber gibt es „Bewegung“,
gibt es Relation. Die Wahrnehmung, die sinnliche
Wahrnehmung ist die erste Relation des Menschen zur Welt.
Darin aber waltet keine strenge Determination.
36.
Denn eine strenge Determination würde bedeuten, daß
der Mensch identisch mit dem Sein ist, und dann bräuchte er
keine Wahrnehmung mehr, kein Denken mehr, keine Relation
mehr. Es muß also Freiheit sein in der Existenz, weil jede
Existenz immer nur in der Relation zu einer anderen Existenz
existiert, und nur in dieser Relation, in dieser Differenz und in
dieser Differenz-Gestalt sich alles Leben und alles Denken
abspielt. Wenn die Sonne ihr Licht zur Erde wirft, und wenn
der Mensch dieses Licht wahrnimmt, so muß dies ein Akt der
Freiheit sein, weil sonst dieses Licht der Sonne den Menschen
aufsöge, mit sich identisch machte und seine Differenz
auslöschte. Aber deshalb, weil der Mensch in seiner DifferenzGestalt zur Sonne bleibt, gibt es eine Relation zwischen den
beiden. Und das Licht kommt mal langsamer und mal
schneller, es kommt auch in der Nacht. Die Sonne steht also
nicht am gleichen Ort, nicht im gleichen Raum wie der
Mensch. Deshalb trifft das Licht der Sonne den Menschen.
Wäre der Mensch und die Sonne identisch, könnte der Mensch
keine Relation zum Licht oder zur Sonne je ausmachen. Der
Mensch wäre stumm wie ein Grab.
37.
Die Sprache, auch die Sinne aber sind Verbinde-Glieder
zwischen Menschen und Welt. Denken ist eine RelationsLeistung des Menschen.
38.
Ursache und Wirkung, Licht und Wahrnehmung sind also
nicht identisch. Also muß es Freiheit geben: sowohl im Licht
als auch in der Wahrnehmung, als auch im Denken.
39.
Eine streng determinierte Welt wäre ohne Raum und
ohne Zeit, sie wäre eine Welt ohne Differenz, in der alles in
einem Schwarzen Loch läge und nur noch „Loch ist gleich
Loch“, „Ich ist gleich Ich“ vor sich her-raunte. Gerade das
ontologische Raunen des Seins ist deterministisch: der totale
Existentialismus also ist es, der die Freiheit ausschaltet!
40.
Er ist es, der den Menschen streng an Dasein fesselt.
41.
Da, wo es Kausalität gibt, wo es Ursache und wo es
Wirkung gibt, gibt es also auch Freiheit. Denn Ursache und
Wirkung sind zwei differente Modi des Seins, sie drücken
beide Relationen aus, Bewegung aus, also Freiheit.
42.
Die totale Determination wäre die Welt als totale Ataraxie.
Und diese totale Ataraxie wäre es auf subjektiver Ebene so
sehr wie auf objektiver Ebene und Dimension: sie wäre es im
Menschen und in der Natur, sie wäre Ataraxie allüberall, sie
wäre Starrheit an und für sich.
43.
Die Kategorie „Notwendigkeit“ meint hingegen immer
eine Relation: sie spricht immer einen Modus einer Relation
aus: ist etwas möglich oder ist etwas zwingend möglich, ist
etwas logisch und ist etwas zwingend logisch, ist etwas
kausal-möglich oder ist etwas kausal-logisch, ist etwas
zufällig oder ist es möglich oder ist es notwendig? Alles dies
sind Modi des Seins, Modi des Werdens, Modi der Relation.
44.
Die Kategorie der Notwendigkeit besagt darin, daß es
einen inneren Umschlagspunkt im Sein gibt, der eine
bestimmte Diktion hat, eine bestimmte Logik hat, eine
bestimmte Strenge hat, aber damit wird nicht gesagt, daß alles
total und absolut determiniert ist. Es wird darin nur gesagt,
daß Etwas aus Etwas folgen kann, und sogar mit einer
gewissen strengen Logik! Aber es wird darin nicht gesagt, daß
alles existiert in einer strengen Logik, daß alles Geschehen
einem strengen Diktat einer strengen mathematischen Logik
unterliegt und darin dann alles determiniert. Das wird in der
Kategorie „Notwendigkeit“ nicht gesagt. Sondern nur, daß aus
A ein B folgen kann, und das dann dieses Folgen eine gewisse
Logik, eine gewisse Notwendigkeit ist. Wer sich permanent
unterernährt, soll sich nicht wundern über körperliche und
seelische Defekte. Aber: er kann sich auch anders ernähren,
er untersteht also nicht total einem totalen Seins-Diktat, einer
totalen Seins-Determination! Denn dann hätte er auch keine
Möglichkeit mehr, sich anders zu ernähren. Diese Freiheit also
zu einer anderen Entscheidung, zu einem anderen Leben
schließt die Kausal-Kette „Notwendigkeit“ nie aus.
45.
Die Revolution muß wissen, daß es immer genau um
diesen anderen Modus des Seins geht, um diese andere
Qualität des Seins, des Lebens!
46.
Die Revolution hat keinen Sinn als leeres Getriebe!
47.
Sondern die Revolution muß klar angeben, was sie will,
welches Telos sie im Schilde führt, was also ihre Leitideen,
ihre Leitfiguren sind, was letztendlich sie will!
48.
Ohne das Telos eines Letzt-Endlichen wird es keine
Revolution je geben!
49.
Dieses Letzt-Endliche aber ist geistiger Provenienz, es
folgt nicht kausal aus dem materiellen Sein, nicht kausal aus
den materiellen Verhältnissen!
50.
Die Revolution also ist ein Überschreiten des Seins, des
puren materiellen Seins!
51.
Die Revolution ist eine Gestalt des Geistes!
52.
Und darin, und nur darin, ist sie real, ist sie politisch, ist
sie möglich.
53.
Die Revolution ist also eine Gestalt der Idee, auch dann,
wenn sie aus materiellen Gründen und Verhältnissen
herauskommt!
54.
Aber sie kommt nicht aus materiellen Gründen und
Verhältnissen heraus ohne die Idee!
55.
Die Idee und die materiellen Gründe und Verhältnisse
müssen also zusammenkommen, wenn es eine Revolution
geben will und soll und kann.
04.04.2020
Appendix: / Beispiel:
Der Corona-Virus ist Produkt einer solchen Kausal-Kette:
Er ist nach meiner Analyse entstanden aus einer falschen Art des
menschlichen Lebens auf dieser Erde.
Der Mensch selber hat sich falsch positioniert, er hat sich falsch
„ernährt“, er hat falsch produziert und er hat seinen
Stoffwechselkreislauf mit sich selber und mit der Natur falsch
gestaltet. Das Virus ist dann der Ausbruch der „Negativität“ des
Seins, der „Negativität der Natur“ die in aller Natur, die in allem Sein
waltet. Das System des Lebens ist durcheinandergekommen, weil
es einseitig falsch gelebt worden ist.
Der Ausbruch des Virus ist nichts anderes als der Ausbruch einer
normalen Erkältung, weil auch in diesem Falle ein falsches Leben
dem Ausbruch des Fiebers voranging. Damit wird auf die KausalKette des Lebens verwiesen, aber auch darauf, daß der Mensch in
der Lage ist, sich anders zu positionieren, anders zu leben, sein
Leben zu ändern, etc.
Das Potential der „Negativität“ bricht aus, wenn das GesamtPotential allen Seins, in dem das Positive immer zugleich mit dem
Negativen existiert und sich allerdings in Balance hält aus der
Balance gerät.
Darin sind sich subjektive Natur, also der Mensch, und objektive
Natur, also die Natur draußen gleich.
Das Virus ist ein Ausdruck einer generellen falschen Zivilisation.
Aus diesem Grunde sage ich auch hier:
Hen kai Pan! - − Alles ist in allem!
Die Zivilisation des Menschen hängt mit der Natur zusammen, so
wie die menschliche Zivilisation mit der Sonne zusammenhängt und
so, wie die tierische Zivilisation ebenfalls mit der Sonne
zusammenhängt und mit der menschlichen Zivilisation
zusammenhängt.
Auch darin gilt: Alles ist in Allem!
Hen kai Pan! Ist der Wahlspruch der ganzen Welt!
Die ganze Welt liegt in einer, und sie liegt in uns und wir liegen in
der ganzen Welt!
Hen kai Pan!
es gibt allerdings noch eine andere Form der „Notwendigkeit“:
dieses ist die „äußere Form der Notwendigkeit.“ Im schlimmsten
Falle ist dies die Diktatur, und die Militär-Diktatur im
allerschlimmsten Falle.
Hier wird dann aber unter „Notwendigkeit“ verstanden, daß das
Volk, oder daß der Mensch sich eindeutig einem eindeutigen Diktat
sich unterwirft. Es sei, heißt es dann, „notwendig“, oder „absolut
notwendig“, dieses oder jenes zu tun.
In dieser „Äußeren Form“ von Notwendigkeit hört dann in der Tat
die Freiheit auf.
Unter einer „immanenten Notwendigkeit“ begreife ich hier immer
eine relationale Notwendigkeit, die in der Sache angemessen ist:
sich etwa im Winter warm anzuziehen. Das philosophische Prinzip
der Notwendigkeit ist ein Modus einer Kausal-Kette des Seins und
des Denkens. Aber darin ist es nie deterministisch, weil nichts
determiniert ist. Der Mensch ist nicht determiniert, die Natur ist
nicht determiniert, die Geschichte ist nicht determiniert, die Politik
ist nicht determiniert, die Ökonomie ist nicht determiniert, das Sein
ist nicht determiniert, und nichts ist determiniert.
Die Kategorie „Notwendigkeit“ drückt einen Kausal-Nexus der
Relation aus, der Kausalität aus, wie die Kategorie der Möglichkeit
auch. Aber die Freiheit, auch als Kategorie ist darin immer bewahrt,
weil sonst gar kein Denken möglich wäre. Alles Denken basiert auf
Freiheit:
Weil wir nichts wissen, wie Sokrates, streben wir nach Wissen, wie
Aristoteles. Und weil wir in unserem Erwerb von Wissen auf die
Kategorien Freiheit und Notwendigkeit stoßen, auf die Kategorie
Zufall und Notwendigkeit ebenso, deshalb also existiert Freiheit!
Die Freiheit ist sogar die oberste Kategorie allen Seins, gerade
deshalb, weil kein Sein je determiniert ist. Und nur deshalb, weil
kein Sein je determiniert ist, können wir es erkennen. Das totale
Sein, das Ding an sich, die Sonne an sich, die können wir nicht
erkennen!
Nur die Differenz-Gestalt uns selber gegenüber und der Sonne, der
Welt gegenüber ermöglicht uns den Horizont des Denkens, und
darin den Horizont der Freiheit.