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Beat Weber Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“1 1. Einführung sowie Übersetzung von Psalm 1 Aussagen in der (im Werden begriffenen) „Schrift“ über die „Schrift(en)“ selber2 finden sich da und dort. So wird etwa im Neuen Testament mit der Bezeichnung „das Gesetz (oder: Mose) und die Propheten“ o. ä. (Mt 5,17; 7,12; 11,13; 22,40; Lk 16,16; Joh 1,45; Apg 13,15; 24,14; 28,23; Röm 3,21, vgl. auch bereits 2 Makk 15,9)3 mehrfach auf ein autoritatives Schriftkorpus Bezug genommen.4 Neben diesen Referenzen auf eine zweiteilige Größe findet sich mit der Wendung „… im Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen“ (Lk 24,44) auch ein neutestamentlicher Beleg, der eine Dreiteiligkeit andeutet.5 Diese Aussagen in „der Schrift“ über „die Schrift“ lassen erkennen, dass diese als autoritativ, inspiriert, Gott bezeugend sowie Heil und Leben wirkend angesehen wird. Als (neutestamentlicher) locus classicus einer „Theologie der Schrift“ gilt (neben 2 Petr 1,16–21) 2 Tim 3,14–17. Dort schreibt der Apostel Paulus an Timotheus: „Du aber bleibe in denjenigen Dingen, die du gelernt hast und von denen du überzeugt worden bist, wissend, von welchen du gelernt hast, und dass du von Kind auf die Heiligen Schriften („heiligen Buchstaben“) kennst, die Kraft haben, dich weise zu machen zum Heil 1 2 3 4 5 Als Mitherausgeber leiste ich mit meinem Essay gerne einen Beitrag für das „JubiläumsJahrbuch“. Dieser steht in einem Zusammenhang mit meinem Status als „Research Fellow of the Department of Ancient Languages of the University of Pretoria, South Africa“. Insbesondere mit Prof. Phil Botha ergaben sich während meines Studienurlaubs in Südafrika (Mai / Juni 2005) mehrere Gespräche über Ps 1(–3), von denen ich profitiert habe. Derartige „Selbstaussagen“ sind aufgrund des Umstandes, dass „die Schrift“, wenn sie über sich spricht, noch nicht am Abschluss des (christlichen) Kanons der zwei-einen Bibel steht, in ihrer Art proleptisch, in ihrer Zahl beschränkt und in ihrem Umfang limitiert. Etwas anders zeigt sich der Sachverhalt, wenn man statt im engeren Sinn von „Selbstaussagen“ im weiteren Sinn vom „Selbstverständnis“ ausgeht und Aussagen zusammenstellt, welche die Autorität „der Schrift“ bzw. Teile derselben unterstreichen. In diesem (weiteren) Sinn vgl. jüngst Jeromin, Bibel. Als Alternativformulierung findet sich in den lukanischen Schriften auch „Mose und die Propheten“ (Lk 16,29.31; 24,27; Apg 26,22). Zur gegenwärtigen Diskussion der Kanon-Frage(n) vgl. etwa die Skizze von Söding, „Kanon“ (Lit.!). Dazu mehr s. u. 84 Beat Weber durch den Glauben, der an / in Christus Jesus [ist]. [Die] ganze („jede“ / „alle“) Schrift6, Gott-gehaucht und nützlich, [ist]7 zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit vollkommen sei der Mensch Gottes, zu jedem Werk völlig ausgerüstet.“ Es fällt auf, dass hier sowohl von einer Vielheit (pl. „die Heiligen Schriften“) wie auch von einer Ganzheit bzw. Einheit (sg. „[die] ganze Schrift“) gesprochen und damit Diversität und Unität zusammengehalten werden. Der Umfang „der Schrift(en)“ wird nicht genannt, sondern als von Briefautor und -adressat gemeinsam gekannte und anerkannte Größe vorausgesetzt. Gemeinhin wird angenommen, dass „das Alte Testament“8 im Blick ist.9 Jedenfalls wird in einem Schreiben, das auf dem Weg ist, selber „Schrift“ zu werden – und dies aus späterer / unserer Sicht auch geworden ist –, über „Schrift(en)“, die ihm zeitlich voranging(en) und bereits autoritativ vorlag(en), Aussagen gemacht – und zwar sowohl hinsichtlich des „woher?“ bzw. der Qualität („Gott-gehaucht“) als auch des „woraufhin?“ bzw. des potentiellen Zwecks („nützlich zur …“). 6 7 8 9 Für sind verschieden Interpretationsnuancen möglich. Als normalen bzw. typischen Gebrauch kann man von „jede (beliebige / Art von) Schrift(stelle)“ ausgehen (vgl. Hoffmann / von Siebenthal, Grammatik, § 136d). Gemäß einer eMail-Kommunikation mit dem Gräzisten und Hebraisten Dr. Heinrich von Siebenthal sind auch die Varianten „alle Schrift“ oder „(die) ganze Schrift“ vertretbar. Mir legt sich nahe, das Nomen „Schrift“ trotz Artikellosigkeit als spezifische, umrissene Größe („die Schrift“) zu verstehen und die Wendung in (semitisierender) Anlehnung an „die ganze Weisung / das ganze Gesetz“ o. ä. (u. a. Num 5,30; Dtn 4,8; Jos 1,7; 2 Kön 17,13; 2 Chr 33,8, vgl. auch Jos 8,34; 23,6) im Sinne einer (singularischen) Gesamtheit und Einheit zu interpretieren. Die im Griechischen fehlende Kopula kann auch zwischen „Schrift“ und „Gott-gehaucht“ oder „nützlich“ eingefügt werden. Zur möglichen Auflösung der Syntax und den damit verbundenen Bedeutungs- und Übersetzungsoptionen vgl. von Siebenthal, „Rolle“ (favorisiert: „Jede / Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist auch nützlich …“), und Jeromin, Bibel, S. 52–58 (favorisiert: „Die ganze Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich …“). Aus damaliger Sicht ist die Bezeichnung allerdings (noch) nicht zutreffend, weil das „Neue Testament“ als solches noch nicht vorlag. Erst die spätere Konstituierung (Anerkenntnis seiner autoritativen Gestalt, Kanonisierung) des „Neuen Testaments“ hat dem „Alten Testament“ seinen Namen gegeben und beide Testamente zur zwei-einen Bibel gefügt. Über die komplexen Prozesse der jeweiligen Kanonisierung der beiden Bibelteile, die sachgerecht wohl nur in der Verbindung von (theologischer) „Innenperspektive“ (Inspiration, Gottes Wirken und Walten) und (historischer) „Außenperspektive“ (Überlieferung, geschichtliche Faktoren, autorisierende und kanonisierende Gemeinde) beschrieben werden können, soll hier nicht referiert werden. Die Fragen, welchen Umfang und welche Anordnung die „Hebräische Bibel“ im 1. Jh. v. Chr. hatte (umstritten ist allenfalls Zusammensetzung und Anordnung der ketubim) und ob auf die hebräische oder die griechische (LXX) Gestalt (mit anderer Reihenfolge und z. T. Umfängen) rekurriert wird, soll hier (ebenfalls) außer Acht gelassen werden. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 85 Vergleichbare Selbstaussagen finden sich bereits im Alten Testament, insbesondere an „Nahtstellen“10 des Kanons. Sie zeigen an, wie im gestaffelten Prozess der (Proto-)Kanonisierung auf frühere, bereits autoritativ gewordene „Schrift“ zurückgegriffen wird und in einer Art „Anschluss“ an diese, Begründung bzw. Anspruch auf (später) eigene „Schrift“-Qualität gelegt wird. Ich konzentriere mich nachfolgend auf eine dieser alttestamentlichen „Nahtstellen“, nämlich Ps 1(f). Zu diesem Psalm, seiner Funktion der Einweisung in den Psalter (Proömium) und seinen Verknüpfungen mit anderen Texten innerhalb des biblischen Kanons habe ich mich bereits an anderer Stelle geäußert.11 Ich beschränke mich hier deshalb auf die Frage, welcher Beitrag zu einer „Theologie der Schrift“ Ps 1 zu entnehmen ist. Meine Überlegungen reihen sich ein in neuere Studien zu Schlüsseltexten im Blick auf die Kanonwerdung des Alten Testaments, zu einer kanonisch-intertextuellen Hermeneutik und zu einer Theologie des biblischen Kanons.12 Vorab sei der Psalm in einer Übersetzung, die sich eng an die masoretische Vorlage hält, dargeboten.13 10 Als solche werden namentlich diskutiert: Dtn 34,10–12 („Mose-Epitaph“); Jos 1,1–9; Jes 1,2–20; Mal 3,22–24; Ps 1(f) und 2 Chr 36,22f („Kyros-Edikt“). Wenn Mathys, „Bücheranfänge“, S. 27, bilanziert, dass Buchanfänge und -schlüsse sorgfältig gestaltet und theologisch aufschlussreich seien, gilt dies im Blick auf die aufgeführten, Kanonteile verbindenden „Nahtstellen“ noch in verstärktem Masse. 11 Vgl. Weber, Werkbuch I, S. 48–51; Weber, „Einweisung“ (mit Überlegungen zur Relevanz des Psalms im Blick auf eine Biblische Theologie und gegenwärtige Diskussionslagen); Weber, „Directive“ – dort findet sich auch eine Diskussion mit der Literatur und anderen Sichtweisen, die hier nur partiell geführt wird. 12 Vgl. zuletzt (mit Lit.!) Söding, Einheit, programmatisch Steins, Bindung, im Blick auf den Psalter Zenger, „Horizont“, und Ballhorn, Telos. 13 In der Darstellung sind durch Ziffern, Buchstaben, Schreibweise und Zeilenabstände folgende Einsichten in die poetische Struktur zum Ausdruck gebracht: Ps 1 besteht aus insgesamt sechs Versen, nämlich drei (rahmenden) Monokola (1a.3d.4a), vier Bikola (2ab.4bc.5ab.6ab) und zwei Trikola (1bcd.3abc). Diese formieren sich zu sechs Strophen (A–F) und drei Stanzen (I–III). Die Stanzen-Struktur ist trichterförmig: Auf die Zeichnung des „Gerechten“ (I = „These“ / A) folgt die kürzere Schilderung der „Frevler“ (II = „Antithese“ / B = -A), und beide „Wege“ werden am Schluss abgrenzend voneinander auf den Punkt gebracht (III = „Fazit“ / => C). Zur näheren Begründung von Übersetzung und Struktur verweise ich auf meine vorhin / in Fußnote 11 erwähnten Arbeiten zu Ps 1. Darüber hinaus ist auf die neuste Studie von van der Lugt, Cantos, S. 93–99, hinzuweisen, in der für eine Struktur 1–2|3–4|5–6 plädiert wird. Beat Weber 86 I (A) A 1 B 2 C 3 II D (B = -A) 4 E 5 III F (=> C) 6 a b c d a b a b c d Glückpreisungen dem Mann, der nicht geht / wandelt in Gemeinschaft von Frevlern und auf den Weg von Sündern nicht tritt und am Sitz von Spöttern nicht sitzt,14 sondern an der Weisung JHWHs sein Wohlgefallen [hat] und in seiner Weisung murmelnd sinnt Tag und Nacht! Und [dann] wird er sein wie ein Baum, (ein)gepflanzt an Wasserrinnen, der seine Frucht bringen wird zu seiner Zeit, und sein Laub wird nicht welken. Ja, allem, was immer er tut, wird Gelingen verliehen. a b c a b Nicht so die Frevler; sondern wie die Spreu [sind sie], die sie verwehen wird [der] Wind. Deshalb: Nicht aufstehen vermögen Frevler im Gericht und Sünder in einer Versammlung von Gerechten. a b Gewiss, kennend [ist] JHWH [den] Weg von Gerechten. aber [der] Weg von Frevlern wird zugrunde gehen. 2. Rückverweise auf „die (deuteronomische) Tora“ Am Anfang des Psalters steht auffallenderweise kein Gebet, und es findet entsprechend (vorerst) keine Anrufung Gottes statt.15 Vielmehr wird mit einer Seligpreisung „der Mann“16 beglückwünscht17 und eingewiesen, welcher sich auf „die Tora / Weisung18 JHWHs“ verwiesen weiß. Der Vers 2ab steht betont im Zentrum der „Gerechter“-Stanze I (ABCB’A’-Versstruktur) und markiert auch inhaltlich, was den „(gerechten) Mann“ auszeichnet. „Die Weisung JHWHs“ ist durch die doppelte Verwendung, nämlich in beiden Verszeilen (in 14 Anstelle dieser generalisierenden Deutung der drei qtl-Verbalformen (1bcd) ist auch eine perfektische Lesung, welche die Aussagen von 1bcd und 2ab zeitlich differenziert, vertretbar (so Lohfink, „Einsamkeit“, S. 164f). Die Verschärfung von Kratz, „Tora Davids“, S. 3 („nie gewandelt ist…“ etc.), scheint mir dagegen überspitzt. 15 Vgl. dazu im Blick auf eine (homiletische) Re-Lektüre des Psalters Lämmlin, Lust, v. a. S. 166f. 16 Es ist – zunächst jedenfalls und auf dem Hintergrund von Erstvertextung und -rezeption – nicht angebracht, hier geschlechterübergreifend zu „Mensch(en)“ auszuweiten (so in Ps 32,2; 84,6.13). Dass an einen „(freien / kultfähigen) Mann“ gedacht ist, wird in der Psalter-Ouvertüre (Ps 1–3) erkennbar. Anschlussfähig für einen geschlechterübergreifenden Psalter-Nachvollzug ist in den ersten Psalmen namentlich der inkludierende Makarismus von Ps 2,11, wo „alle“ zur Bergung bei Gott eingeladen und glückselig gepriesen werden. 17 Der Makarismus hat in seinem Pendeln zwischen Zusage und Ansage eine ihm eigene Pragmatik, vgl. Ballhorn, „Glücklich“, S. 12. 18 Die Übersetzung „das Gesetz“ ist (meist) negativ konnotiert, führt auf eine falsche Fährte des Verstehens und ist deshalb zu vermeiden. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 87 2b ist das Nomen suffigiert)19, zudem hervorgehoben. Die rechte Haltung zu ihr wird zweifach bestimmt, durch (innere) Übereinstimmung, Emotivität, Motivation („Wohlgefallen [haben]“) einerseits und (äußere) Verhaltensweise und Ausrichtung („murmelnd sinnen Tag und Nacht“) andererseits. Es stellt sich die Frage, auf welche Referenzgröße mit „der Tora / Weisung JHWHs“ Bezug genommen wird. Das mit einem Merismus („Tag und Nacht“ => jederzeit) verbundene „murmelnde Sinnen“ ( ) gibt einen ersten Anhaltspunkt insofern, als eine verschriftete Größe im Blick ist,20 die – so zeigt das hebr. Verb an21 – mit innerer Beteiligung halblaut gelesen / rezitiert / vielleicht sogar singend intoniert, jedenfalls memoriert und damit meditiert wird bzw. werden soll mit dem Ziel einer lebens- und verhaltensbestimmenden Aneignung bzw. „Einverleibung“.22 Die implizite Verbindung von Schrift und „Tora / Weisung“23 zeigt an, dass mit „der Tora (JHWHs)“ als determinierter Größe keine einzelne (Unter- bzw. Weg-)Weisung im Blick ist, sondern die Gesamtbekundung des Willens Gottes. Die Betonung liegt dabei (ursprünglich) weniger auf dem Lehrinhalt als der Lehrvermittlung: „Tora“ bezeichnet den Vorgang der autoritativen Unterweisung als mündlich-kommunikatives Lehrgeschehen, so dass wir im Blick auf seine Gestalt von „schriftgewordener Mündlichkeit“ (Thomas Willi) zu sprechen haben.24 Die Bedeutung der „Tora“ unter dem Aspekt der Einheit und Gesamtheit des Gotteswillens hat ihren Haftpunkt am Sinai / Horeb (Ex 24,1225), findet sich insbesondere im Dtn (u. a. 1,5; 4,8.44; 17,18f; 31,9.11f), in der vom 19 Die von Zenger, „Psalter“, S. 43f, auf jüdische Ausleger zurückgreifende Annahme, dass das Possessiv-Suffix „seine Tora“ (wie in der Wendung „sein Wohlgefallen“) auf den am Psalmeingang selig gepriesenen „Mann“ verweise, ist denkbar, wäre allerdings ungewöhnlich. Damit wäre zwischen 2a und 2b gleichsam ein Einverleibungs-bzw. Übereignungsakt von Gottes Tora zur nun ihm eigen gewordenen Tora anzunehmen. Nahe liegender und konsistenter ist, den Vers als synonymen Parallelismus zu verstehen und in beiden Vershälften die „Tora“ als auf JHWH bezogen zu verstehen. 20 Vgl. Jos 1,8, wo wie hier vom „murmelnden Sinnen in ( ) der Tora“ und zugleich von „Verschriftung, Buch“ gesprochen wird. 21 Vgl. LeFebvre, „Torah-Meditation“, S. 217–225. 22 Im genannten Geschehen verbinden sich Schriftlichkeit (Schriftgröße), Mündlichkeit (halblautes Lesen / Rezitieren) und rezeptiv-kognitiv-memorative Momente (Sinnen / Meditieren [aus- bzw. inwendig Lernen]. Dazu kommt – ansatzweise – ein praxisbezogener bzw. handlungsaktiver Aspekt (Lebensausrichtung, Verhaltenssteuerung). Hierzu wären auch Überlegung im Blick auf mögliche Zusammenhänge zwischen abgegrenztem, autoritativem Stoff („Kanon“!), dessen Aneignung durch Auswendiglernen mittels ständigem Wiederholen sowie Verbindungen zu Ritus und Liturgie anzustellen (vgl. ansatzweise im Blick auf die Proverbien Schwienhorst-Schönberger, „Ruf“, S. 77f.). 23 Zum Begriff und seiner Verwendung im Alten Testament und im Frühjudentum vgl. Liedke / Petersen, „Weisung“; Achenbach, „Tora“; Lehnardt, „Tora“. 24 Vgl. Willi, „Kakkatuv“. 25 Zu Bedeutung und Funktion des Doppelausdrucks „die Weisung und das Gebot“ vgl. Braulik, „Weisung“, S. 117–124. 88 Beat Weber Dtn geprägten Literatur (u. a. Jos 1,7f; 2 Kön 23,24f) und in der Prophetie (u. a. Jes 5,24; Jer 31,33; Hos 4,6; 8,1; Am 2,4). Das Dtn als (vor dem Eingang ins verheißene Land ausgelegte / [neu] verkündete) „Tora“26 erweist sich als „Zugangsadresse“ für Rückbezüge auf den Pentateuch in nachgeordnetem Schrifttum,27 der sich auch Ps 1 bedient. Dazu kommt, dass im Dtn selber die Einschärfung der „Tora“ an kommende Generationen in Auftrag gegeben (u. a. Dtn 6, v. a. die Verse 1–3.7.20ff) und damit Tradierung (und Rezeption) induziert wird. Den Leviten und im Sinn einer Abschrift dann auch Josua und dem König (Dtn 17,18–20) obliegt die Verpflichtung zur Verschriftung, Duplizierung und Verlesung (Dtn 17,11.18–20; 27,1–3; 31,9–13). Damit wird die andauernde Gültigkeit gleichsam sichergestellt (vgl. Jos 8,30–35; 2 Kön 22,8ff; Hos 8,1.12). Die Bezeichnung „das Buch der Tora“ o. ä. ist innerhalb des Pentateuchs denn auch ausschließlich im Dtn belegt (Dtn 17,18; 28,58.61; 29,20; 30,10; 31,24.26) und findet von dort den Weg in die vom Dtn geprägte Literatur (u. a. Jos 1,8; 8,31.34; 2 Kön 22,8.11; 2 Chr 34,14f; Neh 8,1.3.8f.1.18). Als Zwischenfazit ergibt sich, dass in Ps 1,2 ein deutlicher Rückbezug zur (mosaischen) „Tora“, wie sie in Gehalt (Gesamtheit des Gotteswillens) und Gestalt (Buch) vornehmlich durch das Dtn repräsentiert wird, vorliegt. Dies gilt, auch wenn die constructus-Verbindung „die Tora JHWHs“ im Dtn selber nicht bezeugt ist,28 sondern nach dem kanonsequentiellen Erstbeleg in Ex 13,929 sich in Prophetenbüchern findet (Jes 5,24, 30,9; Jer 8,8; Am 2,4, vgl. auch Hos 4,6; 8,1.12) und dann v. a. im chronistischen und ihm nahe stehenden (nachexilischen) Schrifttum (Esr 7,10; Neh 9,3; 1 Chr 16,40; 22,12; 2 Chr 12,1; 17,9; 31,3f; 34,14; 35,26) seinen Schwerpunkt hat. Dort – wie auch in den drei Psalmbelegen (Ps 1,2; 19,8; 119,1)30 – ist für die Bezeichnung „die Tora (Moses / JHWHs / Gottes)“ eine ausgeweitete Bedeutung anzunehmen, die vermutlich über das Dtn hinaus den gesamten (mosaischen) Pentateuch (und möglicherweise 26 Vgl. dazu Brueggemann, Theology, S. 586: „That is, Deuteronomy is not Sinai repeated. It is Sinai interpreted, extrapolated and exposited in order to keep the claims of Sinai-Mosaic Yahwism pertinent to a new time, place, and circumstance.“ 27 Gemäß einem Diktum von Norbert Lohfink, das von Braulik, „Weisung“, S. 68, aufgenommen wird. 28 Die Wendung „die Tora Moses“ wird übrigens im gesamten Pentateuch nicht verwendet (Erstbeleg ist Jos 8,31f). 29 Bei dieser in einem Fest-Zusammenhang (ungesäuerte Brote / Passa) erscheinenden Stelle handelt sich um den einzigen Pentateuch-Beleg. Ähnlich wie in Ps 1,2 ist dort die Rezitierung und Memorierung im Blick, wenn gesagt wird, dass „die Tora JHWHs“ „im Munde (des Volkes)“ sein soll. Man beachte auch den Zusammenhang zwischen Ex 13,9ff und Dtn 6,7f; 11,18–20 im Blick auf die Momente der Erinnerungszeichen und der Tradierung an die Nachkommen. Möglicherweise deutet sich die Linie Ex 13,9 => Dtn 6,7 (dazu s. u.) => Ps 1,1f an. 30 Zu weiteren „Tora“-Belegen im Psalter vgl. Kratz, „Tora Davids“, S. 8. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 89 weiteres Schrifttum mit autoritativem, [proto]kanonischem Status) umschließt.31 Festzuhalten ist ein Doppeltes: Die „Tora JHWHs“ in Ps 1,2 verweist inhaltlich erstens auf die (durch Mose vermittelte) Willenskundgebung Gottes insgesamt, wie sie formal insbesondere im Dtn greifbar ist. Zugleich findet zweitens eine Bedeutungsausweitung in dreifacher Hinsicht statt: 1. wird durch die Genitivverbindung „Tora JHWHs“ die Autorisierung verstärkt; 2. ist als Referenzgröße der gesamte Pentateuch (sowie wahrscheinlich die „Propheten“-Bücher)32 im Blick; 3. wird durch die Ps 1 zugrunde liegende Verbindung von „Weisung“ und „Weisheit“, die ihren Ausgangspunkt (wiederum) im Dtn hat (v. a. 4,1.6–8)33, die Wendung in ein umfassendes, das Leben insgesamt formendes „Grundprinzip“ eingebettet.34 Dieser Dtn-Bezug wird nun durch eine Anspielung am Beginn des Psalms, die zwar etwas versteckt ist und deshalb nicht immer (an)erkannt wird, verstärkt.35 Zunächst zu Dtn 6: Die mit dem Höraufruf schema Jisrael (Dtn 6,4, vgl. 4,1; 5,1) eingeleitete zentrale Verpflichtung zur Gottesliebe (6,5) im Sinne des ersten Gebots, des dtn „Hauptgebots“ (vgl. 5,7), soll nicht nur „auf dem Herzen“ sein bzw. bleiben (6,6), sondern den „Söhnen / Kindern“ „eingeschärft“ werden. Solche Vermittlung der „Tora“36 geschieht durch permanentes Reden bzw. Verkündigen, das in vierfacher Weise mit grundlegenden Lebensvollzügen verbunden wird: 1. „bei deinem Sitzen ( ) in deinem Haus“; 2. „bei deinem Gehen / Wandeln ( ) auf dem Weg ( )“; 3. „bei deinem Hinlegen“ und 4. „bei deinem Aufstehen ( )“. Die Wichtigkeit dieser auf den Dekalog folgenden Paränese als 31 Vgl. u. a. auch Esr 7,10; Neh 8,1–3.8; 10,29.35.37; 1 Chr 22,12f; 2 Chr 12,1; 14,3; 15,3. Ob (nur) das Dtn oder (auch) der gesamte Pentateuch gemeint ist, ist bei diesen Stellen meist nicht hinreichend deutlich. Denkbar ist bei Ps 1 und weiteren Stellen, dass das Dtn als pars pro toto für den Pentateuch fungiert (das würde sich mit der oben erwähnten „Zugangsadresse“ berühren). Liedke, Petersen, „Weisung“, Sp. 1042, gehen davon aus, dass (jedenfalls) der Chronist mit „Tora“ bereits den fertigen Pentateuch vor Augen hat. Und für Kratz, „Tora Davids“, S. 7, hat die Bezeichnung „Tora JHWHs“ in Ps 1,2 „sicher den Pentateuch und womöglich auch schon … die Sammlung der vorderen und hinteren Propheten“ als Referenzgröße im Blick. 32 Dazu s. u. 33 Auch die (für die Weisheit typische) Polarität des Denkens und Argumentierens (These / Antithese), welche Ps 1 bestimmt, könnte von der dtn Alternierung von „Segen“ bzw. „Leben“ versus „Fluch“ bzw. „Tod“, die auf dem Hauptgebot der Alleinheit und Einzigkeit JHWHs für Israel beruht, (mit)geprägt sein (vgl. Dtn 5,7–10; 6,4–15; 7,9–11; 11,26–28; 28,1f.15; 30,19f). 34 Zur Verbindung von „Tora / Weisung“ und „Weisheit“ s. u. 35 Vgl. etwa Weinfeld, Deuteronomy 1–11, S. 341. 36 Der Begriff erscheint hier nicht, wohl aber in Dtn 4,44. Der Vers und mit ihm der Begriff „Tora“ bildet die Überschrift über die in 5,1 beginnende Gebotserteilung (Dtn 5–26), welche den Dekalog (5), die paränetische Auslegung des „Hauptgebots“ (6–11) sowie den Kodex der Einzelgesetze als Kommentar aller Dekalogsgebote (12–26) umfasst (vgl. Braulik, „Weisung“, S. 121). 90 Beat Weber Entfaltung des „Hauptgebots“ wird dadurch unterstrichen, dass Dtn 6,4/5–9 als Ouvertüre der Unterweisung durch Mose, welche (noch) nicht die Promulgation der dtn „Tora“ selber enthält, sondern zunächst den rechten Umgang mit ihr anspricht,37 in ähnlicher Form gegen Ende der paränetischen Entfaltung des ersten Gebots (Dtn 6–11) in Dtn 11,18–20 nochmals erscheint (Inclusio).38 Zurück zu Ps 1: Bevor in Ps 1,2ab die anhaltende „Tora“-Meditierung als positive Ausrichtung des glücklich gepriesenen Mannes (1,1a) angesprochen wird, wird im dazwischen geschobenen Trikolon 1,1bcd dessen Verhalten – auffallenderweise – im Sinn einer weisheitlich gefassten via negativa mit einer triadischen Abgrenzungsaussage bestimmt.39 Dabei wird e contrario das Tradierungsgebot von Dtn 6,7 als Assoziationshorizont in den Psalmtext eingespielt. Anders als in Dtn 6,7 (und 11,19) wird die Permanenz allerdings nicht durch eine Vierzahl, sondern durch eine Dreizahl zum Ausdruck gebracht. Die stichwortartige Rückbindung von Ps 1,1 an den dtn Ausgangstext geschieht namentlich durch die Verben „gehen / wandeln“ ( ) und „sitzen“ ( – in 1,1d verstärkt durch das von derselben Wurzel abgeleitete Nomen „Sitz“), welche in Ps 1 in umgekehrter Reihenfolge aufgenommen und an Anfang und Schluss des dreigliedrig-synonymen Parallelismus’ gestellt werden. Das dritte und vierte Verb aus Dtn 6,7 wird in Ps 1,1 nicht (direkt) aufgenommen, sondern in der mittleren Verszeile durch das Verb „treten“ ( )40 substitutiert, das „Nähe“ (bzw. hier negiert „Distanz“) zu Verhalten / Personen anzeigt und sich stärker mit der aktiv-sozialen Dimension der anderen beiden Verben berührt.41 Im Übrigen lässt sich erwägen, ob der Stetigkeit anzeigende Merismus vom „Hinlegen“ (in der Nacht) und „Aufstehen“ (am neuen Tag) sich nicht im Merismus (vom Sinnen über Gottes Weisung) „Tag und Nacht“ in Ps 1,2b spiegelt.42 Die Verse Ps 1,1f in ihrer Komplementarität von negativer (1bcd) wie positiver Aussage (2ab) sind auf Dtn 6,(5–)7 zurück bezogen. Die Abgrenzung von Nähe und Verhalten der „Frevler“ erweist sich im Duktus von Ps 1,2 als Kehrseite („nicht…sondern“) zur Konzentration auf „die Weisung JHWHs“. Soll in Dtn 6 das Einschärfen der Gottesliebe an die Nachkommen in stetigem Verkünden geschehen, so äußert sich die Glückseligkeit des durch die Tora weise werdenden Mannes von Ps 1 darin, dass er sich ebenso stetig wie energisch von den Verhal37 Vgl. Finsterbusch, „Mose“, S. 34–36. 38 Vgl. Weinfeld, Deuteronomy 1–11, S. 455, der darauf hinweist, dass beim täglichen Tamid-Opfer am (nachexilischen) Jerusalemer Tempel Dtn 6,4–9 und 11,13–21 zusammen mit dem Dekalog von den Priestern rezitiert wurden (mTam 5,1). 39 Ob damit eine Steigerung der „Sesshaftigkeit“ und damit „Verstockung im Bösen“ verbunden ist, wie Ballhorn, „Glücklich“, S. 12f, annimmt, sei dahin gestellt. 40 Zu in der Bedeutung „treten / stehen“ innerhalb des Dtn vgl. u. a. 1,38; 4,10f; 10.8.10. 41 Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass auch die mittlere Verszeile durch die Verwendung des Begriffs „Weg“ ( , vgl. auch noch Ps 1,6ab) nicht ohne Stichwortbezug zu Dtn 6,7 bleibt. Auch das Verb „aufstehen“ ( ) aus Dtn 6,7 taucht in Ps 1 auf, allerdings in einem anderen Verwendungszusammenhang (1,5). 42 So auch Lämmlin, Lust, S. 183. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 91 tensmustern der Gottlosen fernhält, um für die ungebrochene Hinwendung an die Gottes-Weisung (in umfassendem Sinn) „frei“ zu sein.43 Damit wird der (weise / gerechte) „Mann“ von Ps 1 als derjenige gezeichnet, der das schema Jisrael einlöst und sich (durch Rezitation und Memoration) ganz an der „Tora“ ausrichtet.44 Der in der Benediktion von Ps 1,1–2 Gepriesene entspricht dem Adressaten der Lernparänese Dtn 6,6–9, da auch er unablässig mit der Tora beschäftigt ist – ein Konstitutivum der Existenz des Gerechten.45 Kurz gesagt: Im Licht von Ps 1 und dessen dtn Hintergrund ist Tora-Studium Observanz des ersten Gebots, ist Ausdruck der Liebe zu Gott.46 Daran erweist sich das wahre Israel, das von Mose selber (Dtn 33,29) – es ist das letzte Wort, das von ihm überliefert ist!47 – glücklich gepriesen wird ( „Glückpreisungen dir, Israel!“). An dieses letzte Mose-Wort knüpft Ps 1 (und mit ihm der Psalter) an ( „Glückpreisungen dem Mann…!“).48 Von daher ist es nicht abwegig, hinter dem anonymen Lehrer der Tora-Weisheit, der in Ps 1 spricht, Mose selbst sprechen zu hören. Ergänzend zur Rückbindung von Ps 1,1f an „die Schrift“ im Sinn „der (dtn) Tora“ ist ein Blick auf Ps 1,3 zu werfen, wo das aus der Hingabe an „die Tora“ resultierende Ergehen des „Gerechten“ geschildert wird – zunächst mit einer „Baum“-Metapher (3abc), abschließend mit einem kurzen Fazit (3d). Ist von Ps 1,1f her das Dtn als Referenzgröße – insbesondere in Ausrichtung auf die sich im Hauptgebot verdichtende „Tora“ (Dtn 6–11) – einmal im Blick, so ergeben sich vom Bild des Frucht tragenden Baumes Einlösungsmomente dessen, was insbesondere in Dtn 11,13f versprochen wird: Das (zum „Gehorchen“ und „Gehören“ führende) „Hören“ auf Gottes Gebote, nämlich Gott zu lieben (vgl. wiederum Dtn 6,5–7, zudem 11,1!) und ihm zu dienen, führt „zu seiner Zeit“ ( – die Wendung ist in Dtn 11,14 [vgl. 28,12] und Ps 1,3 identisch) zu 43 Auf der dtn Hintergrundfolie werden die „Frevler“ („Sünder“, „Spötter“) von Ps 1 in die Nähe der zur Fremdgötterei verführenden kanaanäischen Völker gerückt, wodurch die Abgrenzung ein (zusätzliches) Element der Legitimierung bekommt. Sollte sich die hellenistische Zeit als Hintergrund für Ps 1 herausschälen (dazu s. u.), wäre diesbezüglich von zusätzlicher Brisanz auszugehen. 44 Vgl. auch MTeh 1,17. 45 Vgl. Ego, „Aufgabe“, S. 7–9.16, die darauf hinweist, dass auch der mit Ps 1 verwandte Ps 119 (dazu s. u.) in den Versen 10–16 Anspielungen auf Dtn 6,6–9 enthält (zu solchen auch 1QH XII,9–11). 46 Vgl. auch Dtn 10,12, wo die Liebe zu Gott mit dem „Gehen“ ( ) auf all seinen „Wegen“ ( ) zum Ausdruck gebracht wird. 47 Es handelt sich, kanonsequentiell gesehen, um den ersten Makarismus, der in der Bibel erscheint. 48 Diese Relation, welche bereits der rabbinische Psalmen-Midrasch erkannt hat (MTeh 1,2.5), verstärkt sich noch, wenn man beachtet, dass der Ps 2 beschließende Makarismus (Figur der Inclusio um Ps 1–2) ebenfalls auf die von Mose ausgesprochene Seligpreisung samt ihrem Kontext von Schutz und Zuflucht in Dtn 33,27–29 Bezug nimmt. 92 Beat Weber – die Wendung ist in Dtn 11,14 [vgl. 28,12] und Ps 1,3 identisch) zu Regen49 und damit Fruchtbarkeit50. Auch der Gedanke der Segensfülle und der (wie im PsalmBild des immergrünen Baumes zum Ausdruck kommenden) Nachhaltigkeit findet sich in dtn Aussagen (vgl. etwa Dtn 11,9ff; 28,11f).51 Schließlich hat auch die Aussage vom „Gelingen“ in Ps 1,3d ihre Vorschattierung in Dtn 29,8 (vgl. auch in negativem Sinn Dtn 28,29). Es ist festzuhalten: Ps 1 bezieht sich in seiner Seligpreisung des „Gerechten“ (V. 1–3) auf bereits vorliegende, rezitierbare „Schrift“, nämlich auf „die Tora JHWHs“, verstanden als Bekundung des Gesamtwillens Gottes. Diese ist formal wie inhaltlich am Dtn als „Zugangsadresse“ festzumachen, wobei die dtn Paränese des Hauptgebots (Dtn 6–11), und dort insbesondere das schema Jisrael mit seiner Weisung zur Gottesliebe und der Verpflichtung zur ständigen (Memorierung und) Tradierung (Dtn 6,[4–]7), die vorrangige Bezugsgröße abgibt. Mit Ps 1 hat der Psalter seinen Anfang im „Hören“ bzw. im aktualisierenden Nachsprechen des Gehörten. Mit anderen Worten: „Der Psalter hat seinen Anfang nicht in sich selbst, sondern außer sich.“52 Es liegen ferner Anhaltspunkte vor, dass über das Dtn hinaus der Pentateuch insgesamt als von Mose übermittelte „Tora“ in autoritativ-(proto)kanonischer Gestalt und Gewichtigkeit im Blick des Psalmschreibers ist.53 Der erste Kanonteil der Hebräischen Bibel hat Ps 1 also aller Wahrscheinlichkeit nach vorgelegen. Ob dies auch vom zweiten Kanonteil, „den Propheten“ (nebiim), gesagt werden kann, soll im folgenden Abschnitt bedacht werden. 3. Rückverweise auch auf den Kanonteil „Propheten“ Die Parallelen zwischen Formulierungen in Jos 1 und Ps 1 wurden seit langem erkannt. Jos 1 kann als der signifikanteste Spendertext angesehen werden, auf den Ps 1 Bezug nimmt.54 Von der programmatisch am Buchanfang erscheinenden Rede JHWHs an Josua als „Nachfolger“55 Moses (Jos 1,1–9 mit V. 1 als 49 „Wasser“ ( ), das in Ps 1,3 das Grünen und die Fruchtbarkeit ermöglicht, erscheint als Begriff in ähnlichem Aussagezusammenhang kurz zuvor, nämlich in Dtn 11,11 (vgl. auch 8,7f, wo neben dem „Wasser“ auch Fruchtbäume genannt werden). 50 Die in Ps 1,3 genannte Bezeichnung „Frucht“ ( ) findet sich in den dtn Segens- und Fluch-Schilderungen gehäuft (Dtn 28,4ff, auch 7,13; 30,9, vgl. ferner 6,11). 51 Der ebenfalls im Bild von Ps 1,3 mitschwingende Tempel(garten)-Bezug speist sich nicht aus dtn, sondern aus anderen Zusammenhängen. 52 Lämmlin, Lust, S. 167. 53 Zur Gestaltung des fünfteiligen Psalters in Anlehnung an die fünfteilige Tora s. u. 54 Eine umgekehrte Abhängigkeitslage wird man ausschließen können. 55 Durch die Bezeichnung „Diener / Assistent Moses“ (vgl. Ex 24,13; 33,1; Num 11,28; Jos 1,1) – Mose seinerseits wird von JHWH als „mein Knecht“ bezeichnet – ist sowohl der Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 93 Redeeinleitung und V. 2–9 als Rede) hat der Psalmschreiber namentlich die paränetischen Worte von Jos 1,(7–)8 aufgenommen:56 „Nur sei stark und sehr mutig, zu bewahren, zu tun ( ) gemäß der ganzen Weisung / Tora ( ), welche dir geboten hat Mose, mein Knecht. Nicht sollst du abweichen von ihr („ihm“)57, [weder] rechts noch links, damit du zu Erfolg gelangen wirst in allem ( ), worin du wandelst ( ). Nicht weichen soll das Buch dieser Weisung / Tora ( ) von deinem Munde, dass du murmelnd sinnst in ihm ( )58 Tag und Nacht ( ), damit du bewahren wirst, zu tun ( ) gemäß allem ( ) Geschriebenen in ihm; denn dann wirst du Gelingen finden ( ) [auf] deinem Weg ( ), und dann wirst du zu Erfolg gelangen.“ Die größte Übereinstimmung liegt zwischen „… und in seiner Weisung murmelnd sinnt Tag und Nacht“ (Ps 1,2b) und „… dass du murmelnd sinnst in ihm [= dem Buch dieser Weisung] Tag und Nacht“ (Jos 1,8b). Das an Josua adressierte Gotteswort wird vom Psalmschreiber aufgenommen, dabei weisheitlich generalisiert („[jeder] Mann“), textpragmatisch aus einer Paränese herausgelöst und in einen Makarismus gefügt. Die rezitierend-memorierende Tätigkeit bleibt dieselbe, ebenfalls „die Tora“ (Buch) als primäre Referenzgröße. Die hinsichtlich Ps 1 geäußerte Annahme, dass das Dtn im Blick ist, wird bei Jos 1 zur Gewissheit: Der wiederholte Rückbezug von Jos 1,2–9 auf dtn Passagen, insbesondere auf Dtn 31,7f, ist offensichtlich (vgl. u. a. auch Dtn 5,31–33; 11,8; 31,14f.22f).59 Ps 1 weist daher nicht allein auf Jos 1 zurück, sondern mit und durch Jos 1,8 zugleich auf das Dtn als für beide Texte bestimmende Basis.60 Es geht im Blick auf Jos 1 (auch) um Analogie: Der weise Psalmschreiber beglückwünscht seinen Hörer / Leser, welcher wie Josua und mit Josua „die Tora“ memoriert und sich darin als „Gerechter“ (vgl. Ps 1,6a) erweist.61 Auch in der Verbindung zwischen „Tora“- 56 57 58 59 60 61 Bezug zu Mose als auch der untergeordnete Rang ausgedrückt (dazu Dtn 34,9–12, vgl. allerdings auch Jos 1,5, wo JHWH Josua die gleiche Unterstützung wie Mose verspricht). Die in Klammern beigegebenen hebr. Formen finden sich als Lexeme auch in Ps 1. Das maskuline Suffix weist hier zurück auf das Femininum „Tora“ (vgl. Dtn 5,32; 17,11.20; 28,14). Das recht seltene Verb , hier in der Bedeutung „murmelnd sinnen“, ist in doppelter Hinsicht auffällig: 1. erscheint es hier erstmals innerhalb der kanonischen Abfolge der Bücher; 2. erscheint es weder im Pentateuch noch sonst in geschichtlichen Büchern bzw. erzählender Literatur, sondern wird praktisch ausschließlich in poetischen und prophetischen Schriften (schwerpunktmäßig in Jes und Ps) verwendet. Vgl. dazu auch Hess, Joshua, S. 72–74. Ob und inwieweit ein serieller (Tora <= Jos 1 => Ps 1) oder ein paralleler (Tora <= Jos 1 / Ps 1) Tora-Anschluss vorliegt, lässt sich im Blick auf Ps 1 und dann nochmals hinsichtlich des Doppelportals Ps 1–2 (und den Psalter insgesamt) diskutieren. Lohfink, „Tod“, S. 20– 22, vertritt mit seiner These, dass der Kanon nicht linear sei, sondern sich verschiedene Schriften gleichzeitig an die Tora anschließen, dezidiert die zweite Auffassung. Unterschiedlich ist der Sprecher: In Jos 1 ist es JHWH selber, in Ps 1 ein anonymer Lehrer der Tora-Weisheit. 94 Beat Weber Rezitation bzw. -Gehorsam als „Tun“ und sich dadurch einstellendem „Erfolg“ bzw. „Gelingen“ ergeben sich Übereinstimmungen (vgl. Jos 1,8 mit Ps 1,3d).62 Wie in Jos 1,8 ist in Ps 1,2 eine schriftliche Vorlage („das Buch“) vorausgesetzt, anders als dort aber nicht explizit genannt. Für Jos 1,(6–)8 lässt sich aufgrund der Rückbindung an Dtn 31,6ff annehmen, dass das Dtn im Blick ist. Dies lässt sich auch für Ps 1,2 vermuten – auch wenn die ohne Buch-Erwähnung auskommende Formulierung bezüglich der Referenzgröße offener ist. Ob dies gezielt geschehen ist, um „die Tora JHWHs“ über Dtn / Pentateuch hinaus für weitere Schriften bzw. Schriftkorpora offen zu halten? Bereits bei der Analyse des traditionsgeschichtlichen und intertextuellen Hintergrunds von Ps 1,1–3 habe ich die Vermutung geäußert, dass mit „der Tora JHWHs“ primär das Dtn, sekundär die Gesamtheit der Mose-Bücher (Pentateuch) im Blick ist. Ähnlich ist jetzt zu fragen, ob Ps 1 lediglich das Beispiel Josuas hinsichtlich der Tora-Zuwendung aus Jos 1 oder aber darüber hinaus das nach ihm benannte Buch und auch den Kanonteil der nebiim (nach der Hebräischen Bibel = Jos bis Mal) im Visier hat.63 Ich meine, dass letzteres der Fall ist und sehe dafür eine Reihe von Anhaltspunkten: 1. die „Tora“-Verpflichtung in der Bucheröffnung von Jos ist keineswegs peripher, sondern programmatischer Art, was sich auch darin zeigt, dass diese in den Schlusskapiteln nochmals erwähnt wird (Jos 22,5; 23,6) und mit ihrer Rahmung die theologische Struktur des Buches markiert.64 2. der Sprecher / Schreiber von Ps 1 stellt, namentlich beim Bild-Wort vom „Baum“ (1,3), vermutlich gezielt Bezüge zu Prophetenworten her.65 So dürfte sich die „Baum“-Metapher aus der Tempelvision des Ezechiel in Ez 47,1–12 (und als „Gegenbild“ dazu Ez 17,5ff) speisen (vgl. v.a. 47,12) und damit nicht nur den Bezug zum Tempel mit seiner Gottesgegenwart herstellen (vgl. auch Sach 14,8f), sondern auch Relationen zu Landverheißung und Schöpfungssegen, die bereits durch den dtn Rückbezug virulent sind, wach halten (vgl. ferner Sir 24,23–34). Noch stärker ist die Parallelität zum Prophetenwort Jer 17,5–9 (Fluch-SegenSequenz), insbesondere zum Segensspruch von Jer 17,7f, der ähnlich wie Ps 1 in weisheitlichem Sinn jeden Gott-vertrauenden „Mann“ anspricht und ihn mit einem Fruchtbaum vergleicht.66 Die prophetischen Parallelen zum Gerichtsbild der „Spreu“ (1,4[f]) sind dagegen etwas weniger signifikant (vgl. Jes 29,5f; 41,2.15f; Hos 13,3). 62 Allerdings fällt auf, dass in Jos 1 das „Tun“ gemäß der (aufgeschriebenen) „Weisung“ aufgetragen wird. In Ps 1 dagegen ist das „Tun“ nicht (direkt) mit der „Weisung“ bzw. deren Einhaltung verknüpft; vielmehr resultiert aus der Selbstverpflichtung an diese, dass die Gesamtheit des Handelns und damit Lebens unter der Verheißung des Gelingens steht. 63 „Die Tora“ erscheint nicht nur in Jos 1 am Beginn der „vorderen Propheten“, sondern mit Jes 1 (V. 10) auch am Beginn der „hinteren (Schrift-)Propheten“. Jes ist im Übrigen in der hebräischen Bibel das einzige Schriftpropheten-Buch, das Seligpreisungen enthält (vgl. Jes 30,18; 32,20; 56,2). 64 Vgl. dazu Braulik, „Weisung“, S. 126–129. 65 Vgl. dazu auch Botha, „Intertextuality“, S. 507–515. 66 Zur Verbindung von „Tora JHWHs“ mit „Weisheit“ vgl. auch Jer 8,8f. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 95 3. liegen Berührungen vor zwischen Ps 1 und dem Buch (bzw. der Dodekapropheton-Schrift) Maleachi, das als „Gegenstück“ zu Jos (Eröffnung) im hebr. Kanon den Schluss der nebiim bildet. Gemeint ist das Schlusskapitel Mal 3, insbesondere Mal 3,18–22.67 Abgesehen von motivlichen Berührungen zwischen dem Mal-Abschnitt und Ps 1 („Gerechte <=> Frevler“, „Strohstoppeln / [Staub]“ bzw. „Spreu“ im Kontext des Gerichts) ist namentlich auf Mal 3,22 hinzuweisen, wo als Schlussermahnung zum Gedenken an die „Tora Moses, meines Knechts“ aufgerufen wird. Anfangs- (Jos 1) und Schlusskapitel (Mal 3) des Kanonteils der nebiim sind jedenfalls verklammert durch Paränesen, in denen die Zentralität des „Rezitierens / Meditierens“ bzw. „Gedenkens“ der (durch Mose vermittelten) „Tora“ herausgestellt wird.68 Die aufgeführten Anhaltspunkte machen wahrscheinlich, zumindest aber möglich, dass mit der in Ps 1,2 angesprochenen Rezitierung der „Tora“ nicht nur mit dem „Propheten“ Josua auf Dtn / Pentateuch Bezug genommen wird, sondern unter „Tora“ auch der „Propheten“-Kanon (mit)gemeint ist – dass nicht von „der Tora“ allein oder „der Tora Moses“, sondern von „der Tora JHWHs“ gesprochen wird, könnte ein weiteres Indiz dafür sein. Bei einer derartigen Subsummierung der „Propheten“ unter den „Tora“-Begriff wäre Ps 1 noch innerhalb des Alten Testaments Zeuge eines Sachverhalts, der sich später auch im Neuen Testament findet (vgl. etwa 1 Kor 14,21, wo Jes 28,11f als [„Tora“] angeführt wird). Damit ist als Hintergrund von Ps 1 vermutlich ein zweiteiliges, autoritatives Schriftkorpus im Blick, das später (u. a.) im Neuen Testament als „das Gesetz und die Propheten“69 bezeichnet wird. Insofern enthält Ps 1 mit seinem doppelten Anschluss an Tora und Prophetie, der sich durch Ps 1–3 als Ouvertüre des Psalters noch verbreitert und vertieft, in nuce eine „Theologie der Schrift“. Für die Stichhaltigkeit dieser Argumentation spielt die Datierung von Ps 1 eine nicht unwesentliche Rolle. Diese gilt es nun zu erwägen. 4. Erwägungen zur Datierung von Psalm 1 Datierungen von Psalmen sind aufgrund ihrer Kürze und ihrer situationsoffenen Diktion notorisch schwierig. Dass der Psalm eine weisheitliche Imprägnierung aufweist, ist bereits angezeigt worden und ist aufgrund der Antitypik der beiden Wege von „Gerechtem/n“ und „Frevlern“ nicht bestritten. Auf eine (spät)nachexilische Herkunft von Ps 1 weisen neben den aufgewiesenen oder zumindest er- 67 Vgl. etwa Zenger, „Psalter“, S. 42. Zu Mal 3,22–24 als Abschluss des Prophetenkanons vgl. Mathys, „Anmerkungen“. 68 Die Bezugnahme von Ps 1 auf Mal 3 wird kanontheologisch prägnanter bei einer Sequenz, in welcher der Psalter (beginnend mit Ps 1) sich unmittelbar an die „Propheten“ (endend mit Mal 3) anschließt, bei der also der Psalter die Spitzenstellung innerhalb des Kanonteils der ketubim einnimmt (mehr dazu s. u.). 69 Zu den Belegstellen s. o. 96 Beat Weber wägbaren intertextuellen Bezüge die als spätweisheitlich geltende Verbindung von Tora-Frömmigkeit und Weisheit (einschließlich – zumindest ansatzweise – ethisches Verhalten, Gotteslob, Tempel- und Schöpfungsaussagen) hin. Im in der ersten Hälfte des 2. Jh. v. Chr. entstandenen Buch Jesus Sirach und weiterem frühjüdischen Schrifttum70 finden sich diesbezüglich ähnliche, wenn auch bereits weiter entwickelte Vorstellungen. Eine Milieu-Verwandtschaft ist gegeben.71 Sie schließt ein, was Walter Brueggemann unter den Begriff der „holistic function of torah“ bringt.72 Insbesondere in Sir 6,37; 14,20–15,10; 50,28f zeigen sich Berührungen mit Ps 1.73 Dass Ps 1 zeitlich Sir vorangeht, ist anzunehmen, schwerer auszumachen ist, in welche zeitliche Nähe bzw. Distanz man die beiden zu rücken hat. In die Datierung hinein spielt auch die Frage, ob Ps 1 ein ursprünglich eigenständiger Text war und von der Psalterredaktion sekundär an den Buchanfang gestellt worden ist oder ob Ps 1 aus Kreisen der (weisheitlichen) Psalter(schluss)redaktion stammt und gezielt als Eingangs- bzw. Einweisungspsalm in den Psalter als Buch verfasst worden ist. Es versteht sich, dass im zweiten Fall tendenziell von einer späteren Entstehung auszugehen ist. Die Fragestellung ist in der Forschung strittig, und die Argumentation pro et contra kann hier nicht aufgerollt werden. Sie hängt nicht zuletzt von der Auswertung der Vernetzung von Ps 1 (und Ps 2) in den Psalter hinein und der Einschätzung der „Einweisungsfunktion“ von Ps 1(f) ab. In Vorwegnahme der im nachfolgenden Kapitel diesbezüglich zu führenden Diskussion legt sich mir der Schluss nahe, dass der Verfasser dieses Psalms den Psalter bereits im Blick hatte und ihn gezielt als Einweisungspsalm ins Psalter-Buch verfasst hat. Damit ist die Datierungsfrage allerdings noch nicht entschieden, denn diese hängt wiederum an der Gesamtbewertung einer Reihe von Indizien, die zu entfalten diesen Aufsatz (ebenfalls) sprengen würden. Je nach Auswertung, Gewichtung und Datierung verschiedener Parameter74 ist die 70 Erwähnenswert sind im Blick auf Ps 1 namentlich 4Q174 III,14–19 und 4Q525 II,3–7, ferner 4Q417 I,6–12. 71 Vgl. dazu grundsätzlich Schnabel, Law, v. a. S. 8–92, im Blick auf Ps 1 Zenger, „Psalter“, S. 33–35; Lange, „Endgestalt“, S. 109–130. 72 Vgl. Brueggemann, Theology, S. 591–595. Er nennt vier Momente solcher (weithin nachexilischen) Ausweitung (mit von ihm genannten Textbeispielen): 1. „reading and hearing with interpretation“ (vgl. Neh 8,5–8); 2. „the Psalter and enhanced Jewish identity“ (Ps 1; 19; 119); 3. „torah and wisdom teaching“ (Sir 24,23–29); 4. „Zion: internationalization and eschatologization“ (Ps 46,10; 50,2–5; Jes 2,3f). 73 Zur Charakterisierung der „Tora“ als Wasserströme, die Frucht bringen, vgl. Ps 1,2f mit Sir 24,23–27 (und Gen 2,8–14). 74 Zu diesen gehören u. a. die Auswertung der Psalmen-Handschriften der Höhlen am Toten Meer, die Zitierung von Ps 79,2f als Schriftwort in 1 Makk 7,16f (vgl. auch die Aufnahme von Ps 1f in 4Q174 III,14.18f), die Datierung der LXX und die Bestimmung der Verwandtschaft mit Chr und (anderem) frühjüdischem Schrifttum (Sir; PsSal; Textfunde in Qumran). Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 97 Endgestalt des (protomasoretischen) Psalters75 und entsprechend Ps 1 vielleicht schon im 3., eher aber im 2. Jh. v. Chr. (erste Hälfte) anzusetzen und vermutlich mit Kreisen der anawim oder chasidim in Verbindung zu bringen.76 Schreiber und Hörer / Leser der Apostelgeschichte kennen später jedenfalls das „Buch der Psalmen“ (Apg 1,20). Unter der Annahme einer isolierten Entstehung von Ps 1 ließe sich auch eine frühere, möglicherweise sogar (spät)perserzeitliche Datierung erwägen (unter der Annahme, dass der Prophetenkanon dann bereits vorlag). Will man eine solche zeitliche Ansetzung auch für den Psalter als Buch vertreten,77 wäre dies angesichts der Diskussionslage und des gegenwärtigen Trends zur Spätdatierung gut zu begründen. Sicherheit ist in den Fragen des Abfassungsziels und der Datierung dieses kurzen Psalms kaum zu gewinnen. Als Fazit legt sich mir eine Abfassung von Ps 1 als gezielte Eröffnung des Psalters und ein mit sozio-religiösen Konflikten behafteter hellenistischer Zeithintergrund nahe.78 Von daher ist aus zeitgeschichtlicher Perspektive eine Bezugnahme der „Tora JHWHs“ in Ps 1 auf die Kanonteile Pentateuch und „Propheten“ wahrscheinlich.79 Die Annahme, dass Ps 1 in den Psalter einweist – sei es in primärer Absicht oder in sekundärer Verwendung – ist nachfolgend nun näher zu begründen. 75 Im Bereich der Teilbücher I–III (Ps 2–89*, „messianischer Psalter“, dazu Rösel, Redaktion) hat der Psalter als Vorstufe eine frühere (perserzeitliche?) Formierung und Autorisierung erfahren. 76 Vgl. dazu die bei Lange, „Endgestalt“, S. 105–108, geführte Diskussion. 77 Koorevaar, „Chronik“, nimmt an, dass Chronika als letztes Buch die ketubim und damit den gesamten alttestamentlichen Kanon gezielt abschließt („versiegelt“). Dabei datiert er die Chronik perserzeitlich in die zweite Hälfte des 5. Jh.s v. Chr. (in der Sache ähnlich Steins, Chronik, allerdings mit einer Datierung in der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr.). Auf den Psalter geht Koorevaar zwar nicht näher ein, seine Annahme würde aber eine zeitgleiche, wahrscheinlich aber frühere Ansetzung des Buches mit sich führen. Sein „Entwurf“ bedürfte, um der Diskussionslage standhalten zu können, einer vertieften, die Schriften der ketubim insgesamt einbeziehenden Erörterung. 78 Die Polarität der in Ps 1 aufgenommenen beiden Wege bekommt auf dem zeitgeschichtlichen Hintergrund einer nötigen Abgrenzung gegenüber Einflüssen und Zwängen hellenistischer Lebensformen und „Religiosität“ eine Schärfe. Ps 1,1f lässt möglicherweise auch eine jüdische Auseinandersetzung mit hellenistischer Bildungs- und Buchkultur aufleuchten (vgl. Zenger, „JHWH“, S. 63f). Die dabei zum Tragen kommende Rekurrierung auf autoritatives Schrifttum lässt sich in einen weiteren Zusammenhang zwischen Buchwerdung einerseits und Krisen- bzw. Umbruchszeiten andererseits einzeichnen (vgl. dazu Steins, „Inszenierung“, S. 83f). 79 Einer gewissen Zirkularität der Argumentation kann man kaum ganz entkommen. 98 Beat Weber 5. Vorverweise auf den Psalter (und den Kanonteil „Schriften“) Dass die Zuordnung und Zusammenstellung der Psalmen zum Psalter als Buch nicht planlos geschehen ist, sondern sich absichtsvollen Überlegungen verdankt, hat die neuere Psalmen- bzw. Psalterexegese mit hinreichender Deutlichkeit aufweisen bzw. neu ins Bewusstsein heben können.80 Dieser Grundsatz gilt, auch wenn im Detail hinsichtlich der geschichtlichen Prozesse, Motive und Ziele der Psalterwerdung noch vieles im Dunkeln oder zumindest umstritten ist. Im Blick auf Ps 1 (und Ps 2) hat die Annahme einer bewussten Platzierung gegenüber den übrigen Psalmen eine noch größere Plausibilität und wird auch von denen anerkannt, die hinsichtlich einer bewussten Psalmenanordnung skeptisch sind und den Psalter (lediglich) als Anthologie verstehen möchten.81 Für unsere Thematik von besonderem Interesse ist folgende Fragestellung: Wird mit der Wendung „die Tora JHWHs“ nur anaphorisch auf Dtn / Pentateuch und (wahrscheinlich) die nebiim verwiesen oder aber äußert sich darin auch eine kataphorische Funktion insofern, als mit dem „murmelnden Sinnen der Tora JHWHs“ das Psalterbuch (und allenfalls sogar der Kanonteil der ketubim) (auch) im Blick ist? Zunächst ist eine hermeneutisch-methodische Klärung angebracht: Auch wenn Ps 1 unabhängig vom Psalter entstanden sein sollte und sein Verfasser diesen mit der Bezeichnung „die Tora JHWHs“ nicht im Blick gehabt hätte (intentio auctoris), so ist es aus kanonisch-theologischer Perspektive dennoch legitim, ja notwendig zu fragen, ob die genannte Wendung im Zusammenhang von Ps 1, der an der Spitze des Psalters figuriert, aufgrund dieser Kontextuierung eine diesbezügliche Bedeutungsausweitung erfährt (intentio operis bzw. redactionis bzw. canonis). Es ist in der Tat anzunehmen, dass mit „der Tora JHWHs“ aufgrund des mit der Voranstellung verbundenen Einweisungscharakters von Ps 1 (und 2) auch auf den Psalter als Buch verwiesen, dieses aufgrund der damit angezeigten Dignität an Pentateuch und Prophetenkanon angeschlossen und mit vergleichbarer Autorität ausgestattet werden soll. Mit dem Psalmen-Midrasch (zu Ps 78) gesprochen: „Dass dir nicht ein Mensch sage: Psalmen sind keine Thora! sie sind Thora, und auch die Propheten sind Thora.“82 80 Vgl. dazu etwa die beiden programmatischen Aufsätze von Zenger, „Psalmenauslegung“, und Lohfink, „Psalmengebet“. 81 Vgl. Müller, „Psalter“, S. 121f.127f. Auch wenn Müller z. T. berechtigte Anfragen anmeldet und eine gewisse Dämpfung der „Vernetzungseuphorie“ (der Begriff ist von mir nicht von Müller) nicht schaden kann, schießt seine, mit Vehemenz vorgetragene Kritik m. E. über das Ziel hinaus. Eine planvoll gestaltete Anlage des Psalters (wie immer die im Einzelnen genau zu bestimmen ist) hat gegenüber der Annahme einer „Anthologie“ von den Indizien her die weit größere Wahrscheinlichkeit. 82 MTeh 78,1 (Übersetzung nach Wünsche, Midrasch Tehillim II, S. 15). Oder mit den Worten von Erich Zenger („Psalter“, S. 44): „Dass Ps 1 und Ps 2 … so starke literarische Bezüge zu den beiden vorangehenden Kanonteilen ‚Tora’ und ‚Nebiim’ schaffen, hat deshalb nicht nur die Funktion, die Psalmen als ‚autoritatives Schriftwerk’ neben Tora und Nebiim Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 99 Die nähere Begründung dieser Einschätzung würde eine umfassende redaktionsgeschichtliche und kanontheologische Argumentation voraussetzen, die hier nicht geleistet werden kann.83 Einige Hinweise müssen genügen. Zunächst ist ein Blick auf das intertextuelle Verweissystem der Bezeichnung „Tora (JHWHs)“ innerhalb des Psalters zu werfen, welches Ps 1,2 eröffnet. Abgesehen von den beiden Vorkommen in Ps 1,2 findet sich der Begriff „Tora“ im Psalter noch 34mal, davon allein 25mal in Ps 119.84 Durchgängig ist dabei – explizit oder implizit – von „der Tora JHWHs bzw. Gottes“ die Rede, d. h. Ps 1,2 spricht mit der autorisierenden Verbindung von „Tora“ und „JHWH“ an, was in verschiedenen Psalmen erscheint und innerhalb des Psalters in Ps 119 seinen Höhepunkt und zugleich Abschluss hat. Expressis verbis findet sich der Ausdruck „die Tora JHWHs“ neben Ps 1,2 noch in Ps 19,8 und Ps 119,1. Die beiden Psalmen 19 und 119 mit ihrer je eigenen „Tora-Frömmigkeit“ sind diesbezüglich auch die am nächsten liegenden Parallelen, auf die Ps 1 „vorausblickt“.85 Mit ihnen wird im Psalmenbuch die Referenz auf die Willenskundgebung Gottes im Pentateuch (und den „Propheten“) wach gehalten, zugleich vollzieht sich in der meditierenden Rezitation des Psalters gleichsam selbst „Tora“(-Anwendung) oder kommt ihr zumindest nahe. Über Ps 19 hinaus findet der von Ps 1 eingewiesene Hörer / Leser namentlich im Psalter-Buch I (Ps 1–41) weitere Rückkoppelungen auf das Proömium: So haben die Seligpreisungen, die schwergewichtig im ersten (und letzten) Psalterbuch zu finden sind, mit ihrer Platzierung am Anfang (Ps 1,1; 2,12) und am Schluss (Ps 40,5; 41,2) dieses (Teil-)Buchs einen verklammernden Effekt und erweisen es als Wegbegleiter zum glückvollen Heil.86 Am stärksten wird Ps 1 neben den bereits genannten Ps 1987 und 4088 in Ps 3789 aufgenommen: Dort ist nicht nur die für Ps 1 bezeichnende Bipolarität von „(dem) Gerechtem/n“ <=> „Frevlern“ vertieft, sondern auch die Verbindung von „Tora“-Frömmigkeit und Weisheit wird explizit hergestellt. So liest sich Ps 37,30f als Auslegung, ja als Folgerung von dem in Ps 1 Gesagten: 83 84 85 86 87 88 89 zu stellen, sondern sie zugleich als Meditationstexte über Tora und Nebiim zu kennzeichnen.“ Eine solche bietet in programmatischer Kürze und Dichte die ausgezeichnete Studie von Kratz, „Tora Davids“. Ps 1,2.2; 19,8; 37,31; 40,9; 78,1.5.10; 89,31; 94,12; 105,45; 119,1.18.29.34.44.51.53.55. 61.70.72.77.85.92.97.109.113.126.136.142.150.153.163.165.174. Abgesehen von Ps 119 (längster Psalm) und Ps 1 erscheint die Bezeichnung einzig in Ps 78 (zweitlängster Psalm) noch mehr als einmal. Zu Ps 119 vgl. diesbezüglich Ego, „Aufgabe“, S. 8–14. Vgl. dazu McCann, „Shape“. Vgl. auch das Derivat der Wurzel „(murmelnd) sinnen“ (Ps 1,2) in Ps 19,15. In Ps 40 ist wie in Ps 1 Seligpreisung (V. 5) und „Tora“-Bezug (V. 9) relationiert. Auch zu Ps 2 (dazu s. u.) gibt es Berührungen, vgl. Ps 37,13 mit Ps 2,4. 100 Beat Weber „Der Mund des Gerechten ( ) wird murmelnd Weisheit sinnen ( und seine Zunge wird Recht / Gericht ( ) sprechen. Die Weisung seines Gottes ( ) [ist] in seinem Herzen, nicht werden wanken seine Schritte.“90 ), Schließlich ist in die Gestalt beider Psalmen das weisheitliche Moment der von A bis Z reichenden Totalität eingeschrieben: in Ps 37 in der Weise eines alphabetischen Akrostichons, in Ps 1 durch die Eröffnung mit dem ersten ( „Glückpreisungen …“) und die Schließung mit dem letzten Buchstaben ( „[er] 91 wird zugrunde gehen“) des hebr. Alphabets. Insgesamt lässt sich also zeigen, dass Ps 1 einen Lesehorizont in den Psalter und insbesondere ins Teil-Buch I hinein aufspannt. Damit liegen deutliche Indizien vor, dass der Psalter nicht (nur) als Gebetsbuch, sondern als Wegweisung und damit in gewissem Sinn als „die Tora JHWHs“ rezitierend / meditierend gelesen (gesungen?) und verstanden werden will.92 Von daher ist der Psalter – nach und neben Pentateuch und nebiim – auch eine verschriftete Konkretion der Tora als autoritativ übermitteltem Gotteswillen.93 Die Bezüge von Ps 1 in den Bereich der Teilbücher IV und V (Ps 90–150) führen zunächst zum weisheitlich imprägnierten Eröffnungspsalm 90 (vgl. „Mose“-Präskript und v.a. V. 12), dann insbesondere zu Ps 92 mit seiner Polarität zwischen „zugrunde gehenden Frevlern“ (V. 8–10, vgl. Ps 1,6) und dem sprossenden „Gerechten“, der „eingepflanzt“ im Hause JHWHs bis ins Alter gedeiht (V. 12–15, vgl. Ps 1,3). Von dort aus führt die Spur weiter zum weisheitlichakrostichischen Zwillingspaar Ps 111 / 112, wo die Parallelität der Eröffnungen von Ps 112,1 und Ps 1,1f am signifikantesten ist. Die stärksten Bezüge aber ergeben sich zum alphabetischen Akrostichon Ps 11994, der vielfach und variantenreich den 25maligen „Tora“-Begriff (als General-Leitwort) durch Synonyma aufnimmt, variiert und vertieft.95 Allein die schiere Größe dieses mit Abstand 90 Es ist zu vermuten, dass über die angezeigten lexematischen Verknüpfungen hinaus die Intertextualität durch assoziative Lautspiele (Paronomasie) noch verstärkt werden soll: Zum einen führt die Wahl des Lexems „wanken“ (anstelle des gebräuchlicheren ) zur (sinnigen) Nähe zwischen „nicht treten / stehen“ (Ps 1,1) und „nicht wanken“ (Ps 37,1), zum andern hat „seine Schritte“ in der gleichen Verszeile nicht nur semantische Berührungen zum Begriff „Weg“ in (ebenfalls) derselben Verszeile von Ps 1 (dazu auch V. 6 zweimal), sondern auch lautliche mit dem Eröffnungswort von Ps 1 „Glückpreisungen…“. 91 Präzis gesprochen fängt das letzte Wort mit dem letzten Buchstaben bzw. Konsonanten an (in diesem letzten Wort finden sich letzter und erster Konsonant nebeneinander). Glückseligkeit und Verderben sind denn auch die beiden Pole von Ps 1. 92 Zu Ps 1 und Teil-Buch II vgl. Ps 52,10 (mit Tempel-Bezug). 93 Vgl. Ballhorn, „Pragmatik“, S. 250. 94 Vgl. dazu Weber, Werkbuch II, S. 258–272. 95 Die beiden Psalmen verbindet neben dem „Tora“- v. a. der „Weg“-Begriff ( ), vgl. dazu Ps 1,1.6 mit Ps 119,1.3.5.14.26f.29f.32f.35.37.59.168. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 101 umfangreichsten Psalms im Psalter sowie seine Positionierung in der „Mitte“ des finalen Teil-Buchs V zeigt die Bedeutung der Tora-Frömmigkeit für den Psalter mit dessen „Lesebrille“ Ps 1. Die Eröffnungen von Ps 1 und 119 sind denn auch deutlich parallelisiert, und auch die beiden Schlüsse (bei Ps 119 die Schlussverse der beiden letzten alphabetischen Akrosticha und ) sind nicht ohne Analogie. Ps 119,1f.168.176 lautet: „Glückpreisungen ( ) den Untadeligen des Weges ( ), den Wandelnden ( in der Weisung / Tora JHWHs ( )! Glückpreisungen ( ) den Bewahrenden seiner Verordnungen, mit ganzem ( ) Herzen suchen sie ihn stets neu! … … Bewahrt habe ich deine Anweisungen und Verordnungen; gewiss, all meine Wege ( ) [sind] vor dir. … Ich irrte ab wie ein zugrunde gehendes ( )96 Schaf – suche deinen Knecht, denn deine Gebote habe ich nicht vergessen!“ ) Mit seinem repetitiven Charakter vollzieht Ps 119 was Ps 1 (im Licht von Dtn 6,4–6) anstrebt: die stetige, rezitierend-meditierende Aneignung „der Tora JHWHs“.97 Der „Tora JHWHs“ (samt den Synonymbezeichnungen) kommt in Ps 119 eine Art „Mittlerstellung“ in der Selbstoffenbarung Gottes gegenüber den Menschen zu.98 Wenn Ps 1(f)99 in den Psalter ein- und auf Ps 119 hinführt, mit dem der (Nach-)Sprechende in Bedrängnis Zuflucht bei Gott und in dessen Weisung sucht, so wird der Psalter selbst zur „Tora“ bzw. rückt in große Nähe zu ihr. Dass nicht nur in Ps 1, sondern auch in der Formierung des Psalters eine weisheitliche Perspektive zum Ausdruck kommt, zeigt sich auch daran, dass weisheitlich gefärbte Psalmen bewusst an „Naht“- bzw. „Scharnierstellen“ im Psalter, etwas am Anfang oder Schluss von Teilbüchern, platziert sind.100 Ähnliches gilt 96 Vgl. das Laut- und Sinnspiel mit der Selbstbezeichnung „(dein) Knecht“ ( ) in demselben Vers. 97 Wenn Botha, „Intertextuality“, S. 504 (Fußnote 6), recht hat, dass die eine Hälfte der „Tora“-Synonyma stärker das instruktionelle, im Pentateuch greifbare, die andere stärker das juridische, in den „Propheten“ greifbare Moment absteckt, wäre dies ein Hinweis dafür, dass Ps 119 als summa der religiösen Traditionen und autoritativen Schriften die beiden Korpora Pentateuch und Propheten aufnimmt. 98 Botha, „Intertextuality“, S. 504, spricht von „intermediary or interface between Yahweh and man“. Vgl. auch grundsätzlicher Brueggemann, Theology, S. 578–599, der von „the torah as mediator“ spricht. 99 Zur Bezeichnung „Tora“ in Ps 1 und 119 gesellt sich in Ps 2 der Begriff „Satzung“, der in Ps 2,7 singularisch, in Ps 119 (gehäuft) pluralisch erscheint (Ps 119,5.8.12.23.26.33. 48.54.64.68.71.80.83.112.117f.124.135.145.155.171). Vgl. dazu auch Auwers, „Voies“, S. 15f. 100 Vgl. Wilson, „Shaping“. 102 Beat Weber hinsichtlich der Königspsalmen. Von daher kann man „Weisheit“ – verbunden mit Momenten wie „Mose“- und Pentateuch-Bezug, Tora-Frömmigkeit, „Ethik“, Tempel, Schöpfung, Gotteslob – und „Königstheologie“ – verbunden mit Momenten wie „David“- und nebiim-Bezug101, Heilsgeschichte, Prophetie / Eschatologie, Macht und Gerechtigkeit – als die beiden für die (end)redaktionelle Gestaltung und theologische Bestimmung des Psalterbuchs wesentlichen Triebfedern bezeichnen.102 Diese Doppelheit wird am Eingang insbesondere durch die durch die Makarismus-Inklusio (Ps 1,1; 2,12)103 angezeigte Verklammerung des Weisheitspsalms 1 und des Königspsalms 2 markiert. Ihnen ist ein Tempel- bzw. Zions-Bezug gemeinsam.104 Zusammen bilden sie das „doppelte Eingangstor“ zum Psalter.105 „In kanonischem Zusammenhang gelesen steht der (davidische) König von Ps 2 damit für den Gerechten von Ps 1 wie umgekehrt der Gerechte von Ps 1 der königliche David bzw. die Gemeinde derjenigen ist, die in seiner Nachfolge den Psalter beten.“106 Diese durch die Psalterredaktion bereits zu Beginn angezeigte Zusammengehörigkeit von (Tora-)Weisheits- und Königstheologie107 wird durch weitere Gruppen- und Paarbildungen in Buchverlauf erneuert und bestätigt,108 wobei in Teilbuch I (Ps 1/3–41) tendenziell stärker die Tora-weisheitliche Linie, in Buch II (Ps 42–72) die königliche Linie aufgenommen ist. Beide Linien laufen dann in Buch III (Ps 73–89)109 zusammen. Für die hinteren bzw. späteren Bücher IV (90– 101 Der bereits bei Ps 1 angenommene nebiim-Rückbezug wird durch die Verklammerung mit Ps 2 deutlich verstärkt (vgl. dazu auch Steck, Abschluss, S. 161f). 102 Vgl. dazu ausführlich Füglister, „Verwendung“. 103 Durch die (redaktionelle) Makarismus-Klammer erweisen sich das rezitierende Meditieren der „Tora“ (Ps 1,1f) und das „(vertrauende) Bergen“ ( ) in ihm – im Blick dürfte JHWH als Himmelskönig sein, auch wenn ein Bezug auf den irdischen Gesalbten ebenfalls möglich ist – als zwei Seiten derselben Münze. Zur Bedeutung des Bergungs- bzw. Zufluchtsmotivs im Psalter vgl. Creach, Yahweh. 104 Wie die Anfangsverse von Ps 1 (dazu s. o.) scheinen sich auch die Schlussverse von Ps 2 an Dtn 6 anzulehnen (vgl. Dtn 6,13–15 mit Ps 2,11f); außerdem weisen beide Psalmen Berührungen mit Mal 3 auf (zu Ps 1 s. o., zu Ps 2 vgl. Mal 3,16–21 mit Ps 2,11f). Vgl. dazu Zenger, „Psalter“, S. 41f. 105 Vgl. dazu namentlich Zenger, „Psalter“, der weitere, Ps 1 und 2 verbindende Stichwortbzw. Motivbezüge ebenso nennt wie Rezeptionen, die Ps 1 und 2 als ein(zig)en Psalm auffassen. Ähnlich Botha, „Interface“, ferner Cole, „Reading“ (der m. E. allerdings Ps 1 allzusehr aus der Retrospektive von Ps 2 her versteht). 106 Janowski, „Biblia“, S. 408 (unter Bezugnahme auf Erich Zenger). 107 Vgl. dazu auch Brueggemann, Theology, S. 600–621, namentlich S. 611–614 („kingship and torah“). 108 Vgl. die Rahmung eines „Tora“-Psalms durch zwei Königspsalmen in der Abfolge Ps 18– 20 oder auch das Buchteil-übergreifende (und gegenüber Ps 1f invertierte) Nebeneinander von Königspsalm und Weisheitspsalm in Ps 72 / 73 und Ps 89 / 90 (vgl. auch Ps 110 und Ps 111 / 112 sowie Ps 144 / 145). 109 Vgl. die Rahmung von Weisheitspsalm (Ps 73) und Königspsalm (Ps 89) sowie die Verbindung der Schnittlinien im asaphitischen Zentralpsalm 78 – dem zweitlängsten des Bu- Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 103 106) und V (Ps 107–145/150) ergeben sich diesbezüglich neue Konstellationen (Verstärkung des theokratischen Moments und des Gotteslobs).110 Im alphabetischen Akrostichon Ps 145111, wo JHWH endgültig und universal als König gepriesen wird, werden manche Fäden, auch die von Weisheit und Königstheologie, zusammen gezwirnt. Es handelt sich um den letzten Psalm vor dem Schluss-Hallel (Ps 146–150), welches das (ausgeweitete) Pendant zu Ps 1f am Anfang bildet, Weisheit und Gotteslob verbindet und den Psalter doxologisch abschließt. Auch in dieser Schlussgruppe finden sich Weisheits- wie Königstheologie und mit ihnen Ps 1f nochmals aufgenommen (vgl. etwa 146,8f mit 1,6 sowie 149,2.7f mit 2,1f.6.9.11). „Ps 1 weist in die Meditation der Weisung JHWHs und damit zugleich ins Psalmenbuch ein. Ps 150 entlässt den Beter und Leser dieses Buches (und damit den, der Gottes Weisung meditiert hat) mit dem Lob Gottes auf den Lippen.“112 Ein analoges (nachexilisches) Beispiel einer derartigen Verzahnung von Tora-Weisheit und Königtum findet sich in Chronika, wo die Aussagen der Königsbücher (1 Kön 2,1–3) vertieft und ausweitet werden. Dort wird im Vermächtnis des Königs David an seinen Sohn Salomo (1 Chr 22,6–16) nicht nur Tempel(bau), immerwährendes Königtum, Weisheit und „Tora“ verzahnt, sondern dies geschieht verbunden mit der „Gelingen“-Verheißung – analog zu Ps 1 – in Rückgriff auf Jos 1 (1 Chr 22,11–13). Die sich hinter 1 Chr 22 spiegelnde Verbindung von dtn Königsgesetz (Dtn 17,18–20) und (mit der Übergabe bzw. -nahme der Führungsverantwortung [Sukzession] verbundene) Tora-Verpflichtung (Dtn 31,7f.23; Jos 1,5–9) kommt ähnlich auch im Psaltereingang sowie in seiner Rahmung um die Teil-Bücher I und II (Ps 1f – Ps 72: David => Salomo) zum Tragen. Die genannten Indizien können zwar eine kataphorische Funktion der „Tora JHWHs“ von Ps 1,2 im Blick auf den Psalter als Buch nicht beweisen, legen aber doch nahe, den Psalter selbst in Anschluss und Analogie zum Pentateuch und – durch Ps 2 noch verstärkt – den nebiim zu verstehen: als Weisung und als Prophetie.113 Die durch Doxologien (Ps 41,14; 72,18f; 89,53; 106,48114) markierte Gliederung des Psalters in fünf Teilbücher, deren Abfolge mit einer Geschichtstheologie verbunden ist,115 trägt ihrerseits dazu bei, den Psalter als „davidischen 110 111 112 113 114 115 ches –, wo „Tora / Mose“-Bezug (V. 1–8) und „Zionstempel / Davidskönigtum“-Bezug (V. 68–72) einen Rahmen bilden (vgl. auch Weber, „Geschichte“). Vgl. dazu ausführlich Leuenberger, Konzeptionen. Zu diesem Psalm vgl. Kratz, „Schema‘“. Weber, Werkbuch II, S. 386. Vgl. auch Zenger, „Horizont“, S. 128–134, der Indizien zusammenträgt, denen zufolge sich im protomasoretischen hebräischen Psalter sowohl eine „Tora-Perspektive“ wie auch eine „Prophetie-Perspektive“ reflektiert. Letztere wird im LXX-Psalter noch verstärkt. Diese vierte Doxologie mit ihrem Rückbezug auf Dtn 27,15–26 ist für die TeilbücherGliederung des Psalters von besonderer Relevanz (vgl. dazu Levin, „Entstehung“, S. 88f, und Hossfeld, „Universalgeschichte“, S. 308–310). Dazu Kratz, „Tora Davids“, S. 21–28, und Walton, „Psalms“. 104 Beat Weber Pentateuch“ im Licht des mosaischen Pentateuchs zu verstehen und entsprechend als „Tora Davids“ zu interpretieren116 – eine Sichtweise, die vom rabbinischen Psalmen-Midrasch geteilt wird.117 Inwieweit diese Perspektive bereits psalterredaktionell eingetragen oder aber – latent vorhanden – erst etwas später rezipiert und kanontheologisch interpretiert wird, lässt sich diskutieren.118 Wie in Jos 1 Josua – entsprechend dem „Propheten“-Kanon – als der „erste / paradigmatische Prophet“ (vgl. auch Sir 46,1) auf die durch Mose gegebene „(dtn) Tora“ verpflichtet wird, so in Ps 1 gleichsam der „erste / paradigmatische Weise“. Die Frage liegt auf der Hand: Führt Ps 1 – analog wie Jos 1 in die nebiim – nicht nur in den Psalter, sondern auch in die (Weisheits-)Schriften des dritten Kanonteils, die ketubim, ein? Und weiter: Sind dann mit „der Tora JHWHs“ im Anschluss an Pentateuch und Propheten nicht nur die Psalmen, sondern die ketubim insgesamt im Blick? Von der kanontheologischen Retro- bzw. Gesamtperspektive, der unitas scripturae der Hebräischen Bibel Israels (TNK) her sind die beiden Fragen zu bejahen – jedenfalls bei einem Kanon-Arrangement, bei dem der Psalter (und damit Ps 1) an der Spitze der kanonischen Schriften der ketubim steht. Die Schriften des letzten Teils des hebräischen Schriftenkanons mögen sich als autoritativ und damit als „(Heilige) Schrift“ erwiesen haben, im Blick auf das Arrangement der Schriften namentlich dieses Kanonteils ist – jedenfalls überlieferungsgeschichtlich betrachtet – allerdings keine Eindeutigkeit gegeben.119 Ein Blick in die Handschriften-Überlieferung und die verschiedenen Kanonlisten zeigt diverse, aufgrund der Makro-Kontextuierung der Bücher mit je unterschiedlichen rezeptionstheologischen Sichtweisen verbundene Ordnungssysteme. Insgesamt macht die Variabilität evident, dass – anders als die Autorisierung der Bücher selber – die Sequenz der einzelnen Bücher innerhalb der (zuletzt kanonisierten) ketubim offenbar eine untergeordnete Rolle gespielt und anscheinend keine allgemeine Normativität erlangt hat und damit kanontheologisch auch nicht überbewertet werden darf.120 Gewiss 116 Zur Subsummierung der Psalmen unter „dem Gesetz“ („der Tora“) vgl. auch Joh 10,34, wo Ps 82,6 aufgenommen wird. 117 Vgl. MTeh 1,2.5, dazu auch Hansberger, „Mose“. 118 Man kann den Sachverhalt mit Reinhard Gregor Kratz („Tora Davids“, S. 28) – zumindest! – so formulieren: „Der Psalter ist damit noch nicht Tora, aber er ist auf dem besten Wege dazu, selbst zum Gegenstand des Schriftstudiums, neben der Tora des Mose und den Propheten zur Tora Davids, zu werden, wie es spätestens seit Qumran der Fall ist.“ 119 Vgl. dazu grundlegend Brandt, Endgestalten; in Anwendung auf Psalter und ketubim namentlich Auwers, „Voies“, und Zenger, „Horizont“. Diesbezüglich hat sich jüngst auch eine evangelikale Stimme zu Wort gemeldet: Julius Steinberg hat in Aufnahme des „strukturell-kanonischen Ansatzes“ von Hendrik J. Koorevaar in seiner Dissertation aufgrund einer Baraita im Talmud (bBB 14b) den Aufbau und die theologische Botschaft des Kanonteils der ketubim bestimmt (vgl. als Skizze Steinberg, „Literatur“ – die Diss. wird nach Abschluss dieses Manuskripts publiziert: Steinberg, Ketuvim). 120 In den Kirchen des Protestantismus äußert sich dies bekanntlich in einer „Mischung“ insofern, als betreffend des Kanonumfangs die Hebräische Bibel Israels maßgeblich ist, im Blick auf die Kanonanordnung dagegen die griech. (LXX) bzw. lat. (Vulg.) Bibel zum Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 105 ist jedenfalls, dass dem Psalter innerhalb der (später) unter der Bezeichnung ketubim gesammelten Bücher früh anerkannte Dignität zukam und dass er in den überlieferten Sequenzen des dritten Teil der Hebräischen Bibel allermeist einen vorder(st)en Platz einnahm (Erststellung oder Zweitstellung nach Ruth, Hiob oder Chronika). Ohne hier Gewissheit zu erreichen, scheint mir namentlich die deutliche Analogie von Ps 1 zu Jos 1 eine induktiv-inneralttestamentlich begründbare Präferenz für die Spitzenstellung des Psalters innerhalb der ketubim nahe zu legen. Eine Spitzenstellung des Psalters innerhalb der ketubim ist aufgrund 4Q397 (MMT) 10 („… ins Buch Mose [und] in die Büch[er der Pro]pheten und in Davi[d{s Psalmen}])“121, der bereits genannten neutestamentlichen Aussage Lk 24,44 („… im Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen“)122 und (weiteren) frühjüdischen Belegen123 allerdings kaum hinreichend zu begründen. Wohl aber ist den Belegen die Gewichtigkeit der Psalmen zu entnehmen. Darüber hinaus wird eine dreiteilige Struktur des hebr. Kanons explizit gemacht oder zumindest angedeutet. Von dieser kanontheologischen Rezeptionsperspektive her bekommt „die Tora JHWHs“ einen noch weiteren Horizont, bindet janusköpfig den Psalter / „die Schriften“ (Hagiographen) auf die Kanonteile Pentateuch und Propheten zurück und lehrt als Vorverweis auch „die Schriften“ als „Heilige Schrift“ zu verstehen.124 Ähnliches findet sich auch im Neuen Testament, wenn etwa mit der Bezeichnung „Gesetz“ („Tora“) auch auf prophetische und psalmische Schriftstellen verwiesen bzw. angespielt wird (vgl. Joh 12,34; Röm 3,10–19.21). Als Baustein einer kanontheologischen Gesamtschau liefert Ps 1 damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zu einer „Theologie der Schrift“. 121 122 123 124 Tragen kommt. Man ist gut beraten, im Prozess der Kanonisierung mit Erich Zenger („Horizont“, S. 126) die drei Aspekte „Kanonwerdung“, „Kanonschließung“ und „Kanonstrukturierung“ zu unterscheiden. Nach Maier, Qumran-Essener II, S. 37 (andere rekonstruieren nur „David“). Aufgrund der Singularität dieser Aussage ist ein Verständnis des Psalters als pars pro toto für die ketubim nicht zu begründen (vgl. auch 4Q397 [MMT] 10). Zudem fällt auf, dass der Artikel vor „Psalmen“ fehlt, diese dadurch stärker an „die Propheten“ angeschlossen werden. Vgl. dazu auch Rusam, Alte Testament, S. 259–262, der darüber hinaus vermutet, dass die Psalmen aufgrund deren besonderen Bedeutung für die nachfolgenden biblischen Argumentationen erwähnt werden. Eine dreiteilige Struktur wird bei Jesus Sirach (Prolog der griech. Übersetzung, evtl. auch Sir 38,34–39,3) und bei Josephus (Ap I,38–41, dazu Zenger, „Horizont“, S. 116f) angezeigt. In 2 Makk 2,13f sind im Zusammenhang mit dem Anlegen einer Bibliothek durch Nehemia neben anderen Schriften „die [Bücher] Davids“ erwähnt (man beachten den Plural!). Diesbezüglich wären auch die auf das ebenfalls zu den ketubim gehörende Hiob-Buch zielenden Hinweise auszuwerten (vgl. namentlich Ps 1,6 mit Hi 8,13f; ferner zur Rezeption von Ps 8 in Hi auch Frevel, „Theologie“, v. a. S. 268–270). 106 Beat Weber Insofern das Neue Testament wesentlich auf der griech. Übersetzung des Alten Testaments (LXX) fußt und die (protestantischen) Kirchen im Grundsatz deren kanonischen Reihenfolge der Schriften gefolgt sind, ergibt sich für Kirche und Theologie dann ein nochmals neuer Sachverhalt. Zum einen ist mit der LXX das prophetische Moment125 in den Psalmen selber – auch in Ps 1126 – und hinsichtlich des Gesamtkanons verstärkt, zum andern stehen die Psalmen dort zusammen mit anderen weisheitlichen Büchern im aufgesprengten nebiim-Kanon der hebr. Bibel bekanntlich in einer „Sandwich-Position“ zwischen den „geschichtlichen Büchern“ und den „Schriftpropheten“. Aufgrund dieser (Neu-)Kontextuierung ist der Beitrag von Ps 1(f) für eine „Theologie der Schrift“ nochmals neu zu bedenken – das soll hier nur noch angezeigt, aber nicht mehr ausgeführt werden. 6. Schluss Im Blick auf die in Ps 1,2 erwähnte „Tora JHWHs“ hat sich eine gestaffelte Schriftreferenz nahe gelegt, die möglicherweise teils erst „im Nachhinein“, aus einer rezeptions- und kanontheologischen Sichtweise, vollends ansichtig wird.127 Zunächst wird der Blick zurückgeführt auf den durch das Dtn erschlossenen Pentateuch. Dann folgt in Angleichung an Jos 1 (und Mal 3) ein zweiter Anschluss an den Kanonteil der nebiim. Mit diesen beiden anaphorischen Bezügen zusammen ist das autoritative Schriftcorpus angesprochen, das mehrfach als „das Gesetz (bzw. die Tora) und die Propheten“ apostrophiert wird. Schließlich wird durch das „(doppelte) Eingangstor“ von Ps 1(f) der Psalter als „Tora-Weisheit“ (und „Königtum-Prophetie“) verstanden und in Analogie zu „Gesetz und Propheten“ gerückt. Damit lenkt „die Tora JHWHs“ auch auf den Psalter selbst hin, so dass dieser als „die Tora Davids“ verstanden werden kann bzw. soll. Bei einer (möglichen) Spitzenstellung des Psalters im Kanonteil der ketubim schließlich induziert die Parallelität von Jos 1 (als Eröffnungskapitel des Kanonteils nebiim) und Ps 1 ein Vergleich zwischen „paradigmatischem Prophet“ und „paradigmatischem Weisen“. Dies öffnet das Bedeutungsspektrum der Formulierung „die Tora JHWHs“ (Ps 1,2) auf den gesamten Kanonteil der ketubim hin. In dem Sinn enthalten Ps 1f im Blick auf den Psalter als „Kleine Biblia“ (Martin Luther) nicht nur eine Biblische Theologie des Alten Testaments in nuce, sondern bieten zugleich einen Beitrag zu einer „Theologie der Schrift“. 125 Dazu gehört auch die Verstärkung von messianischen und eschatologischen Momenten, vgl. dazu Schaper, „Septuaginta-Psalter“. 126 Vgl. die Eschatologisierung der LXX-Fassung in V. 5, wo aus dem „nicht aufstehen (im Gerichtsverfahren)“ ein „nicht auferstehen (aus dem Tod)“ wird. 127 Dohmen, Oeming, Kanon, S. 92f, sprechen von „geprägter Fortschreibung“. Der Beitrag von Psalm 1 zu einer „Theologie der Schrift“ 107 Ein Blick ins Neue Testament zeigt, dass – anders als Ps 2 – Ps 1 im Neuen Testament scheinbar kaum ein Echo findet.128 Bemerkenswert ist allerdings, dass die erste Lehrrede Jesu im Evangelium nach Matthäus (Bergpredigt) mit einer Seligpreisung einsetzt – nicht mit einer wie Ps 1 (oder zwei wie Ps 32; 119), sondern in gesteigerter Form mit einer ganzen Serie (Mt 5,3–12). Verrät die Gestalt dieser Makarismen einen weisheitlichen Hintergrund, so orientiert sich deren Gehalt eher an Aussagen der „Königstheologie“. In Ps 1,3 wird irdisches „Gelingen“ versprochen, dagegen spricht Jesus am Ende der Seligpreisungen von einem „großen Lohn in den Himmeln“ (Mt 5,12, vgl. 5,3).129 Das Ende der Bergpredigt mit dem Gleichnis vom „Hausbau auf Sand oder Fels“ (Mt 7,24–27) verrät mit seiner Polarität der beiden Wege dann (wiederum) weisheitliches, Ps 1 nahe stehendes Profil.130 Die Rede ist von einem klugen respektive törichten „Mann“, dessen Verhalten und Ergehen aus dem (Nicht-)Hören, (Nicht-)Meditieren und (Nicht-)Befolgen der Worte Jesu fließt. In der Bergpredigt Jesu, dem „messianischem Lehrer der Weisheit“ (Martin Hengel) finden sich also (zumindest) am Eingang und am Ende gewisse Analogien zu Ps 1. Der Schluss führt an den Anfang meiner Überlegungen zurück. Ein kurzer Vergleich zwischen Ps 1 und 2 Tim 3,14–17 zeigt, dass in der skizzierten kanontheologischen Staffelung „die Tora JHWHs“ durchaus in die Nähe derjenigen Größe gerückt wird, die in 2 Tim einerseits im Plural als „Heilige Schriften“, andererseits im Singular als „(ganze / alle) Schrift“ bezeichnet wird. Das „Lernen“, „Überzeugt-worden-Sein“ und „Kennen“ der „Schrift“ – und zwar „von Kind auf“ – hat seine Parallele im „murmelnden Sinnen Tag und Nacht“. Die sich daraus ergebende „Frucht“ bzw. „Kraft“ ist bei beiden Aussagen mit weisheitlichdidaktischen Akzenten versehen: „Vollkommen“ ist der „Mensch Gottes“ insofern er sich an „der Tora JHWHs“ ausrichtet, die ihn „weise macht zum Heil131 durch den Glauben, der an / in Jesus Christus [ist]“. Er ist zu „jedem Werk völlig ausgerüstet“ bzw. „allem, was immer er tut, wird Gelingen verliehen“. 128 Ein Blick auf die Rezeption von Ps 1 in der frühen Kirche findet sich bei Koch, „Auslegung“, und Reemts, Schriftauslegung, S. 34–51. 129 In die Nähe von Ps 1,3 führt auch das Versprechen Jesu in Mt 6,33b. 130 Vgl. auch Mt 7,17–20. 131 Die Rede vom „Heil“ hat in Ps 1 sein schöpfungstheologisches Pendant im Bild des immergrünen, Frucht tragenden Baums. 108 Beat Weber Literaturverzeichnis Achenbach, Reinhard: Art. „Tora. I. Altes Testament“, in: RGG4 8, 2005, Sp. 476–477. Auwers, Jean-Marie: „Les voies de l’exégèse canonique du Psautier“, in: JeanMarie Auwers, Henk J. de Jonge (Ed.), The Biblical Canons, BEThL 163, Leuven: University Press, Peeters 2003, S. 5–26. Ballhorn, Egbert: „‚Glücklich der Mensch …’ Weisung und Gebrauchsanweisung für das Psalmenbuch, in: PBl, 2003, S. 12–16. 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This contribution tries to show that, as a deliberately created opening of the Psalter Ps 1 intentionally relates the following book to the pentateuch (tora) as well as the prophets (nebiim) as the two preceeding parts of the hebrew canon (in the diction of the New Testament: „the law and the prophets“). The Psalter (and with it possibly the whole third part of the canon, the ketubim) is placed in a legitimate and authoritative way to the already authorised scriptures. Therefore by the use of Ps 1(–2) we can make visible a part of the canonizing process. Hence the beginning of the Psalter is able to make a small contribution to a „theology of Scripture“.