Nekula, Marek/ Šichová, Kateřina/ Valdrová, Jana (Hgg.) (2013): Bilingualer Sprachvergleich
und Typologie: Deutsch – Tschechisch. Tübingen: Stauffenburg/Julius Groos.
(= IDS-Reihe Deutsch im Kontrast, 28) (ISBN: 978-3-87276-893-3)
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik
und Sprachtypologie: Präpositionen im Vergleich
Ekkehard König/Marek Nekula
Der Beitrag ist in erster Linie der Standortbestimmung der Kontrastiven Linguistik im Rahmen der vergleichenden Sprachwissenschaft gewidmet, aus der
deutlich hervorgehen sollte, was die Möglichkeiten und Grenzen dieses Typs
von Sprachvergleich sind. Durch eine systematische Gegenüberstellung der
Kontrastiven Sprachwissenschaft mit anderen Spielarten der Vergleichenden
Sprachwissenschaft, insbesondere der Sprachtypologie, sollen die Erkenntnismöglichkeiten und Grenzen verschiedener Ansätze zum Vergleich von Sprachen
bestimmt werden, so dass die Kontrastive Linguistik durch diese Gegenüberstellung klarere Konturen erhält. Als thematischer Rahmen für diese Gegenüberstellung sollen die Kategorie der Präpositionen und die von Mitgliedern
dieser Wortklasse ausgedrückten Bedeutungen dienen. Kontraste werden vor
allem an den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Finnisch und Tschechisch illustriert. Die Bezeichnungen Kontrastive Linguistik und Bilingualer
Sprachvergleich verwenden wir unterschiedslos.
1. Kontrastive Linguistik und andere Spielarten
des Sprachvergleichs
Das Programm der „Kontrastiven Linguistik“ im engeren Sinn des Wortes
wurde in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
mit der Zielsetzung formuliert, durch systematische Einbeziehung von Gemeinsamkeiten und Kontrasten zwischen Muttersprache und zu erlernender
Fremdsprache, durch die damit verbundene Möglichkeit, Lernschwierigkeiten vorauszusagen und durch Lehrmaterial und Lehrstrategien, die auf diesen
Erkenntnissen aufbauen, den Fremdsprachenunterricht effektiver zu gestalten
(vgl. z. B. Lado 1957; Nickel 1971; Aarts 1981; Alatis 1968). Nach einigen
Jahren enthusiastischer Aufnahme und Implementierung dieses Programms
setzte jedoch eine allgemeine Ernüchterung und Enttäuschung ein, so dass die
Kontrastive Linguistik eher eine bescheidene Randexistenz im Rahmen der
vergleichenden Sprachwissenschaft führte und erst in den letzten Jahren unter
etwas veränderten Vorzeichen und manchmal auch anderen Bezeichnungen
(Bilingualer Sprachvergleich, Vergleichende Grammatik, microscopic typolo15
Ekkehard König und Marek Nekula
gy etc.) wieder aufgenommen wurde. Drei Gründe waren unserer Meinung
nach für diese Desillusionierung verantwortlich:
(a) Die Kontrastive Linguistik und darauf aufbauende Aussagen über Kontraste und über Lernschwierigkeiten und Strategien der Lehre wurden als zentrale Bestandteile einer Theorie des Zweitspracherwerbs gesehen und somit mit
völlig unrealistischen Erwartungen verknüpft, die früher oder später enttäuscht
werden mussten.
(b) In der Erstellung der deskriptiven Grundlagen dieses Programms, d. h. in
der Erstellung umfassender vergleichender Grammatiken für relevante Sprachenpaare, wurden nur wenige überzeugende Fortschritte gemacht. Umfassendere Untersuchungen zum Englischen und Deutschen (wie z. B. Kufner 1962)
enthielten zum großen Teil allgemein bekannte, elementare Beobachtungen,
umfassende kontrastive Untersuchungen zum Deutschen und den slawischen
und anderen Sprachen fehlten damals völlig.
(c) Es fehlte eine Standortbestimmung der Kontrastiven Linguistik im Rahmen der vergleichenden Sprachwissenschaft, aus der deutlich hervorgeht, was
die Möglichkeiten und Grenzen dieses Typs von Sprachvergleich sind.
Nachdem sich in den letzten Jahren die Situation bezüglich der beiden ersten
Punkte erheblich verbessert hat (vgl. Wienold 1973; Cartagena/Gauger 1989;
Bassola et al. 2001; Zemb et al. 1978, 1984; Petkov/Wiegand 2000; Štícha
2003; Engel et al. 1993, 1994; Engel/Mrazović 1986; Figge/Matteis 1979; König/Gast 2008; Hawkins/Filipović 2011), hat sich König bereits in zwei vor
kurzem veröffentlichten Aufsätzen dem dritten Punkt gewidmet (vgl. König
2012a-b). Das Ziel dieser Publikationen war, durch eine systematische Konfrontation der Kontrastiven Sprachwissenschaft mit den anderen Spielarten der
Vergleichenden Sprachwissenschaft die Erkenntnismöglichkeiten und Grenzen
der verschiedenen Ansätze zum Vergleich von Sprachen zu bestimmen.
Für die Kontrastive Linguistik (KL) ergab sich insgesamt das folgende Proil:
−
−
−
−
−
16
Synchronie: Die KL ist primär synchron orientiert.
Granularität: Ihr Gegenstand sind feinkörnige Beobachtungen zu
Kontrasten zwischen Sprachen.
Skopus: Die KL beschäftigt sich vor allem mit umfassenden
Vergleichen von Sprachpaaren. Die Bezeichnung Bilingualer
Sprachvergleich bringt dies besonders deutlich zum Ausdruck.
Perspektivierung: Ihr Mehrwert besteht u. a. darin, dass eine Sprache
aus der Perspektive einer anderen beschrieben wird. Aus dieser
Perspektivenwahl ergeben sich neue Beobachtungen.
Theoretischer Rahmen: Der theoretische Rahmen spielt inso-
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
−
fern eine Rolle, als durch verschiedene Ansätze unterschiedliche
Eigenschaften von Sprachen in den Blick kommen können. Für die
optimale Formulierung von Kontrasten kann eine Synthese verschiedener Ansätze sinnvoll sein.
Zielsetzung: Ihre Zielsetzung sind weitreichende, falsiizierbare
Verallgemeinerungen über Kontraste zwischen Sprachpaaren.
Der Raum dieser Diskussion lässt sich in etwa durch folgendes Diagramm
abstecken:
Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft
Sprachtypologie
Kontrastive Linguistik (Bilingualer Sprachvergleich)
Mikrovariation
Interkulturelle Kommunikation
Der folgende Beitrag vertieft und erweitert diese Diskussion. Da es hier lediglich um das Verhältnis von Kontrastiver Linguistik / Bilingualem Sprachvergleich zur Sprachtypologie geht, sollen die Ergebnisse der beiden genannten
Aufsätze in Bezug auf die Gegenüberstellung der Kontrastiven Linguistik zu
anderen Spielarten des Sprachvergleichs nur kurz zusammengefasst werden.
Zu den Zielsetzungen der ältesten Form des Sprachvergleichs, der Historischvergleichenden Sprachwissenschaft, gehört die Untersuchung der genetischen Verwandtschaft zwischen Sprachen sowie die Formulierung von Ursachen, Regeln und „Gesetzen“ (Sprachkontakt, innere Dynamik von Systemen,
Ökonomie, Verständlichkeit, etc.), durch die sich Mitglieder einer Sprachfamilie auseinanderentwickelt haben. Mit einem synchronen kontrastiven Sprachvergleich und der Untersuchung von Kontrasten sowie Gemeinsamkeiten hat
diese Zielsetzung nur dann etwas gemeinsam, wenn es um den Vergleich von
genetisch verwandten Sprachen geht. Kontraste in der Synchronie von genetisch eng verwandten Sprachen lassen sich dann oft als Ergebnis von Wanderbewegungen, die zu unterschiedlichem Sprachkontakt führen, zum Wechsel
der Situierung (Sub-, Ad-, Superstrat) oder als unterschiedliche Phasen in der
Entwicklung von zwei Sprachen charakterisieren, in der eine gleichsam den
Vorgaben der anderen folgt. Der Radius der Kontrastiven Linguistik ist natür17
Ekkehard König und Marek Nekula
lich nicht auf genetisch verwandte Sprachen beschränkt, sondern bezieht solche Sprachpaare ein, die als Muttersprache und zu erlernende Fremdsprache,
als Ausgangssprache und Zielsprache (Übersetzung) oder als Erstsprache und
Zweitsprache (Bilingualismus) aufeinander bezogen werden.
Im Gegensatz zur traditionellen Dialektologie, deren Untersuchungsradius vor
allem auf Wortschatz, Laut- und Formenlehre eingegrenzt war, beziehen aktuelle Untersuchungen zu Dialekten, die unter der Bezeichnung Mikrovariation
durchgeführt werden, auch die Syntax in ihre Analysen ein und sind ebenfalls
vergleichend orientiert. Das mit dieser Bezeichnung verbundene Programm
unterscheidet sich von der traditionellen Dialektologie nicht nur dadurch, dass
die Syntax neben der Morphologie im Mittelpunkt der Untersuchung steht,
sondern auch durch anspruchsvollere Zielsetzungen, die z. T. den im Rahmen
der Typologie verfolgten analog sind: In welchen Parametern und in welchen
Grenzen unterscheiden sich Varietäten einer Sprache auch syntaktisch voneinander? Warum sind die Unterschiede innerhalb einer Sprache in manchen Domänen besonders zahlreich (Lokaladverbien, deiktische Systeme, Relativpronomina) und in anderen nicht (grundlegende Anordnung von Konstituenten,
Artikelsystem)? Gibt es generelle oder sogar universelle Eigenschaften von
Nichtstandardvarietäten bzw. Varietäten ohne Traditionen des schriftlichen
Gebrauchs? Fragen wie diese sind insbesondere für die Variation innerhalb der
europäischen Sprachen in einer Reihe von großangelegten Projekten intensiv
verfolgt worden (vgl. Kortmann 2004; Poletto 2000; Glaser et al. 2004).
In welcher Weise überlappen sich nun die Interessen und Zielsetzungen von
Kontrastiver Linguistik und Mikrovariation, und inwieweit ist eine wechselseitige Befruchtung möglich? Zunächst einmal interessieren sich beide Programme für Variation, allerdings ist es interlinguale Variation in einem Fall
(KL) und intralinguale Variation im anderen Fall (Mikrovariation). Ein gemeinsames Element der beiden Konzeptionen des Sprachvergleichs ist auch
die Feinkörnigkeit des Vergleichs. Sofern kontrastive Untersuchungen mit der
Zielsetzung verbunden sind, praktische Implikationen für Fremdsprachenunterricht zu haben, liegt ihr Fokus allerdings meist auf den Standardvarietäten. Eine solche Einschränkung der Perspektive kann dann aber oft nur auf
Kosten eines realistischen Bildes von den Kontrasten zwischen zwei Sprachen
möglich sein. Viele der erwähnten Untersuchungen zur Mikrovariation haben
gezeigt, dass bestimmte Lücken einer Standardsprache oft durch Phänomene anderer Varietäten gefüllt werden. Insofern liefern Kontrastierungen von
zwei Standardsprachen kein vollständiges und auch kein realistisches Bild
zwischensprachlicher Kontraste, und für die Vermittlung von Lautsystemen
kann der lokale Dialekt oder die Peripherie des Systems einen sinnvolleren
18
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
Ausgangspunkt bilden als die Standardsprache (vgl. etwa die Vermittlung von
tschechischen Palatalen durch periphere Wörter wie Magyaren [mʌfja:rn], Cognac [koɲʌk] oder die Vermittlung des deutschen halbgeschlossenen [e:] mit
Rückgriff auf die mährische Aussprache des tschechischen „e“ usw.).
Die Entwicklung der strukturellen Linguistik im letzten Jahrhundert ist u. a.
dadurch gekennzeichnet, dass in zunehmendem Maße von jeglicher kontextueller Einbettung (situativ, textuell, kulturell etc.) abstrahiert wurde und
somit das Sprachsystem, die langue oder die Kompetenz zum ausschließlichen Gegenstand der Sprachwissenschaft wurde. In neueren Programmen
der Sprachpragmatik und im vergleichenden Programm der Interkulturellen
Kommunikation werden diese Abstraktionen aufgehoben und an die Stelle
des Vergleichs von Sprachsystemen tritt der Vergleich zwischen kommunikativen Normen in Kontexten, zwischen unterschiedlichen Gebrauchsweisen von ähnlichen Mitteln und von Kontrasten bei weitgehender Äquivalenz
(Übersetzung)1. Das mit der Bezeichnung „Interkulturelle Kommunikation“
verbundene Programm knüpft zwar z. T. an vergleichende Beobachtungen zu
verschiedenen Sprachsystemen an, beschäftigt sich aber im Wesentlichen mit
dem Vergleich von Kommunikationsnormen und Kommunikationsverhalten,
die bei interkulturellen Begegnungen zu beobachten sind. Die Beschäftigung
mit solchen Kontrasten zielt also in besonderem Maße auf die Vermittlung von
interkultureller Kompetenz über den Erwerb einer Fremdsprache hinaus ab.
Nicht die unterschiedlichen Formen etwa von Interrogativsätzen oder Imperativen sind hier von Interesse, sondern vielmehr, wie man Bitten, Einladungen oder Entschuldigungen formuliert, ob man sehr direkte oder eher indirekte
Kommunikationsstrategien benutzt, welche Ausdrucksformen zum Ausdruck
von Hölichkeit zur Verfügung stehen und benutzt werden, um nur einige der
dominanten Fragestellungen zu nennen.2
Von den genannten drei Spielarten der vergleichenden Sprachwissenschaft unterscheidet sich die Kontrastive Linguistik bzw. der Bilinguale Sprachvergleich sehr
deutlich, obwohl Überlappungen und wechselseitige Befruchtung auch in diesen
Fällen möglich sind. Wesentlich interessanter ist die Frage nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden, nach den Überlappungen und den Möglichkeiten
wechselseitiger Befruchtung, bezogen auf das Verhältnis Kontrastive Linguistik
1
2
Bei Übersetzungsvergleichen, insbesondere bei der Übersetzung kultureller Schlüsselwörter,
ist die Notwendigkeit, die Einbettung in verschiedene Kontexte zu berücksichtigen, besonders groß (vgl. Utz 2007).
Zum Vergleich von �nredenormen im Deutschen und Tschechischen vgl. Berger (2004), Ehlers (2004); zum Vergleich von Gebrauchsnormen von Diminutiva vgl. Nekula (2004).
19
Ekkehard König und Marek Nekula
/ Bilingualer Sprachvergleich – Sprachtypologie, und so ist es sicherlich kein
Zufall, dass sich die Konferenz in Regensburg „Bilingualer Sprachvergleich
und Typologie“ (2011) ausschließlich mit diesem Verhältnis und nicht mit dem
zwischen anderen Spielarten des Sprachvergleichs befasst hat.
2. Kontrastive Linguistik und Sprachtypologie
Ziel der Sprachtypologie ist es, Raum und Grenzen der Variation zwischen
den Sprachen der Welt auszuloten. Dabei geht sie von der Annahme aus, dass
Variation zwischen den Sprachen weder beliebig noch unbegrenzt möglich
ist.3 Obwohl synchron orientiert, ist Sprachtypologie in ihrem Radius weder
geographisch noch zeitlich eingeschränkt und verfolgt, etwas vereinfacht ausgedrückt, das Ziel, Muster der Variation (→ Sprachtypen) und Grenzen der
Variation (→ Universalien) zu bestimmen. Diese absoluten oder statistischen
Universalien bzw. universellen Tendenzen haben typischerweise die Form von
Implikationszusammenhängen (‚Wenn eine Sprache die Eigenschaft A hat,
hat sie auch die Eigenschaft B‘) und von Ketten solcher Implikationen bzw.
Hierarchien der Form (1a-b), die folgende Verallgemeinerung zum �usdruck
bringen: Wenn eine Sprache auf irgendeiner Position P die Eigenschaft E hat,
dann hat sie diese Eigenschaft auch auf allen Positionen links von P.
Ein allgemein bekanntes, einfaches Beispiel für eine solche Hierarchie ist
die von Faltz (1985) für die Interaktion von Person und der Verfügbarkeit eines
speziellen Relexivpronomens formulierte Hierarchie (1b): Wenn eine Sprache
über ein spezielles von den Personalpronomina unterschiedenes Relexivpronomen der ersten Person verfügt, so verfügt sie auch über solche Ausdrücke in
der zweiten und dritten Person.
(1a) � > B > C > D > E
(1b) 3 > 2 > 1 (Interaktion von Relexivität und Person)
Während manche Sprachen, wie z. B. das Englische (myself, yourself, him-/
herself etc.), Russische (sebja), Tschechische (se), Jiddische (zikh), spezielle,
von den Personalpronomina unterschiedene Relexiva für alle Personen haben4, gibt es solche Relexivpronomina im Deutschen nur für die 3. Person
3
4
20
Während diese Prämisse in den letzten fünf Jahrzehnten fester �usgangspunkt für umfassende sprachtypologische Programme war, ist sie in jüngster Zeit durch Evans/Levinson (2009)
in Frage gestellt worden.
Im Tschechischen, Russischen und Jiddischen werden, im Gegensatz zum Englischen, die
speziischen Relexiva undifferenziert für alle Personen verwendet, sind aber immer von den
Personalpronomina unterschieden.
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
(sich). In der ersten und zweiten Person werden zum Ausdruck von Koreferenz
die Personalpronomina verwendet (Karl hasst sich/ihn. vs. Ich hasse mich,
Karl hasst mich).
Was die Kontrastive Linguistik mit der Sprachtypologie verbindet, ist – wie
gesagt – vor allem die synchrone Orientierung, was sie trennt, ist der Umfang
des Untersuchungsbereichs sowie die Feinkörnigkeit des Vergleichs. Kontrastive Untersuchungen sind normalerweise auf zwei Sprachen beschränkt und
werden manchmal für die Untersuchung kleinerer Sprachausschnitte auf drei,
vier Sprachen ausgeweitet. Sprachtypologie ist dem Anspruch nach allumfassend, wenn auch in der Praxis auf eine repräsentative Stichprobe von Sprachen
beschränkt. Aus diesem fundamentalen Unterschied ergeben sich weitere unterschiedliche Möglichkeiten und Grenzen. Die Beschränkung der Kontrastiven Linguistik auf zwei oder zumindest einige wenige Sprachen schafft die
Möglichkeit für umfassende Vergleiche dieser Sprachen entlang vieler Parameter der Variation, für feinkörnige Untersuchungen und damit letztlich für
eine Annäherung an die traditionelle – heute weitgehend aufgegebene – Zielsetzung, eine holistische Typologie oder Charakterologie für eine Sprache zu
formulieren (vgl. Hawkins 1986; Lang/Zifonun 1996).
Die angestrebten Erklärungen für die Befunde der beiden Typen des Sprachvergleichs müssen ebenfalls völlig unterschiedlich ausfallen. Kontraste zwischen einzelnen Sprachen können als Folgen von genetischer Herkunft, von
historischen Prozessen und von Sprachkontakt erklärt werden. Erklärungen in
der empirisch orientierten Sprachtypologie dagegen berufen sich auf funktionale bzw. kognitive Prinzipien wie Ikonizität, Ökonomie, Häuigkeit, konkurrierende Motivation etc. Allerdings können sich auch die beiden Spielarten des
Sprachvergleich wechselseitig befruchten: Die Kontrastive Linguistik ist auf
eine allgemeine Einordnung einzelsprachlicher Phänomene in einen typologischen Rahmen angewiesen und kann aber ihrerseits, ausgehend von Einzelbeobachtungen, umfassende typologische Untersuchungen anstoßen. So lässt
sich insbesondere bei aktuellen, hoffnungsvollen Ansätzen zu einer semantischen oder lexikalischen Typologie (Koptjevskaja/Vanhoeve/Koch 2007; Vanhoeve 2008; Evans 2011) zeigen, wie sehr diese �rbeiten durch feinkörnige
kontrastive Untersuchungen angeregt wurden. Die Beobachtung zum Beispiel,
dass eine Sprache wie das Deutsche systematisch zwischen efizierten und afizierten Objekten durch Verbpräixe differenziert (dt. ein Bild malen – eine
Wand anmalen; engl. to paint a picture – to paint a wall), während dies im
Englischen und in den romanischen Sprachen nicht der Fall ist (vgl. Plank
1984), kann zum �usgangspunkt für umfassendere typologische Studien gemacht werden (vgl. Stiebels 1996).
21
Ekkehard König und Marek Nekula
3. Adpositionen und Kasus: Typologische Perspektiven
Präpositionen können für die indoeuropäischen Sprachen in einem ersten, groben Deinitionsversuch als Mitglieder einer nicht-lektierenden (Haupt)Wortklasse charakterisiert werden, die nach rechts mit Nominalausdrücken kombiniert werden, eine syntaktische Beziehung zwischen einem Nominalausdruck
und einer verbalen Konstituente herstellen, meist von Adverbien abgeleitet
sind und eine relationale Bedeutung haben, d. h. zum Ausdruck von lokalen,
temporalen, kausalen, modalen, possessiven etc. Beziehungen verwendet werden. Die genannten Kriterien gelten selbst in der kleinen Familie der indoeuropäischen Sprachen nicht ausnahmslos und somit nur für einen bestimmten,
prototypischen Kernbereich von meist einfachen, einsilbigen Ausdrücken. Zu
diesem Kernbereich würde man z. B. im Deutschen die Ausdrücke an, auf,
ab, in, um, von, für, vor, nach, durch, bei, mit, über, unter, neben etc. oder
im Tschechischen die Ausdrücke bez, do (nach / in), k (zu), na (an / auf), nad
(über), o (über), ob, od (von), po (nach), pod (unter), pro (für), před (vor), přes
(über), při (bei), s (mit), u (bei), v (in), z (aus), za (hinter) rechnen. Allerdings
werden auch komplexe Phrasen (dt. anstatt, infolge von, in Bezug auf; tsch.
namísto, v důsledku, vzhledem k) aus formalen und semantischen Gründen zu
den Präpositionen gerechnet und nicht nur Adverbien, sondern auch Nomen
(dt. dank, seitens; tsch. díky, stran), Verben (dt. entsprechend, ausgehend von;
tsch. počínaje/počínajíc (beginnend mit), nehledě na/nehledíc na (ungeachtet),
vyjma (ausgenommen)) und Adjektive bzw. Partizipien (dt. fern, frei, unweit,
anlässlich, einschließlich, ungeachtet) kommen als Quelle für die Entwicklung
von Präpositionen in Frage. Zudem wird bei der Beschreibung von keltischen
Sprachen meist auf das Phänomen der konjugierbaren Präpositionen hingewiesen, d. h. auf Verbindungen von einfachen Präpositionen und pronominalen
Sufixen, die den Eindruck vermitteln, dass die Präpositionen nach Person,
Numerus und Genus (3. Person) lektieren (z. B. Irisch ag-am (bei-mir)). Für
die indoeuropäischen Sprachen sind auf der Basis der erwähnten Gemeinsamkeiten und Differenzierungen interessante und z. T. umfassende kontrastive
Untersuchungen durchgeführt worden (vgl. u. a. Rauh 1991; Kortmann/König
1992; Lindqvist 1994),5 zu denen die folgenden Kapitel weitere, vor allem
semantisch orientierte Beiträge liefern sollen.
5
22
Einen deutsch-tschechischen Vergleich von Präpositionen indet man in Bednarský (2002),
der in seiner Untersuchung zu an/auf und na die Frage der formalen und kognitiv-funktionalen Äquivalenz stellt.
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
Für einen typologischen Vergleich ist dieser Rahmen zu eng abgesteckt. Zunächst einmal müssen wir die Präposition als Ausprägung einer übergeordneten Kategorie Adposition betrachten, die die beiden Unterkategorien ‚Präposition‘ und ‚Postposition‘ umfasst, je nachdem, ob der Nominalausdruck
folgt (Präposition) oder dem jeweiligen Ausdruck vorangeht (Postposition).
Der deutsche Ausdruck mit Pekka und seine innische Entsprechung Pekkan
kanssa sind Beispiele für diese Unterscheidung. Wir können also je nach
Stellung der Adposition zwischen Sprachen mit Präpositionen (Germanisch,
Romanisch, Slawisch etc.) und Sprachen mit Postpositionen (Finno-Ugrisch,
Turksprachen, Japanisch etc.) unterscheiden (Hagège 2010, Kurzon/�dler
2008). In manchen Sprachen sind beide Formen von �dpositionen zu inden
und in anderen wiederum fehlt diese Formklasse völlig. Besonders in den germanischen Sprachen indet man daneben noch Zirkumpositionen (dt. von…
aus, von…an). Insgesamt lassen sich bezüglich der Kategorie der Adpositionen 4 Sprachtypen unterscheiden:
Sprachen mit Adpositionen
Adpositionen Postpositionen
Beispiel
Türkisch
Präpositionen
Deutsch6
Tschechisch
Postpos. u. Präp weder noch
Finnisch
Tauya (Madang;
Neuguinea)
6
Die Stellung von Adpositionen vor oder hinter dem nominalen Komplement
ist typologisch deshalb besonders interessant, weil mit dieser Stellung (Präposition oder Postposition) andere Regelmäßigkeiten in der Anordnung von
Konstituenten zusammengehen oder sogar korrelieren. So wurde in den Arbeiten Greenbergs (1963) und darauf aufbauenden Untersuchungen (Dryer 1992;
Hawkins 2004) gezeigt, dass VSO-Sprachen, wie die keltischen Sprachen
oder die Berbersprachen, ausschließlich Präpositionen haben (VSO → Prep;
„languages with dominant VSO order are always prepositional“) und dass die
Anordnung zwischen Adposition und nominalem Komplement einerseits und
6
Beispiele wie dt. zuliebe (meiner Mutter zuliebe), gegenüber (ihm gegenüber) oder gemäß
(seinem Alter gemäß) oder engl. these matters included/excepted/aside/apart (vgl. Berlage
2009) vermitteln den Eindruck, dass es auch im Deutschen und Englischen marginale Fälle
von Postpositionen gibt. In solchen Fällen handelt es sich jedoch um abgeleitete, sekundäre
Präpositionen, bei denen die Stellung nach dem nominalen Komplement als eine Durchgangsstufe in der Entwicklung zu einer Präposition analysiert werden kann. Anders zu bewerten sind die Phraseologismen wie meiner Meinung nach. Hier handelt es sich häuig um
historische Stellungsmuster, die in phraseologischenVerbindungen gleichsam erstarrt sind.
Jedenfalls besteht hier ein Unterschied zwischen dem Deutschen und Tschechischen, in dem
die Postposition unter keinen Umständen möglich ist (vgl. Karlík/Nekula/Rusínová 1995,
S. 341–350).
23
Ekkehard König und Marek Nekula
die von Verb und Objekt in etwa korreliert: Prep NP & VO (z. B. Englisch,
Tschechisch) vs. NP Postp. & OV (z. B. Japanisch). Eine weitere interessante
Verallgemeinerung wurde für Sprachen mit Präpositionen und die Anordnung
von Konstituenten der Nominalphrase formuliert. Das von Hawkins (1983)
formulierte „Heaviness Serialization Principle“ besagt, dass in Sprachen mit
Präpositionen die Konstituenten einer Nominalphrase je nach Komplexität in
der folgenden Reihenfolge vor das Nomen gestellt werden können:
(1c) Demonstrativa > Numerale > Adjektive > Genitivattribute >
Relativsätze.
Mit anderen Worten: Wenn Relativsätze vor dem Nomen stehen, stehen auch
alle anderen Konstituenten in pränominaler Position, wenn Adjektive in dieser
Position stehen, nehmen auch Numerale und Demonstrativa diese Stellung ein,
wobei Genitivattribute und Relativsätze folgen können. Möglich in Sprachen
mit Präpositionen ist aber auch, dass nur Numerale und Demonstrativa vor
dem Nomen stehen etc. Dieses Prinzip kann durch eine Reihe von Implikationszusammenhängen formuliert werden, wobei stets das Vorhandensein von
Präpositionen zu den Antezedensbedingungen gehört. Die folgenden Implikationszusammenhänge besagen, dass bei postnominaler Stellung von Demonstrativa und Numeralia komplexere Konstituenten ebenfalls auf das Nomen
folgen:
(2a)
(2b)
(2c)
(2d)
Pr → (N Dem → N Gen)
Pr → (N Dem → N Adj)
Pr → (N Num → N Adj)
Pr → (N Num → N Gen)
Auch die oben zur Flexion von Präpositionen in den keltischen Sprachen gemachten Beobachtungen inden unter einer typologischen Perspektive eine
systematische Einordnung. Im World Atlas of Language Structures werden auf
der Basis von Personenmarkierung bei Adpositionen in dem entsprechenden
�bschnitt und der entsprechenden Karte 3 Typen unterschieden: (i) �dpositionen ohne Personenmarkierung, (ii) Personenmarkierung bei der Verknüpfung
mit Pronomina und (iii) Personenmarkierung sowohl für Verbindungen mit
Pronomina als auch mit Nomina. Dazu kommen als vierter Typ natürlich noch
Sprachen ohne �dpositionen (Bakker 2005).
Schließlich ist für eine typologische Untersuchung zu Adpositionen auch noch
die Frage nach der Existenz und dem Umfang von Kasussystemen relevant. Im
24
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
�llgemeinen wird man angesichts der häuig zu beobachtenden Komplementarität zwischen Kasus und Adpositionen weniger Adpositionen in Sprachen
erwarten, die ein sehr differenziertes Kasussystem haben, wie z. B. im Ungarischen (21) oder im Finnischen (15). In Sprachen mit einem kleinen Paradigma
von Kasusformen konkurrieren Adpositionen mit bloßem Kasus nicht nur bei
der Kennzeichnung von Lokalangaben (Adessive, Inessive, Allative, Elative
etc.),7 sondern können auch die Kennzeichnung von syntaktischen Relationen
übernehmen, die in Sprachen mit Kasussystemen durch die Kasus Dativ, Akkusativ, Genitiv, Instrumental etc. gekennzeichnet werden (vgl. Französisch,
Englisch). In den Fällen, wo in einer Sprache nur eine Teilklasse von Objekten (menschlich, belebt, speziisch etc.) durch �dpositionen oder andere Markierungen gekennzeichnet wird (Spanisch, Rumänisch, Afrikaans, Persisch),
spricht man von differentieller Objektmarkierung. Im Spanischen werden z. B.
menschliche und speziische Objekte durch die Präposition a gekennzeichnet
(vgl. 3b), während die nicht menschlichen und unspeziischen Objekte ohne
eine Präposition auskommen (vgl. 3a).
(3a) Veo el libro. (Ich sehe das Buch.)
(3b) Veo a Juan. (Ich sehe Juan.)
4. Quellen und Formen von Präpositionen (kontrastive Analysen)
Die vorausgehenden Beobachtungen geben einen Überblick über Aussagen,
die z. Zt. aus typologischer Perspektive über Adpositionen gemacht werden
können, d. h. über generelle Parameter der Variation und über Konstruktionsund Sprachtypen, die aufgrund dieser Parameter unterschieden werden können.
Diese Beobachtungen zeigen aber auch, wie einzelsprachliche und bilinguale
vergleichende Analysen in einen allgemeineren Rahmen eingeordnet werden
können. Die folgenden Ausführungen befassen sich nunmehr mit bilingualen
Sprachvergleichen, mit feinkörnigen Parametern (Mikroparametern) der Variation, bei denen jedoch auch weitere Sprachen einbezogen werden sollen,
wo immer das möglich ist. Eine solche Erweiterung von bilingualen Sprachvergleichen kann durchaus auch den Anstoß für umfassendere, typologische
Untersuchungen geben.
7
Hier ist die Situation im Tschechischen aufschlussreich, das keinen Lokativ ohne Präposition
mehr hat, sondern ihn lediglich als Präpositiv realisieren kann.
25
Ekkehard König und Marek Nekula
4.1. Schichten von Präpositionen
Vergleichende Untersuchungen zum Umfang der Klasse der Präpositionen in
verschiedenen Sprachen gibt es bisher kaum. Im Englischen umfasst diese Klasse
etwa 130–190 Elemente; und da es in dieser Sprache so gut wie keine Kasusunterscheidungen mehr gibt, wird das Inventar an Präpositionen hier größer sein
als in Sprachen mit Kasussystemen. Die o. g. vage Beschreibung des Umfangs
der Klasse hängt mit der Tatsache zusammen, dass sie eine Schichtung aufweist,
bei der zumindest eine zentrale Teilklasse mit prototypischen Eigenschaften von
zwei Teilklassen unterschieden werden kann, die als historisch „jünger“ einzustufen sind und in ihrem formalen Aufbau komplexer oder deutlich als abgeleitet
erkennbar sind. Zum Kernbereich von Präpositionen gehören im Deutschen und im
Tschechischen, wie bereits erwähnt, die besonders häuigen einsilbigen und z. T.
zweisilbigen Präpositionen, zu deren markanten Eigenschaften auch gehört, dass
sie einen großen Bedeutungs- und Verwendungsradius haben (z. B. dt. von, auf,
an, für, mit etc.; tsch. na (auf / an), o (über), pro (für), s (mit) etc.). Analoges gilt
auch für viele andere Sprachen. In dieser Teilmenge sind auch die Präpositionen
zu inden, die grammatische Funktionen wie die Kennzeichnung von syntaktischen Relationen wahrnehmen, wie von im Deutschen, of und to im Englischen
oder de und à im Französischen, während das kasusreichere Tschechisch solche
grammatikalisierten Präpositionen nicht aufweist. Von diesem Kernbereich kann
man zumindest eine weitere Teilmenge von Ausdrücken unterscheiden, die zwar
deutlich von Phrasen abgeleitet sind, aber bereits auch deutlich Merkmale einer
fortgeschrittenen Lexikalisierung aufweisen (z. B. dt. anstatt, wegen, anhand,
infolge etc.; vgl. auch tsch. namísto ˂ na místo (anstatt), kvůli ˂ k vůli (wegen),
vůči ˂ v óči (gegenüber) u. a.). Schließlich gibt es noch einen Randbereich von
Präpositionen, die durch z. T. produktive Prozesse von Verben, Nomen oder Präpositionalphrasen abgeleitet sind. Elemente dieser dritten Teilklasse sind morphologisch komplexer, ziemlich klar auf eine einzige Bedeutung festgelegt und einem
historischen Prozess beginnender Lexikalisierung unterworfen (z. B. in Bezug auf,
im Falle von, mangels, unbeschadet, einschließlich). Allerdings ist die Annahme
von drei oder mehr disjunkten Teilklassen nur ein erster Ordnungsversuch, da die
Unterscheidung zwischen zweiter und dritter Teilklasse nicht auf klaren Kriterien
beruht, und gerade die Elemente der dritten Teilklasse sich in ihrer Zugehörigkeit
zur Klasse der Präpositionen nur graduell voneinander unterscheiden.
4.2. Beziehungen zu anderen Wortklassen
In der Generativen Grammatik werden Präpositionen zusammen mit Nomen,
Verben und �djektiven zumindest z. T. zu den Hauptwortklassen gerechnet.8
8
26
Vgl. Chomsky (1970).
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
Die vier Wortklassen sind in (bestimmten Versionen) dieser Theorie mit Hilfe
der beiden grundlegenden Merkmale [± N] und [± V] in folgender Weise weiter analysierbar:
(4)
N: [+N, -V], V: [-N, +V], �dj: [+N, +V], P: [-N, -V]
Mit Hilfe dieser Dekomposition lassen sich dann bestimmte Verallgemeinerungen über das syntaktische Verhalten dieser Wortklassen formulieren. Darüber hinaus macht diese Merkmalanalyse typologisch insofern Sinn, als weitgehend die Universalität der Unterscheidung zwischen Nomen und Verben
angenommen wird, während Adjektive und Adpositionen nicht in allen Sprachen anzutreffen sind oder sich nur wenig von den beiden genannten Klassen
unterscheiden. So sind z. B. im Chinesischen (Mandarin) Präpositionen als
eine Klasse von Verben charakterisierbar, die bestimmten Restriktionen unterworfen sind (Chao 1968): Sie haben keine �spektformen, kommen selten
als Hauptprädikat eines Satzes vor, lassen keine unspeziizierten, kontextuell
gegebenen Objekte zu etc. Was diese Merkmalszuweisung schließlich noch
zum Ausdruck bringt, ist die Tatsache, dass Präpositionen sowohl Gemeinsamkeiten mit Nomen als auch mit Verben haben, aber von Adjektiven maximal
unterschieden sind. Diese Notation erfasst somit, dass sekundäre Präpositionen in erster Linie von Verben oder Nomen abgeleitet sind und Adjektive nur
sehr selten als Quelle auftauchen (dt. frei, fern, unweit; engl. near, like) und
dass solche adjektivischen Quellen typischerweise deverbale oder denominale Adjektive sind (ungeachtet, anlässlich, einschließlich). Dies trifft auch auf
das Tschechische zu, wo Transgressive bzw. nominale Adjektive als Quelle
der Präpositionen in Frage kommen (počínaje/počínajíc (beginnend), končíc
(endend), vyjma (außer), nevyjímaje/nevyjímajíc (ohne Ausnahme von), včetně
(einschließlich); prost/a (frei von), dalek/a (weit weg von)).
Wenn wir nun die Ableitung von sekundären Präpositionen im Englischen
und Deutschen betrachten, können wir folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen (vgl. Kortmann/König 1992):
(i) In beiden Sprachen, wie in vielen anderen europäischen Sprachen, entstehen neue Präpositionen durch Lexikalisierung von Präpositionalphrasen.
Teil dieses Prozesses, der über verschiedene Zeitstufen hinweg und z. T. auch
in synchroner Variation beobachtet werden kann, ist vor allem der Wegfall von
Artikeln und die Verschmelzung der Präposition mit dem Nomen (dt. an der
Stelle von > anstelle von; in der Folge von > infolge von; engl. in someone’s
stead > instead of someone; on top of > atop (auf)). Dies gilt auch für das
Tschechische (na místo ˃ namísto ˃ místo (anstatt), k vůli ˃ kvůli (wegen),
27
Ekkehard König und Marek Nekula
v óči > vůči (gegenüber)). Durch solche Präpositionalphrasen werden auch
stark grammatikalisierte Präpositionen in ihrer ursprünglichen Bedeutung erneuert, wie z. B. im Französischen, wo die Präpositionen de und à zu Ausdrücken von syntaktischen Relationen grammatikalisiert wurden, die in früheren
Sprachstufen und in anderen Sprachen durch den Genitiv und den Dativ ausgedrückt werden. In ihrer ursprünglichen possessiven und lokalen Verwendung
werden sie daher häuig durch Präpositionalphrasen erneuert: un train de Paris
> un train en provenance de Paris (Zug aus Paris); un vol à Paris > un vol à
destination de Paris (Flug nach Paris)
(ii) Deverbale Präpositionen werden in beiden Sprachen vor allem von
Partizipien bzw. Transgressiven abgeleitet (dt. entsprechend, ungeachtet;
engl. considering (entsprechend), notwithstanding (trotz), following (infolge);
tsch. nehledě/nehledíc (ungeachtet)). Zur Reanalyse dieser Partizipialformen
gehört vor allem die Veränderung der Reihenfolge von Nominalausdruck und
Partizip bzw. der Verlust der Numerus- und Genuskongruenz im Tschechischen:
(5a)
(5b)
(5c)
(5d)
(5e)
seinen Vorstellungen entsprechend…
entsprechend seinen Vorstellungen…
your objections notwithstanding (unbeschadet/trotz deiner Einwände)
notwithstanding your objections
prosadil/a/i/y se nehledě//nehledíc na jejich námitky (ungeachtet ihrer Einwände setzte/n er/sie/sie sich durch)
In diesem Zusammenhang ist allerdings auch erwähnenswert, dass sich das
Deutsche (und das Tschechische) einerseits und das Englische andererseits in
der Zulässigkeit von mehrfach hintereinander geschachtelten Präpositionalphrasen unterscheiden, wie die beiden folgenden Beispiele und ihre Übersetzungen ins Englische zeigen. Das Englische vermeidet die Schachtelung von
Präpositionalphrasen und bevorzugt in diesen Fällen Partizipien:
(6a) die Frage an den Menschen von heute // otázka pro dnešního člověka
– the question facing modern man
(6b) ein Buch über Tiere in Afrika // kniha o afrických zvířatech – a book
on animals living in Africa; a book dealing with animals in Africa
(iii) Die beiden Sprachen unterscheiden sich deutlich, was die Ableitung
denominaler Präpositionen anbelangt. Die im Deutschen und Tschechischen
zu beobachtende Ableitung durch Konversion (Wortklassenwechsel ohne Markierung) oder durch Anfügung eines Flexionsmorphems (-s) fehlt im Engli28
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
schen und vielen anderen europäischen Sprachen. Die folgenden Ausdrücke
exempliizieren die zwei Typen:
(7a) kraft, zeit, trotz, laut, dank etc.
(7b) mangels, seitens, ausgangs, eingangs, angesichts, zwecks, mittels,
betreffs etc.
Diese Beispiele zeigen, dass es vor allem adverbiale Relationen sind, die durch
denominale Präpositionen ausgedrückt werden können: temporale Relationen
(zeit, anfangs, ausgangs), kausale Relationen (kraft, angesichts), konzessive
Relationen (trotz), instrumentale (mittels) und inale Relationen (zwecks), während im Tschechischen Formen ohne Flexionsmarkierung zwar kaum vorliegen
(počátkem (zu Beginn), koncem (zu Ende), během (während), prostřednictvím
(mittels / mit Hilfe), středem (durch), díky (dank) etc. vs. vzdor (trotz)), ihre
Bedeutung im Zuge der Lexikalisierung aber weitgehend verlorengegangen ist.
Was die Beziehungen von Präpositionen zu anderen Wortklassen anbelangt, so zeigt ein weiterer Mikroparameter deutliche Unterschiede zwischen dem
Deutschen und Englischen sowie Parallelen zwischen dem Deutschen und
Tschechischen. Es ist eine bekannte Tatsache, dass adverbiale Relationen (temporal, kausal, konditional, konzessiv, proportional etc.) durch Elemente von drei
Wortklassen gekennzeichnet werden können: (a) durch Präpositionen mit folgendem Nominalausdruck, (b) durch Konjunktionen mit folgendem Satz und (c)
durch Konjunktionaladverbien bei parataktischer Verknüpfung von Sätzen. Als
Oberbegriff für die drei Klassen wird häuig der �usdruck Konnektiva verwendet:
Kausale Relationen:
(8a) dt. Wegen seiner Erkältung kommt Karl nicht zur Arbeit. (Präposition)
~ tsch. Pro své onemocnění nemohl Karel přijít do práce.
(8b) dt. Karl kommt nicht zur Arbeit, weil er krank ist. (Konjunktion) ~
tsch. Karel nemohl přijít do práce, protože byl nemocný.
(8c) dt. Karl ist krank. Deshalb/Deswegen kommt er nicht zur Arbeit.
(Konjunktionaladverb) ~ tsch. Karel byl nemocný, (a) proto nemohl
přijít do práce.
Was hier von Interesse ist, sind formale Ähnlichkeiten der drei bedeutungsgleichen, aber syntaktisch verschiedenen Konnektiva. Teilweise Überlappungen in
der Form der verschiedenen Konnektiva sind in vielen Sprachen zu inden. So
kann z. B. dt. während sowohl als Präposition als auch Konjunktion verwendet
werden, und aus der kausalen Präposition wegen wird durch Anfügen der Flexionsform des Demonstrativartikels das Konjunktionaladverb deswegen (vgl.
29
Ekkehard König und Marek Nekula
auch tsch. pročež = Präposition pro (für, wegen) + Relativpronomen což (was),
wobei -ž als eine klitische, die Subordination markierende Partikel interpretierbar ist).9 Ähnliches gilt für den Ausdruck seit, der sowohl als Präposition
(seit ihrer Abreise), als Konjunktion (seit sie abgereist ist) und mit dem anaphorischen Artikel (seitdem) auch als Konjunktionaladverb verwendet werden
kann (vgl. das tschechische poté co (nachdem) ˂ …po té, co… = Präposition +
anaphorisches Demonstrativpronomen + Relativpronomen).10
Unter den europäischen Sprachen manifestiert das Englische besonders viele solcher formalen Identitäten über die genannten Wortklassen hinweg:
Syntaktische Flexibilität von Konnektiva
temporal
temporal
temporal
temporal
Präposition [- NP]
after (nach)
before (vor)
since (seit)
until (bis)
Konjunktion [- S]
after (nachdem)
before (bevor)
since (seit)
until (bis)
Konjunktionaladverb
afterwards (danach)
before (vorher)
since (seitdem)
until then (bis dahin)
Eine weitere interessante Eigenschaft von Präpositionen ist in germanischen,
aber nicht in romanischen und slawischen Sprachen zu inden. �us rein synchroner Perspektive betrachtet kann man sagen, dass die einfachen, primären
Präpositionen in den germanischen Sprachen auch mit Verben zu diskontinuierlichen Konstruktionen verknüpft werden, als post-verbale Partikeln im Englischen und als trennbare Verbpräixe im Deutschen. Wie bereits erwähnt, sind
es die Mitglieder des Kernbereichs von Präpositionen, die diese Eigenschaft
haben. Im Deutschen kommen u. a. folgende Präpositionen als trennbare Präixe von Verben vor, und von diesen möglichen Präixen sind etwa 10 mit dem
Verb spielen kombinierbar:
(9a) ab, an, auf, aus, mit, zu, vor, nach, bei, um, in/ein, durch, über, unter,
als etc.
(9b) abspielen, anspielen, aufspielen, ausspielen, mitspielen, vorspielen,
zuspielen, nachspielen, einspielen etc.
Im Tschechischen kommen Formen wie do/-, na/-, ob/(e)-, od(e)/-, pro/-, pře/-,
před(e)/-, s/e-, za/- sowohl als Präpositionen als auch Präixe, nicht aber als
trennbare Verbpartikel bzw. Präixe vor:
9
10
30
Vgl. etwa Nekula (2010).
Eine besondere Gruppe bilden Vergleichspräpositionen/-partikel wie / jako oder als / než, die
auch als Konjunktionen verwendet werden.
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
(9c) dohrát, nahrát, obehrát, odehrát, prohrát, přehrát, předehrát, sehrát,
zahrát.
Die Verwendung formal identischer Gegenstücke als trennbare verbale Präixe
kann also im Deutschen eine charakteristische Eigenschaft der Kerngruppe
von Präpositionen darstellen; und analog gilt dies auch in anderen germanischen Sprachen. Eine entsprechende Erscheinung fehlt in den romanischen
und slawischen Sprachen mit der Konsequenz, dass z. B. im Deutschen feine
Bedeutungsunterschiede in der Aktionsart ausdrückbar sind, die im Französischen nur kontextuell differenziert werden können, während die slawischen
Sprachen auf nicht-trennbare Präixe zurückgreifen. Der folgende französische
Satz kann zwei Bedeutungen haben, die im Deutschen durch den Zusatz eines
trennbaren Präixes differenziert werden können:
(10a) Les gens de la banlieue ont siflé la Marseillaise.
(10b) Die Leute aus den Randbezirken haben die Marseillaise gepiffen.
(10c) Die Leute aus den Randbezirken haben die Marseillaise ausgepiffen.
In den romanischen Sprachen werden also einfache Verben für eine Vielzahl
von Bedeutungen gebraucht, die in den germanischen Sprachen durch verbale
Partikeln differenziert werden.11
5. Kontraste im Inventar und Gebrauch von Präpositionen
Die vorausgegangenen Beobachtungen zu feinkörnigen Unterschieden zwischen Formen und Verwendungen von Präpositionen, die bei bilateralen
Sprachvergleichen ins Auge fallen, aber z. T. auch ganze Sprachfamilien differenzieren können, betrafen die Form von Präpositionen und ihr Verhältnis zu
anderen Wortklassen. Im folgenden Teil werden unterschiedliche semantische
Differenzierungen diskutiert, die durch Präpositionen getroffen werden können. Hier geht es nicht mehr um Eigenschaften einer Klasse oder von Teilklassen, sondern um unterschiedliche Differenzierungen im Vokabular einer
Sprache. Dabei kann es nicht Aufgabe einer Kontrastiven Analyse sein, die
11
Auch innerhalb der germanischen Sprachen sind Differenzen festzustellen. So besteht eine
semantische Kongruenz zwischen Prädikat und Objekt im Deutschen (dt. Er zog das Hemd
/ die Socken an. Er schnallte sich den Gürtel um. Er setzte sich den Hut auf…), während im
Englischen eine semantische Unterspeziizierung vorliegt (put on); vgl. Plank (1984), König
(1990). Das Tschechische steht hier dem Deutschen nahe: Oblékl si košili. Natáhl si ponožky.
Připnul si pásek. Nasadil si klobouk...
31
Ekkehard König und Marek Nekula
Informationen eines zweisprachigen Wörterbuchs nachzuzeichnen oder zu
verbessern. Kontraste, die individuelle Präpositionen betreffen, können sinnvollerweise nicht mehr Gegenstand eines bilingualen Sprachvergleichs sein,
der mehr sein will als zweisprachige Lexikographie. Bei allem Interesse für
feinkörnige Parameter der Variation sind hier also Verallgemeinerungen zu
treffen, unterschiedliche Subsysteme im Inventar von Präpositionen und unterschiedliche Möglichkeiten der Differenzierung von Bedeutungen zu identiizieren. Dort, wo zweisprachige Lexikographie beginnt, trifft die Suche nach
feinkörnigen Parametern der Variation zwischen Sprachen auf ihre Grenzen.
5.1. Raum und Zeit
Raum und Zeit sind fundamentale Kategorien und Dimensionen menschlichen
Denkens. Obwohl keine dieser beiden Kategorien auf die andere reduzierbar
ist, inden wir jedoch klare �symmetrien in den Bezeichnungen dieser beiden
Dimensionen. In vielen, wenn nicht allen Sprachen der Welt, werden zeitliche
Beziehungen sehr häuig durch räumliche Begriffe ausgedrückt (vgl. Haspelmath 1997). Diese Übertragung wird vielfach als Ausdruck einer konzeptuellen
Metapher (TIME IS SP�CE) gesehen (Lakoff/Johnson 1980). Die folgenden
Beispiele aus dem Deutschen, Englischen und Tschechischen verdeutlichen
die Vielfalt der lokalen Konzepte, die in diesen Sprachen zum Ausdruck von
temporalen Adverbialen verwendet werden, zeigen aber auch, dass die speziische �usprägung der zugrunde liegenden räumlichen Metapher durchaus
unterschiedlich sein kann:
(11a) um drei Uhr, am Montag, im Jahr 2011, auf ein Stündchen, über die
Jahre …
(11b) at three, on Monday, around midnight, by the end of the week, in a
minute …
(11c) ve tři hodiny, v pondělí / na Nový rok, v roce 2011, na hodinu, kolem
poledne, koncem týdne, po léta …
Solche konventionalisierten räumlichen Metaphern lassen sich auch bei der
Unterscheidung grammatischer Oppositionen (Diathese, �spekt, etc.) inden:
(12a)
(12b)
(13)
(14a)
the language of description (die Beschreibungssprache)
the language under description (die Sprache, die beschrieben wird)
at work, on display, on duty, in motion ...
(Jemand ist) bei der Arbeit, auf (der) Arbeit/Schicht, (etwas ist) in
Arbeit, unter Aufsicht…
(14b) (Někdo je) při práci, na práci, v práci …
32
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
In den folgenden Abschnitten werden generelle Kontraste in der Bezeichnung
von adverbialen Relationen zwischen dem Englischen, dem Deutschen, dem
Tschechischen und dem Französischen beschrieben. Dabei stehen räumliche
und temporale Beziehungen im Mittelpunkt, da es hier die größte Zahl von
zusätzlichen Differenzierungen gibt. Zur Identiizierung der gemeinsamen Bedeutung äquivalenter Präpositionen werden die lateinischen Bezeichnungen
gewählt, die bei der Beschreibung von Sprachen gebräuchlich sind, die über
ein reiches Inventar von lokalen Kasus verfügen.12
5.2. Lokativ vs. Direktional
Im Deutschen und den slawischen Sprachen, die ihre Kasusunterscheidungen
bewahrt haben, werden Adverbiale des Ortes (Dativ) und Adverbiale der Richtung (Akkusativ) durch Kasus unterschieden, wie es das folgende Minimalpaar
deutlich macht:
(15a) Karl läuft im Wald.
(15b) Karl läuft in den Wald.
Im Tschechischen werden Adverbiale des Ortes (Lokativ / Instrumental) und
Adverbiale der Richtung (Dativ / Akkusativ) durch Präpositionen und Kasus
unterschieden:
(16a) Karel běží v lese (Lok.)
(16b) Karel běží do lesa (Gen.)
Im Englischen und im Französischen ist diese Differenzierungsmöglichkeit nicht
mehr gegeben, so dass eine entsprechende Bedeutungsunterscheidung auf der
durch das Verb ausgedrückten Bedeutung, auf der Wahl des Aspekts und auf dem
Kontext beruht. Zwar kann man im Englischen noch durch Kombination einer
lokativen Präposition mit der allativen Präposition to (into, onto) diese beiden
Bedeutungen auch formal unterscheiden, aber diese Formen werden immer
seltener verwendet. Ein Satz wie (17a) kann sowohl eine lokative als auch eine
direktionale Bedeutung haben, obwohl er natürlich durch weitere Speziizierungen auf eine lokale (17b) oder direktionale Bedeutung (17c) eingeengt werden
kann, die im Tschechischen durch die Bewegungsverben unterschieden wird:
12
Lokativ = alle statischen räumlichen Beziehungen; direktional = alle dynamischen räumlichen Beziehungen; allativ (dt. zu, bis; engl. to); elativ (dt. aus; engl. out of); inessiv (dt. in);
adessiv (dt. bei, an; engl. at, by); essiv (dt. als; engl. as); superessiv (dt. auf, über; engl. on,
over).
33
Ekkehard König und Marek Nekula
(17a) John sat on a chair. (saß/setzte sich)
(17b) John is sitting on a chair. (sitzt) / John sedí na židli.
(17c) John sat down on a chair. (setzte sich) / John se posadil na židli.
Dieser Unterschied betrifft allerdings nicht nur Präpositionalphrasen, sondern
ist genereller Natur. Auch lokative und direktionale Fragewörter und Adverbien werden im Deutschen und Tschechischen im Gegensatz zum Englischen
generell formal differenziert:
(18a) Karl ist oben/draußen/nebenan/dort/überall. (Wo ist Karl?)
(18b) Karl ging nach oben/nach draußen/nach nebenan/dorthin/überall
hin. (Wohin ging Karl?)
(19a) Karel je nahoře/venku/vedle/tam/všude. (Kde je Karel?)
(19b) Karl šel nahoru/ven/vedle/tam/všude. (Kam šel Karel?)
(20a) Charles is upstairs/outside/next door/over there/everywhere. (Where
is Charles?)
(20b) Charles went upstairs/outside/next door/over there/everywhere. (Where
did Charles go?)
Wie die folgenden französischen und italienischen Beispiele zeigen, fehlt diese
systematische Differenzierung von lokativen Relationen und auf ein Ziel bezogenen direktionalen Relationen auch in den romanischen Sprachen:
(21) franz. Jean est dehors. (Jean ist draußen.) – Jean va dehors. (Jean
geht nach draußen.)
(22) ital. Dov’è la posta? (Wo ist die Post?) – Dove andate? (Wohin geht
ihr?)
5.3. Elativ vs. Inessiv
Die bisher gemachten Beobachtungen zu direktionalen Angaben waren insofern
unvollständig, als es drei verschiedene Speziizierungen der Richtung gibt: (a)
das Ziel, wie bisher besprochen, das im Deutschen durch den Kasus Akkusativ,
durch die allativen Präpositionen nach und zu und durch die deiktische Partikeln
-hin und -her bezeichnet werden kann, (b) den Pfad, die Durchgangsstrecke
(engl. path), die ebenfalls durch den Akkusativ und die Präpositionen durch,
über etc. ausgedrückt werden kann (dt. durch den Wald, durch/über das Feld,
die Straße entlang bzw. tsch. lesem/přes les, poli/přes pole, ulicí/po ulici) und
(c) die Quelle, den Ausgangspunkt der Bewegung. Dieser Ausgangspunkt wird
im Deutschen durch die elativen Präpositionen aus oder die Zirkumposition
von…aus/weg und durch den Dativ ausgedrückt (aus dem Haus über das Feld
34
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
in den Wald).13 Wie schon oft beobachtet (vgl. Sörés 2008, S. 70f.) und in den
entsprechenden zweisprachigen Wörterbüchern ausführlich dokumentiert, ist bei
diesen Speziizierungen des �usgangspunktes bzw. der Quelle ein interessanter
Unterschied zwischen dem Französischen einerseits und dem Deutschen und
Englischen andererseits zu beobachten. Das Französische verfügt neben der sowohl lokativ als auch direktional verwendbaren Präposition hors (de) über keine
genuine elative Präposition und muss in den entsprechenden Kontexten auf die
allgemeinen, stark grammatikalisierten und semantisch lexiblen Präpositionen
de oder par zurückgreifen oder durch die inessive Präposition dans (in) bzw. die
superessive Präposition sur (auf) lediglich eine lokale Speziizierung vornehmen.
Eine präzise und vollständige Erfassung aller relevanten Bedingungen für eine
der genannten Strategien ist schwierig und in den einschlägigen Wörterbüchern
nicht zu inden. Die folgende Systematisierung ist ein erster Versuch:
Entsprechungen der elativen Präpositionen dt. „aus“, engl. „out of“ im
Französischen
semantische Bedingung
Quelle der Bewegung eines
Subjekts
gewählte Präposition(en)
de, hors de
Quelle der Bewegung/
der Transformation eines
Objekts
Quelle/Motiv eines
Handlung
materielle Quelle
dans, sur
par
en
Beispiel
sortir de la maison
un train de Paris, le
poisson saute hors de
l’eau
boire dans mon verre,
prendre le livre sur la
table
par crainte/bêtise/
amour
en bois, en argent
Die folgenden Beispiele und ihre Übersetzungen verdeutlichen diesen Systematisierungsversuch (vgl. Sörés 2008, S. 71):
(23) franz. Il prend de l’argent dans sa poche ~ dt. Er nimmt Geld aus
seiner Tasche.
(24) franz. Elle fait une robe dans un vieux manteau. ~ dt. Sie macht ein
Kleid aus einem alten Mantel.
(25) franz. Il a copié cela dans un livre. ~ dt. Er hat das aus einem Buch
kopiert.
13
In Sprachen mit lokalem Kasus (Ungarisch, Finnisch) wird in diesen Kontexten der Kasus
Elativ verwendet. Die in (a-c) angesprochenen Merkmale LOC�TION, GO�L, SOURCE
werden in Emonds (2007) diskutiert.
35
Ekkehard König und Marek Nekula
(26) franz. Il a découpé une annonce dans un journal. ~ dt. Er hat eine
Annonce aus einer Zeitung herausgeschnitten.
(27) franz. Il a fait cela par crainte/amour/mégarde. ~ dt. Er hat dies aus
Furcht/Liebe/Versehen getan.
(28) franz. La bague est en argent. ~ dt. Der Ring ist aus Silber.
5.4. Kontraste bei temporalen Präpositionen
Die zentrale Rolle, die räumliche und temporale Relationen in der menschlichen Kognition für unsere Orientierung in Raum und Zeit spielen, manifestiert sich insbesondere in reichen Systemen von Differenzierungen, die bei den
übrigen adverbialen Relationen (Kausalität, Konditionalität, Konzessivität,
Finalität etc.) keinerlei Parallele haben. Einige der relevanten räumlichen Beziehungen haben im vorausgehenden Abschnitt eine Rolle gespielt. Zu den bei
temporalen Beziehungen zu beobachtenden Differenzierungen gehören u. a.
Oppositionen wie Zeitpunkt (am Montag) vs. Zeitdauer (für zwei Wochen),
Dauer (zwei Stunden lang) vs. Häuigkeit (mehrmals), Anteriorität (vor) vs.
Posteriorität (nach), anaphorisch (inzwischen) vs. nicht-anaphorisch (während
des Essens), deiktisch vs. nicht-deiktisch etc. Die folgenden Beobachtungen
beziehen sich auf die zuletzt genannte Unterscheidung.
Jede Aussage über Vorzeitigkeit (Anteriorität) oder Nachzeitigkeit (Posteriorität) bedarf eines zeitlichen Bezugspunktes, von dem aus rückwärts oder
vorwärts gerechnet wird. Ein solcher Bezugspunkt kann entweder durch den
Sprechzeitpunkt oder durch einen kontextuell speziizierten Zeitpunkt gegeben sein. Im ersten Fall sprechen wir von deiktischen Präpositionen. Während
sowohl im Deutschen als auch im Englischen die posterior-durativen Präpositionen seit und since deiktisch sind und einen Zeitraum von einem kontextuell gegebenen Anfangspunkt bis zum Sprechzeitpunkt auswählen, hat nur das
Englische eine entsprechende Differenzierung für punktuelle Präpositionen:
Deiktische Adpositionen im Englischen
posterior-durativ
deiktisch
since (seit)
nicht-deiktisch from…on (von…an/ab)
anterior-punktuell
posterior-punktuell
ago (vor)
before (vor)
come, in (an, in)
at, on (an)
Die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Unterscheidungen:
(29a) John has lived in Berlin since 1988. – John wohnt seit 1988 in Berlin.
(29b) From 1972 on he worked in Hannover and in 1988 he moved to
Berlin. – Von 1972 an arbeitete er in Hannover und zog dann 1988
nach Berlin.
36
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
(30a) two years ago (today) – (heute) vor zwei Jahren
(30b) I never drink before sundown. – Ich trinke nie vor Sonnenuntergang.
(31a) Come Monday things will be all right. – Am Montag wird alles wieder
in Ordnung sein.
(31b) On (the subsequent) Monday I had to leave the hotel. – Am (folgenden) Montag…
Die Differenzierung des Englischen zwischen before und ago hat auch eine
klare Parallele im Französischen (avant dimanche (vor Sonntag) – il y a deux
ans (vor zwei Jahren)) und anderen romanischen Sprachen.
Zu den markanten Unterschieden zwischen dem Englischen und Deutschen in der Differenzierung von Präpositionen muss man auch die rechnen, die bei der Übersetzung von dt. bis sichtbar werden. Zunächst einmal
ist für eine Übersetzung ins Englische eine Unterscheidung zwischen einer
,räumlichenʻ Verwendung von bis (as far as, to) und einer ,temporalenʻ Verwendung (until) zu unterscheiden, d. h. dt. bis kann für beide Dimensionen
verwendet werden:
(32a) Ich bringe dich bis zum Bahnhof. – I’ll accompany you as far as the
station.
(32b) Das Restaurant ist bis 11 Uhr geöffnet. – The restaurant will be open
until 11 o’clock.
Deutsches bis wird allerdings auch noch in einer anderen Bedeutung verwendet, wie erst durch eine Übersetzung ins Englische völlig deutlich wird. In diesem Fall wird im relevanten Satz keine Zeitdauer eines Vorgangs bis zu einem
Endpunkt, d. h. also keine posterior-durative Bedeutung ausgedrückt, sondern
der spätmöglichste Zeitpunkt für eine Handlung innerhalb eines Zeitraumes:
(33a) Let me have your abstracts by 1 February. – Schicken Sie mir Ihre
Abstracts bis (spätestens) zum 1. Februar.
(33b) The restaurant will be open by 11 o’clock. – Bis 11 Uhr/dahin ist das
Restaurant (spätestens/längst) geöffnet. (d. h. ʻSpätestens ab 11 Uhr
wird das Restaurant geöffnet sein.ʼ)
Während normalerweise die Übersetzung by, d. h. die punktuelle Interpretation
bei bis in Verbindung mit punktuellen Ereignissen zu beobachten ist, gibt es
auch, wie das Beispiel (32b) zeigt, für Sätze mit durativen Verben ein Minimalpaar mit by. Dieser Satz identiiziert dann den spätestmöglichen Beginn
des ausgedrückten Zustandes. �uf der Grundlage unseres Hintergrundwissens
37
Ekkehard König und Marek Nekula
werden wir natürlich Satz (33b) in dem Sinne interpretieren, dass von 11 Uhr
vormittags die Rede ist und nicht, wie bei (32b) von 23 Uhr.
Die Unterscheidung des Englischen zwischen by und until ist in den europäischen Sprachen und darüber hinaus nicht sehr häuig. Zu inden ist sie z. B.
auch im Norwegischen (innen – intil), im Schwedischen (innan – tills) und im
Finnischen (mennessä – asti/saakka). In diesem Zusammenhang ist ein kurzer Blick auf die innischen Postpositionen für die semantische Beschreibung
der Differenzierung aufschlussreich. Hier ist mennessä die Entsprechung von
engl. by, während until zwei mögliche Übersetzungen hat, nämlich asti und
saakka, die wiederum sowohl die Übersetzung until als auch since/seit erlauben. Die Differenzierung der beiden Bedeutungen erfolgt durch den Kasus des
vorausgehenden Nomens: der Illativ + Postposition asti/saaka ist als until/bis
zu übersetzen, der Elativ wird als seit übersetzt.
(34) Näyttely
on avionna
ensi
kesä-än saakka/asti.
Ausstellung ist geöffnet
nächsten
Sommer-ILL bis
(Die Ausstellung ist bis nächsten Sommer geöffnet.)
(35) Ensi perjantai-hin mennessä asia on
ratkaistu.
Nächsten Freitag-ILL
bis
Sache ist erledigt
(Bis nächsten Freitag ist die Sache erledigt.)
Die als Entsprechungen von deutschem bis aufgeführten Adpositionen des Englischen werfen interessante Fragen für die Subklassiizierung von temporalen
Präpositionen auf. Englisches by kann nicht einfach als posterior-punktuell
klassiiziert werden, da der durch diese Präposition ausgezeichnete Zeitpunkt
innerhalb eines Zeitraumes ausgewählt wird und von allen möglichen Zeitpunkten der letzte ist. Ein Satz wie (33a) bedeutet, wenn er Ende November geäußert
wird, dass die Abstracts innerhalb der Monate Dezember und Januar, aber spätestens am 1. Februar geschickt werden müssen. In den deutschen Übersetzungen
der relevanten Beispiele wurde diese Implikation durch den Zusatz spätestens
zum Ausdruck gebracht. Eine weitere Manifestation dieses Bedeutungsanteils
von englischem by ist die Tatsache, dass die entsprechenden Sätze auch eine
Entwicklung bezeichnen können, die zum angegebenen Zeitpunkt oder schon
früher eingetreten ist, aber erst zum angegebenen Zeitpunkt bemerkt und konstatiert wird:
(36a) It was dark by the time we reached Paris. (Es war schon dunkel, als
wir endlich Paris erreichten.)
(36b) By this time I felt absolutely exhausted. (Inzwischen fühlte ich mich
absolut erschöpft.)
38
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
Ein klassiikatorisches Etikett gibt es für eine solche Präposition, die alle Werte
innerhalb einer Zeitspanne durchlaufen kann, bisher noch nicht. Eine analoge
Schwierigkeit zeigt sich bei der klassiikatorischen Einordnung der innischen
Postpositionen asti und saakka. Wenn diese beiden Ausdrücke je nach Kasus
des Bezugsnomens sowohl durch seit als auch durch bis übersetzbar sind, dann
können sie weder als anterior-durativ (wie bis) noch als posterior-durativ (wie
seit) klassiiziert werden. Was diese Postpositionen ausdrücken, ist sicherlich eine
Zeitdauer, die aber nicht quantitativ bestimmt wird (wie in zwei Wochen lang),
sondern kontextuell durch den Kasus des Bezugsnomens auf einer Seite eingegrenzt wird. �uch hier stellt die traditionelle Klassiikation keinen Terminus bereit.
Etymologisch ist englisches by mit deutschem bei verwandt. Beide Präpositionen haben noch ihre ursprüngliche räumliche Bedeutung bewahrt (vgl.
(37)), haben sich aber stark unterschiedlich entwickelt. Bei deutschem bei inden wir weder die oben angegebene temporale Bedeutung von by (i. e. Zeitpunkt innerhalb eines Bereichs) noch die agentive in Passivkonstruktionen
(vgl. (38)). Im Gegensatz zum Englischen hat dt. bei eine vage Bedeutung und
bezeichnet Begleitumstände räumlicher und zeitlicher (37b), aber auch anderer
Art und kann in den entsprechenden Kontexten konditional, temporal, kausal
und konzessiv interpretiert werden (vgl. (39)):
(37a) by my side, down by the riverside, stand by me etc.
(37b) bleib bei mir, bei der Kirche, bei Nacht, bei Tagesanbruch, bei
Mondschein etc.
(38) He was attacked by a crocodile.
(39a) Bei Nebel würde ich mit dem Auto fahren. (konditional)
(39b) Bei diesem Nebel solltest du nicht mit dem Auto fahren. (temporal)
(39c) Bei all seinen Problemen ist er immer gut gelaunt. (konzessiv)
(39d) Bei deiner Ausbildung musst du einfach Erfolg haben. (kausal)
Obwohl wir uns damit stark einer lexikographischen Beschreibung annähern,
wollen wir trotzdem noch kurz die Bedeutung und Verwendung der Präposition bei aus der Sicht des Französischen beleuchten. Diese Präposition ist
in ihrer Bedeutung sehr vage und drückt lediglich räumliche, zeitliche Nähe
aus, aber auch Nähe bzw. Kookurrenz im Sinne von Begleitumständen. Erst
durch den Kontext erhält die durch bei eingeleitete Präpositionalphrase eine
präzisere Bedeutung als räumliche oder zeitliche Nähe bzw. als Begleitumstand unterschiedlicher Art. Einige dieser Verwendungsweisen wurden schon
durch den Vergleich mit dem Englischen deutlich, zusätzliche Unbestimmtheit
verdeutlicht die folgende Gegenüberstellung von dt. bei mit seinen französischen Entsprechungen.
39
Ekkehard König und Marek Nekula
Ebenso wie mit und seine Entsprechungen in anderen Sprachen (engl. with,
franz. avec, span. con etc.) drückt bei eine symmetrische Relation aus (39),
die allerdings nahezu immer dadurch eine Asymmetrie erhält, dass eine der
genannten Entitäten als Figur (igure) und die andere als Hintergrund (ground)
betrachtet wird (vgl. (40)). Für die Wahl der jeweiligen Perspektiven spielen
natürlich Faktoren wie Größe, Informationsstatus, Relevanz etc. eine entscheidende Rolle:
(40) Wir sahen Karl bei Berta sitzen. ≈ Wir sahen Berta bei Karl sitzen.
(41) Mein �uto steht bei der Kirche. ≠ Die Kirche steht bei meinem Auto.
Im Französischen erfolgt im Gegensatz zum Deutschen die Wahl von Präpositionen je nach Typ der Entität, zu der man (als Hintergrund) einen Ort konstituiert, zu dem Nähe bestehen kann. Differenziert wird u. a. danach, ob der
Ort durch Menschen (chez, auprès, sur), durch geographische Bedingungen
(près de), durch einen Text (dans) oder durch einen Begleitumstand (Handlung, Wetter, Qualität: à, avec, en V-ant) deiniert ist. Die folgende Tabelle
ist ein erster, unvollständiger Versuch, die Beobachtungen von zweisprachigen Wörterbüchern (dt.-franz.) näher zu präzisieren. Das Beispiel ist deshalb
von generellem Interesse, weil es zeigt, welche Faktoren außer den bekannten adverbialen Kategorien für die Auswahl von Präpositionen relevant sein
können.
Französische Entsprechungen der dt. Präposition „bei“
semantische Bedingung
Wohnung/Aufenthaltsort
Person als Ort
geograph. gegebener Ort
Text als Ort
Räumlicher/zeitlicher
Begleitumstand
Handlung als
Begleitumstand
Körper als Ort
gewählte Präposition
chez
auprès de
près de
dans
à
Beispiel
chez mon frère
auprès de ma blonde
près de Toulouse
dans Balzac
au travail, au départ du train
en V-ant
Il a glissé en marchant.
sur
Je n’ai pas d’argent sur moi.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Aufbauend auf die zwei thematisch verwandten früheren Veröffentlichungen
(König 2012a-b) wurden in diesem �ufsatz die Beziehungen zwischen Kon40
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
trastiver Linguistik bzw. Bilingualem Sprachvergleich und Sprachtypologie
mit der Zielsetzung diskutiert, durch diese Konfrontation der Kontrastiven
Linguistik deutlichere Konturen zu geben. Im Gegensatz zu den genannten
früheren Veröffentlichungen wurde diese Diskussion ausschließlich im Zusammenhang mit einem klar eingegrenzten Sprachausschnitt, den Adpositionen, geführt. Zur Exempliikation dienten vor allem Daten des Deutschen, des
Englischen, des Französischen, des Finnischen und des Tschechischen. Die
wesentlichen Ergebnisse der vorangegangenen Diskussion, soweit sie die Ausgangsfragestellung betreffen und über die Beschreibung von Typen von Adpositionen und Kontrasten bei Teilsystemen von Präpositionen hinausgehen,
lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zu den Gemeinsamkeiten der beiden Spielarten des Sprachvergleichs gehören ihre primär synchrone Orientierung und ihr Interesse an interlingualer Variation. Dass beide Formen des Vergleichs maximal generelle und falsiizierbare
Aussagen machen wollen, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Sie unterscheiden sich jedoch grundsätzlich in ihrem Skopus und damit zusammenhängend
in der Feinkörnigkeit ihrer Aussagen, in ihren Zielsetzungen und ihren Erklärungen. Sprachtypologie ist im Prinzip allumfassend, selbst wenn sie sich aus
Gründen der Machbarkeit auf repräsentative Stichproben von Sprachen beschränkt, der Bilinguale Sprachvergleich bzw. die Kontrastive Linguistik ist
auf Sprachpaare bezogen, die in Hinblick auf ihre Relevanz füreinander im
Fremdsprachenunterricht, im Bilingualismus oder in der Übersetzung ausgewählt werden. Selbst wenn kontrastive Aussagen manchmal auf mehrere Sprachen oder eine ganze Sprachfamilie beziehbar sind, ist eine solche Analyse
keine typologische Studie. Gerade wegen ihres begrenzten Skopus hat die
Kontrastive Linguistik allerdings besondere Erkenntnismöglichkeiten in der
Feinkörnigkeit ihrer Aussagen. Durch die vergleichende Perspektive ergeben
sich oft Aufschlüsse über die Struktur einer Sprache, die einer einzelsprachlichen Perspektive verschlossen bleiben. Damit kann die Kontrastive Analyse
zur vollständigen Beschreibung von Einzelsprachen wertvolle Einsichten bieten, auf denen die Typologie aufbauen kann.
Ebenso grundsätzlich sind die Unterschiede zwischen Sprachtypologie und
Kontrastiver Linguistik in den Zielsetzungen. Die Sprachtypologie zielt auf
die Erfassung und die Erklärung der Einheit in der Vielfalt. Diese traditionelle
Zielsetzung der Typologie, den Raum von Mustern (Konstruktionstypen) und
Grenzen sprachlicher Variation abzustecken, wurde in den letzten Jahren in
Zusammenhang mit der Genetik und der Bioinformatik mit weiteren anspruchsvollen Zielen verknüpft, wie der phylogenetischen Rekonstruktion der Sprache
seit den Anfängen und den Interaktionen in der Entwicklung von genetischer und
sprachlicher Vielfalt. Dass sich damit diese beiden Zweige der Vergleichenden
41
Ekkehard König und Marek Nekula
Sprachwissenschaft auch fundamental in ihren Explananda und in ihren Erklärungen unterscheiden, ist offensichtlich.
Völlig unterschiedlich stellt sich auch das für jeden Vergleich fundamentale
Problem der Vergleichbarkeit in Sprachtypologie und Kontrastiver Linguistik
dar. In der Typologie wird dieses Problem kontrovers diskutiert und hat bisher
noch keine völlig überzeugende und allgemein akzeptierte Lösung gefunden.
Während in der generativen Grammatik die Existenz universaler Kategorien
angenommen wird, lehnt die empirisch orientierte funktionale Sprachtypologie diese Auffassung völlig ab und gründet einen Vergleich auf komparative
Konzepte, auf Konstrukte also, die weder wahr noch falsch sind, sondern nur
nach ihrer Nützlichkeit für einen Vergleich aus verschiedenen Perspektiven
bewertet werden können. Für einen bilingualen Sprachvergleich ist die Etablierung von Vergleichbarkeit auf der Basis von semantischer Äquivalenz und
formaler Ähnlichkeit in den meisten Fällen unproblematisch, insbesondere
dann, wenn es sich um genetisch verwandte Sprachen handelt.
Mit der Feststellung dieser grundsätzlichen Unterschiede ist jedoch noch
nichts über die Möglichkeiten einer wechselseitigen Inspiration und Interaktion gesagt. Jeder bilaterale Sprachvergleich wird gut beraten sein, wenn er auf
den Ergebnissen der Typologie aufbaut und sie als allgemeinen Rahmen für
die eigenen �ussagen benützt. Die speziischen �ussagen einer bilateralen,
kontrastiven Studie werden jedoch nur dann von Interesse sein, wenn sie weit
über diesen Rahmen hinausgehen. Dies soll abschließend noch einmal an
einem weiteren Beispiel erläutert werden. Zu den bekannten typologischen
Beobachtungen gehört z. B., dass die Unterscheidung zwischen einem deiniten und einem indeiniten �rtikel nur in wenigen Sprachen zu inden ist,
und zwar insbesondere in Europa (mit Ausnahme der meisten slawischen und
der inno-ugrischen Sprachen) und in den ozeanischen Sprachen. Nur diese
Frage der Existenz bzw. Absenz solcher Artikelsysteme war bisher von typologischem Interesse (vgl. Dryer 2005). Kontrastive �nalysen dieser Sprachen
mit Artikelsystemen zeigen darüber hinaus, dass bei aller Gemeinsamkeit der
Existenz solcher Systeme die Verwendung dieser Artikel sehr unterschiedlich sein kann. Im modernen Griechisch steht der bestimmte Artikel auch vor
Eigennamen, einschließlich Ortsnamen, Monaten, Feiertagen und nach Demonstrativa, in mündlichen Registern des gesprochenen Deutschen kann er
zumindest regional mit Eigennamen verbunden werden (Ich bin der Peter;
der Meier), im Englischen jedoch weder bei Vornamen noch Familiennamen,
es sei denn, es folgt ein Relativsatz. Im Griechischen und im Französischen,
aber nicht im Englischen, indet man den bestimmten �rtikel auch vor generischen Nomen. Das Deutsche erlaubt hier, grob gesagt, die Wahl zwischen Artikel und artikellosen Nomen (z. B. (Die) Depressionen sind zu einer Volks42
Zum Verhältnis von Kontrastiver Linguistik und Sprachtypologie
krankheit geworden). Typologisch hat also – zumindest bisher – lediglich die
Frage der Existenz bzw. Nicht-Existenz der Kategorie Artikel eine Rolle gespielt, aus kontrastiver Perspektive sind dagegen auch alle der erwähnten Unterschiede im Gebrauch von großem Interesse. Analoge Unterschiede in den
Erkenntnisinteressen und den Erkenntnismöglichkeiten wurden in den vorausgehenden Abschnitten im Zusammenhang mit Adpositionen gezeigt.
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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg Institute for Advanced Studies
koenig@zedat.fu-berlin.de
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Universität Regensburg, Bohemicum Regensburg-Passau
marek.nekula@sprachlit.uni-regensburg.de
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