Inhalt
Artikel
Computerspielabhängigkeit
1
Pathologisches Spielen
7
Glücksspiel
13
Angst
25
Depression
33
Therapie
55
Internetabhängigkeit
57
Störung der Impulskontrolle
62
Schuldgefühl
64
Psychotherapie
66
Wette
76
Trichotillomanie
78
Kleptomanie
81
Pyromanie
83
Gewohnheit
85
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
87
Selbsthilfegruppe
91
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
102
Naltrexon
111
Substanzungebundene Abhängigkeit
114
Abhängigkeit (Medizin)
117
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
121
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
127
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
128
World of Warcraft
133
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
156
Verhaltenstherapie
161
The Big Bang Theory
168
Zwölf-Schritte-Programm
181
Quellennachweise
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190
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Artikellizenzen
Lizenz
196
Computerspielabhängigkeit
Computerspielabhängigkeit
Computerspielabhängigkeit, umgangssprachlich auch Computerspielsucht oder Videospielsucht genannt, wird als
Abhängigkeit der Unterform den substanzungebundenen Abhängigkeiten zugeordnet, die aus der zwanghaften
Nutzung von Computer- und Videospielen besteht. Computerspielabhängigkeit kann als Krankheit angesehen
werden, weil sie die Freiheitsgrade des Betroffenen einengt und dadurch ein Freiheitsverzicht sowie –verlust
resultiert. Besonders beachtenswert sind hierbei Online-Rollenspiele, in denen sich sehr viele Spieler zur gleichen
Zeit aufhalten (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game, MMORPG). Ungeklärt ist, ob exzessives Nutzen
von Computerspielen als Krankheit im Sinne von Missbrauch und Abhängigkeit gelten kann.
Diskussion
In den Vereinigten Staaten hat die Frage der Videospiel-Sucht viele Diskussionen ausgelöst. Die American Medical
Association traf sich im Juni 2007,[1] um dieses Thema zu diskutieren, mit dem Ergebnis, dass weitere Forschungen
notwendig seien, bevor Computerspielabhängigkeit als eine formale Diagnose betrachtet werden kann. Die
American Psychiatric Association (APA) wurde aufgefordert zu untersuchen, ob die Diagnose für eine Aufnahme in
den DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) geeignet sei. Michael Brody, ein Mitglied der
American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, wies darauf hin, dass trotz seiner Ansicht, dass
Computerspiele süchtig machen könnten, er nicht notwendigerweise glaubt die Diagnose rechtfertige die Aufnahme
in das DSM. In einer offiziellen Stellungnahme vom 25. Juni 2007 verkündet die APA, dass sie “zurzeit
Computerspielabhängigkeit nicht als psychische Störung betrachtet”. Aber dies schließt nicht aus, dass solch eine
Diagnose bei der nächsten Revision des DSM im Jahr 2012 Einzug in das Diagnosesystem halten könnte.[2]
Insbesondere stehen auch die Hersteller von als besonders suchtgefährdend klassifizierten Computerspielen in der
Kritik. Während diese abwiegeln, wird ihnen von anderer Seite vorgeworfen, mit dem Suchtpotenzial gezielt zu
kalkulieren.[3][4]
Mögliche Diagnosen
Zur Diagnose der Computerspielabhängigkeit existieren bislang keine eigenständigen Störungsbilder im ICD-10
oder DSM-IV. In beiden Klassifikationssystemen kann die Computerspielabhängigkeit zu den abnormen
Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle (F. 63.8) sowie zum pathologischen Glücksspiel gezählt werden
(F. 63.0). Die Diagnose und Therapieoptionen sind somit erheblich erschwert. Obwohl die
Computerspielabhängigkeit bislang in kein Klassifikationssystem aufgenommen wurde, zeigen sich ähnliche
Symptome bei anderen psychischen Abhängigkeiten, auch wenn sich das Craving nicht bei jeder Person manifestiert.
Reiner Obert stellt eine Analogie zur Alkoholabhängigkeit her[5].
Verbreitung/Prävalenz
Eine repräsentative Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) bei der 44 610
Jugendliche im Alter von 15 Jahren in 61 zufällig ausgewählte Landkreise bzw. kreisfreie Städten befragt wurden,
ergab, dass bereits über 14 000 Jugendliche als computerspielsüchtig und weitere 23 000 Jugendliche gefährdet
seien. 15-jährige Jugendliche, die World of Warcraft nutzen, spielten der Studie zufolge im Schnitt 3,9 Stunden am
Tag und der Anteil der Jugendlichen die dabei ein suchtartiges Verhalten mit Kontrollverlust und
Entzugserscheinungen aufwiesen lag bei 8,5 Prozent der Nutzer.[6] Der Leiter des KFN, Christian Pfeiffer, fordert in
diesem Zusammenhang eine höhere Alterseinstufung für das Spiel von 12 auf 18 Jahre und somit keine
Jugendfreigabe.[7]
Eine Umfrage vom April 2007 (Harris interactive poll) fand heraus, dass 8,5 % der 1178 jugendlichen Spieler in den
Vereinigten Staaten “als krankhaft oder klinisch ‘abhängig’ von Videospielen klassifiziert” werden können.[8] Eine
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Computerspielabhängigkeit
britische Umfrage vom November 2006 zeigte, dass 12 % der befragten 7000 Spieler ein Suchtverhalten aufweisen.
94 % der befragten Spieler waren männlich. Einer von neun Spielern erfüllte die Suchtkriterien.[9] Es wird
angenommen, dass übermäßiges Computerspielen in Asien ein größeres Problem darstellt. Eine von der Regierung
beauftragte Umfrage in Südkorea kam zu der Einschätzung, dass 2,4 % der Südkoreaner zwischen 9 und 39 Jahren
süchtig sind, mit 10,2 % weiteren Grenzfällen.[10]
Eine Umfrage der Entertainment Software Association aus dem Jahr 2005 fand heraus, dass übermäßige
Computerspiel-Nutzung besonders bei Spielern von MMORPG weit verbreitet ist.[11] In einem Interview von 2005
schätzte Dr. Maressa Orzack vom McLean Hospital in Belmont im US Bundesstaat Massachusetts, dass 40 % aller
8,5 Millionen Spieler des Spiels World of Warcraft abhängig sind. Diese Zahl stammt aus einer Umfrage, die von
Nick Yee im Rahmen des Daedalus Projekts durchgeführt wurde. Nick Yee wies jedoch darauf hin, dass bei der
Interpretation dieser Umfragedaten Vorsicht angebracht sei.[12]
Eine Studie der Stanford University School of Medicine aus dem Jahre 2008, zeigt, dass Computerspielabhängigkeit
bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen, wenn sich das Spielekonzept um territoriale Kontrolle dreht.[13] In
einer Studie mit bildgebenden Verfahren der Stanford University School of Medicine - der ersten ihrer Art - haben
Wissenschaftler zeigen können, dass während eines Videospiels die Belohnungszentren des Gehirns bei Männern
stärker aktiv sind als bei Frauen; “Diese Geschlechtsunterschiede können erklären helfen, warum Männer von
Computerspielen stärker angezogen und ‘gefangen’ werden als Frauen”, schreiben die Forscher in ihrer kürzlich im
Journal of Psychiatric Research online erschienenen Veröffentlichung.
Merkmale einer Computerspielabhängigkeit
Eines der wichtigsten Merkmale der Computerspielabhängigkeit ist die Einengung des Verhaltensmusters des
Betroffenen, für den das Computerspielen zu den wichtigsten Aktivitäten seines Lebens gehört. Das Computerspiel
dominiert dabei sein Denken (andauernde gedankliche Beschäftigung, auch verzerrte Wahrnehmung und Gedanken
in Bezug auf das Computerspielen), seine Gefühle (unstillbares, unwiderstehliches Verlangen) und sein Verhalten
(Vernachlässigung sozial erwünschter Verhaltensweisen). Ein weiterer Effekt, der durch häufiges Computerspielen
entsteht, ist die Regulation von negativen Gefühlszuständen. Durch die beim Computerspielen verspürte Erregung
(Flow) oder Entspannung werden negative affektive Zustände im Sinne einer vermeidenden
Stressbewältigungsstrategie verdrängt. Da die gewünschte affektregulierende Wirkung des Computerspielens nur
durch zunehmend häufiger oder länger andauernde Computerspielzeiten erzielt werden kann, kommt es zu einer
Toleranzentwicklung. Bei gleich bleibenden Spielzeiten würde dieser gewünschte Nutzen ausbleiben. Ein weiteres
wichtiges Merkmal der Computerspielabhängigkeit ist ein Kontrollverlust. Das Computerspielverhalten kann in
Bezug auf zeitliche Begrenzung und Umfang nicht mehr willentlich kontrolliert werden. Bei verhindertem oder
reduziertem Computerspielen würden Entzugserscheinungen in Form von Nervosität, Unruhe und negativer
Symptomatik (Zittern, Schwitzen) auftreten. Nach Zeiten der Abstinenz kommt es bei Betroffenen zu einer
Wiederaufnahme des unkontrollierten exzessiven Computerspielens in Form eines Rückfalls.
Durch die daraus resultierenden eindeutig schädlichen Konsequenzen für Beruf, soziale Kontakte und Hobbys
kommt es zu zwischenmenschlichen Konflikten zwischen den Betroffenen und ihrer sozialen Umwelt bzw. zu
innerpsychischen Problemen bei den Betroffenen selbst. Durch exzessives Spielen kann das aktive
Auseinandersetzen mit solchen Problemen in den Hintergrund rücken oder gar vollständig verdrängt werden. Das
Spielverhalten erhält dann die Funktion, das Leben der Betroffenen erträglich zu gestalten. Im weiteren Verlauf
bleibt das Spiel meistens die einzige Bewältigungsstrategie, um psychische Belastungen wie Ängste, Einsamkeit
oder Schüchternheit regulieren zu können.
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Computerspielabhängigkeit
Mögliche Ursachen
Die meisten Theorien konzentrieren sich auf das eingebaute Belohnungssystem der Spiele, um die abhängig
machende Natur der Spiele zu erklären.[14][15]
Forscher an der University of Rochester und Immersyve Inc. erforschten, was Spieler motiviert, um Videospiele
immer weiter zu spielen. Sie glauben, dass Spieler aus mehr Gründen als nur aus Spaß spielen, so Forschungsleiter
Richard Ryan, ein Vertreter der Motivationspsychologie an der Universität Rochester, nimmt an, dass viele
Videospiele einige psychische Grundbedürfnisse befriedigen und Spieler oft weiterspielen aufgrund von
Belohnungen, Freiheit und oftmals auf Grund der Verbindung zu anderen Spielern. [16]
Es werden auch Abhängigkeiten angegeben, die über negative Affekte entstehen. Reiner Obert[17] gibt in einer
Fallstudie ("Fledermausspiel") an, dass in addiktivem Umgang mit Computerspielen archetypische Ängste und das
Ringen um Befreiung hiervon ihren Niederschlag finden können.
An selbiger Stelle werden Isomorphien (Gleichgestaltigkeiten) meditativ vollzogenen Spielens einerseits mit
männlicher und weiblicher Sexualität andererseits beschrieben. In der addiktiven Bindung zwischen dem Spieler und
seinem Spiel-Zeug sublimierten sich gleichermaßen Geilheit wie auch das (fötale) Bedürfnis nach Eins-Einigkeit mit
einem (mütterlich) umschließenden Metasystem "Spieler-Spiel".
Dr. Brody, Vorsitzender des Medienausschusses der American Academy of Child and Adolescent Psychiatry führt
aus, dass die Computerspielabhängigkeit durch psychische Probleme, wie antisoziale Persönlichkeit, Depressionen
und Phobien, insbesondere soziale Phobien, mit verursacht sein kann.[18] Er glaubt, dass viele Abhängige einen Weg
suchen, um der Realität zu entfliehen und dann entdecken, dass sie eine vollständig neue Person in einem
Online-Spiel erzeugen und ihr Leben durch ihre neue Online-Persönlichkeit leben können. Auf Grund neu
gewonnener virtueller Freunde und neuer, virtueller Macht, beginnen sie ihr Fantasieleben stärker zu mögen als die
Realität und lehnen es schließlich ab, davon wieder weggezogen zu werden.
Zudem existieren Ansätze, die lerntheoretische und neurobiologische Befunde integrieren. Als zentraler Motivator
(Antrieb) für das süchtige Verhalten fungiert dabei die reine Erinnerung an die positive Suchtmittelwirkung. Für die
Aufrechterhaltung des exzessiven Spielverhaltens sind Lernprozesse (wie z. B. die klassische und operante
Konditionierung) verantwortlich. Wird ein Computerspiel im Sinne einer inadäquaten Stressbewältigung (z. B. bei
Einsamkeit) exzessiv ausgeführt, kann der durch Einsamkeit ausgelöste negative Effekt unterdrückt bzw. verdrängt
werden. Damit findet eine Verstärkung des Verhaltens statt, da ein negativer emotionaler Zustand erfolgreich durch
ein Computerspiel reguliert werden konnte und zusätzlich wird auch die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung des
Verhaltens erhöht. Durch solche Lernprozesse wird die Computerspielnutzung mit Entspannung und dem Entfliehen
aus der Realität assoziiert und trotz resultierenden negativen Konsequenzen (z. B. Arbeitsplatzverlust) beibehalten.
Des Weiteren spielen auch Affekte wie Spaß, Glücksgefühle, Macht und Erregung eine Rolle bei der Entstehung
einer Computerspielabhängigkeit. In diesem Fall fände die Computerspielnutzung nur noch zweckentfremdet statt,
so dass nicht mehr aus Gründen der Unterhaltung, sondern zur Kompensation negativer emotionaler Zustände
gespielt wird. Falls zusätzlich ein Mangel an alternativen Bewältigungsstrategien vorliegt, wird die Tendenz zur
Sucht erhöht.
Behandlung
Einige Länder wie z. B. Südkorea haben auf die wahrgenommene Bedrohung der Computerspielabhängigkeit
reagiert und Behandlungszentren eröffnet. Die chinesische Regierung betreibt einige Kliniken, um Patienten zu
behandeln, die süchtig nach Online-Spielen, Chatten und Web-Surfen sind. Die Behandlung der Patienten, zu der die
meisten durch ihre Eltern oder durch Regierungsbeamte gezwungen werden mussten, beinhalte verschiedene Formen
des Schmerzes oder Unwohlseins.[19][20]
China führte 2005 auch ein Anti-Onlinespiele-Sucht-System ein, um die Abhängigkeitsgefahr durch eine
Verringerung der im Spiel eingebauten Belohnungen zu erreichen. Diese Belohnungsreduktion wurde nach drei
3
Computerspielabhängigkeit
Stunden ununterbrochenen Spielens aktiv.[21] 2006 wurde das System abgeändert, sodass Spieler über 18 Jahren von
diesen Einschränkungen nicht betroffen sind.[22] Berichten zufolge finden jedoch auch Spieler unter 18 Jahren Wege,
um diese Maßnahmen zu umgehen.[23]
Die chinesische Regierung hat eine Kampagne gestartet, um die Anzahl der Stunden, die Teenager mit Onlinespielen
verbringen, zu begrenzen. Nach den im Juli 2007 erlassenen Gesetzen müssen chinesische Internetspiel-Produzenten
ein Programm installieren, das den Benutzer auffordert, seine Ausweisnummer einzugeben. Nach drei Stunden
werden Spieler unter 18 Jahren aufgefordert, mit dem Spiel aufzuhören und “angemessenen körperlichen Übungen
nachzugehen”. Falls sie dennoch mit dem Spiel unmittelbar fortfahren, sorgt die Software dafür, dass die im Spiel
gewonnenen Punkte um die Hälfte gekürzt werden. Alle Punkte werden gelöscht, falls der Spieler mehr als fünf
Stunden lang ununterbrochen spielt.[24]
Im Juni 2006 wurde die Smith and Jones Klinik in Amsterdam gebaut,[25] die erste Behandlungseinrichtung in
Europa, die ein Behandlungsprogramm für zwanghafte Spieler anbietet.[26] Das McLean Hospital in Belmont,
Massachusetts hat einen Computersucht-Service ins Leben gerufen.[27] Anderswo können Spieler an allgemeinen
Suchtberatungszentren Hilfe suchen. In einem derartigen Zentrum in Richmond, Kanada, haben 80 % der Fälle eines
Jugendberaters exzessives Spielen als Hintergrund.[28]
Auch in Deutschland entwickelt sich seit einiger Zeit ein Behandlungsangebot für Computerspielabhängigkeit. So
wurde im März 2008 die erste Ambulanz für Spielsucht[29] an der Universitätsmedizin der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz eröffnet. Die Ambulanz richtet sich an Menschen aus dem Rhein-Main-Gebiet und
bietet eine auf Verhaltenstherapie basierende Intervention für Computerspielsüchtige an.
Forschungsaktivitäten in Behandlungseinrichtungen sind noch im Vorstadium, da bisher nur wenige klinische
Versuche und keine Meta-Analysen für diese Art der Sucht durchgeführt worden sind. Wie bei anderen Süchten und
Abhängigkeiten stellt eine Kombination von Psychopharmaka und Psychotherapie die effektivste Behandlung dar.
12-Schritte-Programme haben ebenso vielversprechende Ergebnisse gezeigt.[30]
Die 2002 gegründete, nicht gewinnorientierte Organisation Online Gamers Anonymous[31] ist eine Selbsthilfe-,
Unterstützungs- und Rekonvaleszenz-Organisation für Spieler und ihre Angehörigen, die unter den nachteiligen
Auswirkungen des exzessiven Computerspielens leiden. Auch hier wird ein 12-Schritte-Programm angeboten.
Online Gamers Anonymous stellt eine Anzahl von Message Boards, mehrere Online Meetings und andere Mittel zur
Heilung und Unterstützung der Betroffenen bereit.
Todesfälle
Mehrere gut dokumentierte Todesfälle sind bekannt, die direkt auf die Erschöpfung durch das Spielen über einen
langen Zeitraum zurückzuführen sind. In Südkorea ist ein Mann gestorben, nachdem er 50 Stunden lang gespielt
hatte.[32] [33] Ein Chinese starb in Jinzhou, nachdem er über 15 Tage lang online spielte.[34] Ein 30-jähriger starb in
Quangzhou, China, nachdem er drei Tage ununterbrochen gespielt hatte.[35] [36]
Vorkommen in Film, Funk und Fernsehen
• South Park, Folge: Make Love Not Warcraft: parodiert viele Aspekte der Spielsucht
• Die Simpsons, Folge: Marge Gamer: Marge wird eingeführt in ein MMORPG
• The Big Bang Theory, Folge: Das Conan-Spiel: Penny lernt ein Online-Rollenspiel kennen und entwickelt sofort
eine Sucht.
• CSI Miami, Folge: Urban Hellraisers: Ein Verdächtiger wird tot aufgefunden, nachdem er 70 Stunden lang
ununterbrochen gespielt hatte.
• Boston Legal, Folge aus der 2. Staffel: Beschäftigung mit dem Tod eines Jungen, der an exzessiven
Videospielkonsum (3 Tage am Stück) starb.
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Computerspielabhängigkeit
• David Barr Kirtleys Fantasy Story “Save Me Plz” handelt von der Anfrage einer jungen Frau, ihren Freund
ausfindig zu machen, der verschwunden ist, nachdem er wie besessen ein MMORPG gespielt hat. Text [37]
• Ben X handelt von einem autistischem Jungen, der sich in die Onlinewelt eines MMORPG flüchtet, da er sich von
vielen anderen Menschen nicht verstanden fühlt.
Literatur
• Reiner Obert: Suchtfaktor 10, Amazon, CreateSpace, ISBN 978-1-49488-812-1
• Klaus Wölfling, K. W. Müller: Computerspielsucht, In: Dominik Batthyány, Alfred Pritz (Hrsg.): Rausch ohne
Drogen: Substanzungebundene Süchte (Gebundene Ausgabe), Springer, Wien NewYork 2009, ISBN
978-3-211-88569-7
• Klaus Wölfling, Ralf Thalemann, Sabine Grüsser-Sinopoli: Computerspielsucht: Ein psychopathologischer
Symptomkomplex im Jugendalter., In: Psychiatrische Praxis 2008; 35 (5), S. 226-232, doi:10.1055/s-2007-986238
[38]
• Grüsser, S.M. & Thalemann, R. (2006). Computerspielsüchtig? Rat und Hilfe. Bern: Huber.
• Kunczik, M. & Zipfel, A. (2010) Computerspielsucht. Befunde der Forschung. Bericht für das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
• Six, U., Gleich, U., Gimmler, R. (Hrsg.). (2007). Kommunikationspsychologie und Medienpsychologie.
Weinheim: Beltz Verlag.
• Dreier, M., Tzavela, E., Wölfling, K., Mavromati, F., F., Duven, E., Karakitsou, Ch., Macarie, G., Veldhuis, L.,
Wójcik , S., Halapi, E., Sigursteinsdottir, H., Oliaga, A., Tsitsika, A. (2012). The development of adaptive and
maladaptive patterns of Internet use among European adolescents at risk for internet addictive behaviours: A
Grounded theory inquiry. National and Kapodistrian University of Athens (N.K.U.A.), Athens: EU NET ADB.
Available at www.eunetadb.eu.
Einzelnachweise
[1] AMA May identify excessive video game play as addiction (http:/ / articles. latimes. com/ 2007/ jun/ 25/ business/ fi-games25), 25 Juni 2007
[2] Noyes, Katherine. Docs Retreat From 'Video Game Addiction' Diagnosis (http:/ / www. technewsworld. com/ story/ 58014. html)
TechNewsWorld, 25. Juni 2007.
[3] Suchtspiel World of Warcraft: Drohen Blizzard bald erste Klagen? (http:/ / www. netzrebellen. de/ artikel/
suchtspiel-world-of-warcraft-drohen-blizzard-bald-erste-klagen/ ) netzrebellen.de, 13. August 2008. Letzter Zugriff 14. August 2009
[4] Computerspielsucht: Wer trägt die Verantwortung? (http:/ / www. netzrebellen. de/ artikel/ computerspielsucht-wer-tragt-die-verantwortung/
) netzrebellen.de, 14. August 2008. Letzter Zugriff 14. August 2009.
[5] http:/ / suchtfaktor10. blogspot. com/ , Kapitel 13.1 (S. 88). 3. Januar 2014. Letzter Zugriff 3. Januar 2014
[6] Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter (http:/ / www. kfn. de/ versions/ kfn/ assets/ fb108. pdf) (PDF; 517 kB),
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen, Forschungsbericht Nr. 108, letzter Zugriff am 5. Januar 2010.
[7] Jugendstudie: Zehntausende Schüler sind computerspielsüchtig (http:/ / www. spiegel. de/ panorama/ justiz/ 0,1518,613334,00. html). Spiegel
Online, letzter Zugriff am 5. Januar 2010.
[8] Video game addiction: is it real? (http:/ / www. harrisinteractive. com/ news/ allnewsbydate. asp?NewsID=1196) Harris Interactive 2. April
2007. Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[9] Online gamers addicted says study. (http:/ / news. bbc. co. uk/ 1/ hi/ england/ nottinghamshire/ 6193462. stm) BBC News 28. November
2006. Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[10] Faiola, Anthony. When Escape Seems Just a Mouse-Click Away. (http:/ / www. washingtonpost. com/ wp-dyn/ content/ article/ 2006/ 05/
26/ AR2006052601960. html) Washington Post Foreign Service 27. Mai 2006. Letzter Zugriff am 5. Januar 2010.
[11] Video Game Overuse May Be an Addiction: Experts. (http:/ / www. dentalplans. com/ articles/ 20277/
video-game-overuse-may-be-an-addiction-experts. html) Dentalplans, 22. Juni 2007. Letzter Zugriff am 4. April 2012.
[12] Yee, Nick. The Daedalus Project: Addiction The Daedalus Project (http:/ / www. nickyee. com/ daedalus/ archives/ 000818. php) 9. Juli
2004.
[13] MICHELLE L. BRANDT (2008). "Video games activate reward regions of brain in men more than women, Stanford study finds". (http:/ /
med. stanford. edu/ news_releases/ 2008/ february/ videobrain. html) Stanford University School of Medicine. Abgerufen am 7. Mai 2008.
[14] Haggard, Daniel. The computer game affliction: how they addict you. (http:/ / danielhaggard. com/ 24/
the-computer-game-affliction-how-they-addict-you/ ) Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
5
Computerspielabhängigkeit
[15] LeClaire, Jennifer. Warning Signs Appear Along Road to Video Game Addiction (http:/ / www. technewsworld. com/ story/ 52916. html)
TechNews World. 13. September 2006. Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[16] Cause and Impact of Video Games Addiction. (http:/ / www. ndri. com/ article/ cause_and_impact_of_video_games_addiction_-211. html)
All about Health, News, Articles, Discussion. 5. Februar 2007. Letzter Zugriff am 8. Mai 2008.
[17] Eine Analyse des "Fledermausspiels": (http:/ / suchtfaktor10. blogspot. de/ )Suchtfaktor 10 - Eine Fallstudie zu den Gefahren von
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[18] Backer, Erin. Child and adolescent psychiatrists react to ama recommendation on video games. Letzter Zugriff am 7. Mai 2008.
[19] Humphrey Cheung. China electrocutes the WoW out of Internet addicts (http:/ / www. tgdaily. com/ content/ view/ 31056/ 98/ ) 23. Februar
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[20] Sebag-Montefiore, Poppy. China's young escape into the web (http:/ / www. guardian. co. uk/ technology/ 2005/ nov/ 20/ news. china)
Observer Guardian 20. November 2005. Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[21] Dickie, Mure. China moves to zap online game addiction (http:/ / www. ft. com/ cms/ s/
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89ea206a-13f3-11da-af53-00000e2511c8,s01=2. html) Financial Times 23. August 2005. Letzter Zugriff am 27. Juni 2007.
[22] Shang Koo. GAPP Exempts Adults From Fatigue System (http:/ / www. pacificepoch. com/ newsstories/ 51064_0_5_0_M/ ) Pacific Epoch
16. Januar 2006. Letzter Zugriff am 27. Juni 2007.
[23] Zhengqian Zhou. Industry Unfazed, Gamers Unconvinced About Fatigue System (http:/ / www. pacificepoch. com/ newsstories/
94553_0_5_0_M/ ) Pacific Epoch 10. April 2007. Letzter Zugriff am 27. Juni 2007.
[24] "China Limits Teenage Internet Gaming". (http:/ / www. 3-rx. com/ ab/ more/ china-limits-teenage-internet-gaming/ ) 3-RX Health
Encyclopedia (2007). Abgerufen am 7. Mai 2008
[25] Smith and Jones Klinik in Amsterdam (http:/ / www. smithandjones. nl/ )
[26] Li C. Kuo: Europe Opens Its First Game Addiction Clinic (http:/ / uk. gamespy. com/ articles/ 710/ 710909p1. html), Gamespy 1. Juni 2006.
Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[27] Computer Addiction Services (http:/ / www. computeraddiction. com/ )
[28] Bennett, Nelson: When the game gets serious. Richmond News, 8. Dezember 2006. Letzter Zugriff am 25. Juni 2007.
[29] Verhaltenssucht.de - Ambulanz für Spielsucht (http:/ / www. verhaltenssucht. de/ )
[30] Cindy Burkhardt Freeman (Januar 2008): Internet Gaming Addiction Treatments (http:/ / www. health. am/ psy/ more/
internet-gaming-addiction/ P4/ ) 42-47. The Journal for Nurse Practitioners. Abgerufen am 7. Mai 2008.
[31] Online Gamers Anonymous (http:/ / www. olganon. org)
[32] Korean drops dead after 50-hour gaming marathon (http:/ / www. timesonline. co. uk/ tol/ news/ world/ article553840. ece), London Times,
10. August 2005.
[33] S Korean dies after games session 10. August 2005. (http:/ / news. bbc. co. uk/ 2/ hi/ technology/ 4137782. stm)
[34] "Chinese gamer dies after 15-day session". (http:/ / wayback. archive. org/ web/ 20090203064639/ http:/ / www. vnunet. com/ vnunet/ news/
2184523/ online-addict-games-himself) vnunet.com, 1. März 2007.
[35] "Chinese gamer dies after three-day session". (http:/ / wayback. archive. org/ web/ */ http:/ / www. vnunet. com/ vnunet/ news/ 2198850/
chinese-man-dies-three-days) vnunet.com, 17. September 2007.
[36] „Chinese Man Dies From 3-Day Gaming Binge“. Associated Press, 17. September 2007.
[37] http:/ / www. davidbarrkirtley. com/ plztext. html
[38] http:/ / dx. doi. org/ 10. 1055%2Fs-2007-986238
6
Pathologisches Spielen
7
Pathologisches Spielen
Vergleichende Klassifikation nach
DSM-IV
ICD-10
312.31 Pathologisches Spielen F63.0 Pathologisches/Zwanghaftes Spielen
DSM IV online
[1]
ICD-10 online
[2]
Pathologisches Spielen oder zwanghaftes Spielen, umgangssprachlich auch als Spielsucht bezeichnet, wird durch
die Unfähigkeit eines Betroffenen gekennzeichnet, dem Impuls zum Glücksspiel oder Wetten zu widerstehen, auch
wenn dies gravierende Folgen im persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld nach sich zu ziehen droht oder
diese schon nach sich gezogen hat. Männer sind davon häufiger betroffen als Frauen. In Deutschland gibt es
zwischen 100.000 und 290.000 Betroffene.
Pathologisches Spielen wird in der ICD-10-Klassifikation (zusammen mit Trichotillomanie, Kleptomanie und
Pyromanie aber ohne Wetten) unter die Abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle eingeordnet.
Nicht dazu gezählt wird das exzessive Spielen während manischer Episoden sowie bei der dissozialen
Persönlichkeitsstörung, wo es als Symptom des Grundproblems betrachtet wird. Im englischen Sprachbereich bzw.
DSM-IV wird von „pathological“ oder „compulsive gambling“ bzw. oft auch „problem gambling“ gesprochen.
Symptome
Häufiges oder auch episodenhaft wiederholtes Spielen ist mit einer ausgesprochenen gedanklichen Beschäftigung
bezüglich „erfolgversprechender“ Spieltechniken oder Möglichkeiten zur Geldbeschaffung – das erforderliche
„Anfangskapital“ – verbunden. Versuche, dem Spieldrang zu widerstehen, scheitern wiederholt, das Spielen selbst
wird vor anderen (Familienangehörigen wie Therapeuten) verheimlicht, was oft zu schwerwiegenden finanziellen
Konsequenzen führt, letztlich jedoch oft zum Zerbrechen von Beziehungen, auch, weil sich der Betroffene immer
wieder darauf verlässt, Andere (Familienangehörige, Freunde, alte Bekannte) würden ihm die notwendigen Mittel
„ein letztes Mal“ beschaffen oder die entstandenen Schulden begleichen.
Das Spielen selbst dient dazu, Problemen oder negativen Stimmungen (Ängsten, Depressionen, Schuldgefühlen) zu
mindern. Immer höhere Beträge werden eingesetzt, um Spannung und Erregung aufrechtzuerhalten.
Stufen einer Spielerkarriere
Eine Spielerkarriere gliedert sich idealtypisch in drei Abschnitte, die als Gewinn-, Verlust- und Verzweiflungsphase
bezeichnet werden.
Gewinnphase
•
•
•
•
•
Gelegentliches Spielen
Positive Empfindungen vor und während des Spiels
Unrealistischer Optimismus
Entwicklung von Wunschgedanken
Setzen immer größerer Beträge
Pathologisches Spielen
Verlustphase
•
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•
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•
•
•
Bagatellisierung der Verluste
Prahlerei mit Gewinnen
Entwicklung der Illusion Verluste seien durch Gewinne abgedeckt
Häufigeres Spiel alleine
Häufigeres Denken an das Spiel
Erste größere Verluste
Verheimlichung von Verlusten und Lügen über Verluste
Vernachlässigung von Familie und Freunden
Beschäftigung mit dem Spiel während der Arbeitszeit
Aufnahme von Schulden und Krediten
Unfähigkeit, dem Spiel zu widerstehen
Verlust von Familie und Freunden
Verzweiflungsphase
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Gesetzliche und ungesetzliche Geldbeschaffungsaktionen
Unpünktlichkeit bei der Schuldenrückzahlung
Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur: Reizbarkeit, Irritationen, Ruhelosigkeit, Schlafstörungen
Völliger gesellschaftlicher Rückzug
Vollständige Entfremdung von Familie und Freunden
Verlust der gesellschaftlichen Stellung und des Ansehens
Ausschließliche Verwendung von Zeit und Geld für das Spiel
Wiederholtes tagelanges Spielen
Gewissensbisse und Panikreaktionen
Hass gegenüber anderen (vor allem gewinnenden) Spielern
Hoffnungslosigkeit, Selbstmordgedanken bzw. -versuch
Behandlung
Die Therapie erfordert sowohl psychotherapeutische (multimodale Psychotherapie) Maßnahmen wie auch
Hilfestellungen zur Schuldenregulierung. Empfehlenswert ist die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe, z. B. an der
der Anonymen Spieler.
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim eröffnete im Januar 2009 eine Ambulanz für
Spielsüchtige. Diese wird finanziert durch das baden-württembergische Ministerium für Arbeit und Soziales. In
Österreich finden Betroffene und Angehörige im Institut Glücksspiel & Abhängigkeit allumfassende Hilfestellungen.
Das Institut mit Sitz in Salzburg wurde 2002 gegründet und finanziert sich ausschließlich durch Spenden und
Beratungsverträge. Beratung ist kostenlos und auf Wunsch anonym.
In einer aktuellen Studie konnten mit dem Medikament Naltrexon 40 Prozent der Teilnehmer wenigstens einen
Monat auf das Spielen verzichten, in der Placebogruppe waren es hingegen nur knappe elf Prozent.[3]
8
Pathologisches Spielen
Verbreitung
In Deutschland
Die Gesamtzahl der pathologischen Spieler in Deutschland wurde in insgesamt acht Erhebungen ermittelt, von denen
vier durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veranlasst wurden: 100.000 (BZgA 2007)[4] ,
103.000[5][6], 242.000 (BZgA 2009), 290.000[7] und 193.000[8], was Prävalenz-Raten von 0,19% bis 0,56% in den
untersuchten Altersklassen (14, 16 bzw. 18 bis 64 bzw. 65 Jahre) entspricht. Ab 2011 wurden in drei Studien
Prävalenz-Raten von 0,23% (TNS-Emnid)[9], 0,49% (BZgA 2011)[10] bzw. 0,82% (BZgA 2013)[11] ermittelt.
• Der 2013 von der BZgA ermittelte Prävalenz-Anstieg beruht auf einem gegenüber den vorangegangenen Studien
veränderten Verfahren der Stichprobenauswahl, das nun auch Teilnehmer ohne Festnetzanschluss berücksichtigt.
Für die vormals praktizierte Stichprobenauswahl hätte die Prävalenz 0,38% betragen.
• Eine Verteilung auf die verschiedenen Glücksspielformen wird in der Studie angegeben, die der zweitgenannten
Zahl zugrunde liegt. Danach verteilen sich die 103.000 pathologischen Spieler „zu gleichen Teilen auf
Sportwetten, Casinospiele und Geldspielgeräte in Spielhallen (je etwa 25-30.000) sowie mit weitem Abstand auf
Lottospiele (etwa 12.000)“. Damit sind im Vergleich zu ihren durch die Bruttoerträge gemessenen Marktanteile
pathologische Spieler bei Online-Spielen (Online-Sportwetten, Kartenspiele) 5,5-fach und bei
Spielbanken-Angeboten 2,2-fach überrepräsentiert, während sie bei Lotto und Geldspielgeräten mit dem Faktor
0,3 beziehungsweise 0,8 unterrepräsentiert sind.[12]
• Eine Aufteilung der Aufwendungen pathologischer Spieler macht die TNS-Emnid-Studie: 20,7% für Pokern
(gespielt wird Poker laut Studie „überdurchschnittlich stark“ im Internet, das heißt auf Seiten von nichtdeutschen
Online-Casinos), 16,2% für Spielbank-Angebote (ohne Pokern), 15,4% für Geldspielgeräte in Spielhallen und
Gaststätten, 13,5% für Lotto und Lotterien. Dabei nimmt ein pathologischer Spieler an durchschnittlich fünf
verschiedenen Spielformen teil, ein durchschnittlicher Glücksspieler jedoch nur an zwei.
• Angaben über die Höhe der Spieleinsätze pathologischer Glücksspieler macht die Studie, die der viertgenannten
Zahl (290.000) zugrunde liegt. Demnach setzt ein pathologischer Spieler monatlich durchschnittlich insgesamt
121,40 € für Glücksspiele ein, während es bei einem Spieler ohne oder mit geringen Spielproblemen nur 31,40 €
sind.[13]
In Österreich
Zwei Studien, die 2009 bis 2011 in Österreich durchgeführt wurden, ergaben für pathologische Spieler
Prävalenz-Raten von 0,66% beziehungsweise 0,71%.[14]
In der Schweiz
Laut einer im April 2009 durchgeführten Studie der Eidgenössischen Spielbankenkommission beträgt der Anteil der
pathologischen Glücksspieler in der Schweiz 0,5%. Erläuternd wird im Bericht angemerkt, dass „trotz Veränderung
der Angebote (Eröffnung von 19 Casinos, Entwicklung im Internetbereich, Verschwinden der Geldspielautomaten in
Bars und Restaurants etc.)“ im Zeitraum von 2002 bis 2007 die regelmäßige Nutzung von Glücksspielen sich nur
unwesentlich verändert habe.[15]
9
Pathologisches Spielen
In Finnland
In Finnland, wo das staatliche Glücksspielmonopol sämtliche, auch z. B. in Gaststätten aufgestellte Spielautomaten
umfasst, betrug 2008 der Anteil pathologischer Spieler in den Altersklassen von 15 bis 74 Jahren 2% (2006 und 2007
waren es sogar 3%).[16]
Gesetze zum Schutz der Spieler in Deutschland
Für Glücksspiele im rechtlichen Sinne
Der Schutz der Spieler wird durch einen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland
(Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV)[17] geregelt, den die Bundesländer geschlossen haben und der am 1. Januar 2008
in Kraft getreten ist. Der Staatsvertrag folgt den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes.[18] Demnach ist das
staatliche Glücksspielmonopol nur durch eine konsequente und glaubhafte Erfüllung der staatlichen Suchtprävention
zu rechtfertigen.
Für den Bereich des gewerblichen Spiels
Für den Bereich der gewerblich aufgestellten Spielautomaten, bei denen es sich rechtlich nicht um Glücksspiele
handelt, wird der Spielerschutz durch die Bestimmungen der Gewerbeordnung sowie der Spielverordnung
reglementiert. Dort werden für die Aufstellung von Spielautomaten in Gaststätten bzw. Spielhallen Vorgaben
gemacht. Dort ist unter anderem geregelt:
• die maximale Anzahl von Geldspielgeräten pro Aufstellort,
• Auflagen für die Aufstellung (z. B. Verbot des Alkoholausschanks in Spielhallen),
• Regelung von Höchstgewinn, -einsatz und Zeitintervall dazwischen (Dauer eines „Spiels“): zulässig sind z. B. in 5
sec 0,20 € Einsatz und 2 € Gewinn.
• Begrenzung des durchschnittlichen Verlusts pro Stunde auf 80 €.
• Prüfung der die Automaten betreffenden Parameter durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt im Rahmen
einer Bauartzulassung.
Darüber hinaus wurden in den Jahren 2011 und 2012 auf Länderebene inhaltlich unterschiedliche Spielhallen- und
Ausführungsgesetze zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) beschlossen. Diese regeln zusätzliche
Anforderungen an die Aufstellung von Spielautomaten in Spielhallen wie zum Beispiel das Verbot der Abgabe von
Speisen und Getränken,[19] Sperrstunden, ein Verbot von Außenwerbung und Mindestabstände zu anderen
Spielhallen sowie Einrichtungen, die vorwiegend von Kindern und Jugendlichen besucht werden.[20]
Folgen und Komplikationen
Der Spielsüchtige beschäftigt sich oft mit Glücksspiel und mit "verbesserten" Spieltechniken. Es wird versucht, Geld
für das Spielen zu beschaffen, wobei es zu Diebstählen, Überschuldung und Betrug kommen kann. In extremen
Fällen werden Beruf und Familie vernachlässigt, weil das Glücksspiel den Alltag bestimmt.
Rechtliche Folgen
Deutschland
Im Strafverfahren kann das Vorliegen einer solchen Verhaltenssucht – im Hinblick auf die Schuldfähigkeit – dann
beachtlich sein, wenn die begangenen Straftaten der Fortsetzung des Spielens dienen[21]. In jüngster Zeit hat der
Bundesgerichtshof die Voraussetzungen restriktiv formuliert, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten der
Eingliederung der Erkrankung in die Systematik des § 20 des deutschen StGB (Schuldunfähigkeit) klargestellt:
10
Pathologisches Spielen
"Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit ist beim pathologischen Spielen nur ausnahmsweise dann
gegeben, wenn die Sucht zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei Beschaffungstaten
unter Entzugserscheinungen gelitten hat". Bei der Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, "inwieweit das
gesamte Erscheinungsbild des Täters psychische Veränderungen der Persönlichkeit aufweist, die pathologisch
bedingt oder – als andere seelische Abartigkeit – in ihrem Schweregrad den krankhaften seelischen Störungen
gleichwertig sind."[22].
Zur Klärung dieser Frage muss das erkennende Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen hinzuziehen.
Im Zivilrecht kommt zwischen Spieler und Spielanbieter ein sog. Spielvertrag zustande. Wenn aber eine Spielsperre
angeordnet oder vereinbart wurde (letzteres z.B. auf Antrag des Spielers selbst, ihn wegen Suchtgefährdung nicht
zum Spiel zuzulassen), hat der Spielanbieter (z.B. die Spielbank) vor Aufhebung dieser Sperre hinreichend sicher zu
prüfen und den Nachweis zu erbringen, dass der Aufhebung der Sperre der Schutz des Spielers vor sich selbst nicht
entgegensteht, mithin keine Spielsuchtgefährdung mehr vorliegt, und der Spieler zu einem kontrollierten Spiel in der
Lage ist.[23]
USA
Für die USA zeigte eine Literaturübersicht von Williams aus dem Jahr 2005, dass ein Drittel der Inhaftierten die
Kriterien für pathologisches Spielen erfüllt und von diesen die Hälfte ihre Straftaten beging, um dieses
aufrechterhalten zu können.[24]
Pathologisches Spielen in Literatur und Film
Pathologisches Spielen ist ein verbreitetes Motiv in Literatur und Film. Eine literarische Verarbeitung findet sich
z. B. in Dostojewskis Roman Der Spieler (1866) und in Peter Careys Roman Oscar und Lucinda (1988; verfilmt als
Oscar und Lucinda). Leonid Zypkin schildert in seinem 1982 veröffentlichten Roman Ein Sommer in Baden-Baden
Dostojewskis Spielsucht am Roulette-Tisch in Baden-Baden während der Deutschlandreise mit seiner zweiten Frau
Anna 1867.
Zu den Filmbeispielen zählen Schicksalswürfel (1929), Die blonde Sünderin (1962) und Das einzige Spiel in der
Stadt (1970).
Literatur
• Meinolf Bachmann, Andrada El-Akhras: Die Behandlung pathologischen Glücksspiels. In: Ihno Gebhardt, Sabine
Miriam Grüsser-Sinopoli (Hrsg.): Glücksspiel in Deutschland. Ökonomie, Recht, Sucht. De Gruyter, Berlin 2008,
ISBN 978-3-89949-317-7, S. 575–595.
• Jobst Böning, Sabine Miriam Grüsser-Sinopoli: Wie kann Suchtverhalten entstehen? In: Ihno Gebhardt, Sabine
Miriam Grüsser-Sinopoli (Hrsg.): Glücksspiel in Deutschland. Ökonomie, Recht, Sucht. De Gruyter, Berlin 2008,
ISBN 978-3-89949-317-7, S. 561–574.
• Ute Dörfler, Joachim Knoll: Pathologisches Spiel − 99 Prozent spielen ohne Probleme. In: Automatenmarkt.
Februar 2009, S. 108–113 (Online-Version) [25] (PDF; 188 kB)
• Sabine Miriam Grüsser-Sinopoli, Carolin N. Thalemann: Verhaltenssucht: Diagnostik, Therapie, Forschung.
Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84250-3.
• Sabine Miriam Grüsser-Sinopoli, Ulrike Albrecht: Glücksspielsucht: diagnostische und klinische Aspekte. In:
Ihno Gebhardt, Sabine Miriam Grüsser-Sinopoli (Hrsg.): Glücksspiel in Deutschland. Ökonomie, Recht, Sucht. De
Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-89949-317-7, S. 538–560.
• Jörg Petry: Dysfunktionaler und pathologischer PC- und Internet-Gebrauch, Hogrefe, Göttingen / Bern /
Stockholm / Wien / Paris / Oxford / Prag u.a. 2009, ISBN 978-3-8017-2102-2.
11
Pathologisches Spielen
Weblinks
Portal der [[BZgA [26]] zu Glücksspielsucht]
• Portal des Fachverbandes Glücksspielsucht e.V. [27]
Einzelnachweise
[1]
[2]
[3]
[4]
http:/ / counsellingresource. com/ distress/ dsm-codes/ index. html
http:/ / www. dimdi. de/ static/ de/ klassi/ icd-10-who/ kodesuche/ onlinefassungen/ htmlamtl2011/ index. htm
J. Grant u. a.: In: J. Clin. Psych. 69 (2008), S. 783-789.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009: Ergebnisse aus zwei
repräsentativen Bevölkerungsbefragungen, Ergebnisbericht, Januar 2010 ( Online-Version (http:/ / www. bzga. de/ pdf.
php?id=566bbf24a974593a94279c1403301944))
[5] G. Bühringer u. a.: Stellungnahme des IFT Institut für Therapieforschung vor dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am
1. Juli 2009 ( Online-Version (http:/ / www. spielv. de/ vdai/ bundestag-anhoerungen-2009-127-stllg-ift. pdf); PDF; 166 kB)
[6] Gerhard Bühringer, Ludwig Kraus, Dilek Sonntag, Tim Pfeiffer-Gerschel, Susanne Steiner: Pathologisches Glücksspiel in Deutschland:
Spiel- und Bevölkerungsrisiken, Sucht, Band 53, Heft 5, 2007, S. 296−308 ( Online-Version (http:/ / web. archive. org/ web/
20130829150328/ http:/ / www. lsgbayern. de/ fileadmin/ user_upload/ lsg/ IFT_Materialien/ Buehringer_et_al. _2007. pdf))
[7] Eine tabellarische Gegenüberstellung der vier erstgenannten Ergebnisse findet man in Franz W. Peren, Reiner Clement:
Pathologie-Potenziale von Glücksspielprodukten – Eine komparative Bewertung von in Deutschland angebotenen Spielformen.
Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, 2011, ( Online-Version (http:/ / forschung-gluecksspiel. com/ pdf/ PKK6-01. pdf); PDF;
267 kB), S. 8.
[8] Hans-Jürgen Rumpf u. a.: Pathologische Glücksspieler: Bedingungsfaktoren, Hilfesuchverhalten, Remission. Ergebnisse der PAGE-Studie,
Ergebnisse (http:/ / www. lsgbayern. de/ fileadmin/ user_upload/ lsg/ BAS_Materialien/ PAGE_Mnchen_Rumpf_2011_freigegeben. pdf)
(PDF; 1,7 MB), Endbericht (https:/ / web. archive. org/ web/ 20130425062329/ http:/ / www. jogoremoto. pt/ docs/ extra/ FooxpP. pdf) (PDF;
0,9 MB)
[9] TNS EMNID: Spielen mit und um Geld in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsuntersuchung. Sonderauswertung:
pathologisches Spielverhalten, Oktober 2011 ( Online (http:/ / www. awi-info. de/ userupload/ files/ emnid-studie-2011-ergebnisse. pdf)
(PDF; 266 kB), Präsentation (http:/ / www. awi-info. de/ userupload/ files/ emnid-studie-2011-presseinfo. pdf); PDF; 533 kB)
[10] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2007, 2009 und 2011,
Ergebnisse aus drei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen, 2012 ( Online (http:/ / www. bzga. de/ pdf.
php?id=d5f894cd73ceb3456a521ddf98e0f94a))
[11] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2013, 2014 ( online
(http:/ / www. bzga. de/ pdf. php?id=3b335e73df413adc2d6320d0e19c42e4))
[12] Franz W. Peren, Reiner Clement: Evaluation of the pathologic potential of gambling products, in: The Journal of Gambling Business and
Economics, Band 5, Heft 3, 2011, S. 44-54 ( deutsche Online-Version, insbesondere S. 26 (http:/ / forschung-gluecksspiel. com/ pdf/
PKK6-01. pdf); PDF; 267 kB). Die referierten Quotienten werden von den Autoren als Pathologie-Potenziale bezeichnet.
[13] S. Buth, H. Stöver: Glücksspielteilnahme und Glücksspielprobleme in Deutschland: Ergebnisse einer bundesdeutschen
Repräsentativbefragung. In: Suchttherapie, Band 9, 2008, S. 3–11, Tabelle 6.
[14] Jens Kalke u.a.: Österreichische Studie zur Prävention der Glücksspielsucht (2009-2011), (http:/ / www. duseschtwia. li/ Portals/ 0/ docs/
QnT 2012/ 3 Ã-Studie zur Prävention der Glückspielsucht - Kalke Jens. pdf) (PDF; 1,3 MB) S. 14, 15.
[15] Eidgenössische Spielbankenkommission: Casinolandschaft Schweiz Situation Ende Jahr 2009 (http:/ / www. esbk. admin. ch/ content/ dam/
data/ esbk/ berichte/ ber-casinolandschaft-2009-d. pdf) (PDF; 0,9 MB), S. 6.
[16] RAY (Raha-automaattiyhdistys): Responsible Gaming. Espoo 2009, S. 8 ( Online (http:/ / www. ray. fi/ inenglish/ raytietoa/ ray/
RAY_responsible. pdf), Mirror dazu (http:/ / www. spielv. de/ ray/ RAY_responsible-gaming-2008. pdf); PDF; 1,9 MB).
[17] Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlüStV) (http:/ / by. juris. de/ by/ GlueStVtr_BY_rahmen. htm)
[18] Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. März 2006 zum staatlichen Sportwettenmonopol (http:/ / www. bverfg. de/ entscheidungen/
rs20060328_1bvr105401. html)
[19] Spielhallengesetz Berlin vom 20. Mai 2011, § 6 (http:/ / www. berlin. de/ imperia/ md/ content/ senatsverwaltungen/ justiz/
gesetz-undverordnungsblatt2011/ ausgabe_nr. _14_v. _1. 6. 2011_seite_193_bis_236. pdf?start& ts=1326987537& file=ausgabe_nr. _14_v.
_1. 6. 2011_seite_193_bis_236. pdf) (PDF; 1,4 MB)
[20] Übersicht Glücksspielstaatsvertrag 2012 / länderspezifische Spielhallenregelungen (http:/ / www. vdai. de/ frames. htm#glstv. htm),
Homepage des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie e.V. (VDAI)
[21] vgl. Bundesgerichtshof, NStZ 1994, 501, Bundesgerichtshof, JR 1989, 379 m. (Anm. Kröber, Oberlandesgericht Hamm, NStZ-RR 1998,
241)
[22] red. Leitsatz zu NStZ 2005, 281
[23] Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20. Oktober 2011, Az. III ZR 251/10, NJW 2012, 48 (http:/ / dejure. org/ dienste/ vernetzung/
rechtsprechung?Text=III ZR 251/ 10)
12
Pathologisches Spielen
13
[24] Robert J. Williams, Jennifer Royston, Brad F. Hagen: Gambling and Problem Gambling Within Forensic Populations A Review of the
Literature. (http:/ / cjb. sagepub. com/ cgi/ content/ abstract/ 32/ 6/ 665)
[25] http:/ / www. vdai. de/ PathologischesSpiel. pdf
[26] http:/ / www. spielen-mit-verantwortung. de/
[27] http:/ / www. gluecksspielsucht. de
Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!
Glücksspiel
Glücksspiele sind Spiele, deren Verlauf maßgeblich vom Zufall
bestimmt sind. Darunter fällt auch das so genannte Hasard- bzw.
Hazardspiel.
Abgrenzung von Glücksspielen
Der Einfluss des Zufalls kann bei Spielen sehr unterschiedlich
ausfallen. Bei den sogenannten reinen Glücksspielen wie z. B.
Einarmige Banditen auf der norwegischen Fähre
Roulette, Craps oder Sic Bo hängt das Ergebnis ausschließlich vom
Kronprins Harald
Zufall ab. Weniger eindeutig quantifizierbar ist der Einfluss des Zufalls
in Spielen, in denen auch die Teilnehmer durch ihre Entscheidungen
das Spielergebnis maßgeblich beeinflussen können wie bei Backgammon und Black Jack. In qualitativer Hinsicht
gilt allerdings, dass der Einfluss des Zufalls gemäß dem Gesetz der großen Zahl bei langen Serien von Einzelspielen
abnimmt.
Bei der rechtlichen Bewertung, ob ein Glücksspiel vorliegt, sind noch weitere Faktoren zu berücksichtigen,
insbesondere den Wert von Einsatz und möglichen Gewinnen betreffend.
Spieltheoretische Klassifikation von Spielen
Innerhalb
der
spieltheoretischen
Klassifikation
von
Gesellschaftsspielen bilden die Glücksspiele eine von drei Klassen, die
nach den Ursachen für die Unvorhersehbarkeit des Spielverlaufs
abgegrenzt sind.[1] Die beiden anderen Klassen reiner Spiele sind die
kombinatorischen Spiele wie Schach sowie die strategischen Spiele,
deren spielerischer Charakter maßgeblich von den unterschiedlichen
Informationsständen der Mitspieler gekennzeichnet ist, wie es typisch
für Kartenspiele ist.
Klassifikation von Gesellschaftsspielen
Außerhalb der Gesellschaftsspiele kann zusätzlich die körperliche Geschicklichkeit eine Rolle spielen wie zum
Beispiel beim Billard oder Kegeln.
Glücksspiel
Rechtliche Klassifikation von Spielen
Da Glücksspiele in den meisten Ländern gesetzlichen Restriktionen unterworfen sind, ist die rechtliche Abgrenzung
von Glücksspielen Gegenstand von diversen, von Land zu Land unterschiedlichen Rechtsnormen und
Gerichtsurteilen. Als komplementär zu den Glücksspielen gelten Geschicklichkeitsspiele (engl. skill games), deren
Entscheidung primär durch die geistige oder auch körperliche Geschicklichkeit der Mitspieler beeinflusst wird.
In Deutschland führt § 3 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) aus:
Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt
verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die
Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder
Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang
eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele.[2]
Analoge Begriffsbestimmungen enthalten auch §1 des österreichischen Glücksspielgesetzes (GlSpG)[3] sowie Artikel
3 des schweizerischen Bundesgesetzes über Glücksspiele und Spielbanken[4], wobei in Österreich § 1 Abs. 2 GlSpG
dahingehend ergänzt, dass Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und
Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten als Glücksspiele gelten.
Geschicklichkeitsspiele werden nach der ständigen Rechtsprechung in Deutschland dadurch charakterisiert, dass bei
ihnen die Entscheidung über Gewinn und Verlust wesentlich von den Fähigkeiten sowie vom Grad der
Aufmerksamkeit der Spieler abhängt.[5]
Der Einsatz von empirischen Messverfahren für den Geschicklichkeitsanteil[6] ist in der Rechtsprechung
umstritten.[7][8] In der Regel weniger restriktiv bewertet werden Turniere. So gelten in Deutschland bestimmte
turniermäßig veranstaltete Spiele wie Skat (siehe Preisskat), Schafkopf (siehe Turnierschafkopf) und Bridge (siehe
Turnierbridge) rechtlich nicht als Glücksspiel, sofern das Turnier genügend lang ist.[9] In Österreich wurde mit der
Glücksspielgesetz-Novelle von 2008 mit § 4 Abs. 6 GlSpG eine ähnliche Bereichsausnahme für Kartenspielturniere
geschaffen.[10] Darüber hinaus wurden spezielle Spiele wie etwa Tarock, Schnapsen, Schach, Skat, Bridge und
Billard bereits zuvor durch die Rechtsprechung als Geschicklichkeitsspiele eingestuft.[11][12]
Die Eidgenössische Spielbankenkommission gelangte 2007 zur Einschätzung, dass es sich bei einem Pokerturnier
um ein Geschicklichkeitsspiel handeln kann, wenn die Einzelspiele nicht unabhängig voneinander, sondern als
Gesamtheit gewertet werden.[13] Die Einschätzung wurde 2010 durch das Bundesgericht korrigiert.[14][15]
In den USA wurde Backgammon in einzelnen Urteilen der Charakter eines Geschicklichkeitsspiels zuerkannt.[16]
Glücksspiele mit bzw. ohne Bankhalter
Bei den sogenannten Bankhalter-Spielen, engl. Banking games, französisch Jeux de contrepartie wie etwa Roulette,
Craps, Sic Bo, Black Jack oder Baccara banque wird eine Partei durch die Spielregeln bevorzugt (vergleiche
Bankvorteil), sodass die Gegenspieler, die sogenannten Pointeure (von französisch point, deutsch Punkt, siehe
Pharo) auf lange Sicht, also bei häufigem Spiel, mit Sicherheit verlieren.
Im Unterschied zu den Bankhalterspielen besitzen bei den Non banking games, französisch Jeux de cercle alle
Spieler – zumindest im Mittel – dieselben Gewinnchancen. Dies ist bei den meisten Poker-Varianten, wie etwa
Draw Poker, Seven Card Stud, Texas Hold'em oder Omaha Hold’em der Fall, aber auch bei Écarté oder all den
Spielen, bei denen kein permanenter Bankhalter existiert, sondern diese Rolle wechselt, wie bei Baccara chemin de
fer.
14
Glücksspiel
15
Geschichte, Glücksspielverbot und -monopolisierung
Glücksspiele gibt es nach heutigem Stand der Wissenschaft schon seit
ca. 3000 v. Chr. Aus dieser Zeit stammen die ältesten Funde
sechsseitiger Würfel aus Knochen oder Elfenbein. Die Fundstätten
liegen in China und auf dem Gebiet des alten Mesopotamien.
Würfelspiele werden z. B. in antiken indischen Schriften erwähnt, in
der griechischen Mythologie würfelt Herkules gegen einen
Tempelwächter um eine hübsche Kurtisane. Die heute gebräuchlichen,
mit Punkten auf jeder Seite versehenen Würfel wurden vermutlich ca.
2000 v. Chr. In Ägypten erfunden.[17]
In der römischen Antike waren Würfelspiele in allen Schichten
verbreitet, obwohl die Autoritäten sie mit Strafe bedrohten. Nur an den
Saturnalien war das Würfeln offiziell erlaubt. Nach römischem Recht
durften Spielschulden nicht eingeklagt werden, auch konnte das
Verlorene vor Gericht nicht zurückgefordert werden. Das Haus, in
welchem Glücksspieler angetroffen wurden, wurde konfisziert. Kaiser
Claudius war ein begeisterter Freund des Ludus duodecim scripta und
verfasste über diesen Vorläufer des heutigen Backgammon sogar ein
Buch, das verloren gegangen ist. Tacitus berichtet in der Germania
über die Würfelleidenschaft der Germanen, dass sie in nüchternem
Zustand mit äußerstem Leichtsinn um Haus und Hof, zuletzt gar um
die eigene Freiheit spielten.
Eine Partie Pharo, Johann Baptist Raunacher
(1729-1771), Schloss Eggenberg bei Graz
Roulette-Spiel um 1800
Nach altem deutschen Recht galten Glücksspielgeschäfte als
unerlaubte Geschäfte und es konnte nicht nur der Verlust wieder
zurückgefordert, sondern sogar vom Gewinner eingeklagt werden. Im
Mittelalter versuchten sowohl geistliche als auch weltliche Autoritäten
das Spiel zu verbieten. Derlei Verbote von Karten- und Würfelspielen
erlauben Rückschlüsse auf die Verbreitung und die Entwicklung von
Spielen. Aus dem 12. Jahrhundert stammt ein Erlass des englischen
Königs Richard Löwenherz, dass niemand, der von geringerem Stand
als ein Ritter war, um Geld würfeln durfte. Im 16. und 17. Jahrhundert
setzte sich allmählich die Auffassung durch, dass das hohe und
übermäßige Spiel – gemeint sind hohe und geborgte Spieleinsätze –
mit Strafe zu bedrohen sei. Erstmals wurde zwischen verbotenen und
erlaubten Spielen unterschieden, wobei sich diese Unterscheidung
weniger auf die Art als auf die Höhe derselben bezog.
Die weite Verbreitung des Glücksspiels im 17. Jahrhundert gab Anlass
Spielbank Monte Carlo, eines der berühmtesten
europäischen Spielkasinos
zur wissenschaftlichen Untersuchung: Die Behandlung des Problems
des Chevaliers de Méré durch Blaise Pascal und Pierre de Fermat
(1654) gilt als Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeitsrechnung, allerdings gab es schon von Galileo Galilei, Luca
Pacioli und Geronimo Cardano mathematische Arbeiten über bestimmte Glücksspiele.
Glücksspiel
In den verschiedenen europäischen Staaten entwickelten sich zu
Beginn des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Einstellungen zum
Glücksspiel. Während in einigen Staaten diese Spiele erlaubt waren
und auch zum Vorteil des Staates veranstaltet wurden, weil man
öffentliches Glücksspiel für weniger verderblich hielt als das geheim
betriebene, waren in anderen Staaten alle Hazardspiele verboten. In
Frankreich, wo es im 18. und frühen 19. Jahrhundert in fast allen
größeren Städten privilegierte Spielhäuser gab, versuchte bereits
Ludwig XV. vergeblich das Glücksspiel zu verbieten. Napoleon
Bonaparte erlaubte 1806 das Glücksspiel nur mehr in den Spielhäusern
des Pariser Palais Royal, wo bis zur Schließung durch Louis Philippe
Ende 1837 neben Pharo und Rouge et noir bzw. Trente et quarante
auch Roulette gespielt wurde.
Nach 1837 begann die große Zeit der Spielbanken von Baden-Baden,
Bad Homburg und Wiesbaden, wo Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Glücksspielhalle für Pachinko in Japan
das Roulette kennenlernte und diesem Spiel verfiel – aus diesem
Erlebnis entstand der Roman Der Spieler – sowie Bad Ems, Bad
Nauheim und Bad Pyrmont. In Deutschland war Preußen bereits vor der Märzrevolution (1848) mit der Aufhebung
der Spielbanken vorangegangen. In den 1866 annektierten Ländern wurde den dort auf Grund von Verträgen mit den
von früheren Regierungen errichteten Spielbanken die Fortdauer bis zum Ende des Jahres 1872 gestattet. Sie hatten
dabei allerdings einen bedeutenden Teil des Reingewinns zur Bildung eines Kur- und Verschönerungsfonds für die
beteiligten Städte anzusammeln. Nach der Reichsgründung mussten mit Jahresende 1872 alle deutschen Spielbanken
schließen – sie wurden erst 1933 unter den Nationalsozialisten wiedereröffnet.
Das Glücksspielverbot in Frankreich und Deutschland kam vor allem dem Fürstentum Monaco zugute. François
Blanc nutzte diese Gelegenheit und führte die Spielbank von Monte Carlo zu ihrer Blütezeit. Auch wurde das
Spielen in auswärtigen Lotterien verboten, so z. B. in Preußen durch die Verordnung vom 5. Juli 1847. Für die
Durchführung öffentlicher Lotterien und Tombolas musste zuvor eine Erlaubnis eingeholt werden. Erwähnenswert
ist auch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 29. April 1882, wonach das sogenannte Buchmachen bei
Pferderennen und das Wetten am Totalisator als Glücksspiel zu betrachten sei. Im Jahre 1904 veröffentlichte das
k.u.k. Justizministerium eine Liste verbotener Spiele, welche durch viele Jahrzehnte beispielgebend war – diese Liste
ist insofern bemerkenswert, als sich darunter auch einige spezielle Kegelspiele finden.
Im juristischen Sinne erfordert ein Glücksspiel als Einsatz einen Vermögenswert. Ist kein derartiger Einsatz nötig,
d. h. kann man bei einem Spiel zwar Geld- oder Sachpreise gewinnen, aber nichts verlieren, so handelt es sich
rechtlich um ein Gewinnspiel, z. B. ein Preisausschreiben. Das Veranstalten von Glücksspielen bedarf gegenwärtig
entsprechend § 33h [18] Gewerbeordnung einer behördlichen Erlaubnis, wenn es sich um ein öffentliches Spiel
handelt. Anderenfalls stellt dies einen Verstoß gegen § 284 [19] StGB dar. Dies ist dann der Fall, wenn das Spiel
einem sich verändernden Personenkreis angeboten wird. Bereits die Beteiligung als Spieler ist nach § 285 [20] StGB
strafbar, sofern das Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis erfolgt.
Seit Oktober 2006 ist das Glücksspiel in den USA im Internet verboten, indem Kreditinstituten die Unterhaltung
eines Kapitalflusses an die Anbieter untersagt wurde.[21]
16
Glücksspiel
17
Öffentliche Glücksspiele
In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden Glücksspiele zumeist in Spielbanken, sowie in Gaststätten und
Spielhallen angeboten. Glücksspiele sollen dem Zeitvertreib und Vergnügen dienen und nicht dem Gelderwerb –
außer dem des Veranstalters und der Steuerbehörde, die in Deutschland bis zu 80 % der Spielbankgewinne erhält.
Viele Spieler nehmen jedoch aus reiner Gewinnsucht an Glücksspielen teil. Gelangt ein Spielkasino zur Ansicht,
dass Gelderwerb das Ziel des Glücksspiels ist, wird der Glücksspieler in diesem oder auch mehreren Kasinos nicht
mehr zum Spiel zugelassen. Eine derartige Sperre ist auch auf eigenen Wunsch möglich, etwa im Fall von
pathologischem Spiel.
Arten von Glücksspielen (Auswahl)
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Münze werfen, z. B. Kopf oder
Zahl, Two-up
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Dreidel
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Glücksspiele mit Spielsteinen
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Mah-Jongg
Glücksspiele mit Karten, z. B.
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Baccara mit den Varianten Baccara banque, Chemin de fer und Punto Banco, sowie Macao
Bataille royale bzw. Casino War
Belle, Fluss und Einunddreißig
Black Jack bzw. Siebzehn und vier
Écarté
Fan Tan als Kartenspiel
Häufeln
Hoggenheimer
Kameruner Skat
Mauscheln
Monte Bank
Pharo mit seinen Varianten Faro bzw. Vorläufern Landsknecht, Stoß und Tempeln
Planetenspiel
Poker mit seinen Varianten Draw Poker, Five Card Stud und Seven Card Stud, Texas Hold’em und
Omaha, Pai Gow Poker, weiters die Bankhalterspiele Tropical Stud und Easy Poker, sowie die
Poker-Vorläufer Bouillotte (Brelan), Brag und Poch, und das verwandte Einundvierzig (Färbeln)
Polnische Bank
Red Dog
Rouge et noir bzw. Trente et quarante
Schlesische Lotterie
Schwimmen
Tippen
Tontine
Glücksspiel
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Würfel-Glücksspiele, z. B.
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Fan Tan als Bohnenspiel
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Einarmige Banditen, Online-Spielautomaten und andere Geldspielautomaten
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Lotteriespiele wie Bingo, Keno, Lotto und das gleichnamige Gesellschaftsspiel, Belle, Biribi
(Cavagnole)
Backgammon (siehe oben)
Roulette mit den Varianten:
•
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Banca francesa
Barbudi
Chuck a Luck bzw. Mini Dice
und Sic Bo
Craps bzw. Hazard
dreimal 6 - Das kniffelige
Würfelspiel
Elf hoch
Espérance
Glocke und Hammer
Glückshaus
Kniffel
Lustige Sieben
Quinquenove
Shut the Box
Würfel-Poker mit den
Varianten Escalero, Liar Dice
und Poker Dice
Würfel-Brettspiele, z. B.
•
18
American Roulette,
Boule,
Petits chevaux,
Multicolore
Glücksrad
Glücksspiele mit Domino-Steinen
•
•
Bukidomino
Pai Gow Domino
Typologisierung anhand sozialpsychologischer Faktoren
Obschon Glücksspiel (alea) anscheinend nicht vergleichbare Formen annehmen kann, etwa die wöchentliche
Doppelkopfrunde im Freundeskreis, Pferdewetten im Hippodrom, Roulettespiel im Kasino und die räumlich
ungebundene Lotterie, sind die Unterschiede nach Schütte (1985) vornehmlich durch soziologische Faktoren
determiniert: Mode, Erreichbarkeit und Finanzierbarkeit. Eine generelle psychologische Differenzierung ist seines
Erachtens nicht erforderlich. Die soziologischen und psychologischen Faktoren interagieren und sind bei der
Kategorisierung gleichbedeutend. Das normale Glücksspiel kann Ausdruck verschiedener Faktoren sein und
aufgrund dieser typologisiert werden.
Sozioökonomische Faktoren
Das Glücksspiel kann in zwei separate Formen unterschieden werden: kostenintensives Glücksspiel mit sozialer
Komponente und physischer Anwesenheit des Spielers, beispielsweise Pferdewetten, sowie anonymes preiswertes
Glücksspiel wie Lotto.
Je höher der sozialökonomische und berufliche Status, desto größer die Neigung zur erstgenannten Form. Dabei
isoliert Schütte als Faktoren die wahrgenommene Notwendigkeit, dem eigenen sozialen Standard gemäß zu leben
und Gleichgestellten Großzügigkeit und Reichtum zu präsentieren, um so Prestige und Anerkennung zu mehren. Das
Glücksspiel ist hier ein Werkzeug der Abgrenzung der besser situierten von den unteren Schichten, die sich das
„Ticket zum Spiel“, also den hohen Einsatz, nicht leisten können. Dass es beim Pferdewetten nicht in erster Linie um
Geldvermehrung geht, hat auch eine Studie von Chantal et al. (1996) bestätigt.
Glücksspiel
Das Zahlenlotto hingegen bietet insbesondere Personen in sozial niederen Schichten, die mit ihrem Alltag und
gesellschaftlichen Status unzufrieden sind, die hoffnungsvolle Illusion, durch das Glücksspiel eine wirtschaftliche
und soziale Mobilität erreichen zu können. Hier kommt dem Glücksspiel allein durch Teilnahme eine egalisierende
(gleichmachende) Funktion zu. Diese Form des Spieles ist geprägt von sehr hohen potentiellen Gewinnen, da ein
sozialer Aufstieg nur durch enorme Geldmittelzuflüsse realisierbar ist. Diesem steht ein geringer Einsatz gegenüber,
denn typischerweise verfügt dieser Spielertypus über geringe Barmittel. Schließlich ist es Sinn des Spieles, diese zu
erlangen.
Hoher Gewinn und geringer Einsatz gehen zwangsläufig auf Kosten der Gewinnwahrscheinlichkeit, vor der der
Spieler die Augen verschließt. Das treffende Beispiel ist das Lotto (die Zahlenlotterie). Die Wahrscheinlichkeit, in
der Variante „6 aus 49“ sechs Richtige zu wählen, liegt unter einem Zehnmillionstel − die Wahrscheinlichkeit, bei
einem einzigen Versuch den Hauptgewinn mit sechs Richtigen und der richtigen Superzahl zu erzielen, liegt
dementsprechend sogar nur bei 1: 139.838.160. Der typische Lottospieler unterliegt einer enormen Fehleinschätzung
dieser Wahrscheinlichkeit.
Caillois (1960) sieht im alea deutliche Anzeichen von Eskapismus. Im Spiel wird künstlich eine Gleichheit der
Menschen hergestellt, die in der Realität nicht vorliegt. Die Realität wird durch perfekte Situationen ersetzt und zum
Ziele der Flucht aus ihr umgestaltet. Schütte (1985) begründet den Spielhang der unteren Schichten in der
Kompensation der psychischen und materiellen Deprivation, die den Menschen unbefriedigt lässt. Die tägliche
Arbeit ist hier eine reine Pflicht, deren einziger Gewinn der Lohn ist. Mit diesem nun sucht der Arbeiter, die durch
die Arbeit hervorgerufene Entfremdung im Privaten zu kompensieren. Das Glücksspiel suggeriert die Möglichkeit,
sich von der Arbeit zu erholen, die Kontrolle über sein Leben zurückzuerlangen und Leistung und Erfolg gegen eine
Konkurrenz durchzusetzen. Das Bedürfnis nach einer Demonstration von Selbstvertrauen, Entscheidungsfähigkeit
und Unabhängigkeit bleibt in seiner Befriedigung dem Glücksspiel vorbehalten.
Situative Faktoren
Durch Gruppendruck und Belohnung durch gesellschaftliche Anerkennung kann eine Person zum Spielen angehalten
sein. Für das Wirksamwerden ist eine leichte Erreichbarkeit des Glücksspiels erforderlich, etwa der Kiosk, der
Lottoscheine annimmt. Mittlerweile gewinnt das Internet an Bedeutung, wie sich an der aktuellen Diskussion über
Lottoscheinannahme an der Supermarktkasse und private Vermittlerdienste im Internet ablesen lässt. Ferner
begünstigt ein Unterangebot alternativer Beschäftigungen das Glücksspielverhalten.
Lernfaktoren
Der Spieler entwickelt aus einer beobachteten Spielserie eine bestimmte Erwartungshaltung. Gewinnt er häufig, so
glaubt er an eine Glückssträhne und nimmt an, dass diese weiterhin anhalten wird. Verliert er jedoch häufiger, so
redet er sich ein, dass das erfahrene Pech in der Zukunft kompensiert werden wird, um die Balance
wiederherzustellen. In beiden Fällen also erwartet er zukünftige Gewinne, aber in beiden Fällen bleiben die
Wahrscheinlichkeiten für Gewinn und Verlust absolut unverändert.
Es muss ein Ungleichgewicht von Gewinnen und Verlusten vorliegen, wobei die Gewinnhöhe irrelevant ist. Der
Lernprozess ist theoretisch mithilfe von Verstärkerplänen abbildbar, die ihr Maximum an Effizienz bei
diskontinuierlicher Quotenverstärkung erreichen.
Faktoren der Wahrscheinlichkeitswahrnehmung
Der Mensch nimmt für gewöhnlich Wahrscheinlichkeiten verzerrt wahr. Wie die Prospect Theory beleuchtet, ist man
Gewinnen gegenüber risikoavers und Verlusten gegenüber risikofreudig. Vergangene Ereignisse werden leicht in
ihrem Repräsentationsgrad überschätzt. Wenn eine Person einen Lottogewinner kennt, der mit seinen
Geburtstagszahlen gewonnen hat, so ist sie versucht, dies für eine probate Strategie zu halten. Im Gegenteil bietet es
sich an, nicht die oft benutzte 19 (Anfang aller Geburtsjahre des 20. Jahrhunderts) und die Monatszahlen von 1 bis
19
Glücksspiel
12 zu tippen, denn wenn man mit ihnen gewinnt, muss die Gewinnsumme unter mehr Gewinnern aufgeteilt werden
als bei seltener getippten Zahlen.
Durch das Aufteilen des Geldes in kleine Einheiten beim Automatenspiel oder symbolische Fiktionalisierung in
Form von Chips in Spielbanken – das von Spielbanken eingesetzte Spielgeld ist als Zahlungsmittel ebenso
unbrauchbar wie das von Kindern – wird der reale Wert des Geldes verschleiert und die Risikowahrnehmung
abgeschwächt.
Rogers (1998) nennt eine weitere Verzerrung durch die falsche Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit autokorrektiv
wirkt, dass also über kurz oder lang alle Zahlenkombinationen gezogen werden und sich somit Beharrlichkeit sicher
auszahlt, und dass alle Zahlen gleich häufig gezogen werden, dass also die Wahrscheinlichkeit bisher seltener Zahlen
höher liegt als häufig gezogener. Der Spieler versteht hier das Faktum nicht, dass jede Ziehung unabhängig von allen
vorigen Ziehungen geschieht. Bereits gezogene Kombinationen und Zahlen sind genauso wahrscheinlich wie noch
nicht gezogene (sogenannter Spielerfehlschluss). Als vermeintlicher Beleg wird oft das Gesetz der großen Zahlen
fälschlicherweise als ein Gesetz des Ausgleichs interpretiert. Auch die häufig vorzufindende Annahme, die
Gewinnwahrscheinlichkeit steige, wenn ein Jackpot nicht geknackt wurde, ist bei vielen Jackpot-Systemen ein
Trugschluss. Man spricht dabei vom („rollover phenomenon“).
Des Weiteren wird ein „Knapp-daneben-Phänomen“ („near miss-phenomenon“) beobachtet, welches suggeriert, der
Gewinn rücke stetig näher, wobei der Erstspieler in der Gegenwart die gleiche Gewinnwahrscheinlichkeit wie der
Veteran hat. Nach Reid (1986) wirkt ein Nahezu-Treffer in Geschicklichkeitsspielen motivierend, da die notwendige
Geschicklichkeit für einen Treffer nicht mehr fern scheint. Gepaart mit der Kontrollillusion führt dies dazu, dass
auch bei Glücksspielen Nahezu-Treffer, beispielsweise eine Zahl neben der Kugel beim Roulette, den Spieler
motivieren. Die Studie von Côté et al (2003) bestätigt, dass Nahezu-Gewinne zu ausdauernderem Spielen und
vermehrtem Geldeinsatz führen.
Wahrnehmung von Geschicklichkeitsfaktoren
Eine tatsächliche oder vermeintliche Einflussnahme des Spielers auf die Gewinnchance erhöht den Reiz des Spieles
und führt zu erhöhter Spielausdauer. Die Psychohygiene des Menschen richtet es ein, dass er Gewinne internal und
Verluste external attribuiert. Dieser Kontrollillusion unterliegend überschätzt der Spieler die
Gewinnwahrscheinlichkeit.
Bei Sportwetten, die augenscheinlich nicht vollkommen dem Zufall unterliegen, können die Spieler durch ihr Wissen
die Wahrscheinlichkeiten besser einschätzen und ihre Gewinnchance somit erhöhen. Dennoch wird dies in den
seltensten Fällen dazu führen, dass eine positive Gewinnerwartung vorhanden ist, da die Buchmachergebühren in
aller Regel einen beträchtlichen Anteil der eigentlichen, mathematisch korrekten, Auszahlung ausmachen. Wenn
dieses Faktum ausgeblendet wird, dann entsteht beim Spieler die Illusion, das Spiel schlagen zu können, obwohl dies
nicht der Fall ist. Selbst die Möglichkeit, ein Los zu ziehen oder Lottozahlen anzukreuzen, reicht aus, eine
Kontrollillusion zu erzeugen, obwohl dies jeder Logik widerspricht. Hier wird das Spiel falsch klassifiziert. Es wird
für ein Geschicklichkeitsspiel gehalten, obwohl es sich um ein Glücksspiel handelt. Dies schlägt sich auch in
Beobachtungen nieder, dass Würfelspieler mehr Geld auf eigene Würfe als auf die Fremder zu setzen bereit sind.
Es treten Rituale auf, die aus Sicht des Spielers die Gewinnwahrscheinlichkeit positiv beeinflussen, oder der
Irrglaube, es gebe Menschen mit mehr oder weniger Glück. Griffiths (1990) konnte zeigen, dass hinsichtlich der
Geschicklichkeitswahrnehmung deutliche Unterschiede bestehen. Während weniger als die Hälfte der Normalspieler
glaubt, der Erfolg am Spielautomaten hänge hauptsächlich von der Geschicklichkeit ab, waren sämtliche exzessive
Spieler dieser Meinung.
Jegliches Spiel kann durch ein Aufheben der Abgrenzung zur Realität korrumpiert werden. Der größte Feind des
alea ist der Aberglaube. Die Versuchung ist groß, die Realität als Glücksspiel zu sehen und somit in einen passiven
und resignativen Fatalismus und Determinismus abzurutschen. Ebenso kann der Aberglaube in die Welt des Spieles
eindringen, indem Wahrsager den Ausgang des Spieles zu antizipieren suchen. In beiden Fällen wird der
20
Glücksspiel
Spielgedanke zersetzt.
Sucht
Spieler, die unfähig sind, dem Impuls zum Glücksspiel zu widerstehen, auch wenn dies gravierende Folgen im
persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld nach sich zieht oder diese zumindest drohen, werden als
pathologische Spieler bezeichnet.
Obgleich es sich bei der Spielsucht um eine ernstzunehmende Krankheit handelt, liegen die volkswirtschaftlichen
Auswirkungen bei Heranziehen einer Kosten-Nutzen-Analyse selbst bei pessimistisch geschätzten Zahlen immer
noch weit unter jenen Wohlfahrtskosten, welche durch Alkohol- und Tabakmissbrauch entstehen. Studien beziffern
die jährlichen Sozialkosten pathologischer Spieler in Deutschland auf 300 bis 600 Millionen Euro, während dies bei
Tabak- und Alkoholkonsum 40 Milliarden Euro seien. Speziell für den Bereich der gewerblich betriebenen
Spielautomaten werden jährliche Sozialkosten von 225 bis 300 Millionen Euro einem volkswirtschaftlichen Nutzen
von 1,37 Milliarden Euro gegenübergestellt.[22]
Besonders suchtgefährdend sind laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Sportwetten im Internet und
Glücksspiel-Automaten. Nach einer Untersuchung der Universitäten Greifswald und Lübeck sind rund 193.000
Menschen in Deutschland krankhaft spielsüchtig.[23] Für die Zusammenfassung weiterer Untersuchungsergebnisse
siehe auch Pathologisches Spielen. Das Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten kommt in einem
wissenschaftlichen Kurzgutachten zum Schluss, dass bei der Bewertung der Suchtpotentiale anhand absoluter Zahlen
zum pathologischen Spieleverhalten nicht auf das Gefährdungspotential von Spielformen geschlossen werden kann.
Anhand einer Bewertung, die neben der Zahl der pathologischen Spieler ebenfalls die Intensität des jeweiligen Spiels
und die Bruttospielerträge mit einbezieht (Pathologie-Potenzial-Koeffizient), kommt das Gutachten zu dem
Ergebnis, dass die pathologischen Suchtpotentiale dieser Spielformen eventuell verzerrt dargestellt werden.[24]
Illegales Glücksspiel und organisierte Kriminalität
Unter anderem wegen der Suchtgefahr gilt Glücksspiel in vielen Gesellschaften als unmoralisch. Ungeregeltes
Glücksspiel ist in den meisten Staaten illegal und wird oft von der organisierten Kriminalität betrieben; legales
Glücksspiel unterliegt meist diversen Einschränkungen. Ein Beispiel hierfür ist die in Glücksspiel und Drogenhandel
verstrickte XY-Bande in Brandenburg.
Glücksspiele in verschiedenen Ländern
Glücksspiele in Deutschland
Nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Juli 2008 beteiligt sich mehr als
die Hälfte der Deutschen an Glücksspielen. Bei den Männern fällt die Teilnahme mit 60 Prozent höher aus als bei
den Frauen mit 50 Prozent.[25] Der Gesamtumsatz des legalen Glücksspielmarktes betrug 2008 rund 24,9 Mrd. Euro,
davon rund 16,2 Mrd. Euro durch Geldspielautomaten, Roulette und Kartenspiele und 6,8 Mrd. Euro aus dem
Lotto-Toto-Block.[26]
Für Glücksspiele und Wetten sind die Bundesländer zuständig, 2010 betrugen die Einnahmen der Länder über
Lotteriegesellschaften und Oddset etwa 3,3 Milliarden Euro.[27] Zwanzig Lizenzierungen an private
Sportwettenanbieter sind in einer Änderung des Glücksspielstaatsvertrags vorgesehen, der von 15 der 16
Bundesländer unterzeichnet wurde. Ausnahme ist Schleswig-Holstein, wo Lizenzen an Private für Vertrieb und
Werbung vergeben werden (geplante jährliche Einnahmen 40 bis 60 Millionen Euro). Spielautomaten, soweit
außerhalb von Spielkasions gewerblich betrieben, werden hingegen durch die Spielverordnung sowie durch die
Gewerbeordnung geregelt. Es stehen etwa 165.000 Geld-Gewinn-Automaten in rund 8000 deutschen Spielhallen und
70.000 Geräte in Gaststätten. Die Gauselmann-Gruppe als größter Spielautomaten-Hersteller in Deutschland machte
21
Glücksspiel
2009 einen Gesamtumsatz von rund 1,3 Milliarden Euro.
Glücksspiele in der Schweiz
Eine Studie im Auftrag der Eidgenössischen Spielbankenkommission und des Bundesamtes für Justiz aus dem Jahr
2004 hat ergeben, dass 21,2 % der Schweizer Bevölkerung über 18 Jahren häufig an Glücksspielen teilnehmen.
Dabei spielen Bewohner der französischen und italienischen Schweiz tendenziell häufiger als Bewohner der
deutschsprachigen Schweiz. Der Großteil der Spieler, nämlich ungefähr 20,6 %, spielt Lottoangebote wie
Zahlenlotto, Toto, Sportlotto oder ähnliche Spiele. 7% der Schweizer nutzen ausländische Lotterien.[28]
Glücksspiele in den USA
Die Zuständigkeit für Glücksspiele liegt bei den Bundesstaaten, die meist sogenannte "Gaming Control Boards"
(Glücksspielkontrollbehörden) haben, welche die Einhaltung der jeweiligen Regularien sicherstellen. Eine
Besonderheit in den USA ist das "Indian Gambling" (Indianer-Glücksspiel), welches Indianerstämmen unabhängig
von den Gesetzen der Bundesstaaten erlaubt, Casinos auf eigenem Land zu betreiben. Mit Indian Gambling wurden
2012 26,5 Milliarden Dollar umgesetzt. Insgesamt setzten Casinos in diesem Jahr rund 57,5 Milliarden Dollar um.
Lotterien werden in den USA ebenfalls von den Bundesstaaten ausgerichtet. In 44 der 50 Staaten sowie im District
of Columbia, in Puerto Rico und auf den Amerikanischen Jungferninseln gibt es Lotterien. 2011 betrugen die
Lotterieeinnahmen der Bundesstaaten die Lotterien betreiben insgesamt 17,9 Milliarden Dollar..
Glücksspiele weltweit
Nach den Nettoaufwendungen pro Person, bei denen die Spielgewinne von den Einsätzen abgezogen werden, führt
Australien die weltweite Statistik der Glücksspielverbreitung an. Im Jahr 2010 wendete ein Australier im
Durchschnitt 1288 $ für Glücksspiele auf, gefolgt von Singapur, wo die Aufwendungen 1174 $ betrugen.
Europäische Länder belegen in der Rangliste die Plätze 4 (Irland: 588 $), 5 (Finnland: 533 $), 6 (Italien: 517 $), 8
(Norwegen: 448 $), 9 (Griechenland: 420 $) und 10 (Spanien: 418 $).[29] Wenn man den Umsatz des Marktes in
2008 durch die Einwohner in 2008 teilt und das, mit dem Umrechnungskurs von 2010, in Dollar umrechnet liegt
Deutschland bei 402$ pro Person. Diese Zahl müsste mindestens noch um ausländische Spieler und Deutsche die im
Ausland spielen bereinigt werden. Außerdem ist nicht klar wie die obige Studie von der jeweiligen Landeswährung
in Dollar umgerechnet hat. Daher ist diese Zahl mit Vorsicht zu genießen und liefert nur einen sehr groben
Vergleichswert zu den obigen Zahlen.
Literatur
• Martin Bahr: Glücks- und Gewinnspielrecht. Eine Einführung in die wichtigsten rechtlichen Aspekte. 2. neu
bearbeitete und erweiterte Auflage. Schmidt, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-09796-8.
• Jörg Bewersdorff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel − Methoden, Ergebnisse und Grenzen,
Vieweg+Teubner Verlag, 5. Auflage 2010, ISBN 3834807753, doi:10.1007/978-3-8348-9696-4
• Roger Caillois: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Schwab, Stuttgart 1960.
• Yves Chantal, Robert J. Vallerand: Skill Versus Luck: A Motivational Analysisof Gambling Involvement. In:
Journal of Gambling Studies. 12, 4, 1996, ISSN 1050-5350 [30], S. 407–418.
• Denis Côté, Anne Caron, Jonathan Aubert, Véronique Desrochers, Robert Ladouceur: Near Wins Prolong
Gambling on a Video Lottery Terminal. In: Journal of Gambling Studies. 19, 4, 2003, S. 433–438.
• Heinz Diegmann, Christof Hoffmann, Wolfgang Ohlmann: Praxishandbuch für das gesamte Spielrecht.
Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-018893-8.
• Johannes Dietlein, Manfred Hecker, Markus Ruttig (Hrsg.): Glücksspielrecht. Glücksspielstaatsvertrag. § 284
StGB, §§ 33c ff. GewO, SpielVO, RennwLottG, GG, EGV, GATS, EV/SlgLottVO-DDR u. a. Kommentar. C. H.
Beck Verlag, München 2008, ISBN 978-3-406-58093-2.
22
Glücksspiel
• Friedrich Endemann: Beiträge zur Geschichte der Lotterie und zum heutigen Lotterierecht. Georgi, Bonn 1882
(Bonn, Univ., Diss., 1882).
• Lorenz Fischer, Günter Wiswede: Grundlagen der Sozialpsychologie. Oldenbourg, München u. a. 1997, ISBN
3-486-22904-4 (Wolls Lehr- und Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften).
• Ihno Gebhardt, Sabine Miriam Grüsser-Sinopoli (Hrsg.): Glücksspiel in Deutschland. Ökonomie, Recht, Sucht. de
Gruyter Recht, Berlin 2008, ISBN 978-3-89949-317-7.
• Mark D. Griffiths: The Cognitive Psychology of Gambling. In: Journal of Gambling Studies. 6, 1, 1990, S. 31–42.
• Mark Griffiths, Paul Delfabbro: The Biopsychosocial Approach to Gambling. Contextual Factors in Research and
Clinical Interventions. In: The Electronic Journal of Gambling Issues. 5, 2001, ZDB-ID 2114710-3 [31], online
[32]
.
• Martin Heger, Strafbarkeit von Glücksspielen, Sportwetten und Hausverlosungen via Internet im Lichte des
Europarechts, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2012, 39 (PDF [33])
• Henky Hentschel: Zock. Das Spiel, der Kick, der Absturz. Pieper and the Grüne Kraft, Löhrbach 2003, ISBN
3-930442-70-1 (Edition Rauschkunde).
• Friedrich Georg Jünger: Die Spiele. Ein Schlüssel zu ihrer Bedeutung. Klostermann, Frankfurt am Main 1953.
• Stephen E. G. Lea, Roger M. Tarpy, Paul Webley: The individual in the economy. A textbook of economic
psychology. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1987, ISBN 0-521-26872-9.
• Michael Monka, Manfred Tiede, Werner Voß: Gewinnen mit Wahrscheinlichkeit. Statistik für Glücksritter.
Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60730-1 (Rororo 60730).
• Harry Nutt: Chance und Glück. Erkundungen zum Glücksspiel (in Deutschland). Fischer-Taschenbuch-Verlag,
Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-596-12390-9 (Fischer – ZeitSchriften 12390).
• R. L. Reid: The Psychology of the Near Miss. In: Journal of Gambling Studies. 2, 1, 1986, S. 32–39.
• John Scarne: Scarne's New Complete Guide To Gambling. Fully revised, expanded, updated edition. Simon &
Schuster, New York NY 1986, ISBN 0-671-63063-6 (A Fireside Book), (englisch).
• Heinrich M. Schuster: Das Spiel. Seine Entwickelung und Bedeutung im deutschen Recht. Eine
rechtswissenschaftliche Abhandlung auf sittengeschichtlicher Grundlage. Gerold, Wien 1878.
• Franz Schütte: Glücksspiel und Narzissmus. Der pathologische Spieler aus soziologischer und
tiefenpsychologischer Sicht. Brockmeyer, Bochum 1985, ISBN 3-88339-431-9.
• Rudolf Streinz, Tobias Kruis: Unionsrechtliche Vorgaben und mitgliedstaatliche Gestaltungsspielräume im
Bereich des Glücksspielrechts. In: Neue Juristische Wochenschrift. 52, 2010, S. 3745–3750.
• Hans-Heinrich Wellmann (Red.): Die Glücksspieler. Time-Life International, Amsterdam 1980 (Time-Life
Bücher – Der Wilde Westen).
Weblinks
• gluecksspielsucht.de [27] Fachverband Glücksspielsucht
• Capital-Artikel zum Thema Glücksspiel [34] (PDF-Datei; 840 kB)
• Urteilsanmerkung zum Urteil des BGH v. 28. Februar 2002 - 4 StR 260/02 (Unerlaubtes Glücksspiel - § 284
StGB)- Zur Definition von Glücksspiel und Sportwetten [35] von Dr. Caspar David Hermanns und Benjamin Klein
(PDF-Datei; 37 kB)
• Juristische Interpretation und Definition von Glücksspiel [36]
• Portal zum Thema Glücksspielsucht [37], mit Online-Selbsttest, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
• Rechtliche Rahmenbedingungen [38] für öffentliches Glücksspiel in Deutschland, Österreich und der Schweiz
• Spielerschutz Berlin [39] Informationen rund um Glücksspielsucht und die Möglichkeiten der Spielersperre
• Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten [40] Informationen zu Glücksspielen, Wetten und Sportwetten aus
ökonomischer, rechtlicher, medizinischer, psychologischer, sozialwissenschaftlicher und mathematischer Sicht
23
Glücksspiel
Einzelnachweise
[1] Jörg Bewersdorff: Glück, Logik und Bluff: Mathematik im Spiel - Methoden, Ergebnisse und Grenzen, Vieweg+Teubner Verlag, 5. Auflage
2010, ISBN 3834807753, , S. V-VIII ( Springer-Link (http:/ / www. springerlink. com/ content/ 978-3-8348-0775-5/ front-matter. pdf))
[2] Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, 2007 (http:/ / www. fst-ev. org/ fileadmin/ pdf/ gesetze/
Gesetz_2008-01-03_Glücksspielstaatsvertrag. pdf) (PDF; 42 kB)
[3] Glücksspielgesetz vom 19. Oktober 2010, Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes (http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Dokument.
wxe?Abfrage=Bundesnormen& Dokumentnummer=NOR40120788)
[4] Bundesgesetz über Glücksspiele und Spielbanken vom 18. Dezember 1998 (Stand am 27. Dezember 2006), Dokumentation der
Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft (http:/ / www. admin. ch/ ch/ d/ sr/ 935_52/ a3. html)
[5] Siehe z. B. BGH, Beschluss vom 11. Januar 1989, 2 StR 461/ 88, online (http:/ / dejure. org/ dienste/ vernetzung/
rechtsprechung?Gericht=BGH& Datum=11. 01. 1989& Aktenzeichen=2 StR 461/ 88)
[6] Marcel Dreef, Peter Borm und Ben van der Genugten: Measuring skill in games: several approaches discussed, Mathematical Methods of
Operations Research, Band 59, Heft 3, 2004, S. 375-391, , Preprint (http:/ / citeseerx. ist. psu. edu/ viewdoc/ download?doi=10. 1. 1. 194.
5338& rep=rep1& type=pdf)
[7] Robert Wagner: Die Praktikabilität des Österreichischen Glücksspielbegriffs am Beispiel des Kartenspiels Poker, Dissertation, Universität
Wien, 2010, online (http:/ / othes. univie. ac. at/ 12121/ 1/ 2010-07-20_0300723. pdf)
[8] Entscheidung GZ RV/1666-W/06 vom 5. April 2007 des Unabhängigen Finanzsenats Wien ( online (https:/ / findok. bmf. gv. at/ findok/
link?bereich=ufs-tx& gz="RV/ 1666-W/ 06"))
[9] Anlage zu §5a der Spielverordnung. In Landmann/Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: Januar 2007 (Bearbeiter Marcks),
werden neben Preisschach explizit die Kartenspiele Preisbridge, -schafskopf, -doppelkopf, -skat und -tarock genannt.
[10] Glücksspielgesetz-Novelle 2008 (http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Dokumente/ BgblAuth/ BGBLA_2010_I_54/ BGBLA_2010_I_54. pdf)
[11] Gerhard Strejcek (Hrsg.), Ronald Bresich (Hrsg.): Glücksspielgesetz: GSpG 1989, Kommentar, 2. Auflage 2011, S. 25, online (http:/ / cd.
manz. at/ rechtaktuell/ pdf/ Gluecksspielgesetz_Einfuehrung. pdf) (PDF; 630 kB)
[12] Unabhängige Verwaltungssenate Wien, GZ 06/06/5595/99, 3. August 2000, online (http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Dokumente/ Uvs/
JUT_WI_20000803_06065595_99_00/ JUT_WI_20000803_06065595_99_00. html)
[13] Eidgenössische Spielbankenkommission, Jahresbericht 2007 (http:/ / www. esbk. admin. ch/ content/ dam/ data/ esbk/ geschaeftsberichte/
jahresbericht_2007-d. pdf) (PDF; 252 kB), S. 8
[14] Eidgenössische Spielbankenkommission, Jahresbericht 2010 (http:/ / www. esbk. admin. ch/ content/ dam/ data/ esbk/ geschaeftsberichte/
jahresbericht_2010-d. pdf) (PDF; 275 kB), S. 5
[15] Urteil des Bundesgerichts vom 20. Mai 2010 ( 2C_694/2009 (http:/ / www. servat. unibe. ch/ dfr/ bge/ c2136291. html))
[16] Games Magazine, September 1982, zitiert nach www.gamecolony.com (http:/ / www. gamecolony. com/ backgammon_game_skill. shtml)
[17] „Antike Glücksspiele“ (http:/ / www. gamblingplanet. org/ de/ antike-gluecksspiele. php), Artikelserie zur Geschichte der Glücksspiele
[18] http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ gewo/ __33h. html
[19] http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ stgb/ __284. html
[20] http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ stgb/ __285. html
[21] „Rien ne va plus! für Internet-Glücksspiele in den USA“, heise online-Meldung vom 2. Oktober 2006 (http:/ / www. heise. de/ newsticker/
meldung/ 78956)
[22] Franz W. Peren, Reiner Clement, Wiltrud Terlau: Eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse des gewerblichen Geld-Gewinnspiels für
die Bundesrepublik Deutschland (http:/ / www. baberlin. de/ fileadmin/ user_upload/ ba-berlin/ PDF-Dateien/
Kosten-Nutzen-GGSG-Kurzfassung_5. 0_. pdf) (PDF; 166 kB), Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten, 2011
[23] Hans-Jürgen Rumpf u. a.: Pathologische Glücksspieler: Bedingungsfaktoren, Hilfesuchverhalten, Remission. Ergebnisse der PAGE-Studie
(http:/ / www. lsgbayern. de/ fileadmin/ user_upload/ lsg/ BAS_Materialien/ PAGE_Mnchen_Rumpf_2011_freigegeben. pdf) (PDF; 1,7 MB)
[24] Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten: von Glücksspielprodukten - Eine komparative Bewertung von in Deutschland angebotenen
Spielformen (http:/ / forschung-glücksspiel. de/ pdf/ PKK6-01. pdf''Pathologie-Potenziale).
[25] Süddeutsche Zeitung: „ Glücksspiel - Jeder zweite zockt (http:/ / www. sueddeutsche. de/ panorama/ gluecksspiel-jeder-zweite-zockt-1.
204842)“ - ap/dpa/sma - 10. Juli 2008
[26] Forschungsstelle Glücksspiel, Hohenheim: Der deutsche Glücksspielmarkt 2008 (https:/ / gluecksspiel. uni-hohenheim. de/ fileadmin/
einrichtungen/ gluecksspiel/ Oekonomie/ Gluecksspielmarkt08. pdf) (PDF; 40 kB), Stand: 6. August 2010, Zahlenangaben aus G. Meyer,
DHS Jahrbuch Sucht 2010
[27] Tagesschau: Das Glücksspiel und die Politik (http:/ / www. tagesschau. de/ inland/ faqgluecksspiele100. html), 6. April 2011
[28] Glücksspiel und Spielsucht in der Schweiz (http:/ / www. ejpd. admin. ch/ content/ dam/ data/ gesellschaft/ lotterie/ studie-spielsucht-d. pdf)
(PDF; 2 MB)
[29] The Results Are In... World’s top 10 gambling nations named (http:/ / www. nsgamingfoundation. org/ uploads/ Touchpoint w UPdates July
22. pdf) (PDF; 389 kB), Gaming Awareness Foundation of Nova Scotia, 21. Juli 2011
[30] http:/ / dispatch. opac. dnb. de/ DB=1. 1/ CMD?ACT=SRCHA& IKT=8& TRM=1050-5350
[31] http:/ / dispatch. opac. d-nb. de/ DB=1. 1/ CMD?ACT=SRCHA& IKT=8506& TRM=2114710-3
[32] http:/ / jgi. camh. net/ doi/ full/ 10. 4309/ jgi. 2001. 5. 1
[33] http:/ / www. zis-online. com/ dat/ artikel/ 2012_8-9_693. pdf
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• weitere Quellenangaben hier (Diskussionsseite)
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Angst
Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich
empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung
äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der
körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes
sein. Krankhaft übersteigerte Angst wird als Angststörung bezeichnet.
Begriff
Der Begriff Angst hat sich seit dem 8. Jahrhundert von indogermanisch
*anghu „beengend“ über althochdeutsch angust entwickelt. Er ist
verwandt mit lateinisch angustus bzw. angustia für „Enge, Beengung,
Bedrängnis“ (siehe auch Angina) und angor „Würgen“.[1] Das Wort
Ausdruck der Angst bei einem Mädchen
„Angst“ gibt es als Wortexport auch im Englischen, siehe German
Angst. Es bedeutet so viel wie Existenzangst. Man spricht von
„angst-ridden“ (von Angst geritten). Vermutlich wurde das Wort 1849 von George Eliot eingeführt.[2]
Begrifflich wird dabei die objektunbestimmte Angst (lateinisch angor) von der objektbezogenen Furcht (lateinisch
timor) unterschieden.
Weiterhin lässt sich eine situationsbedingt entstehende Emotion Angst von der relativ stabilen
Persönlichkeitseigenschaft Ängstlichkeit unterscheiden, die nach dem Angstmodell von Charles Spielberger seit
1966 auch als State-Angst und Trait-Angst bezeichnet werden.[3]
Spektrum der Angst
Angst ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Gefühlsregungen, deren Gemeinsamkeit auf einer Verunsicherung
des Gefühlslebens beruht. Der Psychoanalytiker Fritz Riemann unterscheidet in seinem verbreiteten Hauptwerk zur
Angst[4] zwischen dem „schizoiden“, dem „depressiven“, dem „zwanghaften“ und dem „hysterischen“
Persönlichkeitstypus. Als damit verbundene „Grundängste“ des Menschen beschreibt er die „Angst vor
Veränderung“, die „Angst vor der Endgültigkeit“, die „Angst vor Nähe“ und die „Angst vor Selbstwerdung“.
Obwohl als idealtypische Abstraktionen gedacht, haftet dieser Angstdeutung in der Tradition der Psychoanalyse
bereits begrifflich unverkennbar eine Tendenz zum Krankhaften und damit zur Einseitigkeit an, die heute kritisch
gesehen wird.[5]
Die Erscheinungsformen der Angst reichen nach dem von dem Experimentalpsychologen Siegbert A. Warwitz
aufgestellten Angst-Spektrum[6] von einfachen „Unsicherheiten“ (Beklommenheit, Scheu, Zaghaftigkeit …) über die
„Zwänge“ (Esszwang, Kontrollzwang, Reinigungszwang etc.), die „Furchtformen“ (Verletzungsfurcht,
Angst
Versagensfurcht, Berührungsfurcht etc.), die „Phobien“ (Akrophobie, Agoraphobie, Klaustrophobie …), die
„Paniken“ (Angstanfall, Schockstarre, Katastrophenlähmung etc.) bis zu den „Psychosen“ (Neurotische Ängste,
Verfolgungswahn, Lebensangst …). Dabei unterscheidet in der Regel nur der Fachpsychologe aus diagnostischen
und therapeutischen Gründen differenzierter etwa zwischen Ängsten und Fürchten, beispielsweise zwischen einer
diffusen allgemeinen Prüfungs-Angst und einer auf einen bestimmten Prüfer, ein fixierbares Fachgebiet oder eine
definierbare Situation reduzierbaren Prüfungs-Furcht. Angst wird im nichtfachlichen Bereich auch häufig mit
andersartigen Gefühlsregungen verwechselt oder vermischt, etwa mit der Scham (Wahrung des Intimbereichs), mit
dem Misstrauen (Zweifel an einer ärztlichen Kompetenz) oder mit einer hochgradigen psychischen Anspannung bei
der Bewältigung einer gefahrenträchtigen Situation (Wagniskonzentration).
Angst lässt sich nicht grundsätzlich als unangenehme, negative Gefühlsregung festlegen. Wesentlich abhängig vom
Grad der individuellen Risikoerfahrung und der persönlichen Kompetenzeinschätzung, kann Angst auch als in
hohem Maße lustvolle Erfahrung gesucht und erlebt werden, etwa in Form des Thrill. Die Kontrasterfahrung von
aufregender Gefahrensituation und deren Bewältigung führt zu einer gewünschten Steigerung des Lebensgefühls.
Der sogenannte Kick kann dabei als (erwarteter) Wendepunkt zwischen der Anspannung und Befreiung aus der
Angstphase gesehen werden.[7]
Als Steuerungsinstrumente gefahrenträchtigen Verhaltens und Warnimpulsgeber stellen die beherrschten nicht
krankhaften Angstformen eine unverzichtbare Grundausstattung im Rahmen des funktionierenden
Selbsterhaltungstriebs dar.
Ein Sonderphänomen im Angstkomplex stellt die sogenannte „Angst vor der Angst“ (Phobophobie), auch
Angstsensitivität genannt, dar, eine objektlose Angst vor den eigenen Angstsymptomen [8]
Funktion der Angst
Evolutionsgeschichtlich hat die Angst eine wichtige Funktion als ein die Sinne schärfender Schutzmechanismus, der
in tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Gefahrensituationen ein angemessenes Verhalten (etwa Flucht)
einleitet. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn weder zu viel Angst das Handeln blockiert noch zu wenig Angst
reale Gefahren und Risiken ausblendet. In ihrem bekannten Aktivationsmodell, das nach ihnen auch als
Yerkes-Dodson-Gesetz oder „Gesetz der Angst“ bezeichnet wird, formulierten die Verhaltensbiologen und Ethologen
Robert Yerkes und John D. Dodson bereits 1908 gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen einem bestimmten
nervösen Erregungsniveau der Probanden und der Abrufbarkeit ihrer Leistungsfähigkeit, die sie als
"Aktivationsniveaus" kennzeichneten.[9]
Die seiner Zeit in Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse konnten in ihrer Gültigkeit inzwischen durch empirische
Studien auch für das menschliche Verhalten gesichert werden.[10]
Da der Energieaufwand für eine Flucht gering ist (wenige hundert Kilokalorien), übersehene Bedrohungen aber
folgenschwere Auswirkungen nach sich ziehen können, ist die „Alarmanlage“ Angst von der Natur sehr empfindlich
eingestellt, was bisweilen in Fehlalarmen resultiert.[11]
Angst kann sowohl bewusst als auch unbewusst wirken. Entstehen durch Angst andauernde Kontrollverluste oder
Lähmungen, wird von einer Angststörung gesprochen. Ist diese Angst an ein bestimmtes Objekt oder eine bestimmte
Situation gebunden, spricht man von einer Phobie.[12][13]
26
Angst
27
Körperliche Reaktionen
Die körperlichen Symptome der Angst sind normale (also nicht krankhafte) physische Reaktionen, die bei (einer
realen oder phantasierten) Gefahr die körperliche oder seelische Unversehrtheit, im Extremfall also das Überleben
sichern sollen. Sie sollen ein Lebewesen auf eine Kampf- oder Flucht-Situation (fight or flight) vorbereiten:
•
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•
•
Erhöhte Aufmerksamkeit, Pupillen weiten sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher
Erhöhte Muskelanspannung, erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit
Erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck
Flachere und schnellere Atmung
Energiebereitstellung in Muskeln
•
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•
•
Körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern und Schwindelgefühl
Blasen-, Darm- und Magentätigkeit werden während des Zustands der Angst gehemmt.
Übelkeit und Atemnot treten in manchen Fällen ebenfalls auf.
Absonderung von Molekülen im Schweiß, die andere Menschen Angst riechen lassen und bei diesen
unterbewusst Alarmbereitschaft auslösen.[14]
Neben diesen individuellen Reaktionen hat das Zeigen von Angst etwa durch den charakteristischen
Gesichtsausdruck oder durch Sprache gegenüber anderen den sozialen Sinn, um Schutz zu bitten.
Die körperlichen Ausdrucksformen der Angst sind die gleichen, unabhängig davon, ob es sich um eine reale
Bedrohung oder um eine Panikattacke handelt. Jeder vierte Patient mit Angststörung klagt über chronische
Schmerzen.[15][16]
Psychophysiologie
Das Wechseln zwischen dem Entstehen von Angst bei Verteidigungs- und dem Erlöschen der Angst bei
Explorationsverhalten ist für das Überleben von vielen Tieren lebensnotwendig, aber wie dieser Übergang durch
spezifische neuronale Schaltungen erreicht wird, ist noch nicht hinreichend erforscht. Neurophysiologen nehmen an,
dass bidirektionale Übergänge zwischen Zuständen hoher und niedriger Angst kontextabhängig durch sehr schnelle
Veränderungen im Gleichgewicht der Tätigkeiten von zwei verschiedenen Gemeinschaften basaler
Amygdala-Neuronen ausgelöst werden.[17]
Ausgehend von der Amygdala werden folgende Regionen erregt: periaquäduktales Grau, Locus caeruleus, Nucleus
parabrachialis, das vegetative Nervensystem über den Hypothalamus und die so genannte Stressachse
(Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse). Dabei kommt es bei einer akuten Stress-/Angstreaktion zur
vermehrten Ausschüttung von Cortisol aus der Nebennierenrinde. Das Ausmaß der Reaktion ist dabei von Mensch
zu Mensch verschieden. Frühe Erfahrungen (z.B. Stress der Mutter in der Schwangerschaft, perinatale Ereignisse,
Mutter-Kind-Beziehung, Dauer der Stillzeit und anderes) scheinen hierbei eine Rolle zu spielen.[18]
Nach bisherigem Wissensstand spielen bei Ängsten vor allem drei Neurotransmittersysteme eine wichtige Rolle:
• GABA-erges System: GABA ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter im ZNS. Eine verminderte
GABA-Funktion führt zu Überreizung und zu Generalisierung der Erregung. Generalisierte Ängste scheinen mit
einer mangelnden Funktion des hemmenden GABA-Systems in Verbindung zu stehen. Hierbei scheinen
ausschließlich GABA-A-Benzodiazepin(BDZ)-Rezeptoren von Bedeutung zu sein. Benzodiazepine wirken
stimulierend auf den GABA-BDZ-Rezeptorkomplex, was u.a. ihre angstlösende und beruhigende Wirkung
erklärt. Zudem gibt es weit reichende Verbindungen des GABA-Systems mit dem noradrenergen und dem
serotonergen Neurotransmittersystem.
• noradrenerges System: Noradrenerge Bahnen (mit Ausgang im Locus caeruleus und Efferenzen in die meisten
Strukturen des Gehirns) scheinen bei Angstsymptomen eine entscheidende Rolle zu spielen. In Tierexperimenten
konnte gezeigt werden, dass eine durch elektrische Reize gesteigerte noradrenerge Aktivität zum Vollbild einer
Panikattacke führt. Eine fehlerhafte Regulation des Locus caeruleus wird daher diskutiert.
Angst
28
serotonerges System: Das Serotonin-
genauen Mechanismen sind jedoch noch nicht bekannt. Generell wird eine verminderte Funktion des serotonergen
Systems mit Phobien, sozialen Phobien und Zwangsneurosen in Verbindung gebracht. Menschen mit niedrigem
Serotonin-Spiegel reagieren gehemmt und ängstlich bis aggressiv. Auch bei Suizid-Patienten fand sich ein
erniedrigter Serotoninspiegel. Allerdings wurde auch schon eine Überfunktion des serotonergen Systems im
Zusammenhang mit Ängsten gefunden, so dass von einer differenzierten, wahrscheinlich strukturspezifischen und
modulatorischen Wirkung ausgegangen wird.
Typische Reaktionen auf angstauslösende Stimuli sind Sympathikus-Erregung und Vermeidungsverhalten. Die
autonome Sympathikusantwort und das Erkennen von Gefahrensignalen sind doppelt dissoziiert: Bei Schädigung der
Amygdala kann das Gefahrensignal benannt werden, aber eine körperliche Angstreaktion erfolgt nicht, während bei
Schädigung des Hippocampus die körperliche Angstreaktion ausgelöst wird, der Patient aber die Ursache nicht
erkennt.[19] Bei Säugetieren können die spontanen Angstreaktionen von neokortikalen Hirngebieten, insbesondere
dem präfrontalen Kortex (PFC), moduliert werden. Zum Beispiel werden Mäuse schmerzempfindlicher, wenn sie
zuvor die Schmerzreaktion einer anderen Maus beobachtet haben, aber nur, wenn es eine Bekannte war.[20] Auch
beim Menschen ist die empathische Angstreaktion kontextabhängig. So war im Experiment von Lanzetta und Englis
die Stärke der Angst eines Beobachters davon abhängig, ob das Modell in einem Spiel Gegner oder Mitstreiter
war.[21] Projektionen vom ventromedialen PFC zur Amygdala sind entscheidend beim Extinktionslernen.[22]
Lernprozesse
Jeder Mensch bringt eine für ihn typische Angstdisposition von Geburt an mit, die sich aber schon ab dem
Kleinkindalter und noch lebenslang durch entsprechende Lernprozesse erheblich verändern lässt. Jede Art von Angst
kann gelernt, aber auch verlernt werden. [23]
Hierbei spielen die Unterschiede zwischen den vielfältigen Formen der Angst eine wesentliche Rolle:[24] So ergeben
sich etwa gravierende Unterschiede sowohl in der Zielsetzung als auch in der Methode der Behandlung von
Neurotischen Ängsten, Panikattacken, Phobien oder Fürchten. Jeder Lernprozess zielt auf das Erreichen eines
möglichst realitätsgerechten, beherrschten mittleren Angstlevel ab, weil einerseits unangebrachte Ängste Energien
vergeuden und andererseits zu starke Ängste das Aktionspotenzial lähmen bzw. bei zu geringen Ängsten die
notwendige Warnfunktion und Schutzwirkung fehlt.[25]
Gefahrensignale im Gedächtnis vorzuhalten, hat offensichtlich Selektionsvorteile. Angst ist die gelernte Verbindung
von spezifischen Hinweisreizen in Ereignissen und deren schädlichen Konsequenzen. Ängste können auf
verschiedene Weisen gelernt werden, etwa durch eigene Erfahrung (Konditionierung), durch Beobachtung fremden
Verhaltens (Lernen am Modell) oder durch Instruktion (zum Beispiel Warnhinweise).[]
Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer
Ein klassisches und einflussreiches lerntheoretisches Modell der Angstentstehung und -aufrechterhaltung ist die
Zwei-Faktoren-Theorie von Mowrer (1960), die folgende Faktoren postuliert:
1. Klassische Konditionierung: Die Entstehung der Angst erfolgt durch klassische Konditionierung, indem ein
ursprünglich neutraler Reiz durch zeitgleiches Auftreten mit einer Angstreaktion zum konditionierten Angstreiz
wird (siehe das Little-Albert-Experiment).
2. Operante Konditionierung: Durch die Vermeidung des klassisch konditionierten Angstreizes (ein Objekt oder
eine bestimmte Situation, z.B. Straßenbahnfahren) kommt es zur Reduktion von Angst und Anspannung und
somit zur negativen Verstärkung und Aufrechterhaltung des Vermeidungsverhaltens und der Erwartungsangst.
Angst
29
Preparedness
Angst vor Spinnen, Schlangen und wütenden Gesichtern, können sehr viel leichter gelernt
werden als andere. Sie sind offenbar, wie Martin Seligman es nannte, „biologisch vorbereitet“. Dieses Phänomen
nannte er Preparedness. Dies ist auch der Fall, wenn die Reize unterschwellig dargeboten werden.[26] Neuzeitliche
Gefahrenquellen wie Schusswaffen oder defekte Elektrokabel sind jedoch nicht biologisch vorbereitet.[27]
E ! "
Philosophie
Die antike Stoa sah wie die Epikureer Angst als künstliche Emotion an, der mit Gelassenheit (Ataraxie) zu begegnen
sei. Die Epikureer strebten einen angstfreien Zustand an, indem sie zu zeigen versuchten, dass der Tod im Grunde
den Menschen nichts angehe, weil er kein Ereignis des Lebens sei. Die Angst vor den Göttern sollte dadurch
entmachtet werden, dass man für die Auffassung argumentierte, dass die Götter in einer abgetrennten Sphäre
existierten und sich für die Sterblichen nicht interessierten.
Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel gehört Angst zum notwendigen Übergang auf dem Weg des Bewusstseins
zum Selbstbewusstsein. Die Überwindung der Angst werde durch Arbeit vollzogen.
Im Anschluss an Søren Kierkegaard wird das Thema Angst zu einem Grundthema der Existenzphilosophie. So u.a.
bei Martin Heidegger, Karl Jaspers, Jean-Paul Sartre und Peter Wust.
Søren Kierkegaard unterschied u. a. in Der Begriff Angst (1844) erstmals die ungerichtete Angst von der auf einen
Gegenstand bezogenen Furcht. Für ihn war Angst die Angst vor dem Nichts und mithin der Ausdruck der
menschlichen Wahlfreiheit und Selbstverantwortlichkeit. Die Existenzangst sei eine allgemeine Erfahrung des
Menschen, der sich im Laufe seiner Phylogenese weitgehend aus der Verbundenheit mit der Natur gelöst habe. Aus
dem damit einhergehenden Verlust an Geborgenheit und den vielen Freiheitsmöglichkeiten („Schwindel der Freiheit“
nach Kierkegaard[28]) resultiere diese Angst.[29]
Martin Heidegger bestimmte Angst als eine Grundbefindlichkeit des Menschen, welche diesem die
Unabgeschlossenheit des eigenen Verständnishorizontes zum Gewahrsein bringe und ihn zur Entschlossenheit
befähige.[30][31]
„Die Angst vor dem Tode ist die Angst ‚vor‘ dem eigensten, unbezüglichen und unüberholbaren
Seinkönnen. Das Wovor dieser Angst ist das In-der-Welt-sein selbst. Das Worum dieser Angst ist das
Sein-können des Daseins schlechthin.“
– Martin Heidegger: Sein und Zeit (1927)[32]
Der christliche Existenzphilosoph Peter Wust sieht für den Menschen auf der Suche nach „Geborgenheit in der
Ungeborgenheit“ in der Gottes- und Glaubensgewissheit als „homo religiosus“ einen Weg aus der existenziellen
Angstkrise.[33]
Psychoanalytische Sicht
Sigmund Freud unterschied drei Ursachen der Angst:
• Die Realangst: Diese stellt sich bei äußerer Bedrohung in Gefahrensituationen ein, entspricht also der Furcht. Sie
soll Gefahren signalisieren und als Antwort darauf angepasste Reaktionen auslösen. Die natürlichen Reaktionen
sind Flucht, Ausweichen vor der Situation, Panik, Wut und Aggression. Dazu gehört auch die Vitalangst, welche
bei lebensbedrohlichen Erkrankungen und Situationen wie z. B. Angina pectoris oder Asthma bronchiale
auftritt.[34] Das Ausmaß der Realangst ist auch von Faktoren wie der psychovegetativen Verfassung (Erschöpfung
oder Auszehrung), der Persönlichkeit und Reaktionsbereitschaft, der Widerstandskraft und frühkindlichen
Angsterfahrungen abhängig. Angst erhöht die Anpassungsfähigkeit, indem sie das Erlernen neuer Reaktionen zur
Bewältigung von Gefahr motiviert. Sie kann aber auch bei zu großer Intensität zu in Bezug auf die
Gefahrenbewältigung unangepassten Reaktionen und selbstschädigendem Verhalten führen.[35]
Angst
#
30
Die Binnenangst bzw. neurotische Angst: Sie stellt sich ein, wenn das Ich von übermäßigen Triebansprüchen des
Es überwältigt zu werden droht.
• Die moralische Angst: Sie tritt auf, wenn das Über-Ich mit Strafe wegen Verletzungen von Regeln und Tabus
droht, und äußert sich in Scham oder Schuldgefühlen.
Zur Verteidigung gegen diese Ängste stehen dem Ich mehrere Abwehrmechanismen zur Verfügung, die Anna Freud
in ihrem Buch Das Ich und die Abwehrmechanismen (1936) dargestellt hat.
Der Psychiater und Psychoanalytiker Stavros Mentzos hält die Angst aufgrund der sie „begleitenden vegetativen
Erscheinungen sowie analoger Erscheinungen bei Tieren“ für ein „angeborenes und biologisch verankertes
Reaktionsmuster“ und vergleicht sie mit der Schmerzreaktion.[36] Im Anschluss an die Verhaltenstherapie fragt er
sich, „ob nicht die Angst ein regelrechter Instinkt ist“.[37]
Formen des Angstverhaltens
Im Umgang mit der Angst entwickeln Menschen entsprechend ihrer angeborenen Gefühlsstruktur und ihres erlernten
Risikomanagements ein breites Spektrum an Verhaltensmustern, die sich nicht immer stabil zeigen, sondern
entsprechend der jeweiligen Angst auslösenden Situation erheblich variieren können. Der Wagnisforscher Siegbert
A. Warwitz unterscheidet dabei acht typische „Einstellungstendenzen“, die sich in die Richtungen „Fluchtreflex“,
„Angriffshaltung“, „Überhöhung“ oder „Verharmlosung“ bewegen:[38]
• Das Vermeidungsverhalten versucht, Angst induzierenden Ereignissen, Räumen oder Personen möglichst
auszuweichen.
• Das Bagatellisierungsverhalten ist bestrebt, die als peinlich erlebten Angstgefühle vor sich und anderen
herunterzuspielen.
• Das Verdrängungsverhalten versucht, der gestellten Aufgabe hinderliche Angstgefühle zu unterdrücken oder
wegzuschieben.
• Das Leugnungsverhalten blendet Anzeichen von Angst aus dem Bewusstsein aus oder versteckt die als Schwäche
empfundenen Angstgefühle vor anderen.
• Das Übertreibungsverhalten wiederholt und überzieht Sicherheitsvorkehrungen zur Beruhigung der angespannten
Gefühlslage.
• Das Generalisierungsverhalten folgt dem Denkschema von Ängsten als „normaler“ Erscheinung, um sich aus
einer erlebten Sonderstellung zu befreien. ("Jeder hat doch Angst")
• Das Bewältigungsverhalten bemüht sich um ein realitätsgerechtes Maß an Angst und um ein „funktionierendes
Angstgewissen“.
• Das Heroisierungsverhalten nimmt die emotionale Befindlichkeit der Angst an, sucht sie sogar und empfindet
dabei ein gewisses Heldentum.
Literatur
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• Borwin Bandelow, Peter Palm (Illustrationen): Das Angstbuch. Woher Ängste kommen und wie man sie
bekämpfen kann. rororo 61949, Reinbek bei Hamburg 2004, ISBN 3-499-61949-0
• Christoph J. Kemper: Das Persönlichkeitsmerkmal Angstsensitivität: Taxon oder Dimension? - Eine Analyse mit
dem Mischverteilungs-Raschmodell. Dr. Kovac, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-5119-0.
• Søren Kierkegaard, Uta Eichler (Hrsg.): Der Begriff Angst. (Originaltitel: Begrebet angest, übersetzt von Gisela
Perlet) Reclam RUB 8792, Stuttgart 1992, ISBN 3-15-008792-9
• Heinz W. Krohne: Angst und Angstbewältigung. Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln 1996, ISBN 3-17-013039-0.
• Heinz W. Krohne: Psychologie der Angst. Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-020805-6.
Angst
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1999, ISBN 3-8017-0969-8
Jörg Manthey: F41: Angststörungen, Teil 1: Leben mit Ängsten in der Gesellschaft. epubliVerlag 2010, ISBN
978-3-86931-966-7
Stavros Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter
Berücksichtigung neuer Perspektiven, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-42239-6
Winfried Panse, Wolfgang Stegmann: Kostenfaktor Angst. Wie Ängste in Unternehmen entstehen. Warum Ängste
die Leistung beeinflussen. Wie Ängste wirksam bekämpft werden. Moderne Industrie, Landsberg 1996, ISBN
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Theo R. Payk: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. 131 Tabellen. In: Checklisten der aktuellen Medizin. 3.
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Fritz Riemann: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie. 39. Auflage. Reinhardt, München
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Weblinks
• Teufelskreis der Angst [39] - Erinnerungen werden intensiver gespeichert, wenn eine schreckliche Erfahrung
erwartet wird Telepolis
• Übersicht Angststörungen (ZPID) [40]
• Das deutschsprachige State-Trait Angst Inventar [41] (PDF; 121 kB) – Darstellung der Universität Trier
Einzelnachweise
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[7] Siegbert A. Warwitz: Vom Sinn des Wagens. Warum Menschen sich gefährlichen Herausforderungen stellen. In: DAV (Hrsg) Berg 2006.
München-Innsbruck-Bozen 2005, ISBN 3-937530-10-X, S. 96–111.
[8] Christoph J. Kemper: Das Persönlichkeitsmerkmal Angstsensitivität: Taxon oder Dimension? - Eine Analyse mit dem
Mischverteilungs-Raschmodell, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8300-5119-0.
[9] Yerkes, R.M. & Dodson, J.D.: The relation of strength of stimulus to rapidity of habit-formation. Journal of Comparative Neurology and
Psychology, 18 (1908) 459-482
[10] Siegbert A. Warwitz: Die Funktion von Angst und Furcht. In: Ders.: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Baltmannsweiler
(Schneider) 2001. Seiten 32-39
[11] R. M. Nesse: The smoke detector principle. Annals of the New York Academy of Sciences 935, 2001, S. 75-85
[12] Vgl. Klaus Dörner, Ursula Plog: Irren ist menschlich: Lehrbuch der Psychiatrie/Psychotherapie. Bonn 1996, S. 41 f. ISBN 3-88414-183-X
[13] Vgl. Anton Hügli, Poul Lübcke (Hrsg.): Philosophie-Lexikon, Reinbek bei Hamburg 1998, S. 39f ISBN 3-499-55453-4
Angst
[14] Mujica-Parodi et al., Chemosensory Cues to Conspecific Emotional Stress Activate Amygdala in Humans, PLoS One. 2009; 4(7): e6415.
[15] „Angststörung kann Schmerzen bereiten“, Ärzte Zeitung, 18. Januar 2007, S. 11
[16] Analyse der Einweisungsdiagnose in einer universitären Schmerzambulanz unter dem besonderen Aspekt des Anteils therapiebedürftiger
psychischer Störungen (u. a. Angst) bei Patienten mit (chr. Schmerzen) (http:/ / www. angelfire. com/ sc/ naturheilverfahren/
DissertationWettig. pdf), Dissertation, 2002, PDF, etwa 2,5 MB
[17] http:/ / www. nature. com/ nature/ journal/ vaop/ ncurrent/ full/ nature07166. html 25-07-2008
[18] Rudolf Marx: Angststörungen - eine Einführung. In: Beiglböck et al.: Handbuch der klinisch-psychologischen Behandlung. 2. Aufl. 2006,
Wien: Springer, S. 197-203. ISBN 3-211-23602-3.
[19] A. Bechara et al. (1995). Double dissociation of conditioning and declarative knowledge relative to the amygdala and hippocampus in
humans. Science, 269, S. 1115-1118
[20] D. J. Langford (2006). Social modulation of pain as evidence for empathy in mice. Science, 312, S. 1967-1970
[21] Lanzetta & Englis (1989). Expectations of cooperation and competition and their effects on observers' vicarious emotional responses.
Journal of Personality and Social Psychology, 56, S. 534-554
[22] E. Phelps et al. (2004). Extinction learning in humans: role of the amygdala and vmPFC. Neuron, 43, S. 897-905
[23] Siegbert A. Warwitz: Angst vermeiden - Angst suchen - Angst lernen. In: Sache-Wort-Zahl 112 (2010)10–15
[24] Fritz Riemann: Grundformen der Angst. Eine tiefenpsychologische Studie. 39. Auflage. Reinhardt, München 2009. ISBN 3-497-00749-8
[25] Siegbert A. Warwitz: Das Feld der Angstgefühle. In: Ders.: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Baltmannsweiler 2001.
Seiten 36-37 ISBN 3-89676-358-X
[26] M. Seligman (1971). Phobias and preparedness. Behavior Therapy, S. 307–321
[27] Öhman & Mineka (2001). Fears, phobias, and preparedness: toward an evolved module of fear and fear learning, Psychological Review,
108, S. 483-522
[28] Søren Kierkegaard: Der Begriff Angst, 1844, Reclam, Ditzingen, 1992, S. 57
[29] Rainer Tölle: Psychiatrie, 7. Aufl, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo, 1985, S. 72
[30] Anton Hügli, Poul Lübcke (Hrsg.): Philosophie-Lexikon, Reinbek bei Hamburg 1998, S. 39f ISBN 3-499-55453-4
[31] BROCKHAUS Philosophie, Mannheim 2004, S. 21 ISBN 3-7653-0571-5
[32] Martin Heidegger: Sein und Zeit, Tübingen 1993, S. 251 ISBN 3-484-70122-6
[33] Peter Wust: Ungewissheit und Wagnis. Der Mensch in der Philosophie. Neubearbeitete 9. Auflage (LIT-Verlag) Münster 2002. ISBN
3-8258-6066-3
[34] Peter Ziese: Leben ohne Angst. Wie Sie Ängste und Neurosen überwinden können, Pabel-Moewig Verlag, 1999, S. 47
[35] Philip. G. Zimbardo: Psychologie, 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin - Heidelberg - New York - Tokyo, 1983, S. 376
[36] Stavros Mentzos, Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer
Perspektiven, Frankfurt am Main 1984, S. 30
[37] Stavros Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung, Einführung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berücksichtigung neuer
Perspektiven, Frankfurt am Main 1984, S. 30
[38] Siegbert A. Warwitz: Formen des Angstverhaltens. In: Ders.: Sinnsuche im Wagnis. Leben in wachsenden Ringen. Baltmannsweiler 2001.
Seite 34-39. ISBN 3-89676-358-X
[39] http:/ / www. heise. de/ tp/ r4/ artikel/ 23/ 23515/ 1. html
[40] http:/ / www. zpid. de/ redact/ category. php?cat=58
[41] http:/ / jan. seifseit. de/ skripte/ originale/ Das%20deutschsprachige%20State-Trait%20Angst%20Inventar. pdf
32
Depression
33
Depression
An der Schwelle zur Ewigkeit. Gemälde von Vincent van
Gogh, 1890
Klassifikation nach ICD-10
F31.- Gruppe: Bipolare affektive Störung
F32.- Gruppe: Depressive Episode
F33.- Gruppe: Rezidivierende Depressive Störung
F34.- Gruppe: Anhaltende affektive Störungen
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
[1]
Die Depression ist eine psychische Störung mit Zuständen psychischer Niedergeschlagenheit als Leitsymptom. Der
Begriff leitet sich von lateinisch deprimere ‚niederdrücken‘ ab. In der Psychiatrie wird die Depression den affektiven
Störungen zugeordnet. Im gegenwärtig verwendeten Klassifikationssystem psychischer und anderer Erkrankungen
(ICD 10) lautet die Krankheitsbezeichnung der häufigsten Formen der Depression: depressive Episode oder
rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung. Die Diagnose wird nach Symptomen und Verlauf gestellt.
Zur Behandlung depressiver Störungen werden nach Aufklärung über die Ursachen und den Verlauf der
Erkrankung Antidepressiva eingesetzt, aber je nach Schweregrad auch reine Psychotherapie ohne Medikation, wie
beispielsweise kognitive verhaltenstherapeutische oder tiefenpsychologisch fundierte Verfahren. Obgleich im
alltäglichen Sprachgebrauch der Begriff depressiv beispielsweise für eine Verstimmung häufig Verwendung findet,
handelt es sich bei der Depression im psychiatrischen Sinne um eine ernste behandlungsbedürftige Erkrankung,
deren Symptome sich der Beeinflussung durch reine Willenskraft entziehen.[2]
Depression
Symptome
Die Depression ist charakterisiert durch Stimmungseinengung (Verlust der Fähigkeit zu Freude oder Trauer;
Verlust der affektiven Resonanz, d. h. die Stimmung des Patienten ist durch Zuspruch nicht aufzuhellen) oder bei
einer schweren Depression dem „Gefühl der Gefühllosigkeit“ bzw. dem Gefühl anhaltender innerer Leere. Schwer
depressiv Erkrankte empfinden oft eine völlige Sinnlosigkeit ihres Lebens. Häufig führt dieser qualvolle Zustand zu
latenter oder akuter Suizidalität.[3] Man geht davon aus, dass rund die Hälfte der Menschen, die einen Suizid
begehen, an einer Depression gelitten haben. 2010 verübten in Deutschland rund 7.000 Menschen mit Depression
Suizid.[4] Bei der Depression handelt es sich daher um eine sehr ernste Erkrankung, die umfassender Therapie
bedarf.[5][6]
Ein weiteres typisches Symptom ist die Antriebshemmung.[7] Die Hemmung von Bewegung und Initiative geht
häufig mit innerer Unruhe einher, die körperlich als ein Leibgefühl wahrgenommen wird und sehr quälend sein
kann (stumme Exzitation, lautlose Panik).[8] Der Schlaf ist gestört in Form von vorzeitigem Erwachen, mindestens 2
Stunden vor der gewohnten Zeit. Diese Schlafstörungen sind Ausdruck eines gestörten 24-Stunden-Rhythmus.
Häufig geht es dem Kranken vormittags besonders schlecht (Morgentief). Die Störung des chronobiologischen
Rhythmus ist ebenfalls ein charakteristisches Symptom. Bei einer seltenen Krankheitsvariante verhält es sich
umgekehrt: Es tritt ein sogenanntes „Abendtief“ auf, d. h. die Symptome verstärken sich gegen Abend und das
Einschlafen ist erschwert oder erst gegen Morgen möglich. Charakteristisch sind weiter übertriebene Sorge um die
Zukunft, unter Umständen übertriebene Beunruhigung durch Bagatellstörungen im Bereich des eigenen Körpers
(siehe Hypochondrie), das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Minderwertigkeit, Gefühl der Hilflosigkeit oder
tatsächliche Hilflosigkeit, sowie soziale Selbstisolation, Selbstentwertung und übersteigerte Schuldgefühle, dazu
Müdigkeit, verringerte Konzentrations- und Entscheidungsfähigkeit, das Denken ist verlangsamt (Denkhemmung),
sinnloses Gedankenkreisen (Grübelzwang), dazu Störungen des Zeitempfindens. Häufig bestehen Reizbarkeit und
Ängstlichkeit. Negative Gedanken und Eindrücke werden über- und positive Aspekte nicht adäquat bewertet. Das
Gefühlsleben ist eingeengt, was zum Verlust des Interesses an der Umwelt führen kann. Auch kann sich das sexuelle
Interesse vermindern oder erlöschen (Libidoverlust). Bei einer schweren depressiven Episode kann der Erkrankte in
seinem Antrieb so gehemmt sein, dass er auch einfachste Tätigkeiten wie Körperpflege, Einkaufen oder Abwaschen
nicht mehr verrichten kann.
Depressive Erkrankungen gehen mit körperlichen Symptomen einher, sogenannten Vitalstörungen, wie
Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme („Kummerspeck“), häufig auch mit
Schmerzen in ganz unterschiedlichen Körperregionen, am typischsten mit einem quälenden Druckgefühl auf der
Brust.
Während einer depressiven Episode ist die Infektionsanfälligkeit erhöht.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Die Symptomatik einer Depression kann sich bei Frauen und Männern auf unterschiedliche Weise ausprägen. Bei
den Kernsymptomen sind die Unterschiede gering. Während bei Frauen eher Phänomene wie Mutlosigkeit und
Grübeln verstärkt zu beobachten sind, gibt es bei Männern deutliche Hinweise darauf, dass eine Depression sich
auch in einer Tendenz zu aggressivem Verhalten niederschlagen kann.[9] In einer Untersuchung bei stationär
behandelten Patienten fanden sich bei Männern neben einer vermehrten Klage über Schlaflosigkeit auch deutlich
mehr Anzeichen von Reizbarkeit, Verstimmung, schnellem Aufbrausen, Wutanfällen, Unzufriedenheit mit sich und
anderen, Neigung zu Vorwürfen und nachtragendem Verhalten, erhöhter Risikobereitschaft,[10] exzessivem
Sporttreiben, sozial unangepasstem Verhalten, ausgedehntem Alkohol- und Nikotinkonsum sowie einem erhöhten
Selbsttötungsrisiko. Dieses Syndrom wird auch als Male Depression bezeichnet.[11]
34
Depression
35
Kinder und Jugendliche
Im Entwicklungsverlauf zeigt sich eine Depression in unterschiedlichen Symptomen und Ausprägungen, die grob in
verschiedene Phasen zu unterscheiden sind. Ein Kleinkind im Alter von ein bis drei Jahren hat noch nicht die
Fähigkeit, sich differenziert zu seinem Befinden zu äußern. Eine Depression erkennt man bei ihm an einem
ausdruckslosen Gesicht, erhöhter Irritabilität, und einem gestörten Essverhalten. Das Kind wirkt insgesamt traurig
und entwickelt ein selbststimulierendes Verhalten. Dabei besonders auffällig sind beispielsweise Jactatio capitis oder
exzessives Daumenlutschen; auch kann genitale Selbstmanipulation früh einsetzen. Das Spielverhalten zeichnet sich
durch mangelnde Kreativität oder verminderte Ausdauer aus. Auch kann das Kleinkind eine generelle Spielunlust
oder eine generell mangelnde Phantasie entwickeln.
Vorschulkinder zeigen ein trauriges Gesicht und eine verminderte Mimik und Gestik. Sie sind leicht irritierbar und
stimmungslabil. Sie können sich nicht freuen, und zeigen introvertiertes oder aggressives Verhalten. Sie sind
weniger an motorischer Aktivität interessiert und können stark an Gewicht ab- oder zunehmen. Auch können sie eine
Schlafstörung entwickeln. Sie können dann nicht ein- oder durchschlafen oder haben Albträume.
Schulkinder können meist schon verbal über ihre Traurigkeit berichten. Zusätzlich können sie Suizidgedanken und
Schulleistungsstörungen entwickeln. Auch können sie Befürchtungen entwickeln, von ihren Eltern nicht genügend
beachtet zu werden.
Jugendliche in der Pubertät zeigen häufig ein vermindertes Selbstvertrauen, sind apathisch, haben Ängste und
Konzentrationsmängel. Auch Jugendliche können Leistungsstörungen entwickeln und zirkadiane Schwankungen des
Befindens zeigen. Auch psychosomatische Störungen können hier Anzeichen für eine Depression sein, wie zum
Beispiel Kopf- oder Rückenschmerzen oder Störungen des Verdauungstraktes. Jugendliche zeigen hierbei schon die
Kriterien der depressiven Episode, wie sie bei Erwachsenen zu erkennen sind.[12]
Diagnose
Klassifikation nach ICD-10
F32.0 Leichte depressive Episode (Der Patient fühlt sich krank und sucht ärztliche Hilfe, kann aber trotz Leistungseinbußen seinen
beruflichen und privaten Pflichten noch gerecht werden, sofern es sich um Routine handelt.)
F32.1 Mittelgradige depressive Episode (Berufliche oder häusliche Anforderungen können nicht mehr oder – bei
Tagesschwankungen – nur noch zeitweilig bewältigt werden).
F32.2 Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (Der Patient bedarf ständiger Betreuung. Eine
Klinik-Behandlung wird notwendig, wenn das nicht gewährleistet ist).
F32.3 Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (Wie F.32.2, verbunden mit Wahngedanken, z. B. absurden
Schuldgefühlen, Krankheitsbefürchtungen, Verarmungswahn u. a.).
F32.8 Sonstige depressive Episoden
F32.9 Depressive Episode, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
[1]
Da die Depression eine sehr häufige Erkrankung ist, sollte sie bereits vom Hausarzt erkannt werden, was aber nur in
etwa der Hälfte aller Fälle gelingt. Manchmal wird die Diagnose erst von einem Psychiater, von einem Arzt für
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder von einem psychologischen Psychotherapeuten gestellt. Wegen
der besonderen Schwierigkeiten der Diagnostik und Behandlung von Depressionen im Kindesalter sollten Kinder
und Jugendliche mit einem Verdacht auf eine Depression grundsätzlich einem Kinder- und Jugendlichenpsychiater
oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten vorgestellt werden.
Verbreitete Verfahren zur Einschätzung des Schweregrades einer depressiven Episode sind die
Hamilton-Depressionsskala (HAMD), ein Fremdbeurteilungsverfahren, das Beck-Depressions-Inventar (BDI), ein
Depression
Selbstbeurteilungsverfahren, und das Inventar depressiver Symptome (IDS), welches in einer Fremd- und einer
Selbstbeurteilungsversion vorliegt.
Mitunter wird eine Depression von einer anderen Erkrankung überdeckt und nicht erkannt. Eine Depression kann
sich auch vorwiegend durch körperliche Symptome – oft Schmerzen – äußern und wird dann als „larvierte
Depression“ bezeichnet (die Depression versteckt sich hinter den körperlichen Symptomen wie hinter einer Larve).
In der ICD-10 fallen Depressionen unter den Schlüssel F32.- und werden als „depressive Episode“ bezeichnet. Im
Falle sich wiederholender Depressionen werden diese unter F33.- klassifiziert, bei Wechsel zwischen manischen und
depressiven Phasen unter F31.-. Die ICD-10 benennt drei typische Symptome der Depression: depressive Stimmung,
Verlust von Interesse und Freude sowie eine erhöhte Ermüdbarkeit. Für die Diagnose leichter und mittlerer Episoden
schreibt die ICD-10 wenigstens zwei dieser typischen Symptome (in Verbindung mit zwei bzw. mindestens drei
weniger typischen Symptomen) vor, für schwere Episoden müssen alle drei typischen Symptome vorhanden sein
(zusätzlich wenigstens vier weniger typische Symptome).[13] Eine ähnliche Einteilung nach dem Schweregrad der
Erkrankung (in major depressive disorder und minor depressive disorder) ist in der amerikanischen Literatur und
Klassifikation DSM-IV-TR üblich.
Für Kinder und Jugendliche gelten die gleichen Diagnoseschlüssel wie für Erwachsene. Allerdings kann bei Kindern
eine ausgesprochene Verleugnungstendenz vorliegen, und sie können große Schamgefühle haben. In einem solchen
Fall kann Verhaltensbeobachtung und die Befragung der Eltern hilfreich sein. Hierbei wird häufig auch die familiäre
Belastung in Hinblick auf depressive Störungen sowie anderen Störungen exploriert. Im Zusammenhang mit
Depression wird oft eine Anamnese des Familiensystems nach Beziehungs- und Bindungsstörungen sowie
frühkindlichen Deprivationen oder auch seelischen, körperlichen und sexuellen Misshandlungen erstellt.
Zu den weiteren diagnostischen Schritten kann auch eine Befragung der Schule oder des Kindergartens hinsichtlich
der Befindlichkeit des Kindes oder Jugendlichen zählen. Häufig wird auch eine orientierende Intelligenzdiagnostik
durchgeführt, welche eine eventuelle Über- oder Unterforderung aufdecken soll. Spezifische Testverfahren für
Depression im Kindes- und Jugendalter sind das Depressions-Inventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ) von J.
Stiensmeier-Pelster, M. Schürmann und K. Duda und der Depressions-Test für Kinder (DTK) von P. Rossmann.
Ausschlussdiagnosen
•
•
•
•
Perniziöse Anämie, Vitamin-B12-Mangel
Erkrankung der Schilddrüse
sonstige Anämie[14][15]
Fruktosemalabsorption
Verbreitung und Epidemiologie
Die Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Das deutsche
Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass in Deutschland vier Millionen Menschen von einer Depression
betroffen sind und dass gut zehn Millionen Menschen bis zum 65. Lebensjahr eine Depression erlitten haben. Aber
die Zahlen schwanken. Das hängt zum einen mit der hohen Dunkelziffer zusammen (viele Depressionen werden
nicht als solche erkannt) und zum anderen mit der Definition der Krankheit. Der britische NHS erklärt in einer groß
angelegten Informationskampagne hingegen, dass fast jeder Mensch in seinem Leben mindestens einmal an
Depression leide. Diese Kampagne richtet sich insbesondere an Männer, die sich ihrer Krankheit meist schämen,
diese verheimlichen und so nicht die nötige Hilfe erhalten.
Bei Frauen werden Depressionen im Durchschnitt doppelt so oft wie bei Männern diagnostiziert.[16] Früher ging man
von einer verstärkten genetischen Disposition von Frauen zur Depression aus. Heute weiß man jedoch, dass Männer
genau so häufig von einer Depression betroffen sind, diese aufgrund der unterschiedlichen Symptomatik oft jedoch
nicht richtig diagnostiziert wird.[10]
36
Depression
Eine reine Depression im Kindesalter ist selten. Bei Vorschulkindern beträgt sie weniger als 1 % und steigt bei
Schulkindern auf 2–3 %. Bei Jugendlichen wird eine Häufigkeit von 7–13 % angegeben. Das Geschlechterverhältnis
ändert sich in der Adoleszenz von einem Übergewicht bei Jungen vor der Pubertät zur Dominanz bei Mädchen ab
dem zwölften Lebensjahr. Bei diesen Zahlen muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine Diagnose vor allem
im Vorschulalter sehr schwierig ist. Es treten häufige Komorbiditäten auf.[17][18]
Entwicklung
Die Krankheitslast durch Depressionen, etwa in Form von
Arbeitsunfähigkeiten,
stationären
Behandlungen
und
Frühverrentungen, ist in Deutschland in den letzten Jahren stark
angestiegen.[19][20][21] Dies entspricht einem weltweiten Trend, über
dessen Gründe noch diskutiert wird. Es wird angenommen, dass sich
die tatsächliche Krankheitshäufigkeit deutlich weniger gravierend
Rentenzugänge aufgrund psychischer Störungen
verändert hat und das vermehrte Auftreten durch eine bessere
in Deutschland 2000–2010
Erkennung und weniger Stigmatisierung von Menschen mit
psychischen Störungen herrührt.[22] Auch die mit der Zeit niedrigschwelliger gewordenen Diagnose-Kriterien für
eine psychische Störung werden als Teilursache kritisch diskutiert.[23] Ergebnisse von Langzeitstudien sprechen
jedoch auf der anderen Seite eher für einen echten Anstieg, der mit verschiedenen gesellschaftlichen
Einflussfaktoren in Zusammenhang gebracht wird.[24][25][26] Auch in Deutschland scheinen nach
Krankenkassendaten jüngere Generationen gefährdeter zu sein, im Laufe ihres Lebens eine psychische Störung zu
erleiden.[27]
Unterschiedliche Formen
Die älteren Bezeichnungen unterscheiden zwischen endogener Depression (endogen bedeutet innen entstanden;
infolge veränderter Stoffwechselvorgänge im Gehirn; im klinischen Alltag als eine Form der affektiven Psychose
bezeichnet), die ohne erkennbare Ursache auftritt (und bei der auch eine genetische Mitverursachung vermutet wird),
neurotische Depression – oder auch Erschöpfungsdepression – (verursacht durch länger andauernde belastende
Erfahrungen in der Lebensgeschichte) und reaktive Depression – als Reaktion auf ein aktuell belastendes Ereignis.
Gegenwärtig ist das deskriptiv (beschreibend) ausgerichtete Diagnose-Schema nach ICD-10 in der psychiatrischen
Wissenschaft verbindlich. Es trennt lediglich zwischen depressiven Episoden und rezidivierenden depressiven
Störungen. Die Schwere der Depression wird mit leichte, mittelgradige und schwere depressive Episode
unterschieden, letztere noch nach mit und ohne psychotische Symptome differenziert (siehe auch: Diagnose).
Dysthymia ist die chronische Form einer depressiven Verstimmung, die nicht alle diagnostischen Kriterien für das
Vollbild der Depression erfüllt. Nach ICD-10 Diagnose-Schema wird die chronische Depression nach Schwere und
Dauer eingestuft in Dysthymie oder rezidivierende Depression. Hier ist die DSM-IV genauer, da zu bestehenden
chronischen depressiven Verstimmungen noch phasenweise zusätzliche Depressionen hinzukommen können.
Innerhalb der DSM-IV wird dies dann „double depression“ genannt.
Depressive Reaktion (ICD-10) ist die frühere reaktive Depression.
Bei der selteneren bipolaren affektiven Störung erkrankt der Patient im Wechsel an Depression und Manie. Die
frühere Bezeichnung dieses Krankheitsbildes lautete manisch-depressive Erkrankung. Auch hier ist der Begriff
„affektive Psychose“ noch gebräuchlich. In abgeschwächter, aber über Jahre sich hinziehender Ausprägung werden
diese bipolaren Schwankungen Zyklothymia genannt.
Die Winterdepression ist eine saisonal auftretende Form, für die ein Mangel an Sonnenlicht ursächlich zu sein
scheint.
37
Depression
Die Bezeichnung Altersdepression ist irreführend, da sich eine depressive Episode im Alter nicht von der in jungen
Jahren unterscheidet. Allerdings erkranken Ältere häufiger an einer Depression als Jüngere.
Die Schwangerschaftsdepression kommt häufig aufgrund einer Anpassungsstörung während der Schwangerschaft
zustande.
Bei etwa 10 bis 15 % der Frauen kommt es nach einer Geburt zu einer postpartalen Depression.[28]
Anaklitische Depression
Eine Sonderform der Depression ist die anaklitische Depression (Anaklise = Abhängigkeit von einer anderen Person)
bei Babys und Kindern, wenn diese allein gelassen oder vernachlässigt werden. Die anaklitische Depression äußert
sich durch Weinen, Jammern, anhaltendes Schreien und Anklammern und kann in psychischen Hospitalismus
übergehen.
Somatisierte Depression
Die somatisierte (≠somatische) Depression (auch maskierte bzw. larvierte Depression genannt) ist eine Depression,
bei der körperliche Beschwerden das Krankheitsbild prägen. Die depressive Symptomatik bleibt unterschwellig.
Beschwerdeschilderungen sind Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Beklemmungen in der Brustregion,
Schwindelempfindungen und vieles mehr. Die unterschiedlichsten körperlichen Empfindungen können
„Präsentiersymptome“ einer Depression werden. Die Häufigkeit der maskierten Depression in der Hausarztpraxis
kann bis 14 % betragen (jeder siebte Patient).[29][30]
Organische Depression
Organische Depression nennt man depressive Symptome, die durch eine körperliche Erkrankung hervorgerufen
werden (z. B. durch eine Hypothyreose), durch Schilddrüsenfunktionsstörungen, Hypophysen- oder
Nebennierenerkrankungen oder Frontalhirnsyndrom. Nicht zur organischen Depression zählen Depressionen im
Gefolge von hormonellen Umstellungen, z. B. nach der Schwangerschaft oder in der Pubertät.
Agitierte Depression
Die zur depressiven Symptomatik gehörende innere Unruhe kann gelegentlich so gesteigert sein, dass eine
Erscheinungsform entsteht, die agitierte Depression genannt wird. Der Patient wird getrieben von einem rastlosen
Bewegungsdrang, der ins Leere läuft. Zielgerichtete Tätigkeiten sind nicht mehr möglich. Der Kranke läuft umher,
kann nicht still sitzen und kann auch Arme und Hände nicht still halten, was häufig mit Händeringen und Nesteln
einhergeht. Auch das Mitteilungsbedürfnis ist gesteigert und führt zu ständigem, einförmigen Jammern und Klagen.
Die agitierte Depression tritt bei älteren Menschen vergleichsweise häufiger auf als in jüngerem und mittlerem
Alter.
Atypische Depression
„Atypisch“ bezieht sich dabei auf die Abgrenzung zur endogenen Depression und nicht auf die Häufigkeit dieses
Erscheinungsbildes einer Depression. Etwa 15–40 % aller depressiven Störungen sind „atypische Depressionen“. In
einer aktuellen Studie aus Deutschland betrug der Anteil atypischer Depressionen 15,3 %. Patienten mit atypischer
Depression hatten im Vergleich zu den anderen depressiven Patienten eine höhere Wahrscheinlichkeit, an
somatischen Angstsymptomen, somatischen Symptomen, Schuldgedanken, Libidostörungen, Depersonalisation und
Misstrauen zu leiden.[31]
38
Depression
Ursachen
Die Ursachen depressiver Erkrankungen sind komplex und nur teilweise verstanden. Es wird von einem
Zusammenwirken mehrerer Ursachen ausgegangen. Es werden sowohl biologische Faktoren wie Prädispositionen,
Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung in der Adoleszenz und somit individuelle kognitive
Verarbeitungsmuster als auch aktuelle, belastende Ereignisse als Auslöser angesehen.
Genetische Ursachen
Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien belegen eine genetische Disposition für Depression. Zwillingsstudien
zeigen, dass im Vergleich zu Effekten der gemeinsamen familiären Umgebung genetischen Faktoren eine
entscheidende Bedeutung zukommt.[32] So sei das Risiko für Kinder, bei denen ein Elternteil depressiv erkrankt ist,
bei 10–15 %, ebenfalls zu erkranken, und bei vorhandener Erkrankung beider Elternteile bei 30–40 %.
Die Zwillingsstudien zeigen umgekehrt auch, dass die genetische Komponente nur ein Teilfaktor ist. Selbst bei
identischer genetischer Ausstattung (eineiige Zwillinge) erkrankt der Zwillingspartner des depressiven Patienten in
weniger als der Hälfte der Fälle. Beim Entstehen einer Depression spielen immer auch Umweltfaktoren eine Rolle.
Darüber, wie die mögliche genetische Grundlage der Depression allerdings aussehen könnte, besteht keine Einigkeit.
Einvernehmen herrscht nur darüber, dass es ein isoliertes „Depressions-Gen“ nicht gibt.
Zu bedenken ist, dass zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren komplizierte Wechselbedingungen
(Genom-Umwelt-Kovarianz) bestehen können. So können genetische Faktoren z. B. bedingen, dass ein bestimmter
Mensch durch eine große Risikobereitschaft sich häufig in schwierige Lebenssituationen manövriert.[33] Umgekehrt
kann es von genetischen Faktoren abhängen, ob ein Mensch eine psychosoziale Belastung bewältigt oder depressiv
erkrankt.
Konkrete genetische Befunde bei der unipolaren Depression
Ein wesentlicher genetischer Vulnerabilitätsfaktor für das Auftreten einer Depression wird in einer Variation in der
Promotorregion des Serotonin-Transportergens 5-HTTLPR vermutet.
5-HTTLPR steht dabei für Serotonin (5-HT) Transporter (T) Length (L) Polymorphic (P) Region (R). Das Gen
befindet sich auf dem Chromosom 17q11.1–q12. Es kommt in der Bevölkerung in unterschiedlichen Formen vor
(sogenannter „unterschiedlicher Längenpolymorphismus“ mit einem sogenannten „kurzen“ und einem „langen
Allel“). Träger des kurzen Allels reagieren empfindsamer auf psychosoziale Stressbelastungen und haben damit ein
unter Umständen doppelt so großes Risiko (Disposition), an einer Depression zu erkranken, wie die Träger des
langen Allels. Zudem soll das Gen für den Serotonin-Transporter auch die Entwicklung und die Funktion eines
wichtigen Emotionsschaltkreises zwischen Amygdala (Mandelkern) und dem vorderen subgenualen cingulären
Cortex beeinflussen. Dabei wird diskutiert, dass bei den Trägern des kurzen Allels die physiologische
„Bremsfunktion“ des Gyrus cinguli (Gürtelwindung) auf die stressbedingten „negativen“ Angstgefühle in den
Mandelkernen nicht ausreichend stattfinden kann. Da die negativen Gefühle somit nicht ausreichend gedämpft
werden können, komme es schließlich zu einer depressiven Stimmung[34] (vgl. auch Imaging Genetics).
In einer Meta-Analyse, die im Juni 2009 im Journal of the American Medical Association erschienen ist,[35] wurden
die Daten von mehr als 14.000 Menschen aus 14 zuvor veröffentlichten Studien auf diesen Zusammenhang hin
untersucht. Insgesamt konnte kein erhöhtes Risiko für depressive Erkrankungen mit der Ausprägung des
Serotonintransportergens 5-HTTLPR in Zusammenhang gebracht werden. Auch wenn die Anzahl der schweren
Lebensereignisse der Menschen mit dem Genotyp kombiniert wurde, gab es keinen statistisch signifikanten
Zusammenhang. Insbesondere konnten die Funde von Avshalom Caspi, 2003 in Science publiziert,[36] nicht
repliziert werden. Er und seine Kollegen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einer zunehmenden Anzahl
von Short-Allelen (also LL < LS/SL < SS) das Erkrankungsrisiko mit der Anzahl der Lebensereignisse weiter steigt.
Von den 13 anderen analysierten Studien haben zwei den gegenteiligen Effekt gefunden, also ein verringertes
Erkrankungsrisiko bei Short-Allelen, fünf keinen Effekt, drei den Effekt nur bei Frauen oder Trägern des
39
Depression
SS-Polymorphismus und zwei den Effekt wie von Caspi und Kollegen berichtet. Diese Ergebnisse sprechen gegen
einen Zusammenhang zwischen dem Serotonintransportergen und depressiven Erkrankungen, während die Anzahl
der schweren Lebensereignisse allein bei den über 14.000 Menschen das Erkrankungsrisiko signifikant beeinflusste.
Weitere Kandidatengene, die mit dem Auftreten von Depressionen in Verbindung gebracht werden, codieren
Enzyme bzw. Rezeptoren, die ebenfalls vor allem im Serotoninstoffwechsel eine wichtige Funktion innehaben:
hierzu gehören der Serotoninrezeptor 2A (5-HT2A), die Tyrosinhydroxylase (TH) und die Tryptophanhydroxylase 1
(TPH1). Auch die Catechol-O-Methyltransferase (COMT; katecholaminabbauendes Enzym) scheint mit dem
Auftreten von Depressionen verbunden zu sein.[37]
Neurobiologische Faktoren
Als gesichert gilt, dass bei jeder bekannten Form der Depression das serotonale und/oder noradrenale System gestört
ist, das heißt, der Spiegel dieser Neurotransmitter ist zu hoch oder zu niedrig, oder die Resorption/Reizbarkeit der
Synapsen ist verändert. Gelegentlich wird, vor allem in den USA, die Kritik an den Werbestrategien der
Pharmaindustrie mit Zweifeln an den gängigen Neurotransmitterhypothesen der Depression verknüpft.[38]
Depression als Ausdruck von Fehlanpassung an chronischen Stress
Chronischer Stress führt über eine andauernde Stimulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse
(HHN-Achse) zu einer übermäßigen Ausschüttung von Glucocorticoiden ins Blut. Bei Depressiven lassen sich
überhöhte Mengen des Stresshormons Cortisol im Blut und Urin nachweisen. Deshalb wurde schon früh ein
Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Depressionen und Stress vermutet.
Die Steuerung der Glucocorticoidsekretion erfolgt zentral durch die parvozellulären neurosekretorischen Neuronen
aus dem Nucleus paraventricularis des Hypothalamus. Das Corticotropin Releasing Hormone (CRH), welches von
diesen Neuronen gebildet wird, stimuliert zunächst die Bildung und Ausschüttung des adrenocorticotropen Hormons
(ACTH) aus der Adenohypophyse. ACTH führt über eine Aktivierung der Nebennierenrinde zu einer Ausschüttung
von Gluco- und Mineralocorticoiden. Die bei Depressionen beschriebene Dysregulation der HHN Achse zeigt sich in
einer erhöhten basalen Sekretion von ACTH und Cortisol, in einer verminderten Suppression von Cortisol im
Dexamethason-Hemmtest und in einer verminderten ACTH-Sekretion nach Gabe von CRF.
Relativ neu ist die Erkenntnis, dass durch die erhöhte Ausschüttung von Glucocorticoiden bei Stress empfindliche
Regionen des Gehirns selbst modifiziert bzw. längerfristig auch geschädigt werden können (Allostase). Besonderes
Interesse findet in diesem Zusammenhang in der neueren Forschung der zum limbischen System gehörende
Hippocampus. Störungen der kognitiven Verarbeitungsprozesse bzw. der Gedächtnisleistungen, wie sie auch bei
Depressionen vorkommen, lassen sich funktionell dieser Formation zuordnen. Sie korrelieren mit einer erhöhten
Konzentration von Glucocorticoiden in dieser Region als Folge von chronischen Stresseinflüssen. Glucocorticoide
scheinen dabei verantwortlich zu sein für die z. B. deutliche „Ausdünnung“ von Dendriten in den
Pyramidenneuronen dieser Formation (Regression der apikalen Dendriten in der CA3 Region). Wie neuere
MRT-Untersuchungen zeigen, kann es bei Depressionen aufgrund dieser Veränderungen zu einer (rechtsbetonten)
Volumenreduktion des Hippocampus kommen.[39][40]
Der Hippocampus gehört – neben dem Bulbus olfactorius – zu den einzigen Regionen des Nervensystems, die in der
Lage sind, von sich aus wieder neue Nervenzellen zu bilden. Auch diese Fähigkeit zur Neurogenese scheint durch
die schädigende Wirkung der Glucocorticoide im Stress bei Depressionen beeinträchtigt zu sein.
Die beschriebenen Veränderungen bei Depressionen gelten andererseits gerade wegen der Fähigkeit des
Hippocampus zur Regeneration wiederum als reversibel. Sie lassen sich durch Gabe bestimmter Medikamente (wie
z. B. Lithium und bestimmter Antidepressiva) positiv beeinflussen.[41]
Transmittersysteme wie das Serotonin- oder Noradrenalinsystem haben im Hinblick auf die Genese von
Depressionen nach neueren Erkenntnissen vor allem eine modulierende Wirkung auf emotional gefärbte
psychosoziale Stressreaktionen. Dabei wird z. B. durch einen reduzierten Serotoninmetabolismus die adäquate
40
Depression
biologische Bewältigung der (Stress-)Gefühle Angst und Aggression beeinträchtigt. Man geht inzwischen davon aus,
dass aufgrund mangelnder Serotonin-Transporter in den Bahnen zwischen limbischen und kortikalen Zentren infolge
einer kurzen Variante des Serotonin-Transporter-Gens[42] – im Sinne einer „gene-by-environment interaction“ – die
Verarbeitungsmöglichkeit für sozial emotionale Stressreaktionen herabgesetzt ist. Dies führt über eine stressbedingte
erhöhte Erschöpfbarkeit zur Entwicklung einer depressiven Stimmung. Auch die Stimulierung der
CRF-Ausschüttung im Stress wird über serotonerge Bahnen geregelt.
Unterschiedliche Stressoren können den Sphingolipid-Metabolismus aktivieren und zu einer erhöhten Bildung des
Membranlipids Ceramid führen. Im Tiermodell verursacht Ceramid ein depressionsähnliches Verhalten und eine
reduzierte hippokampale Neurogenese.[43] Die Reduktion von Ceramid im Gehirn ist damit ein neues therapeutisches
Ziel. Tatsächlich bewirken Antidepressiva wie Fluoxetin oder Amitriptylin ihre Effekte im Tiermodell über eine
Reduktion des Ceramid synthetisierenden Enzyms Saure Sphingomyelinase (Acid Sphingomyelinase, ASM).
Funktionelle Hemmer der ASM (FIASMAs) könnten daher ganz allgemein antidepressive Effekte entfalten.[44]
Im Zusammenhang mit den aktuellen Erklärungsmodellen zur Genese von Depressionen beschäftigt sich die
pharmakologische Forschung bei der Suche nach neuen wirksamen Substanzen zur Angst- und
Depressionsbehandlung mit der Wirkung der CRF-Typ 1-Antagonisten (wie Astressin,[45] Antalarmin[46]).
Das Erklärungsmodell von Depressionen als Fehlanpassung bei chronischen Stresseinflüssen rechtfertigt vielfältige
therapeutische Einflussmöglichkeiten vor allem auf die subjektiv dispositionellen Faktoren von Stresserleben und
Stressbewältigung.[47] Im Vordergrund steht dabei allgemein die Stärkung der Resilienz einer Person.
Psychologische Theorien zur Depressionsentstehung
Erlernte Hilflosigkeit
→ Hauptartikel: Erlernte Hilflosigkeit
Nach Seligmans Depressionsmodell werden Depressionen durch Gefühle der Hilflosigkeit bedingt, die auf
unkontrollierbare, aversive Ereignisse folgen. Entscheidend für die erlebte Kontrollierbarkeit von Ereignissen sind
die Ursachen, auf die die Person ein Ereignis zurückführt. Nach Seligman führt die Ursachenzuschreibung
unangenehmer Ereignisse auf internale, globale und stabile Faktoren zu Gefühlen der Hilflosigkeit, die wiederum zu
Depressionen führen. Mittels Seligmans Modell lässt sich die hohe Komorbidität zu Angststörungen erklären: Allen
Angststörungen ist gemein, dass die Personen ihre Angst nicht oder sehr schlecht kontrollieren können, was zu
Hilflosigkeits- und im Verlauf der Störung auch zu Hoffnungslosigkeitserfahrungen führt. Diese wiederum sind, laut
Seligman, ursächlich für die Entstehung von Depressionen.[48]
Kognitionen als Ursache
Im Zentrum von Becks Depressionsmodell stehen kognitive Verzerrungen der Realität durch den Depressiven.
Ursächlich dafür sind, laut Beck, negative kognitive Schemata oder Überzeugungen, die durch negative
Lebenserfahrungen ausgelöst werden. Kognitive Schemata sind Muster, die sowohl Informationen beinhalten als
auch zur Verarbeitung von Informationen benutzt werden und somit einen Einfluss auf Aufmerksamkeit,
Enkodierung und Bewertung von Informationen haben. Durch Benutzung dysfunktionaler Schemata kommt es zu
kognitiven Verzerrungen der Realität, die im Falle der depressiven Person zu pessimistischen Sichtweisen von sich
selbst, der Welt und der Zukunft führen (negative Triade). Als typische kognitive Verzerrungen werden u. a.
willkürliche Schlüsse, selektive Abstraktion, Übergeneralisierungen und Über- oder Untertreibungen angesehen. Die
kognitiven Verzerrungen verstärken rückwirkend die Schemata, was zu einer Verfestigung der Schemata führt.
Unklar ist jedoch, ob kognitive Fehlinterpretationen, bedingt durch die Schemata, die Ursache der Depression
darstellen oder ob durch die Depression kognitive Fehlinterpretationen erst entstehen.
41
Depression
Depression im Lichte des Konzepts der emotionalen Intelligenz
Die Apologeten des Konzepts der emotionalen Intelligenz stehen Aaron T. Beck nahe, gehen aber darüber hinaus.
Daniel Goleman sieht bei depressiven Teenagern zwei folgenreiche emotionale Defizite: Erstens zeigen diese ‒ wie
auch Beck beschreibt – eine Tendenz, Wahrnehmungen negativ, also depressionsverstärkend, zu interpretieren.
Zweitens fehlt ihnen aber auch ein solides Können in der Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen (Eltern,
Peergroup, Sexualpartner). Kinder, die depressive Neigungen haben, ziehen sich bereits in sehr jungem Alter zurück,
weichen Sozialkontakten aus und verpassen dadurch soziales Lernen, das sie später nur noch schwer nachholen
können.[49] Goleman beruft sich u. a. auf eine Studie, die Psychologen der University of Oregon in den 1990er
Jahren an einer High School in Oregon durchgeführt haben.[50]
Verstärkerverlust
Nach dem Depressionsmodell von Lewinsohn, das auf der operanten Konditionierung der behavioristischen
Lerntheorie beruht, entstehen Depressionen aufgrund einer zu geringen Rate an unmittelbar mit dem Verhalten
verbundener Verstärkung. Nach Lewinsohn hängt die Menge positiver Verstärkung von der Anzahl verstärkender
Ereignisse, von der Menge verfügbarer Verstärker und von den Verhaltensmöglichkeiten einer Person ab, sich so zu
verhalten, dass Verstärkung möglich ist.
Psychodynamische Ansätze
In der Psychoanalyse gilt die Depression unter anderem als eine gegen sich selbst gerichtete Aggression. Als
psychische Ursachen für die Depression werden, besonders von psychoanalytisch orientierten Psychiatern wie Heinz
Kohut, Donald W. Winnicott und im Anschluss Alice Miller, auch dysfunktionale Familien beschrieben. Hier sind
die Eltern mit der Erziehungsarbeit überfordert, und von den Kindern wird erwartet, dass sie die Eltern glücklich
machen, zumindest aber problemlos „funktionieren“, um das fragile familiäre System nicht aus dem Gleichgewicht
zu bringen. Besonders Kinder, die auf solch eine Überforderung mit der bedingungslosen Anpassung an die
familiären Bedürfnisse reagieren, sind später depressionsgefährdet. Als handlungsleitendes Motiv kann nun das
ständige Erfüllen von Erwartungen entstehen. Die so entstandenen Muster können lange auf einer latenten Ebene
bleiben und beispielsweise durch narzisstische Größenphantasien oder ein Helfersyndrom kompensiert werden. Das
narzisstische Über-Ich verzeiht die Ohnmacht nicht: Wenn die Überforderung ein nicht mehr erträgliches Maß
erreicht, wird aus der latenten eine manifeste Depression (vgl. Erlernte Hilflosigkeit).
Sozialwissenschaftliche Erklärungstheorien zur Depressionsentstehung
Psychosoziale Faktoren
Ungünstige Lebensumstände (Arbeitslosigkeit, körperliche Erkrankung, geringe Qualität der Partnerschaft, Verlust
des Partners) können eine depressive Episode auslösen, sofern die genetische Disposition besteht. Wahrscheinlicher
ist jedoch, dass, nachdem eigengesetzlich bereits einmal eine depressive Episode mit Störung der Neurotransmitter
aufgetreten war, erneute depressive Episoden gebahnt sind, d. h. psychische Belastungen stoßen eine präformierte
Neurotransmitter-Entgleisung an.
Häufig nennt der Patient als Ursache seiner Erkrankung vorhandene, zum Teil schon sehr lange bestehende
Konflikte. Seien die behoben, wäre er wieder gesund. In der Regel verwechselt der Patient dabei Ursache und
Wirkung. Nach Abklingen der depressiven Episode wird die Belastung wie schon vor der depressiven Erkrankung
ertragen und bewältigt, ja meist als Belastung gar nicht mehr bezeichnet und als Gegebenheit akzeptiert.
Bei Personen mit einem genetisch bedingten Risiko können belastende Ereignisse wie etwa Armut Depressionen
auslösen (dies ist ein Beispiel für eine Genotyp-Umwelt-Interaktion).[51]
Brown und Harris (1978) berichteten in ihrer als Klassiker geltenden Studie an Frauen aus sozialen Brennpunkten in
London, dass Frauen ohne soziale Unterstützung ein besonders hohes Risiko für Depressionen aufweisen. Viele
weitere Studien haben seitdem dieses Ergebnis gestützt. Menschen mit einem kleinen und wenig unterstützenden
42
Depression
sozialen Netzwerk werden besonders häufig depressiv. Gleichzeitig haben Menschen, die erst einmal depressiv
geworden sind, Schwierigkeiten, ihr soziales Netzwerk aufrechtzuerhalten. Sie sprechen langsamer und monotoner
und halten weniger Augenkontakt, zudem sind sie weniger kompetent beim Lösen interpersonaler Probleme.[52]
Depression als Ausdruck einer sozialen Gratifikationskrise
Der Medizinsoziologe Johannes Siegrist hat auf der Grundlage umfangreicher empirischer Studien das Modell der
Gratifikationskrise (verletzte soziale Reziprozität) zur Erklärung des Auftretens zahlreicher Stresserkrankungen (wie
Herz-/Kreislauf-Erkrankungen, Depression) vorgeschlagen.
Gratifikationskrisen gelten als großer psychosozialer Stressfaktor. Sie können vor allem in der Berufs- und
Arbeitswelt, aber auch im privaten Alltag (z. B. in Partnerbeziehungen) als Folge eines erlebten Ungleichgewichtes
von wechselseitigem Geben und Nehmen auftreten. Sie äußern sich in dem belastenden Gefühl, sich für etwas
engagiert eingesetzt oder verausgabt zu haben, ohne dass dies gebührend gesehen oder gewürdigt wurde. Oft sind
solche Krisen mit dem Gefühl des Ausgenutztseins verbunden. In diesem Zusammenhang kann es zu heftigen
negativen Emotionen kommen. Dies wiederum kann bei einem Andauern auch zu einer Depression führen.
→ Hauptartikel: Sozial bedingte Ungleichheit von Gesundheitschancen
Depressionen bei Kindern als Folge elterlicher Depressionen
Eine Depression bei einem Familienmitglied wirkt sich auf Kinder aller Altersgruppen aus. Elterliche Depression ist
ein Risikofaktor für zahlreiche Probleme bei den Kindern, jedoch insbesondere für Depressionen. Viele Studien
haben die negativen Folgen der Interaktionsmuster zwischen depressiven Müttern und ihren Kindern belegt. Bei den
Müttern wurde mehr Anspannung und weniger verspielte, wechselseitig belohnende Interaktion mit den Kindern
beobachtet. Sie zeigten sich weniger empfänglich für die Emotionen ihres Kindes und weniger bestätigend im
Umgang mit dessen Erlebnissen. Außerdem boten sich den Kindern Gelegenheiten zum Beobachten depressiven
Verhaltens und depressiven Affektes.[53]
Evolutionsbiologische Theorien zur Depressionsentstehung
Die Neigung zu Depressionen ist weltweit so häufig, dass aus evolutionsbiologischer Sicht eine ehemals adaptive
Funktion wahrscheinlicher ist als die isolierte Bedeutung als Krankheitsgeschehen. Eine früher vorteilhafte
Reaktionsweise kann unter heutigen Lebensbedingungen theoretisch völlig irrelevant sein, d. h. die jeweilige
Veranlagung nur noch als Krankheit oder Störung zu Tage treten.[54][55] In der Diskussion ist aber durchaus, ob
Depressionen nicht auch heute noch eine Funktion haben, die evtl. aufgrund des aktuell dominierenden Fokus auf
den Krankheitswert zu wenig wahrgenommen wird.[56]
Stevens und Price sehen aufgrund von Häufigkeit, Symptomatik und sozialem Kontext verschiedene psychische
Störungen als einstmals adaptive soziale Reaktionsweisen.[57] Depressionen werden in diesem Zusammenhang als
Unterordnungsreaktion auf eine Niederlage betrachtet.[58] Der zu beobachtende Anstieg der Krankheitslast durch
Depressionen wird daher mit unseren Lebensbedingungen, speziell gesellschaftlichen Faktoren und Konkurrenz in
Verbindung gebracht.[59][60] Andere Autoren sehen den wesentlichen adaptiven Aspekt in der Handlungshemmung,
die mit Depressionen verbunden ist, da diese unter verschiedensten Umweltbedingungen funktional sein kann.[61]
Diese breitere Interpretation steht im Einklang mit der Tatsache, dass Depressionen vielerlei ganz unterschiedliche
Auslöser haben, d. h. als psychische Reaktion, als Reaktion auf körperliche Erkrankung sowie als
Lichtmangelreaktion auftreten können.
Die evolutionsbiologischen Theorien zur Depressionsentstehung werden wissenschaftlich diskutiert, sind aber bisher
nicht in Konzepte für die Prävention und/oder Therapie von Depressionen eingemündet.
43
Depression
Physiologische Ursachen
Ein biogener Auslöser ist der Mangel an Tageslicht. Bei der so genannten saisonalen (auch: Winter- oder
Herbstdepression) treten durch zu wenig Sonnenlicht regelmäßig über die Wintermonate depressive Symptome auf,
die im Frühjahr wieder abklingen.
Krankheitserreger als Ursache
Auch chronische Infektionen mit Krankheitserregern wie Streptokokken oder auch Bornaviren stehen im
wissenschaftlichen Verdacht, Depressionen auslösen zu können.[62] Die depressiven Syndrome auf schwere
Infektionen oder andere schwere Erkrankungen werden nach heutigem Kenntnisstand durch Entzündungsprozesse
und die dabei wirksamen Zytokine vermittelt und als „sickness behaviour“ bezeichnet.
Substanzinduzierte Depressionen
Depressive Syndrome können durch die Einnahme oder das Absetzen von Medikamenten und psychotropen
Substanzen verursacht werden. Fast zu jeder in der Medizin eingesetzten Wirkstoffgruppe liegen Einzelfallberichte
über eine durch Einnahme ausgelöste depressive Symptomatik vor. Die wichtigste Bedingung der Diagnose einer
substanzinduzierten affektiven Störung ist der zeitliche Zusammenhang von Einnahme oder Absetzen der Substanz
und Auftreten der Symptomatik. Die Substanzen, die am häufigsten Symptome einer Depression verursachen
können, sind Antikonvulsiva, Benzodiazepine (vor allem nach Entzug), Zytostatika, Glucocorticoide, Interferone,
Antibiotika, Lipidsenker, Neuroleptika, Retinoide, Sexualhormone und Betablocker. Die Unterscheidung zwischen
einer substanzinduzierten Depression und einer von Medikamenteneinnahme unabhängigen Depression kann
schwierig sein. Grundlage der Unterscheidung ist eine durch einen Psychiater erhobene ausführliche Anamnese.[63]
Hormonelle Faktoren als Auslöser
Die nichtpathologischen Symptome des „Baby-Blues“ werden in der Fachliteratur vollständig auf hormonelle
Ursachen zurückgeführt. Mit einer Häufigkeit von ungefähr 10 bis 15 Prozent stellt die postnatale Depression eine
häufige Störung nach der Geburt dar. Die Symptome können Niedergeschlagenheit, häufiges Weinen,
Angstsymptome, Grübeln über die Zukunft, Antriebsminderung, Schlafstörungen, körperliche Symptome und
lebensmüde Gedanken bis hin zur Suizidalität umfassen. Es wird diskutiert, inwiefern hormonelle Einflüsse für ein
Auftreten dieser Erkrankung verantwortlich sind. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand 2007) können aber noch keine
eindeutigen Aussagen darüber getroffen werden.
Depressionen in der Schwangerschaft
→ Hauptartikel: Schwangerschaftsdepression
Nach einer groß angelegten englischen Studie sind circa 10 Prozent aller Frauen von Depressionen während der
Schwangerschaft betroffen. Nach einer anderen Studie sind es in der 32. Schwangerschaftswoche 13,5 Prozent. Die
Symptome können extrem unterschiedlich sein. Hauptsymptom ist eine herabgesetzte Stimmung, wobei dies nicht
Trauer im engeren Sinn sein muss, sondern von den betroffenen Patienten auch oft mit Begriffen wie „innere Leere“,
„Verzweiflung“ und „Gleichgültigkeit“ beschrieben wird. Psychosomatische körperliche Beschwerden sind häufig. Es
dominieren negative Zukunftsaussichten und das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Das Selbstwertgefühl ist niedrig.
Die depressive Symptomatik in der Schwangerschaft wird oft von schwangerschaftstypischen „Themen“ beeinflusst.
Dies können etwa Befürchtungen in Bezug auf die Mutterrolle oder die Gesundheit des Kindes sein.[64][65]
44
Depression
Depression und körperliche Gesundheit
Durch häufig ungesünderen Lebensstil leiden Patienten mit Depressionen vermehrt an Folgen von Rauchen,
Bewegungsmangel, Ernährungsfehler und Übergewicht. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass unregelmäßige
Medikamenteneinnahmen auch ein kardiovaskuläres Risiko darstellen, wodurch eine höhere Anfälligkeit für
Schlaganfälle besteht. Dies trifft vor allem für Frauen im mittleren Alter mit einer Major-Depression zu.[66]
Koronare Herzkrankheit
Die Depression selbst ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit.[67] Als Ursachen
hierfür kommen Einflüsse der Depression auf die Steuerung der Hormonregulation in der Nebenniere, Einflüsse auf
Immunsystem und Hämostase, aber auch ein ungesünderer Lebensstil oder Nebenwirkungen von Antidepressiva in
Frage.[68] Bei einem Patienten mit koronarer Herzkrankheit erhöht die Depression wiederum das Risiko auf einen
Myokardinfarkt auf das 3-bis 4-fache.[69] Weiterhin zeigen eine Reihe von Studien, dass eine akute Depression bei
Myokardinfarkt die Mortalität etwa um das 3-fache steigert.[70] Studien zeigen, dass trotzdem bei Patienten mit
Myokardinfarkt die Depression vielfach unbehandelt bleibt.[71] Eine Behandlung der Depression würde günstige
Effekte auf die Heilungsaussichten der Patienten haben.[72]
Behandlung
Depressionen können in der Regel gut behandelt werden. In Frage kommen die Psychotherapie, physikalische
Maßnahmen oder eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva. Häufig wird auch eine Kombination aus
medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung angewandt.
• Bei der Psychotherapie konzentriert sich die Interaktion zwischen Therapeut und Patient auf das Gespräch. Hier
können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen (siehe unten). Ausgeführt wird die Psychotherapie von
Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder von ärztlichen
Psychotherapeuten, sowie Heilpraktiker und Heilpraktiker für Psychotherapie gemäß § 1 HPG. Häufig erfolgt die
Gabe von Antidepressiva durch den Hausarzt oder Psychiater auch vor oder während einer Psychotherapie als
begleitende Medikation.
• Die psychiatrische oder ärztliche Behandlung ist in der Regel zweigleisig. Sie besteht in der Führung des
Patienten durch das psychiatrische/ärztliche Gespräch (nicht gleichzusetzen mit einer Psychotherapie) und in der
Gabe von Antidepressiva. Eine Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung kann von
Nervenärzten mit psychotherapeutischer Weiterbildung, einer Kooperation von Ärzten und Psychotherapeuten
ambulant oder in psychiatrischen Kliniken bzw. Fachkrankenhäusern durchgeführt werden.
Psychotherapie
Zur Behandlung der Depression kann ein breites Spektrum psychotherapeutischer Verfahren wirksam eingesetzt
werden (aktuelle Übersicht über evaluierte Therapieverfahren bei Hautzinger, 2008[73]). Hierzu gehören die
Kognitive Verhaltenstherapie, die Interpersonelle Psychotherapie, die Analytische Psychotherapie und die
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Aber auch die Gesprächspsychotherapie, die Gestalttherapie, sowie
verschiedene Gesprächs- und Körper-Psychotherapeutische Ansätze, kommen in der Behandlung zum Einsatz.
Neuere integrative Ansätze zur Behandlung chronischer bzw. rezidivierender Depressionen sind das Cognitive
Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) sowie die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (engl.
Mindfulness Based Cognitive Therapy, MBCT).[74]
Die verhaltenstherapeutische Behandlung der Depression wird heutzutage auf der Grundlage der Kognitiven
Verhaltenstherapie durchgeführt. In der Therapie sollen die depressionsauslösenden Denk- und Verhaltensmuster
herausgearbeitet werden, um sie anschließend Schritt für Schritt zu verändern. Zusätzlich wird der Patient zu
größerer Aktivität motiviert, um sowohl seine persönlichen Verstärkermechanismen wieder zu aktivieren als auch
45
Depression
die erwiesenen positiven Wirkungen größerer körperlicher Aktivität auf die Stimmung zu nutzen.
Dagegen konzentrieren sich die tiefenpsychologisch orientierten Methoden darauf, die Einsicht in unbewusste
Konflikte zu ermöglichen. Häufig entstehen diese schon in der Kindheit. Psychische Probleme und die daraus
resultierenden Verhaltensweisen können daraufhin bearbeitet werden. Sollte es beim Patienten strukturelle Mängel
geben, sollen auch diese bearbeitet werden. Zu den psychoanalytisch begründeten Verfahren gehören auch
Kurzzeitpsychotherapien wie die Interpersonelle Psychotherapie. In gruppentherapeutischen Verfahren wird
versucht, die Tendenz zum Rückzug zu überwinden, die verringerten Interaktionsmöglichkeiten zu bessern und die
oft reduzierte Fähigkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen, zu fördern. Auch die Angehörigen können in die Therapie
einbezogen werden. Rollenspieltechniken (zum Beispiel Psychodrama) können unter anderem helfen, den eigenen,
oft eingeengten und festgefahrenen Blick zu überwinden. Die psychotherapeutischen Verfahren können sowohl als
einzige Therapie als auch in Kombination mit einer Pharmakotherapie eingesetzt werden.
Pharmakotherapie
In der medikamentösen Behandlung der Depression gab es in den letzten Jahren enorme Fortschritte. Obwohl die
Wirksamkeit von Antidepressiva heute gut belegt ist, sind die Wirkmechanismen noch nicht völlig geklärt. Glaubte
man früher an einen Mangel der Neurotransmitter Noradrenalin oder Serotonin, so gehen aktuelle Theorien[75] eher
davon aus, dass sekundäre Anpassungsmechanismen für den antidepressiven Effekt verantwortlich sind,
beispielsweise eine Erhöhung der neuronalen Plastizität durch veränderte Aktivität von Neurotrophinen wie dem so
genannten Brain-Derived-Neurotrophic-Factor (Übersicht über die Pharmakologische Therapie der Depression in
Szegedi et al., 2008,[76] Übersicht über Wirkmechanismen in Holsboer-Trachsler et al., 2008[77]). Metastudien
weisen allerdings darauf hin, dass antidepressive Medikamente nicht bei allen Patienten gleich gut anschlagen und
ihre Wirksamkeit aufgrund von Faktoren, die bisher nicht gänzlich erforscht sind, stark variieren kann.[78][79][80][81]
Die Zahl der Patienten, die ihre Medikamente nicht wie verordnet einnehmen, ist in der Neurologie und Psychiatrie
besonders hoch (geringe Compliance). Bei Patienten mit Depression liegt die Rate der Medikamentenverweigerer
bei 50 Prozent[82] und es wird postuliert, dass sich jede zweite Einweisung in die Psychiatrie verhindern ließe, wenn
Patienten ihre Psychopharmaka nicht eigenmächtig absetzen würden.
Die bekanntesten Antidepressiva lassen sich in drei im Folgenden genannte Gruppen einteilen. Weitere
Antidepressiva einschließlich Phytopharmaka wie Johanniskraut finden sich im Artikel Antidepressiva. Im Falle
schwerer Depressionen ohne Ansprechen auf einzelne Antidepressiva werden teilweise Augmentationen mit
weiteren Antidepressiva, Neuroleptika, Stimulanzien oder Phasenprophylaktika verordnet.[83] Phasenprophylaktika
dienen ebenso zur Medikation von manisch-depressiven Störungen. In jüngster Zeit weisen Studien auf eine
geeignete Einsatzmöglichkeit von Ketamin aufgrund der schnellen therapeutischen Wirkung für die Akutbehandlung
von therapieresistenten und vor allem suzidgefährdeten depressiven Patienten hin.
Selektive Wiederaufnahmehemmer
Diese Wirkstoffe hemmen die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin in die
Präsynapse, direkte Wirkungen auf andere Neurotransmitter sind bei diesen selektiven Wirkstoffen deutlich
schwächer ausgeprägt als bei klassischen Antidepressiva.
Die Selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer werden bei Depressionen heute am häufigsten eingesetzt. Sie
haben meist weniger Nebenwirkungen als trizyklische Antidepressiva und wirken ab einer Einnahmedauer von zwei
bis drei Wochen. Sie hemmen (weitgehend) selektiv die Wiederaufnahme von Serotonin an der präsynaptischen
Membran, wodurch eine „relative“ Erhöhung des Botenstoffs Serotonin erzielt wird. Ähnlich wirken
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), welche zusätzlich die Wiederaufnahme von Noradrenalin
in
die
Präsynapse
vermindern.
Von
vergleichbarem
Wirkmechanismus
sind
Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer und selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer, welche die
Wiederaufnahme von Noradrenalin, bzw. Noradrenalin und Dopamin hemmen.
46
Depression
Die Pathogenese von Depressionen, aber auch von Manien und Obsessionen (Zwangshandlungen), wird von
Forschern u.a. mit serotonerg vernetzten Neuronen in Verbindung gebracht. Daher werden SSRI und SNRI auch
gegen (komorbide) Zwangs- und Angstzustände eingesetzt, oft mit Erfolg. Da Serotonin auch bei anderen neural
vermittelten Prozessen im ganzen Körper eine Rolle spielt, wie zum Beispiel Verdauung und Gerinnung des Blutes,
resultieren daraus auch die typischen Nebenwirkungen, durch Interaktion in andere neural gesteuerte Prozesse.
SSRIs werden seit ca. 1986 eingesetzt; seit 1990 sind sie die am häufigsten verschriebene Klasse von
Antidepressiva. Wegen des nebenwirkungsärmeren Profils, vor allem in Bezug auf Kreislauf und Herz, sind sie sehr
beliebt. Relativ häufige Nebenwirkungen sind jedoch sexuelle Dysfunktion und/oder Anorgasmie. Diese bilden sich
zwar einige Wochen nach Absetzen oder Wechsel des Medikamentes fast immer vollständig zurück, können jedoch
zu zusätzlichen (Beziehungs-)Problemen führen.
Ernstzunehmende Studienergebnisse stellen die Wirksamkeit von SSRIs gerade bei leichteren Depressionen in
Frage. So konnten Metaanalysen zeigen, dass SSRIs bei leicht- bis mittelgradigen Depressionen keine relevanten
Vorteile gegenüber Placebos hatten.[84] Die eventuell nur scheinbare Wirksamkeit von SSRIs für verschiedene
Schweregrade der Depression wird auf die selektive Veröffentlichung positiver Studienergebnisse, den sogenannten
Publikationsbias, zurückgeführt.[85]
Trizyklische Antidepressiva
Die trizyklischen Antidepressiva (z. B. Opipramol, Amitriptylin) wurden bis zum Aufkommen der
Serotoninwiederaufnahmehemmer am häufigsten verschrieben. Hauptnachteil sind deren ausgeprägter auftretende
Nebenwirkungen (z. B. Mundtrockenheit, Verstopfung, Müdigkeit, Muskelzittern und Blutdruckabfall), wobei es
besser verträgliche Ausnahmen gibt (z. B. Amoxapin, Maprotilin). Bei älteren und bei durch Vorerkrankungen
geschwächten Menschen ist daher Vorsicht geboten. Zudem wirken einige Trizyklika häufig zunächst
antriebssteigernd und erst danach stimmungsaufhellend, wodurch es zu einem höheren Suizidrisiko in den ersten
Wochen der Einnahme kommen kann. In den USA müssen aber auch SSRI einen diesbezüglichen Warnhinweis
tragen.
Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer)
MAO-Hemmer wirken durch blockieren der Monoaminoxidase Enzyme. Diese Enzyme spalten Monoamine wie
Serotonin, Noradrenalin und Dopamin – also Botenstoffe im Gehirn – und verringern dadurch deren Verfügbarkeit
zur Signalübertragung im Gehirn.
MAO-Hemmer werden in selektiv oder nichtselektiv sowie reversibel oder irreversibel unterteilt. Selektive
Inhibitoren der MAO-A (z. B. Moclobemid, reversibel) hemmen nur den Typ A der Monoaminoxidase und zeigen
eine antidepressive Wirkung. Sie sind im Allgemeinen gut verträglich. Selektiv MAO-B-hemmende Wirkstoffe
(z. B. Selegilin, irreversibel) werden in erster Linie in der Parkinson-Behandlung eingesetzt. Nichtselektive
MAO-Hemmer (z. B. Tranylcypromin, irreversibel) hemmen MAO-A und MAO-B und sind von hoher Wirksamkeit
in der Behandlung von Depressionen und Angststörungen. Irreversible MAO Hemmer binden die MAO-A bzw.
MAO-B dauerhaft. Um die Wirkung aufzuheben, muss das betroffene Enzym vom Körper erst neu gebildet werden,
was Wochen dauern kann. Reversibilität besagt, dass das Medikament nur schwach an die MAO bindet, und
MAO-A bzw. MAO-B spätestens mit dem Abbau des Medikaments wieder intakt frei gibt.
Monoaminoxidasehemmer gelten als gut wirksam. Allerdings müssen Patienten, die nichtselektive, irreversible
MAO-Hemmer einnehmen, eine strenge, tyraminarme Diät halten. In Verbindung mit dem Verzehr bestimmter
Lebensmittel, wie z. B. Käse und Nüssen, kann die Einnahme von nichtselektiven irreversiblen MAO-Hemmern zu
einem gefährlichen Blutdruckanstieg führen.
47
Depression
48
Stationäre Behandlung
Bei hohem Leidensdruck und einem nicht zufriedenstellenden Ansprechen auf ambulante Therapie und
Psychopharmaka ist eine Behandlung in einer psychiatrischen Klinik in Erwägung zu ziehen. Eine solche
Behandlung bietet dem Patienten eine Tagesstruktur und die Möglichkeit intensiverer psychotherapeutischer und
medizinischer Maßnahmen, auch solche, die ambulant nicht abrechenbar sind und somit insbesondere in der
kassenärztlichen Versorgung nicht möglich sind. Häufig ist auch die medikamentöse Einstellung z. B. auf Lithium
ein Grund für einen Krankenhausaufenthalt. Dabei ist es auch möglich, sich in einer Tagesklinik tagsüber intensiv
behandeln zu lassen, die Nacht aber zu Hause zu verbringen. Psychiatrische Kliniken haben in der Regel offene und
geschlossene Stationen, wobei Patienten auch auf geschlossenen Stationen in der Regel Ausgang haben.
Stationäre Depressionsbehandlungen sind in den letzten Jahren sehr
viel häufiger geworden, als extremes Beispiel ist etwa die Häufigkeit
von Krankenhausbehandlungen aufgrund rezidivierender Depressionen
zwischen 2001 und 2010 auf mehr als das 2,8-fache angestiegen.[86]
Der Anstieg der Zahl an Krankenhausbehandlungen spiegelt jedoch
nicht den der Behandlungstage wider, da sich die durchschnittliche
Verweildauer im Krankenhaus gleichzeitig verkürzte. Depressionen
verursachten jedoch nach Daten der Barmer GEK im Jahre 2010 über 6
% aller Krankenhaustage und liegen damit mit großem Abstand an der
Spitze aller Diagnosen. Die Erfolgsraten sind jedoch ernüchternd, so
sind mehr als die Hälfte der Entlassenen auch ein Jahr nach Entlassung
noch depressiv.
Anzahl stationärer Behandlungen an
rezidivierender Depression 2000–2010
(Deutschland)
Lichttherapie
Bei leicht- bis mittelgradigen depressiven Episoden im Rahmen einer saisonalen Depression kann die Lichttherapie
angewendet werden. Hierbei sitzen die Patienten täglich etwa 30 Minuten vor einem Leuchtschirm, der helles weißes
Licht ausstrahlt. Bei Ansprechen der Therapie kann diese über alle Wintermonate hinweg durchgeführt werden.
Elektrische/elektromagnetische Stimulationen
Insbesondere bei schweren und über lange Zeit gegen medikamentöse Behandlung resistenten Depressionen
kommen gerade in jüngerer Zeit wieder stärker nichtmedikamentöse Behandlungsverfahren zum Einsatz, deren
Wirkprinzipien jedoch weitgehend unklar sind.
Elektrokrampftherapie. Das häufigste diesbezüglich eingesetzte Verfahren ist die Elektrokrampftherapie. In der
Epilepsie-Behandlung fiel auf, dass bei Patienten, die gleichzeitig an einer Depression litten, nach einem
epileptischen Anfall auch eine Verbesserung der Stimmung auftrat. Die Elektrokrampftherapie wird in Narkose
durchgeführt und stellt dann, wenn Medikamente bei schweren Depressionen nicht wirken, eine ernsthafte
Alternative dar.
Vagusnerv-Stimulation. Derzeit in einigen Studien befindlich ist die Vagusnerv-Stimulation, bei der eine Art
Herzschrittmacher im Abstand von einigen Minuten jeweils kleine elektrische Impulse an den Vagusnerv schickt.
Diese Therapie, die ansonsten insbesondere bei Epilepsie-Patienten Anwendung findet, scheint bei etwa 30 bis 40
Prozent der ansonsten therapieresistenten Patienten anzuschlagen.
Transkranielle Magnetstimulation. Ebenfalls getestet wird derzeit die transkranielle Magnetstimulation (TMS),
bei der das Gehirn der Patienten durch ein Magnetfeld angeregt wird. Die Anzahl der mit den letztgenannten
Verfahren behandelten Studienteilnehmer ist jedoch noch recht gering, so dass derzeit (2004) keine abschließenden
Aussagen zu machen sind.
Depression
Transkranielle Gleichstromapplikation (tDCS). Hier wirkt ein schwacher elektrischer Strom durch den
Schädelknochen hindurch auf das Gehirn ein, wodurch Depressionen laut einer neuen Studie ebenso gut gelindert
werden wie mit dem Antidepressivum Sertralin. Die tDCS erfolgt bei vollem Bewusstsein. Die neuen guten
Studienergebnisse konnten durch eine Optimierung der Behandlungsparameter erreicht werden. Zuvor waren die
Ergebnisse eher gemischt.[87]
Ernährung
Wissenschaftliche Studien lassen auf die besondere Bedeutung von Eicosapentaensäure (EPA) zur
Stimmungsaufhellung und günstigen Einflussnahme auf Minderung von Depressionen schließen[88] EPA ist eine
mehrfach ungesättigte Fettsäure aus der Klasse der Omega-3-Fettsäuren.
Der Wirkungsmechanismus der Omega-3-Fettsäure ist noch nicht aufgeklärt, jedoch wird eine Interaktion von
Fettsäure und dem Neurotransmitter Serotonin vermutet: Ein Mangel an Serotonin wird häufig von einem Mangel an
Omega-3-Fettsäure begleitet, umgekehrt scheint die Gabe der Fettsäure zur Erhöhung des Serotoninspiegels zu
führen. Die orthomolekulare Medizin versucht außerdem über die Aminosäuren Tyrosin und oder Phenylalanin (in
der L-Form) Depressionen günstig zu beeinflussen. Die beiden Aminosäuren werden im Körper in Noradrenalin
sowie Dopamin umgewandelt. Die Erhöhung dieser Neurotransmitter kann stimmungsaufhellend sein.
Es ist sicher nicht falsch, auch nach Abklingen der depressiven Beschwerden auf eine ausgewogene und gesunde
Ernährung zu achten. Dabei spielt vor allem ein gleichmäßiger Blutzuckerspiegel durch regelmäßige Mahlzeiten eine
Rolle, ebenso wie ein maßvoller Umgang mit Genussmitteln wie Kaffee, Nikotin und Alkohol dazu beitragen kann,
psychisch stabil zu bleiben.
Andere Hilfsmittel
Schlafentzug kann antidepressiv wirksam sein und wird in seltenen Fällen zum kurzfristigen Durchbrechen schwerer
Depressionen im therapeutischen Rahmen eingesetzt (allerdings nicht bei einer manisch-depressiven Erkrankung).
Die Methode basiert auf der Freisetzung von Serotonin durch die Fasern der hypnogenen Kerne der Raphe, die den
Schlaf einleiten sollen.
Eine Form der unterstützenden therapeutischen Maßnahmen ist die Sporttherapie. Wenn Sport im gesellschaftlichen
Zusammenhang stattfindet, erleichtert er eine Wiederaufnahme zwischenmenschlicher Kontakte. Ein weiterer Effekt
der körperlichen Betätigung ist das gesteigerte Selbstwertgefühl und die Ausschüttung von Endorphinen. Positive
Effekte des Joggings bei Depressionen sind empirisch durch Studien nachgewiesen; 1976 wurde das erste Buch unter
dem Titel „The joy of Running“ zu diesem Thema veröffentlicht.
Es existiert eine Vielzahl von methodisch robusten Studien über den Nutzen von Sport und Bewegung bei
Depression. Bei einigen Studien wurde eine vergleichbare Wirkung von Sport und Psychotherapie konstatiert[89].
Eine Metastudie von 2013 bewertet zurückhaltender, unterstreicht aber den präventiven Effekt, da „...moderate
Bewegung im aeroben Bereich von mindestens 150 Minuten pro Woche (...) mit einem merklich geringeren Risiko
für die Entwicklung einer Depression in Zusammenhang“ steht.[90]
Andere Hausmittel – wie Entspannungstechniken, kalte Güsse nach Sebastian Kneipp, Kaffee oder Schokolade –
bieten an Depressionen Erkrankten keine Hilfe, sondern können höchstens Menschen mit leichten depressiven
Verstimmungen Linderung verschaffen.
49
Depression
Gesellschaftliche Dimension
Volkswirtschaftliche Relevanz
Dem Staat und der Wirtschaft entstehen jährlich Kosten bis zu 21,9 Milliarden Euro für die Behandlung sowie
aufgrund von Fehlzeiten und verminderter Produktivität der betroffenen Mitarbeiter. Knapp 25 % aller Fehltage im
Beruf gehen auf das Konto von Depressionen.[91]
Staatliche Maßnahmen
Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen hat das Gesundheitssystem seit den 1990ern verschiedene
Modellprojekte initiiert. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den „Schutz der Gesundheit bei
arbeitsbedingter psychischer Belastung“ zu einem Hauptziel der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie ab
2013 erhoben. Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2012 das Forschungsprojekt Deprexis zu den
Möglichkeiten der Online-Therapie in Auftrag gegeben, was möglicherweise einen Weg darstellen könnte, um
Versorgungslücken und lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu überbrücken.
Die Behandlung depressiver Erkrankungen wurde 2006 als Gesundheitsziel verankert. Zu den Teilzielen gehören
Aufklärung, Prävention und Rehabilitation.
Gesetzliche Krankenkassen sind verpflichtet, gemeinnützige Organisationen im Bereich Selbsthilfe zu fördern, im
Jahr 2011 betrug diese Förderung insgesamt rund eine halbe Million Euro.
Engagement der Zivilgesellschaft
Immer mehr Vereine, gemeinnützige GmbHs und Stiftungen adressieren mit ihrem Engagement das Thema
Depression. Die Angebote setzen an folgenden Punkten an:
• Aufklärung, Interessensvertretung und Vernetzung – hierfür setzen sich beispielsweise das Deutsche Bündnis
gegen Depression e.V. oder die Deutsche Depressionsliga ein. 2011 führten diese Organisationen zusammen mit
der Stiftung Deutsche Depressionshilfe den Patientenkongress Depression ein. Patientenkongresse gibt es für
unterschiedlichste Themen, beispielsweise auch Demenz oder Krebs – Ziele sind in der Regel Information und
Austausch zwischen Patienten, Wissenschaftlern und Interessensvertretern.
• Individuelle Beratung – wird u.a. von lokalen Bündnissen gegen Depression e.V. oder Selbsthilfeorganisationen
angeboten. Betroffene und Angehörige können sich bei diesen Organisationen informieren, sich mit Menschen in
ähnlichen Situationen austauschen oder auch in Akutsituationen um Hilfe bitten, beispielsweise bei der
Telefonseelsorge oder dem SeeleFon.
• Selbsthilfe - Selbsthilfegruppen sind kein Ersatz für Therapien, aber sie können eine begleitende Hilfe darstellen.
Selbsthilfegruppen können als lebenslange Begleitung und Rückzugsorte dienen. Einige Gruppen erwarten keine
Voranmeldung, so dass Betroffene spontan bei akuten depressiven Phasen Hilfe suchen können. Als
niedrigschwelliges Angebot haben sich Selbsthilfegruppen im ambulanten Bereich etabliert und leisten einen
wichtigen Beitrag. In Krankenhäusern und Reha-Kliniken helfen sie Betroffenen, ihre Eigenverantwortung zu
stärken und Selbstvertrauen zu erlangen.
50
Depression
Literatur
Allgemeines
%
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•
•
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Cognitive Therapy of Depression, übersetzt von Gisela Bronder und Brigitte Stein, herausgegeben von Martin
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• S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen [97] der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). In: AWMF online (Stand 2012)
• S1-Leitlinie Basisbehandlung depressiver Patienten in der hausärztlichen Praxis [98] der Deutsche Gesellschaft
für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). In: AWMF online (Stand 2013)
51
Depression
52
Videos
&
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Video ist offline, kann aber bei Youtube [100] gefunden werden.
Weblinks
&
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Leitliniensynopse zum Thema „Depression“
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Stiftung Deutsche Depressionshilfe [102], Depression erforschen – Betroffenen helfen – Wissen weitergeben
depressionsliga.de [103]
Expertenservice zum Thema Depression, Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und
Nervenheilkunde (DGPPN) [104]
redaktionell betreute Linksammlung zum Thema „Depression“ [105] beim Leibniz-Zentrum für Psychologische
Information und Dokumentation (ZPID)
[101]
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Einzelnachweise
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[87] Brunoni AR, Valiengo L, Baccaro A, et al. The Sertraline vs Electrical Current Therapy for Treating Depression Clinical Study: Results
From a Factorial, Randomized, Controlled Trial. JAMA Psychiatry. 2013;():1-9. doi:10.1001/2013.jamapsychiatry.32.
[88] Sarris et al (2009). Major depressive disorder and nutritional medicine: a review of monotherapies and adjuvant treatments. Nutrition
Reviews. PMID 19239627.
[89] https:/ / www. thieme. de/ de/ presse/ Sport-bei-Depression-53518. htm
[90] http:/ / www. medscapemedizin. de/ artikel/ 4901664
[91] Florian Holsboer, Allianz Deutschland (Hrsg.): Depression – Wie die Krankheit unsere Seele belastet. (https:/ / www. allianz. com/
v_1339501932000/ media/ press/ document/ allianz_report_depression. pdf) München 2011 (online - PDF, 62 Seiten 884 kB)
[92] gratis Broschüre oder PDF, 28 Seiten (http:/ / www. depression-erkennen. de/ broschuere. html)
[93] http:/ / dx. doi. org/ 10. 1192%2Fbjp. 177. 2. 95
54
Depression
55
[94] http:/ / www. aerztekammer-hamburg. de/ funktionen/ aebonline/ pdfs/ 1320850795. pdf
[95] http:/ / www. awmf. org/ leitlinien/ detail/ ll/ nvl-005. html
[96] http:/ / www. awmf. org/ leitlinien/ detail/ ll/ 028-043. html
[97] http:/ / www. awmf. org/ leitlinien/ detail/ ll/ 038-020. html
[98] http:/ / www. awmf. org/ leitlinien/ detail/ ll/ 053-035. html
[99] http:/ / www. br-online. de/ cgi-bin/ ravi?verzeichnis=alpha/ geistundgehirn/ v/ & file=spitzer_20. rm& g2=1
[100] http:/ / www. youtube. com/ watch?v=hAmz4oMskw4
[101] http:/ / www. iqwig. de/ download/ Arbeitspapier_Leitliniensynopse_zum_Thema_Depression_. pdf
[102] http:/ / www. deutsche-depressionshilfe. de/
[103] http:/ / www. depressionsliga. de/
[104] http:/ / www. neurologen-und-psychiater-im-netz. de/ npin/ npinkrankheit/ show. php3?id=15& nodeid=21
[105] http:/ / www. zpid. de/ redact/ category. php?cat=555
NCDFGHIJK LMHOPQJRDSTTUV
GND: 4011474-0 (http://d-nb.info/gnd/4011474-0)
Therapie
Die Therapie (griechisch WXYZW[Y therapeia „das Dienen, die Bedienung, die Dienstleistung, die Pflege der
Kranken“[1]) bezeichnet in der Medizin, Zahnmedizin und Psychotherapie GSJ dH\KHPFJK ]^D Behandlung von
Krankheiten und Verletzungen. Ziel des Therapeuten ist die Ermöglichung oder Beschleunigung einer Heilung, die
Beseitigung oder Linderung der Symptome und die Wiederherstellung der körperlichen oder psychischen Funktion.
Verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung einer Krankheit werden oft als Therapieoptionen bezeichnet.
Die Therapeutik (griechisch θεραπευτική therapeutikè) ist in der modernen Auffassung die Lehre von den
Heilverfahren, die sich mit den verschiedenen Therapieformen, ihrer Wirkungsweise und ihrem
Anwendungsspektrum beschäftigt.
Bei der Therapie unterscheidet man:
• die allgemeine Therapie, die sich am Gesamtzustand des Patienten orientiert.
• die spezielle Therapie, die auf konkrete Details der Behandlung eingeht.
Therapeutik
Um eine entsprechende Therapie empfehlen zu können, muss zunächst eine Diagnostik vorgenommen werden.
Dabei wird durch Bewertung der Beschwerden und verschiedener Untersuchungbefunde eine Diagnose erstellt. Die
eigentliche Therapie besteht dann aus Maßnahmen zur Behebung der Beschwerden oder vorzugsweise der
Krankheitsursache. Wenn eine Therapie aufgrund eines Krankheitsbilds angezeigt ist, spricht man von einer
Indikation.
Therapie
Therapie beruht auf einer direkten oder indirekten Einwirkung des Therapeuten auf den Patienten. Die
Möglichkeiten der Einwirkung sind vielfältig: In der Chirurgie wird der Körper des Patienten mit Werkzeugen
manipuliert (Operation). Die Innere Medizin stützt sich vorwiegend auf die Verabreichung von Medikamenten
(Pharmakotherapie, Chemotherapie) oder die Entfernung von pathologischen Flüssigkeiten (Punktion von Aszites
oder eines Pleuraergusses). Ferner gibt es Strahlentherapien (Radiotherapien) mit ionisierender Strahlung (v. a.
gegen bösartige Tumoren) oder mit einzunehmenden bzw. eingebrachten, strahlenden Substanzen (Radiojodtherapie
gegen einige Geschwülste der Schilddrüse, Kontaktbestrahlung von inoperablen Tumoren mittels implantierter
Kapseln), aber auch Lichttherapien bei Hautkrankheiten oder Depressionen oder die Elektrokrampftherapie unter
Kurznarkose zur Durchbrechung einer schweren Depression.
Die Physiotherapie bedient sich physikalischer Mittel wie Strom, Wärme- bzw. Kältetherapie, Behandlungen im
Wasser, der Heilgymnastik und der Manuellen Therapie und wird großteils im Bereich der Heilung des
Therapie
Bewegungsapparates angewendet.
Psychotherapie dient der Behandlung psychisch, emotional und psychosomatisch bedingter Krankheiten,
Leidenszustände oder Verhaltensstörungen mit Hilfe verschiedener Formen verbaler und nonverbaler
Kommunikation. Dazu zählen tiefenpsychologische und verhaltenstherapeutische Ansätze ebenso wie Künstlerische
Therapien (Kunsttherapie, Theatertherapie, Musiktherapie, Tanztherapie) und neuerdings Formen der virtuellen
Rehabilitation.
Ein wichtiger Teil der meisten Therapien ist die Kommunikation zwischen Therapeut und Patient. Sie trägt dazu bei,
dass die Behandlung den subjektiven Bedürfnissen des Patienten gerecht wird und verbessert die Möglichkeiten des
Patienten, selbst auf einen günstigen Krankheitsverlauf hinzuwirken. Die psychiatrische Therapie stützt sich sogar
vorrangig auf Methoden systematischer Kommunikation.
Gewöhnlich muss die Wirksamkeit eines Therapieverfahrens einer Überprüfung nach wissenschaftlicher Methode
standhalten können, um von der Medizin als anerkannt zu gelten (siehe auch: evidenzbasierte Medizin). Dennoch
werden, vor allem außerhalb von Krankenhäusern und Arztpraxen, oft Methoden eingesetzt, die diese Anforderung
nicht erfüllen wie die Alternativmedizin und die Naturheilkunde.
Therapieformen
Je nach Ziel und Zweck der Therapie stellt man weitere Adjektive hinzu:
• kausal, wenn sie die krankheitserregende Ursache beseitigt oder dies zumindest anstrebt (also z. B. die
verantwortlichen Bakterien einer bakteriellen Lungenentzündung direkt antibiotisch bekämpft)
• symptomatisch, wenn sie sich lediglich auf das Lindern vorhandener Beschwerden und nicht auf die auslösende
Ursache richtet (z. B. schleimlösende Hustenmittel bei akuter Bronchitis, Asthma-Spray im Asthma-Anfall,
nicht-medikamentöse Therapie bei Demenz).
• kurativ, wenn sie die Genesung des Patienten (von mindestens einer definierten Krankheit) zum Ziel hat
• palliativ, wenn sie lediglich Symptome lindert oder Komplikationen vorbeugt, ohne gegen das Grundleiden selbst
zu wirken (z. B. operatives Wiederaufweiten der bösartig zugewucherten Atemwege bei Bronchialkarzinom zur
besseren Atmung).
• konservativ, wenn sie mit Hilfe von Medikamenten und/oder physikalischen Maßnahmen erfolgt.
• operativ, wenn sie auf die chirurgische Behandlung mittels Operation eines Krankheitszustandes abzielt.
• supportiv (oder unscharf adjuvant), wenn die unerwünschten Nebenwirkungen einer (meist antitumorösen)
Behandlung behandelt werden (z. B. Brechreiz lindernde Medikamente bei Übelkeit durch zytostatische
Chemotherapie)
• kalkuliert, wenn es aus Erfahrung (z. B. unverhältnismäßiger Aufwand in der Allgemeinmedizin oder bei akuter
Lebensgefahr) nicht praktikabel ist, eine gesicherte Diagnose abzuwarten und man bereits auf Verdacht beginnt
zu behandeln (z. B. sofortige Gabe von Antibiotika bei Verdacht auf eine bakterielle Hirnhautentzündung)
• elektiv, wenn der Zeitpunkt des Eingriffs relativ frei bestimmt werden kann (wie bei vielen ambulanten
Operationen)
• frustran, wenn sie vergeblich ist (z. B. frustrane Wiederbelebung)
• präventiv, wenn es die vorsorgliche Behandlung einer noch nicht ausgebrochenen, aber wahrscheinlich zukünftig
auftretenden Erkrankung ist (z. B. eine spezielle Diät schon vor Auftreten erster Symptome bei gewissen, in
Routineuntersuchungen festgestellten angeborenen Stoffwechselkrankheiten: siehe Screening).
• Prophylaxe (Zahnmedizin) im Sinne der Therapie potentiell Zahnerkrankungen auslösender Faktoren.
Die Impfungen sind eine Stärkung des Körpers gegen die Anfälligkeit gegenüber möglichen Infektionskrankheiten
(Schutzimpfungen) und damit keine Therapie im engeren Sinne. Anders, wenn eine Infektion bereits mit hoher
Wahrscheinlichkeit bereits erfolgt ist. In diesem Fall ist die Inkubationszeit des Erregers noch nicht vollständig
abgelaufen (der Erreger ist also noch nicht „angegangen“). In diesem Fall handelt es sich um eine therapeutische
Impfung (z. B. bei Verdacht auf Tollwut) mit der man den Erreger gewissermaßen „überholen“ kann, so dass er auf
56
Therapie
ein vorbereitetes Immunsystem trifft.
Übertherapie/Fehltherapie
Unsinnige Ausweitung von Therapie (und Diagnostik) nennt man Polypragmasie, eine unangemessene Therapie
(und Diagnostik) ist ein Behandlungsfehler und kann zu Komplikationen führen.
Therapieresistenz
Von einer Therapieresistenz wird gesprochen, wenn ein kranker Mensch nicht (mehr) auf Behandlungen anspricht,
die nach aktuellem Wissensstand fachlich korrekt durchgeführt wurden und im Regelfall mindestens zu einer
Besserung der Symptomatik oder im günstigsten Fall zu einer Heilung der Erkrankung hätten führen müssen. Ist dies
nicht gegeben, wird der Zustand als therapieresistent bezeichnet. Dann muss über alternative Therapieverfahren
nachgedacht werden. Möglich ist jedoch auch, dass der Patient als austherapiert eingestuft werden muss und die
weitere Behandlung keinen kurativen Anspruch mehr hat.
Einzelnachweise
[1] (http:/ / www. operone. de/ griech/ wad109. html) ATS Sprachendienst Wörterbuch altgriechisch-deutsch
Internetabhängigkeit
Mit Internetabhängigkeit, auch Internet- oder Onlinesucht, wird das Phänomen bezeichnet, das Internet
übermäßig, das heißt gesundheits- und persönlichkeitsgefährdend, zu nutzen. Im englischen Sprachraum finden sich
die Begriffe „internet addiction (disorder)“, „pathological internet use“ und „compulsive internet use“, also
pathologische bzw. zwanghafte Verwendung des Internet, die damit das Problemfeld auch besser beschreiben.
Erscheinungsformen
Es können mindestens drei Bereiche beschrieben werden, in denen pathologische Internet- bzw. Computer-Nutzung
auftreten kann (online und/oder offline):
• Computerspiele
• sexuelle Inhalte
• schriftliche Kommunikation (E-Mail, Chatten, Internetforen etc.)[1].
Internetabhängigkeit verursacht wie andere Verhaltensstörungen die Vernachlässigung üblicher
Lebensgewohnheiten, sozialer Kontakte, der persönlichen Versorgung und Körperhygiene, da ein Großteil der zur
Verfügung stehenden Zeit im Internet verbracht wird. Im Extremfall kann die virtuelle Welt zu einem vermeintlich
vollständigen Ersatz für sonstige reale soziale Kontakte werden und damit zu sozialer Isolation führen.
Nach außen wird die Sucht verheimlicht oder man will sie nicht wahrhaben, verharmlost sein Verhalten. Häufige
Entzugserscheinungen sind schlechte Laune, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen oder Schweißausbrüche. Unter
Umständen schlägt sich die Abhängigkeit auch in Faulheit nieder und in der Überzeugung, dass das Leben ohne
Computer sinnlos sei.
Als besonders gefährdet gelten depressive und einzelgängerisch veranlagte Menschen. Wenn der Druck des Alltags
sehr groß wird, kann die virtuelle Welt eine Fluchtmöglichkeit bieten, wobei alltägliche Aufgaben und
gesellschaftliche Anforderungen vernachlässigt werden.
Als Triebfeder gelten die Verfolgung bestimmter Aufgaben, Realitätsflucht und das Experimentieren mit der
Identität sowie die Kombination aus Befriedigung des so genannten Spieltriebs und des
57
Internetabhängigkeit
Kommunikationsbedürfnisses. Die Simulation gesellschaftlichen Aufstiegs kann ebenso eine Rolle spielen wie das
Gefühl von Omnipräsenz.
Depressive Menschen finden virtuelle Entlastung, narzisstische Persönlichkeiten befriedigen ihren Machtanspruch,
Jugendliche haben neue Möglichkeiten, ihre Grenzen auszuloten, und die vermeintliche Möglichkeit, ihre
Persönlichkeit zu entwickeln.
Bei Teilnehmern an Vielspieler-Rollenspielen (so genannte „MMORPGs“) und „Browsergames“ kann es dazu
kommen, dass sie ihre Spielerfolge in die Realität mitnehmen, um sich gegen andere Spieler/Freunde zu behaupten.
Oft sind Spielerfolge der Ersatz für Erfolge im echten Leben und werden von den Betroffenen als wichtiger erachtet,
als sich der eigenen Realität zu widmen.
Begrifflichkeit
Umgangssprachlich wird zwar von einer „Sucht“ gesprochen. Da es sich hierbei allerdings nicht um eine
stoffgebundene Abhängigkeit handelt, welche in der Klassifikation der ICD-10 erfasst wird, behilft man sich in der
Wissenschaft mit der Klassifikation als Störung der Impulskontrolle.[2] Diese Einordnung ist jedoch auch nicht
korrekt, da dadurch weder die vorhandene Toleranzentwicklung noch die entstehenden Entzugssymptome erfasst
werden.
Einige Wissenschaftler (zum Beispiel der Psychiater Bert te Wildt) sehen die Internetabhängigkeit nicht als
eigenständige Krankheit an, sondern als Syndrom im Rahmen einer bereits bestehenden psychischen Störung, zum
Beispiel einer Depression. Die Diskussionen zwischen den unterschiedlichen wissenschaftlichen Positionen dauern
an.
Problematisch ist außerdem, dass Internetabhängigkeit zum Teil als Überbegriff für weitere Störungen wie zum
Beispiel Online-Kaufsucht, Computersucht, Internetsexsucht, Computerspielsucht und Online-Glücksspielsucht
verwendet wird. Bereits etablierte psychische Störungen werden so auf Onlineaktivitäten übertragen, was ebenfalls
zu konträren Positionen innerhalb der wissenschaftlichen Diskussionen führt.
Um die Erforschung zu fördern und bessere Präventions- und Therapiemöglichkeiten entwickeln zu können, sollen
die Voraussetzungen für eine Anerkennung der „Online-/Neue Mediensucht“ bei der Weltgesundheitsorganisation
geprüft werden.[3]
Symptome
Die Abgrenzung zu „normalem“ Verhalten ist fließend und kann nicht klar definiert werden. Indikatoren können
Mangelerscheinungen oder unkontrolliertes Surfen im Internet sein, darüber hinaus:
• häufiges unüberwindliches Verlangen, das Internet zu benutzen
• Kontrollverluste (d. h. länger „online“ bleiben als man sich vorgenommen hatte) verbunden mit diesbezüglichen
Schuldgefühlen
• sozial störende Auffälligkeit im engsten Kreis der Bezugspersonen (Freunde, Partner, Familie), häufige Rügen
durch unmittelbare Bezugspersonen
• nachlassende Arbeitsleistung
• Verheimlichung/Verharmlosung der Netz-Aktivitäten vor der Umwelt
• psychische Irritabilität bei Verhinderung des Internet-Gebrauchs (kann sich auswirken in Form von Nervosität,
Reizbarkeit und Depression)
• mehrfach fehlgeschlagene Versuche der Einschränkung
Zudem finden einige soziale Interaktionsformen mittlerweile auch mittels des Internets statt, die bislang Bereichen
zugerechnet wurden, die von einer Internetabhängigkeit ausgenommen schienen, wie z. B. online vorgenommene
Verabredungen oder gemeinschaftliches Anfertigen von Hausaufgaben bei Facebook – auch dieser Umstand
erschwert eine Abgrenzung zu „normalem“ Verhalten, da diese angenommene Normalität stetem Wandel
58
Internetabhängigkeit
unterliegt.[4]
Therapie
Da in der Medizin noch immer keine Einigung über Bezeichnung und Diagnose herrscht, werden von den Deutschen
Krankenkassen und den Deutschen Rententrägern die Diagnosen "Computersucht“ oder "Internetabhängigkeit"
bisher nicht als Krankheit anerkannt. Um den Betroffenen dennoch helfen zu können, wird auf die Diagnose F63.9
im ICD-10 "Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet" zurückgegriffen, bei
welcher die Kosten der theapeutische Maßnahmen übernommen werden. In Deutschland ist auch, im Rahmen der
Wiedereingliederung, eine teilweise oder vollständige Kostenübernahme durch das Sozialamt möglich, wenn die
Kosten der Maßnahme die eigenen Möglichkeiten übersteigt und kein anderer Kostenträger existiert.
Therapien sind inzwischen in nahezu jeder Einrichtung möglich, welche sich mit Sucht und Abhängigkeit
beschäftigt. Die Therapie kann stationär, teilstationär oder auch ambulant erfolgen. Dabei stehen verschiedene
therapeutische Maßnahmen zur Verfügung:
•
•
•
•
•
•
•
stationäre Therapie
Adaption
teilstationäre Unterbringung
Tagesklinik
Einzelgespräche
indikative Gruppen
Selbsthilfegruppen
Das spezielle Problem der Therapie gegen die Internetabhängigkeit ist dabei, dass das gewöhnliche Therapieziel
einer stofflichen Abhängigkeit, nämlich die möglichst vollständige Abstinenz, nicht erreichbar ist. Computer und
andere elektronische Medien gehören zum alltäglichen Leben. Im Rahmen einer Therapie können die Betroffenen
jedoch einen bewussteren sowie gesellschaftlich tolerierten und angepassten Umgang mit dem Medium Computer
und der Internetnutzung lernen.
Dabei müssen häufig auch Folgeprobleme behandelt werden. So beinhaltet eine Therapie wie bei anderen
Verhaltenstherapien Anreize, das Interesse der Betroffenen an Sport und anderen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten
zu wecken. Zudem müssen bei jugendlichen Betroffenen in der Regel die jeweiligen Eltern einbezogen werden, da
gegebenenfalls das Vertrauen zwischen Kindern und Eltern gestört ist und neu aufgebaut werden muss.
Bei (Ehe-)Partnern ist unter Umständen eine Eheberatung indiziert, um gemeinsam Strategien zur
Abhängigkeitsbewältigung wie auch zur Rettung der Beziehung zu finden.
Allgemein anerkannt ist die hohe Bedeutung von Selbsthilfegruppen für die Therapie. Viele Therapeuten sind
inzwischen der Überzeugung, dass ein nachhaltiger Therapieerfolg durch den Besuch von Selbsthilfegruppen
überhaupt erst möglich ist. Dabei ist der Besuch einer Selbsthilfegruppe nicht an die Teilnahme an einer stationären
oder ambulanten Therapie gebunden. Da im Bereich der Computer-, Online- und Medienabhängigkeit (noch) kein
hoher Bedarf an Selbsthilfegruppen existiert und aufgrund der zahlreichen Parallelen zur Glücksspielsucht finden
sich meist Computer- und Glücksspielsüchtige zu gemeinsamen Selbsthilfeguppen zusammen.
59
Internetabhängigkeit
Epidemiologie
Die Regierung von Südkorea schätzt, dass etwa 210.000 koreanische Kinder und Jugendliche von
Internetabhängigkeit betroffen sind (2,1 % zwischen 6 und 19 Jahren). Für die USA liegen keine genauen
Schätzungen vor.[5]
Internetsucht in Deutschland
Einer im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführten, am 25. September 2011 in Berlin vorgelegten
Studie[6] zufolge gibt es in Deutschland nach neuen Schätzungen mehr Internetsüchtige als Glücksspielabhängige.
Demnach sind in Deutschland rund 560.000 Menschen vom Internet abhängig. So sei bei 1 % der 14- bis
64-Jährigen eine Internetabhängigkeit wahrscheinlich, bei 4,6 % läge bei mindestens 4 Stunden online eine
„problematische Internetnutzung“ vor. Diese Zahl entspricht etwa dem Anteil der Cannabis-Konsumenten in
Deutschland. Der Anteil der Glückspielsüchtigen liegt bei etwa 0,3 bis 0,5 %, also etwa 250.000 Personen. Der
Anteil der Internet-Süchtigen liegt bei den Jugendlichen höher als bei den Älteren. Laut Studie sollen 2,4 % der 14bis 24-Jährigen internetabhängig sein. 13 % gelten als „problematisch in ihrer Internetnutzung“. In der Altersgruppe
der 14- bis 16-Jährigen sind Mädchen mit 4,9 % stärker gefährdet als Jungen, die zu 3,1 % von der Online-Nutzung
abhängig sind. In der Gruppe der bis 24-Jährigen ist das Verhältnis in etwa gleich. Insgesamt sollen Männer in der
Regel häufiger unter Internetsucht leiden als Frauen. Weibliche Nutzer konzentrieren sich dabei mit 77 % stärker auf
soziale Netzwerke wie Facebook, junge Männer auf Computerspiele.[7]
Der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags veranstaltete federführend im April 2008 eine
Öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Thema Onlinesucht. Der Drogenbericht der Bundesregierung
2009[8] widmet der Onlinesucht erstmals ein eigenes Kapitel und kommt zu dem Resultat: „Aus gesundheitlicher
Sicht hat die suchtartige Nutzung des Internets an Gewicht gewonnen. Vor allem männliche Jugendliche und junge
Erwachsene zeigen häufiger ein sich verlierendes, entgleitendes und in Extremfällen psychopathologisch auffälliges
Online-Nutzungsverhalten insbesondere in Bezug auf Online-Spielewelten“.[9][10]
Studien
• Stress und Sucht im Internet, 1999 PDF [11] (727 kB); abgerufen am 27. September 2012
• Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht. Mai 2011, PDF [12] (1,5 MB); abgerufen am
27. September 2012
• Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit: Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA), 2011 PDF [13]
(298 kB); abgerufen am 27. September 2012
• Bericht an die EU-Kommission - Safer Internet Programme: The development of adaptive and maladaptive
patterns of Internet use among European adolescents at risk for Internet addictive behaviours: A Grounded
theory inquiry (EU NET ADB), 2012 PDF [14] (727 kB); abgerufen am 15. März 2013
Literatur
• Sabine M. Grüsser, Carolin N. Thalemann: "Verhaltenssucht - Diagnostik, Therapie, Forschung", 2006 ISBN
3-456-84250-3
• Gabriele Farke: Onlinesucht – wenn Mailen und Chatten zum Zwang werden, 2003, Kreuz Verlag GmbH&Co
Kg, ISBN 3-7831-2291-0
• S. Kratzer: Pathologische Internetnutzung – eine Pilotstudie zum Störungsbild, 2006, ISBN 3-89967-317-4
• C. Möller: Internet- und Computersucht bei Kindern und Jugendlichen in: M. Backmund, Suchtmedizin, 13.
Erg.Lfg. 2008 (9): S.25-45; (10): S.78-79, Landsberg, Ecomedverlag
• Mücken, D., Teske, A., Rehbein, F., te Wildt, B. (Hrsg.): Prävention, Diagnostik und Therapie von
Computerspielabhängigkeit, 2010, 228 Seiten, Pabst Science Publishers, ISBN 978-3-89967-608-2
60
Internetabhängigkeit
• Petersen, K.-U., Thomasius, R.: Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in
Deutschland, 2010, 344 Seiten, Pabst Science Publishers, ISBN 978-3-89967-663-1
• Roman Pletter: Internet-Abhängigkeit: Krankheit oder Medienhype?, Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe Juni 2002,
Seite 269 – [15] [16]
• Oliver Seemann: Die Internet-Süchtigen, 2001, Laufen, K M, ISBN 3-87468-181-5
• te Wildt, B.: Medialität und Verbundenheit – Zur psychopathologischen Phänomenologie und Nosologie von
Internetabhängigkeit, 2010, 384 Seiten, Pabst Science Publishers, ISBN 978-3-89967-609-9
• Kurosch Yazdi: Junkies wie wir. Spielen. Shoppen. Internet. Was uns und unsere Kinder süchtig macht, 2013, 208
Seiten, Edition a, ISBN 978-3990010525, s. auch Rezension von K. Seliger [17]
• Hans Zimmerl: Internetsucht in: Sucht und Suchtbehandlung, Verlag LexisNexis ARD Orac 2004;
Bestellnummer: 86.17.01; ISBN 3-7007-2629-5
Weblinks
• Aktuelle Daten u.a. zur Prävalenz und zu den klinischen Studien zur Therapie der Internetabhängigkeit [18]
• Kritische Analyse des Begriffs (Uni Oldenburg) [19]
• Jan Rähm: Suchtfalle Internet – Präventionskampagne gegen Computer-Abhängigkeit. [20] Sprechstunde im
Deutschlandfunk am 26. Januar 2010, abgerufen am 7. Mai 2010
• Internetsucht - Onlinesucht [21], Website von Werner Stangl
• Extrathema Exzessive Mediennutzung [22], SCHAU HIN! - der Medienratgeber für Familien
Einzelnachweise
[1] Jerald J. Block: Issues for DSM-V: Internet Addiction. American Journal of Psychiatry, 2008, 165 (3), S. 306-307, .
[2] Study finds computer addiction is linked to impulse control disorder (http:/ / www. theaustralian. news. com. au/ story/
0,20867,20632039-27699,00. html) The Australian News, 24. Oktober 2006
[3] Deutscher Bundestag, Drucksache 16/13382 – Antrag (http:/ / dip21. bundestag. de/ dip21/ btd/ 16/ 133/ 1613382. pdf). 17. Juni 2009.
(PDF-Datei; 48 KB)
[4] "Das Web ist im Alltag angekommen." (http:/ / www. spiegel. de/ netzwelt/ web/ 0,1518,711221,00. html) Spiegel Online, 11. August 2010
[5] The American Journal Of Psychiatry (http:/ / ajp. psychiatryonline. org/ cgi/ content/ full/ 165/ 3/ 306) Editorial zu epidemiologischen
Kulturunterschieden der Internetabhängigkeit
[6] Prävalenz der Internetabhängigkeit, Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit, 2011 (http:/ / www. drogenbeauftragte. de/ fileadmin/
dateien-dba/ DrogenundSucht/ Computerspiele_Internetsucht/ Downloads/ PINTA-Bericht-Endfassung_280611. pdf) (PDF-Datei; 298 kB)
[7] Internetsucht auf Niveau von Cannabis-Konsum. In: Berliner Morgenpost 26. September 2011. (http:/ / www. morgenpost. de/ web-wissen/
article1775967/ Internetsucht-auf-Niveau-von-Cannabis-Konsum. html) Vgl. auch Mehr Süchtige nach Internet als nach Glücksspielen. In:
MDR 26. September 2011. (http:/ / www. mdr. de/ nachrichten/ internetsucht100. html)
[8] Bundesministerium für Gesundheit: Drogen- und Suchtbericht. Mai 2009 (http:/ / www. bmg. bund. de/ cln_169/ SharedDocs/ Downloads/
DE/ Drogen-Sucht/ Drogen_20und_20Sucht_20allgemein/ Drogen-_20und_20Suchtbericht_202009,templateId=raw,property=publicationFile.
pdf/ Drogen- und Suchtbericht 2009. pdf), PDF (1,5 MB); abgerufen am 13. Juli 2010
[9] Drogen- und Suchtbericht 2009 veröffentlicht (http:/ / www. bmg. bund. de/ cln_117/ nn_1191726/ SharedDocs/ Pressemitteilungen/ DE/
Drogenbeauftragte/ 2009/ 09-05-04_20Drogen-_20und_20Suchtbericht_202009. html?__nnn=true), Bundesministerium für Gesundheit,
Pressemitteilung, 4. Mai 2009
[10] Internet und Computerspiele – wann beginnt die Sucht? (http:/ / www. bmg. bund. de/ cln_160/ nn_1191726/
sid_047790B527EB30C02209A48516D5B3EB/ nsc_true/ SharedDocs/ Standardartikel/ DE/ AZ/ D/ Glossar-Drogenbeauftragte/
Jahrestagung_20der_20DdB_20Neue_20Medien_20Vorank_C3_BCndigung. html?__nnn=true) Jahrestagung der Drogenbeauftragten der
Bundesregierung, 3. Juli 2009
[11] http:/ / www. andre-hahn. de/ downloads/ vortraege/ 1999/ 1999_Stress_Sucht_Internet_Charite. pdf
[12] http:/ / www. drogenbeauftragte. de/ fileadmin/ dateien-dba/ Service/ Publikationen/
Drogen_und_Suchtbericht_2011_110517_Drogenbeauftragte. pdf
[13] http:/ / www. drogenbeauftragte. de/ fileadmin/ dateien-dba/ DrogenundSucht/ Computerspiele_Internetsucht/ Downloads/
PINTA-Bericht-Endfassung_280611. pdf
[14] http:/ / www. eunetadb. eu/ files/ docs/ Qualitative_Report_D5. pdf
[15] http:/ / www. aerzteblatt. de/ v4/ archiv/ artikel. asp?src=suche& id=33603
[16] http:/ / www. psychologie-aktuell. com/ 30. html?& tx_ttnews%5Btt_news%5D=49& tx_ttnews%5BbackPid%5D=143&
cHash=1c4e74d877
61
Internetabhängigkeit
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]
62
http:/ / www. gesundheit-sachsen. de/ Leipzig/ News/ 19613. html
http:/ / internetabhängigkeit. org/
http:/ / www. uni-oldenburg. de/ bssb/ 11741. html
http:/ / www. dradio. de/ dlf/ sendungen/ sprechstunde/ 1113149/
http:/ / arbeitsblaetter. stangl-taller. at/ SUCHT/ Internetsucht. shtml
http:/ / www. schau-hin. info/ extrathemen/ exzessive-mediennutzung. html
Störung der Impulskontrolle
Als Störung der Impulskontrolle oder Impulskontrollstörung wird in der Psychiatrie und der Klinischen
Psychologie ein Verhaltensablauf bezeichnet, bei dem ein als unangenehm erlebter Anspannungszustand durch ein
bestimmtes impulsiv ausgeübtes Verhalten aufgelöst wird. Nach der Beschreibung in der ICD-10 ist es „durch
wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet, die nicht kontrolliert werden können und die
meist die Interessen des betroffenen Patienten oder anderer Menschen schädigen“.[1]
Das impulsive Verhalten wird dranghaft, oft automatisch ausgeführt. Es wird zwar bewusst erlebt, kann aber
willentlich nicht oder nur schwer verhindert werden. Impulskontrollstörungen können somit als Volitionsstörung
aufgefasst werden, oder – in neuropsychologischer Perspektive – als Störung der exekutiven Funktionen. Die
impulsiv ausgeübten Verhaltensweisen können eine sehr große Bandbreite umfassen: Essen, Kaufen, Spielen,
Nägelkauen, Mit-dem-Auto-Rasen, exzessive Masturbation, Selbstverletzungen (teilweise auch bei der
Borderline-Persönlichkeitsstörung).
Voraussetzung für eine Bewertung impulsiven Verhaltens als psychische Störung ist, dass es als unangepasst gelten
kann, also entweder nicht den vernunftorientierten Zielen der betreffenden Person entspricht oder dem Betroffenen
selbst oder anderen Personen Schaden zufügt (z. B. Schulden, Unfälle, Verletzungen).
Klassifikation
Klassifikation nach ICD-10
F63 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
[1]
Die Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation (fünftes Kapitel der ICD-10) klassifiziert
folgende konkreten Störungsbilder gesondert im Abschnitt Abnorme Gewohnheiten und Störungen der
Impulskontrolle:
•
•
•
•
pathologisches Spielen (F63.0)
pathologische Brandstiftung (F63.1)
pathologisches Stehlen (F63.2)
pathologisches Haarezupfen (F63.3)
Andere Impulskontrollstörungen sind als sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
(F63.8) zu klassifizieren, auch die im DSM-IV gesondert gelistete intermittierende explosible Störung, die durch
zeitweilig auftretende aggressive Ausbrüche gekennzeichnet ist.
Störung der Impulskontrolle
Therapie
Behandlungsansätze arbeiten u. a. mit kognitiver Verhaltenstherapie. Ziel ist in diesem Fall, nicht nur den Impuls
durch entsprechende bewusste Aufmerksamkeitslenkung (Anzeichen, Auslöser) zu verhindern, sondern alternatives
funktionaleres Verhalten (also etwas, das besser hilft und der Person längerfristiger nutzt) zu lernen.
Psychoanalytische Behandlungsansätze sehen Störungen der Impulskontrolle als ein Symptom, das im
Zusammenhang mit den verschiedensten psychischen Störungen auftreten kann. Diese Therapien zielen darauf ab,
die innere Psychodynamik so zu verändern, dass psychische Funktionen bzw. Kompetenzen wie die Impulskontrolle
und die Fähigkeit zur zielorientierten und realitätsgerechten Selbststeuerung dem Betroffenen wieder zur Verfügung
stehen oder sich neu entwickeln.
Literatur
• Martin Hautzinger, Elisabeth Thies: Klinische Psychologie: Psychische Störungen kompakt. Beltz, Weinheim
2009, ISBN 978-3-621-27755-6.
Weblinks
• ICD-10-Code F63 [2]
• Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie zu "Abnorme
Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle" [3]
Einzelnachweise
[1] ICD-10-Code F63 (http:/ / www. icd-code. de/ icd/ code/ F63. -. html)
[2] http:/ / www. icd-code. de/ icd/ code/ F63. -. html
[3] http:/ / www. uni-duesseldorf. de/ AWMF/ ll/ 028-013. htm
63
Schuldgefühl
Schuldgefühl
Das Schuldgefühl ist eine – normalerweise als negativ wahrgenommene – soziale Emotion, welche aus der
bewussten oder unbewussten Überzeugung, etwas Falsches getan zu haben, entsteht. Mögliche körperliche
Reaktionen (Erröten, Schwitzen, eventuell sogar depressive Verstimmung, Fieber oder Magenverstimmung) sind oft
vergleichbar mit denen der Scham oder Angst, aber meist schwächer ausgeprägt. Schuld, Scham und
Verantwortungsgefühl können leicht verwechselt werden, d. h. die Abgrenzung im Erleben des Individuums ist
häufig schwierig. In der Fachliteratur wird Scham von Schuld mittels der Bewertungsgrundlage des Verhaltens
abgegrenzt: Während Schuld durch eine negative Bewertung eines Verhaltens erzeugt wird („ich habe etwas Falsches
getan“), wird Scham durch eine negative Bewertung des globalen Selbsts erzeugt („ich bin ein schlechter Mensch“).
In der ursprünglich auf Freud zurückgehenden Tiefenpsychologie wird das Schuldgefühl durch das „Über-Ich“
ausgelöst. Die Fähigkeit zum Erleben von Schuldgefühlen und deren Auslösbarkeit durch charakteristische aktuelle
Lebensereignisse wird nach analytischen und tiefenpsychologischen entwicklungspsychologischen Theorien
innerhalb charakteristischer Lebensphasen in der Kindheit erworben.
Auslöser
Schuldgefühle werden, sofern die Fähigkeit dazu vom Individuum schon erworben wurde, ausgelöst, wenn eine
sozial unerwünschte Handlung begangen wird. Dies können sein:
• Verstöße gegen Normen, Gebote oder Verbote und/oder
• die Nichterfüllung einer sittlichen oder moralischen Pflicht.
Offensichtliche auslösende Faktoren können beispielsweise ein verursachter Schaden, Versäumnis eines Termins
oder ähnliche (unnötige bzw. vermeidbare) Fehler sein. Spezifische Gründe können vorliegen, wenn Menschen das
Verpassen von Chancen bereuen oder im Nachhinein an der Richtigkeit getroffener Lebensentscheidungen zweifeln.
Obwohl dies quälende Gefühle bereitet, besteht deren tieferer Sinn darin, dass sie aus vergangenen Irrtümern lernen
und ab dann bessere und für sich stimmigere (= plausiblere) Entscheidungen treffen können.
Zudem kann das Schuldgefühl aber auch durch objektiv schwer nachvollziehbare Auslöser entstehen. Es wird
normalerweise entweder von der Umwelt oder vom Betroffenen selbst entwickelt und verstärkt. Hierbei meist
mitverantwortlich ist eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Disposition, Persönlichkeitsstörung oder psychische
Erkrankung, wie z.B. bei der mittelschweren oder schweren depressiven Episode. (Siehe auch Selbstwert,
Selbstachtung.) Ein häufig beobachtetes Phänomen ist die Entwicklung von Schuldgefühlen wenn folgende
Bedingungen gleichzeitig gegeben sind: 1. plötzlich auftretende Situation, die 2. emotional belastet (z. B. plötzlicher
Tod oder Unfall einer nahestehenden Person, Erleben sexuellen Missbrauchs, aber auch nach dem Erfahren von weit
entfernten Naturkatastrophen wenn sie für den Betreffenden emotional belastend sind). In diesen Fällen ist keine
persönliche Disposition ausschlaggebend.
Reaktionen
Schuldgefühle können Gewissensbisse, Ärger, Angst und sogar Panik hervorrufen; siehe auch Assoziation
(Psychologie). Die Person wird von innerer Unruhe getrieben sein, ein schlechtes Gewissen haben und allgemein
unter einem bedrückenden Gefühl leiden. Zweifel, Selbstvorwürfe und die ständige gedankliche Beschäftigung mit
dem Fehlverhalten sind typisch. Sie empfindet ausgeprägte Reue, also den Wunsch, das Geschehene ungeschehen zu
machen bzw. die Schuld wiedergutzumachen. In manchen Fällen sind Schuldgefühle auch Auslöser für
Selbstverletzendes Verhalten (SVV).
64
Schuldgefühl
Schuldgefühle im Kognitivismus
Nach der Kognitiven Verhaltenstherapie entstehen Schuldgefühle, wenn der Betroffene sein Verhalten als falsch
bewertet und sich dafür als Mensch verurteilt. Sie werden in einigen Richtungen dieser Therapieform nicht als
„Gefühle“, sondern als Bewertungen und Schlussfolgerungen angesehen, die (aus dieser Sicht korrekte) zugehörige
Emotion ist Scham; der Begriff Schuldgefühl oder Schuldgefühle wird daher in strenger Auslegung nicht verwendet,
eine Abgrenzung unterbleibt somit (z. B. Stavemann, 2008[1]). Demnach können Schuldgefühle bzw. Scham
überwunden werden, wenn Bewertung und Schlussfolgerung überprüft und korrigiert werden. Oftmals sehen sich
Betroffene verantwortlich für Ereignisse, die nicht oder nur zum Teil unter ihrer Kontrolle lagen. Betroffene trennen
auch häufig nicht zwischen ihrer Person und einem einmaligen Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Betroffene verknüpfen das Begehen von Fehlern – den Verstoß gegen (in diesem Ansatz eben immer eigenen,
verinnerlichten) Normen – mit einer Bewertung ihrer gesamten Person, bzw. fällen ein Urteil über sich als Mensch,
bzw. wertvollen oder wertlosen Menschen (im Sinne einer pathologischen Selbstwertbestimmung). Dies sind in der
Regel tief verwurzelte und inzwischen unbewusst ablaufende Bewertungsprozesse.
Innerhalb der Kognitiven Verhaltenstherapie werden Schuldgefühle bzw. Scham als nicht hilfreich gewertet. Denn
sie machen das Verhalten nicht ungeschehen, führen nicht unbedingt zu einer Wiedergutmachung und auch nicht zur
Vermeidung zukünftigen Fehlverhaltens. Übernahme von Verantwortung und Reue sollen demnach genügen. Die
Aufdeckung und Bearbeitung unbewusster Bewertungsprozesse und ein (langwieriges) Neulernen und damit auch
ein konsequentes wiederholtes Einüben bei gleichzeitigem emotionalen Erleben neuer Bewertungsmuster sind daher
zentraler Gegenstand der Kognitiven Verhaltenstherapie.
Religiöse Bedeutung
Der Buddhismus stellt das Schuldgefühl weitgehend in den Bereich des Leids, von welchem man sich über den Weg
der Akzeptanz befreien muss.
Das zentrale Dogma des Christentums vom Sühnetod Christi am Kreuz führt dazu, das Gewissen von vorhandenem
Schuldgefühl zu befreien, um so ein Umdenken (Metanoia) des Menschen möglich zu machen.[2]
Quellen
[1] Stavemann, H. (2008). KVT-Praxis: Strategien und Leitfäden für die Kognitive Verhaltenstherapie. Weinheim: Beltz/PVU (2. Aufl.).
[2] vgl. Rechtfertigung (Theologie)
Literatur
• Doris Wolf: Wenn Schuldgefühle zur Qual werden. Wie Sie Schuldgefühle überwinden und sich selbst verzeihen
lernen. PAL Verlag 2003, ISBN 3-923614-68-3
• Neal Roese: Ach, hätt' ich doch!: Wie man Zweifel in Chancen verwandelt, Eichborn; Auflage: 1., Aufl. (März
2007), ISBN 3821856513
65
Psychotherapie
Psychotherapie
Psychotherapie (von griechisch _`ab psychḗ ‚Atem, Hauch, Seele‘ uce fghijgkglm therapeúein ‚pflegen, sorgen‘)
ist das gezielte Behandeln einer psychischen Störung oder psychischer Folgen körperlicher Erkrankungen mit Hilfe
verbaler Interventionen oder übender Verfahren auf der Grundlage einer therapeutischen Arbeitsbeziehung. Dabei
werden wissenschaftlich-anerkannte Methoden angewendet. Psychologische Verfahren, die nicht die Diagnose und
Heilung von psychischen Störungen zum Gegenstand haben, wie z.B. Probleme der Lebensführung, werden dem
Bereich der beratenden Psychologie zugeordnet.
Leistungserbringer
In Europa ist der Zugang zur Berechtigung zur Ausübung von Psychotherapie unterschiedlich geregelt. Insgesamt ist
Psychotherapie nur in elf EU-Staaten gesetzlich geregelt.
Deutschland
Berechtigt zur Ausübung von Psychotherapie im Sinne der Heilkunde sind:
• Psychologische Psychotherapeuten (Diplom- bzw. Master Psychologen mit psychotherapeutischer
Zusatzausbildung und Approbation)
• Ärztliche Psychotherapeuten (Ärzte mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung)
• Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
• Heilpraktiker für Psychotherapie (Heilpraktiker beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie)
Österreich
In Österreich fallen mehr Indikationen und Verfahren unter den Begriff "Psychotherapie" und die
Zugangsvorraussetzung zum Psychotherapeutenberuf sind wesentlich weiter gefasst als bspw. in Deutschland. So
ermöglicht in Österreich u.a. ein Studium der Medizin, der Pädagogik, der Philosophie, der Psychologie, der
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft oder der Theologie oder ein Studium für das Lehramt an höheren
Schulen eine Ausbildung zum Psychotherapeuten.[1]
Hauptformen der Psychotherapie
Psychotherapie wird entlang theoretischer Grundannahmen und praktischer Methoden in zwei verschiedene
Hauptformen unterschieden:
Verhaltenstherapien
Verhaltenstherapeutische Verfahren basieren in der Regel auf dem Modell der klassischen Konditionierung. Sie
haben zum Ziel, eine Extinktion, Gegenkonditionierung oder Habituation zu erreichen. Häufig werden den Patienten
Methoden an die Hand gegeben, die ihnen dabei helfen sollen, ihre Probleme zu überwinden. Angestrebt wird auch
die Ausbildung und Förderung von Fähigkeiten und die Ermöglichung einer besseren Selbstregulation.
Beispielsweise versucht die kognitive Verhaltenstherapie, dem Betroffenen seine Gedanken und Bewertungen
verständlich zu machen, diese gegebenenfalls zu korrigieren und in neue Verhaltensweisen umzusetzen.
66
Psychotherapie
67
Tiefenpsychologische Therapien
Im Rahmen von tiefenpsychologischen Verfahren nop qp rst analytischen Psychotherapie) und in der
tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie findet eine Auseinandersetzung mit unbewussten, in der
Lebensgeschichte, meist in der Kindheit grundgelegten Motivationen und Konflikten statt. Das Ziel ist hierbei, ein
tieferes Verständnis des eigenen Selbst zu erreichen sowie Hintergründe und Ursachen von bestehendem Leid zu
klären, damit dieses aufgelöst oder abgeschwächt werden kann.
Psychotherapieverfahren
Es gibt eine Vielzahl von Schulen und Methoden der Psychotherapie, von denen einige nur noch historisch
bedeutsam sind, aber kaum noch angewandt werden. Bei vielen Methoden handelt es sich um Weiterentwicklungen,
Spezialisierungen oder Abspaltungen. Nicht alle Ansätze nehmen in Anspruch, zur Heilung psychischer Störungen
beitragen zu können. Einige Methoden wurden nicht für die Psychotherapie konzipiert, sondern für Beratung oder als
Selbsterfahrungstechnik. Die Rolle der einzelnen Methoden im Gesundheitswesen der deutschsprachigen Länder ist
sehr unterschiedlich.
Richtung
analytisch
Methode
Gründer
Psychoanalyse
Sigmund Freud
Individualpsychologie
Alfred Adler
Analytische Psychologie
C. G. Jung
Gruppenpsychoanalyse
Pratt, Burrow, Schilder
Deutschland Österreich Schweiz
Daseinsanalyse
Ludwig Binswanger
Dynamische Gruppenpsychotherapie
Raoul Schindler
–
–
–
Hypnosepsychotherapie
Milton Erickson
(1)
Katathym-Imaginative Psychotherapie
Hanscarl Leuner
Konzentrative Bewegungstherapie
Gindler, Stolze, Cserny
Transaktionsanalyse
Eric Berne
Logotherapie und Existenzanalyse
Viktor Frankl
Gestalttherapie
Perls, Perls, Goodman
–
–
–
–
Carl R. Rogers
(2)
Psychodrama
Jakob L. Moreno
–
behavioristisch
(klassische) Verhaltenstherapie
Thorndike, Watson, Skinner u. a.
kognitiv
kognitive Verhaltenstherapie
Ellis, Beck, Kanfer, Lazarus u. a.
systemisch
Systemische Therapie
Satir, Haley, Jackson u. a.
(2)
kombinatorisch
Integrative Therapie
Hilarion Petzold
Gestalttheoretische Psychotherapie
Hans-Jürgen Walter
humanistisch
Neuro-Linguistische Psychotherapie
Schütz, Karber, Jelem u.a.
körperorientiert
Bioenergetische Analyse
Wilhelm Reich, Alexander Lowen
Biosynthese
David Boadella
Körperpsychotherapie
verschiedene Schulen
–
–
–
–
–
–
–
tiefenpsychologisch Autogene Psychotherapie
humanistisch
Gesprächspsychotherapie
kunstorientiert
[2]
Johannes Heinrich Schultz
Kunst- und ausdrucksorientierte Therapien verschiedene Schulen
–
–
–
–
–
–
–
–
Psychotherapie
68
Musiktherapie
verschiedene Schulen
–
(1) Hypnosetherapie: in Deutschland Einzelbehandlung für Erwachsene anerkannt, muss von einem Arzt oder
einem Psychologischen Psychotherapeuten, der die Abrechnungsgenehmigung dafür hat, durchgeführt werden
• (2) Gesprächstherapie und Systemische Therapie: in Deutschland für Erwachsene anerkannt (nach Berufsrecht),
wird allerdings von den Kassen noch nicht finanziert (nach Sozialrecht)
v
In Teilen der akademischen Psychotherapieforschung wird angestrebt Psychologische Therapie / Psychologische
Psychotherapie als eine von Therapieschulen losgelöste Psychotherapieform zu etablieren, in der nach
Gesichtspunkten der evidenzbasierten Medizin behandelt (und evaluiert) wird. Es wird also das angewendet, was bei
einem bestimmten Störungsbild und unter Berücksichtigung der Situation des Patienten wissenschaftlich als am
besten wirksam belegt angesehen werden muss (Grawe 1994). Kritiker weisen auf die Komplexität der
therapeutischen Situation hin, die von der Forschung bisher nur ansatzweise erfasst wird.[3]
Psychotherapie: Beschreibung und Abgrenzung
Psychotherapie wird von anderen Methoden und Verfahren auf dem wissenschaftlichen Feld der Psychologie
unterschieden.
Rechtliche Definition (Deutschland)
Was aus rechtlicher Sicht Psychotherapie ist, regelt in Deutschland das Psychotherapeutengesetz und die
Psychotherapierichtlinie. Dort heißt es:
"Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer
Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert,
bei denen Psychotherapie indiziert ist."[4]
"Psychotherapie (...) wendet methodisch definierte Interventionen an, die auf als Krankheit diagnostizierte seelische
Störungen einen systematisch verändernden Einfluss nehmen und Bewältigungsfähigkeiten des Individuums
aufbauen."[5]
"Psychotherapie, als Behandlung seelischer Krankheiten (...), setzt voraus, dass das Krankheitsgeschehen als ein
ursächlich bestimmter Prozess verstanden wird, der mit wissenschaftlich begründeten Methoden untersucht und in
einem Theoriesystem mit einer Krankheitslehre definitorisch erfasst ist."[6]
Wissenschaftliche Definitionen
Die Psychotherapieforscher David Orlinsky und Kenneth I. Howard beschrieben in der zweiten Auflage des
Handbook of Psychotherapy and Behavior Change aus dem Jahr 1978 Psychotherapie unter folgenden Aspekten:[7]
„Psychotherapy is (1) a relation among persons, engaged in by (2) one or more individuals defined as
needing special assistance to (3) improve their functioning as persons, together with (4) one or more
individuals defined as able to render such special help.“
„Psychotherapie ist (1) eine Beziehung zwischen Personen; einerseits (2) einem oder mehreren
Individuen, die Hilfe dabei benötigen, (3) ihr Funktionieren als Person zu verbessern, und andererseits
(4) einem oder mehreren Individuen, die diese spezielle Hilfe zur Verfügung stellen.“
Jerome D. Frank lieferte in seinem vielbeachteten Buch Persuasion and Healing eine kulturübergreifende
Definition:[8]
„Attempts to relieve suffering and disability are usually labeled treatment, and every society trains some
of its members to apply this form of influence. Treatment typically involves a personal relationship
between healer and sufferer. Certain types of therapy rely primarily on the healer’s ability to mobilize
healing forces in the sufferer by psychological means. These forms of treatment may be generically
Psychotherapie
termed psychotherapy.“
„Versuche, Leiden und Behinderung zu vermindern werden gewöhnlich Behandlung genannt, und jede
Gesellschaft bildet einige ihrer Mitglieder aus, diese spezielle Form der Einflussnahme auszuüben.
Behandlung umfasst üblicherweise eine persönliche Beziehung zwischen Heiler und Leidendem.
Bestimmte Arten von Therapie beruhen primär auf der Fähigkeit des Heilers, heilende Kräfte im
Leidenden mit psychologischen Mitteln zu mobilisieren. Diese Form der Behandlung wird gewöhnlich
Psychotherapie genannt.“
Orlinsky et al. ergänzen in der fünften Auflage des Handbook of Psychotherapy and Behavior Change (2004), dass
Psychotherapie in der heutigen Zeit auch umfasst bzw. umfassen kann:
• eine Form von Förder- oder weiterführendem Unterricht in Bezug auf sozial-emotionales Funktionieren
• eine nicht-gewalttätige Form der sozialen Kontrolle von abweichendem Verhalten
• eine Vermittlung von sinnhafter persönlicher Orientierung und Lebensphilosophie (oder „spiritueller“
Entwicklung).
Aus einem anderen Blickwinkel könne Psychotherapie als eine Verfeinerung und Professionalisierung persönlicher
helferischer Fertigkeiten gesehen werden, die dann gesucht wird, wenn das soziale Netzwerk des Individuums
versagt (z. B. in einer Krise) oder kaum noch vorhanden ist (in sich schnell verändernden und hochmobilen
Gesellschaften), oder wenn das nötige Ausmaß an „therapeutischer“ Kompetenz das in normalen sozialen
Netzwerken übliche Niveau überschreitet. Diese Form der persönlichen Hilfe wird in modernen städtischen
Gesellschaften angeboten als
• professionelles Angebot
• von Personen, deren Fachkunde in helferischen Fähigkeiten formal anerkannt wurde durch Ausbildungsinstitute,
Lizenzierung und Reputation,
• gegenüber Personen, deren Probleme die psychische Gesundheit im engeren Sinne betreffen.[9]
Eine weitere Definition stammt aus dem Jahre 1978 vom Wiener Psychotherapeuten Hans Strotzka:
„Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von
Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient,
Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln
(durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach
Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der
Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und
pathologischen Verhaltens.“
– Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4
Die Apologeten der emotionalen Intelligenz, z. B. Daniel Goleman, verstehen Psychotherapie als systematisches
Neuerlernen von Gefühlsreaktionen.[10]
69
Psychotherapie
Allgemeine Modelle zur Psychotherapie und ihrer Wirkungsweise
Unspezifische Wirkfaktoren nach J. Frank
Jerome D. Frank beschrieb 1961[11] vier Faktoren des psychotherapeutischen Geschehens, die seiner Meinung nach
schulenübergreifend wirksam sind:[12][13]
• Eine Beziehung zwischen Therapeut und Patient, in welcher der Patient den Therapeuten als kompetent und bereit
zur Hilfe erlebt.
• Die Besonderheit der therapeutischen Situation als Ort der Heilung (mit Insignien wie der professionellen
Akkreditierung des Therapeuten, Couch etc.) und die damit zusammenhängenden Heilungserwartungen.
• Die Vermittlung einer Erklärung (Attribution) für die Probleme des Patienten und wie man diesen abhelfen kann.
• Die Durchführung eines therapeutischen Rituals (Aktivität, bei der davon ausgegangen wird, dass sie die Heilung
bewirkt).
Nach Frank geht es dabei vor allem um eine Remoralisierung des Patienten, der durch die Symptome demoralisiert
wurde und daher Hilfe sucht.[14]
Allgemeine Therapiefaktoren nach Orlinsky und Howard
In ihrem (erstmals 1986 veröffentlichten und seitdem überarbeiteten) „Generic Model of Psychotherapy“ beschrieben
David Orlinsky und Kenneth I. Howard allgemeine (schulenübergreifende) Prozessvariablen, die sich auf das
Therapieergebnis auswirken:[15]
•
•
•
•
•
•
Die formale Beziehung („therapeutic contract“, organisatorischer Aspekt)
Therapeutische Aktivitäten („therapeutic operations“, technischer Aspekt)
Therapeutische Beziehung („therapeutic bond“, interpersoneller Aspekt)
Selbstbezogenheit („self-relatedness“, intrapersoneller Aspekt)
unmittelbare Einflüsse der Sitzung („in-session impacts“, klinischer Aspekt)
zeitliche Muster („temporal patterns“, sequentieller Aspekt, zeitliche Abfolge)
Wirkfaktoren nach Grawe
Nach Klaus Grawe[16] lassen sich – über die Therapieschulen hinweg – folgende grundlegende Wirkfaktoren der
Psychotherapie nachweisen:
1. Therapeutische Beziehung: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten und dem Patienten/
Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren Therapieergebnis bei. siehe auch Reparenting
2. Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die die Patienten in die Therapie mitbringen, werden als positive
Ressource für das therapeutische Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationale Bereitschaften,
Fähigkeiten und Interessen der Patienten.
3. Problemaktualisierung: Die Probleme, die in der Therapie verändert werden sollen, werden unmittelbar
erfahrbar. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass Therapeut und Klient reale Situationen aufsuchen, in denen die
Probleme auftreten, oder dass sie durch besondere therapeutische Techniken wie intensives Erzählen,
Imaginationsübungen, Rollenspiele o. ä. die Probleme erlebnismäßig aktualisieren.
4. Motivationale Klärung: Die Therapie fördert mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient ein klareres
Bewusstsein der Determinanten (Ursprünge, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren) seines problematischen
Erlebens und Verhaltens gewinnt.
5. Problembewältigung: Die Behandlung unterstützt den Patienten mit bewährten problemspezifischen Maßnahmen
(direkt oder indirekt) darin, positive Bewältigungserfahrungen im Umgang mit seinen Problemen zu machen.
70
Psychotherapie
Abgrenzung von anderen professionellen Beziehungen
Das psychotherapeutische Setting wird wegen seiner juristischen und theoretischen Rahmenbedingungen von
anderen Formen der professionellen (Arbeits-) Beziehung formal deutlich unterschieden, jedoch gibt es in den
einzelnen Staaten oft andere Definitionen. In Deutschland grenzt das Psychotherapeutengesetz Psychotherapie von
nichtheilkundlichen psychologischen Interventionen klar ab. So gilt als Psychotherapie jede psychologische
"Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert" mittels "wissenschaftlich
anerkannter Verfahren"[17]. Hingegen gehören "psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung
sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben" nicht zur
Psychotherapie[18]. So sind in Deutschland z. B. Beratungsgespräche mit Lehrern, Sozialarbeitern, und auch
Seelsorgegespräche keine Psychotherapie. Deutlich unterscheidet sich auch das Coaching von der Psychotherapie.
Methodisch überschneiden sich Therapie, Beratung, Seelsorge, Selbsterfahrung oft bis in Kernbereiche. Allerdings
ist in Deutschland gemäß Psychotherapeutengesetz und Psychotherapierichtlinien das Ziel der Psychotherapie klar
als Diagnose und Heilung von psychischen Störungen definiert, während nichtheilkundliche psychologische
Verfahren ausschließlich die Klärung bei allgemeinen Lebensproblemen und die Lösung sozialer Konflikte zum Ziel
haben.[19] Auf dem Kontinuum zwischen der „Behandlung von Krankhaftem“ bis zur „Entwicklung von Ressourcen“
ist Psychotherapie nur unbefriedigend abzugrenzen. Verschiedene Therapie-Richtungen integrieren zusätzlich zu
Psychischem auch Spiritualität, Soziales, Politisches, etc.
Formal handelt es sich nach deutschem Recht[20] nicht um Psychotherapie, sondern um beratende Psychologie oder
andere Methoden,
• wenn keine Störungen oder Krankheiten beeinflusst werden sollen;
• wenn es sich um Selbsthilfegruppen, Selbsterfahrungsgruppen, Supervisionen, Trainings- oder Coachinggruppen
sowie allgemeine Lebensberatung handelt;
• wenn die Prinzipien von Diagnose und Heilung nicht angewandt werden;
• wenn keine wissenschaftliche Theorie oder überprüfbare Anschauungen zugrunde liegen,
sondern die „Behandlung“ sich ausschließlich auf die persönlich gewonnenen oder in einer bestimmten Gruppe
tradierten Erfahrungen stützt;
• wenn keine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zu einer Psychotherapie vorliegt;
• wenn Ziele eines Therapieprozesses nicht festgelegt werden oder diese Ziele nicht offen besprochen werden;
• wenn ausschließlich Behandlungen mit Medikamenten erfolgen;
• wenn keine persönliche Interaktion zwischen dem Patienten oder Klienten und dem Berater bzw. Therapeuten
vorliegt (wenn z. B. „therapeutische Mitteilungen“ ausschließlich in der Form von Rundbriefen, Audio- oder
Videokassetten etc. verbreitet werden);
• wenn lediglich die charismatische Persönlichkeit des Behandelnden als Wirkung eingesetzt wird und keine
Heilung versprochen wird.
Psychotherapie in der Krankenversorgung
Nicht alle Psychotherapieverfahren sind überall staatlich anerkannt und werden von allen Krankenkassen finanziert.
Dahinter stehen berufsständische Interessenskämpfe (zwischen Medizinern, Psychologen und anderen Berufen),[21]
sowie die Konkurrenz der Psychotherapie-Schulen untereinander und uneinheitliche Wirksamkeitsuntersuchungen.
In der Schweiz und in Österreich ist die methodische Freiheit und Verantwortung des Therapeuten sehr viel weiter
gefasst als in Deutschland.
71
Psychotherapie
72
Schweiz
In der Schweiz wird nicht nach Methoden unterschieden. Entscheidend ist die Qualifikation des Therapeuten und der
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(Psychotherapeuten FMH) und Psychotherapeuten FSP (psychotherapeutisch ausgebildete Psychologen). Psychiater
werden von den Krankenkassen finanziert, aber Psychotherapeuten FSP nur, wenn sie von Psychiater delegiert
sind.[22] Die Zulassung von Therapiemethoden erfolgt durch die Schweizer Charta für Psychotherapie,[23] den
Schweizerischen Berufsverband für angewandte Psychologie (SBAP),[24] den Assoziation Schweizer
PsychotherapeutInnen (ASP)[25] sowie die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP).
In der Schweiz wird die Krankenkassen-Zulassung von psychotherapeutischen Methoden wie oben dargestellt durch
die Schweizer Charta für Psychotherapie, den Schweizer Berufsverband für angewandte Psychologie SBAP, den
Assoziation Schweizer PsychotherapeutInnen (ASP) sowie die Föderation der Schweizer Psychologinnen und
Psychologen (FSP) organisiert. Eine gültige Methoden-Zulassung erfolgt daher bis heute nach den
Aufnahme-Kriterien dieser vier Verbände. Für die Zulassung zur Führung einer Psychotherapie-Praxis
(Praxisbewilligung) sind die Kantone zuständig. Ab 2013 wird aber der Bund, mit dem in Kraft tretenden PsyG
(2011), zuständig sein.
Österreich
In Österreich besteht keine Beschränkung auf spezifische Quellberufe, wie Arzt oder Psychologe. Es sind auch
Krankenpfleger, Soziologen, Publizisten, Ehe- und Familienberater, Pädagogen, Philosophen, Theologen und
Sozialarbeiter zur Ausbildung zugelassen. Wer nicht zu diesen Berufsgruppen zählt, kann einen Antrag auf
Zulassung beim Bundesministerium für Gesundheit stellen. Entscheidend für die Eintragung als Psychotherapeut ist
eine zweistufige Ausbildung, die mindestens fünf Jahre dauert und aus einem allgemeinen Teil, dem
Psychotherapeutischen Propädeutikum, und einem Fachspezifikum besteht. Zugelassen sind derzeit 23 Methoden,
die in der obenstehenden Tabelle gelistet sind (im Unterschied zu Deutschland werden in Österreich nicht Verfahren
– also „Methodenfamilien“ - , sondern einzelne Methoden zugelassen, was manchmal zu Missverständnissen
führt).[26][27]
In Österreich ist Psychotherapie sowohl im Ärztegesetz als auch im Psychotherapiegesetz von 1990[28] geregelt.
Letzteres legt das Berufsbild des Psychotherapeuten, die Zulassung zur Ausbildung, die Ausbildung selbst,
Berufsbezeichnung, Berufspflichten, Listeneintrag, Psychotherapiebeirat sowie Strafbestimmungen und das
Verhältnis zu anderen Vorschriften fest.
Die Zulassung zur Ausbildung erfolgt entweder über einen Quellberuf – Ehe- und Familienberatung, Krankenpflege,
Medizin, Musiktherapie, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Publizistik, Theologie, Sozialarbeit – oder auf Grund
besonderer Eignung nach Antrag beim Bundesministerium für Gesundheit. Die Grundausbildung, das
Propädeutikum, dauert etwa zwei Jahre. Erst nach Abschluss des Propädeutikums kann das Fachspezifikum
absolviert werden. Es dient der Ausbildung in einer der anerkannten Methoden und dauert mindestens drei Jahre. In
Österreich sind derzeit 23 psychotherapeutische Methoden anerkannt.[29]
Seit 2005 wird an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien der Studiengang Psychotherapiewissenschaft
(Bakkalaureatsstudium: 6 Semester; Magisterstudium: 4 Semester) angeboten. Im Bakkalaureatsstudium kann
zwischen den Schwerpunkten „Psychotherapie“ (Vorbereitung für Magisterstudium) und „Psychosoziale Beratung“
(Qualifikation
für
entsprechende
Praxistätigkeit)
gewählt
werden.
Das
Magisterstudium
der
Psychotherapiewissenschaft „baut auf dem Bakkalaureatsstudium auf und soll Theorie, Methodik und Geschichte der
Psychotherapie, allgemeine und methodenspezifische Krankheitslehre sowie Diagnosenlehre von Störungsbildern
und deren Behandlungskonzepten vertiefen“. Es handelt sich jedoch nicht um eine Ausbildung im Sinne des
österreichischen Psychotherapiegesetzes, d. h. zielt grundsätzlich nicht auf die Erlangung der Berufsberechtigung als
Psychotherapeut ab.[30] Zur Zeit sind solche Studiengänge bereits in Wien, Berlin, Linz, Ljubljana, Milano und Paris
möglich.
Psychotherapie
Auch an der Donau-Universität Krems ist ein Masterstudium Psychotherapie möglich.[31]
Ausschließlich Ärzte können die Berechtigung zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie mit dem
ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin erlangen. Dieses Fortbildungsdiplom, auch als PSY3-Diplom
bezeichnet, wird von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) verliehen.[32] Der Zeitaufwand zur Erlangung des
PSY3-Diploms beträgt üblicherweise 7 Jahre, weil der Abschluss des PSY1- und PSY2-Diploms Voraussetzung für
den Beginn des PSY3-Curriculums ist.
Deutschland
→ Hauptartikel: Psychotherapie in Deutschland
Seit 1967 ist die Psychotherapie Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Mit dem Inkrafttreten des
Psychotherapeutengesetzes zum 1. Januar 1999 sind auch psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und
Jugendlichen-Psychotherapeuten ordentliche und gleichberechtigte Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für die von Psychotherapeuten durchgeführte
Heilbehandlungen ist nur in wenigen anderen Ländern der Welt so klar zugunsten der psychisch kranken Patienten
und ihrer Therapeuten geregelt wie in Deutschland.
Im deutschen Gesundheitssystem sind aktuell nur drei Verfahren für die von den gesetzlichen Krankenkassen
finanzierte Psychotherapie zugelassen:
1. Verhaltenstherapie,
2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
3. Analytische Psychotherapie
Die Analytische Psychotherapie besteht wiederum aus drei verschiedenen Strömungen:
1. Psychoanalyse nach Sigmund Freud,
2. Analytische Psychologie nach Carl Gustav Jung und
3. Individualpsychologie nach Alfred Adler.
Außerdem können Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Hypnose als Einzelbehandlung
genehmigt und finanziert werden.
Psychotherapie zu Lasten der Krankenkassen muss in Deutschland von der Kasse genehmigt werden. Zu diesem
Zweck muss der Patient einen Kassenantrag stellen. Diesem Antrag muss der Therapeut einen Bericht an den
Gutachter beilegen. Von der befürwortenden Stellungnahme des Gutachters hängt es ab, ob die Krankenkasse die
Kosten für die Behandlung übernimmt.
Literatur
Einführung
• Jürgen Kriz: Grundkonzepte der Psychotherapie. Beltz, Weinheim 2001, ISBN 3-621-27451-0.
• Bärbel Schwertfeger, Klaus Koch: Der Therapieführer. Die wichtigsten Formen und Methoden. Heyne, München
2002, ISBN 3-453-09133-7.
• Friedrich Beese: Was ist Psychotherapie? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-45706-5.
• Rosemarie Piontek: Wegbegleiter Psychotherapie. 2. Auflage. Psychiatrie-Verlag, Bonn 2005.
• Gerhard Stumm, Beatrix Wirth: Psychotherapie, Schulen und Methoden. Falter, Wien 2006, ISBN
3-85439-378-4.
• Hans-Joachim Maaz: Hilfe! Psychotherapie. Wie sie funktioniert und was sie leistet. C.H.Beck, München 2014,
ISBN 978-3-406-66078-8.
Nachschlagewerke
73
Psychotherapie
Gerhard Stumm, Alfred Pritz, Paul Gumhalter (Hrsg.): Personenlexikon der Psychotherapie. Springer, Wien
2005, ISBN 3-211-83818-X.
Gerhard Stumm, Alfred Pritz (Hrsg.): Wörterbuch der Psychotherapie. Springer, Wien 2007, ISBN
3-211-70772-7.
Geschichte
Klaus Grawe, R. Donati, F. Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen 1994.
• Regine Lockot: Erinnern und Durcharbeiten. Fischer, Frankfurt 1985. Nachdruck vom Psychosozial-Verlag,
Gießen 2003, ISBN 3-89806-171-X.
• Henri Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewußten. Diogenes, Stuttgart 2005, ISBN 3-257-06503-5.
Kritik
• Dieter Kleiber, Armin Kuhr (Hrsg.): Handlungsfehler und Misserfolge in der Psychotherapie. dgvt, Tübingen
1988.
• Jeffrey M. Masson: Die Abschaffung der Psychotherapie. Bertelsmann, München 1991.
• Michael Märtens, Hilarion Petzold (Hrsg.): Therapieschäden. Mainz 2002.
• Marie Faber: Seelenrisse auf Rezept. Mammendorf 2005, ISBN 3-86611-092-8.
• Albert Krölls: Kritik der Psychologie. VSA, Hamburg 2006 ISBN 3-89965-213-4.
Periodika
• psycho–logik. Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur. Hrsg. Rolf Kühn und Karl Heinz Witte.
Alber, Freiburg, München 2008 ff., ISSN 1861-41832 [33].
Weblinks
•
•
•
•
DGPPN [34] Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
Psychotherapie-Richtlinien [35] des Gemeinsamen Bundesausschusses
Psychotherapie-Vereinbarungen [36] der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Informationsseiten [37] der Bundespsychotherapeutenkammer zur Psychotherapie (Stand Dez. 2013)
Einzelnachweise
[1] Österreichisches Psychotherapiegesetz (http:/ / www. ris. bka. gv. at/ GeltendeFassung. wxe?Abfrage=Bundesnormen&
Gesetzesnummer=10010620& ShowPrintPreview=True) Abgerufen am 10. April 2014
[2] Wird in Österreich als Klientenzentrierte Psychotherapie oder als Personenzentrierte Psychotherapie bezeichnet
[3] David Orlinsky: Comments on the State of Psychotherapy Research (As I See It). In: NASPR Newsletter, January 2006 (http:/ / www.
psychotherapyresearch. org/ associations/ 6344/ files/ na/ naspr. january_06. pdf) (PDF; 2,2 MB), Abgerufen am 5. März 2010.
[4] Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, Paragraph 1, Abs. 3, Satz 1.
[5] Psychotherapierichtlinie Deutschland, Stand 19. Juni 2013. (http:/ / www. g-ba. de/ downloads/ 62-492-713/ PT-RL_2013-04-18. pdf)
Abgerufen am 27. März 2014
[6] Psychotherapierichtlinie Deutschland, Stand 19. Juni 2013. (http:/ / www. g-ba. de/ downloads/ 62-492-713/ PT-RL_2013-04-18. pdf)
Abgerufen am 27. März 2014
[7] David E. Orlinsky, Kenneth I. Howard: The relation of process to outcome in psychotherapy. In: S. L. Garfield & A.E. Bergin (Hrsg.):
Handbook of psychotherapy and behavior change. 2. Auflage 1978, New York: John Wiley & Sons.
[8] J. D. Frank, J. B. Frank: Persuasion and Healing: A Comparative Study of Psychotherapy. 3. Aufl. 1991, Baltimore, MD: Johns Hopkins
University Press.
[9] David E. Orlinsky, Michael Helge Ronnestad, Ulrike Willutzki: Fifty Years of Psychotherapy Process-Outcome Research: Continuity and
Change. In: Michael J. Lambert (Hrsg.): Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 5. Auflage. Wiley, New
York 2004, S. 307–389.
[10] , S. 225
[11] Jerome D. Frank: Persuasion and Healing. A Comparative Study of Psychotherapy. Oxford, England: Johns Hopkins Univer. Press, 1961.
[12] Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren. Band 1, 2. Auf. 1994, Stuttgart: Kohlhammer, S. 50-52, ISBN 3-17-011628-2
[13] Alfred Pritz: Einhundert Meisterwerke der Psychotherapie. Ein Literaturführer., Springer-Verlag, 2008, S. 62 f. (SpringerLink, abgerufen
am 19. August 2011) (http:/ / www. springerlink. com/ content/ 978-3-211-25214-7/ #section=138275& page=1& locus=71)
74
Psychotherapie
[14] Jerome D. Frank: Psychotherapy – the transformation of meanings: A discussion paper. In: Journal of the Royal Society of Medicine, Vol
¡¢£ ¤¥¦ (http:/ / www. ncbi. nlm. nih. gov/ pmc/ articles/ PMC1290345/ pdf/ jrsocmed00189-0031. pdf)
[15] Michael J. Lambert (Hrsg.): Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 5. Auflage. John Wiley & Sons, New
§¨©ª «§ ¬ ®¥« ¯¯ ¢¢
[16] Grawe, Klaus: Empirisch validierte Wirkfaktoren statt Therapiemethoden. In: Report Psychologie 7/8 2005. S. 311.
[17] Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, §1, Abs. 3, Sätze 1,2 - http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ psychthg/ __1. html
[18] Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, §1, Abs. 3, Satz 3 - http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ psychthg/ __1. html
[19] Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie. In der Fassung vom 19. Februar 2009
veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 58 (S. 1399) vom 17. April 2009 in Kraft getreten am 18. April 2009 zuletzt geändert am 14. April 2011
veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 100 (S. 2424) vom 7. Juli 2011, in Kraft getreten am 8. Juli 2011 - http:/ / www. g-ba. de/ downloads/
62-492-544/ PT-RL_2011-04-14. pdf
[20] siehe Psychotherapeutengesetz Absatz 3
[21] Franz-Josef Hücker: Das Dodo-Verdikt und die psychotherapeutische Versorgung. EAP-Tagung zur Zukunft der deutschen Psychotherapie
in Europa. In: Sozial Extra 9/10 2013, 37. Jg. (VS Verlag, Springer Fachmedien DE, Wiesbaden), S. 6-9.
[22] Bundesamt für Gesundheit (http:/ / www. bag. admin. ch/ themen/ krankenversicherung/ 02874/ 03451/ index. html?lang=de)
[23] http:/ / www. psychotherapiecharta. ch
[24] http:/ / www. sbap. ch
[25] http:/ / www. psychotherapie. ch
[26] Das Bundesministerium unterscheidet bei der Existenzanalyse und bei Gesprächspsychotherapie zusätzlich – je nach Anbieter der
Ausbildung – zwei verschiedene Unterrichtungen, die in der Tabelle nicht angeführt werden. In Österreich anerkannte
Psychotherapiemethoden (http:/ / www. bmgf. gv. at/ home/ Schwerpunkte/ Krankheiten/ Psychische_Gesundheit/
In_Oesterreich_anerkannte_Psychotherapiemethoden)
[27] Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 10. Januar 2007, Geschäftszahl BMGF-93500/0002–1/7/2007.
[28] Österreichisches Psychotherapiegesetz von 1990 (http:/ / www. psychotherapie. at/ psychotherapiegesetz)
[29] In Österreich anerkannte Psychotherapiemethoden (http:/ / www. bmgf. gv. at/ home/ Schwerpunkte/ Krankheiten/ Psychische_Gesundheit/
In_Oesterreich_anerkannte_Psychotherapiemethoden)
[30] Bundesministerium für Gesundheit (Österreich): Informationen zu Anfragen im Zusammenhang mit dem Studium an der Sigmund Freud
Privatuniversität Wien (SFU) ( PDF (http:/ / bmg. gv. at/ cms/ home/ attachments/ 0/ 1/ 6/ CH1169/ CMS1143199846081/ sfu-info,_stand_01.
10. 2009. pdf))
[31] http:/ / www. donau-uni. ac. at/ de/ studium/ integrativetherapie/ index. php
[32] Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin (http:/ / www. psychotherapeutische-medizin. at/ ),
ÖGPPM
[33] http:/ / dispatch. opac. dnb. de/ DB=1. 1/ CMD?ACT=SRCHA& IKT=8& TRM=1861-41832
[34] http:/ / www. dgppn. de/
[35] http:/ / www. g-ba. de/ informationen/ richtlinien/ 20/
[36] http:/ / www. kbv. de/ rechtsquellen/ 2308. html
[37] http:/ / www. bptk. de/ patienten/ einfuehrung. html
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4047746-0 (http://d-nb.info/gnd/4047746-0)
75
Wette
Wette
Eine Wette bezeichnet einen Vertrag, durch den zur Bekräftigung bestimmter einander widersprechender
Behauptungen ein Gewinn oder Sieg für denjenigen vereinbart wird, dessen Behauptung sich als richtig erweist.
Der häufige Fall ist eine Behauptung über das Eintreffen eines in bestimmter Weise definierten Ereignisses oder
unter Berücksichtigung von objektiver oder subjektiver Informationen den wahrscheinlichst möglichsten Fall des
Ausganges „vorher zu sehen“, ohne den Ausgang des Ereignisses (meist) tatsächlich zu kennen. In der
Bundesrepublik Deutschland sind Glücksspiel oder Rennwetten wie beispielsweise im Pferdesport im Rechtssinn
keine Wetten in der obigen Form und unterliegen dem Rennwett- und Lotteriegesetz.
Verbindlichkeit
Wetten können aufgrund der Ehre (einfaches „recht haben“) oder als materieller Anreiz mit der Aussicht auf einen
Gewinn durchgeführt werden. Weil bei Wetten und Spielen der Eintritt des Erfolges vom Zufall (weitgehend)
abhängig ist (sog. aleatorischer Bestandteil), genießen die daraus resultierenden Pflichten nur eine geringe rechtliche
Verbindlichkeit.
Österreich
In Österreich werden Wettschulden im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) im Abschnitt über die
Glücksverträge abgehandelt.[1] Hier werden Vertragstypen wie Wette (§ 1270 [2] ABGB), Spiel (§ 1272 [3] ABGB)
und Los (§ 1273 [4] ABGB) besprochen. Auch hier wird diesen Verträgen ein gewisses aleatorisches Element
(§ 1267 [5] ABGB: „Hoffnung eines noch ungewissen Vorteils“) zugestanden, da bei Wette, Spiel und Los
ausschließlich der Zweck verfolgt wird, Gewinn und Verlust vom Ausgang eines ungewissen Ereignisses abhängig
zu machen und sie somit Glücksverträge im engen Sinn sind und der Zweck in wirtschaftlicher Hinsicht im Eingehen
eines Wagnisses besteht.
Deutschland
In § 762 [6] Abs. 1 S. 1 BGB sieht der Gesetzgeber keine Verpflichtungsbegründung durch Spiel und Wette vor.
Daher müssen Wettschulden nicht bezahlt werden, im Volksmund werden sie deswegen oft „Ehrenschulden“
genannt, juristisch spricht man von einer Naturalobligation.
Begriffsgeschichte
Die frühe Bezeichnung Wette hat ihren Ursprung im nordeuropäischen Sprachraum und geht vermutlich auf das
Wort "widan" für "binden" zurück. Mit Begriffen wie "vadi, wadja, ved" oder "wetti" steht das mittellateinische
"vadium" bzw. "vadiatio" in Verbindung. Diese Herleitung weist auf ein Rechtsgeschäft hin, durch welches eine
Form von Verbindlichkeit begründet wurde. Die jeweilige Sache, die der Gläubiger dabei als Sicherheit erhielt, war
ihm, wenn der Schuldner sie nicht oder nicht rechtzeitig wieder einlöste, verfallen bzw. "verwettet" (altnordisch:
"vorvedja"). Im Gegensatz zum einseitig genommenen Pfand stand zunächst die Bezeichnung Wette für das
(freiwillig) hingegebene Sicherungsgut, also den Einsatz oder Ersatz, welcher auch bei „Verträgen mit ungewissem
Ausgang“ gestellt wurde. Im Hoch- und Spätmittelalter setzte sich aber auch für diesen Fall der allgemeine Begriff
des Pfandes durch. Mit der Bedeutung des gegebenen oder zugesicherten Einsatzes zur Absicherung eines Vertrags
hat sich die Spiel-Wette (§ 762 [6] BGB) bis in den heutigen Sprach- und Rechtsgebrauch hinein erhalten.
76
Wette
Methode
Bekannt müssen bei Wetten am Ende der Zeitspanne der Ausgang sein, also dass eines der möglichen Ergebnisse
tatsächlich eingetreten ist und nur die vorher bestimmen Möglichkeiten das Ergebnis sein können. Es muss
mindestens eine Wahlmöglichkeit zur Verfügung stehen, um eine alternative Entscheidung zu ermöglichen. Eine
Wette findet meistens zwischen zwei oder mehreren Akteuren statt, die sich dann zum vorhergesagten Ausgang des
Ereignisses und unter den jeweils spezifischen Wettbedingungen z. B. Sportwette in die jeweiligen Lager spalten.
Ein Wetteinsatz kann eine Wettbedingung sein. Der Wetteinsatz richtet sich nach der eigenen Risikobereitschaft
und der Gewinnquote, kann minimal sein, aber auch exorbitante finanzielle Höhen erreichen. Exemplarisch für
geringen Wetteinsatz ist eine Sportwette und für enorme Summen Hedge-Fonds, die quasi die Form einer Wette
haben, da Hedge-Fonds eine Wette auf die Entwicklung in den Finanzmärkten eingehen. Tritt der vermutete
Ausgang eines z.B. Derivatsgeschäftes oder eines Sieges nicht ein, so ist der Wetteinsatz verloren.
Wettbetrug
Wenn der Ausgang eines Ereignisses einer Partei bekannt und aufgrund materiellen Interesses ein Gewinn durch eine
Wette zu erwarten ist, wird das allgemein als Betrug empfunden und kann strafrechtlich geahndet werden. Es handelt
sich aber erst dann um Wettbetrug, wenn der Wettkandidat manipuliert wurde, der Ausgang der Wette bekannt war
und eine arglistige Täuschung des Wettkandidaten mit der Absicht, sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen,
vorhanden war. Wettbetrug kann auch stattfinden, wenn sich jemand einen generellen Vorteil verschafft, ohne
strafrechtlich Konsequenzen zu haben, aber als moralisch verwerflich oder listig betrachtet werden kann.
Siehe auch: Fußball-Wettskandal 2005 und Fußball-Wettskandal 2009
Als Stilmittel
Wetten können aufgrund der Ehre (einfaches Recht haben) oder als materieller Anreiz mit der Aussicht auf einen
Gewinn durchgeführt werden. Auch kann eine Wette bei einer Meinungsverschiedenheit mit der Bedingung
eingesetzt werden, dass diejenige Partei, deren Behauptung sich als unrichtig erwiesen haben wird, eine bestimmte
Sache oder Geldsumme verwirkt und diese an die andere Partei auszuhändigen hat. Ein Wettvorschlag wird mitunter
zur Bekräftigung der jeweils eigenen Argumente als rhetorisches Mittel verwendet, ohne irgendeinen Verlust durch
das Ergebnis der Wette zu haben, außer, nicht recht zu haben oder ähnlich wie bei der Pascalschen Wette zur
Unterstützung eines Argumentes. Solche Art von Wetten können bei Streitigkeiten über vergangene Ereignisse
benutzt werden, bei den sich beide Parteien sicher sind, über das richtige Wissen zu verfügen und wollen mit einer
Wette dieses Wissen und ihre Richtigkeit betonen.
In der Überlieferung und Literatur werden häufig Wetten - besonders auch Teufelswetten - zum Thema, wie die
zwischen dem Herrn und Mephisto in Goethes Faust. Weitere berühmte Wetten sind diejenigen zwischen
• Don Alfonso einerseits und Ferrando und Guglielmo andererseits in Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Cosi fan
tutte
• dem Wanderer (Wotan) und Mime in Richard Wagners Siegfried.
77
Wette
78
Einzelnachweise
[1] Ernst Karner: Neunundzwanzigstes Hauptstück Von den Glücksverträgen. Verlag Springer, Vienna 2005, ISBN 3-211-23827-1.
(Kurzkommentar zum ABGB)
[2] http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Ergebnis. wxe?Abfrage=Bundesnormen& Titel=ABGB& VonParagraf=1270
[3] http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Ergebnis. wxe?Abfrage=Bundesnormen& Titel=ABGB& VonParagraf=1272
[4] http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Ergebnis. wxe?Abfrage=Bundesnormen& Titel=ABGB& VonParagraf=1273
[5] http:/ / www. ris. bka. gv. at/ Ergebnis. wxe?Abfrage=Bundesnormen& Titel=ABGB& VonParagraf=1267
[6] http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ bgb/ __762. html
Trichotillomanie
Vergleichende Klassifikation nach
ICD-10
DSM-IV
F63.3 Abnorme Gewohnheiten und 312.39 Trichotillomanie
Störungen der Impulskontrolle
ICD-10 online
[1]
DSM IV online
[1]
Bei der Trichotillomanie – zusammengesetzt aus griech. thrix (Haar),
tillein (rupfen) und mania (Raserei, Wahnsinn) – handelt es sich um
eine komplexe Störung der Impulskontrolle, deren augenscheinlichstes
Erscheinungsbild darin besteht, dass sich Betroffene die eigenen Haare
ausreißen.
Geschichte
Der Begriff wurde 1887 durch den französischen Dermatologen
François Henri Hallopeau (1842–1919) geprägt, das Erscheinungsbild
selbst jedoch lange Zeit als schlechte Gewohnheit fehlinterpretiert. Erst
Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Trichotillomanie als
eigenständiges Krankheitsbild, nämlich als komplexe psychische
Störung mit spezifischen Symptomen, Begleiterscheinungen und
Begleiterkrankungen erkannt und dementsprechend 1987 in die
revidierte Version der dritten Ausgabe des Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders (DSM-III-R) und 1991 in die ICD-10
aufgenommen.
Trichotillomanie bei einer jungen Frau
Symptomatik
Bei den ausgerissenen Haaren handelt es sich meist um Kopfhaare, in geringerer und unterschiedlicher Häufigkeit
auch um die Haare aller anderen Körperregionen. Dadurch kann es zu umschriebenen Kahlstellen kommen, wobei
unterschiedlich kurze neue Haare noch vorhanden sind. Rund die Hälfte der Betroffenen fühlt sich genötigt, dabei
eine Symmetrie zu wahren oder besonders geformte Haare zu entfernen. Im Anschluss daran werden die Haare und
dabei oft die Haarwurzel genau untersucht, bevor sie weggeworfen, aufgehoben oder auch verschluckt werden.
Letzteres wird als Trichophagie bezeichnet. Insgesamt zeigt fast die Hälfte der Betroffenen orale Verhaltensweisen
im weiteren Sinne, so kann die Mundgegend mit dem Haar berührt oder dieses als „Zahnseide“ benutzt werden.
Trichotillomanie
Schmerz wird beim Entfernen der Haare kaum wahrgenommen und wenn, dann wird er entweder als angenehm
empfunden oder ignoriert. Die Schmerzgrenze allgemein ist bei den Betroffenen nicht erhöht. Das mittlere Alter der
Betroffenen liegt bei Beginn der Störung bei ca. 13 Jahren und fällt somit in die Zeit der Pubertät, erstmals auftreten
kann die Trichotillomanie jedoch in jedem Alter. Ob es sich bei sehr frühem Auftreten um ein gesondertes
Störungsbild oder eine besondere Untergruppe handelt, ist noch nicht geklärt. Statistisch gesehen sind vor der
Pubertät Jungen und Mädchen gleich stark betroffen, später sind es dann mehr Frauen als Männer. Die Störung selbst
kann über wenige Monate bis zu mehreren Jahren anhalten.
Als Begleiterkrankungen treten häufig affektive Störungen (v.a. Depressionen) und verschiedene Angststörungen
auf. Erstere wurden in einzelnen Studien zu gut zwei Dritteln, letztere in mehr als der Hälfte der Fälle diagnostiziert.
Trotz vieler Übereinstimmungen mit den Symptomen bei Zwangsstörungen gibt es wichtige
Unterscheidungsmerkmale. So werden die bei Zwangsstörung auftretenden Zwangshandlungen und
Zwangsgedanken in der Regel als quälend und Ich-fremd (Ich-dyston) erlebt, während bei der Trichotillomanie drei
Viertel der Betroffenen angeben, sich ihrer Handlung nicht bewusst zu sein. Nur ein Drittel gibt an, einen intensiven
Drang zum Auszupfen der Haare zu verspüren. Dieses kann als Mittel zur Reduktion einer bestehenden erhöhten
Anspannung dienen, wird in wieder einem Drittel aber im Gegenteil als anregend erlebt und kann dazu dienen,
einem Leeregefühl entgegenzuwirken.
Mögliche Ursachen
In den jeweiligen Einzelfällen können sehr unterschiedliche Auslöser zu einer Trichotillomanie führen: traumatische
Erlebnisse wie der Tod einer nahestehenden Person, Missbrauchserfahrungen jeder Art oder andere schwerwiegende
Ereignisse. In vielen Fällen sind es allerdings viel subtilere Geschehnisse im Familien- und Sozialbereich der
Betroffenen, die zu einem verminderten Selbstwertgefühl führen und eine Trichotillomanie auslösen können.
Als weiterer Grund wird eine hohe Stressanfälligkeit und hohe Stressexposition von Betroffenen genannt.
Inzwischen gibt es Studien, welche auf eine genetische Prä-Disposition hinweisen.[2][3]
Folgen und Komplikationen
Die sichtbarste Folge der Trichotillomanie ist das häufige Ziehen, Zupfen und Drehen an den (Kopf-)Haaren, was
auf die Umgebung lächerlich oder störend wirken kann. Eine weitere Folge sind kahle Stellen am Kopf (bzw. an
anderen betroffenen Stellen), was zu ästhetischen Problemen, zu Haarausfall und zu Hautproblemen führen kann.
Oft werden von Betroffenen jene Situationen und Tätigkeiten vermieden, die zu einer Entdeckung ihrer Erkrankung
und einer möglichen Stigmatisierung führen können, bzw. der Haarausfall kann mit einer organischen Krankheit
verwechselt werden. Soziale Isolation kann die Folge sein.
Als seltene Komplikation kann das Herunterschlucken der ausgerissenen Haare (Trichophagie) die Bildung eines
Trichobezoar (Haarknäuel) ermöglichen, der eine seltene Ursache rezidivierender Oberbauchschmerzen bis hin zu
Darmverschluss oder Darmperforation sein kann und als Rapunzelsyndrom bezeichnet wird.
79
Trichotillomanie
Behandlung
Eine Notwendigkeit zur Behandlung liegt nicht immer vor. Die Prognose ist im Allgemeinen auch bei schweren
Fällen günstig.
Eine Verminderung des Stressniveaus kann durch die Anwendung von Entspannungstechniken wie Autogenes
Training oder Progressive Muskelentspannung erreicht werden.
Schwere Beeinträchtigungen der Lebensqualität erfordern regelmäßig kombinierte psychotherapeutische und
medikamentöse Maßnahmen wie z. B. die Einnahme von SSRI (Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern).
In einzelnen Fällen konnten auch trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika und Anxiolytika erfolgreich eingesetzt
werden.
Die Wirksamkeit von psychotherapeutischen Verfahren ist wenig untersucht. Einzig das Habit-Reversal-Training
wurde eingehend untersucht. Das Habit Reversal Training führt zu einer nachweislichen Besserung der Symptomatik
und ist der medikamentösen Behandlung gemäß einem Review überlegen [4]. Bei der Reaktionsumkehr werden
anstelle des Problemverhaltens alternative Bewegungen, möglichst unter Beteiligung antagonistischer
Muskelgruppen, ausgeführt (z.B. Faust ballen, Umklammern eines Gegenstandes für mehrere Minuten). Eine weitere
Behandlungstechnik ist die Methode der „Entkopplung“, bei der das Fehlverhalten zunächst protokolliert und später
langsam ersetzt und verlernt wird. Diese Methode zeigte in einer gerade abgeschlossenen randomisierten
kontrollierten Studie an 42 Betroffenen signifikante Verbesserungen gegenüber progressiver
Muskelentspannung.[5][6] Dieser Befund bedarf jedoch noch unabhängiger wissenschaftlicher Bestätigung.
Quellen
[1] http:/ / www. dimdi. de/ static/ de/ klassi/ icd-10-gm/ index. htm
[2] Entrez Gene: HOXB8 homeobox B8 [Homo sapiens]. National Center for Biotechnology Information (August 12, 2006). Retrieved on 13.
November 2007
[3] Hair pulling disorder gene found. BBC News (29 September 2006). Retrieved on 1. Mai 2007.
[4] M. H. Bloch, A. Landeros-Weisenberger, P. Dombrowski, B. Kelmendi, R. Wegner, J. Nudel, C. Pittenger, J. F. Leckman, V. Coric:
Systematic review: pharmacological and behavioral treatment for trichotillomania. In: Biological Psychiatry. Vol. 62, Bd. 8, 2007, S.
839-846.
[5] S. Moritz & M. Rufer: Movement decoupling: a self-help intervention for the treatment of trichotillomania. Journal of Behavior Therapy and
Experimental Psychiatry, March 2011, Vol. 42, Nr. 1, Seite 74-80.
[6] Steffen Moritz, Uni-Klinikum Hamburg-Eppendorf, Stand Januar 2010. (http:/ / www. uke. de/ impulskontrolle)
Literatur
• Antje Bohne: Trichotillomanie, Hogrefe, Göttingen u. a. 2009, ISBN 978-3-8017-1996-8 (= Fortschritte der
Psychotherapie, Band 37).
• Antonia Peters (Hrsg.): Trichotillomanie – Fragen und Antworten zum zwanghaften Haare ausreißen. Pabst,
Lengerich 2008, ISBN 978-3-89967-425-5.
Weblinks
• Trichotillomanie: Symptomatik, Klassifikation und verhaltenstheoretische Bedingungsmodelle (http://dueker.
psycho.uni-osnabrueck.de/faecher/klin_ps/schoett/zellhorst.pdf) (PDF-Datei; 532 KB)
• www.wissenschaft.de: Was Menschen dazu bringt, sich die Haare auszureißen (http://www.wissenschaft.de/
wissen/news/270111.html) – Forscher finden Genveränderungen bei Patienten mit Trichotillomanie
• Michael Rufer: Zwangsstörung - Haare ausreißen wider Willen (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/
0,1518,690022,00.html) auf Spiegel Online vom 9. Mai 2010
80
Kleptomanie
81
Kleptomanie
Klassifikation nach ICD-10
F63.2 Pathologisches Stehlen (Kleptomanie)
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
[1]
Kleptomanie (altgr. °±²³´µ¶· kléptein ‚stehlen‘ ¸¹º »¼·½¼ maníā ‚Raserei‘, ‚Wut‘, ‚Wahnsinn‘) bedeutet wörtlich
übersetzt „Monomanie des Diebstahls“. Der Begriff stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert und wird in der
Psychiatrie inzwischen nahezu einhellig abgelehnt.
Deutsche Umschreibungen des Begriffes
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„zwanghaftes Stehlen“
„triebhaftes Stehlen“
„süchtig nach dem Stehlen“
„neurotisches Stehlen“
„pathologisches Stehlen“
„psychopathischer Stehltrieb“
„Stehlsucht“
„Stehltrieb“
„Diebstahlsleidenschaft“
„Stehlen ohne Bereicherungstendenz“
„Diebstähle ohne wesentliche Bereicherungstendenz“
Der Begriff entstammt der Monomanielehre der französischen Psychiater Jean-Étienne Esquirol und Charles
Chretien Henry Marc. Marc prägte den Begriff, der so viel wie „Monomanie des Diebstahls“ bedeutet. Ein Vorläufer
des Begriffs war der Begriff „Klopémanie“ des Genfer Arztes André Matthey. Matthey stellte diesen Begriff 1816 in
im Rahmen seiner Lehre von der „Pathomanie“ vor (die von Esquirol zur Monomanielehre umformuliert wurde).
Die forensische Psychiatrie fordert bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit im Zusammenhang mit einem Diebstahl
den expliziten Nachweis bekannter psychischer Störungen. Die im „Kleptomanie“-Konzept enthaltenen Merkmale
sind i. d. R. soziologischer Natur (Vermögenslage des Diebes in Relation zum Wert des Diebesgutes) und keine
Merkmale der Psychopathologie.
Übernahme des Begriffs in die Internationale Klassifikation psychischer
Störungen
Überreste der Monomanielehre finden sich noch in der ICD-10 im Kapitel F63 („Abnorme Gewohnheiten und
Störungen der Impulskontrolle“), u. a. mit der Kategorien F63.2 „pathologisches Stehlen [Kleptomanie]“.
Problematisch bleibt dabei, dass durch die Aufnahme des Begriffes „Kleptomanie“ in die ICD-10 oder das DSM-IV
die Annahme nahegelegt wird, es handele sich bei Diebstählen mit den Merkmalen der „Kleptomanie“ um eine
psychische Erkrankung, die sich vor Gericht schuldmindernd auswirkt (vgl. Diebstahl – Problematik um den Begriff
„Kleptomanie“).
Kleptomanie
Symptome und Beschwerden
Pathologisches Stehlen liegt dann vor, wenn
zwei oder mehr Diebstähle von einer Person durchgeführt werden, ohne dass ein Bereicherungswillen für sich
oder andere besteht.
• bei den Betroffenen ein intensiver Drang zum Stehlen vorliegt und diese ein Gefühl der Spannung vor dem
Diebstahl haben und nach dessen Durchführung Erleichterung verspüren.
• die Betroffenen nach Abklingen des Spannungsgefühls zunächst ein schlechtes Gewissen haben, aber dennoch
weiter stehlen.
¾
Chronisches Leiden ist oft nur mit professioneller Hilfe zu überwinden.
Ursachen
Beweggründe für die Kleptomanie sind vielfältig und in Fachkreisen umstritten. Es ist bislang unklar, ob
Kleptomanie Zwang oder Sucht darstellt.
Einige Psychoanalytiker sind der Meinung, dass das Stehlen eine Art Ersatzbefriedigung für unterdrückte Wünsche
darstellt. Weiterhin wird angenommen, dass die gestohlenen Objekte nur einen symbolischen Wert besitzen und auf
bestimmte verdrängte Bewusstseinsbereiche hinweisen.
Andere Lehrmeinungen besagen, dass die Kleptomanie eine versteckte Form des Widerstands gegen die Gesellschaft
sei oder gehen von erregenden Gefühlen beim Stehlen als Motiv aus, da das Stehlen beim Kleptomanen Hormone
freisetzt, die ihm ein Glücksgefühl bereiten. Um immer wieder einen „Kick“ zu bekommen, stiehlt der Kleptomane
mit der Zeit immer wertvollere und schwerer zu erlangende Dinge.
Folgen und Komplikationen
Kleptomanen machen sich durch ihr Verhalten strafbar. Das Diebesgut wird nach der Tat versteckt oder vernichtet.
Das Stehlen bereitet dem Kleptomanen ein schlechtes Gewissen.
Behandlung
Die Behandlung der Kleptomanie erfolgt psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch.
Literatur
• Karl Birnbaum: Die psychopathischen Verbrecher. Thieme, Leipzig 1926.
• Horst Dilling u. a. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F);
klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84286-4
• Jean-Étienne Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen. Hartmann,
Leipzig 1827.
• Jean-Étienne Esquirol: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und Staatsarzneikunde. Voß, Berlin
1838 (2 Bde.)
• Werner Janzarik: Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie. Springer, Berlin 1974.
• Charles Chretien Henry Marc: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege Voß, Berlin 1843/1844 (2
Bde.)
• André Matthey: Nouvelles recherches sur les maladies de l’esprit précédées considérations sur les difficulté de
l’art de guérir. Paschoud, Paris, 1816.
• Tobias Müller: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen? In: Rolf Baer u. a. (Hrsg.):
Wege psychiatrischer Forschung. Perimed, Erlangen 1991, ISBN 3-88429-390-7
• Christoph Mundt: Kleptomanie. In: Christian Müller: Lexikon der Psychiatrie. Springer, Berlin 1986, ISBN
3-437-22900-1
82
Pyromanie
83
Pyromanie
Vergleichende Klassifikation nach
DSM-IV
ICD-10
312.33 Pyromanie F63.1 Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)
DSM IV online
[1]
ICD-10 online
[2]
Der Begriff Pyromanie ¿ÀÁ ÃÄÅÆÇÈÉ ÊËÌ ¿pyrÍ Î ÏÆÐÆÄÑ ÒÓÔÕÓ ¿Ö×ÂÅ×Í
= Raserei) bezeichnet die pathologische Brandstiftung und wurde im
frühen 19. Jahrhundert geprägt, siehe dazu auch Monomanie.
Betroffene Personen verspüren den Drang, Feuer zu legen und
beziehen aus der Tat Befriedigung.
Begriffserklärung
Begriffsgeschichte
Ausgebrannter blauer Container
Der Begriff entstammt der Monomanielehre der französischen
Psychiater Jean-Étienne Esquirol und Charles Chretien Henry Marc.
Deutsche Entsprechungen des Begriffs
Der Begriff bedeutet zunächst „Monomanie der Brandstiftung“. Im deutschen Sprachraum werden u.a. folgende
Entsprechungen gefunden:
•
•
•
•
„pathologische Brandstiftung“
„triebhafte Brandstiftung“
„süchtige Brandstiftung“
„zwanghafte Brandstiftung“
Nicht selten wird der Begriff auch völlig außerhalb eines psychiatrischen Kontextes gebraucht, um Personen zu
charakterisieren, die gern beziehungsweise leidenschaftlich mit Feuer umgehen (Zündeln).
Ablehnung des Begriffs in der forensischen Psychiatrie
Mit der Ablehnung der Monomanielehre bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde auch der Begriff der
Pyromanie von der Psychiatrie verworfen.
Klinisches Krankheitsbild
Klassifikation
Der Begriff der Pyromanie findet sich in der ICD-10 im Kapitel F63 („Abnorme Gewohnheiten und Störungen der
Impulskontrolle“) mit der Kategorie F63.1 „pathologische Brandstiftung [Pyromanie]“. Im Diagnostischen und
Statistischen Manual psychischer Störungen ([DSM-IV]) ist die Pyromanie als Unterkategorie der Störung der
Impulskontrolle auf Achse I zu finden.
Problematisch an der Aufnahme des Begriffs in psychiatrische Klassifikationssysteme ist, dass hiermit die
Erwartung geweckt wird, Brandstiftungen mit Merkmalen der „Pyromanie“ würden als psychische Störungen von
Gerichtspsychiatern und Gerichten als schuldmindernd anerkannt.
Pyromanie
Kriterien
Im „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, dem international gültigen Diagnosekatalog der
Psychiatrie, finden sich folgende Kriterien:
•
•
•
•
•
Die bewusste und vorsätzliche Brandstiftung in mehreren Fällen
Große Anspannung und Erregung vor der Tat
Großes Interesse an Feuer und allem, was damit zu tun hat
Freude oder Erleichterung während der Brandstiftung
Die Brandstiftungen wurden nicht aus finanziellen Gründen, Rachegelüsten etc. unternommen
Epidemiologie und Verlauf
Pyromanie ist selten, aber unter Brandstiftern verbreitet. In einer großen Studie in den USA fanden sich unter 1145
erwachsenen männlichen Brandstiftern 39 % mit einer Pyromanie. Bei Frauen ist Pyromanie kaum vorhanden.
Häufig sind sozial unterprivilegierte Personen betroffen. Oftmals wird fälschlicherweise angenommen, dass
besonders viele Brandstifter selbst Mitglied in einer Feuerwehr sind. So haben Pyromanen aufgrund ihrer Krankheit
oft eine gesteigerte Motivation, in eine Feuerwehr einzutreten, jedoch wird versucht, dies durch eine geeignete
soziale und strafrechtliche (Führungszeugnis) Mitgliederauswahl zu verhindern. Auch eine Kontrolle innerhalb der
sozialen Gruppen der Feuerwehr verhindert solche Tendenzen. Jedoch ist dieses Problem keine Besonderheit der
Feuerwehr – auch andere Gruppen könnten ähnliche Anziehungspunkte für nicht geeignete Mitglieder darstellen
(vergleiche Vorurteile: Schützenverein, Bundeswehr). Deshalb ist ein professioneller und differenzierter Umgang
mit dem Thema notwendig. Es ist anzunehmen, dass der Verlauf episodisch ist. Es treten symptomfreie Intervalle
neben Intervallen, in denen die Symptome vorherrschend sind, auf.
Komorbidität
Die Pyromanie geht häufig mit anderen Störungen einher:
•
•
•
•
•
•
Störungen des Sozialverhaltens
Lernschwierigkeiten
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung
Impulskontrollstörungen
Intelligenzminderung
körperliche Defizite
Folgen und Komplikationen
Pyromanie kann zu Brandstiftung und zur damit verbundenen Sachbeschädigung führen; auch Menschen können
dadurch gefährdet werden. Der Pyromane macht sich in solchen Fällen strafbar.
Behandlung
Die Behandlung erfolgt psychotherapeutisch.
Literatur
• Karl Birnbaum: Die psychopathischen Verbrecher. Thieme, Leipzig 1926.
• Horst Dilling u.a. (Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10, Kapitel V (F);
klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84286-4
• Jean Etienne Dominique Esquirol: Allgemeine und specielle Pathologie und Therapie der Seelenstörungen.
Hartmann, Leipzig 1827.
84
Pyromanie
Jean Etienne Dominique Esquirol: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Medizin und StaatsarzneikundeÙ ÚÛÜÝ
Berlin 1838 (2 Bde.)
Ø Werner Janzarik: Themen und Tendenzen in der deutschsprachigen Psychiatrie. Springer, Berlin 1974.
Ø Charles Chretien Henry Marc: Die Geisteskrankheiten in Beziehung zur Rechtspflege ÚÛÜÝ Þßàáâã äåæçèäåææ éê
Bde.)
Ø ëãìàí îïððñßò: Nouvelles recherches sur les maladies de l’esprit précédées considérations sur les difficulté de
l’art de guérir. Paschoud, Paris, 1816.
Ø Tobias Müller: Störungen der Impulskontrolle – Alter Wein in neuen Schläuchen? In: Rolf Baer u.a. (Hrsg.):
Wege psychiatrischer Forschung. Perimed, Erlangen 1991, ISBN 3-88429-390-7
• Henning Saß u.a.: Diagnostische Kriterien des diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen.
DSM-IV-TR. Hogrefe, Göttingen 2003, ISBN 3-8017-1661-9
• Ulrich Venzlaff, Friedemann Pfäfflin: Persönlichkeitsstörungen und andere abnorme seelische Entwicklungen.
In: Klaus Foerster (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. Elsevier, München 2004, ISBN 3-437-22900-1
• Brunnhuber, S., Frauenknecht, S. & Lieb, K.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban&Fischer 2005
Ø
Weblinks
• ICD-10-Klassifikation der pathologischen Brandstiftung [1]
Quellennachweise
[1] http:/ / www. lumrix. de/ icd. php?f=lumrix-get& r=f%2Ff63. xml& k=k00
Gewohnheit
Als Gewohnheit (auch Usus, lat. uti „gebrauchen“) wird eine unter gleichartigen Bedingungen entwickelte
Reaktionsweise bezeichnet, die durch Wiederholung stereotypisiert wurde und bei gleichartigen
Situationsbedingungen wie automatisch nach demselben Reaktionsschema ausgeführt wird, wenn sie nicht bewusst
vermieden oder unterdrückt wird. Es gibt Gewohnheiten des Fühlens, Denkens und Verhaltens.
In spielerischen Zusammenhängen oder absichtlich, also bewusst gelernte, insbesondere in Schule und Lehre gezielt
eingeübte Verhaltensweisen werden dagegen wie alle nützlichen Gewohnheiten (z. B. in der Muttersprache reden zu
können) selbst bei größter Routine als Fähigkeiten oder – vor allem bei größerer Geschicklichkeit dabei – auch als
Fertigkeit bezeichnet.
Die Ausbildung von Gewohnheiten besonders in der Form von Vorlieben und Abneigungen zeigen bereits Einzeller,
die konditioniert werden können, also über eine für den Beobachter erkennbare Merkfähigkeit verfügen. Beim
Menschen hat sich das Lernvermögen weit darüber hinaus zu einer ausgeprägten und aktiv beeinflussbaren
Erinnerungsfähigkeit erweitert, die sich in den ersten Anzeichen allerdings erst im vierten bis fünften Lebensjahr
eines Menschen zu zeigen beginnt. Ihre Bezeichnung als „Gedächtnis“ verweist darauf, dass sie Voraussetzung allen
Denkens ist, das als Tätigkeit allerdings seinerseits auch leicht zu bloßer Gewohnheit werden kann.
Die moderne Hirnforschung glaubt, dass bei der menschlichen Entwicklung im ersten Lebensjahrzehnt und dabei
wiederum in dessen erster Hälfte besonders günstige neurobiologische Bedingungen für elementare Lernvorgänge
bestehen, mit der Folge, dass sich in diesen Lebensjahren Gewohnheiten besonders leicht und schnell ausbilden.
Die Redewendung von der „Macht der Gewohnheit(en)“ bezieht sich dagegen auf die Tatsache, dass ein Tun oder
Machen auf der Grundlage ausgeprägter Gewohnheiten immer schneller zustande kommt als ein bewusstes Handeln,
das wegen der zu seiner Vorbereitung nötigen Überlegungen und Entscheidungen stets mehr Zeit in Anspruch nimmt
als ein reflexhaft zustande kommendes gewohnheitsmäßiges Reagieren. Eine andere Redewendung – „Der Mensch
ist ein Gewohnheitstier“ – gibt einen Hinweis auf die evolutionären Wurzeln der Gewohnheit. Konrad Lorenz hat
85
Gewohnheit
unter anderem aus Beobachtungen seiner Gans Martina herausgefunden, dass bestimmte, auch nebensächliche
Verhaltensweisen, die in einer als bedrohlich empfundenen Situation auch nur zufällig ausgeführt werden, zur
Gewohnheit werden. Denn evolutionär steigt damit die Wahrscheinlichkeit eines Überlebens in ähnlichen
Situationen. Ein Abweichen von Gewohnheiten ist vor diesem evolutionären Hintergrund mit inneren Spannungen
verbunden.
Stark ausgeprägte oder starre Denk- und Verhaltensgewohnheiten können für die Kreativität abträglich sein und zu
einem eingefahrenen, mehr oder weniger gedankenlosen Reagieren führen. Zudem erfordert gewohnheitsmäßiges
Reagieren wegen seines reflexartigen Ablaufs wenig Aufmerksamkeit. Ausgeprägtes gewohnheitsmäßiges Reagieren
kann daher zu höhergradiger selektiver Aufmerksamkeit führen und darüber zu gewohnheitsmäßiger
Unaufmerksamkeit, wegen der wiederum ein gewohnheitsmäßiges Reagieren weiter gefördert wird.
Zeigt eine nennenswerte Anzahl von Angehörigen einer Gruppen dieselbe Gewohnheit, so kann diese zur
unhinterfragten sozialen Sitte oder kollektiven Überzeugung werden. Aufwändigere Bräuche werden dagegen eher
bewusst beibehalten, vor allem wenn sie eingeübt werden müssen und zu denselben Gelegenheiten wie etwa
jahreszeitlichen Festen zu bestimmten Zeiten oder zu festgelegten Zeitpunkten regelrecht gepflegt werden. Auf
gemeinsamem Handeln beruhen auch Gewohnheitsrechte und Pflichten, die zurückgehen auf längere Zeit
beibehaltene Absprachen und gegenseitige Verpflichtungen, die zunächst vielleicht nur einzelne Personen
miteinander und vielleicht auch nur ad hoc eingegangen waren.
• Von einer Gewohnheit zu unterscheiden ist die Gewöhnung oder Habituation. Damit ist das Phänomen gemeint,
dass ein Individuum auf einen wiederholt erlebten Reiz zunehmend geringere oder im Extremfall gar keine
Reaktionen mehr zeigt. Man spricht in derartigen Fällen auch von Desensibilisierung. Sie lässt sich in Form einer
systematischen Desensibilisierung auch gezielt nutzen; bei Menschen muss sie allerdings meist auch bewusste
Einstellungsänderungen miteinschließen.
Weblinks
• Zeit Online, Mach es anders! [1], 8. April 2013
Literatur
• Jürgen Bräunlein: Lexikon der schlechten Gewohnheiten. rororo TB, 2007, ISBN 978-3499622212.
Quellennachweise
[1] http:/ / www. zeit. de/ zeit-wissen/ 2013/ 02/ Psychologie-Gewohnheiten/ komplettansicht
86
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
87
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Vergleichende Klassifikation nach
ICD-10
DSM-IV
F60.2 Dissoziale Persönlichkeitsstörung 301.7 Antisoziale Persönlichkeitsstörung
ICD-10 online
[1]
DSM IV online
[1]
Die dissoziale Persönlichkeitsstörung (lateinisch Präfix dis-, „entzwei“, „auseinander“, socius, „gemeinsam“,
„verbunden“), auch antisoziale Persönlichkeitsstörung (APS) wird in der ICD - einem medizinischen
Diagnoseklassifikationssystem der WHO - als eine "spezifische Persönlichkeitsstörung" gelistet. Der Begriff wird
dort folgendermaßen umrissen:
„Eine Persönlichkeitsstörung, die durch eine Missachtung sozialer Verpflichtungen und herzloses
Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere gekennzeichnet ist. Zwischen dem Verhalten und den
herrschenden sozialen Normen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Das Verhalten erscheint durch
nachteilige Erlebnisse, einschließlich Bestrafung, nicht änderungsfähig. Es besteht eine geringe
Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten, eine
Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das Verhalten anzubieten,
durch das der betreffende Patient in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist.“
– ICD (2011): Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Forschung[1]
Laut DSM-IV sind drei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen betroffen.[2] APS ist ein Bestandteil von
Psychopathie; der Begriff Soziopathie wird hingegen verschieden definiert und wird im klinischen Zusammenhang
kaum mehr verwendet. [3]
Beschreibung
Die antisoziale Persönlichkeit macht sich schon im Kindes- und Jugendalter durch Missachtung von Regeln und
Normen (z. B. Schuleschwänzen, Vandalismus, Fortlaufen von Zuhause, Stehlen, häufiges Lügen) und die
Unfähigkeit aus Erfahrung zu lernen, bemerkbar. Im Erwachsenenalter führen Betroffene ihr Verhalten fort durch
nur zeitweiliges Arbeiten, Gesetzesübertretungen, Gereiztheit und körperlich aggressives Verhalten, Nichtbezahlen
von Schulden, Rücksichtslosigkeit und Drogenkonsum. Nicht selten landen sie dabei im Gefängnis. Kriminalität ist
allerdings nicht notwendig für die Diagnose von APS, denn es gibt auch viele angepasste APs, die beruflich
erfolgreich sind. In der Berufswelt kann die APS zum Vorteil werden: Ergebnisse einer Studie weisen darauf hin,
dass Führungspersonen von Unternehmen häufiger von dieser Störung betroffen sein könnten.[4] Auch darf man
nicht den Fehler begehen, bei jedem delinquenten Menschen von einer APS auszugehen. Es gibt viele Gründe für
Delinquenz, und die APS ist nur einer davon.
Personen mit einer APS sind impulsiv, leicht reizbar und planen nicht voraus. Darüber hinaus zeigen sie keine Reue
für Missetaten.
Ihre gefühlsmäßigen Beziehungen zu Personen sind so schwach, dass sie sich nicht in Personen hineinversetzen
können und keine Schuldgefühle oder Verantwortungsbewusstsein kennen. Dadurch fällt es ihnen schwer, Personen
abzugrenzen und auf sie Rücksicht zu nehmen. Ihr eigenes Gefühlsrepertoire (besonders das für negative Gefühle)
kann beschränkt sein, weswegen sie Gesten von anderen Personen imitieren. Gefühle anderer hingegen nehmen sie
gut wahr und können sie manipulierend ausnutzen, während sie selber außergewöhnlich charmant sind. Sie können
aber auch eine spielerische Leichtigkeit ausstrahlen und bei guter intellektueller Begabung unter Umständen recht
geistreich, witzig und unterhaltsam sein.
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Dissoziale Störungen lassen sich weiter in drei Subtypen einteilen, über die allerdings wissenschaftliche
Kontroversen geführt werden.
Instrumentell-dissoziales Verhalten
Dieser Subtyp ist vor allem auf Geld, materielle Werte sowie Macht ausgerichtet. Die Personen haben keinen
Leidensdruck, sondern ein übersteigertes Selbstvertrauen und Machtgefühl, und daher keine
Veränderungsbereitschaft. Diese Wesensart hat Ähnlichkeit mit dem, was früher als Psychopathie bezeichnet wurde:
Fehlen von Einfühlungsvermögen, Schuldgefühl oder Angst, oberflächlicher Charme und Gefühlsregungen, und
instabile, wechselnde Beziehungen. Allerdings kann dies manchmal der gesellschaftlichen Norm entsprechen.
Impulsiv-feindseliges Verhalten
Charakteristisch ist eine geringe Handlungskontrolle, hauptsächlich aufgrund starker Impulsivität. Die fehlende
Handlungskontrolle ist der Person selbst kaum bewusst. Die gemütsmäßige Beteiligung ist hier hoch; unter anderem
sind Wut und Ärger fast immer zu finden. Materieller Gewinn ist hier kein entscheidender Handlungsauslöser.
Handlungen von anderen werden ähnlich wie bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung vorschnell als negativ, zum
Beispiel als Bedrohung oder Provokation gedeutet, und es wird, kombiniert mit geringer Frustrationstoleranz,
dementsprechend aggressiv reagiert. Die Handlungen sind dabei spontan und ungeplant.
Ängstlich-aggressives Verhalten
Die dritte Gruppe ist vor allem im forensischen Bereich auffällig. Hier findet man oft deprimierte, schüchterne und
ängstliche Personen, die in Extremsituationen Gewaltausbrüche produzieren, die die anderen beiden Subtypen
übertreffen können. Außerhalb ihrer Ausbrüche sind die meisten beherrschte und sonst weniger auffallende
Menschen. Traumatische Erlebnisse finden sich hier am häufigsten.
Des Weiteren können hier auch Mischtypen auftreten.
Klassifikation nach ICD und DSM
In der ICD-10 wird die Bezeichnung „dissoziale Persönlichkeitsstörung“ verwendet; das DSM-IV verwendet die
Formulierung „antisoziale Persönlichkeitsstörung“.
ICD-10
Während das DSM-IV die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung ausdrücklich erst ab dem 18.
Lebensjahr gestattet, gibt die ICD-10 keine entsprechend enge Grenze vor. Die ICD-10-Kriterien beschreiben neben
sozialer
Abweichung
charakterologische
Besonderheiten,
insbesondere
Egozentrik,
mangelndes
Einfühlungsvermögen und defizitäre Gewissensbildung. Kriminelle Handlungen sind also nicht zwingend
erforderlich. Mindestens drei der in der ICD-10 genannten Merkmale müssen erfüllt sein. Hierzu gehören:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Mangelnde Empathie und Gefühlskälte gegenüber anderen
Missachtung sozialer Normen
Beziehungsschwäche und Bindungsstörung
Geringe Frustrationstoleranz und impulsiv-aggressives Verhalten
Mangelndes Schulderleben und Unfähigkeit zu sozialem Lernen
Vordergründige Erklärung für das eigene Verhalten und unberechtigte Beschuldigung anderer
Anhaltende Reizbarkeit
88
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
DSM-IV
a) Es besteht ein tiefgreifendes Muster von Missachtung und Verletzung der Rechte anderer, das seit dem 15.
Lebensjahr auftritt. Mindestens drei der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
1. Versagen, sich in Bezug auf gesetzmäßiges Verhalten gesellschaftlichen Normen anzupassen, was sich in
wiederholtem Begehen von Handlungen äußert, die einen Grund für eine Festnahme darstellen
2. Falschheit, die sich in wiederholtem Lügen, dem Gebrauch von Decknamen oder dem Betrügen anderer zum
persönlichen Vorteil oder Vergnügen äußert
3. Impulsivität oder Versagen, vorausschauend zu planen
4. Reizbarkeit und Aggressivität, die sich in wiederholten Schlägereien oder Überfällen äußert
5. Rücksichtslose Missachtung der eigenen Sicherheit bzw. der Sicherheit anderer
6. Durchgängige Verantwortungslosigkeit, die sich im wiederholten Versagen zeigt, eine dauerhafte Tätigkeit
auszuüben oder finanziellen Verpflichtungen nachzukommen
7. Fehlende Reue, die sich in Gleichgültigkeit oder Rationalisierungen äußert, wenn die Person andere Menschen
gekränkt, misshandelt oder bestohlen hat.
b) Die Person ist mindestens 18 Jahre alt.
c) Eine Störung des Sozialverhaltens war bereits vor Vollendung des 15. Lebensjahres erkennbar.
d) Das antisoziale Verhalten tritt nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder einer manischen Episode
auf.
Mögliche Ursachen
Bei der Entwicklung der Störungen spielen sowohl die Gene als auch die Umwelt eine Rolle.[5]
Bowlby konnte einen Zusammenhang zwischen APS und fehlender mütterlicher Zuwendung feststellen. Glueck und
Glueck stellen bei den Müttern der Personen mit APS einen Mangel an Zuwendung und eine Neigung zur
Impulsivität fest. Außerdem neigten sie zum Alkoholismus.[6] Antisoziale Persönlichkeiten kommen häufig aus
zerrütteten Elternhäusern, in denen entweder Gewalt vorherrschte oder in denen sie vernachlässigt wurden. Dazu
kommt ein Mangel an Liebe und Fürsorge, der zu fehlender Orientierung seitens des Kindes führt. In vielen Fällen
gab es familiäre Konflikte. Viele antisoziale Persönlichkeiten sind in einer Großfamilie auf engem Raum
aufgewachsen, erfuhren uneindeutige Erziehungsstile der Eltern, die prosoziales Verhalten nicht oder selten beachtet
haben, oder hatten delinquente Geschwister. Ein Vorbote für das im Erwachsenenalter feststellbare antisoziale
Verhalten war das Vorhandensein dissozialer Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter.
Neuere Forschungen erhärten die Hypothese, dass diese Störung durch ein Zusammenspiel biologischer und sozialer
Faktoren hervorgerufen wird. Avshalom Caspi und seine Mitarbeiter (2002) untersuchten 442 männliche,
erwachsene Neuseeländer, von denen 154 in ihrer Kindheit sexuell missbraucht oder körperlich misshandelt wurden.
Sie analysierten den Einfluss eines bestimmten Gens, das die Hirnchemie beeinflusst. Dieses Gen kommt in einer
stark und einer schwach aktiven Variante vor. Es bestimmt das Niveau der Monoaminooxidase-A (MAO-A). Dies ist
ein Enzym, das die Neurotransmitter Serotonin, Dopamin und Norepinephrin (Noradrenalin) verstoffwechselt. 85
Prozent der Versuchspersonen, die traumatisiert worden waren und die zudem die schwach aktive Variante des Gens
hatten, entwickelten Formen des antisozialen Verhaltens. Die Untersuchungsteilnehmer mit der hoch aktiven
Variante dieses Gens aber wurden nur äußerst selten durch antisoziales Verhalten auffällig – unabhängig davon, ob
sie als Kind misshandelt und missbraucht worden waren oder nicht (siehe auch: Warrior Gene).[7]
Adoptionsstudien zeigen, dass Gene und Umwelt eine Rolle spielen:
„Ein Forschungsteam erhob eine Stichprobe von 95 Männer und 102 Frauen, die wenige Tage vor ihrer
Geburt zur Adoption freigegeben worden waren. Institutionelle Daten lieferten ausreichend
Informationen über die biologischen Eltern, um beurteilen zu können, ob diese an einer antisozialen
Persönlichkeitsstörung litten. Diese Daten erlaubten eine Erfassung des Beitrags genetischer Faktoren zu
89
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
der Störung. Die Forscher erhoben zudem Daten über die Lebensumstände in den Adoptivfamilien: Mit
Hilfe von Interviews bestimmten sie, ob die Teilnehmer unter widrigen Umweltbedingungen
aufwuchsen, also beispielsweise Adoptiveltern hatten, die Eheprobleme, Drogen- oder Alkoholprobleme
hatten. Diese Daten erlaubten eine Erfassung des Beitrages umweltbedingter Faktoren zu der
antisozialen Persönlichkeitsstörung. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Einflussgrößen von Bedeutung
sind: Bei Personen, deren biologische Eltern die Störung aufwiesen, oder die unter widrigen
Umweltbedingungen aufwuchsen, wurde im Durchschnitt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine
antisoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.“
Kontroverse
Die Perspektive, die in der Definition (etwa nach ICD) deutlich wird, ist umstritten, da es sich hier letztlich um die
natürliche Reaktion auf bestimmte Erfahrungen, aber nicht um eine Störung handeln könnte, und da mit einiger
Vorbereitung jedermann derartige Symptome zeigt.
Kulturelle Rezeption
Siri Hustvedt, eine US-amerikanische Schriftstellerin, beschreibt in ihrem Buch Was ich liebte (Originaltitel What I
loved – A Novel, 2003) mindestens zwei Charaktere mit Symptomen der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Gegen
Ende ihres Buches erwähnt sie die Hinwendung einer anderen Romanfigur zu diesem Phänomen mit folgenden
Worten: Violets „Forschungen haben sie vom 18. Jahrhundert in die Gegenwart geführt, von dem französischen
Irrenarzt Pinel zu einem lebenden Psychiater namens Kernberg. Terminologie und Ätiologie der Krankheit, die sie
untersucht, mögen sich mit der Zeit verändert haben, aber Violet hat sie in allen Formen aufgespürt: folie lucide,
Geisteskrankheit, Schwachsinn, Soziopathie, Psychopathie und antisoziale Persönlichkeit, kurz APS. Heutzutage
gehen die Psychiater bei der Diagnose der Störung nach Checklisten vor, die sie in Ausschüssen überprüfen und auf
den neuesten Stand bringen, doch die am häufigsten vorkommenden Charakterzüge sind: Wandlungsfähigkeit und
Charme, pathologisches Lügen, fehlende Einfühlung und Reue, dafür Impulsivität, Gerissenheit und Neigung zur
Manipulation, frühe Verhaltensstörungen und die Unfähigkeit, aus Fehlern zu lernen oder auf Strafen zu reagieren.“
In ihrer Danksagung zitiert sie diverse Quellen an Sekundärliteratur, so den erwähnten Otto F. Kernberg und Donald
W. Winnicott.
Literatur
• Baumann, Imanuel: Dem Verbrechen auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminologie und Kriminalpolitik in
Deutschland 1880 bis 1980 Göttingen, 2006, ISBN 3-8353-0008-3
• Boetsch, Thomas: Psychopathie und antisoziale Persönlichkeitsstörung. Ideengeschichtliche Entwicklung der
Konzepte in der deutschen und angloamerikanischen Psychiatrie und ihr Bezug zu modernen Diagnosesystemen.
Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller, 2008, ISBN 978-3-8364-8559-3.
• Dikman, Z. V.; Allen, J. J. B. (2000). Error monitoring during reward and avoidance learning in high- and
low-socialized individuals. In: Psychophysiology, 37, 43-54.
• Davidson, R.J.; Putnam, K.M.; Larson, C.L. (2000). Dysfunction in the Neural Circuitry of Emotion Regulation –
A Possible Prelude to Violence. In: Science, Vol. 289, S. 591-594.
• Essau, Cecilia; Conradt, Judith: Aggression bei Kindern und Jugendlichen. München [u.a.] 2004, ISBN
3-8252-2602-6.
• Katschnig, Heinz (Hg.): Die extrovertierten Persönlichkeitsstörungen. Borderline, histrionische, narzisstische
und antisoziale Lebensstrategien. Wien: Facultas-Universitäts-Verlag, 2000, ISBN 3-85076-486-9.
• Kopyciok, P. (2005). Effects of Socialization on the ERN. Diplomarbeit. Unveröffentlicht
• Rotgers, Frederick [Hg.]: Die antisoziale Persönlichkeitsstörung. Therapien im Vergleich. Ein Praxisführer,
Bern: Huber, 2007, ISBN 978-3-456-84403-9.
90
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Weblinks
• Volker Faust: Dissoziales Verhalten im Kindes- und Jugendalter [8]
Einzelnachweise
[1] http:/ / www. dimdi. de/ static/ de/ klassi/ icd-10-who/ kodesuche/ onlinefassungen/ htmlamtl2011/ block-f60-f69. htm
[2] American Psychiatric Association (1994). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Washington, DC: American Psychiatric
Association, 645-650. ISBN 0-89042-061-0.
[3] Umfangreiche Fachinformation zur Definition und Erscheinungsformen von Psychopathie (https:/ / www. i-med. ac. at/ psychiatry/
allgemeine_psychiatrie/ forschung/ Heft_S23_1. pdf) (Sonderheft Neuropsychiatrie (1/2009): Forensische Psychiatrie, 23/S1, ISSN
0948-6259 / .pdf; 1,3 MB)
[4] Korten, David (2001), "When Corporations Rule the World" (Berret-Kohler Publications)
[5] Philip Zimbardo (2004): Psychologie - 16., aktualisierte Ausgabe. München: Pearson Studium; S. 685
[6] Anne-Marin B. Cooper: Antisocial Personality Disorder (APD) (http:/ / www. health. am/ psy/ antisocial-personality-disorder/ ) abgerufen am
29. April 2008
[7] Caspi, A. u. a.: Role of genotype in the cycle of violence in maltreated children. Science, Vol. 297, No. 5582, August 2002, 851-854
[8] http:/ / www. psychosoziale-gesundheit. net/ psychiatrie/ kiju. html
Selbsthilfegruppe
Selbsthilfegruppen sind selbstorganisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die ein gleiches Problem oder
Anliegen haben und gemeinsam etwas dagegen bzw. dafür unternehmen möchten. Typische Probleme sind etwa der
Umgang mit chronischen oder seltenen Krankheiten, mit Lebenskrisen oder belastenden sozialen Situationen. Die
Zahl der Selbsthilfegruppen in Deutschland wird auf 70.000[1]-100.000 geschätzt. Laut dem telefonischen
Gesundheitssurvey[2] des Robert-Koch-Instituts 2003 waren etwa 9 Prozent der erwachsenen Bevölkerung
Deutschlands schon einmal Teilnehmer einer Selbsthilfegruppe. Fragt man danach, wie hoch der Anteil derer ist, die
zum Zeitpunkt der Befragung eine Selbsthilfegruppe besuchen, so liegt dieser 2005 bei 2,8 Prozent[3].
Selbsthilfegruppen dienen im Wesentlichen dem Informations- und Erfahrungsaustausch von Betroffenen und
Angehörigen, der praktischen Lebenshilfe sowie der gegenseitigen emotionalen Unterstützung und Motivation.
Darüber hinaus vertreten Selbsthilfegruppen in unterschiedlichem Grad die Belange ihrer Mitglieder nach außen.
Das reicht von Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über die Unterstützung von Forschungsprojekten bis hin zur
politischen Interessenvertretung. Die häufigste Rechtsform von Selbsthilfegruppen ist der eingetragene Verein.
Selbsthilfegruppen ohne Angabe der Rechtsform werden als Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff.
BGB) behandelt, sofern sie nicht ein nicht-eingetragener Verein sind.[4] Selbsthilfegruppen werden ehrenamtlich
geleitet. Unter bestimmten Voraussetzungen können Selbsthilfegruppen im Rahmen der Selbsthilfeförderung nach
§ 20c [5] des Fünften Sozialgesetzbuches die Kosten für Büro, Räume, Öffentlichkeitsarbeit etc. erstattet werden.[6]
Geschichte der Selbsthilfe(-gruppen)
Die Selbsthilfe heutiger Form hat ihre Vorläufer in den Emanzipationsbewegungen des 19. Jahrhunderts,
insbesondere der Frauen- und Jugendbewegung. Es wurden zahlreiche Vereine und Organisationen gegründet, die
einen weitgehend freien Austausch von Gleichgesinnten ermöglichten und unter deren Deckmantel auch
gesundheitsorientierte Selbsthilfe stattfand.
Bei einigen Abstinenzvereinen, wie etwa den Guttemplern, und zahlreichen spirituell oder religiös orientierten
Gruppen, wie etwa den Anonymen Alkoholikern (AA) steht ein umfassenderes Leitbild moralisch anstrebenswerter
Lebensführung über das ursprüngliche gemeinsame Problem (wie etwa Alkoholismus) hinaus im Vordergrund. Das
Zwölf-Schritte-Programm der AA ist mittlerweile auf andere Süchte und Probleme übertragen worden.
Erst nach den sozialen Umwälzungen der 1960ern war offene Selbsthilfe im heutigen Verständnis möglich. Sie setzt
voraus, dass sich Menschen öffentlich zu ihrem Problem bekennen können, ohne gesellschaftliche oder
91
Selbsthilfegruppe
strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. So hatten etwa Homosexuelle bis 1968/69 strafrechtliche Verfolgung nach
§ 175 zu befürchten. Suchtkrankheiten wurden erstmals als Krankheiten und nicht nur als moralischer Mangel
verstanden. Gleichzeitig entstand ein neuer Gesundheitsbegriff, der eine aktive, eigenverantwortliche Rolle des
mündigen Patienten fördert. Wie viele andere neue soziale Bewegungen setzen sie auf Eigeninitiative.
Der Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller spielte in den 1970ern eine wichtige Rolle bei der Etablierung von
Selbsthilfegruppen in Deutschland. 1981 gründete er die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V..
In der DDR waren bereits vor der Wende, auch im Rahmen der Bürgerbewegung, erste Selbsthilfegruppen,
insbesondere unter dem Dach der Kirche, aktiv.
Selbsthilfegruppen in Deutschland
Die Leistungen der Selbsthilfegruppen werden inzwischen als wichtige
Ergänzung zum professionellen Gesundheitssystem von den
Kostenträgern
anerkannt.
Daher
werden
Gesundheitliche
Selbsthilfegruppen von der gesetzlichen Krankenversicherung
gefördert. Nach § 20c des Sozialgesetzbuch V [5] sind alle
Krankenkassen
dazu
verpflichtet.
Vielfältige
Typischer Gruppenraum im Münchner
Unterstützungsmöglichkeiten bieten auch andere Institutionen (z. B.
Selbsthilfezentrum
gesetzliche Rentenversicherungen aber auch Kommunen und Länder).
Für die Unterstützung von örtlichen Selbsthilfegruppen sind neben den
Selbsthilfeorganisationen die ca. 280 Selbsthilfekontaktstellen und -unterstützungseinrichtungen von Bedeutung. Sie
befinden sich in unterschiedlichen Trägerschaften – teils bei den Wohlfahrtsverbänden, teils bei den kommunalen
Trägern. Professionelle Mitarbeiter (in der Regel Sozialarbeiter/-pädagogen) vermitteln Suchende an bestehende
Selbsthilfegruppen oder unterstützen bei der Gründung und In-Gang-Setzung einer neuen Gruppe. Im Unterschied zu
Selbsthilfeorganisationen, die ein spezifisches Indikationsgebiet vertreten, haben die Selbsthilfekontaktstellen keinen
expliziten Bezug zu bestimmten Erkrankungen oder sozialen Problemen.
Selbsthilfeorganisationen
Selbsthilfeorganisationen sind Zusammenschlüsse von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen
(z. B. Allergie, Neurodermitis, Diabetes, Krebs, Rheuma) und/oder (psycho-)sozialen Anliegen (z. B.
Alleinerziehende, Obdachlosigkeit etc.). Sie sind in der Regel auf Länder- und/oder Bundesebene als e. V.
organisiert. Die meisten von ihnen sind Mitglied in einer Dachorganisation auf Bundesebene (z. B. in der
Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe oder dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV)). Beispiele
für Gruppen und Verbände, die sich auf Bundesebene eigenständig vertreten, sind die Deutsche
Alzheimer-Gesellschaft und die Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz.
Zu den Mitgliedern von Selbsthilfeorganisationen gehören neben Einzelpersonen (Betroffene, Angehörige von
Betroffenen, teilweise auch Professionelle) auch viele der auf örtlicher Ebene arbeitenden Selbsthilfegruppen.
Finanzielle Unterstützung erhalten die gesundheitsbezogenen Selbsthilfeorganisationen vor allem von der
Gesetzlichen Krankenversicherung, aber auch aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und von Rentenversicherungen
(Landesversicherungsanstalten, Bundesversicherungsanstalt). Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz des
Jahres 2004, das für die Krankenkassen gilt, haben die Selbsthilfeorganisationen über ihre Dachorganisationen
Mitspracherechte in wichtigen Fragen der Gesundheitsversorgung. Sie wirken seit Anfang 2004 als
Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss und seinen einzelnen Ausschüssen mit.
92
Selbsthilfegruppe
Selbsthilfearbeitsgemeinschaften
Etwa die Hälfte aller Selbsthilfegruppen sind freie, nicht organisierte Selbsthilfegruppen. Sie gehören keiner
überregionalen Selbsthilfeorganisation an. Auf kommunaler Ebene organisieren sich manche Selbsthilfegruppen in
Arbeitsgemeinschaften, um gesundheitliche und soziale Probleme aus verschiedenen medizinischen und sozialen
Bereichen vor Ort aufzugreifen.
Die Arbeit in den lokalen Selbsthilfearbeitsgemeinschaften wird rein ehrenamtlich geleistet. Finanziell erhalten sie
sich durch ihre Mitglieder und freiwillige Spenden. Manche sind als gemeinnützige Vereine eingetragen.
Selbsthilfearbeitsgemeinschaften erhalten keine finanzielle Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen nach
§ 20 SGB V. Beispiele für solche Arbeitsgemeinschaften finden sich in der Stadt Neuss, der Stadt Grevenbroich und
in der Stadt Dormagen.
Selbsthilfekontaktstellen
Selbsthilfekontaktstellen sind eigenständige, örtlich oder regional arbeitende professionelle Beratungseinrichtungen.
Sie verfügen über hauptamtliches Personal, Räume und Ressourcen. Selbsthilfekontaktstellen erbringen
Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für neu zu gründende und bestehende Selbsthilfegruppen.
Jeder Landkreis und jede Großstadt hat eine Selbsthilfekontaktstelle. Diese können über die Nationale Kontakt- und
Informationsstelle [7] erfragt werden.
Haus der Krebs-Selbsthilfe
Als erste Einrichtung hat die Deutsche Krebshilfe in Bonn ein "Haus der Krebs-Selbsthilfe“ eingerichtet, um die
Arbeit der Hilfsvereine zu verbessern. Bis Frühjahr 2013 hatten sieben verschiedene gemeinnützige
Organisations-Zentralen ihr Domizil unter einem Dach. Die von der Ärztin Mildred Scheel gegründete
Hilfsorganisation unterstützt das Projekt mit Spendengeldern der Bürger.[8]
Vertreten sind: Frauenhilfe nach Krebs e. V, Deutsche ILCO e.V. (Vereinigung für Stomaträger und Menschen mit
Darmkrebs) Arbeitskreis der Pankreatektomierten e.V. und die Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe .e.V.
(Bundesverband der Selbsthilfeorganisationen zur Unterstützung von Erwachsenen mit Leukämien und
Lymphomen). Hinzukommen: Der Bundesverband der Kehlkopfoperierten e.V., Bundesverband Prostatakrebs
Selbsthilfe e.V. und der Selbsthilfe-Bund Blasenkrebs e.V. Bei allen Organisationen können Informationen und
Ansprechpartner für Betroffene in den Bundesländern erfragt werden.[9]
→ Hauptartikel: Haus der Krebs-Selbsthilfe
Online-Selbsthilfe
Immer mehr verbreitet sich auch Selbsthilfe über das Internet. Hilfe
Suchende tauschen sich in Internet-Foren, Mailinglisten und
Chat-Räumen aus. Obwohl diese Form der Selbsthilfe schon seit mehr
[10]
Gerald Ganglbauers Parkins(on)line
als einem Jahrzehnt praktiziert wird, ist teilweise strittig, ob sie als
Selbsthilfe zu bezeichnen ist. Das schlägt sich zum Beispiel darin
nieder, dass Selbsthilfe-Initiativen, die sich ausschließlich über das Internet gegenseitig unterstützen, bislang nicht
von den Krankenkassen unterstützt werden können (siehe unten). Wie verbreitet genau Online-Selbsthilfe (oder auch
virtuelle Selbsthilfe) in der deutschen Bevölkerung ist, wurde bislang nicht erhoben.
Seit dem Jahr 2009 widmet sich die NAKOS verstärkt dem Thema „Online-Selbsthilfe“ und hat das Projekt
„Selbsthilfe und Neue Medien – Bestandsaufnahme, Differenzierung, Wirkungsanalyse und Kriterienentwicklung“
initiiert. 2011 startete die NAKOS in Kooperation mit dem Verein Selbsthilfekontaktstellen Bayern e.V. mit seiner
Geschäftsstelle SeKo die Internetplattform selbsthilfe-interaktiv.de, welche eine Kommunikationsplattform für
gemeinschaftliche Selbsthilfe im Web 2.0 darstellen soll. Zu finden sind hier geprüfte, nicht-kommerzielle Links zu
93
Selbsthilfegruppe
hilfreichen Foren, ein Austauschforum rund um die Selbsthilfe und die Möglichkeit, eine virtuelle Selbsthilfegruppe
zu gründen.[11]
Selbsthilfeförderung
Selbsthilfeförderung durch die Krankenkassen
Förderebenen[12]
Die Krankenkassen und ihre Verbände fördern die Selbsthilfe grundsätzlich auf drei Ebenen: Bundesorganisationen,
Landesesorganisationen und örtliche Selbsthilfegruppen. Die jeweiligen Förderebenen sind grundsätzlich
gleichrangig und gleichwertig.
Fördervoraussetzungen
Generelle Fördervoraussetzungen[13]
• Interessenwahrnehmung durch Betroffene: die Selbsthilfearbeit in den Gruppen und Vereinsorganen wird von
Betroffenen getragen.
• Gesundheitsbezogene Selbsthilfeaktivitäten stehen im Mittelpunkt der Arbeit: Die Aktivitäten sind auf die
gemeinsame Bewältigung chronischer Krankheiten und/oder Behinderungen ausgerichtet, von denen die
Mitglieder selber oder als Angehörige betroffen sind.
• Offenheit für neue Mitglieder und öffentliche Bekanntmachung des Selbsthilfeangebotes.
• Neutrale Ausrichtung und Unabhängigkeit der Selbsthilfeaktivitäten von wirtschaftlichen Interessen.
Viele Selbsthilfeorganisationen haben bereits eigene Leitlinien zu ihrer Neutralität und Unabhängigkeit
entwickelt bzw. sich den Leitlinien der BAG SELBSTHILFE e.V. und des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes
e.V. angeschlossen. Vgl. hierzu auch die „Erklärung zur Wahrung von Neutralität und Unabhängigkeit“, die
Bestandteil der Antragsunterlagen auf Bundes- und Landesebene ist.
• Herstellung von Transparenz über die Finanzsituation (auch Einnahmequellen) und Mittelverwendung gegenüber
den Krankenkassen und ihren Verbänden in den Antragsunterlagen.
• Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und ihren Verbänden unter
Wahrung der Neutralität und Unabhängigkeit der Selbsthilfe.
Herstellung von Transparenz über die Finanzsituation[14]
In den Antragsunterlagen sind die Einnahmequellen transparent zu machen, die Aufschluss über die gesamte
Einnahmesituation geben. Hierzu zählen u.a. öffentliche Zuwendungen, Zuschüsse von Sozialversicherungen,
Spenden, Sponsorengelder sowie Mitgliedsbeiträge von ordentlichen und Fördermitgliedern. Ebenso zählen hierzu
geldwerte Dienstleistungen von Kooperationspartnern (z. B. kostenlose Bereitstellung von Räumen).
Rechtliche Folgen falscher Angaben
Die Krankenkassen/-verbände können die ordnungsgemäße Verwendung der Fördermittel prüfen. Bei vorsätzlich
falschen oder fehlenden Angaben, die eine unsachgemäße Auszahlung von Fördermitteln der
Krankenkassen/-verbände zur Folge haben können, sind die Krankenkassen/-verbände berechtigt, die finanziellen
Zuwendungen zurückzufordern.
94
Selbsthilfegruppe
Ergänzende Fördervoraussetzungen für die örtlichen Selbsthilfegruppen[15]
Zu den Voraussetzungen der Förderung der örtlichen Selbsthilfegruppen gehören zusätzlich zu den unter Abschnitt
Generelle Fördervoraussetzungen genannten Voraussetzungen:
• Verlässliche/kontinuierliche Gruppenarbeit und Erreichbarkeit.
• Gruppengröße von mindestens sechs Mitgliedern.
• Die Selbsthilfegruppe hat ein Gründungstreffen durchgeführt und ihre Existenz und ihr Gruppenangebot
öffentlich bekannt gemacht (beispielsweise bei der örtlichen Selbsthilfekontaktstelle oder in der regionalen
Presse).
• Benennung eines nur für die Zwecke der Selbsthilfegruppe gesonderten Kontos.
• Der Verfügungsberechtigte ist verpflichtet sicherzustellen, dass die Fördermittel nur für die Zwecke der Gruppe
verwendet werden.
Ausschluss der Förderung[16]
Einrichtungen und/oder Strukturen, die diese vorgenannten generellen Voraussetzungen nicht erfüllen, werden von
den Krankenkassen und ihren Verbänden nicht gefördert. Eine Förderung nach § 20c SGB V kommt weiter nicht in
Betracht für:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Wohlfahrtsverbände,
Sozialverbände,
Verbraucherverbände/-organisationen/-einrichtungen,
Patientenberatungsstellen (auch internetbasierte),
Berufs-/Fachverbände bzw. Fachgesellschaften,
Kuratorien, Stiftungen, Fördervereine, Netzwerke,
(Unter-)Arbeitsgruppen oder Arbeitskreise von Selbsthilfegruppen und/oder -organisationen,
stationäre oder ambulante Hospizdienste,
Bundes- bzw. Landesarbeitsgemeinschaften für Gesundheit/Gesundheitsförderung bzw. Landeszentralen für
Gesundheit/Gesundheitsförderung, Landes- bzw. regionale Gesundheitskonferenzen,
Krankheitsspezifische Beratungseinrichtungen oder Kontaktstellen wie beispielsweise Sucht-,
Krebsberatungsstellen,
ausschließlich im Internet agierende Initiativen,
Kooperationsberatungsstellen für Selbsthilfegruppen und Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen (KOSA),
alle Aktivitäten von Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, deren Ausrichtung nicht auf
gesundheitsbezogene Aktivitäten und Maßnahmen im Sinne des § 20c SGB V abzielen (z. B. soziale Belange und
Aktivitäten auch bezogen auf bestimmte Personenkreise wie z. B. Alleinerziehende oder Senioren sowie Bürger-,
Stadtteil-, Verkehrs- und Umweltinitiativen),
Freizeitaktivitäten wie z. B. Ausflüge, Urlaubsreisen, Kino-, Konzert- und Theaterbesuche,
Studien, die ausschließlich der Erforschung von Krankheiten und ihren Ursachen dienen (Grundlagenforschung).
Von der Förderung ebenfalls ausgeschlossen sind Angebote, die zu den Leistungen der GKV nach anderen
Rechtsgrundlagen gehören, z. B.
• Patientenschulungsmaßnahmen, Funktionstraining und Rehabilitationssport, Nachsorgemaßnahmen gemäß § 43 f.
SGB V,
• Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung (§ 30 SGB IX),
• Soziotherapie (§ 37a SGB V),
• Therapiegruppen gemäß § 27 ff. SGB V (z. B. Psychotherapie, Verhaltens-, Gesprächstherapie, Ergotherapie),
• Primärpräventive Maßnahmen/Präventionskurse (§ 20 SGB V).
Selbsthilfegruppen oder -organisationen, die vorrangig kommerzielle Ziele verfolgen oder zu kommerziellen
Zwecken gegründet wurden, sind ebenfalls von einer Förderung nach § 20c SGB V ausgeschlossen.
95
Selbsthilfegruppe
Förderverfahren[17]
Die Selbsthilfeförderung óôõö ÷ øùõ úûü ý þÿ ô øùù ÿõö þ zwei Förderstränge: die
kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung und die krankenkassenindividuelle Förderung. Danach
sind von den Krankenkassen und ihren Verbänden mindestens 50 % der insgesamt jährlich zur Verfügung stehenden
Fördermittel der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung bereitzustellen. Die übrigen maximalen 50 %
der Fördermittel verbleiben den einzelnen Krankenkassen für ihre krankenkassenindividuelle Förderung.
Die Bemessung der Förderhöhe erfolgt unter Berücksichtigung der insgesamt zur Verfügung stehenden Fördermittel,
der Anzahl der eingegangenen förderfähigen Förderanträge und dem nachvollziehbaren Förderbedarf der
Antragsteller.
Die Fördermittel der Krankenkassen und ihrer Verbände stellen generell einen Zuschuss für die Vorhaben der
gesundheitsbezogenen Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V dar. Eine Vollfinanzierung der Aktivitäten von
Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen ist ausgeschlossen.
Kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung[18]
Die Fördermittel der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung sind pauschale Zuschüsse, mit denen die
Krankenkassen und ihre Verbände neben anderen öffentlich rechtlichen Einrichtungen einen maßgeblichen Beitrag
zur Basisfinanzierung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe leisten.
Inhalte der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung
Die Pauschalförderung wird als finanzielle Unterstützung der originären selbsthilfebezogenen Aufgaben verstanden.
Diese pauschalen Mittel werden der Selbsthilfe als Zuschüsse zur Absicherung ihrer originären und vielfältigen
Selbsthilfearbeit und regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen zur Verfügung gestellt. Darunter fallen
insbesondere Aufwendungen für:
• Raumkosten, Miete,
• Büroausstattung und Sachkosten (z. B. PC, Drucker, Beamer, Büromöbel, Porto und Telefon, Gebühren für
Online-Dienste),
• Pflege des Internetauftritts/Homepage,
• Regelmäßig erscheinende Verbandsmedien (z. B. Mitgliederzeitschriften) einschließlich deren Verteilung,
• Schulungen oder Fortbildungen, die auf die Befähigung zur Organisations- und Verbandsarbeit sowie auf
administrative Tätigkeiten abzielen (z. B. kaufmännische Weiterbildungen, Weiterbildungen zum Vereinsrecht,
PC-Schulungen, Kommunikation), einschließlich Veranstaltungs-, Teilnahmegebühren, Fahrt- und
Übernachtungskosten,
• Tagungs-, Kongressbesuche von Gruppen- oder Organisationsmitglieder,
• Durchführung von satzungsrechtlich erforderlichen Gremiensitzungen einschließlich Veranstaltungs-,
Teilnahmegebühren, Fahrt- und Übernachtungskosten.
Für die vorgenannten originären Aufgaben und Aktivitäten der Selbsthilfe sind selbstverständlich Personal- und
Sachaufwendungen erforderlich, die durch die Pauschalförderung bestritten werden können. Anträge, die
ausschließlich auf Personalstellenförderung lauten, können nicht berücksichtigt werden. Förderfähig sind lediglich
die Aufgaben/Aktivitäten der Selbsthilfe.
Verfahren der Antragstellung bei der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung[19]
Die kassenartenübergreifende Gemeinschaftsförderung erfolgt für die Antragsteller auf allen Förderebenen
unbürokratisch
und
ohne
unnötigen
Verwaltungsaufwand.
Maßgeblich
ist
das
sogenannte
Ein-Ansprechpartner-Verfahren. Dieses sieht vor, dass bei der Beantragung pauschaler Fördermittel seitens des
Antragstellers nur noch ein Förderantrag an den jeweils federführenden Krankenkassenverband bzw. die
federführende Koordinierungsstelle auf der jeweiligen Förderebene einzureichen ist.
96
Selbsthilfegruppe
Förderanträge sind schriftlich anhand der von den Krankenkassen und ihren Verbänden bereitgestellten
Antragsvordrucke auf den jeweiligen Förderebenen zu stellen. Diese Vordrucke sollen mit den Vertretungen der
Selbsthilfe abgestimmt werden. Die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene stellen hierfür Musterformulare
zur Verfügung. Der Antrag ist vollständig auszufüllen und mit allen erforderlichen Unterlagen rechtzeitig
einzureichen. Die für das jeweilige Förderjahr vom Antragsteller benötigten Fördermittel sind nachvollziehbar und
realistisch darzustellen und zu beziffern. Förderanträge sind fristgerecht einzureichen. Die jeweiligen Fristen können
je nach Förderebene und Förderbereich variieren.
Antragsbearbeitung und Mittelvergabe bei der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung[20]
Bei der Antragstellung sind seitens der Selbsthilfe die jeweiligen Antragsfristen zu beachten. Die Krankenkassen und
ihre Verbände bearbeiten ihrerseits Anträge auf allen Förderebenen und für alle Förderbereiche zeitnah, um der
Selbsthilfe Planungssicherheit zu geben. Nach Ablauf der Antragsfrist und nach Vorliegen vollständiger
Antragsunterlagen soll das Förderverfahren durch die Krankenkassen/-verbände spätestens drei Monate nach Ende
der Antragsfrist abgeschlossen sein.
Die Krankenkassen und ihre Verbände beschließen auf den jeweiligen Förderebenen gemeinsam und nach Beratung
mit den maßgeblichen Vertretungen der Selbsthilfe über die Vergabe der Fördermittel aus der
kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung.
Der Antragsteller wird mit einer kurzen Begründung informiert, falls der Förderantrag nicht berücksichtigt oder
zurückgestellt wird.
Bemessung der Förderhöhe für Selbsthilfegruppen[21]
Bei der Bemessung der Förderhöhe für Selbsthilfegruppen wird eine orts-/regionalspezifische Vorgehensweise
empfohlen.
Transparenz über die verausgabten pauschalen Fördermittel[22]
Die an die örtlichen Selbsthilfegruppen gewährten pauschalen Fördermittel werden summarisch mit Angabe der
Anzahl der insgesamt geförderten Gruppen von den jeweiligen Vergabestellen veröffentlicht.
Um die Transparenz der pauschalen Fördermittel auch innerhalb der Selbsthilfe zu erhöhen, veröffentlichen die
Fördermittelempfänger auf den jeweiligen Ebenen die von den Krankenkassen oder ihren Verbänden erhaltenen
Zuwendungen auf geeignete Weise, z. B. im Internet.
Krankenkassenindividuelle Förderung
Inhalte der krankenkassenindividuellen Förderung[23]
Die Krankenkassen und/oder ihre Verbände unterstützen im Rahmen der krankenkassenindividuellen Förderung
besondere Vorhaben bzw. Aktivitäten der Selbsthilfe, die zielorientiert ausgerichtet und zeitlich klar begrenzt sind.
Sie können auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet sein. In Abgrenzung zur Gemeinschaftsförderung zeichnet sich
die krankenkassenindividuelle Förderung dadurch aus, dass sie solche Aktivitäten fördert, die über routinemäßige
Aufgaben hinausgehen.
Örtliche Ebene:
Auf der örtlichen Ebene können aus Mitteln der krankenkassenindividuellen Förderung beispielsweise folgende,
zeitlich abgrenzbare Aktivitäten finanziell unterstützt werden:
• Selbsthilfetage,
• Gruppenspezifische Informationsmaterialien,
• Fachworkshops oder Fachtagungen. Bei bundesweiter bzw. landesweiter Ausrichtung der Workshops oder
Tagungen sind die Kosten über den Bundesverband bzw. den Landesverband zu beantragen,
97
Selbsthilfegruppe
Vorträge.
Die inhaltliche Ausrichtung der krankenkassenindividuellen Förderung durch die einzelnen Krankenkassen und
Verbände kann variieren. Antragsteller können sich im Vorfeld einer Antragstellung bei den Krankenkassen oder
ihren Verbänden über eventuelle Förderschwerpunkte informieren.
Transparenz über die Höhe krankenkassenindividueller Fördermittel
Die Krankenkassen/-verbände sollten die Höhe der für das nächste Förderjahr für die jeweilige Förderebene zur
Verfügung stehenden krankenkassenindividuellen Fördermittel auf geeignete Weise transparent machen, z. B. über
das Internet.
Verfahren der Antragstellung bei der krankenkassenindividuellen Förderung[24]
Damit der Selbsthilfe eine gezielte Antragstellung möglich ist, informieren die Krankenkassen rechtzeitig vor
Beginn eines neuen Förderjahres über:
• geltende Antragsfristen, falls diese existieren,
• die ggf. zu verwendenden Antragsformulare.
Sofern Krankenkassen Förderschwerpunkte definieren, werden diese frühzeitig bekannt gemacht.
Anträge sind schriftlich anhand der von den Krankenkassen und ihren Verbänden bereitgestellten Antragsvordrucke
auf den jeweiligen Förderebenen zu stellen.
Anträge, die auf die direkte Ressourcenstärkung der Betroffenen oder ihrer Angehörigen abzielen, sollen zudem eine
Aussage treffen, inwiefern durch die Maßnahme/das Projekt die Autonomie der Betroffenen oder ihrer Angehörigen
gestärkt werden kann.
Hinsichtlich der Antragsfristen verfahren die Krankenkassen/-verbände in der Regel flexibel.
Antragsbearbeitung und Mittelvergabe bei der krankenkassenindividuellen Förderung[25]
Anträge für die Vergabe krankenkassenindividueller Mittel sollen nach Einreichung vollständiger Unterlagen zeitnah
bearbeitet werden. Die Entscheidung über die Förderung einschließlich der Bemessung der Förderhöhe fällt in die
Zuständigkeit der einzelnen Krankenkasse bzw. des Krankenkassenverbandes.
Der Antragsteller wird mit einer kurzen Begründung informiert, sofern sein Förderantrag nicht berücksichtigt wurde,
zurückgestellt oder an einen anderen Förderer abgegeben wird.
Nicht verausgabte Fördermittel eines Förderjahres[26]
Nicht verausgabte Fördermittel aus der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung und aus der
krankenkassenindividuellen Förderung fließen nach Vorliegen der amtlichen Ausgabenstatistik (KJ 1 – in der Regel
im Juli) im darauffolgenden Jahr der kassenartenübergreifenden Gemeinschaftsförderung zu. Näheres regeln die
Krankenkassen und ihre Verbände unter Berücksichtigung der in den Vorjahren gesammelten Erfahrungen und unter
Beteiligung der Vertretungen der maßgeblichen Spitzenorganisationen der Selbsthilfe.
Kritik
Ein Teil der Selbsthilfegruppen und Organisationen der Selbsthilfe pflegt heute die Zusammenarbeit mit
multinationalen Pharmaunternehmen, von denen finanzielle Unterstützung fließt. Betroffen sind insbesondere solche
Gruppen, bei denen die Zusammenarbeit für die Industrie finanzielle Vorteile und Einflussnahme verspricht. Da die
Bewerbung von verschreibungspflichtigen Medikamenten den Herstellern in Deutschland – wie auch in den meisten
anderen Ländern weltweit – bisher verboten ist, öffnet die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe den Weg direkt zu
den Konsumenten. Die Pharmakonzerne sprechen von Information, während neutrale Organisationen im
Verbraucherschutz Desinformation beklagen. Mittlerweile gibt es sowohl von Seiten der Selbsthilfe wie auch von
98
Selbsthilfegruppe
Arzneimittelunternehmen Leitsätze und Richtlinien, welche freiwillig und nicht verbindend sind [27], die diese
Kooperationen vor dem Hintergrund von Interessenkonflikten absichern sollen. Die Selbsthilfe ist über diesen Weg
des Sponsorings in die öffentliche Kritik geraten.[28][29][30]
Transparenz der Zuwendungen wird als erster Schritt zur Verbesserung der Problematik gesehen, um etwaigen
Vorwürfen der Korruption zu begegnen. Die Glaubwürdigkeit von Selbsthilfe kann trotzdem Schaden nehmen.
Einige Pharmakonzerne legen ihre Zahlungen an die Selbsthilfe heute offen. Beispielsweise hat der britische
Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) insgesamt rund 128.000 Euro im Jahr 2008 an deutsche
Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen gegeben. 54 Organisationen erhielten Zuwendungen zwischen
350 Euro und 20.000 Euro. Der Konzern veröffentlichte nach eigenen Angaben alle Spenden auf seiner Homepage.
Andere Spender, wie etwa die Deutsche Krebshilfe, verknüpfen ihre Unterstützung von Selbsthilfeorganisationen
mit der Verpflichtung, keine Gelder der Industrie anzunehmen.[31] Die Deutsche Krebshilfe selbst nimmt keine
Spenden der Pharmaindustrie an, um nach Angaben ihres Hauptgeschäftsführer Gerd Nettekoven im „Interesse der
Krebskranken ihre Unabhängigkeit im Kampf gegen die Krankheit zu bewahren“.
Literatur
• Bickel, Thomas; Vogelsanger, Vreni; Wächter, Matthias: Gesundheitsligen, Selbsthilfegruppen und weitere
soziale Organisationen in: Gesundheitswesen Schweiz 2007–2009. Verlag Hans Huber, Bern 2007. ISBN
978-3-456-84422-0
• Braun, Joachim; Kettler, Ulrich; Becker, Ingo: Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung in der Bundesrepublik
Deutschland. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bd. 136, Stuttgart
1997. ISBN 3-17-015152-5
• Borgetto, Bernhard: Selbsthilfe und Gesundheit. Analysen, Forschungsergebnisse und Perspektiven in der
Schweiz und in Deutschland. Verlag Hans Huber Hochgrefe AG Bern 2004
• Haller, F. & Gräser, H. (2012). Selbsthilfegruppen. Konzepte, Wirkungen und Entwicklungen. Weinheim:
Beltz/Juventa.
• Hundertmark-Mayser, Jutta; Möller-Bock, Bettina: Selbsthilfe im Gesundheitsbereich.
Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 23. Herausgegeben vom Robert-Koch-Institut am 1. August 2004
(PDF [32])
• Kohler, Martin; Ziese, Thomas. Telefonischer Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts zu chronischen
Krankheiten und ihren Bedingungen. Deskriptiver Ergebnisbericht. Robert-Koch-Institut, Berlin 2004 PDF [33]
• Matzat, J.´(2004). Wegweiser Selbsthilfegruppen. Eine Einführung für Laien und Fachleute. Gießen:
Psychosozial-Verlag.
• Mitleger-Lehner, Renate: Recht für Selbsthilfegruppen. Ag Spak, Neu-Ulm 2010.
• Moeller, Michael Lukas: Selbsthilfegruppen – Selbstbehandlung und Selbsterkenntnis in eigenverantwortlichen
Kleingruppen. Rowohlt Verlag, Reinbek b. Hamburg 1978.
• Moeller, M. L. (2007/1981). Anders helfen. Selbsthilfegruppen und Fachleute arbeiten zusammen. Gießen:
Psychosozial-Verlag.
• Moos-Hofius, Birgit; Rapp, Ilse: Selbsthilfegruppen – ein Leitfaden für die Praxis. Herausgegeben von
Ministerium für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg. 3. aktualisierte Auflage Oktober 2007. (PDF [34])
• Praschniker, Hans: „Soziodemographischer Hintergrund, Alkoholismuskarriere, Abstinenzdauer, Selbstbild und
Persönlichkeit von Genesenden Alkoholikern – eine Erkundungsstudie an Anonymen Alkoholikern in
Österreich“; Dissertation Uni Graz 1984. Praschniker Abstracts [35]
• Trojan, Alf (Hrsg.): Wissen ist Macht. Eigenständig durch Selbsthilfe in Gruppen. Fischer Taschenbuchverlag,
Frankfurt/M. 1986
99
Selbsthilfegruppe
100
Weblinks
Suchlisten und Kontaktstellen in Deutschland
[36]
•
•
•
•
•
•
D
NAKOS [37] – Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von
Selbsthilfegruppen
schon-mal-an-selbsthilfegruppen-gedacht.de [38] – Selbsthilfe für junge Erwachsene
Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Bundesverband e. V. [39]
Sucht und Selbsthilfe e. V. [40]
BAG SELBSTHILFE e.V. [41]
OSD Osteoporose Selbsthilfegruppen Dachverband e.V. [42]
Netzwerk-Osteoporose - Organisation für Patientenkompetenz e.V. [43]
Suchlisten und Kontaktstellen in der Schweiz
• Selbsthilfe Schweiz [44] – Förderung und Koordination von Selbsthilfegruppen
Selbsthilfeförderung
• gleichnamiger Abschnitt [45] im AspergerWiki [46]
Einzelnachweise
[1] Braun, Joachim; Kettler, Ulrich; Becker, Ingo (1997): Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart:
Kohlhammer. Seite 7. ISBN 3-17-015152-5
[2] Robert-Koch-Institut Telefonischer Gesundheitssurvey des Robert-Koch-Instituts zu chronischen Krankheiten und ihren Bedingungen. (http:/
/ www. rki. de/ DE/ Content/ Gesundheitsmonitoring/ Gesundheitsberichterstattung/ GBEDownloadsB/ gstel03. html)
[3] Trojan, Alf; Nickel, Stefan; Amhof, Robert; Böcken, Jan (2006): Soziale Einflussfaktoren der Teilnahme an Selbsthilfezusammenschlüssen.
Ergebnisse ausgewählter Fragen des Gesundheitsmonitors. In: Gesundheitswesen 68, Seiten 364–375
[4] Mitleger-Lehner, Renate: Recht für Selbsthilfegruppen. 1. Aufl. Ag Spak, 2010. S. 24ff.
[5] http:/ / www. gesetze-im-internet. de/ sgb_5/ __20c. html
[6] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009 (PDF, 833 KB) (https:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ upload/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf)
[7] http:/ / www. nakos. de/ site/ adressen/ rot/
[8] Magazin der Deutschen Krebshilfe 1/2013, Bonn, April 2013
[9] Internet: www.hksh-bonn.de
[10] Virtuelle Selbsthilfegruppen (http:/ / www. parkinsonline. info/ )
[11] https:/ / www. selbsthilfe-interaktiv. de/ content/ ueber-uns
[12] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 13 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[13] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 16 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[14] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 17 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[15] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 18 (https:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ upload/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf)
[16] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 19/20 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
Selbsthilfegruppe
[17] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 22 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[18] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 23 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[19] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 25 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[20] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 25/26 (https:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ upload/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf)
[21] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 26 (https:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ upload/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf)
[22] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 27 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[23] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 28 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[24] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 29/30 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[25] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 30 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[26] Leitfaden zur Selbsthilfeförderung --- Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 20c SGB V vom 10.
März 2000 in der Fassung vom 6. Oktober 2009, Seite 31 (http:/ / www. gkv-spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/ publikationen/
Leitfaden_Selbsthilfefoerderung_9515. pdf) (PDF; 852 kB)
[27] taz (http:/ / www. taz. de/ 1/ zukunft/ wissen/ artikel/ 1/ ein-kodex-fuer-pharmafirmen/ ) Ein Kodex für Pharmafirmen von Klaus Peter
Görlitzer
[28] Keller, Martina: Geben und einnehmen. (http:/ / www. zeit. de/ 2005/ 21/ Pharmafirmen_neu) Die Zeit Nr. 21/2005, 19. Mai 2005
[29] Schubert, Kirsten; Glaeske, Gerd: Einfluss des pharmazeutisch-industriellen Komplexes auf die Selbsthilfe. Universität Bremen – Zentrum
für Sozialpolitik, November 2006. ( PDF, 210 Kb (http:/ / www. vdek. com/ vertragspartner/ Selbsthilfe/
selbsthilfe_werkstattbericht_01_2007. pdf))
[30] Merten, Martina; Rabbata, Samir: Selbsthilfe und Pharmaindustrie: Nicht mit und nicht ohne einander (http:/ / www. deutsches-aerzteblatt.
de/ v4/ archiv/ artikel. asp?src=suche& id=57598). Deutsches Ärzteblatt 104, Ausgabe 46 vom 16. November 2007, Seite A-3157 / B-2776 /
C-2678
[31] Berliner Zeitung vom 4. Juli 2009 (Seite 15) und epd-Meldung
[32] http:/ / www. rki. de/ DE/ Content/ Gesundheitsmonitoring/ Gesundheitsberichterstattung/ Themenhefte/ selbsthilfe_inhalt.
html?nn=2543868
[33] http:/ / www. rki. de/ DE/ Content/ Gesundheitsmonitoring/ Gesundheitsberichterstattung/ GBEDownloadsB/ gstel03. html
[34] http:/ / www. sm. baden-wuerttemberg. de/ fm7/ 1442/ Leitfaden_Selbsthilfe_2007_Internet. pdf
[35] http:/ / praschniker. twoday. net/ stories/ 4119088/
[36] http:/ / www. dag-selbsthilfegruppen. de/ site/
[37] http:/ / www. nakos. de/
[38] http:/ / www. schon-mal-an-selbsthilfegruppen-gedacht. de/
[39] http:/ / www. freundeskreise-sucht. de/
[40] http:/ / www. suchtundselbsthilfe. de/
[41] http:/ / www. bag-selbsthilfe. de/
[42] http:/ / www. osd-ev. org/
[43] http:/ / www. netzwerk-osteoporose. de/
[44] http:/ / www. selbsthilfeschweiz. ch/
[45] http:/ / wiki. aspergia-verein. de/ index. php?title=Selbsthilfe#Selbsthilfef. C3. B6rderung_2
[46] http:/ / www. aspergerwiki. de/
101
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
102
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Trägerschaft Stiftung »Zentralinstitut für Seelische Gesundheit« (Landesstiftung öffentlichen Rechts)
Ort
Mannheim-Innenstadt
Koordinaten 49° 29′ 32,2″ N, 8° 27′ 55,8″ O [1]Koordinaten: 49° 29′ 32,2″ N, 8° 27′ 55,8″ O [1]
Direktor
Andreas Meyer-Lindenberg
Betten
307 (inkl. 52 teilstationäre Plätze)(2009)
Mitarbeiter
1.036 (Stand Mai 2013)
Fachgebiete
4
Gründung
8. April 1975
Website
www.zi-mannheim.de
[2]
[3]
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) ist eine
psychiatrische Krankenhauseinrichtung und Forschungsinstitut in
Mannheim. Es wurde am 8. April 1975 als Landesstiftung des
öffentlichen Rechts mit Mitteln des Bundes, des Landes
Baden-Württemberg und der Stiftung Volkswagenwerk errichtet, um
Krankenversorgung, Forschung und Lehre im Bereich psychischer
Störungen zu verknüpfen. Seine vier Kliniken mit 307 Betten
(inklusive 52 tagesklinischen Plätzen) gewährleisten die psychiatrische
Versorgung der Mannheimer Bevölkerung. Etwa 3.000 Patienten
werden im Jahr stationär und ca. 700 teilstationär versorgt (Stand
2012). Gleichzeitig ist das ZI ein international anerkanntes Zentrum
moderner Psychiatrieforschung in Kooperation mit nationalen und
internationalen Einrichtungen, u. a. ist es seit 1979
WHO-Collaborating Centre.[4]
Lageplan des ZI mit seinen Außenstellen in der
Mannheimer Innenstadt
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Überblick
Das Konzept des Zentralinstituts für Seelische
Gesundheit
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) wurde unter Heinz
Häfner (Direktor von 1975 bis 1994) mit dem Fokus auf sozialer und
epidemiologischer Psychiatrie gegründet. Fritz Henn (Direktor von
Seitenansicht des ZI-Therapiegebäudes mit dem
1994 bis 2006) entwickelte das ZI dann zu einer hochmodernen
Garten der Kinder- und Jugendpsychiatrie
translationalen, der biologischen Psychiatrie gewidmeten Einrichtung
weiter. Diese Ausrichtung wurde vom gegenwärtigen Direktor Andreas
Meyer-Lindenberg (seit 2007) beibehalten. Ein neuer Akzent liegt auf genetisch-translationalen Herangehensweisen,
mit dem Ziel der Entwicklung und Evaluation neuer therapeutischer Ansätze.
Krankenversorgung und Behandlung
Zu den Aufgaben des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit gehört die stationäre, teilstationäre und ambulante
Versorgung psychisch kranker Menschen aller Altersstufen in den vier Kliniken des Hauses, die in ihrem jeweiligen
Fachgebiet eine fortschrittliche, auf dem internationalen Wissensstand basierende Behandlung anbieten.
• Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie: Die Klinik bietet ein differenziertes Therapieangebot, das sich an
Beschwerdebild, Alter und Alltagsmöglichkeiten der Patienten orientiert. Es werden alle notwendigen
diagnostischen Verfahren angeboten, um gezielte Diagnostik hinsichtlich psychiatrischer und internistischer
Krankheitsbilder zu gewährleisten. Großen Wert wird auf Krankheitsaufklärung, Übung sozialer Fertigkeiten und
rehabilitative Maßnahmen, die auf die Wiedereingliederung in den Alltag abzielen, gelegt. In drei
allgemein-psychiatrischen Stationen und zwei beschützten Stationen sowie einer interdisziplinären
internistisch-psychiatrischen Station stehen 88 Betten zur Verfügung. In der Gerontopsychiatrie mit 44 Betten
wird das gesamte Spektrum psychischer Erkrankungen im Alter behandelt; angegliedert ist eine Altentagesklinik
mit 12 Plätzen. Eine teilstationäre Behandlung erfolgt in der Tagesklinik (im Quadrat L 10,1), die über 20 Plätze
verfügt. Zur Diagnostik und Therapie spezifischer Probleme bietet die Psychiatrisch-Psychotherapeutische
Ambulanz mit Spezialambulanzen gesonderte Sprechstunden an. Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie ist Andreas Meyer-Lindenberg.
• Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin: In der Klinik werden PatientInnen mit
Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit (Cannabis, Amphetamine, Kokain, Heroin, etc.),
Medikamentenabhängigkeit (Benzodiazepine, opiathaltige Schmerzmittel, etc.) und Spielsucht behandelt. Die
Klinik verfügt über 24 Betten auf zwei Stationen, eine Tagesklinik mit 20 Plätzen, eine Substitutionsambulanz
(Methadonambulanz) in K 3, 11-14 sowie eine allgemeine Suchtambulanz für Suchterkrankungen. Auf den
Stationen und in der Suchttagesklinik wird ein qualifiziertes Entzugsprogramm durchgeführt. Die Behandlung
besteht meist aus einer Kombination von psychotherapeutischen Maßnahmen und Medikamenten, ggf. ergänzt
durch sozialarbeiterische Beratung und Ergotherapie. Zusätzlich bestehende psychiatrische Erkrankungen (z. B.
Depression) können kompetent mitbehandelt werden. Ärztlicher Direktor der Klinik für Abhängiges Verhalten
und Suchtmedizin ist Karl Mann.
• Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin: Der stationäre Bereich der Klinik verfügt über
36 Betten auf drei Stationen. Hier werden störungsspezifische, evidenzbasierte Behandlungsprogramme für
Menschen mit den Krankheitsbildern Borderline-Persönlichkeitsstörungen u. a. Persönlichkeitsstörungen, akute
sowie chronische Posttraumatische Belastungsstörungen und andere psychosomatische Erkrankungen wie
Affektive Störungen, Angsterkrankungen und Somatoforme Störungen behandelt. Als psychotherapeutische
103
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Verfahren kommen, in Abhängigkeit von der Diagnose, die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) sowie die
Kognitiv-Behaviorale Therapie (KBT) bzw. Kombinationen aus beiden Verfahren zum Einsatz. Die
Behandlungen erfolgen im multimodalen Ansatz. Einzeltherapien werden dabei mit spezifischen
Indikationsgruppen (z. B. Skills- und Achtsamkeitsgruppen, Musik-, Gestaltungs-, Bewegungs- und
Körpertherapien, Entspannungsverfahren) kombiniert. Zum ganzheitlichen Konzept der Klinik gehört auch die
ärztliche Behandlung somatischer Erkrankungen. Zudem wird bei Bedarf eine differenzierte, auf die
Psychotherapie abgestimmte psychopharmakologische Behandlung durchgeführt. In der Ambulanz wird neben
der Diagnostik und Differenzialdiagnostik psychischer Störungen sowie psychischer Folgen somatischer
Erkrankungen die Indikation für eine ambulante oder stationäre Behandlung durchgeführt. Ärztlicher Direktor der
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin ist Martin Bohus.
• Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters: Die Klinik bietet für das
Einzugsgebiet Mannheim und nördlicher Rhein-Neckar-Kreis mit 53 Betten die ambulante und stationäre
Versorgung kinder- und jugendpsychiatrischer Patienten an. Für seltene und schwer zu behandelnde Störungen
besteht auch eine überregionale Versorgungsmöglichkeit. Behandlung und Diagnostik betreffen das gesamte
Spektrum kinder- und jugendpsychiatrischer Krankheitsbilder. Die therapeutische Konzeption der Klinik
orientiert sich in erster Linie an verhaltenstherapeutischen und systemisch-familientherapeutischen Prinzipien –
daneben kommen heilpädagogische, physiotherapeutische und ergotherapeutische Angebote zum Einsatz.
Zusätzlich werden speziell auf einzelne Krankheitsbilder ausgerichtete therapeutische Maßnahmen und
Therapiegruppen angeboten. Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und
Jugendalters ist Tobias Banaschewski.
Aufgaben und Ziele
Die Aufgaben und Ziele der Stiftung sind in ihrer Satzung definiert und beinhalten die Forschung, Behandlung und
Rehabilitation, Fortbildung und Förderung sowie die Beratung von Institutionen:
Forschung
Ein wichtiges Tätigkeitsfeld des ZI ist die Forschung in der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, der
Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie, der Suchtmedizin, der Neuropsychologie und der Klinischen
Psychologie, der Neurowissenschaften, der Epidemiologie und der Versorgungsforschung.
Die Forschungsaktivitäten des Instituts erstrecken sich gegenwärtig auf folgende Schwerpunkte:
• Entwicklung von Indikatoren und Risikomodellen für Entstehung und Verlauf psychischer Störungen, vorrangig
in den Bereichen Schizophrenie, Depression und Demenz
• Einsatz der Methoden der Bildgebung (Kernspintomographie) im gesamten Spektrum psychiatrischer
Erkrankungen
• Suchtforschung zu Fragen der Entstehung, Aufrechterhaltung und Therapie von Suchterkrankungen. Ein weiterer
Schwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit mit der Verhaltenspharmakologie auf der Suche nach besseren
pharmakologischen und psychotherapeutischen Möglichkeiten zur Beeinflussung des Verhaltens von
Alkoholabhängigen und von Rauchern
• Neuropsychologie mit den Schwerpunkten psychophysiologischer Untersuchungen zur kortikalen Plastizität,
Schmerzforschung und die Bedeutung von Lernprozessen für die Entwicklung psychischer Störungen
• Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie
• Psychogeriatrie, insbesondere Epidemiologie der Ursachen- und Therapieforschung bei Demenzerkrankungen
• Biologisch-psychiatrische Forschung, insbesondere Psychopharmakologie, Biochemie, Zellbiologie und
Molekularbiologie
• Klinische Forschung
• Klinisch-psychologische (experimentelle und Verhaltens-)Forschung
104
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
• Versorgungsforschung mit dem Schwerpunkt der Gesundheitssystemforschung im Bereich der Versorgung
psychisch Kranker
• Biostatistik
Die Grundfinanzierung der Forschung am ZI erfolgt über den Landeszuschuss des Ministeriums für Wissenschaft,
Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg. Zusätzlich zum Zuschuss des Landes werden Drittmittel als
Forschungsgelder projektbezogen bei externen Geldgebern wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem
Bundesforschungsministerium oder der Europäischen Union eingeworben. Diese Zuschüsse unterliegen einem
Begutachtungsverfahren, um die Vergabe der Mittel an qualitativ hochwertige Projekte sicherzustellen. Die
Drittmitteleinnahmen stiegen von 1,8 Mio € im Jahr 2000 auf 11,6 Mio € im Jahr 2012. Damit übersteigen die
Drittmitteleinnahmen erstmals in der Geschichte des ZI knapp die Höhe des Landeszuschusses.
Vorbeugung, Behandlung und Rehabilitation seelischer Erkrankungen
Das Institut hat in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Mannheim (Dezernat III) und den freigemeinnützigen
Trägern (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Gemeindediakonie, Sozialdienst katholischer Frauen, Mannheimer Gesellschaft
für Seelische Gesundheit e. V.) am Aufbau eines umfassenden Systems gemeindenaher psychiatrischer Versorgung
in der Stadt Mannheim (etwa 300.000 Einwohner) planend und koordinierend mitgewirkt. Die stationäre und
ambulante Versorgung durch die vier Kliniken wird von den zentralen diagnostischen Einrichtungen der Abteilung
Klinische Psychologie und einen 24-stündigen Notfalldienst ergänzt. Im Bereich der Gemeindepsychiatrie werden
der Betrieb und Ausbau gemeindenaher Dienste durch die Tagesklinik und die Altentagesklinik des Instituts
unterstützt. Die Abteilung Gemeindepsychiatrie wirkt bei der Planung neuer ambulanter Einrichtungen mit und
übernimmt selbst den Aufbau von Wohngemeinschaften und Patientenclubs, um sie nach erfolgter Stabilisierung in
die Trägerschaft gemeinnütziger Organisationen zu übergeben. Darüber hinaus berät sie kontinuierlich die
bestehenden gemeindenahen psychiatrischen Einrichtungen der Stadt Mannheim.
Ausbildung von Studierenden
Das ZI nimmt an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg die Aufgaben der
Universitätskliniken seiner Fachgebiete wahr. Es vertritt Lehre und Forschung in den Fächern Psychiatrie,
Suchtforschung, Psychosomatische Medizin sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die vier Klinikdirektoren sind
zugleich Lehrstuhlinhaber ihres Fachs an der Universität Heidelberg. An der Fakultät für Philosophie, Psychologie
und Erziehungswissenschaft der Universität Mannheim werden die Fächer Klinische Psychologie und
Psychopathologie gelehrt. Das Fach Forensische Psychiatrie wird für die Studierenden der Juristischen Fakultät der
Universität Mannheim gelehrt.
Fortbildung und Förderung
Ein weiteres wichtiges Anliegen des ZI ist die Fortbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses;
Weiterbildung von Ärzten/Ärztinnen und Psychologen/Psychologinnen; Ausbildung und Weiterbildung zu
nichtärztlichen medizinischen Berufen und Sozialberufen. Das Institut bietet Weiterbildung für Ärzte in den Fächern
Psychiatrie, Psychotherapie und Klinische Psychologie. Das Institut ist ferner staatlich anerkannte
Weiterbildungsstätte zum Fachpfleger bzw. zur Fachschwester in Psychiatrie und gewährleistet eine praxisbezogene
Ausbildung für Sozialarbeiter, Altenpfleger, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten.
105
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
106
Beratung von Institutionen
Weiterhin wichtig ist die Beratung bei der Planung und der Vorbereitung von Einrichtungen und Diensten
öffentlichen Gesundheitspflege auf dem Gebiet der seelischen Gesundheit. National wie international berät
Institut Planer, Verantwortungsträger und Betreiber von Einrichtungen zur psychiatrischen Versorgung
Bevölkerung. Seit 1980 ist das Institut „Collaborating Centre for Research and Training in Mental Health“
Weltgesundheitsorganisation (WHO).
der
das
der
der
Forschungsverbünde
SFB 636: Lernen, Gedächtnis und Plastizität des Gehirns
Der seit 2004 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich 636: Lernen,
Gedächtnis und Plastizität des Gehirns: Implikationen für die Psychopathologie konzentriert sich in seinem
Forschungsprofil auf Lern- und Gedächtnismechanismen, die hieraus resultierenden plastischen Veränderungen des
Gehirns und deren Einfluss auf die Psychopathologie besonders bei Erkrankungen der Emotion und der Motivation,
z. B. Angststörungen, Sucht, Störungen der Affektivität und der Affektregulation. Der SFB 636 hat 17 Teilprojekte
in 4 verschiedenen Themenbereichen:
•
•
•
•
Themenbereich A – Molekulare und zelluläre Mechanismen von Lernen und Hirnplastizität
Themenbereich B – Verhaltensbiologische und physiologische Mechanismen von Lernen und Hirnplastizität
Themenbereich C – Experimentelle Psychopathologie
Themenbereich D – Interventionsbezogene Hirnplastizität.
In der ersten Antragsperiode lag der Forschungsschwerpunkt auf der Erfassung fehlangepasster Reaktionen und der
Erforschung der Rolle des hypothalamisch-hypophyseren-adrenergen Systems sowie glutamaterger Mechanismen.
Seit 2008 hat sich der Forschungsschwerpunkt um die Bereiche der Extinktionsprozesse und des appetenten Lernens
erweitert. Außerdem sollen die Erforschung glutamaterger Mechanismen weiter vertieft und verschiedene
verhaltenstherapeutische und pharmakologische Interventionsmöglichkeiten der Veränderung fehlangepasster
Reaktionsmuster und der Plastizität getestet werden. Dem SFB 636 gehören Forscher folgender Bereiche an: Zellund Molekularbiologie, Psychopharmakologie, Neuroimaging, Neurologie, Neurophysiologie, Experimentelle
Psychologie, Psychiatrie und Genetik. Das oberste Ziel der gemeinsamen Forschung ist vor der krankheitsbezogenen
die grundlagen- und mechanismusorientierte Analyse pathophysiologischer Prozesse und die Umsetzung der
gewonnenen Erkenntnisse für die Entwicklung neuer verhaltenstherapeutischer und pharmakologischer
Behandlungsansätze psychischer Erkrankungen. Als Neuerungen in der zweiten Antragsperiode sind zum einen das
neu eingerichtete Graduiertenprogramm zu nennen. Zum anderen sind zwei neue Zentralprojekte eingerichtet
worden, die ihren Fokus auf der Entwicklung neuer Methoden im fMRT sowie in der molekularen Genetik richten,
und die zur Durchführung von Untersuchungen in den übrigen Projekten unerlässlich sind (Themenbereich Z). Der
SFB 636 befindet sich in der dritten Förderperiode. Sprecherin ist Herta Flor.
Bernstein-Zentrum
Im Juni 2010 wurde bekannt gegeben, dass am ZI ein Bernstein-Zentrum (benannt nach dem Physiologen Julius
Bernstein) für Computational Neuroscience eingerichtet wird, das von Daniel Durstewitz koordiniert wird. Der vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung für fünf Jahre mit 9,6 Millionen Euro geförderte Forschungsverband
untersucht die neuronalen Grundlagen höherer kognitiver Funktionen und ihre Störung bei psychiatrischen
Erkrankungen wie Schizophrenie, Depression oder altersbedingten degenerativen Erscheinungen. Auf der Basis
experimenteller Daten sollen Computermodelle von neuronalen Netzwerken bestimmter Hirnregionen erstellt
werden. Diese computerbasierten Simulationen sollen auch dazu beitragen, die Wirkung bestimmter Medikamente
auf verschiedene Areale des Gehirns besser zu verstehen und möglicherweise vorhersagen zu können. Am Zentrum
beteiligt sind außerdem die zellphysiologischen und molekularbiologischen Forschungsabteilungen der beiden
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Heidelberger medizinischen Fakultäten sowie das Interdisziplinäre Zentrum für Neurowissenschaften (IZN)
das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) [6] der Universität Heidelberg.
107
[5]
und
KFO 256: Pathomechanismen der Emotionsdysregulation bei Borderline
Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschergruppe Pathomechanismen der
Emotionsdysregulation bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung erforscht die neurobiologischen und
psychologischen
Pathomechanismen
von
Störungen
der
Emotionsregulation
bei
der
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). In der Forschergruppe haben sich international ausgewiesene Experten auf
dem Gebiet der BPS im Jugend- und Erwachsenenbereich sowie der Emotionsregulationsforschung aus den zwei
medizinischen Fakultäten der Universität Heidelberg zusammengeschlossen, um damit Strukturen zu schaffen, die
einen multidisziplinären und translationalen Ansatz zur Erforschung und Therapie der BPS dauerhaft ermöglichen.
Ziel ist es, durch die Untersuchung sozial wirksamer Emotionen Erkenntnisse zu gewinnen, die über das
Störungsbild hinausgehen und somit zur Aufklärung neuraler Mechanismen sozialer Interaktion („social
neuroscience“) beitragen werden. Die KFO 256 befindet sich seit Januar 2012 in der ersten Förderperiode. Sprecher
ist Martin Bohus.
Geschichte
Erste Schritte zur Planung eines Modellinstituts
Bereits in den 1960er Jahren wurde mit der vorbereitenden Planung eines Modellinstituts für sozialpsychiatrische
Forschung und Therapie begonnen, das sich später zum Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) entwickeln
sollte. Der Psychiater Heinz Häfner stellte hierzu am 12. Dezember 1963 einen Antrag auf Errichtung einer
Abteilung für Sozialpsychiatrie und Rehabilitation an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg. Als
Häfner, gemeinsam mit den beiden Heidelberger Psychiatern Walter Ritter von Baeyer und Karl Peter Kisker, am 16.
Juli 1964 im Bonner Gesundheitsministerium der Bundesministerin Elisabeth Schwarzhaupt erstmals die Pläne für
eine Psychiatriereform in Deutschland vorstellte, kam auch der Vorschlag eines Modellinstituts zur Sprache, den
Häfner bereits seit den 1950er Jahren verfolgt hatte.
Die Institutsplanung nahm konkrete Formen an, als am 1. Juli 1965 der Verein zur Errichtung und Förderung eines
Modellinstituts für sozialpsychiatrische Therapie und Forschung in Heidelberg gegründet wurde. Im gleichen Jahr
genehmigte das Kultusministerium Baden-Württemberg die Errichtung der von Häfner im Jahr 1963 beantragten
Abteilung für Sozialpsychiatrie und Rehabilitation in Heidelberg. Ein Jahr später, im Jahr 1966, einigte man sich auf
den Standort Mannheim zur Errichtung des Instituts. Im gleichen Jahr gewährte die Stiftung Volkswagenwerk dem
Verein für die Planung des Instituts Mittel in Höhe von 120.000 DM; darüber hinaus beschloss der
Baden-Württembergische Landtag am 27. Oktober das Projekt zu fördern.
Um Anregungen für die weitere Bau- und Organisationsplanung des Instituts zu gewinnen und Beratungskontakte
aufzubauen, unternahmen Häfner und von Baeyer in den Jahren 1966 und 1967 mehrere Besichtigungsreisen nach
Großbritannien und Kanada sowie in die USA. Vom 10. bis 24. April 1967 besuchte zudem eine Kommission
bestehend aus Häfner, Mannheims Oberbürgermeister Hans Reschke, dem Mannheimer Bürgermeister für Sozialund Gesundheitswesen Hans Martini und einem Architektenteam das Psychiatric Department der Yale University
und das Yale Connecticut County Mental Health Center in New Haven. Die amerikanische Institution mit ihrer
Kombination aus anspruchsvoller Forschung und moderner Krankenversorgung in zentraler städtischer Lage diente
als Vorbild für das Mannheimer Institut.
Am 1. Juni 1967 legte Häfner dem Wissenschaftsrat einen neuen Entwurf für das zukünftige Institut im Namen des
Vereins vor. Am 9. April 1968 erfolgte der Antrag des Landes Baden-Württemberg auf Begutachtung der Pläne zur
Errichtung des Deutschen Instituts für Seelische Gesundheit.[7]
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Im Jahr 1968 wurde die Sozialpsychiatrische Klinik der Universität Heidelberg, die Vorläufereinrichtung des ZI,
dem Lehrstuhl für Psychiatrie am Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg zugeordnet. Im gleichen Jahr
konnte in Mannheim eine Ambulanz und ein psychiatrischer Konsultationsdienst im Universitätsklinikum eröffnet
werden. Ein Jahr später sprach der Wissenschaftsrat am 10. Mai 1969 in einer Stellungnahme eine „dringende
Empfehlung“ zur Errichtung des Modellinstituts aus. Noch im selben Jahr konnte die Finanzierung der
Institutsplanung sichergestellt werden, als am 7. November in der Kuratoriumssitzung der Stiftung Volkswagenwerk
einstimmig beschlossen wurde, einen Betrag in Höhe von 7,55 Millionen DM als „Starthilfe zur Vorbereitung und
Errichtung eines Modellinstituts für seelische Gesundheit“ zur Verfügung zu stellen. Der Bund übernahm schließlich
zwei Drittel der restlichen Baukosten (21 Millionen DM), das Land Baden-Württemberg übernahm das verbleibende
Drittel (10,5 Millionen DM).
Die Entstehung des Instituts in Mannheim
Im Jahr 1971 wurde der Verein zur Errichtung und Förderung eines Modellinstituts für sozialpsychiatrische
Therapie und Forschung von Heidelberg nach Mannheim verlegt. Gleichzeitig erfolgte eine Umbenennung in Verein
– Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Bereits zum 1. Januar des Jahres war dem Verein der Besitz für das
ZI-Baugrundstück in den Quadraten I 4 und I 5 von der Stadt Mannheim eingeräumt worden. Mit einem
Kabinettsbeschluss vom 8. Februar 1972 wurde dann die Finanzierung der laufenden Kosten des Instituts durch das
Land Baden-Württemberg sichergestellt. Nachdem das Kultusministerium am 30. März die Baufreigabe für das
Institut erteilt hatte, konnte noch im gleichen Jahr inmitten der Mannheimer Quadrate mit dem Bau des ZI begonnen
werden. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt bewilligte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dem ZI am 21.
Juni einen ersten Sonderforschungsbereich. Die Förderung des SFB 116 Psychiatrische Epidemiologie begann am 1.
Januar 1973 und lief bis Ende 1985.
Ab Anfang Januar 1974 zog Häfner mit der Sozialpsychiatrischen Klinik schließlich von Heidelberg nach Mannheim
um. In den Städtischen Krankenhausanstalten wurden hierfür zunächst psychiatrische Stationen eingerichtet, die
dann im September 1975 in den ZI-Neubau im Quadrat I 5 verlegt wurden.
Nach über zehnjähriger Vorbereitungszeit konnte letztendlich das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit als
Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet werden. Grundlage war der Beschluss der Landesregierung
Baden-Württemberg vom 8. April 1975. Die Satzung wurde am 23. Mai im Gesetzesblatt des Landes veröffentlicht
und trat am Folgetag in Kraft. Die Bauaufgabe für das ZI ging damit vom Verein auf die Stiftung über, zu deren
Beauftragten Hans Martini am 4. Juni ernannt worden war. Aufgrund des Verwaltungsratsbeschlusses vom 26. Juni
wurde Heinz Häfner zum Direktor des ZI bestellt. Am 25. September 1975 konnte schließlich die Psychiatrische
Klinik offiziell eröffnet werden. Ab dem Wintersemester 1975/76 wurde somit auch der Psychiatrieunterricht für
Medizinstudenten vollständig vom Klinikum in das ZI verlagert.
Im Januar und Februar 1976 eröffneten die Psychosomatische Klinik sowie die Klinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie. Für letztere wurde ab dem Schuljahr 1976/77 eine Klinikschule als Sonderschule in
Schulträgerschaft der Stadt errichtet. Mit einem Festakt am 17. September 1976 wurde das ZI schließlich offiziell
eingeweiht. Die weitere schrittweise Inbetriebnahme des Instituts konnte am 1. April 1977 abgeschlossen werden.
108
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Die weitere Entwicklung des ZI
Im Jahr 1980 wurde das ZI von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum WHO-Collaborating Centre for
Training and Research ernannt. Entsprechend seiner zunehmenden Bedeutung als Forschungsinstitution wurde dem
ZI zum 1. Januar 1987 ein zweiter Sonderforschungsbereich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt.
Der SFB 258 Indikatoren und Risikomodelle für Entstehung und Verlauf psychiatrischer Störungen wurde bis Ende
1998 gefördert.
Fritz Henn wurde am 1. Oktober 1994 vom Verwaltungsrat des ZI zum Nachfolger des ersten Direktors Heinz
Häfner bestellt. Als neuer Direktor des ZI übernahm Henn gleichzeitig den Lehrstuhl für das Fach Psychiatrie an der
Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und wurde damit Ärztlicher Direktor der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie am ZI. Ein Jahr später begann die zweite Bauphase des Instituts mit dem Bau des
Forschungs- und Verwaltungsgebäudes in Nordbereich des Quadrats I 4, das 1997 bezogen werden konnte.
Gegenwart und Ausblick
Das ZI erhielt 2004 einen dritten Sonderforschungsbereich, den SFB 636 Lernen, Gedächtnis und Plastizität des
Gehirns: Implikationen für die Psychopathologie. Im selben Jahr wurde das Laborgebäude als Neubau im
Nordbereich des Quadrats I 5 fertiggestellt.
Am 1. Juli 2005 trat die Stiftungssatzung in Kraft, die heute die Rechtsgrundlage der Landesstiftung Zentralinstitut
für Seelische Gesundheit bildet. Unter anderem wurde eine neue Leitungsstruktur für das ZI etabliert, in der ein aus
zwei Personen bestehender Vorstand die Stiftung gemeinschaftlich leiten und die laufenden Geschäfte führen sollte.
Ebenfalls in diesem Jahr konnte das Suchtzentrum mit Suchttagesklinik im Nordostbereich des Quadrats I 4 eröffnet
werden.
Im Jahr 2007 wurde Andreas Meyer-Lindenberg vom Aufsichtsrat der Stiftung zum neuen Direktor des ZI bestellt.
Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und fungiert als Vorstandsvorsitzender.
Katrin Erk fungiert als Kaufmännischer Vorstand des ZI.
Als Grundstein einer zukünftigen Zusammenarbeit in Bereichen wie Patientenversorgung, Wissenschaft und
Administration unterzeichneten das ZI und das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN) am 27. Januar 2011 einen
Kooperationsvertrag. Ein Jahr später wurde, auf Grundlage der Empfehlung des Wissenschaftsrates zur Förderung
von Forschungsbauten vom 25. Mai 2012, in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) am 29. Juni
entschieden, das Zentrum für Innovative Psychiatrie- und Psychotherapieforschung (ZIPP) als Erweiterung des ZI in
die Förderung aufzunehmen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren wird das ZI 30,7 Millionen Euro erhalten, die zur
Hälfte vom Bund und vom Land Baden-Württemberg getragen werden. Um in Zukunft die psychiatrische
Vollversorgung der Mannheimer Bevölkerung gewährleisten zu können, wird nun im Quadrat K3 eine strukturelle
Erweiterung des ZI geplant. Der Neubau wird ausreichend Raum für innovative Therapieangebote bieten, u. a.
entsteht ein sogenanntes Adoleszentenzentrum – ein spezielles Angebot für Jugendliche mit psychiatrischen
Erkrankungen – mit dem Ziel, durch frühzeitige Intervention chronische Verläufe zu reduzieren. Darüber hinaus
wird Platz geschaffen für zusätzliche stationäre Betten und tagesklinische Plätze, zudem sind weitere
Räumlichkeiten für Lehre und Forschung vorgesehen. Der Spatenstich für die Errichtung des Neubaus in K3 fand am
15. April 2013 statt.
109
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Literatur
• Heinz Häfner, Hans Martini: Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Gründungsgeschichte und Gegenwart.
Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62968-6.
• Heinz Häfner: The Mannheim Project. In: Mental health service evaluation, 1996, S. 82–95.
Weblinks
• Homepage des ZI [3]
• Forschungsmagazinartikel: Zentralinstitut für Seelische Gesundheit [8]
• Tätigkeitsbericht 2006–2008 [9]
Einzelnachweise
[1] http:/ / tools. wmflabs. org/ geohack/ geohack. php?pagename=Zentralinstitut_f%C3%BCr_Seelische_Gesundheit& language=de&
params=49. 492275_N_8. 465489_E_dim:500_region:DE-BW_type:landmark
[2] Tätigkeitsbericht 2006–2008 (http:/ / www. zi-mannheim. de/ fileadmin/ user_upload/ downloads/ institut/ informationsmaterial/
Taetigkeitsbericht_2006-2008_web. pdf/ )
[3] http:/ / www. zi-mannheim. de/
[4] Tätigkeitsbericht 2006–2008. Hg.v. Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Mannheim 2009. S. 88.
[5] http:/ / www. izn. uni-heidelberg. de/
[6]
[7]
[8]
[9]
http:/ / www. iwr. uni-heidelberg. de/
Siehe: Häfner, Martini: Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, 2011. S. 63ff und Kap. 7.3.
http:/ / www. uni-heidelberg. de/ uni/ presse/ toc/ fak16/ zi/
http:/ / www. zi-mannheim. de/ fileadmin/ user_upload/ downloads/ institut/ informationsmaterial/ Taetigkeitsbericht_2006-2008_web. pdf/
Normdaten (Körperschaft): GND: 4230996-7 (http://d-nb.info/gnd/4230996-7)
110
Naltrexon
111
Naltrexon
Strukturformel
Allgemeines
Freiname
Naltrexon
Andere Namen
IUPAC: (5R,9R,13S,14S)-17- Cyclopropylmethyl3,14-dihydroxy-4,5- epoxymorphinan-6-on
Latein: Naltrexonum
Summenformel
C20H23NO4 (Naltrexon)
C20H23NO4¬!" #$%"&'()*+¬,-'*./"*'0-1
CAS-Nummer
16590-41-3 (Naltrexon)
2334356756 #$%"&'()*+¬Hydrochlorid)
PubChem
5360515
ATC-Code
N07 BB04
DrugBank
DB00704
[1]
[2]
[3]
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse
Opioidantagonist, Antidot
Wirkmechanismus
Kompetitive Hemmung aller Opioidrezeptoren
Eigenschaften
Molare Masse
341,40 g¬mol−1
Schmelzpunkt
168–170 «! (Naltrexon)
[4]
274–643 «! #$%"&'()*+¬,-'*./"*'0-1
Löslichkeit
Wasser: 1,63 g·l−1 (25 °C)
Sicherheitshinweise
Naltrexon
112
Bitte die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
Achtung
H- und P-Sätze
H: 302
P: keine P-Sätze
EU-Gefahrstoffkennzeichnung
[5]
Xn
Gesundheitsschädlich
als Hydrochlorid
R- und S-Sätze
R: 22
S: 22 ‐ 36
Toxikologische Daten
551 mg·kg−1 (LD50, Maus, s.c.)
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei
Standardbedingungen.
Naltrexon ist ein verschreibungspflichtiger Arzneistoff und wie Naloxon ein reiner Opioidantagonist, der als
kompetitiver Antagonist an allen Opioidrezeptoren wirkt.
Anwendung
Opioidabhängigkeit
Naltrexon ist in Deutschland zur medikamentösen Unterstützung bei der psychotherapeutisch oder psychologisch
geführten Entwöhnungsbehandlung Opioid-Abhängiger nach einer erfolgten Opioid-Entgiftung zugelassen. Nach
systematischen Übersichtsarbeiten u.a. der Cochrane Collaboration ist allerdings die Datenlage für die
Erhaltungstherapie bei Opioid-Abhängigen bislang unzulänglich, während es Belege für eine Wirksamkeit bei der
Behandlung Alkoholabhängiger gibt.
Gelegentlicher Cannabiskonsum scheint bei opioidabhängigen Personen im Gegensatz zu keinem oder andauerndem
Konsum den Verbleib in einem Naltrexonprogramm zu begünstigen.[6]
Alkoholabhängigkeit
In den USA und zahlreichen europäischen Ländern ist Naltrexon bereits zur Alkoholrückfallprävention zugelassen.
Unter dem Handelsnamen Adepend® (50 mg) wurde in Deutschland die Zulassung zur Reduktion des
Rückfallrisikos, Unterstützung der Abstinenz und Minderung des Verlangens nach Alkohol (Craving) als Teil einer
umfassenden Therapie am 17. Mai 2010 an das Pharmaunternehmen Desitin erteilt. Die Markteinführung erfolgte
am 1. August 2010. Es ist damit das einzige Naltrexon-Präparat in Deutschland mit der Indikation
Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit.
Die Datenlage bei jüngeren Alkoholikern ist begrenzt.
Naltrexon
Andere
Off-Label wird Naltrexon mit Erfolg bei der Behandlung von selbstschädigendem Verhalten bei dissoziativen
Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen eingesetzt.[7] Auch bei selbstschädigendem Verhalten im
Rahmen von Autismus und mentalen Entwicklungsstörungen wurde ein Nutzen von Naltrexon gesehen.
Nebenwirkungen
Naltrexon kann ein akutes Entzugssyndrom auslösen, wenn der Behandelte vor Beginn der Therapie nicht
mindestens sieben Tage opiatfrei ist. Es wird deshalb empfohlen, vor Behandlungsbeginn durch eine Urinprobe oder
einen Test mit Naloxon die Opiatfreiheit zu überprüfen.
Als sehr häufige Nebenwirkungen sind Schlafstörungen, Angstzustände und gesteigerte Erregbarkeit beschrieben.
Auch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Kopfschmerzen treten sehr
häufig auf. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion geboten.
Bei gleichzeitiger Verwendung von Opiaten kann es zu einer Überdosierung und dadurch zu verstärkter, potentiell
tödlicher Atemdepression kommen.
Abhängigkeit bzw. Toleranzentwicklungen sind bei Naltrexonbehandlungen bisher nicht beobachtet worden.
Wechselwirkungen
Während der Einnahme von Naltrexon sollten keine opioidhaltigen Medikamente (wie Codein oder Loperamid)
eingenommen werden. In Notfallsituationen können Opioid-Analgetika nicht in der gleichen Weise wirksam sein,
die Dosis muss erhöht werden. Dies kann zu Komplikationen führen.
Pharmakologische Eigenschaften
150 mg Naltrexon pro Tag blockieren den Effekt von 25 mg Heroin für circa 72 Stunden. Die Halbwertszeit der
Opiatrezeptoren-Blockade liegt im Allgemeinen zwischen 72 und 108 Stunden. Bei einer Dosis von 50 mg pro Tag,
jeden zweiten Tag eingenommen, sind nach 48 Stunden immer noch 70–80 % der Opiatrezeptoren blockiert.
Low Dose Naltrexone (LDN)
Eine Pilotstudie zur Wirksamkeit bei multipler Sklerose mit 40 Teilnehmern aus dem Jahr 2008 von Gironi et al.
zeigte nach 6 Monaten eine signifikante Reduktion der Spastik, nur ein Patient zeigte eine fortschreitende
neurologische Degenerierung. Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass LDN für MS-Patienten sicher
in der Verwendung und gut verträglich ist.
Handelsnamen
Monopräparate: Adepend (D), Dependex (A), Ethylex (A), Naltrexin (A, CH), Nemexin (D, A), Revia (A) sowie
Generika (D, A)
113
Naltrexon
114
Weblinks
[8]
8 Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Naltrexon-Präparate
• Naltrexon [9]. In: Erowid. (englisch)
Einzelnachweise
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
http:/ / pubchem. ncbi. nlm. nih. gov/ summary/ summary. cgi?cid=5360515
http:/ / www. whocc. no/ atc_ddd_index/ ?code=N07BB04
http:/ / www. drugbank. ca/ drugs/ DB00704
The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1101–1102, ISBN 978-0-911910-00-1.
Seit 1. Dezember 2012 ist für Stoffe ausschließlich die GHS-Gefahrstoffkennzeichnung zulässig. Bis zum 1. Juni 2015 dürfen noch die
R-Sätze dieses Stoffes für die Einstufung von Gemischen herangezogen werden, anschließend ist die EU-Gefahrstoffkennzeichnung von rein
historischem Interesse.
Wilfrid Noel Raby, PhD, MD, Kenneth M. Carpenter, PhD, Jami Rothenberg, PhD, Adam C. Brooks, PhD, Huiping Jiang, PhD, Maria
Sullivan, MD, Adam Bisaga, MD, Sandra Comer, PhD, and Edward V. Nunes, MD: "Intermittent Marijuana Use Is Associated with Improved
Retention in Naltrexone Treatment for Opiate-Dependence" Am J Addict. 2009 Jul–Aug; 18(4): 301–308. ; .
Gottfried Fischer, Peter Riedesser (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie. Ernst Reinhardt Verlag, S. 246.
http:/ / compendium. ch/ search/ all/ Naltrexon/ de
http:/ / erowid. org/ pharms/ naltrexone/
Substanzungebundene Abhängigkeit
Klassifikation nach ICD-10
F50
Essstörungen
F63
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
F63.0 Pathologisches Spielen
F63.8 Sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
F63.9 Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2013)
[1]
Als substanzungebundene Abhängigkeit bezeichnen Psychologie und Psychotherapie jene Formen psychischer
Zwänge und Abhängigkeiten, die nicht an die Einnahme von Substanzen – wie Alkohol, Nikotin oder anderer
Drogen – gebunden sind. Sie ist durch wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet, die
nicht kontrolliert werden können und die meist die Interessen des betroffenen Patienten oder anderer Menschen
schädigen. Betroffene berichten von impulshaftem Verhalten. Die Abhängigkeit kann die Lebensführung
beherrschen und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen
führen.
Beispiele für substanzungebundene Abhängigkeiten sind:
• Pathologisches Spielen (Glücksspielsucht)
• Medienabhängigkeiten
• Computerspielabhängigkeit
• Internetabhängigkeit
• Fernsehabhängigkeit
• Handyabhängigkeit
• Arbeitszwang
• Beziehungssucht ist eine Form der Abhängigen Persönlichkeitsstörung, welche u.a. durch überstarke
Trennungsängste, klammerndes und unterwürfiges Verhalten, Angst verlassen zu werden gekennzeichnet wird.
Substanzungebundene Abhängigkeit
•
•
•
•
Kaufzwang
Messie-Syndrom
Hypersexualität
Exzessives Sporttreiben
Teilweise werden auch Essstörungen als substanzungebundene Abhängigkeit aufgefasst. Der Begriff “Abhängigkeit“
bezieht sich streng genommen nur auf die stoffgebundenen Abhängigkeiten, bisher gibt es keine offiziellen
Diagnosekriterien.[1] Die ICD-10 nennt unter der Kodierung F63.- „Abnorme Gewohnheit und Störung der
Impulskontrolle“ exzessive Verhaltensweisen, die Merkmale einer psychischen substanzungebundenen Abhängigkeit
aufweisen, und von Betroffenen willentlich nicht mehr vollständig kontrolliert werden können. Neben der Kodierung
F63.- besteht die Möglichkeit der Einordnung in weiter gefasst Diagnosen:
• Zwangsstörung bei innerem Drang, bestimmte Dinge zu denken und/oder zu tun oder
• Störung der Impulskontrolle für einen Verhaltensablauf ohne vernünftige Motivation mit Handlungen nicht
kontrolliert werden können und die meist die Interessen des Betroffenen oder anderer Menschen schädigen.
Physiologische Grundlagen
Laut Grüsser-Sinopoli leiden Betroffene unter psychischen Entzugserscheinungen, wenn sie an dem von ihnen
exzessiv ausgeübten bestimmten Verhalten gehindert werden. Das exzessive Verhalten stimuliere das limbische
System im Gehirn, wodurch Hormone wie Endorphine ausgeschüttet werden, was als angenehm erlebt wird. Die
Verhaltenssucht werde dazu benutzt, unangenehme Gefühle wie Ängste und Frustration sowie Stress zu verdrängen
und die Auseinandersetzung damit zu vermeiden (vgl. auch Eskapismus). Auch dadurch ähnele eine Verhaltenssucht
einer stoffgebundenen Abhängigkeit wie beispielsweise Alkoholismus.
Untersuchungen
Computersucht und Computerspielsucht
→ Hauptartikel: Computerspielsucht
Die Interdisziplinäre Suchtforschungsgruppe der Berliner Charité hat im November 2005 eine Untersuchung
angestellt, die die Parallelen der Computersucht und der Computerspielsucht zu stoffgebundenen Abhängigkeiten
wie die von Alkohol oder Cannabis darstellen sollte. Dabei wurden 15 Computersüchtigen Bilder verschiedener
alltäglicher Gegenstände, auch von Schnapsflaschen, einem Joint, Zigaretten, aber auch Szenen aus den
Untersuchten bekannten Computerspielen gezeigt. Mit Hilfe der Elektroenzephalografie, mit der man die elektrische
Aktivität des Gehirns aufzeichnen kann, wurde beobachtet, dass bei den Abhängigen eine erhöhte Gehirnaktivität bei
den Screenshots auftritt. Dieselbe Gehirnaktivität tritt beispielsweise bei Alkoholabhängigen beim Anblick der
Schnapsflasche auf. Die Wissenschaftler der Charité fassten so zusammen, dass sich bei Computersüchtigen ähnliche
Verhaltensmuster wie bei Alkohol- oder Cannabisabhängigen aufzeigten. [2]
Der Verein Aktiv gegen Mediensucht e.V. bietet ratsuchenden Mediensüchtigen und deren Angehörigen Hilfe an.[3]
115
Substanzungebundene Abhängigkeit
Fernsehabhängigkeit
Als Fernsehabhängigkeit bezeichnet man das zwanghafte Verlangen, Fernsehen zu schauen. Umgangssprachlich
weit verbreitet ist der Begriff Fernsehsucht. Fernsehabhängigkeit ist eine Medienabhängigkeit, wobei als
Alleinstellungsmerkmale der passive Konsum und der fehlende soziale Aspekt genannt werden müssen. Es
existieren derzeit keine allgemein akzeptierten Diagnosekriterien zur Feststellung der Abhängigkeit.
Merkmale einer Fernsehabhängigkeit können sein:
• Unruhe bis Unwohlsein, Aggressivität, Lustlosigkeit und Passivität, wenn kein Fernseher läuft oder es ruhig ist.
• Sofortiges, reflexartiges Einschalten des Fernsehers, sobald man nach Hause kommt.
• Fernsehschauen ohne vorherige Planung und Interesse an den Inhalten, damit einher geht oft stundenlanges
Zapping, also Durchschalten der Kanäle, ohne dass man etwas findet, was man sehen möchte und ohne dass man
den Fernseher ausschalten kann.
Stand der Forschung und Anerkennung als Sucht/Krankheit
Verhaltenssüchte wurden bisher weder in der ICD-10 noch im DSM-IV aufgenommen. Derzeit behilft man sich in
der Wissenschaft mit der Klassifikation als Störung der Impulskontrolle[4]. Diese Einordnung ist allerdings oftmals
nicht korrekt, da dadurch weder eine möglicherweise vorhandene Toleranzentwicklung noch eventuell entstehende
Entzugssymptome erfasst werden.
Die American Medical Association traf sich im Juni 2007, um dieses Thema zu diskutieren.[5] Exemplarisch für den
Bereich der Computerspiel-Sucht wurde als Ergebnis festgehalten, dass weitere Forschung notwendig sei, um
Computerspiel-Sucht (und damit auch andere Medienabhängigkeiten) als eine formale Diagnose zu betrachten. Die
American Psychiatric Association (APA) wurde aufgefordert zu untersuchen, ob die Diagnose für eine Aufnahme in
den DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) geeignet sei. Frühestens bei der nächsten
Revision des DSM im Jahr 2012 könnten damit Verhaltenssüchte in das Diagnosesystem einziehen.[6]
Einzelnachweise
[1] Bundesministerium für Gesundheit (Österreich): Verhaltenssucht (http:/ / bmg. gv. at/ home/ Schwerpunkte/ Drogen_Sucht/
Verhaltenssuechte/ )
[2] Forschungsergebnisse und Hirnaktivitätsmessungen der Berliner Charité (http:/ / www. isfb. org/ Forschungsergebnisse. html)
[3] Homepage des Vereins: www.aktiv-gegen-mediensucht.de (http:/ / www. aktiv-gegen-mediensucht. de/ )
[4] Study finds computer addiction is linked to impulse control disorder (http:/ / www. theaustralian. news. com. au/ story/
0,20867,20632039-27699,00. html) The Australian News, 24 Oktober 2006.
[5] AMA may identify excessive video game play as addiction, 25 Juni 2007. (http:/ / articles. latimes. com/ 2007/ jun/ 25/ business/ fi-games25)
[6] Noyes, Katherine. Docs Retreat From 'Video Game Addiction' Diagnosis (http:/ / www. technewsworld. com/ story/ 58014. html)
TechNewsWorld, 25 Juni 2007.
Literatur
• Batthyány, Dominik / Pritz, Alfred (Hrsg.): Rausch ohne Drogen: Substanzungebundene Süchte (Gebundene
Ausgabe). Springer, Wien NewYork 2009 ISBN 978-3-211-88569-7
• Grüsser, Sabine M. / Thalemann, Carolin N.: Verhaltenssucht. Diagnostik, Therapie, Forschung. Huber, Bern
2006 ISBN 3-456-84250-3
Weblinks
• FAZ-Artikel: Kaufen zwischen Lust und Krankheit (2006) (http://www.faz.net/s/
Rub268AB64801534CF288DF93BB89F2D797/
Doc~E9EA720624B8C4CD1B9B94B218FB06DFD~ATpl~Ecommon~Scontent.html)
116
Substanzungebundene Abhängigkeit
• Berliner Zeitung: Lotto kann süchtig machen (2004) (http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.
bin/dump.fcgi/2004/0702/lokales/0044/index.html)
• Wenn Fernsehen zur Droge wird. Von Mihaly Csikszentmihalyi und Robert Kubey in: Spektrum der
Wissenschaft, 5/2002 S. 70 (http://www.spektrum.de/artikel/828684)
• Paper zur Fernsehabhängigkeit von Robert Kubey, 1996 (http://www.mediastudies.rutgers.edu/depend.pdf)
(PDF; 188 KB)
• Fachverband Medienabhängigkeit e.V. (http://www.fv-medienabhaengigkeit.de/)
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4227475-8 (http://d-nb.info/gnd/4227475-8)
Abhängigkeit (Medizin)
Abhängigkeit (umgangssprachlich Sucht) bezeichnet in der Medizin das unabweisbare Verlangen nach einem
bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt
die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und die sozialen Chancen eines
Individuums.[1] In den Fachgebieten Psychologie und Psychiatrie werden verschiedene Formen von Abhängigkeit
beschrieben:
• Abhängigkeitssyndrom durch psychotrope Substanzen (substanzgebundene Abhängigkeit, stoffliche
Abhängigkeit),
• Schädlicher Gebrauch von körperlich nichtabhängigkeitserzeugenden Substanzen,
• Substanzungebundene Abhängigkeit (nichtstoffliche Abhängigkeit), sowie
• Co-Abhängigkeit, wenn Tun oder Unterlassen von Bezugspersonen die substanzgebundene Abhängigkeit einer
Person stärkt.
In zahlreichen offiziellen und inoffiziellen Einrichtungen wird der Begriff „Sucht“ allerdings weiterhin verwendet.[2]
Medizinisch und psychologischer Fachbegriff
Im offiziellen Sprachgebrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existierte der Begriff Sucht von 1957 bis
1963. Danach wurde er zunächst durch Missbrauch und Abhängigkeit ersetzt. Schließlich wurde nach 1969 das
Missbrauchskonzept zugunsten vier definierter Klassen des Gebrauchs verworfen[3]:
1.
2.
3.
4.
Unerlaubter Gebrauch ist ein von der Gesellschaft nicht tolerierter Gebrauch.
Gefährlicher Gebrauch ist ein Gebrauch mit wahrscheinlich schädlichen Folgen für den Konsumenten.
Dysfunktionaler Gebrauch liegt vor, wenn psychische oder soziale Anforderungen beeinträchtigt sind.
Schädlicher Gebrauch hat bereits schädliche Folgen (Zellschäden, psychische Störung) hervorgerufen.
Diese Bezeichnungen haben in das ICD-10 Eingang gefunden, allerdings findet sich im Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders-IV (DSM-IV) nach wie vor die Bezeichnung „Missbrauch“.
Der professionelle und wissenschaftliche Sprachgebrauch in den Bereichen Medizin, Psychiatrie, Psychologie und
Soziale Arbeit bevorzugt mittlerweile die Formulierungen des ICD-10 und spricht von Abhängigkeit und speziell
vom Abhängigkeitssyndrom für substanzgebundene Abhängigkeiten. Die Vermeidung des Terminus Sucht sollte die
Stigmatisierung Erkrankter vermeiden und deutlich machen, dass es sich bei Abhängigkeiten um Krankheiten
handelt. Die Begrenzung des Abhängigkeitssyndroms auf stoffliche Abhängigkeiten macht zudem auf Unterschiede
zu nichtstofflichen Abhängigkeiten aufmerksam; dieser Begriff ist damit differenzierter als Sucht, welche
unterschiedslos stoffliche und nichtstoffliche Abhängigkeiten umfasst.
In der American Psychiatric Association war die Ersetzung durch „Abhängigkeitssyndrom“ umstritten. Gegen die
Verwendung des Suchtbegriffs wurde die damit einhergehende Stigmatisierung jener Betroffenen vorgebracht, die
Medikamente, welche das Zentralnervensystem beeinflussen, einnehmen und damit nach der damals geltenden
117
Abhängigkeit (Medizin)
Definition als „süchtig“ galten. Der Begriff Sucht wurde von der American Psychiatric Association bis 1987 im
DSM-III[] für das Abhängigkeitssyndrom verwendet.
In der Gesellschaft ist der Begriff Sucht weiterhin weit verbreitet und wird auch durch die Medien noch sehr häufig
benutzt.
Suchtmedizin
Die Suchtmedizin ist ein Fachbereich der Psychiatrie. Sie befasst sich mit der Vorbeugung, Erkennung, Behandlung
und Rehabilitation von Krankheitsbildern im Zusammenhang mit dem schädlichen Gebrauch psychotroper
Substanzen und substanzungebundener Abhängigkeit.
Forschungsschwerpunkte der Suchtmedizin sind
• die Identifizierung neurobiologischer und psychosozialer Faktoren, die für die Entwicklung von
Abhängigkeitserkrankungen und für deren Bewältigung beeinflussen,
• die Suche nach Möglichkeiten, wie man Rückfällen vorbeugen kann (medikamentös und/oder
psychotherapeutisch)
• epidemiologische Fragestellungen zur Verbreitung und Häufigkeit von Abhängigkeiten.
Deutschland
Seit dem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom 18. Juni 1968[4] ist mit der Alkoholabhängigkeit erstmals ein
Abhängigkeitssyndrom als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt. Sie und andere
Kostenträger übernehmen seither die Kosten für die Behandlung von Begleiterkrankungen der Abhängigen sowie für
Leistungen zur Rehabilitation, Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit.
Der erste Lehrstuhl für Abhängigkeitserkrankungen in Deutschland wurde 1999 am Zentralinstitut für Seelische
Gesundheit in Mannheim eingerichtet.
Substanzverlangen
Substanzverlangen oder Craving (engl. Begierde, Verlangen) ist ein Fachbegriff aus der Suchtmedizin. Craving oder
constant craving umschreibt das kontinuierliche und nahezu unbezwingbare Verlangen eines Suchtkranken, sein
Suchtmittel (Alkohol, Tabak, sonstige Drogen) zu konsumieren. Craving ist das zentrale Moment des
Abhängigkeits- und Entzugssyndroms.
Auch die Gier nach fetten und süßen Speisen bei Fettleibigkeit wird als "Craving" bezeichnet.
Diskussion um die Bezeichnungen Sucht und Abhängigkeit
Kritik am Begriff der Abhängigkeit umfasst die sprachliche Gleichsetzung von medizinisch betreuten Patienten, mit
vorrangig körperlicher Abhängigkeit (z. B. Schmerzpatienten unter Morphiumbehandlung) und auch stark psychisch
Abhängigen, wie Heroinabhängigen oder Alkoholikern. Diese sei irreführend und hinderlich: Sie rufe bei
Schmerzpatienten Angst vor dem Vollbild der körperlichen und psychischen Abhängigkeit seien. Im Zuge der
Ausarbeitung der aktuellen Version des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM) von der
American Psychiatric Association wurde über die Wiederaufnahme des Suchtbegriffs nachgedacht.[5]
118
Abhängigkeit (Medizin)
Sucht in der Umgangssprache
In der Umgangssprache wird von dem Beobachter ein, seiner Meinung nach, krankhaftes, übermäßigen oder
zwanghaften Verhalten oder Gebrauch von Substanzen bezeichnet.[6] "Süchtig nach Ruhm", "Süchtig nach
Schokolade", oder ähnliche Redewendungen, haben nichts mit der Definition der Abhängigkeit im medizinischen
Sinne z.B. nach den Kriterien der WHO gemein und sind zu unterscheiden. Absetzerscheinungen bei Medikamenten,
werden ebenfalls häufig als "Sucht nach einem Medikament" eingeordnet, sind allerdings keine Abhängigkeiten im
Sinne der Suchtmedizin, da in der Regel wesentliche Kriterien, wie u.a. die psychische Abhängigkeit von der
Substanz nicht erfüllt sind.
Etymologie Sucht
Das Wort „Sucht“ (germ. suhti-, ahd. suht, suft, mhd. suht) geht auf „siechen“ (ahd. siuchan, mhd. siechen) zurück,
das Leiden an einer Krankheit. Im heutigen Sprachgebrauch ist das Adjektiv „siech“ (vergleiche auch engl. sick, ndl.
ziek) nur noch regional gebräuchlich.
Bereits 1888 definierte Meyers Konversationslexikon „Sucht“ als ein in der Medizin veraltetes Wort, das früher ganz
allgemein Krankheit bedeutete, z. B. in Schwindsucht, Wassersucht, Fettsucht, Fallsucht, Gelbsucht.
Diese historischen Krankheitsbezeichnungen beschrieben meist nur das auffälligste Symptom. Der Schwindsüchtige
„schwindet dahin“, im Wassersüchtigen sammelt sich Wasser, der Fettsüchtige ist zu fett, der Gelbsüchtige verfärbt
sich gelb, der Trunksüchtige trinkt zu viel. Durch Verwendungen wie Tobsucht und Mondsucht wurde Sucht auch als
krankhaftes Verlangen verstanden.[7] Daraus entstand im 20. Jahrhundert der moderne Suchtbegriff im Sinne von
Abhängigkeit. Anfänglich bezog er sich nur auf die Trunksucht (Alkoholkrankheit). Später wurden auch andere
Abhängigkeiten als Sucht bezeichnet.
Literatur
• Otto Benkert; Holsboer, Florian; Gerhard Gründer: Handbuch der Psychopharmakotherapie, 1., Springer, Berlin
2007, ISBN 978-3-540-20475-6, S. 1185, doi:10.1007/978-3-540-68748-1 [8].
• Michael Klein: Kinder und Suchtgefahren. Risiken - Prävention - Hilfen. Verlag Schattauer, 2007, ISBN
978-3-7945-2318-4.
• Rainer Thomasius, Michael Schulte-Markwort, Udo J. Küstner, Peter Riedesser: Suchtstörungen im Kindes- und
Jugendalter: Das Handbuch: Grundlagen und Praxis. Verlag Schattauer, 2008, ISBN 978-3-7945-2359-7.
• Christoph Möller: Drogenmissbrauch im Jugendalter. Ursachen und Auswirkungen. Vandenhoeck & Ruprecht; 3.
Auflage. 2009, ISBN 978-3-525-46228-7.
• Ambros Uchtenhagen & Walter Zieglgänsberger; Suchtmedizin, Urban & Fischer Verlag, ISBN 3-437-21780-1
• S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen [97] In AWMF online (Stand: 25.
Oktober 2012)
• Die Zeitschrift Sucht – Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis [9] der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen
erscheint sechs Mal im Jahr.
119
Abhängigkeit (Medizin)
Weblinks
•
•
•
•
Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V [10]
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. [11]
Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V. [12]
Einträge im NIH-Studienregister [13]
Einzelnachweise
[1] Lexikon online für Psychologie und Pädagogik: Sucht (http:/ / lexikon. stangl. eu/ 632/ sucht/ )
[2] Zum Beispiel die Abteilung „Drogen und Sucht des Bundesgesunheitsministeriums (http:/ / www. bmg. bund. de/ cln_117/ nn_1168720/ DE/
Drogen-und-Sucht/ drogen-und-sucht__node. html?__nnn=true), das „Projekt Suchtforschung“ des Bundesbildungsministeriums (http:/ /
www. gesundheitsforschung-bmbf. de/ de/ 137. php), die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (http:/ / www. dgsuchtmedizin. de) und die
Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie (http:/ / www. suchtpsychologie. de)
[3] Stieglitz (Hrsg.) et al: Kompendium. Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin. Basel, Karger, 2002.
[4] Aktenzeichen 3 RK 63/66 (http:/ / dejure. org/ dienste/ vernetzung/ rechtsprechung?Gericht=BSG& Datum=18. 06. 1968& Aktenzeichen=3
RK 63/ 66)
[5] O’Brien C, Volkow N, Li T: “What’s in a word? addiction versus dependence in DSM-V.” American Journal of Psychiatry 2006;
163:764–765 Volltext (http:/ / ajp. psychiatryonline. org/ cgi/ content/ full/ 163/ 5/
764?ijkey=cd6f229ede94a42d32704d6c5988d4229434beee& keytype2=tf_ipsecsha) mit zahlreichen Hinweisen auf offizielle Stellen, die den
Begriff Sucht verwenden.
[6] Duden: Sucht (http:/ / www. duden. de/ rechtschreibung/ Sucht)Duden: Begriffsdefinition "Sucht"
[7] Duden, Etymologie: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache
[8] http:/ / dx. doi. org/ 10. 1007%2F978-3-540-68748-1
[9] http:/ / www. dhs. de/ publikationen. html
[10] http:/ / www. dg-sucht. de
[11] http:/ / www. dhs. de
[12] http:/ / www. dgsuchtmedizin. de
[13] http:/ / www. clinicaltrials. gov/ ct2/ results?term=Craving+ and+ Withdrawal+
120
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
121
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
Ein Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (auch
„Massive“ statt Massively, abgekürzt MMORPG, übersetzt
Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel) ist ein ausschließlich über
das Internet spielbares Computer-Rollenspiel, bei dem gleichzeitig
mehrere tausend Spieler eine persistente virtuelle Welt bevölkern
können. Die eigentliche Spielwelt und die Avatar genannten
Spielfiguren der Spieler werden auf Servern verwaltet. Der Spieler
verbindet sich typischerweise über ein Clientprogramm mit dem
Server. Der Client enthält üblicherweise nur die Daten zur Darstellung
der Spielwelt (Grafik, Objekte, Musik, …), während die
Spielmechanik auf dem Server verwaltet und verarbeitet wird.
Daimonin (Beta 3), 2004
Inhalt und Technik
Inhaltlich ist ein MMORPG mit anderen Computer-Rollenspielen
vergleichbar, jedoch liegt der Schwerpunkt mehr bei der Interaktion
zwischen den Spielern und Spielergruppen (Gilden). Im Alleingang
oder in Gruppen kämpfen die Spieler dabei entweder gegen Gegner,
die vom Spiel gesteuert werden (PvE, „Player versus
Environment“/"Player versus Entity"), oder gegen andere Spieler (PvP,
„Player versus Player“). Eine Variante des PvP stellt das RvR („Realm
Stendhal (0.65.5, 2007), ein
versus Realm“ oder „Race versus Race“) dar, bei dem ganze Fraktionen
Open-Source-MMORPG
gegeneinander kämpfen. Schließlich können die Spieler auch in
Instanzen, also abgeschlossenen Dungeons (Höhlen) oder Gebieten gegen Gegner kämpfen und Aufgaben lösen. Wie
in Rollenspielen üblich, werden durch das Lösen von Aufgaben oder Missionen (Quests) oder das Töten von Mobs
(zumeist Monster und andere Kreaturen) Punkte gesammelt, mit denen man neue Fähigkeiten des Avatars
freischalten oder vorhandene verbessern kann.
Finanzierung und Kosten
Üblicherweise werden MMORPGs ständig von den Betreiberfirmen weiterentwickelt und können sich mit der Zeit
leicht, aber auch sehr stark, im Spieldesign verändern. Neue Inhalte (z. B. neue Kontinente der virtuellen Welt)
werden in der Regel über kostenpflichtige Erweiterungen hinzugefügt, die nur Käufer der Erweiterung betreten
können. Die Kosten für Wartung und Betrieb der Server sowie für neue Entwicklungen werden in der Regel an die
Kunden durch monatliche Gebühren weitergegeben. Diese variieren meistens nach Laufzeit des Abonnements und
nach Spieltitel zwischen 10 und 15 Euro im Monat. Daneben gibt es andere Geschäftsmodelle, bei denen z. B.
seltene Waffen oder Rüstungen kostenpflichtig sind.
Im Gegensatz zu Computerspielen für Einzelnutzer ("single user games") werden bei den meisten MMORPGs in der
Regel neben dem einfachen Kaufpreis zusätzlich monatliche Entgelte fällig. Die großen kommerziellen Anbieter
verlangen dabei monatlich zwischen 10 € und 22 €. Neben diesen Grundentgelten werden bei einzelnen Titeln auch
für das Spielen mehrerer Charaktere (wie bei Final Fantasy XI) oder die Nutzung von zusätzlichen Funktionen, wie
erweiterten Charakterbögen (so bei Everquest II), zusätzlich monatliche Entgelte berechnet. Während die Bezahlung
meist mit einer Kreditkarte oder per Lastschriftverfahren funktioniert, gibt es immer mehr Spiele, die Game Cards
– eine Art Prepaidkarte für MMORPGs – verkaufen oder andere unkonventionelle Bezahlmethoden anbieten.
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
Mit diesem Geld betreiben und warten die Anbieter die Serverfarmen, mit denen sich die Spieler verbinden,
erweitern den Spielinhalt in Form neuer Gegenstände, Charaktere, Quests und warten bestehenden Inhalt mit
regelmäßigen Software-Korrekturen. Weitere Kostenfaktoren für den Anbieter stellen der starke Datenverkehr
zwischen den Servern und den tausenden an Spielern dar sowie die Bereitstellung von fachlichem Service-Personal
in jeder virtuellen Welt.[1]
Die Erweiterungen, die meist jährlich erscheinen, sind eine sichere Geldquelle für die Spiele-Hersteller und
-Vertriebsfirmen, da sie in der Regel eine verbesserte Grafik, neue Spielelemente, eine Erweiterung der
Level-Obergrenze der Spielcharaktere und mächtigere Gegenstände zur Verbesserung der Eigenschaften bieten, auf
die die etablierten Spieler nicht verzichten wollen.
Bedingt kostenlose Spiele
Es gibt auch MMORPGs, die keine regelmäßigen Entgelte verlangen, wie z. B. Guild Wars. Guild Wars besitzt
verschiedene Arten von Erweiterungen: kostenlose Programm-Aktualisierungen, kostenpflichtige neue Kapitel
(autonom spielbar) wie Factions und Nightfall oder kostenpflichtige Zusatzmodule (nicht autonom spielbar) wie Eye
of the North.
Andere Spiele gestatten es den Spielern, ihre Figuren gegen Bezahlung aufzuwerten, etwa durch real bezahlte
Ausrüstung (Micro Transactions). Zu den ersten brauchbaren Spielen gehörten Gunbound (2D), KAL-Online, Knight
Online, MapleStory (2D), Fly for Fun und Project Entropia (MMORPG/MMOFPS).
Geschichte
Die Anfänge
MMORPGs entstanden Anfang der 1990er Jahre aus den Multi User Dungeons (MUDs). Als eines der ersten
grafischen MMORPGs kann Neverwinter Nights bezeichnet werden, welches 1991 erschien. Es bot dem Spieler die
Vorteile eines Einzelspielertitels (akzeptable Grafik, einfache und intuitive Bedienung) zusammen mit der bisher nur
von MUDs bekannten Interaktion mit anderen Spielern. Die damaligen Grenzen für gleichzeitig anwesende Spieler
in einer Spielwelt waren viel enger als heute. So startete man mit ca. 50 Spielern gleichzeitig, was sich im Laufe der
Zeit zu den später üblichen 300 Spielern und auf einzelnen Servern bis zu 500 Spielern gleichzeitig steigerte. Der
Versuch, weiterhin alte Spiele als Grundlage für das Spiel mit anderen Spielern über das Internet zu verwenden, erlitt
jedoch einen Rückschlag, als 1996 das lange erwartete Dark Sun Online: Crimson Sands erschien und nur sehr
schlecht von den Spielern aufgenommen wurde. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass der Code aus Spielen für
einzelne nicht ohne weiteres für Spiele, mit denen mehrere hundert Menschen gleichzeitig spielen wollen,
verwendbar ist. Im selben Jahr erschien Meridian 59, das als erstes Multiuser-Spiel einen 3D-Grafik-Client zur
Darstellung der Spielwelt nutzte. Die Spieleranzahl pro Server war mit 250 noch relativ klein, jedoch wurde
Meridian als erstes Massively Multiplayer-Spiel der Öffentlichkeit beworben. Auch The Realm Online erschien 1996
– am 31. Dezember.
In Südkorea erschien im selben Jahr Kingdom of the Winds als erstes über das Internet spielbare Mehrbenutzer-Spiel
("multiuser game") mit einer relativ einfachen Ansicht, bei der das Spielfeld stets von oben betrachtet wird. Da in
Südkorea die Einfuhr von Spielkonsolen verboten, das Land aber bereits flächendeckend mit Internet-Anschlüssen
versorgt war, erreichte das neue Spiel eine breite Masse an neuen Spielern. In den folgenden vier Jahren spielten
über eine Million Koreaner das Kingdom of the Winds. Das Spiel wurde von Jake Song erfunden.
Am 26. September 1997 veröffentlichte Origin Systems Ultima Online. Es war eine gelungene Kombination der
erfolgreichen Ultima-Rollenspielserie mit den Elementen des MUD. Die Bekanntheit der Marke Ultima führte zu
einem so großen Erfolg des Spieles, dass es in der Frühzeit zu enormen technischen Problemen kam. Dies blieb
jedoch kein Einzelfall. Auch heute kann nur selten ein MMORPG in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung
problemlos gespielt werden.
122
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
Ultima Online wurde durch seine durchdachten Spielkonzepte, die zum größten Teil auf der Arbeit von Richard
Garriott beruhen, zu einem Prototyp des Genres, dessen Konzepte heute noch Gültigkeit besitzen und kopiert
werden.
In Südkorea erschien 1998 Lineage, wie Kingdom of the Wind von Jake Song entwickelt. In Lineage steht, anders als
in westlichen MMORPGs, nicht die eigene Entwicklung der Spielfigur im Vordergrund, sondern die
gemeinschaftliche Eroberung und Verwaltung von Gebieten. Lineage erreichte rund 3,5 Millionen Spieler, davon 2,5
Millionen in Südkorea, der Rest zum größten Teil in Taiwan und anderen asiatischen Staaten. Im November 2004
wurde mit Lineage II der Nachfolger von Lineage veröffentlicht, der auch im deutschsprachigen Raum große
Beachtung fand. Anfang 2005 erreichten beide Titel jeweils eine Zahl von zwei Millionen Spielern.
2001 startete die gamigo AG das erste vollständig deutschsprachige MMORPG mit dem Namen Die 4. Offenbarung,
damit wurde das Genre auch in Deutschland eingeführt. Zeitgleich erschien das bis heute längste persistente
MMORP Jumpgate in englischer und deutscher Sprache.
Das Everquest-Zeitalter
1999 läutete Sony Online Entertainment mit EverQuest das Zeitalter der modernen MMORPGs ein. Es führte die
Ideen von Meridian 59 konsequent weiter und setzte die drei Säulen eines MMORPGs – ansprechende 3D-Grafik,
persistente Welt, soziale Spielerinteraktion – dem damaligen Stand der Technik entsprechend perfekt ein. Bis
Oktober 2010 erschienen 17 Erweiterungen, die neue Spielelemente einführten und den Client weiter verbesserten.
Das Grundkonzept von EverQuest findet sich in den meisten heute erhältlichen MMORPGs wieder. EverQuest
erreichte 2004 etwa 500.000 Spieler weltweit.
EverQuest führte dazu, dass Onlinespiele in den USA und Europa eine breitere Aufmerksamkeit fanden. Die Presse
berichtete über die neue Sucht und darüber, dass auf eBay virtuelle Gegenstände und credits, also Spielgeld, für bare
Münze verkauft wurden.
Seit November 2004 ist der Nachfolger EverQuest II auf dem Markt, das sich durch eine einfachere Bedienung als
der Vorgänger und eine zeitgemäße Grafik auszeichnet.
Final Fantasy XI
Mit Final Fantasy XI wurde 2002 das erste Plattform-übergreifende MMORPG in Japan veröffentlicht. Final
Fantasy ist für die PlayStation 2, Microsoft Windows und die Xbox erschienen.
Als Besonderheiten gelten, dass es keine regionalen Server gibt, sondern alle Spieler egal, von wo sie spielen und
welche Sprache sie sprechen, plattformunabhängig auf denselben Servern spielen, des Weiteren forciert Final
Fantasy XI mehr als jedes andere MMORPG die Zusammenarbeit und Kommunikation der Spieler, was unter
anderem in den regelmäßigen Events, die an westliche und japanische Feiertage angelehnt sind, mit Teamaufgaben
zum Ausdruck kommt. Im Gegensatz zu anderen MMORPGs gibt es nur zwei stark reglementierte und als
Teamsportarten angelegte PvP-Varianten. Eine weitere Besonderheit von Final Fantasy XI sind die Geschichten, die
in Missionen und Quests die Vergangenheit und Gegenwart der Spielwelt Vana'diel in etlichen Zwischensequenzen
erzählen. Hierbei wurde zum Beispiel für die abschließende Videosequenz der Hauptgeschichte der Erweiterung
Chains of Promathia eigens der Song Distant Worlds von Nobuo Uematsu komponiert und von Izumi Masuda
gesungen.
Mit der XBox-360-Version im April 2006 erschien neben Rise of Zilart und Chains of Promathia die bereits dritte
Erweiterung Treasures of Aht Urhgan mit neuen Gebieten, Berufen (Klassen), sowie neuen zusätzlichen
Spielprinzipien, Aufgaben und Missionen. Unabhängig davon wird die Spielwelt in regelmäßigen Abständen durch
Updates angepasst und mit neuen Aufgaben und Spielprinzipien erweitert. Zur letzten Zählung im Mai 2006 gab es
mehr als 500.000 aktive Spieler weltweit.[2]
123
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
World of Warcraft
World of Warcraft (WoW) ist das erfolgreichste MMORPG und wurde Anfang 2005 (in den USA Ende 2004) von
Blizzard Entertainment veröffentlicht. Binnen fünf Wochen wurde es alleine in Deutschland 200.000 mal verkauft.
Im Juli 2005 verzeichnete es weltweit seinen 3.500.000. Spieler und wurde damit zum erfolgreichsten MMORPG
aller Zeiten gekürt. Im Dezember 2005 überschritt dieses Spiel die Fünf-Millionen-Marke, Ende 2006 waren bereits
über sieben Millionen Spieler registriert. Anfang 2007 konnte man dann mit Erscheinen der Erweiterung The
Burning Crusade auch verkünden, dass die 8.000.000-Spieler-Marke geknackt sei. Ferner verkaufte sich das letztere
2.400.000 mal in der ersten Woche. Im Juli 2007 besaß WoW neun Millionen Spieler,[3] Ende 2008 über elf
Millionen[4] und im Oktober 2010 wurde die 12 Millionen Spieler Marke geknackt,[5] was vor allem an der
Veröffentlichung von Wrath of the Lich King in China lag. In den letzten Monaten ist ein deutlicher Rückgang der
Mitgliederzahlen festzustellen. Laut Quartalsbericht beliefen sie sich im Juni 2012 auf 9,1 Millionen Nutzer.[6]
Der Erfolg von World of Warcraft machte die kommerziellen Möglichkeiten von MMORPGs deutlich. In der Folge
erschienen viele weitere Spiele dieser Art - sowohl auf Basis eines Abo-Bezahlsystems als auch als kostenlose
("Free-to-play") Spiele.
Anfang Mai 2013 verkündete Blizzard Entertainment die aktuelle Mitgliederzahl von 8,3 Millionen Spielern. Die
Abonnenten sind nach einem kurzen Aufschwung mit der Veröffentlichung von World of Warcraft: Mists of
Pandaria mittlerweile wieder stark rückläufig (Stand: 24. Mai 2013).
Ende Januar 2014 veröffentlichte Blizzard Entertainment die erste offizielle Statistik zu World of Warcraft.
Kritik
Laut einer Studie der Ambulanz für Computerspiel- und Internetsucht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
gelten 6 bis 9 Prozent der untersuchten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, welche Computerspiele konsumieren,
als süchtig.[7] Neurowissenschaftliche Befunde deuten darauf hin, dass es sich tatsächlich um eine Suchterkrankung
handeln könnte. Für weitere Details zu dieser Problematik siehe Computerspielsucht.
Ein anderes Problem in MMORPGs ist die als Mudflation bezeichnete Inflation in der Spielewelt.
MMORPG-Chat
Eine grundlegende Funktion eines jeden MMORPGs ist eine eingebaute Chat-Funktion zur Kommunikation mit den
Mitspielern. Ähnlich wie in den IRC-Netzwerken hat sich dabei ein eigener Jargon aus Abkürzungen und
Fachbegriffen entwickelt. Die wichtigsten dieser Begriffe sind im Artikel MMORPG-Jargon erklärt.
Bei MMORPGs hat der Spieler in der Regel die Möglichkeit, auf mehreren Channels gleichzeitig in einem Fenster
zu kommunizieren. In den meisten Spielen gibt es beispielsweise für jede der Regionen bzw. Distrikte mehrere
Channels. Jeder dieser Channels ist dann für eine bestimmte Art von Nachrichten (Gruppensuche, Handelsangebote,
usw.) gedacht. Das Eröffnen eigener Channels ist je nach Spiel ebenfalls möglich bzw. es wird automatisch ein
Channel nur für Gruppenmitglieder eröffnet.
Daneben etabliert sich mehr und mehr das Chatten per Headset. Hierfür müssen die Spieler unabhängig vom
eigentlichen Spiel einen Chatserver einrichten und die benötigte Software, wie zum Beispiel TeamSpeak oder
Ventrilo, selbst bereitstellen. In einigen Fällen ist die entsprechende Software im Spiel enthalten, so dass Spieler nur
mehr ein Headset benötigen.
In den meisten MMOGs ist diese Form der Kommunikation sehr wichtig, da sich die Teilnehmer im
fortgeschrittenen Spiel, sei es beim Bekämpfen computergesteuerter Gegner (NPCs) im PvE, dem Kampf zweier
Spieler oder mehrerer gegeneinander im PvP zeitweise innerhalb von Sekunden strategisch neu ausrichten müssen.
Spieler, die zum Chatten auf die Verwendung einer Tastatur angewiesen sind, sind meistens im Nachteil.
124
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
Von Spielern gestalteter Inhalt
Nutzergenerierte Inhalte können ein weiterer Aspekt von MMORPGs sein.[8] Am Anfang stand die Ultima Online
Welt, die leere, 30-seitige Bücher bereitstellte, in die Spieler selbst schreiben konnten. Diese konnten in persönliche
Bibliotheken gesammelt und mit anderen Spielern getauscht werden. In den folgenden Jahren konnten Spieler
Häuser gestalten und bauen. Einige nicht-kampfbasierte Massively Multiplayer Online Role-Playing Games bauen
sehr stark auf von Spielern erzeugten Spielinhalt, beginnend mit einfachen Animationen bis hin zu kompletten
Gebäuden inklusive der Texturen wie in A Tale in the Desert. Diese Spiele unterscheiden sich sehr von den mehr
populären „Standard“-MMORPGs, bei denen sich alles um Kampf und Handel dreht. Von Spielern gestalteter Inhalt
würde in diesen Spielen neue erforschbare Regionen, neue Monster, neue Quests und neue besondere Gegenstände
bedeuten. „The Saga of Ryzom“ war das erste dieser „Standard“-MMORPGs, das Spielern ermöglichte, eigene
Erweiterungen in das Spiel einzubringen.
City of Heroes and Villains City of Heroes, veröffentlichte am 8. April 2009 eine Erweiterung, die einen „Mission
Architect“ beinhaltete und den Spielern ermöglichte, neue "Quests" ins Spiel einzubringen. Ein Problem von Spielern
erzeugten Inhalts trat sofort zutage: Manche Spieler versuchten einen Vorteil für sich herauszuschlagen, indem sie
sehr leichte Missionen erzeugten, die einen unfairen Risiko-zu-Belohnung-Faktor anboten. Solche Probleme zu lösen
ist ein kontinuierlicher Aspekt in diesen MMORPGs.
Nutzergemeinschaften (Communitys)
Rund um die verschiedenen MMORPG hat sich im Laufe der Zeit eine aktive Gemeinschaft ("Community")
gebildet. Am Anfang standen Clans, heute gibt es Foren mit dem Haupt-Thema „MMORPG“. Die Community hat
viel zur Veränderung der Spiele beigetragen. So kann auf den meist unabhängigen Foren auch äußerst harte Kritik
gegenüber bestimmtem Spielen sowie deren Betreibern geäußert werden, ohne mit einem Bann oder einer Löschung
rechnen zu müssen. Auch entwickelten sich aus den Communitys heraus eine Menge von Modifikationen, die den
Spielablauf erleichtern und nicht gegen die Nutzungsregeln verstoßen, andererseits aber auch zahlreiche Hacks sowie
das Ausnutzen von Programmfehlern (Bugusing).
Unterteilung in Themepark- und Sandbox-MMORPGs
Das Genre der MMORPGs hat sich über die Jahre stark verändert. Während zu Beginn im Grunde den Spielern nur
virtuelle Welten zur Verfügung gestellt wurden, in denen sie tun und lassen konnten, was sie wollten, ging der Trend
mit Aufkommen des MMORPGs Everquest mehr hin zu einem System, bei dem die Spieler anhand von Missionen
und Geschichten durch die Spielwelt geführt wurden. MMORPG-Fans unterscheiden hier zwischen Sandbox- und
Themepark-MMORPGs.
In einem Sandbox-MMO steht die spielerische Freiheit an oberster Stelle. Die Spieler möchten nicht durch
Missionen oder Storylines in eine Richtung gedrängt werden. Auch möchten sie nicht einer Fraktion der Spielwelt
zugeordnet werden. Sie möchten in dieser Welt leben, ihre eigenen Abenteuer spielen und jede Freiheit genießen,
dem Guten oder dem Bösen anzugehören.
Ein Themepark-MMORPG dagegen wird von Quests vorangetrieben. Es gibt Parteien, denen sich die Spieler
unwiderruflich anschließen müssen. Im Prinzip werden die Spieler eines Themepark-MMOs "an der Hand" durch
das Spiel geführt, erleben zwar spannende Abenteuer, müssen dafür aber spielerische Freiheiten aufgeben.
Häufig sind Mischungen anzutreffen, die teils eine, teils die andere Ausrichtung stärker betonen.
125
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game
Einzelnachweise
[1] On „Pay To Play“ Or, MMORPG Business Models 101 (http:/ / www. raphkoster. com/ gaming/ busmodels. shtml): Ausführung zu den
Kosten eines MMOGs auf der Homepage von Raph Koster (englisch, aufgerufen am 3. Februar 2008)
[2] Square Enix: Vana'diel Zensus 2006 (http:/ / www. playonline. com/ ff11de/ guide/ development/ census/ 06/ index. html). (aufgerufen am 6.
Februar 2008)
[3] Blizzard Entertainment (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=10012584): Pressemeldung zu neun
Millionen Spielern vom 24. Juli 2007 (aufgerufen am 21. Februar 2014)
[4] Blizzard Entertainment (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=9986179): Pressemeldung zu elf Millionen
Spielern vom 23. Dezember 2008 (aufgerufen am 21. Februar 2014)
[5] Blizzard Entertainment (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=10006287): Pressemeldung zu zwölf
Millionen Spielern vom 7. Oktober 2010 (aufgerufen am 21. Februar 2014)
[6] World of Warcraft: Fallende Mitgliederzahlen (http:/ / www. mmorpg-spiele. com/ world-of-warcraft-fallende-mitgliederzahlen/ ) Eintrag auf
mmorpg-spiele.com
[7] Ambulanz für Computerspiel- und Internetsucht an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (http:/ / www. thieme. de/ viamedici/
studienort_mainz/ aktuelles/ ambulanz_spielsucht. html)
[8] Jon Radoff (March 20, 2007), Gamasutra, Five Prescriptions for Viral Games, http:/ / www. gamasutra. com/ features/ 20070320/ radoff_01.
shtml
Literatur
• R. V. Kelly 2: Massively Multiplayer Online Role-Playing Games: The People, the Addiction and the Playing
Experience. McFarland, 2004, ISBN 978-0-7864-1915-9.
• Sebastian Ackermann, Nancy V. Wünderlich, Florian von Wangenheim: Geschäftsmodelle in virtuellen
Spielewelten: Eine Broschüre aus dem Forschungsprojekt Second Business. Books on Demand, Norderstedt
2010, ISBN 978-3-8370-8166-4.
Weblinks
• Die MMORPG-Technologie für Spieler (http://replay.web.archive.org/20080708200532/http://www.
digital-environment.net/mmorpg/13-11-2006/die-spielemechanik-eines-mmorpg-s-verstandlich-erklart.html)
(Version vom 8. Juli 2008 im Internet Archive)
• Deutsche Community (http://de.mmorpg.eu)
Normdaten (Sachbegriff): GND: 7625879-8 (http://d-nb.info/gnd/7625879-8)
126
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
Kriminologisches Forschungsinstitut
Niedersachsen
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in
Hannover ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut in Trägerschaft
eines eingetragenen Vereins. Es wurde 1979 vom damaligen
niedersächsischen Justizminister Hans-Dieter Schwind gegründet. Der
Sitz liegt im Stadtteil List nahe dem Welfenplatz.
Beschreibung
Zweck des Instituts ist es laut Eigendarstellung, als selbständige
Sitz des Kriminologischen Forschungsinstituts
Forschungseinrichtung praxisorientierte kriminologische Forschung zu
Niedersachsen im Business Park Welfenplatz
betreiben und zu fördern. Seit 1988 wird es – mit Unterbrechung von
2000 bis 2003 – von Christian Pfeiffer geleitet, außerdem gibt es fünf weitere wissenschaftliche Vollzeitstellen .
Pfeiffers Schwester Regine wird als freie Mitarbeiterin beschäftigt[1]. Für seine Grundfinanzierung erhält das KFN
Finanzmittel vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Das KFN kooperiert mit mehreren Einrichtungen im Bundesgebiet wie der Kriminologischen Zentralstelle in
Wiesbaden und dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht. Das interdisziplinär
arbeitende Institut hat in seiner 30-jährigen Geschichte grundlegende Forschungsergebnisse im Bereich der
Kriminologie hervorgebracht. So forschte das Institut zum Beispiel zum Zusammenhang von Schulabsentismus und
Kriminalitätsprävalenz. Die beschäftigten Wissenschaftler sind vor allem Juristen, Psychologen, Soziologen,
Pädagogen und Medienwissenschaftler.
Am 20. Juni 2011 fasste die Deutsche Bischofskonferenz einstimmig den Beschluss, dass Kirchenmitarbeiter unter
Aufsicht eines KFN-Teams, bestehend aus pensionierten Staatsanwälten und Richtern, die Akten kirchlicher
Institutionen auf Hinweise zu sexuellen Übergriffen durchsuchen werden (siehe auch Sexueller Missbrauch in der
römisch-katholischen Kirche).[2] Das Projekt wurde aufgrund von Widerständen der Priesterschaft und des Ausstiegs
von drei Bistümern bis Dezember 2012 noch nicht realisiert. Am 8. Januar 2013 wurde bekannt, dass die Deutsche
Bischofskonferenz den Vertrag über die Kriminologische Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche wegen
Differenzen mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) gekündigt hatte.[3][4]
Das Institut äußerte sich in der Vergangenheit regelmäßig zum Waffenrecht sowie zum Waffengesetz in
Deutschland.[5]
Leiter des Instituts
•
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•
•
•
Helmut Kury (1979–1988)
Christian Pfeiffer (1988-2000)
Peter Wetzels (2000–2002)
Werner Greve (2002–2003)
Christian Pfeiffer (seit 2003)
127
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
128
Weblinks
[6]
9 Website des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen
Belege
[1] Homepage Regine Pfeiffer (http:/ / www. regine-pfeiffer. de)
[2] spiegel.de 9. Juli 2011: Katholische Kirche öffnet Personalakten (http:/ / www. spiegel. de/ panorama/ gesellschaft/ 0,1518,773423,00. html)
[3] Kirchliche Aufarbeitung gescheitert. netzwerkb Pressemitteilung, 8. Januar 2012 ( online (http:/ / netzwerkb. org/ 2013/ 01/ 08/
kirchliche-aufarbeitung-gescheidert/ ))
[4] FAZ: Bischofskonferenz stoppt wissenschaftliche Studie (http:/ / www. faz. net/ aktuell/ politik/ inland/
missbrauch-in-katholischer-kirche-bischofskonferenz-stoppt-wissenschaftliche-studie-12018750. html)
[5] spiegel.de: www.spiegel.de/thema/christian_pfeiffer (http:/ / www. spiegel. de/ thema/ christian_pfeiffer/ )
[6] http:/ / www. kfn. de/
K::;<=>?@A>B CEF EG′ C″ NH IF JJ′ GE″ O (http:/ / tools. wmflabs. org/ geohack/ geohack.
php?pagename=Kriminologisches_Forschungsinstitut_Niedersachsen& language=de& params=52. 3875_N_9.
7422222222222_E_region:DE-NI_type:landmark)
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist in Deutschland
die verantwortliche Stelle für die Altersfreigabe von Computerspielen
sowie Computerspiel-Trailern. Die USK-Kennzeichnungen finden sich
aber auch auf Spielen in der Schweiz oder Österreich, da für den
deutschsprachigen Raum oft nur eine Version produziert wird, sie
haben in diesen Ländern aber keine Gültigkeit, da in diesen das
PEGI-System verwendet wird.
Logo der USK
LM NOPQ MROS QRP TURPVPUROSWXY QRP
[1]
ZW[RXQVPMSR\\WXY O] ZWYWMS ^_`_ aRPNRXQRSb
Träger der USK ist seit dem 31. Mai 2008 die Freiwillige
Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH in Berlin.
Geschäftsführer ist Felix Falk. Als Gesellschafter der GmbH fungieren
der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU) und
der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen G.A.M.E.
e.V. Gemäß dem Prinzip einer halbstaatlichen Selbstkontrolle
gewährleistet die USK die Organisation der Prüfungen, die jeweiligen
Altersentscheidungen fällen jedoch von den Ländern benannte
Sachverständige in Zusammenarbeit mit dem ständigen Vertreter der
Obersten Landesjugendbehörden bei der USK. Die USK hat seit ihrer
Gründung 1994 über 30.000 Spieletitel auf ihre Kinder- und
Jugendtauglichkeit überprüft. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 2283 Prüfungen durchgeführt.[2]
Historisches Logo der
USK, das bis August
2010 verwendet wurde
Bedeutung der Freigaben
Altersfreigaben
Waren die Freigaben der USK anfangs Empfehlungen, so sind es seit der Novelle des Jugendschutzgesetzes
(JuSchG) 2003 verpflichtende Alterseinstufungen, die sowohl auf der Verpackung des Spiels als auch auf dem
Datenträger deutlich erkennbar kenntlich gemacht sein müssen. Die Altersstufen sind im JuSchG in §14 Absatz 2
festgeschrieben. Gemäß JuSchG darf Jugendlichen in der Öffentlichkeit ein Spiel nur dann zugänglich gemacht
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
129
werden, wenn es für die entsprechende Altersstufe freigegeben und gekennzeichnet ist. Dies betrifft vor allem die im
Einzelhandel vertriebenen Datenträger mit Spielen. Die Spiele dürfen offen zum Verkauf ausgelegt und angeboten
werden, sofern bei der Abwicklung eines Kaufs das Alter des Käufers überprüft wird.
Eine verschärfte Regelung gilt für Spiele ohne Jugendfreigabe (18): sie sind vom Versandhandel und vom
Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen (zum Beispiel Verkaufsstand oder Kiosk) ausgeschlossen. Das Gesetz
definiert den Begriff Versandhandel als ein Geschäft ohne persönlichen Kontakt, bei dem nicht sichergestellt ist,
dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt (§ 1 Abs. 4 JuSchG). Versandhändler, die eine
Altersverifikation ihrer Kunden durchführen (beispielsweise per Postident-Verfahren), sind somit von dieser
Regelung nicht erfasst. Nicht gekennzeichnete Spiele werden grundsätzlich wie Spiele ohne Jugendfreigabe (18)
behandelt (§ 12 Abs. 3 JuSchG). Da diese keine Rechtssicherheit genießen, können diese von der Bundesprüfstelle
für jugendgefährdende Medien indiziert werden. Der Elektrofachhandel in Deutschland bietet fast nur von der USK
gekennzeichnete Spiele an, während man in Videotheken – insbesondere solchen mit 18er-Abteilung – auch
USK-ungeprüfte und/oder indizierte Spiele kaufen und leihen kann.
Die USK-Freigaben lauten:[3]
Etikett
(bis 2003)
Altes Etikett
(2003–2009)
Neues Etikett Text auf dem Etikett
(ab 2009)
seit Juni 2009
Aktuelle Kennzeichnung
(§ 14 Abs. 2 JuSchG)
USK ab 0 freigegeben
Freigegeben ohne Altersbeschränkung
USK ab 6 freigegeben
Freigegeben ab sechs Jahren
USK ab 12 freigegeben Freigegeben ab zwölf Jahren
USK ab 16 freigegeben Freigegeben ab sechzehn Jahren
USK ab 18
Keine Jugendfreigabe
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
130
Weitere Kennzeichnungen
Von den Einschränkungen gänzlich ausgeschlossen sind Spiele zu Informations-, Illustrations- oder Lehrzwecken,
die als Info- oder Lehrprogramm gekennzeichnet sind, sofern sie „offensichtlich nicht die Entwicklung von Kindern
und Jugendlichen beeinträchtigen“ (§ 14 Abs. 7 JuSchG). Im Zweifelsfall entscheidet die oberste Landesbehörde
darüber und kann nach eigenem Ermessen Kennzeichnungen widerrufen.[4]
Rating Ausstehend
[5]
Infoprogramm
Lehrprogramm
Formale Gestaltung
Die USK-Kennzeichen haben eine Größe von 1200 und 250 mm².
Prüfverfahren
Spielehersteller können ihre Produkte bei der USK gegen Gebühr einstufen lassen. Dieses Verfahren führt in der
Regel zu einer der fünf Kennzeichnungen gemäß JuSchG. Das Prüfgremium unter dem Vorsitz des ständigen
Vertreters der Obersten Landesjugendbehörden hat auch die Möglichkeit, die Kennzeichnung zu verweigern, zum
Beispiel, wenn es zur Auffassung gelangt, das geprüfte Medium sei schwer jugendgefährdend oder erfülle einen
Straftatbestand (beispielsweise Gewaltverherrlichung). In solchen Fällen erfolgt oftmals eine Indizierung des Spiels
durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Da in Deutschland mangels Gegenstück zur
SPIO/JK praktisch keine Spiele ohne USK-Kennzeichnung veröffentlicht werden, betrifft dies vor allem die
PEGI-geprüften Euro-Versionen, die von Händlern und Spielern aus dem Ausland importiert werden. Erhält ein
Spiel dagegen ein Kennzeichen der USK, so kann es seit der Novelle des JuSchG 2003 nicht mehr indiziert werden.
Bei der USK werden die Spiele einzeln von den Sichtern mithilfe von Lösungshilfen und Zusatzmaterial der
Einreicher durchgespielt und für das Gutachtergremium eine Präsentation mit besonderem Schwerpunkt auf
jugenschutzrelevanten Inhalten erstellt. Die Sichter stehen den Gutachtern für alle offenen Fragen zu Verfügung.
Gutachter können auf Wunsch auch einzelne Spielabschnitte selber spielen, um sich ein genaueres Bild zu machen.
Der Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden (OLJB), die federführend für den Jugendschutz sind, wirkt in den
Gutachtergremien der USK mit und erteilt auf dieser Grundlage die Altersfreigaben. Die Gutachterinnen und
Gutachter sind unabhängig. Sie haben zum Beispiel als Pädagogen, Journalisten, Sozialwissenschaftler oder
Jugendbeauftragter Erfahrungen in der Kinder-/Jugendarbeit, sind am interaktiven Medium interessiert und weder in
Hard- noch Softwareindustrie beschäftigt.
Die USK überprüft nur Spiele, welche auf physischen Datenträgern vorgelegt werden. Werden Spiele online,
kostenlos oder gegen Gebühr als Download vertrieben, so gelten die Bestimmungen des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. So war zum Beispiel der kostenlose Comic-Egoshooter World of Padman
mehrere Jahre ohne USK-Einstufung verbreitet worden, bis er Dezember 2010 von Dritten zur Prüfung vorgelegt
wurde und „ab 12 Jahren“ eingestuft wurde. Für Vertrieb über das Internet und gleichzeitigen Verkauf als
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
131
Datenträger (zum Beispiel Steam) resultieren hieraus verschiedene unbeantwortete Rechtsfragen. Die USK arbeitet
darauf hin, ihre Kompetenzen auf alle Spiele unabhängig von der Distributionsform auszuweiten, etwa auch auf
Browserspiele.
Kritik am Freigabesystem
Von verschiedenen Seiten wird kritisiert, dass Medien, die
jugendgefährdend oder nach §15, Abs. 2, Nr. 1–5 JuSchG als „schwer
jugendgefährdend“ eingestuft wurden, von der USK keine
Kennzeichnung erhalten.[6] Diese Medien können durch die BPjM
indiziert werden, schwer jugendgefährdende Medien müssen laut §15,
Abs. 2 wie indizierte Werke behandelt werden. Kritiker führen nun an,
dass diese Werke dennoch, mit den in §15, Abs. 1, Nr. 1–7
beschriebenen Auflagen in Deutschland vertrieben werden könnten
(was manche Videotheken auch tun), beispielsweise als Grauimporte.
Auch ein Kauf „hinter der Grenze oder im Internet“ sei denkbar.[7]
Größenvergleich eines neuen, größeren
Andererseits wird besonders von Seiten der Spieler kritisiert, dass
USK-Logos (links, 3,5×3,5 cm) und eines
Hersteller in vielen Fällen unter Anwendung von Selbstzensur eine
PEGI-Logos im gleichen Maßstab. Der graue
Version ihres Produkts speziell für den deutschen Markt
Hintergrund zeigt die Größe einer
Nintendo-DS-Spieleverpackung.
programmieren,
um
damit
einer
Verweigerung
der
USK-Kennzeichnung und der darauf oft folgenden Indizierung durch
die BPjM zu entgehen.[8] Die Änderungen umfassen oft die Entfernung jeglicher Darstellung von Blut, die
Beschneidung von Zwischensequenzen bis hin zur Abänderung der Hintergrundgeschichte (Beispiel: Soldier of
Fortune II).[9] Dass unter der Vorgabe des Jugendschutzes dabei meistens solche Produkte abgeändert werden, die
sich von vornherein ausdrücklich an ein erwachsenes Publikum richten, und erst zensierte Spiele die
USK-Einstufung „Keine Jugendfreigabe“ erhalten, wird als widersinnig empfunden.[10][11] Inzwischen gibt es auch
Fälle, in denen Hersteller statt einer Anpassung für den deutschen Markt die Spiele weltweit mit weniger
Gewaltdarstellungen als ursprünglich geplant veröffentlichen.[12] In einigen Fällen wird die entfernte Gewalt in
Form eines in Deutschland nicht erhältlichen (meist kostenfreien) DLCs nachgereicht, damit behauptet werden kann,
das eigentliche Spiel sei in Deutschland unzensiert erschienen. Inzwischen gibt es Selbstzensur auch bei der PEGI,
jedoch mit dem Ziel einer niedrigeren Freigabe (anstelle von wie bei der USK heutzutage überhaupt einer
Freigabe).[13]
Spiele, denen die USK eine Einstufung verweigert, werden oft nicht mehr in Deutschland veröffentlicht, da die dann
drohende Indizierung die Bewerbung und den offenen Verkauf des Produkts verbietet. Eine Indizierung wirkt sich
somit in der Regel negativ auf den kommerziellen Erfolg eines Computerspiels aus. Ein Beispiel hierfür ist der Titel
Gears of War. Der Verleger Microsoft führte an, dass eine zensierte Version die Erwartungshaltung der Spieler in
Deutschland an das hohe Niveau des Spieles nicht mehr erfülle. Auch sei die Kompatibilität über den
Mehrspieler-Onlinedienst der Spielkonsole durch die nötigen tiefen Eingriffe dann nicht mehr gewährleistet.[14]
Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle
Ähnliche Organisationen
Weitere Organisationen der freiwilligen Selbstkontrolle, die durch Ermächtigung der obersten Landesbehörden (§ 14
Abs. 6) verbindliche Kennzeichnungen im Sinne des Jugendschutzgesetzes vergeben, sind die FSK für Filme und die
ASK für Automatenspiele.
In den meisten anderen Ländern Europas werden Spiele mit den unverbindlichen Empfehlungen der PEGI
gekennzeichnet. In den USA bewertet das ESRB die Eignung von Computerspielen für Kinder und Jugendliche.
Weblinks
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Offizielle Internetpräsenz [15]
Weitere Infos über die USK [16] (inkl. Schaubild Prüfverfahren)
Interview mit USK-Sichter Klingelstein [17]
Ausführliches Interview als Audiofile mit USK-Sichter Marek Klingelstein über die USK [18]
Interview mit USK-Geschäftsführer Dr. Klaus Spieler [19]
Interview mit dem Leiter der USK-Testabteilung Marek Brunner [20]
Einzelnachweise
[1] USK präsentiert sich mit komplettem Neuauftritt (http:/ / www. usk. de/ service/ presse/ usk-praesentiert-sich-mit-komplettem-neuauftritt/ )
17. August 2010
[2] "Statistik Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle: USK veröffentlicht Jahresbilanz 2012" auf usk.de (http:/ / www. usk. de/ pruefverfahren/
statistik/ ) Abgerufen am 16. Mai 2013
[3] http:/ / www. usk. de/ fileadmin/ documents/ Publisher_Bereich/ 2011-01-31_USK_Sticker_09_DE. pdf
[4] http:/ / www. usk. de/ fileadmin/ documents/ Publisher_Bereich/ sticker_anbieterkennzeichnung_09_de. pdf
[5] USK präsentiert sich mit komplettem Neuauftritt (http:/ / www. usk. de/ service/ presse/ usk-praesentiert-sich-mit-komplettem-neuauftritt/ )
17. August 2010
[6] Selbstkontrolle §19 Abs.3 (http:/ / www. usk. de/ fileadmin/ documents/ Publisher_Bereich/ USK_Grundsaetze_2011. pdf) (PDF; 234 kB)
[7] Titus Arnu: „Der Club der Bedenkenträger“, Süddeutsche Zeitung, 2. Dezember 2006 (http:/ / www. sueddeutsche. de/ dossiers/ artikel/ 91/
94996/ )
[8] „Sin Episodes: Emergence – USK verweigert Siegel“ auf GameStar.de (http:/ / www. gamestar. de/ news/ pc/ spiele/ action/
sin_episodes_emergence/ 1461838/ sin_episodes_emergence. html)
[9] medienzensur.de: deutsche Zensurpraxis bei PC-Spielen (http:/ / www. medienzensur. de/ seite/ zensur/ pcspiele. shtml)
[10] Telepolis: Zwei neue Horror-Games richten sich an erwachsene Spieler – und bekommen es mit der USK zu tun (http:/ / www. heise. de/ tp/
r4/ artikel/ 26/ 26646/ 1. html). Stefan Höltgen, 25. November 2007.
[11] Telepolis: Das beste Spiel seit "indiziert" (http:/ / www. heise. de/ tp/ r4/ artikel/ 34/ 34303/ 1. html). Claus Jahnel, 12. März 2011.
[12] Schnittberichte.com: Die Gewaltkontroverse um Borderlands 2 (http:/ / www. schnittberichte. com/ news. php?ID=4248). 27. September
2012.
[13] Schnittberichte.com: Beyond: Two Souls – Änderungen in der EU-Version bestätigt (http:/ / www. schnittberichte. com/ news.
php?ID=6177). 1. Oktober 2013.
[14] „Xbox-360-Spiel „Gears of War“ erscheint nicht in Deutschland“ auf Heise.de (http:/ / www. heise. de/ newsticker/ meldung/ 79698)
[15] http:/ / www. usk. de/
[16] http:/ / www. medienzensur. de/ seite/ instanzen/ usk. shtml
[17] http:/ / www. n-page. de/ index. php?page=artikel& artikel=usk
[18] http:/ / www. kuechenradio. org/ wp/ ?p=143
[19] http:/ / www. heise. de/ tp/ r4/ artikel/ 24/ 24475/ 1. html
[20] http:/ / www. gamestar. de/ interviews/ 1957632/ schiessen_sie_bitte_in_den_kopf. html
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World of Warcraft
133
World of Warcraft
World of Warcraft
Entwickler
Blizzard Entertainment
Publisher
Vivendi
Activision Blizzard
Erstveröffentlichung
23. November 2004
18. Januar 2005
11. Februar 2005
6. Juni 2005
21. Juli 2005
8. November 2005
1. August 2006
6. August 2008
Plattform
Windows, Mac OS X ab 10.3.9 seit Patch 4.0.3 keine PPC-Unterstützung mehr und Linux
[2]
mittels CrossOver Games – ab Patch 3.0.2 wird Windows offiziell nur noch ab XP unterstützt
Genre
MMORPG
Spielmodus
Mehrspieler
Steuerung
Tastatur, Maus
Systemvoraussetzungen
Es gelten jeweils die Minima der aktuellen Erweiterung
Ursprünglich: Prozessor mit 800 MHz beziehungsweise 933 MHz (Mac) Taktfrequenz,
512 MB RAM, 3D-Karte mit 32 MB und T-&-L-Unterstützung, 10 GB Festplattenspeicher,
mind. 56-k-Internetanbindung
Medium
4 CDs, neuere Auflagen des Spieles bestehen aus einer DVD oder haben zusätzlich eine
Patch-CD
Sprache
mehrsprachig, u. a. Deutsch
[1]
Altersfreigabe
USK
Information
PEGI
Abonnements etwa 7,7 Millionen (weltweit)
(Stand: 30. Juli 2013)
World of Warcraft
World of Warcraft (engl. Welt des Kriegshandwerks; meist WoW abgekürzt) ist ein Massively Multiplayer Online
Role-Playing Game (engl. Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel; MMORPG abgekürzt) des US-amerikanischen
Spielentwicklers Blizzard Entertainment.
Das Spiel wurde am 23. November 2004, dem 10. Jahrestag des Warcraft-Franchises, in Mexiko, Neuseeland,
Kanada, Australien und den USA veröffentlicht. Während es in Europa am 11. Februar 2005 erschienen ist, wurde es
später auch in anderen Ländern veröffentlicht, unter anderem in der Volksrepublik China, in Spanien und Russland.
Das Spiel ist wie die Vorgängerspiele, die auch von Blizzard entwickelt wurden, im Warcraft-Fantasy-Universum
angesiedelt und knüpft an die Handlung von Warcraft 3: The Frozen Throne an.
Das Spiel war mit mehr als einer Milliarde Dollar Umsatz jährlich zu seinen Hochzeiten eines der lukrativsten
Unterhaltungsmedien[3] und hält den Guinness-Weltrekord für das beliebteste Multiplayer-Online-Rollenspiel.[4] Für
World of Warcraft muss ein monatliches Entgelt entrichtet werden. Dabei erreichte die Zahl der Abonnements im
dritten bzw. vierten Quartal 2010 mit weltweit mehr als zwölf Millionen ihren vorläufigen Höchststand. Seit dem
nahmen die Abonnements stark ab und betrugen zum 30. Juni 2012 weltweit nur noch 9,1 Millionen. Mit dem
Erscheinen der Erweiterung Mists of Pandaria stieg die Zahl der Abonnements wieder auf über 10 Millionen an. Seit
Anfang 2013 sinkt die Zahl der Abonnenten wieder kontinuierlich und betrug zum 30. Oktober 2013 weltweit nur
noch 7,6 Millionen.[5]
Am 16. Januar 2007 erschien die erste Erweiterung The Burning Crusade. Ein halbes Jahr später kündigte Blizzard
die zweite Erweiterung Wrath of the Lich King an, die am 13. November 2008 erschien.[6] Wrath of the Lich King
wurde am ersten Tag nach der Veröffentlichung über 2,8 Millionen Mal verkauft und brach damit den
Verkaufsrekord von The Burning Crusade, der bei 2,4 Millionen verkauften Exemplaren lag.[7] Am 21. August 2009
wurde die dritte Erweiterung Cataclysm angekündigt, welche am 7. Dezember 2010 veröffentlicht wurde. Cataclysm
brach den Rekord von Wrath of the Lich King deutlich und war mit 3,3 Millionen verkauften Exemplaren am ersten
Tag wieder das am schnellsten verkaufte PC-Spiel, musste diesen Titel jedoch inzwischen an das ebenfalls von
Blizzard entwickelte Diablo 3 mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren abgeben. Auf der BlizzCon 2011 wurde die
vierte Erweiterung Mists of Pandaria angekündigt, welche am 25. September 2012 veröffentlicht wurde.[8] Mists of
Pandaria hat sich innerhalb einer Woche 2,7 Millionen Mal verkauft, somit konnte diese Erweiterung nicht an
vorherige Erfolge anknüpfen.[9] Am 8. November 2013 wurde anlässlich der Blizzcon die fünfte Erweiterung
Warlords of Draenor angekündigt. Diese befindet sich in Entwicklung.[10]
Entwicklung
Die Entwicklung des Spiels begann im Jahr 1999 und dauerte etwa 4-5 Jahre, wovon alleine die Testphase etwa 1 bis
2 Jahre in Anspruch nahm. Das Spiel wurde von Blizzard Entertainment auf der European Computer Trade Show im
September 2001 offiziell angekündigt. Die 3D-Grafik verwendet verschiedene Elemente der Grafik-Engine von
Warcraft III, das ebenfalls von Blizzard Entertainment entwickelt wurde. Die Spielwelt wurde als offenes Umfeld für
alle Spieler eines Servers geschaffen. Quests sollten dem Spieler bei der Charakter-Entwicklung helfen und ihn dazu
anregen, möglichst viele verschiedene Zonen zu erkunden. Außerdem wurden diese so gestaltet, dass sich Spieler
beim Questen nicht gegenseitig stören. Das Spiel-Interface wurde in Ansätzen offen gestaltet, so dass der Spieler
Aussehen und Lage der Steuerelemente anpassen konnte.
Der World of Warcraft Client wurde nativ für Windows und MacOS veröffentlicht, inoffizielle Linux und FreeBSD
Unterstützung lässt sich über Wine Derivate wie Cedega oder CrossOver erzielen. Ein Blizzard interner Client für
Linux existiert, wurde von Blizzard aufgrund Bedenken bezüglich der Komplexität einer Unterstützung des
Linux-Ökosystems, welches zwischen vielen Distributionen fragmentiert ist, jedoch nicht veröffentlicht.
134
World of Warcraft
Veröffentlichung
Die Originalversion des Spiels (WoW : Classic, auch liebevoll "Vanilla" genannt) wurde am 23. November 2004 in
Mexiko, Neuseeland, Kanada, Australien und den USA veröffentlicht. Während es in Südkorea am 18. Januar 2005
erschienen ist, wurde es in Europa am 11. Februar 2005 veröffentlicht. Später folgte dann auch die Veröffentlichung
in der Volksrepublik China, in Singapur, in der Republik China, in Hongkong, Macao, Südafrika und Russland. In
diesen Ländern bzw. Kontinenten wurde das Spiel zwar veröffentlicht, es wurde aber nur in eine englische, deutsche,
französische, spanische, russische, brasilianisch-portugiesische und in eine italienische Sprachversion vollständig
lokalisiert. [11]
Am ersten Tag des Europastarts wurden 290.000 Exemplare verkauft. Die Verkaufszahlen stiegen nach dem darauf
folgenden Wochenende auf 380.000 Exemplare an. Am ersten Verkaufstag in Deutschland standen sehr viele
Interessenten vor den Geschäften, um überhaupt noch ein Exemplar zu ergattern. Trotzdem konnte der Verband der
Unterhaltungssoftware Deutschland (VUD) Blizzard Entertainment bestätigen, dass allein in Deutschland nach fünf
Wochen 200.000 Stück verkauft wurden – somit erhielt das Spiel den Gold- und Platin-Award.
Spielwelt
World of Warcraft spielt in der aus den anderen Warcraft-Spielen bekannten Fantasywelt „Azeroth“, die in die beiden
Kontinente „Kalimdor“ und „Östliche Königreiche“ unterteilt ist. Mit der ersten Erweiterung kam zusätzlich die
„Scherbenwelt“ hinzu, die zweite Erweiterung brachte „Nordend“ mit sich, die dritte Erweiterung neue Gebiete nach
„Kalimdor“ und „Östliche Königreiche“ sowie die vierte Erweiterung den Kontinent „Pandaria“ einführte. Auf den
einzelnen Kontinenten findet sich eine Vielzahl von verschiedenen Städten und Dörfern. Weiterhin gibt es von
Wüsten über Wälder bis zu Dschungeln verschiedene Landschaften sowie spezielle instanziierte Dungeons (von dem
Rest der Welt „abgespaltene“ Gegenden wie zum Beispiel bestimmte Höhlen, Gemäuer etc.).
Die Spielwelt wird komplett in einer Comic-haften dreidimensionalen Grafik dargestellt. Der Spieler sieht sie
üblicherweise aus der Verfolgerperspektive des von ihm gewählten Spielercharakters, welchen er weitgehend frei
durch die Welt bewegen kann. Neben der Fortbewegung zu Fuß kann der Charakter zwischen bestimmten Orten
auch verschiedene Fortbewegungsmittel wie Flugtiere, Zeppeline, Schiffe oder eine unterirdische Bahn verwenden,
welche ein schnelleres Reisen durch die Spielwelt ermöglichen. Mit Erreichen höherer Spielstufen kommen weitere,
persönliche Reit- bzw. Flugtiere hinzu.
Der Charakter des Spielers begegnet innerhalb der Spielwelt anderen Spieler- und Nicht-Spieler-Charakteren, mit
denen verschiedene Interaktionsmöglichkeiten bestehen. So können Kämpfe ausgetragen, Kommunikation
durchgeführt oder Handel betrieben werden.
Spielablauf
Um die Welt von World of Warcraft kennenzulernen, kann der Spieler eine Vielzahl von so genannten Quests
(Aufgaben/Missionen) annehmen, die ihm Erfahrungspunkte und Belohnungen in Form von virtuellem Geld
(sogenanntem Gold), Ausrüstungsgegenständen, oder anderen so genannten Items einbringen. Im gesamten Spiel
existieren mehr als 9000 dieser Quests.[12] Weiterhin erhält der Spieler – genretypisch für die meisten Rollenspiele –
Erfahrungspunkte für den erfolgreichen Kampf gegen computergesteuerte Charaktere und Monster. Auch für das
Erkunden unbekannter Gebiete gibt es Erfahrungspunkte. Nach dem Erreichen einer bestimmten Anzahl von
Erfahrungspunkten steigt der Charakter um einen Level (Stufe) auf. Infolge des sogenannten MoP-Pre-Patches
(bereits vor der Urveröffentlichung eines Addons werden sogenannte Pre-Patches ausgeführt, um die Spieler bereits
an einige neue Inhalte des neuen Addons heranzuführen) wurde das in Cataclysm verwendete Talentsystem
abgeschafft. Spieler erhalten jetzt alle 15 Level (15, 30, 45 usw.) die Möglichkeit, eines von drei Talenten zu wählen.
Anders als bisher haben meistens alle 3 Talente einen vergleichbaren Effekt (die Effekte unterscheiden sich dadurch,
dass sie in bestimmten Situationen einen größeren Vor- bzw. Nachteil jeweils gegenüber den beiden anderen
135
World of Warcraft
beinhalten). Die Fähigkeiten, die man früher in jeder geradzahligen neuen Stufe bekam (stärkere Formen bekannter
oder gänzlich neue Zauber) und beim Lehrer erst gegen Goldzahlung „erlernen“ musste, was mitunter sehr
zeitaufwändig war, erhält man jetzt automatisch, sobald ein Spieler den erforderlichen Level erreicht hat. Die
maximale Stufe des Grundspiels ist 60, mit der Erweiterung The Burning Crusade erhöht sich das Limit auf Stufe
70, mit der Erweiterung Wrath of the Lich King auf 80, mit der Erweiterung Cataclysm auf 85 sowie mit der
Erweiterung Mists of Pandaria schließlich auf Stufe 90. Wie in den meisten Rollenspielen können die Spieler
Gruppen bilden, um gemeinsam zu kämpfen oder Missionen zu erfüllen sowie Dungeons oder Schlachtzüge zu
bewältigen. Manche Aufgaben lassen sich nur zusammen lösen und bestimmte Items nur mit Gruppen erlangen.
Servertypen
Der Spieler wählt zum Spielen einen Realm (Server) aus, auf dem er einen Charakter erstellt. Es gibt drei
Realmcluster: Einen amerikanischen, einen asiatischen und einen europäischen. In jedem gibt es verschiedene
Realms, die sich neben den Sprachen (in Europa sind das bisher Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch und
Russisch) in vier Typen unterscheiden. Zum einen gibt es die Unterscheidung zwischen PvE (Player versus
Environment)- und PvP (Player versus Player)-Servern. Auf letzteren ist der offene Kampf zwischen
Spielercharakteren unterschiedlicher Fraktionen vorgesehen, während auf PvE-Servern der Kampf gegen
computergesteuerte Kreaturen und das Lösen von Quests im Vordergrund stehen. Zudem gibt es für beide
Servertypen Rollenspielvarianten, auf denen spezielle Regeln gelten, sowohl für den Umgang innerhalb der
Spielwelt als auch die Namensgebung, um den Rollenspielaspekt zu verstärken.
Völker und Klassen
Alle Spieler müssen sich für eine der beiden Fraktionen „Allianz“ oder
„Horde“ entscheiden. Von ihrer Wahl ist es abhängig, auf welcher Seite
sie kämpfen, welche Völker sie wählen können und eine Menge mehr.
Auf Seiten der Allianz kann man sich für Menschen, Nachtelfen,
Zwerge, Gnome, Draenei oder Worgen entscheiden; bei der Horde
stehen Orcs, Tauren, Untote, Trolle, Blutelfen und Goblins zur Wahl.
Insgesamt stehen elf Klassen zur Verfügung: Druide, Hexenmeister,
Jäger, Krieger, Magier, Paladin, Priester, Schamane, Schurke
Todesritter und Mönch. Letztere wurden mit der Erweiterung Wrath of
the Lich King bzw. Mists of Pandaria eingeführt. Die Wahl des Volkes
schränkt die Klassenwahl ein, da nicht alle Klassen jedem Volk zur
Verfügung stehen. Mit der Erweiterung The Burning Crusade ist es
Zwei Cosplayer als Nachtelf-Druidinnen
möglich, seitens der Horde den Paladin bzw. auf Seiten der Allianz den
verkleidet
Schamanen zu spielen. In der Erweiterung Cataclysm wurden zwei
neue Völker, die Goblins für die Horde und die Worgen für die
Allianz, eingeführt. Außerdem wurden neue Kombinationen der Völker mit den Klassen für die alten Völker
hinzugefügt. Mit der vierten Erweiterung Mists of Pandaria ist es erstmals möglich, eine Rasse zu wählen, bei der
man sich erst im späteren Spielverlauf für eine der beiden Fraktionen entscheiden kann bzw. muss. Dies wurde damit
begründet, dass Blizzard die Geschichte der Welt zum einen weiterentwickeln möchte, zum anderen es ihrer Ansicht
nach besser ist, wenn auch eine „neutrale“ Rasse ins Spiel kommt.
Die Neuerungen der Erweiterung World of Warcraft: The Burning Crusade sind grün gekennzeichnet.
Die Neuerungen der Erweiterung World of Warcraft: Wrath of the Lich King sind violett gekennzeichnet.
Die Neuerungen der Erweiterung World of Warcraft: Cataclysm sind rot gekennzeichnet.
Die Neuerungen der Erweiterung World of Warcraft: Mists of Pandaria sind blau gekennzeichnet.
136
World of Warcraft
137
Völker und Klassen
Volk
Druide Hexenmeister Jäger Krieger Magier Paladin Priester Schamane Schurke Todesritter Mönch
Menschen
X
X
X
X
X
X
Zwerge
X
X
X
X
X
X
Gnome
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Orcs
X
X
X
X
Untote
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Blutelfen
X
X
X
X
Goblin
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Nachtelfen
X
Draenei
Worgen
X
Tauren
X
Trolle
X
Pandaren
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Berufe
Jeder Spieler hat die Möglichkeit, seinen Charakter Berufe erlernen zu lassen, die in Haupt- und Nebenberufe
unterteilt werden. Es können maximal zwei Hauptberufe erlernt werden, allerdings alle Nebenberufe.
Beruf
Beschreibung
Typ
Alchemie
Brauen von Tränken und Elixieren sowie das Transmutieren von Edelsteinen. Benötigt Kräuter und
Roh-Edelsteine
Verarbeitender
Beruf
Angeln
Angeln von Fischen und seltenen Schätzen aus Gewässern (Reittiere, Rezepte, etc.)
Nebenberuf
Archäologie
Untersucht das Gelände nach Artefakten. Verfügbar in Cataclysm
Nebenberuf
Bergbau
Sammeln von Erzen und Edelsteinen aus Erzvorkommen und deren Verarbeitung zu Metallbarren
Sammelberuf
Erste Hilfe
Herstellen von Verbänden zur Wundheilung und Gegengiften.
Nebenberuf
Ingenieurskunst
Herstellen von Flugmaschinen, Munition, Bomben, Schusswaffen und diversen anderen Apparaten.
Verarbeitender
Beruf
Inschriftenkunde
Beschriften von Schriftrollen und Glyphen, die eine temporäre bzw. permanente Verbesserung der
Attacken und Zauber bewirken.
Verarbeitender
Beruf
Juwelenschleifen
Herstellen von Ringen, Halsketten und Schmuck; Schleifen von Edelsteinen zur Verbesserung von
hochwertigen Rüstungen
Verarbeitender
Beruf
Kochkunst
Zubereiten von charakterstärkender Nahrung
Nebenberuf
Kräuterkunde
Sammeln von Kräutern
Sammelberuf
Kürschnerei
Gewinnen von Leder von getöteten Tieren
Sammelberuf
Lederverarbeitung Verarbeiten von Stoffen und Leder zu Rüstungen mittlerer Stärke
Verarbeitender
Beruf
Schmiedekunst
Verarbeiten von Metallen zu schweren Plattenrüstungen sowie Waffen
Verarbeitender
Beruf
Schneiderei
Verarbeiten von Stoffen zu leichten Stoffrüstungen und Zauberfaden zur Stärkung des Equipments
(Rüstung)
Verarbeitender
Beruf
World of Warcraft
Verzauberkunst
138
Permanente Verbesserung von Rüstungen oder Waffen durch Zerstören magischer Gegenstände
Verarbeitender
Beruf
Dem Spieler steht die Wahl der Berufe frei, wobei sich einige Kombinationen von verarbeitenden Berufen und
einem Sammelberuf durch ihre Abhängigkeit anbieten. Schneiderei und Verzauberkunst sind als einzige
verarbeitenden Berufe von keinem Sammelberuf abhängig. Während man in der Schneiderei hauptsächliche Stoffe
benötigt, die von getöteten Monstern aufgesammelt werden können, sammelt man die benötigten Materialien für die
Verzauberkunst durch Zerstörung nicht benötigter magischer Gegenstände. In einigen verarbeitenden Berufen kann
zudem eine Spezialisierung gewählt werden. Durch das Sammeln von Rohstoffen oder das Herstellen (bzw.
Ver-/Entzaubern) von Gegenständen kann die Fertigkeit in dem jeweiligen Beruf gesteigert werden, wodurch neue
Rezepte (zu erhalten z. B. bei Ausbildern, in Dungeons oder von besiegten Gegnern) erlernt werden können.
Im Gegensatz zu den Nebenberufen können Hauptberufe wieder verlernt werden, was zur Folge hat, dass die bis
dahin gesammelten Fähigkeiten in diesem Beruf verloren gehen und bei erneutem Erlernen des Berufes auch neu
bezahlt werden müssen.
Mit Cataclysm kommt ein weiterer Nebenberuf dazu, die Archäologie. Mit diesem kann der Spieler verborgene
Artefakte entdecken.
Gilden
Mehrere Spieler können sich auf einem Server in Gilden zusammenschließen. Zur Gründung einer Gilde werden
mindestens 4 Spieler benötigt, die eine Gildensatzung unterzeichnen. Der Name der Gilde kann vorab, beim Erwerb
der leeren Satzung beim NSC, frei gewählt werden und muss nur pro Server eindeutig sein. Der Avatar, der die
Satzung erwirbt und sie von den anderen unterschreiben lässt, besetzt nach erfolgreicher Gründung den Rang des
Gildenmeisters.
Innerhalb einer Gilde werden Gegenstände oft günstig verkauft, getauscht oder gar verschenkt. Die Spieler lernen
sich besser kennen und finden leichter jemanden, mit dem sie zusammen spielen können. Spieler in einer Gilde
können sich ergänzen, indem beispielsweise ein Bergmann einen Schmied mit Erzen versorgt. Zudem wird das
Spielgefühl in einer Gilde intensiviert und verbessert, da man oft mit den gleichen Leuten zusammenspielt.
Außerdem ist es ohne Gilde/Stammgruppe fast unmöglich, die schweren Dungeons zu meistern und Bossgegner zu
besiegen, da hierfür ein sehr gutes Zusammenspiel der Gruppe erforderlich ist.
Seit dem Erscheinen der Spielerweiterung Cataclysm hat die Mitgliedschaft in einer Gilde auch direkte
spielmechanische Vorteile. So können Gilden mit fortschreitender Entwicklung Fertigkeiten für ihre Mitglieder
freischalten, beispielsweise höherer Erfahrungspunktegewinn für niedrigstufige Charaktere oder schnellere
Fortbewegung. Das gemeinsame Bestreiten von Herausforderungen gewährt eine Belohnung für die Gildenbank.
Ehrensystem, Schlachtfelder und Arenen
Im April 2005 wurde das Spiel um das angekündigte Ehrensystem erweitert, welches für siegreiche Kämpfe gegen
ebenbürtige Mitspieler Ehrenpunkte vergibt. Diese Ehrenpunkte bestimmten lange Zeit den militärischen Rang, der
dem Spieler erlaubte, eine bessere Ausrüstung oder andere Boni zu erhalten.
Durch den Patch 2.0 im Dezember 2006 wurde das PvP-System grundlegend umgestellt. Die Aufteilung in Ränge
wurde abgeschafft, wobei Spieler mit einem bereits vorhandenen Rang diesen optional als Titel anzeigen lassen
können. Der Einsatz im PvP drückt sich seither durch die Menge an Ehre aus, die durch PvP-Kämpfe in der
normalen Spielwelt oder in den Schlachtfeldern erlangt wurde. Ehrepunkte und Schlachtfeldmarken können
gesammelt und als Währung zum Kauf von Ausrüstung, PvP-Reittieren und Verbrauchsmaterial eingesetzt werden.
Dieses System soll es auch Gelegenheitsspielern ermöglichen, hochwertige PvP-Belohnungen zu erreichen.
In den Schlachtfeldern treten Gruppen beider Fraktionen gegeneinander an. Es gibt dabei vier verschiedene
Schlachtfelder, die sich jeweils durch ihren Spieltyp unterscheiden, nämlich Capture the Flag in der
World of Warcraft
Kriegshymnenschlucht, die Kontrolle von Basen im Arathibecken, die Kombination aus beidem im Auge des Sturms,
das Eliminieren feindlicher, computergesteuerter Gegner im Alteractal und dem, erstmals mithilfe von
Belagerungsmaschinen, in zwei Runden aufgeteiltem Einnehmen/Verteidigen einer Strandfestung durch
Durchbrechen mehrere Verteidigungsanlagen in die Schatzkammer am Strand der Uralten. Das Auge des Sturms
wurde mit The Burning Crusade eingeführt und ist für Spieler ab der Stufe 61 zugänglich, der Strand der Uralten
hielt mit Wrath of the Lich King Einzug. Die Kriegshymnenschlucht kann ab Stufe 10, das Arathibecken ab Stufe 20
betreten werden, das Alteractal ab Stufe 51.
Mit der Veröffentlichung des Patch 1.12 sind im August 2006 serverübergreifende Schlachtfelder eingeführt worden.
Das bedeutet, dass nun Spieler von verschiedenen Realms gegeneinander antreten und nicht mehr wie zuvor nur
Spieler desselben Realms. Dies geschieht in der Absicht, die Wartezeiten beim Betreten eines Schlachtfelds zu
verringern. Dennoch kann es zu längeren Wartezeiten kommen.
Mit dem Patch 2.0 wurde außerdem die Spielform Arena implementiert. Dabei handelt es sich um eine Umsetzung
des antiken Gladiatorenkampfs. Teams, bestehend aus zwei, drei oder fünf Spielern, treten gegen andere Teams
derselben Größe an. Die Fraktionswahl beeinflusst dabei, im Gegensatz zu Schlachtfeldern, die gegnerische Fraktion
nicht. Abhängig von einer Spielwertung des Teams erhalten die Spieler im Team wöchentlich Arenapunkte, mit
denen exklusive Rüstungen und Waffen gekauft werden können, die speziell für den PvP-Gebrauch konzipiert
wurde. Der Arenawettkampf ist in Saisons unterteilt, die jeweils etwa vier Monate dauern. Zu Anfang jeder neuen
Saison wird die Arenawertung zurückgesetzt und es werden neue Gegenstände erhältlich, zudem gibt es für die
besten Spieler Belohnungen und/oder Titel.
Die besten Arenateams werden von Blizzard, aber auch von anderen Unternehmen und Veranstaltern regelmäßig zu
Turnieren mit hohen Preisgeldern und anderen lukrativen Veranstaltungen eingeladen.
Instanzen, Schlachtzüge
Der Spielinhalt umfasst mehrere sogenannte instanziierte Dungeons und Schlachtzüge für verschiedene
Level-Stufen-Anforderungen. Die 5-Spieler-Versionen werden als Instanzen oder Dungeons bezeichnet, beginnen
bei Stufe 15 und erstrecken sich bis Stufe 85. Die Instanzen ab der Erweiterung The Burning Crusade können zudem
auch auf dem Schwierigkeitsgrad „heroisch“ gespielt werden, verfügbar für die jeweilige Maximalstufe der
entsprechenden Erweiterung (Stufe 70 für The Burning Crusade, 80 für Wrath of the Lich King und Stufe 85 für
Cataclysm). Die Schlachtzüge wurden für die Maximalstufen des jeweiligen Add-ons ausgelegt. Auf Stufe 60
existieren unterschiedliche Schlachtzüge für 10 und 40 Spieler, auf Stufe 70 für 10 und 25 Spieler. Ab Stufe 80 gab
es eine Änderung des Schlachtzugssystems: Die Schlachtzüge für Stufe 80 und 85 gibt es jeweils in einer 10-Spielerund 25-Spieler-Ausführung. Das Ziel dieser sogenannten Instanzen und Schlachtzüge ist es, gemeinsam mit anderen
Spielern seines Realms starke NPCs zu bezwingen und dadurch gute Ausrüstungsgegenstände zu erhalten, wobei die
meisten Schlachtzüge auch in zwei verschiedenen Schwierigkeitsstufen gespielt werden können (normaler und
heroischer Modus).
Mit Patch 3.3 wurde das Gruppensuchsystem für 5-Spieler-Instanzen überarbeitet und erweitert. Jedem Spieler ist es
möglich, sich bei diesem System anzumelden. Es wird dann automatisch eine Gruppe für eine 5-Spieler-Instanz
zusammengestellt. Das Neue an diesem System ist, dass es nicht mehr auf einen einzelnen Realm beschränkt ist.
Damit ist es möglich, schneller Gruppen für diese Instanzen zu erstellen, und man bestreitet diese Instanzen dann
einfach mit Spielern anderer Realms. In Hauptstädten kommt man über das Chatfensfer Suche nach Gruppe zu
anderen Gruppen, die einen auf der Reise begleiten. Mit Mists of Pandaria wurde das Spiel um sieben Dungeons,
drei Raids und drei überarbeitete, alte Instanzen aus WoW: Classic erweitert.
139
World of Warcraft
Ruf
Durch das Erfüllen von Quests oder das Töten von bestimmten Gegnern kann der Spieler seinen Ruf bei den
verschiedenen NPC-Fraktionen verbessern oder auch verschlechtern. Dabei ist zu beachten, dass man durch einige
Quests oder durch das Töten bestimmter Gegner seinen Ruf bei einer Fraktion gleichzeitig verbessern und bei einer
anderen verschlechtern kann. Ein guter Ruf ermöglicht es zum Beispiel, hochwertige Gegenstände wie Waffen,
Ausrüstungsgegenstände, Rezepte, Verzauberungen oder auch besondere Reittiere zu kaufen, ein schlechter Ruf
kann zum sofortigen Angriff einer Fraktion auf den Spieler führen. Die Rufstufen sind (von negativ zu positiv):
Hasserfüllt, Feindselig, Unfreundlich, Neutral, Freundlich, Wohlwollend, Respektvoll, Ehrfürchtig.
Erfolgssystem
Mit dem Patch 3.0 wurde das Erfolgssystem in das Spiel integriert. Hier werden die meisten Ereignisse, die ein
Spieler während des Spielens erlebt, festgehalten und als Erfolg hinterlegt, z. B. das Erkunden von Orten, das Töten
von Gegnern, das Erhalten von Reit- und Haustieren etc. Daneben gibt es „Heldentaten“, die nicht von vornherein
hinterlegt sind und erst als Erfolg eingetragen werden, wenn der Spieler ihn errungen hat. Die eigenen Erfolge
können mit denen anderer Spieler verglichen werden. Ebenfalls als Heldentaten werden Erfolge gekennzeichnet, die
von neuen Spielern nicht mehr erreicht werden können. Sie verschwinden dann aus dem Erfolgspunktesystem. So ist
der Schlachtzug Onyxias Hort mit dem Erscheinen von Wrath of the Lich King auf die Stufe 80 angepasst worden
und konnte nicht mehr von Stufe 60 Spielern betreten werden. Spieler die diesen Schlachtzug mit Stufe 60
abgeschlossen hatten, erhielten den Erfolg als „Heldentat“.
Für manche Erfolge gibt es neue Titel, wie z. B. „der Entdecker”, seltener sogar neue Reittiere. Keiner der über das
Erfolgssystem zu erhaltenden Gegenstände macht den Charakter jedoch stärker, sie dienen nur der Belohnung des
Spielers.
Duale Talentbäume
Mit dem Patch 3.1, der am 15. April 2009 auf die öffentlichen Server aufgespielt wurde, wurde es den Spielern ab
Erreichen der Stufe 40 möglich, gegen eine einmalige Gebühr in Ingame-Währung jederzeit zwischen zwei
Talentverteilungen wechseln zu können. Vor dieser Änderung war der Spieler gezwungen, für jede Neuverteilung
mehr Gold bei einem Klassenlehrer zu bezahlen. So kann ein Spieler, entsprechende Ausrüstung vorausgesetzt,
während des Spiels beispielsweise zwischen einem Schaden verursachenden und einem heilenden Talentbaum hinund herwechseln. Der Talentwechsel ist nur außerhalb des Kampfs möglich und bewirkt zusätzlich, dass sämtliche
Mana-, Energie-, Wut-, Fokus- und Runenmacht-Vorräte auf 0 zurückgesetzt werden. Seit Patch 4.0.1 ist es möglich,
schon mit Stufe 30 an die zweite Talentverteilung zu gelangen. Diese Erweiterung kostet lediglich 10 Gold, nachdem
sie zu Patch 3.1 noch 1000 Gold gekostet hatte.
Kommunikation im Spiel
Innerhalb des Spieles können sich Spieler mit anderen Spielern ihrer Fraktion über Chatkanäle unterhalten. In diesen
Kanälen wird per Text miteinander kommuniziert. Es stehen allgemeine Befehle zur Verfügung, mit denen man
etwas zu allen in der Nähe stehenden Spielern sagen oder aber im gesamten Gebiet schreien kann. Des Weiteren
finden sich vorgefertigte Kanäle, in denen man zum Beispiel allgemeine Fragen stellen, Handel treiben oder die
Verteidigung gegen Angreifer organisieren kann. Im Interface des Spiels kann man zudem einen Schimpfwortfilter
einstellen, der jedoch nicht alle Beleidigungen erkennen kann sowie auch fälschlicherweise normale Worte als
Beleidigung erkennt. Dies kommt dadurch zustande, dass die Schimpfwortfilter auch englische Wörter zensieren, die
in der deutschen Sprache eine andere Bedeutung haben.
Vor Patch 2.0 gab es auch einen separaten Suche-nach-Gruppe-Kanal, der das Suchen nach einer Gruppe oder
weiteren Mitstreitern ermöglichte. Seit dem besagten Patch gibt es ein eingebautes Gruppensuch-System, das
140
World of Warcraft
automatisch Gruppen zusammenstellt. Es kann z. B. eine Instanz oder eine Quest ausgewählt werden und das
Suchsystem sucht andere Spieler, die ebenfalls auf der Suche nach einer Gruppe für diese sind. Danach wird die
Gruppe automatisch zusammengestellt und der Gruppenleiter zufällig ausgewählt.
Mit dem Patch 2.1 ist der Suche-nach-Gruppe-Kanal in modifizierter Form wieder vorhanden. Der Kanal wird nun
über das Gruppensuchsystem gesteuert. Bei Eintragung in das System wird der Channel automatisch betreten und bei
Deaktivierung verlassen.
Mit dem Patch 3.3 wurde das Gruppensuchsystem grundlegend verändert und damit auch der
Suche-nach-Gruppe-Kanal. Seitdem ist der Chat-Kanal nur noch verfügbar, wenn der Charakter sich in einer der
Hauptstädte im Spiel aufhält und unabhängig von der Gruppensuch-Funktion.
Zusätzlich steht im Spiel ein Postsystem zur Verfügung, das über Briefkästen vor Gasthäusern oder Banken der
verschiedenen Städte benutzt werden kann. Mit diesem kann man Spielern nicht nur Nachrichten schicken, sondern
auch Gold oder Waren zukommen lassen. Das Versenden von Gold, einfachen Briefen und Gegenständen dauert
eine Stunde. Ausgenommen ist das Versenden an einen Charakter, der zum selben World-of-Warcraft-Account
gehört oder an Mitglieder der eigenen Gilde, sofern diese einen entsprechenden Bonus freigeschaltet hat – diese Post
wird sofort zugestellt.
Direkte Kommunikation mit Spielern der gegnerischen Fraktion ist nicht möglich. Direkt Geschriebenes wird vom
Spiel in unverständliches Kauderwelsch übersetzt, das sich nur in Einzelfällen zurückübersetzen lässt. Um aber
dennoch eine Verständigung zu ermöglichen, hat der Hersteller ein System von Emotes eingerichtet. Mit diesem
können Emotionen und einfache Gesten übermittelt werden. So lässt das emote /winken zum Beispiel den eigenen
Charakter die Hand heben und winken, während /pfeifen sogar ein hörbares Pfeifen ertönen lässt. Auch
volksspezifische Witze (/witz) werden hörbar vom Charakter erzählt.
Diverse Spieler nutzen Sprachchat-Programme wie TeamSpeak oder Ventrilo um mit anderen Spielern über ein
Mikrofon zu kommunizieren, was das Zusammenspielen in Instanzen und auf Schlachtfeldern vereinfacht. Seit Patch
2.2 gibt es einen spielinternen Sprachchat, der auf dem gleichen Prinzip basiert, jedoch keine zusätzliche Software
erfordert. Dieser Sprachchat kann z. B. in normalen Gruppen, in Schlachtzügen und auf Schlachtfeldern genutzt
werden. Es können aber auch eigene Channels erstellt werden. Die aktive Nutzung ist auf 40 Spieler beschränkt, das
Mithören ist aber für mehr Spieler möglich.[13]
Seit den Anfangsjahren der MMORPGs hat sich in der Szene eine eigene Chattersprache entwickelt, die längere
Aussagen in kurze, ein paar Buchstaben umfassende Wörter verpackt. Dies dient der schnellen Kommunikation z. B.
in Stresssituationen, in denen man seinen Mitspielern schnell etwas mitteilen muss. So bedeutet „lol“ (englisch
„laugh out loud“) „lautes Lachen“. Auch Smileys haben sich innerhalb der Spielgemeinde verändert oder wurden neu
erschaffen. Das Smiley „xD“ zeigt beispielsweise eine verstärkte Form des lachenden („:D“) Smileys, ein Gesicht mit
vor Lachen zusammengekniffenen Augen. Doch schon lange wird dies nicht mehr einfach nur geschrieben, sondern
mittels TeamSpeak etc. sogar ausgesprochen.
Handel
Des Weiteren ist es auch möglich, in Auktionshäusern, die im Spiel integriert sind, mit anderen Spielern Handel zu
betreiben. Man hat dort die Möglichkeit, selbst hergestellte oder gefundene Gegenstände, gegen eine geringe
Auktionsgebühr, für die virtuelle Spielwährung „Gold” zu kaufen oder zu verkaufen. Man muss ein Mindestgebot
sowie die Laufzeit angeben. Optional kann man auch einen Sofortkauf-Preis angeben.
Neben dem Austausch im Spiel selbst hat sich ein reger externer Handel von Gold und Gegenständen außerhalb des
Spiels gegen echtes Geld entwickelt. Speziell in China sind Firmen entstanden, in denen professionelle Spieler,
sogenannte Goldfarmer, durch Langzeitspielen und häufig unter unmenschlichen Bedingungen[14] Spielwährung
oder Gegenstände erwirtschaften, die dann von der Firma verkauft werden können. Die rechtliche Basis für solche
Geschäfte ist bisher umstritten, wobei Händler und Spielehersteller konträre Positionen einnehmen. Gemäß den
Endbenutzerlizenzvereinbarungen von World of Warcraft ist diese Art von Geschäften ausdrücklich verboten und
141
World of Warcraft
wcde fcg hijkclmnop elq riisnogq pltjoelgu
Modifikationen
Es gibt diverse Benutzeroberflächen-Modifikationen, die allgemeine, sich wiederholende Befehle halbautomatisch
ausführen, oder das Aussehen und die Bedienung des Spiels verändern. Diese „Add-ons“ werden von Spielern
geschrieben. Es ist ausdrücklich von Blizzard erwünscht, dass sich jeder Spieler auf diese Weise sein
Benutzerinterface individuell gestalten kann. Es gibt z. B. Modifikationen, die zusätzliche Aktionsleisten
hinzufügen, einige Texturen entfernen, Abklingzeiten von Zaubern anzeigen oder ausgegebenes Gold für
Reparaturen und Flüge speichern.
In regelmäßigen Abständen erweitert Blizzard die Benutzeroberfläche um Funktionen, die vorher nur durch Add-ons
möglich waren, und macht diese damit teilweise überflüssig.
Nicht erlaubte Modifikationen
Neben den offiziellen Modifikationen gibt es auch solche, die gegen die Endbenutzerlizenzvereinbarungen
verstoßen. Solche Add-ons werden als „Hacks” bezeichnet und verschaffen dem Spieler mitunter Vorteile. Laut
Blizzards Bestimmungen dürfen Add-ons nur mit den dafür vorgesehenen Möglichkeiten erstellt werden und dürfen
den Spielern keinen direkten Vorteil verschaffen. Die letzte Regel ist allerdings umstritten, da alle Add-ons einen
Vorteil verschaffen können. In der Regel werden damit nur Add-ons gemeint, die die Spielmechanik maßgeblich
oder in nicht von den Entwicklern intendierter Weise verändern. So gab es, beziehungsweise gibt es, Hacks, die es
dem Charakter ermöglichen schneller als andere zu laufen oder Wände und Berge hinaufzusteigen, um ein paar
Beispiele zu nennen. Spieler, die auf normalem Wege spielen, können sich durch diese Hacks benachteiligt fühlen,
vor allem in Kämpfen um Belohnungen. Blizzard sorgt in der Regel dafür, dass ein bestimmter Hack nicht länger
genutzt werden kann und sperrt sämtliche Spieler, denen der Gebrauch des Hacks nachgewiesen werden kann.
Computergesteuerte Charaktere
Es gibt Programme, die Abläufe eines Charakters automatisieren und die Steuerung des Spielers übernehmen (nicht
zu verwechseln mit Nicht-Spieler-Charakteren, die von Blizzard erstellt werden). Diese Bots sammeln entweder
Gegenstände oder Gold, oder werben für den virtuellen Handel (meist durch Chatmitteilungen oder Post im Spiel).
Bots werden auch dazu benutzt, den Handel mit virtuellen Gütern gegen echtes Geld anzutreiben, da sie effizient das
Sammeln von Gegenständen und Gold übernehmen können. Das Benutzen derartiger Programme ist laut Blizzards
Nutzungsbestimmungen untersagt und kann zur Accountsperrung führen, wenn die Benutzung nachgewiesen werden
kann.
Durch die Zunahme der Werbung wurden Add-ons wie „SpamMeNot“ entwickelt um unerwünschte Mitteilungen
stark zu reduzieren und das Weiterleiten an Gamemaster zu vereinfachen.[15] Seit Patch 2.1 hat Blizzard das
Anti-Spamsystem verbessert und das Melden der Spammer vereinfacht.
Überwachung der Client-Computer
Um zu vermeiden, dass auf dem Client-Rechner via externer Programme auf den World of Warcraft-Prozess zum
Zwecke der Vorteilsbeschaffung oder der Ablauf-Automatisierung eingewirkt wird, ist in World of Warcraft eine
Überwachungsfunktionalität enthalten. Mit Hilfe einer speziellen Software – „Warden“ genannt – werden während
der Ausführung von World of Warcraft sowohl Arbeitsspeicher als auch andere CPU-Prozesse kontrolliert und nach
Mustern bekannter Cheatprogramme durchsucht.[16] Der Kunde wird vor dem ersten Start des Spieles innerhalb der
Vertragsdetails auf diesen Umstand hingewiesen. Die Einwilligung in diese Methoden ist eine Grundvoraussetzung
für die Teilnahme am Spiel.[17] Datenschützer sehen Gefahren bezüglich der Vertraulichkeit privater Daten, die auf
diesem Wege Blizzard Entertainment grundsätzlich bekannt werden könnten, und damit deutliche Parallelen zu
Spyware. Blizzard Entertainment erhielt für dieses Vorgehen deshalb im Jahr 2005 den österreichischen Big Brother
142
World of Warcraft
Award, einen Negativpreis, der jährlich vergeben wird, im Bereich Kommunikation.[18]
Monatliche Kosten und kostenpflichtige Dienste
Um die Fantasy-Welt zu betreten, muss man eine monatliche Gebühr zahlen. Mit dem Kauf des Spiels erhält man
einen Freimonat. Ein Monatsabonnement kostet 12,99 Euro, ein dreimonatiges 11,99 Euro pro Monat und ein
sechsmonatiges 10,99 Euro pro Monat. Die Zahlung ist über Kreditkarte, Lastschriftverfahren oder Telefonrechnung
möglich. Im Handel sind auch sogenannte „Prepaid Game Cards“ (Guthabenkarten) erhältlich, die ein Weiterspielen
für 60 Tage erlauben und laut Anbieter 23,99 Euro kosten. Der Einsatz der bisher erschienenen Erweiterungen hat
keinerlei Einfluss auf die monatlichen Kosten.
Darüber hinaus bietet Blizzard kostenpflichtige Dienste an. So ist es möglich, einen Charakter auf einen anderen
Realm oder Account zu transferieren. Ein Charaktertransfer kostet 20 Euro und ist einmal alle drei Tage pro
Charakter möglich. Ein weiterer Dienst ist die kostenpflichtige Umbenennung des Charakters. Alle 30 Tage kann der
Charaktername für 8 Euro geändert werden. Darüber hinaus besteht inzwischen die Möglichkeit, eine
„Rundum-Charakteranpassung“ durchzuführen. Diese beinhaltet neben der Änderung des Namens auch die
Möglichkeit, das vollständige Aussehen und Geschlecht eines Charakters zu ändern; Die Klasse eines Charakters
kann jedoch nicht geändert werden. Die Rundum-Charakteranpassung ist pro Charakter nur einmal alle 30 Tage
möglich und kostet 15 Euro. Seit dem 17. September 2009 kann darüber hinaus die Fraktion des Charakters geändert
werden. Dabei hat der Spieler die Möglichkeit jedes Volk zu wählen, sofern die betreffende Klasse verfügbar ist. Der
Fraktionswechsel kostet 25 Euro und beinhaltet zudem eine Rundum-Charakteranpassung und
Charakterumbenennung. Am 4. August 2009, vor der Einführung des Fraktionswechsels, wurde die
Fraktionsbeschränkung auf PvP-Realms entfernt, die ein Erstellen/Transferieren eines Charakters der anderen
Fraktion verhinderte.
Private Server
Neben den offiziellen Blizzard-Servern gibt es private Server, sogenannte Freeshards, für die keine Gebühren
anfallen, die von Blizzard jedoch abgelehnt werden. Die Rechtslage ist dabei nicht völlig klar, weder aus Sicht der
Spieler noch der Anbieter.
Solche Privat-Server teilen sich überwiegend in drei Kategorien auf. Die sogenannten Blizzlike-Server, welche
versuchen, möglichst nahe an die originalen Blizzard-Server heranzukommen und die sog. Fun-Server, in denen
Spieler Vorzüge, wie erhöhte Erfahrung, mehr Gold oder gar vorgefertigte Charaktere erhalten, dann gibt es noch die
Highrate-Server, welche sich einzig und allein auf erhöhte Raten der Erfahrungspunkte und/oder Chancen, dass ein
Gegner einen Gegenstand fallen lässt, beschränken.
Neu in der Branche sind die sogenannten Story-Server. Für diese wird eine eigene Geschichte niedergeschrieben,
nach der die Spieler dann spielen. Die Erweiterung der Geschichte kann u. a. weitere Instanzen, Gebiete oder sogar
neue Kontinente beinhalten. Um diese Server nutzen zu können, sind jedoch Modifikationen am Spielclient
notwendig.
Erweiterungen
143
World of Warcraft
144
World of Warcraft: The Burning Crusade
Entwickler
Blizzard Entertainment
Publisher
Vivendi
Erstveröffentlichung
16. Januar 2007
16. Januar 2007
1. Februar 2007
3. April 2007
6. September 2007
Plattform
PC (Windows 98–Windows8), Mac OS X ab 10.3.9 und Linux mittels Cedega (offiziell von
Blizzard genehmigt) oder Wine
Systemvoraussetzungen
Prozessor mit 800 MHz beziehungsweise 933 MHz (Mac) Taktfrequenz, 512 MB RAM,
3D-Karte mit 32 MB und T-&-L-Unterstützung, 10 GB Festplattenspeicher, mind.
56-k-Internetanbindung
Medium
3 CDs oder eine DVD
Sprache
mehrsprachig, u. a. Deutsch
Altersfreigabe
USK
PEGI
The Burning Crusade
Blizzard Entertainment hat am 16. Januar 2007 die Erweiterung mit dem Namen World of Warcraft: The Burning
Crusade (dt. „Der Brennende Kreuzzug“; Abkürzung: TBC oder BC) veröffentlicht. Laut Angaben des Herstellers
wurden alle vorherigen Verkaufsrekorde mit einer Gesamtzahl von 2,4 Millionen verkauften Exemplaren innerhalb
von 24 Stunden, am ersten Tag übertroffen. Somit war World of Warcraft: The Burning Crusade bis dato das am
schnellsten verkaufte PC-Spiel in Nordamerika und Europa.
Die Erweiterung bringt nicht nur die bereits oben genannten neuen Völker, „Draenei“ und „Blutelfen“, sondern auch
fliegende Reittiere, welche nicht vordefinierte und fixe Flugrouten abfliegen, sondern frei steuerbar sind.[19] Diese
Reittiere können allerdings nur in der Scherbenwelt geritten werden, die ebenfalls ein integraler Bestandteil der
Erweiterung ist. Die Scherbenwelt ist der Rest der früheren Heimatwelt der Orcs: Draenor. Diese Welt wurde durch
die dunklen Portale zerrissen, als die Brennende Legion über sie herfiel und alles Leben unterjochte.
World of Warcraft
145
Zudem wird die maximal erreichbare Charakterstufe von 60 auf 70 angehoben, welches neue Zauber und
Fähigkeiten mit sich bringt. Außerdem sind die bislang für die Fraktionen einzigartigen Klassen Paladin und
Schamane für beide Fraktionen spielbar.
Zusätzlich kommt ein neuer Beruf hinzu: Juwelenschleifen. Durch das Schleifen von Juwelen können magische
Steine hergestellt werden, die zur Aufrüstung von Rüstungen und Waffen dienen.
Spieler, die nicht die Erweiterung erwerben werden, haben die Möglichkeit, dennoch einige der neuen Inhalte nutzen
zu können. Dies betrifft die neuen Zauber, Fähigkeiten sowie Talente. Das Betreten der neuen Gebiete, das Erreichen
der Stufe 70 und das Spielen der neuen Völker ist nur den Nutzern der Erweiterung vorbehalten. Das gilt auch für die
neuen Instanzen in Azeroth, sowie das neue Schlachtfeld „das Auge des Sturms“.
Für die deutsche Ausgabe der Erweiterung wurde eine vollständige Übersetzung vollzogen. Bisher waren im Spiel
viele englische Namen enthalten, die nach und nach durch deutsche ersetzt wurden. Mit der Erweiterung und dem
bereits erschienenen Patch 2.0 wurden fast alle englische Namen übersetzt, wobei es gewisse Ausnahmen gibt.
Damit wurde eine atmosphärische Vollanpassung der Welt vollzogen, wobei allerdings die Kontinuität mit der
Übersetzung voriger Spiele und Bücher in derselben Welt hinten angestellt wurde.
Diese erste Erweiterung erschien in zwei Versionen: Die normale Edition beinhaltete das Spiel auf vier CDs, ein
Handbuch und den Code für die Aktivierung. Die Collector’s Edition, welche zu Beginn fast 90 Euro kostete,
enthielt einiges mehr. So erhielten die Käufer eine Mausmatte mit der Karte der Scherbenwelt, eine
Making-Of-DVD, den Soundtrack zum Spiel, zwei Trading-Card-Starterkits, sowie ein qualitativ hochwertiges
Artbook. Als kleiner weiterer Bonus ist ein Code für ein Haustier im Spiel enthalten, mit dem es allerdings Probleme
gab. So musste man den Code samt Kaufbeleg der Collector’s Edition an Blizzard schicken, um den
Netherdrachen-Welpen zu erhalten. Wegen der Umstände bekamen die Spieler aber noch ein Murloc-Baby dazu. Ein
weiterer Unterschied ist, dass in der Collector’s Edition sowohl eine DVD- als auch eine CD-Version des Spiels
beiliegt.
Wrath of the Lich King
World of Warcraft: Wrath of the Lich King
Entwickler
Blizzard Entertainment
Publisher
Activision Blizzard
Erstveröffentlichung
13. November 2008
Plattform
PC (Windows 98–Windows8), Mac OS X ab 10.3.9 und Linux mittels Cedega oder Wine
Genre
MMORPG
Spielmodus
Mehrspieler
Steuerung
Maus und Tastatur
World of Warcraft
146
Systemvoraussetzungen
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Sprache
mehrsprachig, u. a. Deutsch
für Vista), 3D-Karte mit 32 MB und T-&-L-Unterstützung, 15 GB Festplattenspeicher,
[20]
DVD-ROM Laufwerk, Breitband-Internetanbindung,
Mobilfunkverbindungen werden
[21]
offiziell nicht unterstützt
Altersfreigabe
USK
PEGI
Am 3. August 2007 kündigte Blizzard Entertainment die zweite Erweiterung mit dem Titel World of Warcraft:
Wrath of the Lich King (dt. „Zorn des Lichkönigs“; (siehe auch Lich) Abkürzung: WotLK oder Wrath) an.[22] Sie
erschien am 13. November 2008 zeitgleich in Europa und den USA. Der Inhalt der Erweiterung bezieht sich auf den
eisigen Kontinent „Nordend“, der in dieser zugänglich ist, und auf den Herrscher der Geißel der Untoten, den
Lichkönig Arthas. Wrath of the Lich King verkaufte sich am ersten Tag der Veröffentlichung über 2,8 Millionen mal
und brach damit den Verkaufsrekord von The Burning Crusade, der bei 2,4 Millionen lag.
Neben neuen Regionen, Monstern, Dungeons und Quests wird die Höchststufe für Spielercharaktere auf Stufe 80
angehoben. Dies bringt zudem neue Zauber und Talente mit sich. Darüber hinaus ist der „Todesritter“ verfügbar, eine
sogenannte „Heldenklasse“, welcher mit Stufe 55 in das Spiel einsteigt.
Es gibt einen neuen Beruf: Die „Inschriftenkunde“. Durch diesen lassen sich Schriftrollen erstellen, die die Zauber
und Fähigkeiten des eigenen Charakters und die der anderen Spieler dauerhaft verstärken können. Spielercharaktere
haben neue Gestaltungsmöglichkeiten, wie etwa neue Frisuren. Auch die PvP-Möglichkeiten wurden erweitert:
Große Schlachten mit Belagerungswaffen und zerstörbaren Gebäuden sollen dem Spieler noch mehr Abwechslung
bieten. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Arenen, ein neues Schlachtfeld und eine neue Arena-Saison. Zudem
wurde ein spezielles Fahrzeug-Interface in das Spiel integriert. Wenn sich der Spieler auf einem Fahrzeug, z. B.
einem Mammut, Pferd oder einem PvP-Gefährt befindet, bietet das Interface dem Spieler jeweilige
Aktionsmöglichkeiten.
Die Erweiterung ist auch als „Collector’s Edition“ erhältlich. Neben der eigentlichen Erweiterung enthält diese
zusätzlich eine Making-Of-DVD, eine CD mit Spielmusik, ein offizielles Artbook, ein Mousepad, zwei Starterkits
des offiziellen World of Warcraft Trading Card Games sowie ein spezielles Haustier im Spiel.
Cataclysm
World of Warcraft
147
World of Warcraft: Cataclysm
Entwickler
Blizzard Entertainment
Publisher
Activision Blizzard
Erstveröffentlichung
7. Dezember 2010
Plattform
PC (Windows XP–Windows8), Mac OS X ab 10.3.9 und Linux mittels Cedega oder Wine
Genre
MMORPG
Spielmodus
Mehrspieler
Steuerung
Maus und Tastatur
Systemvoraussetzungen
Prozessor mit 1,3 GHz Taktfrequenz, 1 GB RAM, NVIDIA GeForce FX oder ATI Radeon 9500
[24]
Grafikkarte oder besser, 25 GB freier Festplattenspeicher, Breitband-Internetanbindung
mit
[25]
4000Kbps
oder höher
Sprache
mehrsprachig, u. a. Deutsch
Altersfreigabe
[23]
USK
Die dritte Erweiterung World of Warcraft: Cataclysm (kurz: "Cata", deutsch. Kataklysmus) wurde anlässlich der
BlizzCon 2009 am 21. August 2009 angekündigt. Die Erweiterung enthält, neben den beiden neuen spielbaren
Völkern Goblins (Horde) und Worgen (Allianz) nebst neuen Kombinationen aus Volk und Klasse (z. B.
Gnomen-Priester), auch eine Überarbeitung der beiden alten Kontinente der Welt Azeroth. Azeroth wurde nach dem
Ausbruch des Drachen Todesschwinge von einer Katastrophe heimgesucht und ist teilweise zerstört. Archäologie –
ein neuer sekundärer Beruf – wird hinzugefügt und die maximale Stufe auf 85 angehoben. Außerdem werden Gilden
um einige Features erweitert, wie z. B. Gildenerfolge.
Es gibt auch Änderungen in der Spiel-Engine, sodass weitere grafische Verbesserungen, wie beispielsweise
realistische Wassertexturen möglich werden. Außerdem wird es durch diese Änderungen möglich, die
Phasing-Technologie auch auf das Gelände auszuweiten. Des Weiteren ist es ab Stufe 60 möglich, beide
überarbeiteten Kontinente mit einem Flugreittier zu bereisen.[26] Am 1. Juli 2010 startete die geschlossene Closed
Beta, zu der nur ausgewählte Spieler eingeladen wurden. In der Beta war es den Nutzern möglich, mithilfe des
integrierten Feedback-Tools im Teststadium auf Grafik-, Software- und Lokalisierungsfehler aufmerksam zu
machen, sowie Verbesserungsvorschläge einzureichen.
World of Warcraft
148
Am 4. Oktober 2010 gab Blizzard mit dem 7. Dezember 2010 den offiziellen Veröffentlichungstermin der dritten
Erweiterung bekannt.[27]
Als Vorbereitung auf das Erscheinen von Cataclysm wurde am 13. Oktober 2010 die Spielversion 4.0.1
veröffentlicht, die unter anderem tiefgreifende Änderungen in den Talentbäumen, eine Überarbeitung des
Benutzerinterface, sowie bereits einige technische Änderungen an der Spielengine (beispielsweise verbesserte Grafik
und den sogenannten „Streaming-Client“ (Download der Inhalte während des Spiels)) beinhaltete.
Cataclysm brach den Rekord von Wrath of the Lich King deutlich und war mit 3,3 Millionen verkauften Exemplaren
am ersten Tag wieder das am schnellsten verkaufte PC-Spiel, [28] musste diesen Titel jedoch inzwischen an das
ebenfalls von Blizzard entwickelte Diablo 3 mit 3,5 Millionen verkauften Exemplaren abgeben.
Mists of Pandaria
World of Warcraft: Mists of Pandaria
Entwickler
Blizzard Entertainment
Publisher
Activision Blizzard
Erstveröffentlichung
25. September 2012
Plattform
PC (Windows XP–Windows8), Mac OS X ab 10.3.9 und Linux mittels Cedega oder Wine
Genre
MMORPG
Spielmodus
Mehrspieler
Steuerung
Maus und Tastatur
Systemvoraussetzungen
Intel® Pentium® D oder AMD Athlon™ 64 X2 oder Intel Core™ 2 Duo , 2 GB RAM (1 GB
RAM Windows XP), NVIDIA GeForce 6800 oder ATI Radeon X1600 Pro (256 MB)oder
NVIDIA GeForce 8600M GT oder ATI Radeon HD 2600, 25 GB freier Festplattenspeicher,
Breitband-Internetanbindung mit 4000Kbps oder höher
Sprache
mehrsprachig, u. a. Deutsch
[29]
Altersfreigabe
USK
PEGI
World of Warcraft: Mists of Pandaria (kurz: MoP, deutsch: Die Nebel von Pandaria) ist die vierte Erweiterung für
World of Warcraft. Die Erweiterung wurde anlässlich der BlizzCon 2011 am 21. Oktober 2011 angekündigt.
World of Warcraft
Das Maximallevel wurde von 85 auf 90 erhöht. Die Erweiterung umfasst einen neuen Kontinent, Pandaria, eine neue
Klasse, den Mönch, zusammen mit einer neuen für beide Fraktionen spielbaren Rasse, den Pandaren. Es wurden
Haustierkämpfe, PvE-Szenarien und ein Herausforderungsmodus für Dungeons hinzugefügt. Der
31-Punkte-Talentbaum wurde durch ein neues System der abgestuften Talente, die alle 15 Ebenen vergeben werden,
ersetzt.
Die Beta von Mists of Pandaria wurde am 22. März 2012 gestartet. Spieler die einen World-of-Warcraft-Jahrespass
besaßen erhielten einen garantierten Zugang zu dieser Beta. Daneben gab es noch die Möglichkeit sich über die
Accountverwaltung für die Beta zu bewerben. Ein paar Tage nach dem Start der Beta gab es einige Beschwerden
von Seiten der Jahrespassbesitzer, wie es denn sein könne, dass Spieler ohne Jahrespass bereits einen Zugang zur
Beta haben, während Spieler mit Jahrespass noch keinen erhalten hätten. Blizzard Entertainment äußerte sich dazu
mit der Aussage, dass man die Accounts in Wellen freischalte, damit die Server nicht unter dem Ansturm der Spieler
zusammenbrechen. Am 16. August 2012 veröffentlichte Blizzard den Cinematic-Trailer von Mists of Pandaria auf
der Gamescom in Köln.
World of Warcraft: Mists of Pandaria erschien offiziell am 25. September 2012 für PC und MAC.
Warlords of Draenor
World of Warcraft: Warlords of Draenor (kurz: WoD, deutsch: Kriegshäuptlinge von Draenor) ist die fünfte
Erweiterung für World of Warcraft. Die Erweiterung wurde anlässlich der BlizzCon 2013 am 8. November 2013
angekündigt. Der Endgegner der vorherigen Erweiterung, Garrosh Höllschrei, floh durch die Zeit zurück nach
Draenor, seinen Heimatplaneten (die aus World of Warcraft : The Burning Crusade bereits bekannte frühere
Scherbenwelt), um seinen Vater, Grommash Höllschrei und dessen "Eiserne Horde" aus Rache nach Azeroth zu
führen, um alle nicht-orkischen Bewohner auszurotten.
World of Warcraft in den Medien
Auch für die Medien ist World of Warcraft interessant. Einige Dokumentationen befassten sich mit dem Spiel und in
Zeitungen und Magazinen wird über das Spiel diskutiert.
Werbespots
Anfang 2008 wurden das erste Mal Werbespots mit bekannten Persönlichkeiten ausgestrahlt, die für World of
Warcraft werben. Neben Steven Van Zandt, Jean-Claude Van Damme und Ozzy Osbourne warben gegen Ende 2008
auch deutsche Persönlichkeiten wie Smudo und Thomas D von den fantastischen Vier für das Spiel. Die Spots
vermitteln dem Zuschauer, dass diese Prominenten selbst World of Warcraft spielen würden. Dies ist jedoch
unbestätigt. Weitere Werbepartner sind Verne Troyer, William Shatner, Mr. T, Guillermo Toledo und Chuck Norris.
WOW! (GIGA)
WOW! (sprich: „Wau“) war eine TV-Sendung von GIGA, die sich ausschließlich mit World of Warcraft
beschäftigte. Die Sendung wurde von Flo(rian) Kamolz und Phil(ipp) Senkbeil moderiert. Inhalte der Sendung waren
verschiedene Anleitungen und Ratgeber zum Erfüllen von Quests, zu verschiedenen Talentspezialisierungen und
zum Erhalten von Ruf oder Ehre. Zuschauer hatten immer die Möglichkeit, den Moderatoren Fragen (genannt
„Clever-Gnom“) zu stellen, von denen einige in der Sendung und andere von der GIGA-Community beantwortet
wurden. GIGAs Sendebetrieb wurde am 31. März 2009 eingestellt, seit dem 13. Februar wurden keine neuen Folgen
der Serie mehr ausgestrahlt.[30]
149
World of Warcraft
South Park
Am 8. September 2007 gewann die South-Park-Folge Make Love, Not Warcraft einen Emmy in der Kategorie
„Zeichentricksendung (kürzer als eine Stunde)”.[31]
World-of-Warcraft-Kinofilm
Im Juni 2007 wurden Pläne zur Zusammenarbeit von Blizzard Entertainment mit Legendary Pictures für einen
Kinofilm bekannt. Beide Parteien veröffentlichten auf ihren Webseiten Informationen, dass ein gemeinsames Projekt
geplant sei.[32][33] Der 100 Millionen Dollar[34] teure Film sollte laut damaliger Planung im Jahr 2013 in den Kinos
gezeigt werden und laut Blizzard aus Perspektive der Allianz spielen. Regie sollte zuerst Sam Raimi führen, der
unter anderem auch schon bei den drei Spider-Man-Filmen dabei war. Im Juli 2012 erklärte Raimi auf der San Diego
Comic-Con International, dass er nicht mehr als Regisseur der World-of-Warcraft-Verfilmung fungieren würde,
nachdem er die Regie von Die fantastische Welt von Oz übernommen habe. Im Januar 2013 wurde bekannt gegeben,
das Duncan Jones der neue Regisseur für den Film ist. Der neue Drehbuchautor ist seit August 2012 Charles Leavitt,
der das Drehbuch für den Film Blood Diamond geschrieben hat. Ende April 2013 wurde bekannt, dass der
oscarprämierte Filmtechniker Bill Westenhofer, der sich auf visuelle Effekte spezialisiert hat, für den Film engagiert
wurde.[35] Der Dreh des Kinofilms wird im ersten Quartal 2014 beginnen.[36]
Legendary Pictures und Warner Bros. waren im gemeinsamen Gespräch zwecks Realisierung des World of Warcraft
Kinofilms. Die Vertragsverhandlungen sind allerdings gescheitert. Nun hat Legendary Pictures angekündigt, den
Film durch Eigenkapital zu realisieren.[37]
Der Chief Executive Officer von Legendary Pictures Thomas Tull äußerte sich Anfang Juli 2013 in einem Interview
über den World of Warcraft Kinofilm. Tull zufolge ist für Legendary Pictures wichtig, dass der Film der Vorlage
von Blizzard Entertainment gerecht wird und die Warcraft-Welt auf die große Leinwand bringt. Gleichzeitig aber
soll auch einfach ein guter Film entstehen, der nicht nur darauf setzt, dass die Fans schon ins Kino gehen werden.
"Wir wüssten nicht, wie wir einen Film zu Warcraft dem Computerspiel drehen sollten. Wir wollen die
Warcraft-Geschichte einfangen, die Charaktere, den Krieg, die verschiedenen Völker, die Blizzard erschuf", sagte
Tull. Erst wenn das gegeben ist, sollen die Dreharbeiten beginnen. Das Drehbuch sei noch nicht fertiggestellt, das
Projekt sei aber auf einem guten Weg. "Wir lassen uns Zeit, denn wir wollen das nicht vermasseln. Und ich glaube
wir nähern uns dem Punkt, an dem es richtig losgehen kann", so Tull.[38]
Epidemie „Verseuchtes Blut“
Nach Veröffentlichung des Inhaltspatches 1.7 im September 2005 wurde die Instanz „Zul'Gurub“ zugänglich
gemacht. Der dortige Endgegner infizierte zufällige Spieler mit der Krankheit „Verseuchtes Blut“, die sich auf nahe
stehende Spieler übertrug. Ursprünglich sollte die Krankheit nur in der Nähe des Endgegners aktiv sein, allerdings
konnte sie aufgrund eines Programmfehlers aus der Instanz herausgebracht werden. Die folgende Epidemie in der
freien Spielwelt gab Anlass, sich über Online-Rollenspiele als Seuchenmodelle Gedanken zu machen. Im
September 2007 wurde in der Fachzeitschrift The Lancet Infectious Diseases ein Artikel veröffentlicht, der sich mit
diesem Vorfall befasste.[39][40]
Fankultur
Durch die große Community von World of Warcraft hat sich eine umfassende Fankultur gebildet. So gibt es auf
World of Warcraft basierende Comics („Shakes and Fidget“), Hörspiele („Allimania“ und „der Boon“), außerdem gibt
es Artworks von Spielern, die von Blizzard regelmäßig mit Preisen prämiert werden. Mehrere
Computerspielmagazine und Internetseiten berichten hauptsächlich über World of Warcraft (buffed.de, das
monatlich erscheinende PC-Games-Sonderheft zu World of Warcraft). Außerdem versuchen Spieler immer wieder
mit Kostümen (auch im Rahmen der Blizzcon) den Vorbildern aus dem Spiel nahe zu kommen.
150
World of Warcraft
Bewertungen
Bewertungen zu World of Warcraft
•
•
•
•
PC PowerPlay: 92 % (März 2005) (aufgewertet nach Patch 1.10 auf 95 %)
GameStar: 90 % (Mai 2005)[41]
PC Games: 94 % (Februar 2005)[42]
PC Action: 93 % (März 2005)[43]
Computer Bild Spiele: Gut (1,78)[44]
Bewertungen zu The Burning Crusade
•
•
•
•
PC Games: 90 % (März 2007)[45]
GameStar: 92 % (März 2007)[46]
Computer Bild Spiele: Gut (1,87)[47]
gamona: 92 % (Januar 2007)[48]
Bewertungen zu Wrath of the Lich King
•
•
•
•
GameStar: 89 %[49]
Computer Bild Spiele: Gut (2,34)[50]
EuroGamer.de: 9/10[51]
4Players: 91 %[52]
Bewertungen zu Cataclysm
• PC Games: 91 %[53]
• GameStar: 88 %[54]
Bewertungen zu Mists of Pandaria
• Gamestar: 85 %[55]
• IGN Entertainment: 8,7/10 [56]
Auszeichnungen
Auszeichnungen für World of Warcraft
• GameSpot: Best Game of the Year, Best PC Game of the Year, Best Massively Multiplayer Online Game,
Editor’s Choice Award
• GameSpy: Best Role-Playing (RPG or MMORPG), PC RPG / MMORPG Gamers’ Choice Awards, Editor’s
Choice Award
• IGN Entertainment: Best Persistent World Game, Editor’s Choice Award
• Filefront: Best PC RPG
• Deutscher Entwicklerpreis der Jury in der Kategorie „Bestes internationales Onlinespiel 2005“[57]
• Apple Design Award: Best Mac OS X Entertainment Product
• PC PowerPlay Award für Atmosphäre
• GameStar:
• „Spiel des Jahres“
• „Bestes Abenteuerspiel“
• Best of Show (E3 2003) - The Wargamer
151
World of Warcraft
[58]
Bester langlebigster Online Titel (E3 2003) - IGN PC
Zweiter Platz für Beste Grafik (E3 2003) - IGN Vault
Auszeichnungen für The Burning Crusade
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•
•
•
Topspiel der Redaktion - GameSpot
Topspiel der Redaktion - IGN Entertainment
Topspiel der Redaktion - MacWorld
Platin-Award - GameStar
Platin-Award - 4players.de
Megastar Award - Joystick Magazine
Auszeichnungen für Wrath of the Lich King
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Massively Multiplayer Game of the Year - 12. Annual Interactive Achievement Awards
Best Expansion Pack - GameSpot
Top 10 Spiel des Jahres 2008, PC und allgemein - GameSpy
Best of 2008 - Top 5 PC Spiel - Wired
Bestes Spiel 2008 - Metacritic[59]
Top 50 Spiele des Jahres - Eurogamer[60]
Top 50 Spiele des Jahres - Game Informer
Beliebteste Erweiterung 2008 - Massively[61]
Bestes MMORPG - VGChartz[62]
Beste Erweiterung 2008 - GameStooge.com[63]
Topspiel der Redaktion - GameSpot
Topspiel der Redaktion - GameSpy[64]
Topspiel der Redaktion - IGN Entertainment[65]
Topspiel der Redaktion - PC Gamer
Auszeichnungen für Cataclysm
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•
•
•
•
•
MMO-Spiel des Jahres - GameSpy[66]
Bestes MMO (PC) - IGN Entertainment[67]
Bestes MMORPG - 1UP[68]
Bestes MMO des Jahres - G4TV[69]
Leserwahl: Bestes Fantasyspiel (PC) - IGN Entertainment
Beste Erweiterung - Game Banshee
Bestes Multiplayerspiel - RPGamer[70]
2010 Gaming Awards - Maximum PC
Beste Erweiterung - GameTrailers[71]
152
World of Warcraft
Auszeichnungen für Mists of Pandaria
•
Top 50 Spiel 2012 - Game Informer[72]
Top 50 Spiel der Leserwahl 2012 - Eurogamer [73]
Bestes MMO 2012 - GamesBeat[74]
Bester zusätzlicher Inhalt - Machinima.com Inside Gaming Awards[75]
Editors Choice - GameTrailers[76]
Buchveröffentlichungen in Lizenz
Romane
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Keith R. A. De Candido: Teufelskreis, Panini Verlag 2006 (Erster Teil der WoW-Romanreihe)
Christie Golden: Der Aufstieg der Horde, Panini Verlag 2007 (Zweiter Teil)
Aaron Rosenberg: Im Strom der Dunkelheit, Panini Verlag 2008 (Dritter Teil)
Keith DeCandido, Christie Golden und Aaron Rosenberg: Premiumausgabe, Panini Verlag 2008 (beinhaltet den
ersten, zweiten und dritten Teil)
Aaron Rosenberg und Christie Golden: Jenseits des Dunklen Portals, Panini Verlag 2008 (Vierter Teil)
Richard A. Knaak: Die Nacht des Drachen, Panini Verlag 2009 (Fünfter Teil)
Christie Golden: Arthas – Aufstieg des Lichkönigs, Panini Verlag 2009 (zum Add-On Wrath of the Lich King)
Richard A. Knaak: Sturmgrimm, Panini Verlag 2010
Christie Golden: Weltenbeben, Panini Verlag 2010 (zum Add-On Cataclysm)
Richard A. Knaak: Wolfsherz, Panini Verlag 2011
Christie Golden: "Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges", Panini Verlag 2012
Comics
Die Comics erschienen im englischsprachigen Original bei WildStorm, einem Label von DC Comics, in deutscher
Sprache veröffentlichte der Panini Verlag zunächst eine Heftreihe, die auf fünf Ausgaben kam und deren Comics
später in den Sonderbänden zusammengefasst wurden.
•
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•
•
Simonson, Lullabi und Hope: Fremder in einem fremden Land, Panini Verlag 2008 (Sonderband 1)
Neilson, Lullabi, Washington: Aschenbringer, Panini Verlag 2009
Simonson, Buran, Moore: In den Klauen des Todes, Panini Verlag 2009 (Sonderband 2)
Simonson, Buran, Moore: Angriff der Geißel, Panini Verlag 2010 (Sonderband 3)
Simonson, Bowden, Washington: Armageddon, Panini Verlag 2010 (Sonderband 4)
Artbook
• Blizzard Film Department (BFD): Wrath of the Lich King – Das offizielle Artbook, Panini Verlag 2009
Literatur
• John Bohannon: Slaying Monsters for Science. In: Science, 20. Juni 2008, Bd. 320, Nr. 5883, S. 1592
(doi:10.1126/science.320.5883.1592c [77]).
• Sascha Lohmüller: Fünf Jahre World of Warcraft. In: PC Games 1/2010, S. 24–26.
Weblinks
• Offizielle Website zu World of Warcraft [78]
• Links zum Thema World of Warcraft [79] bei DMOZ (Links zu Fanseiten)
• Wowwiki.com [80] – WoWWiki, ein Wiki zu World of Warcraft (englisch)
153
World of Warcraft
Einzelnachweise
[1] auf speedydragon.de (20. Oktober 2010). Cataclysm mit PowerPC-CPUs (Macintosh) nicht mehr spielbar (http:/ / wow. speedydragon. de/
news/ 11070/ cataclysm-mit-power-pc-cpus-macintosh-nicht-mehr-spielbar)
[2] Blizzard Forum (9. Januar 2012). Windows 2000 Support (http:/ / eu. battle. net/ wow/ de/ forum/ topic/ 3225593533)
[3] The New York Times (5. September 2006). Online Game, Made in U.S., Seizes the Globe (http:/ / www. nytimes. com/ 2006/ 09/ 05/
technology/ 05wow. html). Aufgerufen am 14. November 2008.
[4] Guinness World Records Gamer's Edition – Records – PC Gaming (http:/ / gamers. guinnessworldrecords. com/ records/ pc_gaming. aspx)
[5] World of Warcraft, aktuelle Abonnentenzahlen (http:/ / www. mmo-champion. com/ content/
3509-WoW-Down-to-7-6-Million-Subscribers?page=22#comments)
[6] Blizzard Entertainment (15. September 2008). World of Warcraft: Wrath of the Lich King ab 13. November 2008 erhältlich (http:/ / eu.
blizzard. com/ de/ press/ 080915. html). Aufgerufen am 15. September 2008.
[7] Blizzard Entertainment (20. November 2008). World of Warcraft: Wrath of the Lich King bricht Verkaufsrekord am 1. Tag nach der
Veröffentlichung (http:/ / eu. blizzard. com/ de/ press/ 081120. html). Aufgerufen am 21. November 2008.
[8] WoW Mists of Pandaria: Das bietet die neue World of Warcraft Erweiterung (http:/ / wow. plonki. com/ news/
wow-mists-of-pandaria-neue-world-of-warcraft-erweiterung,399446. html)
[9] WoW Mists of Pandaria Verkaufszahlen (http:/ / www. pcgameshardware. de/ World-of-Warcraft-Mists-of-Pandaria-PC-238645/ News/
WoW-Mists-of-Pandaria-gute-Verkaufszahlen-1028294/ )
[10] Warlords of Draenor angekündigt (http:/ / eu. battle. net/ wow/ de/ blog/ 11514710/
World_of_Warcraft_Warlords_of_Draenor_enthüllt-08_11_2013)
[11] Blizzard Entertainment Pressemitteilug (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=3757462/ )
[12] Wowhead. Quests – World of Warcraft (http:/ / www. wowhead. com/ ?quests). Aufgerufen am 6. Juli 2011.
[13] World of Warcraft Europe. Sprachchat (http:/ / www. wow-europe. com/ de/ info/ basics/ voicechat. html). Aufgerufen am 29. Oktober
2008.
[14] Tagesthemen (http:/ / www. youtube. com/ watch?v=qDZSMrDVkC4) (vom 5. Oktober 2006)
[15] Curse (1. Mai 2007). SpamMeNot – Anti goldspam (http:/ / www. curse. com/ addons/ wow/ spam-me-not). Aufgerufen am 29. Oktober
2008.
[16] Bruce Schneier (13. Oktober 2005). Blizzard Entertainment Uses Spyware to Verify EULA Compliance (http:/ / www. schneier. com/ blog/
archives/ 2005/ 10/ blizzard_entert. html). Aufgerufen am 29. Oktober 2008.
[17] World of Warcraft Europe. World of Warcraft Nutzungsbestimmungen (http:/ / www. wow-europe. com/ de/ legal/ termsofuse. html).
Aufgerufen am 29. Oktober 2008.
[18] Big Brother Awards Austria (2005). Preisträger (http:/ / www. bigbrotherawards. at/ 2005/ Preistraeger. html). Aufgerufen am 29. Oktober
2008.
[19] World of Warcraft: Burning Crusade „Motivation auf dem Silbertablett“ (http:/ / www. rebell. at/ ?site=r5& cnt=artikel& id=825)
[20] Für WotLK aktualisierte Systemminima (http:/ / eu. battle. net/ support/ de/ article/ mindestanforderungen-wow) auf eu.battle.net
[21] GM-Zitat bzgl. UMTS (http:/ / eu. battle. net/ wow/ de/ forum/ topic/ 917102004?page=2#22)
[22] World of Warcraft: Wrath of the Lich King angekündigt (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=2450360)
[23] (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?101004) Blizzard Entertainment (4. Oktober 2010) WORLD OF
WARCRAFT®: CATACLYSM® AB 7. DEZEMBER IM HANDEL
[24] http:/ / us. blizzard. com/ support/ article. xml?locale=en_US& articleId=21054
[25] http:/ / eu. battle. net/ wow/ de/ forum/ topic/ 1710235974
[26] World of Warcraft: Cataclysm – Inhalte (http:/ / www. wow-europe. com/ cataclysm/ features/ ) gesichtet am 25. September 2010
[27] http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?101004
[28] Cataclysm bricht Verkaufsrekord für PC-Spiele (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?101213)
[29] (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ press/ pressreleases. html?id=5527445) Blizzard Entertainment (25. Juli 2012) WORLD OF
WARCRAFT®: CATACLYSM® AB 25. SEPTEMBER IM HANDEL
[30] GIGA (13. Februar 2009). GIGA wird eingestellt – Danke an die beste Community im Netz! (http:/ / www. giga. de/ blog/ 89/ ). Aufgerufen
am 16. März 2009.
[31] Academy of Television Arts & Sciences (http:/ / www. emmys. tv/ awards/ 2007pt/ nominations_crtv. php?action=search_db)
[32] Legendary Pictures: World of Warcraft „In Development“ (http:/ / www. legendarypictures. com/ index. php)
[33] Blizzard Entertainment Firmenprofil (http:/ / eu. blizzard. com/ de-de/ company/ about/ profile. html)
[34] Gameswelt (6. August 2007). World of WarCraft – Kinofilm für 100 Millionen Dollar (http:/ / www. gameswelt. de/ news/
27480-World_of_WarCraft_-_Kinofilm_fuer_100_Millionen_Dollar. html). Aufgerufen am 4. April 2009.
[35] WoW Kinofilm News (http:/ / manaflask. com/ de/ articles/ oscar-gewinner-fur-visual-effects-des-wow-films-angeheheuert)
[36] WoW Kinofilm wird 2014 gedreht (http:/ / manaflask. com/ de/ articles/ wow-film-wird-2014-gedreht-2015-in-den-kinos)
[37] World of Warcraft: Dreharbeiten des Filmes nicht gefährdet (http:/ / world-of-warcraft. mmorpg. de/ news/
world-of-warcraft-dreharbeiten-des-filmes-nicht-gefaehrdet/ )
[38] World of Warcraft Drehbuch noch nicht fertig (http:/ / www. buffed. de/ World-of-Warcraft-WoW-in-Planung-Film-203964/ News/
Warcraft-Film-Legendary-Boss-Thomas-Tull-ueber-die-hohen-Erwartungen-1077129/ )
154
World of Warcraft
[39] Meldung auf heise.de zum Verseuchten Blut (http:/ / www. heise. de/ newsticker/
Virtuelle-Spielwelten-als-Plattform-fuer-Seuchenmodelle--/ meldung/ 94642)
[40] Artikel aus „The Lancet Infectious Diseases“ im PDF-Format (http:/ / terranova. blogs. com/ s14733099077021283. pdf)
[41] GameStar Test von World of Warcraft aufgerufen am 6. Mai 2014 (http:/ / www. gamestar. de/ spiele/ world-of-warcraft/ 33592. html)
[42] Testergebnis der PC Games zu World of Warcraft (http:/ / www. pcgames. de/ ?product_id=16678)
[43] Testergebnis von PC Action aufgerufen am 6. Mai 2014 (http:/ / www. pcaction. de/ World-of-Warcraft-PC-16678/ Tests/
World-of-Warcraft-358662/ )
[44] Testergebnis der ComputerBild Spiele zu World of Warcraft (http:/ / www. computerbild. de/ produkte/
Spiele-PC-World-of-Warcraft_878501. html)
[45] Testergebnis der PC Games zu World of Warcraft: The Burning Crusade (http:/ / www. pcgames. de/ ?product_id=108740)
[46] Testergebnis der Gamestar zu World of Warcraft: The Burning Crusade (http:/ / www. gamestar. de/ spiele/ wertungskasten/ rollenspiele/
35135/ world_of_warcraft_the_burning_crusade_. html)
[47] Testergebnis der Computer Bild Spiele zu World of Warcraft: The Burning Crusade (http:/ / www. computerbild. de/ produkte/
Spiele-PC-World-of-Warcraft-The-Burning-Crusade_1121752. html)
[48] Testergebnis von gamona zu World of Warcraft: The Burning Crusade (http:/ / www. gamona. de/ games/
world-of-warcraft-the-burning-crusade,test-pc:article,181056. html)
[49] Gamestar (7. Dezember 2008). World of Warcraft: Wrath of the Lich King (http:/ / www. gamestar. de/ spiele/ wertungskasten/ rollenspiele/
43559/ world_of_warcraft_wrath_of_the_lich_king. html). Aufgerufen am 16. März 2009.
[50] Computer Bild Spiele (28. November 2008). Im Test: World of Warcraft – Wrath of the Lich King (http:/ / www. computerbild. de/ artikel/
cbs-Tests-Review-PC-World-of-Warcraft-WoW-Wrath-of-the-Lich-King-WotLK-3694372. html). Aufgerufen am 16. März 2009.
[51] Eurogamer (4. Dezember 2008). World of WarCraft: Wrath of the Lich King Test (http:/ / www. eurogamer. de/ articles/
world-of-warcraft-wrath-of-the-lich-king-test). Aufgerufen am 16. März 2009.
[52] 4Players (12. November 2008). World of WarCraft: Wrath of the Lich King (http:/ / www. 4players. de/ 4players. php/ dispbericht/ 360/
Test/ 9343/ 60968/ 0/ World_of_WarCraft_Wrath_of_the_Lich_King. html). Aufgerufen am 4. Juni 2010.
[53] PC Games (6. Dezember 2010). World of Warcraft: Cataclysm (http:/ / www. pcgames. de/ World-of-Warcraft-Cataclysm-PC-232999/
Tests/ World-of-Warcraft-Cataclysm-im-Test-Blizzard-krempelt-alles-um-802710/ ). Aufgerufen am 6. Dezember 2010.
[54] GameStar (16. Dezember 2010). World of Warcraft: Cataclysm (http:/ / www. gamestar. de/ spiele/ world-of-warcraft-cataclysm/ wertung/
45344. html). Aufgerufen am 16. Dezember 2010.
[55] Gamestar (24. September 2012). World of Warcraft: Mists of Pandaria (http:/ / www. gamestar. de/ spiele/
world-of-warcraft-mists-of-pandaria/ test/ world_of_warcraft_mists_of_pandaria,46595,3005255. html)
[56] http:/ / www. ign. com/ articles/ 2012/ 10/ 04/ world-of-warcraft-mists-of-pandaria-review
[57] Gewinner des Deutschen Entwicklerpreises 2005 (http:/ / www. deutscher-entwicklerpreis. de/ hall/ gewinner_2005. htm)
[58] Bester langlebigster Online Titel für die IGN PC (http:/ / www. ign. com/ articles/ 2003/ 05/ 22/ ignpcs-best-of-e3-2003-awards), aufgerufen
am 8. Mai 2014
[59] Die am besten bewerteten Spiele der Metacritic 2008 aufgerufen am 8. Mai 2014 (http:/ / www. metacritic. com/ browse/ games/ score/
metascore/ year/ pc?sort=desc& year_selected=2008)
[60] Die 50 besten Spiele des Jahres 2008 der Eurogamer aufgerufen am 8.Mai 2014 (http:/ / www. eurogamer. net/ articles/
eurogamers-top-50-games-of-2008-20-11-article?page=3)
[61] Die beliebteste Erweiterung 2008 der Massively aufgerufen am 8. Mai 2014 (http:/ / massively. joystiq. com/ 2008/ 12/ 16/
massivelys-best-of-favorite-expansion-of-2008/ )
[62] Bestes MMORPG der VGChartz aufgerufen am 8.Mai 2014 (http:/ / www. vgchartz. com/ article/ 2718/
overall-vgchartz-game-of-the-year-awards-2008/ )
[63] Beste Erweiterung 2008 der GameStooge aufgerufen am 8.Mai 2014 (http:/ / www. gamestooge. com/ 2009/ 01/ 04/
gamestooge-awards-technical-awards-part-ii/ )
[64] GameSpy erklärt Wrath of the Lich King zum Topspiel der Redaktion (http:/ / pc. gamespy. com/ pc/
world-of-warcraft-wrath-of-the-lich-king/ 933776p1. html) aufgerufen am 8. Mai 2014
[65] Wrath of the Lich King Review von IGN Entertainment (http:/ / www. ign. com/ articles/ 2008/ 11/ 26/
world-of-warcraft-wrath-of-the-lich-king-review) aufgerufen am 8. Mai 2014
[66] Die GameSpy erklärt Cataclysm zum MMO-Spiel des Jahres (http:/ / www. gamespy. com/ articles/ 114/ 1141516p5. html) aufgerufen am
8. Mai 2014
[67] IGN Entertainment beschreibt Cataclysm als Bestes MMO 2010 (http:/ / bestof. ign. com/ 2010/ pc/ best-mmo. html) aufgerufen am 8. Mai
2014
[68] 1UP erklärt Cataclysm zum besten MMORPG 20120 (http:/ / www. 1up. com/ features/ 1up-2010-game-year-awards?pager. offset=2)
aufgerufen am 8. Mai 2014
[69] Der MMO-Report 2010 der G4TV (http:/ / www. g4tv. com/ videos/ 50431/ The-MMO-Report-2010-in-Review/ ) aufgerufen am 8. Mai
2014
[70] RPGamer Awards 2010 (http:/ / www. rpgamer. com/ awards/ 2010/ results/ multiplayer. html) aufgerufen am 8. Mai 2014
[71] GameTrailers über die Beste Erweiterung 2010 (http:/ / www. gametrailers. com/ videos/ 85g17i/ best-expansion) aufgerufen am 8. Mai
2014
155
World of Warcraft
156
[72] Rangliste der 50 Besten Spiele 2012 von der Seite Game Informer aufgerufen am 8. Mai 2014 (http:/ / www. gameinformer. com/ b/
features/ archive/ 2012/ 12/ 10/ top-50-games-of-2012-review-roundup. aspx)
[73] Eurogamer Artikel über die 50 Besten Spiele der Leserwahl 2012 (http:/ / www. eurogamer. net/ articles/
2012-12-31-eurogamer-readers-top-50-games-of-2012) aufgerufen am 8. Mai 2014
[74] Rangliste der GamesBeat Redaktion aufgerufen am 8. Mai 2014 (http:/ / venturebeat. com/ 2012/ 12/ 27/ the-best-mmos-of-2012/ )
[75] Inside Gaming Award der Machinima (https:/ / www. machinima. com/ blog/ posts/
machinima-announces-winners-of-4th-annual-inside-gaming-awards) aufgerufen am 8. Mai 2014
[76] GameTrailers über Mists of Pandaria aufgerufen am 8. Mai 2014 (http:/ / www. gametrailers. com/ games/ silbxs/
world-of-warcraft--mists-of-pandaria)
[77] http:/ / dx. doi. org/ 10. 1126%2Fscience. 320. 5883. 1592c
[78] http:/ / eu. battle. net/ wow/ de
[79] http:/ / www. dmoz. org/ World/ Deutsch/ Spiele/ Computerspiele/ Genres/ Rollenspiele/ World_of_Warcraft/
[80] http:/ / www. wowwiki. com/
Normdaten (Sachbegriff): GND: 7526399-3 (http://d-nb.info/gnd/7526399-3)
Universitätsmedizin der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Trägerschaft
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Ort
Mainz, Deutschland
Koordinaten
49° 59′ 33,3″ N, 8° 15′ 28,4″ O
Leitung
Babette Simon (Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzende)
Ulrich Förstermann (Wissenschaftlicher Vorstand)
Götz Scholz (Kaufmännischer Vorstand)
Marion Hahn (Pflegevorstand)
[1]
Koordinaten: 49° 59′ 33,3″ N, 8° 15′ 28,4″ O
[1]
Versorgungsstufe Maximalversorgung
Betten
ca. 1.500
Mitarbeiter
ca. 7.500
davon Ärzte
ca. 960
Zugehörigkeit
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Gründung
1952
Website
www.unimedizin-mainz.de/
[2]
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz[3] (bis 31. Dezember 2008: Klinikum der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz) ist das einzige Universitätsklinikum in Rheinland-Pfalz und steht außerdem
in der Tradition des Stadtkrankenhauses Mainz (1914 neu errichtet und 1952 in die Universitätsklinik umgewandelt).
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
157
Übersicht
Mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen sowie zwei Einrichtungen der medizinischen Zentralversorgung –
die Apotheke und die Transfusionszentrale – gehören zum Universitätsklinikum Mainz. Mit etwa 7.500
Mitarbeitern[4] ist das Klinikum einer der größten Arbeitgeber der Region. Zum 1. Januar 2009 wurden das
Universitätsklinikum sowie der Fachbereich Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in der neuen
Universitätsmedizin als Körperschaft des öffentlichen Rechts zusammengeführt. Das Klinikum verfügt über gut
1.500 Betten. Die ambulante Fallzahl im Jahr 2012 betrug 241.429, die stationäre Fallzahl 68.661 (voll- und
teilstationär). Knapp 3.300 Studenten der Humanmedizin und der Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. An
acht Lehranstalten und Schulen erlernen mehr als 600 Auszubildende verschiedenste medizinische
Gesundheits-Fachberufe: vom Krankenpfleger über den Logopäden bis zum Diätassistenten und zur Hebamme.
Daneben bildet das Klinikum auch in kaufmännischen und technischen Berufen aus.
Am 9. Januar 2014 hat der Aufsichtsrat der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Babette
Simon ab dem 1. April 2014 für fünf Jahre zum Medizinischen Vorstand und zur hauptamtlichen
Vorstandsvorsitzenden der Universitätsmedizin bestellt.[5][6]
Forschung
In Mainz bilden Immunologie und Tumormedizin, Neurowissenschaften, Präventive Medizin und Minimal-invasive
Chirurgie die klinisch-wissenschaftlichen Schwerpunkte.
Lehre
Für die Studiengänge der Human- und Zahnmedizin repräsentiert die Universitätsmedizin die einzige
Ausbildungsstätte des Landes Rheinland-Pfalz.[7] Pro Semester stehen an der Universitätsmedizin Mainz in der
Humanmedizin ca. 190 und in der Zahnmedizin ca. 50 Plätze zur Verfügung.[8]
Kliniken, Institute und Einrichtungen
Kliniken
• I. Medizinische Klinik und Poliklinik
• (Gastroenterologie, Hepatologie, Nephrologie, Rheumatologie,
Infektionskrankheiten)
• Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen
• II. Medizinische Klinik und Poliklinik (Kardiologie, Angiologie)
• III. Medizinische Klinik und Poliklinik (Hämatologie, Onkologie,
Pneumologie)
• Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral und
Transplantationschirurgie
• Klinik für Anästhesiologie
• Apotheke
• Augenklinik und Poliklinik
• Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten
• Brustzentrum
• Abteilung für Experimentelle Endokrinologie
• Hals-Nasen-Ohren-Klinik und Poliklinik (HNO)
• Abt. Kommunikationsstörungen
Die Nachsorgeklinik im Gebäude 701 mit der
Klinik und Poliklinik für Neurologie und der II.
Medizinischen Klinik und Poliklinik für
Angiologie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
158
• Hautklinik und Poliklinik
• Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie
• Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie
• Kinderklinik und Kinderpoliklinik
• Klinik und Poliklinik für Neurologie
•
•
•
•
•
Neurochirurgische Klinik und Poliklinik
Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
Orthopädische Klinik und Poliklinik
Palliativmedizin
Psychiatrische Klinik und Poliklinik
• Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie
• Klinik und Poliklinik für diagnostische und interventionelle
Radiologie
• Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie
• Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie
• Transfusionszentrale
• Urologische Klinik und Poliklinik
• Zahn-, Mund-, Kieferheilkunde
Die Innere Medizin im Gebäude 605 der
Universitätsmedizin Mainz mit den I.–III.
Medizinischen Kliniken und Polikliniken, der
Klinik und Poliklinik für Radiologie, der
Neurologie/Stroke-Unit, Chest-Pain-Unit,
Cardioacut und dem Zentrallabor
• Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Die Hautklinik der Universitätsmedizin der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
•
•
•
•
Poliklinik für Kieferorthopädie
Poliklinik für Prothetik
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde
Vorklinische Institute
•
•
•
•
•
Institut für Funktionelle und Klinische Anatomie
Institut für Mikroskopische Anatomie und Neurobiologie
Institut für Physiologie und Pathophysiologie
Institut für Physiologische Chemie
Institut für Pathobiochemie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Klinisch-Theoretische Institute
•
•
•
•
•
•
•
•
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Institut für Immunologie
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Institut für Pharmakologie
Institut für Rechtsmedizin
Institut für Toxikologie
Institut für Virologie
Klinische Institute
•
•
•
•
•
Institut für Angewandte Struktur und Mikroanalytik
Institut für Humangenetik
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (Zentrallabor)
Institut für Lehrergesundheit
Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik
• Deutsches Kinderkrebsregister
• Krebsregister Rheinland-Pfalz
• Institut für Molekulare Medizin
• NeuroKine
• Institut für Neurochirurgische Pathophysiologie
• Institut für Neuroradiologie
• Institut für Allgemeine Pathologie
• Abt. für Neuropathologie
• Institut für physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation
• Institut für Zahnärztliche Werkstoffkunde und Technologie
• Zentrum für Rheuma-Pathologie
Interdisziplinäre Einrichtungen
•
•
•
•
•
•
•
Brustzentrum
Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH)
Interdisziplinäres Zentrum Klinische Studien (IZKS)
Gyn-Krebszentrum
Palliativmedizin
Schmerztherapie-Zentrum
Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen
159
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
160
Schulen und Lehranstalten
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Hebammenschule
Schule für Gesundheits- und Krankenpflege und Schule für Krankenpflegehilfe
Schule für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege
Schule für Medizinisches Informationsmanagement
Schule für Operationstechnische Assistenten
Schule für Physiotherapie
Staatliche Lehranstalt für Diätassistenten
Staatliche Lehranstalt für Medizinisch-Technische Laboratoriumsassistenten
Staatliche Lehranstalt für Medizinisch-Technische Radiologieassistenten
Staatliche Lehranstalt für Logopädie
Geschichte
Jahr
1477
Ereignis
Gründung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit vier Fakultäten, u.a. der Medizinischen Fakultät
1911–1914 Errichtung eines Stadtkrankenhauses in Pavillon-Bauweise für 750 Betten (1935: 1.244 Betten)
1946
Wiedereröffnung der Universität und damit auch der Medizinischen Fakultät, Stadt Mainz stellt ihr Krankenhaus „zur Mitbenutzung
für Forschung und Lehre“ zur Verfügung
1950
Stadt Mainz und Universität schließen Pachtvertrag zur Nutzung des Städtischen Krankenhauses ab.
1988
Großbrand in der Chirurgie am 31. März
2011
65-jähriges Jubiläum der Wiederöffnung der Medizinischen Fakultät
Weblinks
• Website der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz [2]
• Website der Johannes Gutenberg-Universität Mainz [9]
• Website der Bibliothek für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde [10]
Einzelnachweise
[1] http:/ / tools. wmflabs. org/ geohack/ geohack.
php?pagename=Universit%C3%A4tsmedizin_der_Johannes_Gutenberg-Universit%C3%A4t_Mainz& language=de& params=49.
992594722222_N_8. 2578991666667_E_dim:500_region:DE-RP_type:landmark
[2] http:/ / www. unimedizin-mainz. de/
[3] Pressemitteilung: „Universitätsmedizin“ am 1. Januar 2009 gestartet – Beim neuen Schriftzug der „Universitätsmedizin“ steht die Medizin im
Fokus (http:/ / www. klinik. uni-mainz. de/ presse/ pressemitteilungen/ aktuelle-mitteilungen/ newsdetail/ article/ 107/ universitaet-1.
html?no_cache=1& cHash=64051222c3)
[4] Angabe auf der Website der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (http:/ / www. unimedizin-mainz. de/
organisation/ uebersicht. html)
[5] Neubesetzungen im Vorstand der Universitätsmedizin Mainz: Prof. Dr. Babette Simon löst Prof. Dr. Norbert Pfeiffer als
Vorstandsvorsitzenden ab. Marion Hahn wird Pflegevorstand (http:/ / www. unimedizin-mainz. de/ presse/ pressemitteilungen/
aktuelle-mitteilungen/ newsdetail/ article/ / pressemittei. html?no_cache=1& cHash=07b04a74e03fdc00181766ccf078d934) auf der Website
der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
[6] Mainz: Künftige Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin stellt sich vor - Babette Simon übernimmt als erste Frau Uniklinikum (http:/ /
www. allgemeine-zeitung. de/ lokales/ mainz/ nachrichten-mainz/
universitaet-klinikum-vorstandsvorsitzende-mainz-babette-simon_13772492. htm) auf der Website der Verlagsgruppe Rhein Main vom 10.
Januar 2014
[7] Angabe auf der Website der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (http:/ / www. unimedizin-mainz. de/
studierende. html)
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
[8] Lehrberichte der Universitätsmedizin Mainz (http:/ / www. medizin. uni-mainz. de/ studium-lehre/
informationen-fuer-lehrende-und-einrichtungen/ lehrberichte. html)
[9] http:/ / www. uni-mainz. de/
[10] http:/ / www. zmk-bibliothek. de/
Verhaltenstherapie
Mit Verhaltenstherapie (VT) wird ein Spektrum von Methoden im Fachgebiet der Psychotherapie bezeichnet.
Diesen ist trotz zahlreicher Unterschiede hinsichtlich theoretischer Annahmen und praktischer Methoden
gemeinsam, dass sie das Modell der klassischen Konditionierung als zentral für die Abläufe in der menschlichen
Psyche bewerten. Ein weiteres Merkmal verhaltenstherapeutischer Verfahren ist die Hilfe zur Selbsthilfe für den
Patienten. Im Mittelpunkt steht, dem Patienten nach Einsicht in Ursachen und Entstehungsgeschichte seiner
Probleme Methoden an die Hand zu geben, die ihn ermächtigen sollen, seine psychischen Beschwerden zu
überwinden.
Prinzip der Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapeutische Verfahren basieren ursprünglich auf der Lerntheorie. Die Grundidee ist, dass
störungsbedingtes Verhalten erlernt wurde und auch wieder verlernt werden kann bzw. dass angemessenere Denkund Verhaltensweisen erlernt werden können. Inzwischen wurde die Verhaltenstherapie in vielerlei Weise
weiterentwickelt und in verschiedene Methoden ausdifferenziert.[1] In der Öffentlichkeit besonders bekannte
therapeutische Techniken der Verhaltenstherapie sind Konfrontationen mit auslösenden Reizen (z. B. Exposition,
systematische Desensibilisierung) sowie die Verstärkung erwünschten und die Löschung unerwünschten
Verhaltens.[2]
Hintergründe
Grundannahmen
Ursprünglich verfolgte die Verhaltenstherapie nach John B. Watson (1878–1958) im Gegensatz zu
tiefenpsychologischen Verfahren ein „Black-Box-Modell“, das im Wesentlichen besagt, dass innere Vorgänge für
Außenstehende undurchschaubar bleiben und daher nicht analysiert werden sollten. Diese Haltung stellte einen
Versuch dar, von der intuitiven Vorgehensweise der Tiefenpsychologie wegzukommen, die, wie Wolf Singer es
beschreibt, von der Perspektive der 1. Person („Ich beobachte meine Gefühle“) lebt und weitgehend auf
Unterstellungen (Ödipuskomplex etc.) angewiesen ist. Die Verhaltenstherapie sucht die Perspektive der 3. Person
(„Wir schauen gemeinsam auf die Situation“) und ist daher stärker an neurologisch-neurobiologischen Modellen
angelehnt, bei der ein Reiz und die messbare Reaktion im Mittelpunkt stehen.
Viele Autoren beschreiben die Verhaltenstherapie als Methode, die gezielt Symptome psychischer Störungen
behandeln und die Handlungsfähigkeit des Patienten erweitern soll. Tiefenpsychologische Selbsterkenntnis oder das
Erkunden unbewusster seelischer Vorgänge sind dabei nicht zentral.[3][4] Verhaltenstherapeutische Techniken sollen
dem Klienten eine bessere Selbstregulation ermöglichen. Charakteristisch für die Verhaltenstherapie ist die
Konzentration auf gegenwärtige statt auf vergangene Handlungsursachen, ohne frühere Erfahrungen in der Analyse
der Problementstehung zu vernachlässigen. Somit liegt der Schwerpunkt auf beobachtbarem Verhalten und dessen
Veränderung.[5]
Die Verhaltenstherapie unterscheidet sich von der Psychoanalyse durch folgende Annahmen: Es wird davon
ausgegangen, dass Verhaltensweisen erlernt und auch wieder verlernt werden können.[6] Allerdings werden
genetische Unterschiede als Ursachen von Störungen mit berücksichtigt, etwa in den so genannten
Vulnerabilitäts-Stress-Modellen. Dabei wird eine ererbte Stressanfälligkeit als Voraussetzung einer Störung
161
Verhaltenstherapie
berücksichtigt. In ihren Annahmen über ätiologische Störungsmodelle ist die Verhaltenstherapie nur begrenzt
bestimmten Theorien verpflichtet und kann daher neue empirische Erkenntnisse in ihre Modelle und Theorien
integrieren.[7]
Daraus folgt, dass problematisches Verhalten in erster Linie als Ergebnis von Lernprozessen gesehen und durch die
Verwendung von Verhaltens- und Lernprinzipien verändert werden soll. Entscheidend ist hierfür eine genaue
Verhaltensanalyse zur Bestimmung der augenblicklichen Ursachen eine problematischen Verhaltens. Die
Behandlungsstrategien werden sodann individuell auf die Probleme des Patienten angepasst. Um Veränderungen zu
bewirken, ist es nicht zwangsläufig notwendig, die Ursprünge des psychologischen Problems genau zu ergründen.
Gerade bei gut definierten, weniger komplexen psychischen Störungen zeigt sich eine gute Wirksamkeit.[8]
Vorgehensweise
Da sich eine Vielzahl verschiedener verhaltenstherapeutischer Methoden entwickelt haben, gibt es nicht ein einziges
verhaltenstherapeutisches Standardverfahren. Üblicherweise steht jedoch am Beginn einer verhaltenstherapeutischen
Behandlung eine Verhaltens- und Problemanalyse, in der die Probleme des Patienten in Abhängigkeit zu ihren
aufrechterhaltenden Bedingungen und im Hinblick auf ihre Konsequenzen untersucht werden. Ein weit verbreitetes
Vorgehen ist dabei die Verhaltensanalyse nach Frederick Kanfer, das so genannte das SORKC-Modell.[9]
Diese Verhaltensanalyse bezieht neben der Untersuchung von Reiz-Reaktions-Zusammenhängen meist auch
Gefühle, Gedanken und körperliche Prozesse mit ein. Zudem umfasst sie auch Einflüsse des erweiterten Umfelds des
Patienten, wie zum Beispiel das Verhalten von Familienangehörigen, Arbeitskollegen, Freunden und Bekannten. In
der Zielanalyse werden die Therapieziele gemeinsam mit dem Patienten entwickelt, wobei darauf geachtet wird, ob
die Ziele realistisch zu erreichen sind und nach der Therapie aufrechterhalten werden können. Die Therapie mündet
schließlich oft in einen so genannten "Therapievertrag", in dem Patient und Therapeut sich gegenseitig zusichern,
welche Aufgaben sie während der Therapie jeweils übernehmen.[10]
Moderne und differenziertere Formen der Verhaltenstherapie berücksichtigen neben den im o.g. SORKC-Modell
beschriebenen Aspekten auch die Ebene der Pläne und Systemregeln. Ein weiteres Analysefeld ist die
Therapeut-Klient-Beziehung, der heutzutage mehr Platz als in den Anfängen der Verhaltenstherapie eingeräumt
wird.[11] Nach der Verhaltensanalyse/Problemanalyse erfolgt gemeinsam mit dem Patienten die Bestimmung und
Konkretisierung der Therapieziele, aus denen der Therapeut die einzusetzenden Interventionen auswählt und in
Rücksprache und mit Zustimmung des Patienten einsetzt.[12]
Im Rahmen einer konkreten Therapie können verschiedene verhaltenstherapeutische Verfahren eingesetzt werden,
die sich auf die Verhaltens- und Zielanalyse beziehen.[13] Übergeordnetes Prinzip ist dabei die Hilfe zur Selbsthilfe.
Das heißt, der Patient soll in der Therapie lernen, wieder mit dem eigenen Leben selbst zurechtzukommen. Die aus
der Gesprächspsychotherapie bekannten therapeutischen Basisvariablen wie Echtheit, Empathie und
uneingeschränktes Akzeptieren des Patienten sind ein wichtiger Aspekt. Darüber hinaus achtet der Therapeut in der
Regel auch auf eine komplementäre Beziehungsgestaltung, wie bei Klaus Grawe beschrieben. Ein weiterer wichtiger
Schritt, der neben dem Einsatz von Interventionsmethoden bedacht werden muss, ist der Aufbau einer
therapeutischen Allianz bzw. von Veränderungsmotivation.[14] Nach dem Einsatz der eigentlichen Interventionen
wird ein Evaluationsprozess durchlaufen, in dem der Erfolg der durchgeführten Methoden überprüft wird. Diese
ganzen Analyse- und Interventionsschritte werden in der therapeutischen Praxis nicht strikt getrennt voneinander
durchgeführt, sondern bedingen sich gegenseitig und werden in einem Feedbackprozess immer wieder von neuem
durchlaufen.[15]
162
Verhaltenstherapie
Verfahren der Verhaltenstherapie (Auswahl)
Um die im Therapievertrag vereinbarten Therapieziele zu erreichen, können in der Verhaltenstherapie inzwischen
mehr als 50 verhaltenstherapeutische Einzelverfahren eingesetzt werden. Einige von ihnen seien an dieser Stelle
genannt:
Konfrontationsverfahren
→ Hauptartikel: Konfrontationstherapie
In der Konfrontationstherapie werden Verfahren angewendet, die auf dem Modell der klassischen Konditionierung
aufbauen mit dem Ziel eine Extinktion, Gegenkonditionierung oder Habituation zu erreichen. Expositionsverfahren
können zum einen in massierter oder graduierter Form und in in-vivo oder in-sensu angewandt werden. Zudem
können die Dauer (kontinuierlich) und das Ausmaß des Selbstmanagement (Selbst-Exposition) variiert werden.
Diese Verfahren werden vorwiegend bei Phobien, Panik- und Zwangsstörungen eingesetzt.
• Systematische Desensibilisierung: Exposition mit hierarchisch abgestuften aversiven Stimuli, zunächst in sensu,
dann in vivo, gekoppelt mit Entspannung
• Flooding (Reizüberflutung): Unmittelbare Konfrontation mit Stimuli in höchster Intensität
• Aversionstherapie
• Reaktionsverhinderung
• Screen-Technik
• Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) nach Francine Shapiro
• Extinktions (Habituations)-Training (graduierte Löschung): In vivo Konfrontation mit abgestuften aversiven
Stimuli
• Implosion (aus tiefenpsychologischer Tradition): Konfrontation mit Angststimuli in der Vorstellung
• Paradoxe Intervention: Anweisungen, die den Erwartungen entgegenlaufen (besonders in der Systemischen
Therapie)
• Angstbewältigungstraining: Kombination verschiedener Expositions-Verfahren mit anderen
Bewältigungsstrategien
Operante Verfahren
Operante Verfahren basieren auf dem Modell der operanten Konditionierung. Dabei wird das Verhalten mittels
Verstärkung (Erhöhung der Häufigkeit (Wahrscheinlichkeit) eines Verhaltens) oder Bestrafung (Reduzierung der
Verhaltenshäufigkeit) modifiziert (Verhaltensmodifikation). Positive Verstärkung geschieht durch Zuführung von
angenehmen Reizen, negative Verstärkung durch Wegnahme von unangenehmen Reizen. Direkte Bestrafung
geschieht durch Zuführung von unangenehmen Reizen, indirekte Bestrafung durch Wegnahme von angenehmen
Reizen, z. B. Time-Out-Technik. Prinzipien beim Aufbau von Verhalten sind: Verhaltensformung (Shaping),
Verhaltenskettung (Chaining), Prompting, Differentielle Verstärkung, Diskrimination, Fading und Generalisierung
und für den Abbau von Verhalten: Löschung, Bestrafung und Vergessen.
•
•
•
•
•
•
Biofeedback nach Miller
Token-System (Token economy)
Response-Cost
Kontingenzverträge: Zielverhalten und Verstärker werden genau (schriftlich) festgelegt
Dialektisch-behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung nach Marsha M. Linehan
Training sozialer Kompetenzen (Social Skills Training), z. B. das Assertiveness Training Programme nach Ullrich
& Ullrich de Muynck; das Gruppentraining Sozialer Kompetenzen nach Hinsch & Pfingsten oder das Personal
Effectiveness Training nach Libermann. In der verwandten Form des Trainings zwischenmenschlicher
Fertigkeiten ist es ein wesentlicher Bestandteil der Dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) nach Marsha M.
Linehan
163
Verhaltenstherapie
Habit-Reversal-Training nach Azrin & Nunn
Rollenspiel
Kommunikationstraining
Training von Entspannungstechnik ¡ ¢£¤ ¥¤ Progressive Muskelentspannung und Autogenes Training)
Euthyme Therapie (Genusstherapie)
Kognitive Ansätze
→ Hauptartikel: Kognitive Verhaltenstherapie
Kognitive Ansätze der VT basieren auf kognitiven Theorien des Verhaltens. Ein Individuum interpretiert und
transformiert aktiv Informationen (Umgebungsreize) und strukturiert die Erfahrungen (Ordnen und Bewerten der
Realität). Kognitionen beeinflussen als transformierte Reize das Verhalten. Verhaltensprobleme sind das Ergebnis
falscher Annahmen, unvollständiger Schlüsse, inadäquater Selbstinstruktionen und unzureichender
Problemlösefähigkeiten.
• Kognitive Therapie nach Aaron T. Beck
• Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT), vormals verkürzt Rational-Emotive Therapie (RET) genannt, nach
Albert Ellis
• Ärgermanagement nach Raymond W. Novaco
• Stressmanagement bzw. Stressimpfungstraining nach Donald Meichenbaum
• Selbstverbalisation bzw. Selbstinstruktionstraining nach Donald Meichenbaum
• Problemlösetraining nach D’Zurilla & Goldfried
• Attributionstherapie (Seligman, Bandura)
• Schmerzmanagement nach Turk
• Selbstmanagement-Therapie nach Frederick Kanfer
• Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion nach Jon Kabat-Zinn
• Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) nach Steven C. Hayes
• Kognitive Umstrukturierung
• Schematherapie nach Jeffrey E. Young
Sonstige Verfahren
• Multimodale Therapie (BASIC-ID) nach Arnold A. Lazarus
Siehe auch: Stressmodell von Lazarus (1974)
Anwendungsbereiche
Verhaltenstherapeutische Methoden werden heutzutage bei vielen psychischen Störungen und psychosomatischen
Erkrankungen eingesetzt. Nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates Psychotherapie der deutschen
Bundesregierung kann Psychotherapie indiziert sein bei:[16]
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Abhängigkeiten von psychotropen Substanzen (z. B. Alkoholabhängigkeit)
(Teil-) Remittierten psychotischen Erkrankungen (u. a. Schizophrenie) und wahnhaften Störungen
Affektiven Störungen (z. B. Depression)
Angststörungen (z. B. Agoraphobie, Spezifische Phobie (Liste), Soziale Phobie, Panikstörung, Zwangsstörung)
Belastungsstörungen (z. B. Posttraumatische Belastungsstörung)
Dissoziativen, Konversions- und somatoformen Störungen
Essstörungen (z. B. Anorexia nervosa, Bulimia nervosa)
Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörung)
psychosomatischen Erkrankungen (z. B. Spannungskopfschmerz, Bluthochdruck)
164
Verhaltenstherapie
Formen
¦
¦
¦
¦
¦
¦
Individuelle Verhaltenstherapie (VT) oder Kognitive Verhaltenstherapie (KVT, KogVT)
Paartherapie
Familientherapie
Gruppentherapie
Gemeindepsychologie
Prävention
Verhaltensmedizin
Aus der Verhaltenstherapie ist die Verhaltensmedizin hervorgegangen. Sie befasst sich mit der Anwendung
verhaltenstherapeutischer Erkenntnisse auf allgemeine medizinische Sachverhalte; zum Beispiel mit der ergänzenden
Behandlung von körperlichen Erkrankungen wie Bluthochdruck, Asthma, Diabetes, Spannungskopfschmerz,
Tinnitus mit psychologischen Mitteln. Dies geschieht etwa dadurch, dass der Patient lernt, angemessener mit seiner
Erkrankung umzugehen. Die Verhaltensmedizin beschäftigt sich mit Gesundheitsverhalten.[17]
Ausbildung zum Verhaltenstherapeuten
Situation in Deutschland
Verhaltenstherapeut (psychologischer bzw. ärztlicher Psychotherapeut mit Fachkundenachweis in der
Verhaltenstherapie) wird man durch eine 3- bis 5-jährige Ausbildung und die Erlangung einer staatlichen
Approbation zur Ausübung eines Heilberufes. Voraussetzung für die Therapieausbildung ist, dass man einen
Hochschulabschluss in Medizin oder Psychologie mit dem Schwerpunkt Klinische Psychologie besitzt. Neben den
Psychologen und Medizinern können Diplom-Pädagogen, Diplom-Sozialpädagogen, Diplom-Sozialarbeiter sowie
Diplom-Heilpädagogen nach einer entsprechenden 3- bis 5-jährigen Weiterbildung die Zulassung als Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut erlangen. Die Approbation zum Psychotherapeuten kann nach Ablegung des
Staatsexamens bei der zuständigen Bezirksregierung beantragt werden. Neben einem erfolgreichen Abschluss
müssen dafür weitere Voraussetzungen vorliegen, beispielsweise geistige Gesundheit, keine Vorstrafen.
Geschichte und Rezeption
Entwicklungsgeschichte der Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung in den psychologischen Lerntheorien. Erste Schritte, die als
verhaltenstherapeutisch bezeichnet werden können, nahm bereits Paul Dubois und später Mary Cover Jones 1924
vor. Jones therapierte ängstliche Kinder durch Konfrontation mit dem angstauslösenden Objekt.[18] Nach dem 2.
Weltkrieg gelang es, lerntheoretisch fundierte Verfahren systematisch zur Behandlung psychischer Störungen,
insbesondere Phobien, einzusetzen. So entwickelte z. B. der Südafrikaner Joseph Wolpe die Systematische
Desensibilisierung, ein graduiertes Konfrontationsverfahren, in Kombination mit der Progressiven
Muskelentspannung von Edmund Jacobson. Auf der anderen Seite wurde die operante Konditionierung von
behavioristisch orientierten Therapeuten wie z. B. Ayllon und Azrin für die therapeutische Verhaltensmodifikation
nutzbar gemacht. Mit ihr konnte erstmals mit nennenswertem Erfolg Menschen mit schwersten psychischen
Störungen wie der Schizophrenie psychotherapeutisch geholfen werden. Seit den 1970er Jahren sind die Prinzipien
der Verhaltenstherapie auch auf pädagogische Felder (Vorschule, Schule, Hochschule, Familie etc.) übertragen
worden. Dieser Anwendungsbereich wird „Pädagogische Verhaltensmodifikation“ bezeichnet.[19]
Seit den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat diese klassische Verhaltenstherapie zunehmend andere
Gebiete der wissenschaftlichen Psychologie und Psychotherapie aufgegriffen und integriert.[20] Der Begriff
165
Verhaltenstherapie
kognitive Verhaltenstherapie oder kognitive Therapie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Verhaltenstherapie sich
außer mit der äußeren Verhaltensänderung auch mit der Veränderung der kognitiven, gedanklichen Schemata des
Menschen beschäftigt. Begründer und Vorreiter der kognitiven Verhaltenstherapie waren unter anderem Albert Ellis,
Aaron T. Beck und Donald Meichenbaum. Nach dieser so genannten kognitiven Wende haben sich
kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapien für die Mehrzahl der psychischen Störungen entwickelt. Zu den
neuesten Therapieformen zählt beispielsweise die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) für emotional-instabile
Persönlichkeitsstörungen. Die DBT beruht wie andere verhaltenstherapeutische Ansätze auf lerntheoretischen
Grundprinzipien, ist aber sowohl von den Themen, die in die Behandlung mit einbezogen werden, als auch vom
Methodenrepertoire her deutlich breiter angelegt als klassisch verhaltenstherapeutische Ansätze.[21] So werden
beispielsweise Wert- und Sinnfragen erörtert und meditative Praktiken buddhistischer Prägung in die Behandlung
integriert. Zunehmend ist die Rede von einer „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie, der neben der DBT auch
Ansätze wie die Funktional-analytische Psychotherapie (FAP), die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT) oder
die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie der Depression (engl. Mindfulness Based Cognitive Therapy, MBCT)
zugerechnet werden.[22]
Kritik an der Verhaltenstherapie
Verhaltenstherapie ist eine erwiesenermaßen wirksame Therapie bei zahlreichen psychischen
Krankheitssymptomen.[23] Gleichwohl richtet sich gegen die Verhaltenstherapie bzw. manche ihrer Techniken
ebenso Kritik, wie gegen andere Therapie- und Behandlungsverfahren auch. Vor allem der Behaviorismus als frühere
Grundlage der VT ist aufgrund seiner reduktionistischen Herangehensweise kritisiert worden. Im Behaviorismus
geht man davon aus, dass innerpsychische Prozesse wie Denken, Fühlen usw. nicht wissenschaftlich erforscht
werden können. Er geht bei seinen Forschungen des Verhaltens von einer Black Box aus. Des Weiteren sei es
beinahe unmöglich, die Verursachung von psychischen Störungen durch Lernerfahrungen wissenschaftlich zu
belegen. Auch zirkelhafte Schlüsse könnten in den Belegen für die Richtigkeit der Annahmen des Behaviorismus
fälschlicherweise herangezogen werden.[24] Heute gilt der Kognitivismus als das Leitparadigma in der Psychologie.
Damit kann er auch als Grundlage der Verhaltenstherapie verstanden werden, die sich stets als praktische
Anwendung der Erkenntnisse der Psychologie versteht. Die Kognitive Wende war vor allem wegen der
unzureichenden Erklärungsmöglichkeiten für neuere Erkenntnisse des Behaviorismus nötig. Der Kognitivismus wird
vor allem wegen seines theoretischen Ansatzes kritisiert. „Die Konzepte der Kognitiven Psychologie (z. B. Schemata)
sind vage und nicht immer gut definiert.“ Kritiker wenden ein, dass die Erklärungen der kognitiven Psychopathologie
wenig hilfreich seien. So ist die Behauptung, dass bspw. Depressive negative Gedanken haben, für die Erklärung der
Entstehung dieser Störung kaum hilfreich, da dies bereits Teil der Diagnose ist. Der Rückschluss, dass negative
Gedanken die Depression auslösen ist nicht schlüssig, da die postulierten negativen Denkschemata Ursache, aber
auch Folge der Depression sein können.
Kritisiert wurde ebenfalls die Verwendung von Aversionsverfahren. Bei Aversionsverfahren werden dem Klienten in
Kombination mit problematischem Verhalten, Situationen oder Gegenständen unangenehme Reize vermittelt, was
teilweise als unethisch angesehen wird. Aversionsverfahren spielen im Spektrum der verhaltenstherapeutischen
Verfahren daher nur noch eine untergeordnete und weitgehend historische Rolle.
166
Verhaltenstherapie
Literatur
§ Margraf, J. (Hrsg.). (2000). Lehrbuch der Verhaltenstherapie. (2. Auflage; 2 Bd.). Berlin: Springer. ISBN
3-540-66439-4.
§ Borg-Laufs, M. (Hrsg.) (2007). "Lehrbuch der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen." (2. Auflage; 2
Bd.). Tübingen: DGVT. ISBN 978-3871590726.
• Meichenbaum, D. & Turk, D.C. (1994). Therapiemotivation des Patienten. Ihre Förderung in Medizin und
Psychotherapie. Ein Handbuch. Aus dem Englischen übersetzt von Lothar Schattenburg. Bern:Huber.
• Reinecker, H. (1999). Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Tübingen: DGVT. ISBN 3-87159-020-7.
• Dutschmann, A. (2000). Verhaltenssteuerung bei aggressiven Kindern und Jugendlichen. Manual zum Typ A des
ABPro. Tübingen: DGVT.
• Rost, D. H., Grunow, P. & Oechsle, D. (Hrsg.). (1975). Pädagogische Vehaltensmodifikation. Weinheim: Beltz.
ISBN 3-407-51084-5.
• Young, Jeffrey, Klosko, Janet & Weishaar, Marjorie: Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch.
Junfermann Verlag Paderborn, 2. Auflage 2008. ISBN 978-3-87387-578-4.
• Hillenbrand, Clemens (2006): Einführung in die Pädagogik bei Verhaltensstörung. (3. Auflage) München.
• Zarbock, Gerhard (2008): Praxisbuch Verhaltenstherapie. Grundlagen und Anwendungen
biografisch-systemischer Verhaltenstherapie. Papst Science Publishers, Lengerich, ISBN 978-3-89967-471-2.
• Singer, W.: Unser Menschenbild, Neurobiologische Überlegungen; Auditorium Verlag
Weblinks
• Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e. V. [25]
• Schweizerische Gesellschaft für Verhaltens- und Kognitive Therapie, SGVT [26]
• Österreichische Gesellschaft für Verhaltenstherapie, OEGVT [27]
Einzelbelege
[1] Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren. Band 1, 2. Auf., Stuttgart 1994
[2] Vetter, Brigitte: Psychiatrie. 7. Auflage, Stuttgart 2007.
[3] Stefan Priebe, Donna Wright (2006): The provision of psychotherapy – An international comparison. In: Journal of Public Mental Health 5
(3).
[4] Doris K. Silverman (2005): What Works in Psychotherapy and How Do We Know?: What Evidence-Based Practice Has to Offer. In:
Psychoanalytic Psychology 22 (2).
[5] T. Poehlke: Psychiatrie. 17. Auflage 2009.
[6] Klaus Schuster: Abenteuer Verhaltenstherapie – Neue Erlebnisse mit sich und der Welt. DTV, 1999.
[7] F. Kanfer, D. Schmelzer: Wegweiser Verhaltenstherapie – Psychotherapie als Chance. Springer, 2001.
[8] Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren Bd. II – Verhaltenstherapie. Kohlhammer, 1996.
[9] Dietz, Franziska: Psychologie: Grundlagen, Krankheitsmodelle und Psychotherapie. Marburg, 2006.
[10] Markgraf, Jürgen; Schneider, Silvia: Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen.
Heidelberg 2009
[11] Batra, Anil / Wassmann, Reinhard / Buchkremer, Gerhard: Verhaltenstherapie. Grundlagen - Methoden - Anwendungsgebiete. Thieme, 4.
vollständig überarbeitete Auflage 2013
[12] Hilfreiche Lehrbücher zum Thema Verhaltenstherapie (insbesondere Kognitive Verhaltenstherapie) Heidenreich / Michalak (Hrsg.): Die
"dritte Welle" der Verhaltenstherapie. Grundlagen und Praxis. Beltz 2013. ISBN 978-3-621-28037-2
[13] Kröner-Herwig, B: Die Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei psychischen Störungen von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen:
Expertise zur empirischen Evidenz des Psychotherapieverfahrens Verhaltenstherapie. Dgvt-Verlag, 2004
[14] Kanfer, F. H. & Schmelzer, D.: Wegweiser Verhaltenstherapie. Berlin, 2005
[15] Zarbock, Gerhard: Phasenfahrplan VT: Aufgaben und Strukturierungshilfen für Therapeuten und Supervisoren. Pabst 2010
[16] Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie (http:/ / www. wbpsychotherapie. de/ downloads/ Methodenpapier28. pdf) Abgerufen am 29.
März 2014
[17] Köllner, Volker; Broda, Michael: Praktische Verhaltensmedizin. Stuttgart, 2005
[18] Peter Fiedler: Verhaltenstherapie mon amour: Mythos - Fiktion - Wirklichkeit. Stuttgart, 2010.
167
Verhaltenstherapie
168
[19] Batra, Anil/Wassmann, Reinhard/Buchkremer, Gerhard (Hrsg.): Verhaltenstherapie. Grundlagen - Methoden - Anwendungsgebiete. Thieme
2006
[20] Anil Batra, Gerhard Buchkremer, Reinhard Wassmann: Verhaltenstherapie: Grundlagen - Methoden - Anwendungsgebiete. 4. Auflage.
Stuttgart, 2013.
[21] Swales, Michaela A. / Heard, Heidi L.: Dialektische Verhaltenstherapie. Junfermann 2013
[22] Heidenreich / Michalak (Hrsg.): Die "dritte Welle" der Verhaltenstherapie. Grundlagen und Praxis. Beltz 2013
[23] Stellungnahme zur Prüfung der Richtlinienver- fahren gemäß §§ 13 bis 15 der Psychotherapie- Richtlinie, Verhaltenstherapie Stellungnahme
der Bundespsychotherapeutenkammer vom 10. November 2009
[24] Hautzinger (Hrsg.): Davison und Neale (2002): Klinische Psychologie. Weinheim: Belz PVU
[25] http:/ / www. dgvt. de
[26] http:/ / www. sgvt-sstcc. ch
[27] http:/ / www. oegvt. at
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4062874-7 (http://d-nb.info/gnd/4062874-7)
The Big Bang Theory
Seriendaten
Deutscher Titel
The Big Bang Theory
Originaltitel
The Big Bang Theory
Produktionsland
Vereinigte Staaten
Originalsprache
Englisch
Jahr(e)
seit 2007
Produktionsunternehmen
Warner Bros. Television
Chuck Lorre Productions
Länge
21 Minuten
Episoden
159 in 7+ Staffeln
Genre
Sitcom
Titellied
Big Bang Theory Theme – Barenaked Ladies
Produktion
Chuck Lorre,
Bill Prady,
Lee Aronsohn
Idee
Chuck Lorre, Bill Prady
The Big Bang Theory
169
Erstausstrahlung 24. September 2007 (USA) auf CBS
Deutschsprachige 11. Juli 2009 auf ProSieben
Erstausstrahlung
Besetzung
The Big Bang Theory (englisch für „Die Urknalltheorie“) ist eine US-amerikanische Sitcom von Chuck Lorre und
Bill Prady, die seit dem 24. September 2007 auf dem US-Fernsehsender CBS ausgestrahlt wird. Produziert wird die
Fernsehserie von Warner Bros. Television und Chuck Lorre Productions.
Im März 2014 wurde die Serie um drei weitere Staffeln verlängert, sodass sie nun bis mindestens 2017 laufen wird.
Handlung
Siehe auch: The Big Bang Theory/Episodenliste
Die Fernsehserie handelt von den zwei intelligenten jungen Physikern Leonard Hofstadter und Sheldon Cooper,
deren WG direkt gegenüber der Wohnung der hübschen Kellnerin Penny liegt. Dabei wird die geekhafte Art der
Forscher durch die Naivität, aber auch durch die Sozialkompetenz bzw. den gesunden Menschenverstand der
Nachbarin, einer klischeehaften Blondine, kontrastiert. Nach einigen Schwierigkeiten werden sie und Leonard
schließlich ein Paar.
Ergänzt wird dieses Trio durch den jüdischen Ingenieur Howard Wolowitz und den indischen Astrophysiker Rajesh
Koothrappali. Die vier Freunde verbindet eine große Leidenschaft für Comics, Science-Fiction (insbesondere Star
Trek), Computer- und Videospiele sowie die Gelegenheit sich zu kostümieren (vorzugsweise aufeinander
abgestimmt). Nachschub für diese Interessen holen sie sich regelmäßig im Comic-Laden von Stuart Bloom. Sie
beschäftigen sich intensiv mit Naturwissenschaften und Technik und arbeiten alle am California Institute of
Technology (Caltech) in Pasadena.
Im weiteren Verlauf der Fernsehserie treten Bernadette Maryann Rostenkowski und Amy Farrah Fowler auf. Erstere
ist Mikrobiologin und wird Howards Frau. Letztere ist Neurobiologin und wird Sheldons Freundin.
Figuren
Dr. Leonard Leakey Hofstadter
Leonard (Johnny Galecki) ist hochbegabt (sein IQ wird mit 173
angegeben). Das Studium an der Princeton University schloss er mit 24
Jahren mit der Promotion zum Ph.D. ab. Am Caltech ist er als
Experimentalphysiker beschäftigt. Er teilt sich eine Wohnung mit
Sheldon und ist mit diesem (trotz anfänglicher und immer
wiederkehrender Schwierigkeiten) befreundet. Mit seinen Freunden
teilt er sein stark ausgeprägtes Interesse an Comics, Science-Fiction
etc. und seine Sammelleidenschaft in Form von Actionfiguren und
ähnlichen Fanartikeln. Leonard leidet an Laktoseintoleranz, die im
Laufe der Fernsehserie wiederholt thematisiert wird.
Grundriss der Wohnung von Sheldon und
Leonard
Er bemüht sich stets um eine feste Beziehung zu einer Frau und hat im
Laufe der Fernsehserie zunächst kurze Beziehungen zu der Physikerin
Leslie Winkle, der Ärztin Stephanie Barnett und schließlich in der dritten Staffel auch zu Penny. Nachdem Penny
sich gegen Ende der dritten Staffel von ihm trennt, beginnt er in der vierten Staffel eine Beziehung mit Rajs
Schwester Priya, einer erfolgreichen Anwältin. Diese kehrt jedoch nach Indien zurück; nachdem sie eingestanden
hat, Leonard betrogen zu haben, trennt dieser sich in der fünften Staffel von ihr. Anschließend kommt er wieder mit
The Big Bang Theory
170
Penny zusammen.
Leonard stammt aus New Jersey und ist mit zwei ebenfalls hochbegabten Geschwistern aufgewachsen, in deren
Schatten er ständig stand und weiterhin steht. Sein Vater ist Anthropologe, seine Mutter, die in der zweiten, dritten
und fünften Staffel jeweils einen Gastauftritt hat, ist Psychoanalytikerin und Neurologin. Sheldon, der aus kleinen
Verhältnissen kommt, beneidet Leonard stets um dieses familiäre Umfeld, während Leonard selbst wiederholt seine
Enttäuschung über seine Mutter zum Ausdruck bringt, die ihm nie die von ihm gewünschte Anerkennung und
mütterliche Liebe zuteilwerden ließ.
Dr. Dr. Sheldon Lee Cooper
Sheldon (Jim Parsons) ist theoretischer Physiker. Er ist wie Leonard
hochbegabt (sein IQ wird mit 187 angegeben) und versuchte bereits als
Kind, komplexe Geräte wie ein Röntgengerät und einen Kernreaktor zu
bauen. Außerdem besitzt er ein eidetisches Gedächtnis. In der Schule
übersprang er einige Klassen, wodurch er das College an der
University of Texas at Austin bereits im Alter von 14 Jahren mit
Summa cum laude abschloss. Im Alter von 15 Jahren bekleidete
Sheldon eine Gastprofessur an der Universität Heidelberg; mit 16
Sheldons Flagge für die Wohnung
Jahren wurde er über eine Arbeit zur Twistor-Theorie zum Ph.D.
promoviert. Für seine zweite Dissertation zur Erlangung des Doctor of
Science (Sc.D.), eines Grades, der in den USA von mehreren naturwissenschaftlichen Fakultäten vergeben wird,
benötigte er vier Jahre. Nach Abschluss seiner wissenschaftlichen Ausbildung zog Sheldon nach Pasadena und
arbeitet seitdem am California Institute of Technology (Caltech). Zu Beginn der ersten Staffel der Fernsehserie
arbeitet er seit dreieinhalb Jahren dort.
Sheldon ist im Umgang mit anderen Menschen zuerst sehr abweisend und lernt erst im Verlauf der Fernsehserie,
Witze zu verstehen und Sarkasmus zu erkennen oder selbst zu verwenden. Er wirkt oft arrogant und überheblich und
fühlt sich den meisten anderen Menschen gegenüber intellektuell überlegen, was er auch deutlich zeigt. Sheldon hat
wie Leonard ein ausgeprägtes Interesse an Videospielen und Science-Fiction und ist großer Fan der Comicserien The
Flash und Green Lantern, weshalb er oft T-Shirts mit diesbezüglichen Motiven trägt. Zudem bewundert er Mr. Spock
und ist Eisenbahnfan. Seine Figur im Online-Rollenspiel Age of Conan heißt Sheldor The Conqueror. Sheldon ist ein
Pedant und hält oft zwanghaft an Gewohnheiten, Schemata und selbst aufgestellten Regeln unter allen Umständen
fest. Entscheidungen überlässt er gerne dem Spiel Schere-Stein-Papier-Echse-Spock oder dem Würfelglück.
Auch
existiert
ein
sehr
umfangreicher
WG-Vertrag
(„Mitbewohnervereinbarung“), den Sheldon mit Leonard abgeschlossen
hat, als dieser in die Wohnung einzog und auf den er sich im Laufe der
Fernsehserie häufig beruft, wenn dessen sehr detaillierte Regeln
verletzt werden. Er legte sogar eine Flagge für die Wohnung fest.
Charakteristisch für Sheldon ist zudem seine Unfähigkeit zu lügen.
Versucht er es dennoch, zeigt er auffälliges Verhalten, wie
beispielsweise übersteigerte Nervosität. Eine weitere Eigenart ist sein
Ausruf „Bazinga!“ (frei übersetzt: „Reingefallen!“), mit dem er
verdeutlicht, dass er gerade einen Scherz gemacht hat.
Im Verlauf der vierten Staffel entwickelt Sheldon eine Beziehung zu
Amy Farrah Fowler, die er bereits am Ende der dritten Staffel dank Raj
Schema von Schere-Stein-Papier-Echse-Spock
The Big Bang Theory
und Howard über eine Dating-Internetseite kennen gelernt hat. Amy, selbst hochintelligent und Neurobiologin, zeigt
zunehmend sexuelles Interesse (sowohl an Sheldon als auch an Penny), worauf Sheldon bis auf weiteres jedoch nicht
eingeht, obgleich er sich andererseits zunehmend eifersüchtig zeigt. In der zehnten Folge der fünften Staffel werden
Amy und Sheldon schließlich ein Paar, beginnen eine platonische Beziehung und schließen eine
Beziehungsrahmenvereinbarung. Amy bemüht sich intensiv darum, Sheldon für sich zu gewinnen.
Im Gegensatz zu Leonard, der aus einer Akademikerfamilie kommt, ist Sheldon der einzige Wissenschaftler in seiner
Familie. Er wuchs in Galveston auf und wurde sehr konservativ und christlich erzogen, ist selbst aber nicht religiös.
Seine Mutter Mary, eine wiedergeborene Christin, kümmert sich auch noch um ihren erwachsenen Sohn und hat
mehrere Auftritte in der Fernsehserie. Sein Vater ist zum Zeitpunkt der Fernsehserie bereits verstorben, die
Todesursache wird nicht genannt. Leonard beneidet Sheldon um dieses Umfeld, da seine eigene Mutter ihm kaum
Beachtung schenkt und im Verhalten Sheldon sehr ähnelt. Sheldons Zwillingsschwester Missy weist in ihrem
Verhalten und Aussehen keine Ähnlichkeit mit ihm auf. Sheldon hat ein inniges Verhältnis zu seiner Großmutter
(von ihm stets „Meemaw“ genannt). Im Gegenzug wird er von seiner Großmutter „Moonpie“ (in der deutschen
Synchronisation „Mäusespeck“) genannt, u. a. in Briefen. Wenn Sheldon krank war, sang ihm seine Mutter mit „Soft
Kitty, Warm Kitty“ eine Abwandlung eines amerikanischen Kinderliedes vor. In der Fernsehserie fordert Sheldon
Penny auf, es ihm vorzusingen, wenn er krank ist. In der deutschen Synchronisation wird dafür eine Umarbeitung
des „Katzentanzliedes“ von Fredrik Vahle verwendet.
Penny
Penny (Kaley Cuoco), deren Nachname ungenannt bleibt, wohnt im selben Stockwerk wie Leonard und Sheldon.
Penny möchte als Schauspielerin arbeiten; aufgrund fehlender Engagements hält sie sich als Bedienung in einem
The-Cheesecake-Factory-Restaurant, einer aus Südkalifornien stammenden Restaurantkette, über Wasser. Im
Gegensatz zu ihren Physiker-Nachbarn verfügt Penny weder über einen College-Abschluss noch über weitere
akademische Bildung. Der wissenschaftliche Diskurs und die für Penny ungewöhnlichen Hobbys ihrer Nachbarn
sind ihr dementsprechend fremd und überfordern sie regelmäßig. Im Verlauf der Fernsehserie gelingt es ihr, sich
dennoch mit manchen der Aktivitäten anzufreunden.
Penny hat zu Beginn der Fernsehserie häufig wechselnde Partner. Obwohl Leonard ab der ersten Folge Gefallen an
Penny findet, kommen sie erst zu Beginn der dritten Staffel zusammen. Diese Beziehung ist jedoch fragil, da Penny
mit Leonard bisweilen intellektuell nicht mithalten kann, Leonard wiederum nicht Pennys typischem „Beuteschema“
entspricht. Nach der darauffolgenden Trennung kommen die beiden in der fünften Staffel wieder zusammen.
Über Pennys familiären Hintergrund erfährt man nur wenig. Bekannt ist, dass sie in der Nähe von Omaha im
Bundesstaat Nebraska aufwuchs. Ihr Vater ist unglücklich darüber, dass sie kein Junge ist, sieht aber in Leonard
einen akzeptablen potentiellen Partner für Penny.
Die Fernsehserie beginnt mit Pennys Einzug und der damit verbundenen ersten Begegnung mit Leonard und
Sheldon.
Howard Joel Wolowitz
Howard (Simon Helberg) ist ein Raumfahrtingenieur am Fachbereich Angewandte Physik (Department of Applied
Physics) des Caltech. Im Gegensatz zu Leonard, Sheldon und Raj ist er nicht promoviert, sondern hat am MIT „nur“
als Master of Engineering (in der deutschen Synchronisierung der ersten beiden Staffeln fälschlicherweise mit
Magister übersetzt) abgeschlossen; gelegentlich wird er deshalb herabgesetzt. In der letzten Folge der fünften Staffel
fliegt Howard zur Internationalen Raumstation.
Howard ist zum Zeitpunkt der ersten Staffel 26 Jahre alt und lebt mit seiner Mutter, die nur sehr selten im Bild zu
sehen ist, in Altadena. Er, der von ihr wie ein Kind behandelt wird, umsorgt seine Mutter. Ein wiederkehrendes
Ereignis ist die Kommunikation zwischen den beiden, die sich dabei in unterschiedlichen Räumen befinden, durch
Anschreien. Howard und seine Mutter sind jüdischen Glaubens; Howard beachtet zwar die jüdischen Feiertage und
171
The Big Bang Theory
den Sabbat, lebt aber nicht koscher. Howards Vater hat die Familie verlassen, als Howard elf Jahre alt war.
Bis Bernadette in der Fernsehserie auftaucht, hält Howard sich für einen Frauenschwarm und versucht wiederholt,
mit grobschlächtigen Anmachen Frauen kennenzulernen. In der ersten Folge gibt er sich mehrsprachig; in der
fünften Staffel zeigt er, dass er die amerikanische Gebärdensprache beherrscht. In der dritten Staffel geht er mit
Bernadette aus; nach einigen Anlaufschwierigkeiten werden die beiden in der vierten Staffel ein Paar und verloben
sich, woraufhin sie am Ende der fünften Staffel heiraten.
Howard ist verhältnismäßig klein und kleidet sich ungewöhnlich: Er trägt häufig eng anliegende Hosen und
Rollkragenpullover, bunte, manchmal grelle Farben und Nerd-Gürtelschnallen, bspw. in Form von Pacman oder der
Batman-Gürtelschnalle. Weiter leidet er an verschiedenen Allergien, unter denen besonders seine Erdnussallergie
hervortritt.
Dr. Rajesh „Raj“ Ramayan Koothrappali
Raj (Kunal Nayyar) ist ein promovierter indischer Astrophysiker aus Neu-Delhi und Howards bester Freund. Ebenso
wie dieser hat er am MIT studiert. Wie Leonard, Sheldon und Howard arbeitet er am Physik-Fachbereich des
Caltech; sein Fachgebiet ist die Astroteilchenphysik. Ab der dritten Staffel arbeitet er mit Sheldon zusammen.
Er lebt in einem Apartment in Pasadena. Wie seine Freunde sammelt er Comic-Hefte und liebt Science-Fiction. Er
leitet häufig Fragestellungen, die sich auf die echte Welt beziehen, aus diesen fiktionalen Werken ab. Raj hasst
Indien, indisches Essen und indische Musik. Er ist Hindu und glaubt an Karma, isst aber Rind.
Gegenüber Frauen ist Raj sehr schüchtern; sind Frauen zugegen, ist er nicht in der Lage zu sprechen (selektiver
Mutismus[1]). Dieses Symptom kann er nur vermeiden, wenn er Alkohol konsumiert (oder etwas, von dem er
annimmt, dass es Alkohol enthält) oder wenn er unter dem Einfluss von Psychopharmaka steht. Sonst flüstert er oft,
wenn er in einer solchen Situation etwas loswerden will, Howard ins Ohr, der davon regelmäßig genervt ist und Rajs
Worte nur widerwillig weitergibt. Ungeachtet dessen hat Raj gelegentlich Erfolg bei Frauen. Im Staffelfinale der
sechsten Staffel gelingt es Raj erstmals, seinen selektiven Mutismus zu überwinden, in der siebten Staffel kann Raj
dann auch ohne den Einfluss von Alkohol ungehindert mit Frauen sprechen.
Raj zeigt zum Teil feminine Facetten und in der Fernsehserie werden regelmäßig Anspielungen darauf gemacht, dass
Raj möglicherweise homosexuell ist, insbesondere bezogen auf seine enge Freundschaft zu Howard.
Raj entstammt einem reichen Elternhaus; sein Vater ist Gynäkologe in Indien. Mit seinen Eltern kommuniziert Raj
regelmäßig per Videochat. Seine jüngere Schwester Priya ist in der vierten und fünften Staffel mit Leonard
zusammen. Neben ihr hat er eine weitere Schwester sowie drei Brüder.
Dr. Bernadette Maryann Rostenkowski-Wolowitz
Bernadette Rostenkowski-Wolowitz (Melissa Rauch), geborene Rostenkowski, ist zunächst eine Bedienung und
Kollegin von Penny im The-Cheesecake-Factory-Restaurant; mit diesem Job finanziert sie ihr
Mikrobiologiestudium. Sie hat polnische Wurzeln und ist streng katholisch erzogen worden, weshalb sie nicht gut
lügen kann. Penny stellt Bernadette Howard vor, die nach Anfangsschwierigkeiten doch zusammenfinden. Beide
werden ein Paar. Kurz bevor Howard ins Weltall startet, heiratet er Bernadette. In der vierten Staffel wird Bernadette
promoviert und von einem pharmazeutischen Unternehmen eingestellt, was sie bezüglich ihres Einkommens besser
als Howard stellt. Dieser ist deswegen zunächst verunsichert.
172
The Big Bang Theory
173
Dr. Amy Farrah Fowler
Amy (Mayim Bialik) ist Neurobiologin mit Harvard-Abschluss und entwickelt sich zu Sheldons Freundin, die
Beziehung gestaltet sich allerdings rein platonisch. Sie verabredet sich nur mit Männern, weil sie mit ihrer Mutter die
Abmachung hat, einmal pro Jahr mit einem Mann auszugehen. Sheldon ist eines dieser jährlichen Dates. Zeitweise
lebt ein Zigaretten rauchendes Äffchen, das in einem ihrer Experimente benutzt wurde, in ihrer Wohnung.
Sie hat ebenso wie Sheldon die charakteristische Art, die Dinge einerseits sehr nüchtern und eloquent meist unter
Zuhilfenahme der Erkenntnisse ihres Faches, der Neurobiologie, zu kommentieren, andererseits fehlt ihr das Gefühl
dafür, was man in Gesellschaft sagen kann und was nicht. Sheldon erkennt zunehmend die Wesensähnlichkeiten
zwischen ihnen. Im Gegensatz zu ihm leidet Amy aber häufig unter der fehlenden Intimität in ihrer Beziehung.
Amy wird ein fester Bestandteil der Gruppe. Mit Penny und Bernadette unternimmt sie manches gemeinsam, wobei
Penny von ihr zur besten Freundin erklärt wird.
Stuart Bloom
Stuart (Kevin Sussman) besitzt einen Comic-Laden, den er aus finanziellen Gründen zeitweilig auch als Wohnung
nutzt. Sheldon, Leonard, Howard und Raj sind häufige Gäste. Stuart gelingt es immer wieder, den vieren Comics
oder Spiele anzubieten, denen sie nicht widerstehen können. Stuart hat ein enormes Wissen auf diesem Gebiet, und
es kommt insbesondere mit Sheldon zu Fach- und Streitgesprächen.
Stuart ist zweimal mit Penny ausgegangen. Zu einer Annäherung am Ende des Abends kommt es aber nicht, obwohl
Penny durchaus Interesse zeigt; sie schläft jedoch ein, als Stuart sich in einer Fachsimpelei mit Sheldon verliert.
Stuart hat später auch eine Verabredung mit Amy und ist von ihrer strengen, nüchternen Art beeindruckt. Als
Sheldon das erfährt, beschließt er, eifersüchtig geworden, fortan Amy endlich als seine offizielle Freundin
anzuerkennen.
Besetzung
Hauptbesetzung
Rolle
Schauspieler
Hauptrolle
(Episoden)
Nebenrolle
(Episoden)
Synchronstimme
Dr. Leonard Leakey Hofstadter
Johnny Galecki 1x01–
Ozan Ünal
Dr. Dr. Sheldon Lee Cooper
Jim Parsons
1x01–
Gerrit Schmidt-Foß
Penny
Kaley Cuoco
1x01–
Sonja Spuhl
Howard Joel Wolowitz, M.Eng.
Simon Helberg 1x01–
Sebastian Schulz
Dr. Rajesh „Raj“ Ramayan Koothrappali
Kunal Nayyar
1x01–
Rajvinder Singh
Dr. Leslie Winkle
Sara Gilbert
2x02–2x03, 2x06, 2x16 1x03, 1x05, 1x13, 3x23 Diana Borgwardt
Dr. Bernadette Maryann Rostenkowski-Wolowitz1) Melissa Rauch
4x04–
3x05–3x14
Anita Hopt
Dr. Amy Farrah Fowler
Mayim Bialik
4x08–
3x23–4x05
Bianca Krahl
Stuart Bloom
Kevin Sussman 6x01–6x17
2x20–5x24, 7x02–
Bernhard Völger
1)
Sie erhält den Doktorgrad erst am Ende der vierten Staffel.
The Big Bang Theory
174
Nebenbesetzung
Rolle
Schauspieler
Nebenrolle
(Episoden)
Synchronstimme
Mary Cooper
Laurie Metcalf
1x04, 3x01, 4x03, 5x06, 7x18
Sabine Arnhold
Mrs. Wolowitz
Carol Ann Susi
1x07–
Sonja Deutsch
Dr. V.M. Koothrappali Brian George
1x08, 2x04, 2x23, 3x07, 4x20, 4x24, 5x02, 5x04, 5x20
Kamal Roy
Mrs. Koothrappali
Alice Amter
1x08, 2x04, 2x23, 3x07, 4x20, 4x24, 5x02, 5x04, 5x20
Mitali Roy
Barry Kripke
John Ross Bowie
2x12–2x13, 3x01, 3x09, 4x17, 5x14, 5x17, 5x22, 6x14, 6x20, 7x10, 7x20 Christian Gaul
Beverly Hofstadter
Christine Baranski
2x15, 3x11, 5x01, 7x04
Zack Johnson
Brian Thomas Smith 3x23, 4x10–4x11, 4x17, 7x09, 7x11
Tobias Kluckert
Priya Koothrappali
Aarti Mann
4x06–5x07
Mala Ghedia
Wyatt, Pennys Vater
Keith Carradine
4x09
Joachim Tennstedt
Alex Jensen
Margo Harshman
6x03, 6x08, 6x12, 6x16
Annina Braunmiller
Lucy
Kate Micucci
6x16–6x18, 6x21, 6x23–6x24, 7x08
Anja Stadlober
Liane Rudolph
Weitere wiederkehrende Nebendarsteller
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•
•
•
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•
Josh Brener als Dale (Folgen 5x10 und 6x16)
Mark Harelik als Dekan Eric Gablehauser (Folgen 1x04, 1x12–1x13 und 2x03–2x04)
James Hong als chinesischer Koch Chen (Folgen 1x07 und 1x17)
Regina King als Janine Davis (Folgen 6x12, 6x20 und 7x01)
Pavel Lychnikoff als russischer Kosmonaut Dimitri Rezinov (Folgen 5x24 und 6x01–6x04)
Joshua Malina als Universitätspräsident Siebert (Folgen 4x15 und 5x16–5x17)
Erin Allin O’Reilly als Cheryl (Folgen 1x06 und 1x11)
Sara Rue als Leonards Freundin Stephanie Barnett (Folgen 2x08–2x10)
Casey Sander als Bernadettes Vater Mr. Rostenkowski (Folgen 5x23–5x24, 6x10, 7x09 und 7x16)
Brian Patrick Wade als Pennys (Ex-)Freund Kurt (Folgen 1x01, 1x06 und 2x14)
Vernee Watson-Johnson als Althea (Folgen 1x01, 1x16, 4x01 und 5x18)
Auftritte bekannter Schauspieler in Gastrollen
• Brooke D’Orsay als Christie, Pennys Freundin aus Nebraska und Howards Geliebte (Folge 1x07, Das
Vorspeisen-Dilemma)
• DJ Qualls als Toby Loobenfeld, bzw. Cousin Leopold Houston (Folge 1x10, Loobenfelds Netz der Lügen)
• Riki Lindhome als Ramona Nowitzki (Folge 2x06, Das Cooper-Nowitzki Theorem)
• Michael Trucco als Dr. David Underhill (Folge 2x11, Die Geschenk-Hypothese)
• Valerie Azlynn als Alicia (Folge 2x19, Der Kampf der Bienenköniginnen)
• Danica McKellar als Abby (Folge 3x12, Howards Phasen)
• Yeardley Smith als Sandy (Folge 3x14, Fast wie Einstein)
• Judy Greer als Dr. Elizabeth Plimpton (Folge 3x21, Vierer ohne Sheldon)
• Eliza Dushku als FBI-Agentin Angela Paige (Folge 4x07, Besuch vom FBI)
• Jessica Walter als Mrs. Latham (Folge 4x15, Der Mann der Stunde)
• Katie Leclerc als Emily (Folge 5x04, Such Dir eine Inderin!)
• Courtney Ford als Alice (Folge 5x07, Ein guter Kerl)
The Big Bang Theory
© Leonard Nimoy als Mr. Spocks Stimme in Folge 5x20, Sheldons Traum (nur in der Originalfassung The
Transporter Malfunction)
© Bob Newhart als Dr. Arthur Jeffries (Professor Proton) (Folgen 6x22, Professor Proton, 7x07, Der Proton-Ersatz
und Folge 7x22)
Cameoauftritte
Cameo-Auftritte unter eigenem Namen:
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Buzz Aldrin (Folge 6x05)
LeVar Burton (Folgen 4x17 und 6x07)
Ira Flatow (Folge 3x09 (nur Stimme), 7x10)
Carrie Fischer (Folge 7x14)
Summer Glau (Folge 2x17)
Brian Greene (Folge 4x20)
Stephen Hawking (Folge 5x21 und 7x20 (nur Stimme))
James Earl Jones (Folge 7x14)
Stan Lee (Folge 3x16)
Howie Mandel (Folge 6x04)
Michael James Massimino (Folgen 5x15, 5x24, 6x02, 6x04 und 7x16)
Bill Nye (Folge 7x07)
Katee Sackhoff (Folgen 3x09 und 4x04)
Charlie Sheen (Folge 2x04)
George Smoot (Folge 2x17)
Brent Spiner (Folge 5x05)
George Takei (Folge 4x04)
Neil deGrasse Tyson (Folge 4x07)
Wil Wheaton (Folgen 3x05, 3x19, 4x08, 5x05, 5x22, 6x07, 7x10, 7x19 und 7x23)
Steve Wozniak (Folge 4x02)
Vorspann und Titellied
Das Titellied stammt von der kanadischen Band „Barenaked Ladies“ und erschien 2008 auf dem Album „Hits From
Yesterday & The Day Before“. Für den Vorspann der Fernsehserie wird nur die erste Strophe verwendet. Der Song
wird auch separat unter dem Titel „Big Bang Theory Theme“[2] vertrieben.
Passend dazu zeigt der Vorspann – beginnend mit dem Urknall – einen chronologischen Schnelldurchlauf durch die
Meilensteine der Evolutionsgeschichte. Die Visualisierung ist künstlerisch so gestaltet, dass die Inhalte immer in alle
Richtungen weg von der Bildmitte streben (entsprechend der Explosion des Urknalls und der fortwährenden
Ausdehnung des Universums). Die einzige Ausnahme in dem Bilderstrom bildet die Einstellung vor dem
abschließenden Serienlogo, die statisch die Protagonisten auf der Couch in Leonards und Sheldons WG zeigt. Diese
vorletzte Einstellung ist auch die einzige, die einen direkten visuellen Zusammenhang zu den Darstellern herstellt. In
der ersten Staffel sitzen dort Penny, Howard, Raj, Leonard und Sheldon. Ab der sechsten Staffel sind dort auch Amy
und Bernadette zu sehen.
175
The Big Bang Theory
Ausstrahlung
→ Hauptartikel: The Big Bang Theory/Episodenliste
Vereinigte Staaten
Die erstmalige Ausstrahlung war am 24. September 2007 auf dem US-Sender CBS. Die erste Staffel lief dort bis
zum 19. Mai 2008. Die zweite lief zwischen dem 22. September 2008 und dem 11. Mai 2009 ebenfalls auf CBS. Im
März 2009 wurde die Fernsehserie dann um zwei weitere Staffeln verlängert. Die dritte Staffel lief zwischen dem 21.
September 2009 und dem 24. Mai 2010. Die vierte Staffel wurde zwischen dem 23. September 2010 und dem 19.
Mai 2011 auf CBS ausgestrahlt. Die fünfte Staffel wurde zwischen dem 22. September 2011 und dem 10. Mai 2012
auf CBS ausgestrahlt. Die sechste Staffel wurde zwischen dem 27. September 2012 und dem 16. Mai 2013 auf CBS
ausgestrahlt. Die siebte Staffel sendete der Sender vom 26. September 2013 bis zum 15. Mai 2014.
Am 12. März 2014 verlängerte CBS die Fernsehserie um drei weitere Staffeln, sodass sie damit auf insgesamt zehn
Staffeln kommt und bis mindestens 2017 zu sehen sein wird.
Deutschland
In Deutschland wurde die erste Staffel zwischen dem 11. Juli und dem 26. September 2009 auf ProSieben
ausgestrahlt. Im Durchschnitt kam die erste Staffel bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen auf
11,1 Prozent. Die Ausstrahlung der zweiten Staffel folgte vom 10. Oktober bis zum 19. Dezember 2009. Die
Ausstrahlung der dritten Staffel war vom 7. bis 22. Februar 2011 auf ProSieben zu sehen. Die Quoten der dritten
Staffel lagen durchschnittlich bei 12,9 Prozent in der Zielgruppe und 11,9 Prozent Marktanteil. Die ersten 18
Episoden der vierten Staffel wurde zwischen dem 6. September und dem 1. November 2011 jeweils dienstags meist
in Doppelfolgen (an zwei Tagen drei Folgen) gezeigt. Die Ausstrahlung der restlichen Episoden erfolgte ab dem 7.
Februar 2012. Gleich im Anschluss an die vierte Staffel begann ProSieben ohne Unterbrechung auch die ersten
zwölf Folgen der fünften Staffel ab dem 13. März 2012 auszustrahlen. Die verbleibenden zwölf Episoden dieser
Staffel wurden vom 28. August bis zum 13. November 2012 ebenfalls bei ProSieben gesendet. Die Ausstrahlung der
ersten zwölf Folgen der sechsten Staffel erfolgte vom 28. Januar bis zum 15. April 2013.
Ab dem 26. August 2013 strahlte ProSieben die zweite Hälfte der sechsten Staffel von The Big Bang Theory aus. Die
ersten 12 Folgen der siebten Staffel waren dort vom 6. Januar bis zum 24. März 2014 zu sehen.
Österreich
In Österreich sendete ORF eins die erste Staffel zwischen dem 13. März und dem 22. Mai 2010. Die zweite Staffel
sendete ORF eins zwischen dem 22. Mai und dem 4. September 2010. Die dritte Staffel wurde vom 21. Mai bis zum
6. August 2011 ausgestrahlt. Vom 17. März bis zum 10. November 2012 wurde die fünfte Staffel auf ORF eins
ausgestrahlt. Erst nach Beginn der Erstausstrahlung der fünften Staffel an den Wochenenden wurde parallel dazu an
den Wochentagen die vierte Staffel vom 27. Juli bis zum 13. September 2012 erstausgestrahlt. Die ersten zwölf
Folgen der sechsten Staffel sendete ORF eins zwischen dem 2. Februar und dem 11. Mai 2013.[3]
176
The Big Bang Theory
Schweiz
In der Schweiz startete der Fernsehsender 3+ die Ausstrahlung der Sitcom am 10. September 2011 bereits mit Staffel
4 in Doppelfolgen am Samstagabend.[4]
Rezeption
The Big Bang Theory wurde in über 50 Ländern ausgestrahlt. Laut der Nielsen Company ist die Fernsehserie bei
Zuschauern der Altersgruppe von 18 bis 49 Jahren die erfolgreichste Comedy, die in den Jahren 2007 und 2008
gestartet wurde.[5]
Als die Fernsehserie anlief, war es zunächst umstritten, ob die wissenschaftlichen Sachverhalte richtig dargestellt
werden.[6] Spätere Kritiken, wie beispielsweise die von Jennifer Ouellette, loben die wissenschaftliche Korrektheit,
die für eine Sitcom eine seltene Leistung sei. Dies wird vor allem dem Bemühen von David Saltzberg, einem
Physiker von der University of California, Los Angeles, zugeschrieben, der als Berater für die Fernsehserie tätig
ist.[7]
Nach Meinung von Andrew Zimmerman ist es nicht nötig, die physikalischen Naturgesetze zu kennen, um den
Humor zu verstehen, aber für den, der sie versteht, werde eine zusätzliche Stufe von Vergnügen hinzugefügt. Weiter
schreibt er: „The Big Bang Theory scheint bestrebt zu sein, die Wissenschaft richtig darzustellen. Es ist lustig, gerade
weil es so präzise ist, weil Witze nicht nur über die Forscher gemacht werden, sondern auch über das Universum, das
sie studieren. Eben die Logik, die es ihnen erlaubt, abstrakte Quantenphysik zu verstehen, ist es, die sie davon abhält,
normale Personen wie Penny zu verstehen.“[8]
Der Fernsehserie wurde der Vorwurf gemacht, negative Klischees über Physiker zu verbreiten. Der
Physiknobelpreisträger George F. Smoot, der in der Folge The Terminator Decoupling in einem Gastauftritt zu sehen
ist, hält die unbeholfenen sozialen Macken der Charaktere für „ein wenig überzeichnet“, aber er schätzt, wie die
Fernsehserie diejenigen repräsentiert, deren Arbeit darin besteht, rigoros zu denken. Phil Plait berichtet, dass er einen
Haufen Wissenschaftler kenne, die „unheimlich ganz genau“ wie die fiktiven Charaktere seien. Es werden zwar viele
Witze zu Lasten der Geeks gemacht, aber seiner Meinung nach würden die Autoren sie preisen: „Sie sind klug, sie
sind auf ihrem Gebiet erfolgreich, aber sie haben durchaus ihre Schwierigkeiten, sich ins wahre Leben einzupassen,
und können ziemlich nervig sein … aber am Ende empfinden wir Zuneigung für sie. Sie sind sympathisch. Es wäre
einfach gewesen, sie zur Zielscheibe von jedem Witz zu machen, aber das tun die Autoren nicht.“[9] Laut Jennifer
Ouellette wurden die Charaktere beim Serienstart mit nur groben Strichen gezeichnet, haben sich aber mittlerweile
zu deutlich komplexeren Versionen entwickelt.[10]
Natalie Angier nennt als eine mögliche Ursache für die geringe Bedeutung von Frauen in der Physik „idiotische
Fernsehserien wie The Big Bang Theory, mit vier sozial unbeholfenen männlichen Physikgenies und dem attraktiven
blonden Mädchen von nebenan“.[11] Darauf erwiderte Heather Mac Donald, wenn eine Sitcom ein Hemmnis für
Frauen darstellen würde, wäre dies ein Widerspruch zu der feministischen Behauptung, dass Frauen genauso „tough“
wie Männer seien.[12] Luboš Motl hält die Fernsehserie für realistisch: „Jeder, der mal in ähnlichen Kreisen gelebt
hat, muss wissen, dass diese Art der Geekhaftigkeit, die in The Big Bang Theory beschrieben wird, ein nahezu völlig
männliches Merkmal ist. Es ist nicht zu 100 Prozent männlich – und tatsächlich bietet uns The Big Bang Theory
auch Leslie (und, in geringerem Maße, Ramona und Stephanie) – aber die Verteilung von verschiedenen
Charaktertypen und der Geekhaftigkeit zwischen Männern und Frauen ist in der Fernsehserie überaus akkurat.“[13]
Paul Collins spekuliert darüber, ob Sheldon das Asperger-Syndrom hat. Chuck Lorre hat dies dementiert. Aber auch
wenn es nicht beabsichtigt gewesen sein sollte, seien die Autoren der Fernsehserie so oft nach dem
Asperger-Syndrom gefragt worden, dass sie sich über den Subtext klar sein müssten, wenn sie die Forscher
diskutieren lassen, ob Superman fliegt oder springt. Collins schreibt weiter: „Jetzt, wo The Big Bang Theory überall,
von Island bis zu den Philippinen, läuft, wird Sheldon zu einem Popkultur-Symbol für Aspies werden. Dies ist
möglicherweise keine schlechte Sache. So sehr er andere auch zur Verzweiflung bringen kann, hat Sheldon sich doch
177
The Big Bang Theory
bemerkenswert gut an seine Welt angepasst. Unterhalb des Slapstick ist The Big Bang Theory eine Meditation
darüber, wie intelligente Menschen mit den ihnen gegebenen, absurd ungleich verteilten Talenten umgehen. Für eine
Komödie ist dies eine inspirierende – sogar edle – Ausgangsposition.“[14]
Auszeichnungen
Seit 2008 wurde The Big Bang Theory für mehr als 40 Fernsehpreise nominiert, von denen die Fernsehserie folgende
Auszeichnungen gewann:
• 2009: Fernsehpreis des American Film Institute (Fernsehprogramm des Jahres)
• 2009: zwei Television Critics Association Awards (Beste Comedyserie und Bester Comedy-Darsteller – Jim
Parsons)
• 2010: People’s Choice Award (Favorite TV Comedy)
• 2010: Emmy für Jim Parsons (Bester Hauptdarsteller in einer Comedyserie)
• 2011: Golden Globe Award für Jim Parsons (Bester Serien-Hauptdarsteller – Komödie oder Musical)
• 2011: Emmy für Jim Parsons (Bester Hauptdarsteller in einer Comedyserie)
• 2011: TV Guide Award (Beliebteste Comedyserie)
• 2013: People’s Choice Award (Favorite Network TV Comedy)
• 2013: Emmy für Jim Parsons (Bester Hauptdarsteller in einer Comedyserie)
• 2014: People’s Choice Award (Favorite Network TV Comedy)[15]
• 2014: People’s Choice Award für Kaley Cuoco (Favorite Comedic TV Actress)
Sonstiges
• Die Nachnamen der beiden Hauptfiguren lehnen sich an die Nobelpreisträger Robert Hofstadter und Leon Neil
Cooper an, die Vornamen gehen auf den US-amerikanischen Schauspieler und Produzenten Sheldon Leonard
zurück.[16]
• Johnny Galecki, Sara Gilbert, Sara Rue und Laurie Metcalf standen bereits in der Fernsehserie Roseanne
zusammen vor der Kamera. Mayim Bialik und Johnny Galecki spielten gemeinsam in der Fernsehserie Blossom
(inklusive „erstem Kuss“).
• Sara Gilbert und Johnny Galecki waren während ihrer gemeinsamen Roseanne-Zeit ein Paar.
• 2006 wurde ein erster Pilot der Fernsehserie produziert, jedoch nie ausgestrahlt. Aus diesem wurden nur die
Rollen Leonard und Sheldon übernommen. Zur ursprünglichen Besetzung gehörten außerdem noch die
Kosmetikerin Katie (Amanda Walsh), welche eine gewisse Ähnlichkeit mit Penny aufweist, und Gilda (Iris Bahr),
eine Kollegin und Freundin der beiden Hauptfiguren und darüber hinaus eine ehemalige Affäre Sheldons.
• Mayim Bialik spielt in der Fernsehserie eine Neurobiologin. Auch im wahren Leben hat Mayim Bialik einen
Doktorgrad. Im Jahr 2008 wurde sie zum Ph.D. in Neurowissenschaften promoviert.
• Die englischen Folgenbezeichnungen folgen dem Schema „The [Folgenfacette] [wissenschaftlicher Begriff]“.
Beispielsweise heißt Folge 1x04, in der Sheldon versucht, Leuchtfische zu erzeugen, „The Luminous Fish Effect“
(wörtlich: Der Leuchtfisch-Effekt). Nach diesem Schema richtet sich die deutsche Folgenbenennung nur selten,
manchmal nur halbherzig (die genannte Folge heißt im Deutschen „Die Leuchtfisch-Idee“). In den Folgen, in
denen dem Schema gefolgt wird, kommt es häufig vor, dass andere Begriffe oder Facetten gewählt werden, bspw.
in Folge 1x08, die im Englischen „The Grasshopper Experiment“ (wörtlich: Das Grasshopper-Experiment) und im
Deutschen „Das Lalita-Problem“ heißt. Nur selten wurde der Originaltitel direkt ins Deutsche übersetzt, bspw. in
Folge 1x06, die im Englischen „The Middle Earth Paradigm“ und im Deutschen „Das Mittelerde-Paradigma“
heißt.
• In Folge 3x02 wird die vermeintliche Feldgrille, um die Sheldon und Howard wetten, von Howard lateinisch
Gryllus assimilis genannt, das ist allerdings die Bezeichnung für die Steppengrille. Die lateinische Bezeichnung
der Feldgrille lautet Gryllus campestris.
178
The Big Bang Theory
ª Im Vereinigten Königreich stieg durch den Einfluss der Fernsehserie die Anzahl an Physikstudenten im Jahr 2010
um mehr als 17 %. Außerdem stieg der Anteil der Abiturabschlüsse mit dem Kurs Physik auf 28 %.[17]
• In Folge 1x07 spricht Raj, ohne dass er Alkohol getrunken hat, während Penny im selben Raum ist.
• Johnny Galecki und Kaley Cuoco waren auch im wahren Leben eine Zeit lang ein Paar. Gegenüber der
Öffentlichkeit hielten Kaley und Johnny die Beziehung geheim – erst nach der Trennung 2010 verrieten die
beiden, dass sie zwei Jahre lang zusammen waren.[18]
• In Folge 4x01 errechnet Sheldon für Pennys bisherige Liebhaber 30,69, obwohl das Ergebnis 30,96 sein muss
(172⋅0,18).
DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen
Vereinigte Staaten
•
•
•
•
•
•
Staffel 1 erschien am 2. September 2008
Staffel 2 erschien am 15. September 2009
Staffel 3 erschien am 14. September 2010
Staffel 4 erschien am 13. September 2011
Staffel 5 erschien am 11. September 2012
Staffel 6 erschien am 10. September 2013
Großbritannien
•
•
•
•
•
•
Staffel 1 erschien am 12. Januar 2009
Staffel 2 erschien am 19. Oktober 2009
Staffel 3 erschien am 27. September 2010
Staffel 4 erschien am 26. September 2011
Staffel 5 erschien am 3. September 2012
Staffel 6 erschien am 2. September 2013
Deutschland
•
•
•
•
•
•
Staffel 1 erschien am 16. April 2010
Staffel 2 erschien am 24. September 2010
Staffel 3 erschien am 7. Oktober 2011
Staffel 4 erschien am 13. April 2012
Staffel 5 erschien am 14. Dezember 2012
Staffel 6 erschien am 22. November 2013
Die bisher veröffentlichten sechs Staffeln sind sowohl auf DVD als auch auf Blu-ray erhältlich.
Literatur
• Amy Rickman: The Big Bang Theory von A bis Z. Der inoffizielle Guide zur Fernsehserie. Schwarzkopf &
Schwarzkopf, Berlin 2012, ISBN 978-3-86265-133-7.
• Andreas Arimont: The Big Bang Theory entschlüsselt. Das inoffizielle Handbuch zur Fernsehserie: Staffel 1 bis
3. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2013, ISBN 978-1-4905-9986-1.
• Andreas Hock: Die Big Bang Universität. Der ultralustige, hyperintelligente und inoffizielle Aufnahmetest für die
nerdigste WG aller Zeiten. riva, München 2013, ISBN 978-3-86883-303-4.
179
The Big Bang Theory
Einzelnachweise
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
Staffel 3, Episode 6
http:/ / itunes. apple. com/ ca/ album/ big-bang-theory-theme-single/ id397826548
http:/ / www. fernsehserien. de/ the-big-bang-theory/ sendetermine/ orf1/ -3
http:/ / www. wunschliste. de/ 11269
John Jurgensen: A Nerdy Comedy's Winning Formula (http:/ / online. wsj. com/ article/ SB122904206389400209. html), The Wallstreet
Journal, 12. Dezember 2008
[6] Rebecca Milzoff: Six Physicists Walk Into a Room… (http:/ / nymag. com/ guides/ fallpreview/ 2007/ television/ 36554/ ), New York
Magazine, 24. August 2007
[7] Jennifer Ouellette: The Big Bang Theory (http:/ / www. symmetrymagazine. org/ cms/ ?pid=1000595), Symmetry Magazine, Januar/Februar
2008
[8] Andrew Zimmerman Jones: The Big Bang Theory – The Television Show (http:/ / physics. about. com/ b/ 2008/ 01/ 13/
the-big-bang-theory-the-television-show. htm), About.com, 13. Januar 2008
[9] Phil Plait: The Big Bang Theory, back on the air (http:/ / blogs. discovermagazine. com/ badastronomy/ 2008/ 11/ 17/
the-big-bang-theory-back-on-the-air/ ), Discover, 17. November 2008
[10] Jennifer Ouellette: Prime Time Science (http:/ / twistedphysics. typepad. com/ cocktail_party_physics/ 2008/ 09/ prime-time-scie. html),
Cocktail Party Physics, 28. September 2008
[11] Natalie Angier: In ‘Geek Chic’ and Obama, New Hope for Lifting Women in Science (http:/ / www. nytimes. com/ 2009/ 01/ 20/ science/
20angier. html), The New York Times, 19. Januar 2009
[12] Heather Mac Donald: The Times’s Weak-Willed Women (http:/ / www. city-journal. org/ 2009/ eon0128hm. html), City Journal, 28. Januar
2009
[13] ®¯°± ²°³´µ ¶·¸ ¹º»¸¼½¾·»¿ À´Á°º»³·Â (http:/ / motls. blogspot. com/ 2009/ 01/ friendship-algorithm. html), The Reference Frame, 20.
Januar 2009
[14] Paul Collins: Must-Geek TV – Is the world ready for an Asperger’s sitcom? (http:/ / www. slate. com/ articles/ arts/ television/ 2009/ 02/
mustgeek_tv. html), Slate, 6. Februar 2009
[15] http:/ / www. peopleschoice. com/ pca/ awards/ nominees/
[16] The Big Bang Theory, la fórmula perfecta del humor (http:/ / vos. lavoz. com. ar/ content/ la-formula-perfecta-del-humor-0) in: La Voz del
Interior vom 31. Oktober 2010 (spanisch)
[17] http:/ / www. guardian. co. uk/ education/ 2011/ nov/ 06/ big-bang-theory-physics-boom
[18] Hudson Morgan: Justify Her Love (http:/ / cbswatchmagazine. com/ blog/ 2010/ 09/ 28/ justify-her-love/ ) (englisch), CBS Watch Magazine
vom 28. September 2010, abgerufen am 18. Dezember 2013
Weblinks
à The Big Bang Theory on CBS.com (http://www.cbs.com/primetime/big_bang_theory/) (englisch)
à The Big Bang Theory (http://www.imdb.com/title/tt0898266/) in der Internet Movie Database (englisch)
ÄÅÆÇÈÉÊËÌ ÍÎËÆÏÐÑ GND: 7850552-5 (http:/ / d-nb. info/ gnd/ 7850552-5) | LCCN: no2010180132 (http:/ / lccn. loc.
gov/no2010180132) | VIAF: 184185822 (http://viaf.org/viaf/184185822/)
180
Zwölf-Schritte-Programm
Zwölf-Schritte-Programm
Das Zwölf-Schritte-Programm ist das spirituelle Programm der Anonymen Alkoholiker (AA), das Alkoholikern
zur Abstinenz vom Alkohol und zu einem neuen Lebensstil verhelfen soll.
Das Programm wurde in den 1930er Jahren von den Alkoholikern William Griffith Wilson und Robert Holbrook
Smith basierend auf ihren eigenen Alkoholmissbrauchserfahrungen entwickelt und im Buch Alcoholics Anonymous
festgehalten und erläutert. Zielgruppen waren sowohl Alkoholiker als auch Ärzte, Therapeuten und Vertreter
religiöser Gruppen, die Trunksüchtigen helfen wollten.
Zwölf-Schritte-Gruppen, Anonyme Gruppen oder A-Gruppen sind Selbsthilfegruppen, die sich nach dem
Zwölf-Schritte-Programm richten. Nach dem Vorbild der Anonymen Alkoholiker haben sich auch Gruppen zu
anderen Problemen gebildet und das Programm inhaltlich entsprechend angepasst. Die Anonymen Programme oder
A-Programme tragen in ihren Namen das Wort „Anonym“ (Betroffenengruppen) oder „Anon“
(Angehörigengruppen).
Die Zwölf Schritte
Mitgliedern in Zwölf-Schritte-Gruppen wird empfohlen, auf freiwilliger Basis die Zwölf Schritte durchzuarbeiten,
eine Bedingung für die Teilnahme an den Treffen ist das nicht.
Die Zwölf Schritte sind im Originalwortlaut urheberrechtlich geschützt, deshalb kann Wikipedia nur eine textliche
Abwandlung veröffentlichen. Der Originalwortlaut der Schritte eins bis neun ist in der Vergangenheitsform, die
Schritte zehn bis zwölf in der Gegenwartsform geschrieben, und wurde von den Urhebern als rückblickender
Leitfaden ihrer eigenen Genesung/Gesundung verfasst.
Es folgt eine sinngemäße Abwandlung des Textes des Zwölf-Schritte-Programmes, wie er in den
Zwölf-Schritte-Gruppen genutzt wird. Der Wortlaut unterscheidet sich häufig bei den einzelnen Gruppen (siehe
beispielsweise AA, NA, OA oder EA).
1. Anerkennen, dass man seinem eigenen Problem gegenüber machtlos ist. Das können beispielsweise
Substanzabhängigkeit oder, je nach Thematik der Gruppe, auch andere Problematiken sein. Zugeben, dass man
sein „tägliches Leben“ nicht mehr bewältigen kann.
2. Zum Glauben kommen, dass nur eine Macht, die größer als man selbst ist, die eigene geistige Gesundheit
wiederherstellen kann
3. Den Entschluss fassen, seinen Willen und sein Leben der Sorge Gottes, wie ihn jeder für sich versteht,
anzuvertrauen
4. Eine gründliche und furchtlose Inventur von sich selbst machen
5. Vor sich selbst und einem anderen Menschen gegenüber sein begangenes Fehlverhalten eingestehen
6. Die Bereitschaft, Verhaltensweisen, die das Leben behindern, von Gott entfernen zu lassen
7. Demütig darum bitten, dass Gott sämtliche persönliche „chronische das Leben behindernde Verhaltensweisen“
beseitigt
8. Auflistung aller Personen, denen man Unrecht getan und Schaden zugefügt hat und die Bereitschaft und den
Willen zur Wiedergutmachung entwickeln
9. Wo immer möglich, die Menschen entschädigen, außer, wenn sie oder andere dadurch verletzt würden
10. Die „Innere Inventur“ fortsetzen und zugeben, wenn man im Unrecht ist
11. Durch „Gebet und Besinnung“ versuchen (bzw. die Verbindung suchen), eine tiefe bewusste Beziehung zu Gott,
wie ihn jeder für sich selbst versteht, zu verbessern und um die Erkenntnis beten, seinen Willen zu sehen und die
Kraft, ihn umzusetzen
12. Nach der nun erfahrenen „spirituellen Erweckung“ versuchen, die Botschaft (wie der Einzelne die Schritte für
sich genutzt hat und weiter danach lebt) an andere Betroffene weiterzugeben und seinen Alltag nach den
181
Zwölf-Schritte-Programm
182
Grundsätzen der jeweiligen Zwölf-Schritte-Gruppe auszurichten.
Zwölf-Schritte-Gruppen
Verbreitung
Die überwiegende Mehrzahl der Zwölf-Schritte-Gruppen beschäftigt sich mit Drogenabhängigkeit. Es treffen sich in
über 180 Ländern mehr als 100.000 Anonyme-Alkoholiker-Gruppen, 61.000 Narcotics-Anonymous-Gruppen, 550
Nicotine-Anonymous-Gruppen. Dazu kommen noch über 24.000 Al-Anon-Familiengruppen für Angehörige von
Alkoholikern sowie 1.800 Alateen-Gruppen.[1] Die geografische Verteilung häuft sich im Ursprungsland USA.
Mit anderen Themen beschäftigen sich weltweit mehr als 1200 EA-Gruppen, 500 CoDA-Gruppen und eine Vielzahl
kleinerer Zwölf-Schritte-Programme.
Wikipedia
englisch
Thema
AA
Anonyme Alkoholiker
Alcoholics Anonymous
Alkoholismus
AAS
Anonyme Arbeitssüchtige
Workaholics Anonymous
(WA)
Arbeitssucht
Al-Anon
Al-Anon
Al-Anon
Angehörige und Freunde von Alkoholikern
Alateen
Alateen
Alateen
Kinder und Jugendliche von Alkoholikern
AM
Anonyme Messies
Clutterers Anonymous
(CLA)
Unordnung, Desorganisation und/oder Anhäufung von
wertlosem Krempel (Messie-Syndrom)
A.R.T.S
Anonyme Künstler
A.R.T.S. Anonymous
schöpferisches Potential zu verwirklichen
AS
Anonyme Sexaholiker
Sexaholics Anonymous
(SA)
Sexsucht
BA
Anonyme Borderliner
Borderliners Anonymous
Borderline-Persönlichkeitsstörung, Menschen mit einer frühen
Störung
CA
Cocaine Anonymous
Cocaine Anonymous
[2]
Abhängigkeit oder schädlicher Gebrauch von Kokain
Anonyme Co-Abhängige
Co-Dependents
Anonymous
Co-Abhängigkeit
DA
Anonyme Schuldner
Debtors Anonymous
Vermeidung ungedeckter Schulden
EA
Emotions Anonymous
Emotions Anonymous
emotionale, psychische und soziale Störungen
EKS
Erwachsene Kinder von suchtkranken
Eltern und Erziehern
Adult Children of
Alcoholics (ACA)
Erwachsene Kinder von suchtkranken Eltern und Erziehern
FA
Anonyme Esssüchtige in Genesung
Food Addicts In
Recovery Anonymous
Überessen, Bulimie, Magersucht, Esszwänge
GA
Anonyme Spieler
Gamblers Anonymous
Spielsucht
GamAnon
Angehörige und Freunde von Spielern
CoDA
GamAnon Angehörige Anonymer Spieler
ISA
ANONYME INZESTÜBERLEBENDE INCEST SURVIVORS
ANONYMOUS
Inzestüberlebende und Pro-Überlebende
NA
Narcotics Anonymous
Narcotics Anonymous
illegale und legale stoffliche Drogen (auch Medikamente und
Alkohol)
Narcotics Anonymous
Familiengruppe
Angehörige und Freunde von Abhängigen (Alkohol, Drogen
etc.)
Anonyme Nikotiniker
Nicotine Anonymous
Nikotinsucht
Overeaters Anonymous
Overeaters Anonymous
Essstörungen
Nar-Anon Nar-Anon
NicA
OA
Zwölf-Schritte-Programm
183
RCA
Anonyme Paare in Genesung
Recovering Couples
Anonymous
Genesung für Paare, gemeinsame Wiederherstellung einer
gestörten Beziehung
SAA
Anonyme Sexsüchtige
Sex Addicts Anonymous
Sexsucht
S-Anon
S-Anon
Angehörige von Sex-Süchtigen
SCA
Anonyme sexuell Zwanghafte
Sexual Compulsives
Anonymous
Sexsucht, sexuelle Zwanghaftigkeit
SIA
Anonyme Inzestüberlebende
Survivor of Incest
Anonymous
Auswirkungen von sexuellem Missbrauch
SLAA
Anonyme Sex- und Liebessüchtige
Sex and Love Addicts
Anonymous
Sexsucht, Sucht nach zerstörerischen Beziehungen oder Sucht
nach Flucht in romantische Phantasien
OLGA
Anonyme Online Spieler Anonyme
Online Süchtige
Online Gamers
Anonymous
Online Spielsucht Online Sucht Internet Sucht Computer
Sucht
Cluttererer Anonymous
Anonyme Clutterer
Cluttern bedeutet Horten Ansammeln = Sammelsucht
Unordnungssucht
S-Anon
CLA
Eine Besonderheit von Zwölf-Schritte-Gruppen ist ihre Inklusivität. Grundsätzlich stehen sie jedem offen,
unabhängig von Geschlecht, Alter, Nationalität, Sprache, Glaubenszugehörigkeit oder Rasse. Die einzige
Voraussetzung für die Gruppenzugehörigkeit wird in der 3. Tradition der jeweiligen Gruppe festgelegt. Es gibt keine
formalen Eintritts- oder Austrittskriterien. Mitglied ist, wer an den Treffen teilnimmt und sich zugehörig fühlt.
Eine weitere Besonderheit der Anonymen Gruppen ist das Anonymitätsprinzip. Die Teilnehmer bleiben
untereinander anonym, sie nennen nur ihre Vornamen. Die Identität wird nicht geprüft, es werden keine
Mitgliederverzeichnisse oder Anwesenheitslisten geführt. Außerdem ist auch im Außenkontakt Vertraulichkeit über
die Inhalte und Teilnehmer der Treffen zu wahren. So können Betroffene in Versammlungen offen über ihre
Probleme sprechen, ohne spätere Bloßstellungen in der Öffentlichkeit befürchten zu müssen. Auch für die Gruppe
selbst ist die Anonymität ein Schutz. Dies schützt sie vor Schädigung ihres Ansehens, insbesondere wenn
prominente Mitglieder auffällig werden.
Zusammenkünfte/Sitzungen/Treffen
Die Gruppen dienen der Selbsthilfe. Alkoholiker helfen Alkoholikern, Angehörige Angehörigen. Sie treffen sich
regelmäßig, meist wöchentlich zu gemeinsamen Zusammenkünften, in den Gruppen werden diese Treffen als
Meetings bezeichnet. Es bleibt jedem Teilnehmer überlassen, ob und wie häufig er die Treffen besucht.
Die Treffen werden ausschließlich von den Betroffenen selbst organisiert. Ein Chair (von engl. chair person,
Vorsitzender) moderiert. Dieser Dienst wird entweder durch Wahl oder nach Rotationsprinzip besetzt und kann von
jedem Teilnehmer übernommen werden. Weder der Chair noch andere Dienste haben eine hierarchische
Sonderstellung.
Es gibt kein Therapeuten-Klienten-Verhältnis. Viele Teilnehmer suchen sich aber einen erfahrenen Sponsor. Dieser
sollte schon längere Zeit „trocken“ sein, viel Erfahrung mit dem Programm haben und insbesondere in Notlagen (wie
akutem Suchtdruck) erreichbar sein.
An geschlossenen Treffen nehmen nur direkt Betroffene teil. Offene Treffen beziehen auch Angehörige ein. Manche
Gruppen veranstalten auch öffentliche Informationstreffen.
Die Gruppen bestimmen den Ablauf der Gruppentreffen selbst. Der typische Ablauf enthält folgende Elemente:
Vorstellungsrunde („Ich heiße Bill, ich bin Alkoholiker.“ – „Hi, Bill!“); Vorlesen von Präambel, Zwölf Schritten und
Zwölf Traditionen; gemeinsames Sprechen des Gelassenheitsgebets. Häufig werden auch Texte aus der Literatur
vorgelesen. Je nach Gruppe kommen weitere Elemente hinzu.
Den größten Raum bei den Treffen nimmt das „Teilen von Erfahrung, Kraft und Hoffnung“ ein. Die Teilnehmer
sprechen über ihre Erfahrungen. Sie können frei über alles sprechen, was sie bewegt. Die anderen Teilnehmer dürfen
-
Zwölf-Schritte-Programm
weder Feedback noch ungefragte Ratschläge geben. Manche Gruppen begrenzen die Redezeit und haben weitere
Regeln, um einen konstruktiven Meetingablauf zu gewährleisten.
Literatur
Literatur spielt bei den Zwölf-Schritte-Gruppen eine wichtige Rolle. Den Kern bilden die „Zwölf Schritte“ und
„Zwölf Traditionen“, entweder in der ursprünglichen Fassung der AA oder in einer angepassten Variante, die alle
Bezüge auf „Alkohol“ und „Alkoholismus“ durch das entsprechende Gruppenthema ersetzt. Fast alle Gemeinschaften
fassen ihr Programm in einer kurzen „Präambel“ zusammen.
Neben den AA selbst verwenden auch viele abgeleitete Zwölf-Schritte-Gruppen das „Blaue Buch“ (engl. Originaltitel
Alcoholics Anonymous, umgangssprachlich Big Book genannt) der AA. Es enthält die Zwölf Schritte, Zwölf
Traditionen, Zwölf Versprechen, einige Slogans, die Gründungsgeschichte der AA und zahlreiche
Lebensgeschichten.
Einige Gemeinschaften haben diesem Vorbild entsprechende eigene Bücher herausgebracht, etwa „Basic Text“ (NA),
„Al-Anon Familiengruppen“ (Al-Anon) oder das „CoDA Buch“ (CoDA). Die meisten Gemeinschaften geben
zahlreiche weitere Literatur heraus, wie Informationsbroschüren, Meditationsbücher, Lebensgeschichten. Diese
werden für Öffentlichkeitsarbeit, Selbststudium und auch während der Meetings genutzt.
Die meisten Gruppen legen Wert darauf, dass sie nur „konferenzgeprüfte“ Literatur verwenden. Neue Literatur muss
bei überregionalen Konferenzen von einer Mehrheit angenommen worden sein. Außerdem wird nur selbstverfasste
Literatur genutzt, da Zwölf-Schritte-Gruppen von externen Einrichtungen, wie einzelnen Autoren oder Institutionen
unabhängig bleiben wollen (6. Tradition).
Spiritualität
Das Zwölf-Schritte-Programm ist nach dem Selbstverständnis der Gründer ein spirituelles Programm.
Dass Spiritualität für manche Alkoholiker die letzte Rettung sein kann, fasste der Psychiater C. G. Jung 1961 in
einem Brief an den Mitgründer der AA Bill W. mit dem Wortspiel „spiritus contra spiritum“ (lat. „Geist gegen
Weingeist“) zusammen.[3]
Zwölf Schritte
Die Zwölf Schritte sind in der Vergangenheitsform geschrieben, weil sie Erfahrungen dokumentieren. Sie zeichnen
den Weg nach, der bei den Berichtenden zu spirituellem Erwachen und Genesung führte.
Die Arbeit in den Schritten ist eine Empfehlung. Es wird aber in der Literatur klar darauf hingewiesen, dass eine
„Genesung, die nicht nur die Symptome bekämpft“, ohne das „Leben in den Schritten“ kaum möglich ist. Sie ist keine
Bedingung für die Mitgliedschaft. Die Teilnahme an Meetings steht auch Menschen offen, die sich (noch) nicht nach
den Schritten richten wollen. Im Prinzip gibt es nur eine geistige/ideelle Mitgliedschaft, für die sich die Person selbst
entscheidet. Es widerspricht sich, „Mitglied“ in einer 12-Schritte-Gruppe sein zu wollen und den Inhalt der Schritte
kategorisch abzulehnen. Bei einer anfänglichen Ablehnung der Schritte kommt es oft zur Akzeptanz im Laufe der
Zeit.
184
Zwölf-Schritte-Programm
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Organisation
Die Zwölf-Schritte-Gemeinschaften sind basisdemokratisch organisierte Graswurzelbewegungen. Der Aufbau richtet
sich nach den Zwölf Traditionen und zwölf Konzepten.
Gruppe
Organisatorische Grundlage sind die einzelnen Gruppen. Neue Gruppen können jederzeit gegründet werden. Wenn
sich zwei oder drei Personen über ihre Genesung unterhalten, können sie sich A-Gruppe nennen, vorausgesetzt, dass
sie als Gruppe keine andere Bindung eingehen (3. Tradition).
In ihren eigenen Angelegenheiten sind die Gruppen selbstständig und nur ihrem Gruppengewissen gegenüber
verantwortlich (2. und 4. Tradition), solange die Angelegenheit nicht andere Gruppen oder die Gemeinschaft als
Ganzes betreffen.
Die Gruppen sind finanziell unabhängig. Sie finanzieren sich ausschließlich über die Spenden ihrer Mitglieder. Es
werden keine Gelder von Außen angenommen, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten (7. Tradition). Die Gruppen
sind auch unabhängig von Religionen, Sekten, Parteien usw.
Intergruppe
Alle Angelegenheiten, die andere Gruppen betreffen, sollten mit diesen gemeinsam beraten werden. Diese
Beratungen finden gelegentlich auf gemeinsamen Zusammenkünften aller Beteiligten, meist aber durch
Gruppenvertreter in Intergruppen-Komitees statt. Diese werden je nach Bedarf auf Stadt-, Bezirks-, Staats-,
nationaler und internationaler Ebene eingerichtet.
Die Gruppensprecher werden von den Gruppenmitgliedern gewählt. Sie haben keine Entscheidungsbefugnisse
gegenüber der Gruppe. Ihre Aufgabe ist lediglich, den Willen der Gruppe nach außen zu vertreten.
Nach Möglichkeit werden Beschlüsse im Konsens gefasst. Nur in Ausnahmefällen werden Mehrheitsbeschlüsse
gefasst, um die manchmal Jahre dauernden Konsensfindungsprozesse abzukürzen.
Kein Intergruppen-Dienstinhaber hat irgendeinem Mitglied gegenüber Macht oder Weisungsbefugnis. Alle
Ausschüsse können ihren Mitgliedern lediglich Empfehlungen aussprechen.
Verein
Die einzelnen Gruppen haben keine rechtliche Struktur. Sie sind ein
formloser Zusammenschluss von Menschen, die an den Meetings
teilnehmen. Die Teilnehmer bleiben anonym. Für überregionale Arbeit,
wie die Bereitstellung von Literatur und den Abschluss von Verträgen,
ist dagegen eine juristische Person von Vorteil.
Zu diesem Zweck haben einige Zwölf-Schritte-Gemeinschaften
eingetragene Vereine gegründet. Die Aktiven werden in den
Jahresversammlungen der Intergruppen gewählt. Dann werden sie
durch eine zweite Wahl in den Verein aufgenommen. Mit diesem
Schritt verlieren die Mitglieder ihre Anonymität. Nach Außen
erscheinen sie als „Angehörige von Betroffenen“. Laut Satzung haben
die Vereine die Interessen ihrer jeweiligen Zwölf-Schritte-Gruppe zu
vertreten. Formal ist die Jahresversammlung dem Verein nicht
weisungsbefugt.[4]
Schematische Darstellung der
Organisations-Struktur von
Zwölf-Schritte-Gruppen
Zwölf-Schritte-Programm
Gemeinsamer Dienstausschuss
Die Integrität der Gemeinschaft als ganzes stellt der Gemeinsame Dienstausschuss der jeweiligen Programme sicher.
Er koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Gemeinschaft. Eine Sonderstellung hat dabei Alcoholics
Anonymous World Services, Inc. als Inhaber des Urheberrechts an den Zwölf Schritten.
Weitere „Zwölf-Schritte“-Einrichtungen
Kliniken
Es gibt psychosomatische Fachkliniken, deren Therapie das Zwölf-Schritte-Programm als heilenden Prozess für
Süchtige akzeptiert und respektiert. Im Bad Herrenalber Modell von Dr. Walther H. Lechler bildet es die geistige
und spirituelle Grundlage des therapeutischen Prozesses. Viele Patienten nennen diese Kliniken vereinfachend
„Zwölf-Schritte-Kliniken“, zur Abgrenzung von anderen Therapiekonzepten. Da Zwölf-Schritte-Gruppen
außenstehende Einrichtungen weder gutheißen (6. Tradition), noch von ihnen finanzielle Unterstützung annehmen
(7. Tradition) können, sind Kliniken und Gruppen organisatorisch getrennt. In der Praxis stellen solche Kliniken
Räume für Meetings bereit und empfehlen zusätzlich die längerfristige Teilnahme an Zwölf-Schritte-Gruppen im
Rahmen der Nachsorge.
Aufenthalte in den sogenannten Zwölf-Schritte-Kliniken werden meist von den gesetzlichen Krankenkassen oder
Rentenversicherungsträgern bezahlt. Alle Zwölf-Schritte-Kliniken befinden sich in privater Trägerschaft. Aus
diesem Grund erhalten privatversicherte Personen und Selbstzahler -je nach individuellem Vertragsverhältnis- in
diesen Kliniken zusätzliche Therapien und Leistungen, die deutlich von den gesetzlichen Leistungen abweichen.
Selbsthilfegruppen
Es gibt weitere Selbsthilfegruppen und Organisationen, die Teile des Zwölf-Schritte-Programms oder der
Organisationsstruktur übernehmen. Einige beziehen sich direkt auf die Zwölf Schritte der AA, manchmal deuten nur
der Name oder einzelne Begrifflichkeiten eine mutmaßliche Nähe zu den AA an.
Zwölf-Schritte-Gruppen im engeren Sinne orientieren sich an den Zwölf Schritten und den Zwölf Traditionen der
AA, sie ändern an diesen Texten nur das jeweilige Problem und sie beachten das Copyright des Alcoholics
Anonymous World Services, Inc. an den Texten.
Synanon und Narconon haben, trotz der Endsilbe „-non“ im Namen, keine Verbindung mit dem
Zwölf-Schritte-Programm, weder inhaltlich noch organisatorisch.
Die Endlich-Leben-Gruppen verwenden die Zwölf Schritte, ergänzen und verändern sie aber im christlichen Sinne.
Organisatorisch sind sie an Kirchengemeinden gebunden, hier ist mit dem Begriff Gott klar der christliche Gott
gemeint. Recovery Anonymous übernimmt die Zwölf Schritte und Traditionen, verwendet die ursprüngliche,
christlich orientierte Literatur der AA-Gründer, von der sich diese später distanzierten, und ergänzt sie um
detaillierte Leitfäden zur Meetingorganisation.
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Zwölf-Schritte-Programm
Kritik
Monopolisierung
In den USA, und zunehmend auch in Deutschland, wird das Zwölf-Schritte-Programm als wichtigste, oft einzige,
Selbsthilfegruppe für Abhängige und ihre Angehörige empfohlen. Dieser Umstand ist vor allem auf individuelle
Entscheidungen derjenigen zurückzuführen, die die Empfehlung aussprechen (z. B. Ärzte und Psychologen).
Zwangsteilnahme
Gegen den Grundgedanken der freiwilligen Teilnahme an Meetings steht, wenn jemand aufgrund externen Drucks
gegen seinen Willen an Meetings teilnimmt, z. B als gerichtliche Auflage. Viele Gefängnisinsassen bekommen
Freigang für die Teilnahme an Zwölf-Schritte-Meetings. Es gibt Meetings, die Zwangsteilnehmern die geforderten
Teilnahmenachweise ausstellen.
Religiöses Wesen
Das New Yorker Berufungsgericht hat 1996 im Fall „Griffin v. Coughlin“ letztinstanzlich festgestellt, dass
„Angehörigkeit bei der Gemeinschaft der AA eine Beteiligung an religiösen Handlungen und religiöser
Missionierung mit sich bringt.“[5]
Wirksamkeit
• Die medizinische Wirksamkeit des Zwölf-Schritte-Programms bei der Genesung von Suchtkrankheiten ist schwer
zu belegen. Das liegt auch an der Anonymität, die bewirkt, dass keine Mitgliederlisten geführt werden und so
langfristige, wissenschaftliche Untersuchungen erschwert werden. Unabhängige, wissenschaftlich tragfähige
Untersuchungen sind rar.[6]
• Nach Praschniker zeigt die empirische Untersuchung, dass die Depressivität mit Zunahme der Verweildauer in
einer Zwölf-Schritte-Gruppe abnimmt.[7]
Alternativen
Zitat aus einer kritischen Schrift über die Anonymen Alkoholiker der Bundesvereinigung für Gesundheit e. V.: „Die
schwachen Ergebnisse verschiedener Therapierichtungen legen nahe, dass die Alternative zu AA nicht unbedingt
professionelle Therapie sein muss. Zur Überwindung von Alkoholproblemen ist wahrscheinlich soziale
Unterstützung durch Gleichgesinnte hilfreich. Grundsätzlich hat sich das Konzept von Selbsthilfegruppen durchaus
bewährt, nur brauchen diese nicht notwendigerweise auf den spirituellen Prinzipien von Alcoholics Anonymous
beruhen.'“
Es gibt viele andere Selbsthilfegruppen, die nicht nach dem Zwölf-Schritte-Programm arbeiten. Es gibt zahlreiche
Selbsthilfeangebote für viele verschiedene Krankheiten und Problembereiche mit den unterschiedlichsten
inhaltlichen Ausrichtungen und Methoden. Qualifizierte therapeutische und soziale Hilfen gibt es für alle Themen,
zu denen es auch Zwölf-Schritte-Gruppen gibt. Anlaufstellen sind etwa Ärzte, Psychotherapeuten,
Wohlfahrtsverbände und Selbsthilfekontaktstellen.
Es gibt auch Selbsthilfegruppen und Genesungsprogramme, die sich eindeutig zu einer bestimmten religiösen
Tradition oder Weltanschauung bekennen.
Weitere Selbsthilfegruppen: Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe, Kreuzbund, Guttempler, Blaues Kreuz
187
Zwölf-Schritte-Programm
Literatur
Intern
•
•
•
•
•
Das Blaue Buch
Präambel der AA – online: deutsch [8] englisch [9]
Zwölf Schritte der AA – online: deutsch [10] englisch [11]
Zwölf Traditionen der AA – online: deutsch [12] englisch [13]
William Griffith Wilson (Übersetzung von Marga Klay): Bill W. - meine ersten 40 Jahre. Autobiografie des
Mitbegründers der Anonymen Alkoholiker, Santiago-Verlag Goch 2003, ISBN 3-937212-00-0.
• Stephanie S. Covington: „Frauen und das Zwölf-Schritte-Programm (Textbuch)“ Santiago Verlag, 2006, ISBN
978-3-937212-09-8
• Stephanie S. Covington: „Frauen und das Zwölf-Schritte-Programm (Arbeitsbuch)“ Santiago Verlag, 2006, ISBN
978-3-937212-10-4
Extern
• Hans Praschniker: Soziodemografischer Hintergrund, Alkoholismuskarriere, Abstinenzdauer, Selbstbild und
Persönlichkeit von genesenden Alkoholikern: Eine Erkundungsstudie an Anonymen Alkoholikern. Dissertation,
Universität Graz, 1984. Praschniker Abstracts [35]
• Peter Daum: Eine kritische Auseinandersetzung mit den Alcoholics Anonymous [14] Diplomarbeit, Berlin
1990/1997.
• The Orange Papers [15] (engl.) Kritische Untersuchung der Wurzeln und Entstehungsgeschichte der Anonymen
Alkoholiker
• Mel Ash: Das Zen der Gesundung. Spirituelle und therapeutische Techniken auf dem Weg von Abhängigkeit zur
Freiheit. Kapitel: Eine Interpretation der Zwölf Schritte, Seite 101-147, Originalausgabe: The Zen of Recovery
1993, Aus dem Amerikanischen von Malte Heim, Knaur München 1997, ISBN 3-426-86047-3.
• Simone Bell-D'Avis: Hilft Gott gegen Sucht? Eine fundamentaltheologische Grundlegung der Suchtseelsorge .
LIT, Münster 2004, ISBN 3-8258-8812-6.
Weblinks
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Anonyme Alkoholiker im deutschsprachigen Raum [16]
Alcoholics Anonymous World Services, Inc. [17] (englisch)
Al-Anon Familiengruppen [18] (deutsch)
Narcotics Anonymous [19] (deutschsprachige Region)
Angehörigengruppe der Narcotics Anonymous [20] (deutschsprachige Region)
Narcotics Anonymous World Services [21] (englisch)
Anonyme Sex- und Liebessüchtige [22] (deutschsprachige S. L. A. A. e. V.)
Sex and Love Addicts Anonymous [23] (englisch)
Recovering Couples Anonymous Deutschland [24]
Sexual Compulsives Anonymous [25] (englisch)
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Zwölf-Schritte-Programm
Einzelnachweise
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
http:/ / www. al-anon. de/ grund/
http:/ / www. ca-deutschland. de/ index. asp
http:/ / www. barefootsworld. net/ jungletter. html
http:/ / emotionsanonymous. de/ service/ ea-struktur. html
„adherence to the AA fellowship entails engagement in religious activity and religious proselytization“ - Urteil „Griffin vs. Coughlin“, New
York Court of Appeals, 11. Juni 1996 ( online (http:/ / www. law. cornell. edu/ nyctap/ I96_0137. htm))
[6] Beate Robertz-Grossmann, Sigrid Droste: Die Anonymen Alkoholiker - Eine Literaturanalyse des Programms einer Selbsthilfegruppe für
alkoholkranke Menschen. 2003, Bundesvereinigung für Gesundheit e. V. ( pdf (http:/ / www. bvgesundheit. de/ pdf/ AnonymeAlkoholiker.
pdf))
[7] Hans Praschniker: Soziodemografischer Hintergrund, Alkoholismuskarriere, Abstinenzdauer, Selbstbild und Persönlichkeit von genesenden
Alkoholikern: Eine Erkundungsstudie an Anonymen Alkoholikern. Dissertation, Universität Graz, 1984.
[8] http:/ / www. anonymealkoholiker. de/ content/ 01horiz/ 01prae. php
[9] http:/ / www. alcoholics-anonymous. org/ en_services_for_members. cfm?PageID=98& SubPage=109
[10] http:/ / www. anonymealkoholiker. de/ content/ 01horiz/ 01schri. php
[11] http:/ / www. alcoholics-anonymous. org/ en_services_for_members. cfm?PageID=98& SubPage=117
[12] http:/ / www. anonymealkoholiker. de/ content/ 01horiz/ 01trad. php
[13] http:/ / www. alcoholics-anonymous. org/ en_services_for_members. cfm?PageID=98& SubPage=116
[14] http:/ / www. ash-berlin. eu/ user/ gator/ aa/ index. html
[15] http:/ / www. orange-papers. org
[16] http:/ / www. anonyme-alkoholiker. de/
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24]
[25]
http:/ / www. aa. org/
http:/ / www. al-anon. de/
http:/ / www. narcotics-anonymous. de/
http:/ / www. naranon. de/
http:/ / www. na. org/
http:/ / www. slaa. de/
http:/ / www. slaafws. org/
http:/ / www. recovering-couples. de/
http:/ / www. sca-recovery. org
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Quelle(n) und Bearbeiter des/der Artikel(s)
Quelle(n) und Bearbeiter des/der Artikel(s)
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Computerspielabhängigkeit Quelle
Bearbeiter: A.Savin, AHZ, Aka, Alnilam, Ambross07, Andante, Andy king50, Bajbi, Bihlerin,
BuschBohne, Carol.Christiansen, Cheesehead, Cheppers72, Cherubino, Chewbacca2205, Chika-chaaan, Christian aus Neumünster, Christian2003, Coatilex, Cologinux, Controlling, Daniel
Brendan Carroll, Dansker, DasFliewatüüt, Der.Traeumer, DerHexer, Dha, Diba, Didym, Dosenfant, Dotox, Emeldir, EssexGirl, Euphoriceyes, Exoport, Feliz, Fish-guts, Grey Geezer,
Hahnenkleer, Halbarath, Helfmann, Hen- Nes- Quick red novA trod, Hephaion, HexaChord, HilberTraum, Horst Gräbner, Howwi, Hybridbus, Hydro, Inkowik, Invisigoth67,
Irgendjemandweiteres, Itti, Jandreher, Jivee Blau, Jopromi, KaiMeier, Kaisersoft, Kulac, Kungfuman, LZ6387, LachendesKnie, Laolaknighty, Linke Schamlippe, Lukas²³, MadProfessor42,
Markobr, Marmor333, Martin Bahmann, Martin1978, Nameless23, Natsu83, Ne discere cessa!, O.Koslowski, Observer22, Ot, PMFarin, Pasleim, Peter200, Pittimann, Polarlys, Polemos, PtM,
Q'Alex, Qafgbxvghnx, Rabax63, Randolph33, Redf0x, Regi51, Renekaemmerer, Rettet den Sonnabend, Rolf H., Rolf berty, Schniggendiller, Scooter, Se4598, Small Axe, Spuk968, Stefanf74,
Steinbeisser, Steinsplitter, Summ, Tapetis, Timk70, Tolentino, Totie, Twiknix, Umweltschützen, Update, Uwe Gille, Waithamai, Waldi66, Warfair, Widescreen, Wikifreund, Wnme, Xocolatl,
YourEyesOnly, Zaphiro, 220 anonyme Bearbeitungen
Pathologisches Spielen Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=130690564 Bearbeiter: 1971markus, 24-online, 24karamea, 3268zauber, 3dc, 69sin69, A.Savin, Adornix,
Ahoerstemeier, Aka, Almeida, Alnilam, Alros002, Ambross07, An-d, Andante, AndreasFahrrad, Antiphon, Anton-kurt, Arma, Armin P., Astrofreund, Austriantraveler, Avoided, Baird's Tapir,
BesondereUmstaende, Bildermaker, Blaubahn, Blaufisch, BuschBohne, Carol.Christiansen, Cholo Aleman, Chris818181, Christian2003, Claus Rüegg, Cologinux, Complex, Constantin Greubel,
D, Dachris, Daniel 1992, DasFliewatüüt, Dave Holden, DavidDerGroße, Dein Freund der Baum, Delemon, Denis Barthel, Der.Traeumer, DerGraueWolf, DerHexer, Diba, Dietbett, Donalbein,
Drahreg01, ESFP, Emergency doc, Engie, Exoport, Eynre, Fabian318, Felix Stember, Fladi, Fredo 93, Geist, der stets verneint, George moriarty, Geoyo, Gerbil, Ghettomaster, Giftmischer,
Gilliamjf, GuentherZ, Gustav von Aschenbach, HaeB, Hagman, Halbarath, Hardenacke, HeinzRose, Herr von Quack und zu Bornhöft, HexaChord, Holmium, Horst Gräbner, Hoss, Howwi,
Hubertl, Hybridbus, Hydro, Ilja Lorek, Inkowik, Inschanör, Invisigoth67, Itti, Jivee Blau, Jodo, Johann Gambolputty, Johnny Controletti, Joker.mg, Jreiners, JuliusBrutus, Jürgen Oetting,
KOTK74, Kopfhausierer, Kungfuman, LZ6387, Lacrimus, Langec, Lefschetz, Leithian, Leuchtschnabelbeutelschabe, Logograph, Lueggu, Magnummandel, Manjel, Markus Bärlocher, Martin
Bahmann, Martin-vogel, Martin1978, MatthiasFD, Max Plenert, Memoriam, Modzzak, Mutina, Nesshold, Neu1, Nexusstar, Nicolas17, Nikkis, Noddy93, NordNordWest, Novocasinos, Nud L.
Suppe, O.Koslowski, OlDee, Otto559, PDD, Pansch, Pedolumanda, PeeCee, Peng, Peter200, Pilidis, Pittimann, Pokerfaeces, Polarlys, RacoonyRE, Randolph33, Ratatosk, Regi51, Revvar, Ri st,
Robodoc, Roland Scheicher, Rolf H., Rolf berty, RolfS, RonMeier, Rxaxnxdxy, STBR, Schnirring, Scooter, Scooterman, Se4598, Semper, Sicherlich, Siehe-auch-Löscher, Sinn, Slartidan, Small
Axe, Spielsuchthilfewien, Spuk968, Stefan64, Stefbuer, Steinbeisser, Stilfehler, Summ, THWZ, Tavok, Timk70, Tobias 39, Torwartfehler, TruebadiX, UHT, Ulrich.fuchs, Urfin7, Usien,
Usquam, Uwe Gille, Van'Dhunter, VerarschtHochkant, WIKImaniac, Wahldresdner, Wangen, Warfair, Westiandi, Widescreen, Wiki Gh!, Wilske, Wo st 01, Wolfgang H., Wolfgang1018,
Wurmkraut, Xocolatl, Yellowcard, You Lose, YourEyesOnly, Zib, ³²P, 367 anonyme Bearbeitungen
Glücksspiel Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=129497466 Bearbeiter: .x, 1971markus, A.Savin, Aaaah, Adornix, Agathenon, Ahellwig, Ahoerstemeier, Aka, Andreas 06,
AndreasPraefcke, Anonymous Verschwindibus Desperadus, Arno Matthias, Avoided, BJ Axel, Baumfreund-FFM, Benson.by, Bernhard55, Bib, Bierdimpfl, Bubo bubo, Bärski, Carolin, Casra,
CedricBLN, CharlyK, Cherubino, Chris818181, César, Der.Traeumer, DerHexer, Diamond, Diba, Dinah, Diskriminierung, Dundak, Ebricca, Engie, Exodus7, Expvis, F2hg.amsterdam,
Fgrassmann, Florian Adler, Frank A, Fräulein Hannelore, Färber, Gaeddal, Gene Regaad, Generator, Gerd Quedenbaum, Ghettomaster, Giftmischer, Gunnar Eberlein, Gustav von Aschenbach,
HaeB, Haeuslermartin, Hafenbar, Hedele, Heiko, Heyyou, Hi-Lo, Hob Gadling, Howwi, Hozro, Hungchaka, Hydro, IRdW, Imzadi, Inkowik, Itti, Jed, Jergen, Jochen Weber, Jodo, Kaaaaal,
Katach, Kku, Klapper, Klaus62, Kleinstaatler, Krawi, Kriddl, Kriegslüsterner, Kurt Jansson, LIU, LKD, Lambada, Laufbahn, Laura22, Lefschetz, Leonard Vertighel, Libelle63, Liberaler
Humanist, Lucky Dice, Maich, Marcdsl, Martin1978, Matt1971, Matthias Andersen, Media lib, Minley, Mipago, Neun-x, Nightflyer, Olaf Roguhn, Orator, Ot, Parvus77, PeerBr, Peng, Perrak,
Peter200, Pittimann, PtM, Ra-raisch, Randolph33, Rdb, Regi51, Reinhard Kraasch, Richard Lenzen, Roland Scheicher, Romeike, RosaMarie, Rr2000, STBR, Sabata, Saehrimnir, Samash,
Schildkröte89, Schwäbin, Sebastian Klein, Seite wurde gesperrt, Semper, Sieburg, SorayaDeutschland, Sprachfreund49, Sprezzatura, Spuk968, StYxXx, Stefan Kühn, Stefan64, Steinbeisser,
Störfix, T34, TechnologyMC, Terabyte, ThE cRaCkEr, TheBlues, Thomas R. Schwarz, Tobias1983, Tönjes, Uavd, Update, Verena3, WAH, WagnerAndreas, WiESi, Woches, Wolfgang H.,
Wolfgang1018, Wossen, Wowo2008, Würfelfreund, XRay, YMS, Zenon, Zollernalb, Århus, 183 anonyme Bearbeitungen
Angst Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=131359758 Bearbeiter: --=Titanus=--, 007nico, 24-online, 4tilden, AHZ, APPER, Aeranthropos, Aka, Akmf, Alraunenstern,
AlterVista, An-d, Anaxo, Andante, Andreas Parker, AndreasPraefcke, Aragorn05, Armin P., Arno Matthias, Avoided, B.Thomas95, BJ Axel, BRotondi, BWesten, Balver, Batani, Baumeister,
Bdk, Beate Muschalla, Bernhard Wallisch, Bertonymus, BesondereUmstaende, Bin im Garten, Björn Bornhöft, BlankeVla, Blunt., Bubo bubo, Buchstapler, Candid Dauth, Carlo Cravallo,
Carol.Christiansen, Celph titled, Cestoda, Chaddy, Chatter, Chbegga, Chricho, ChrisHamburg, Chrisfrenzel, Christian Günther, Christian2003, Church of emacs, Ciciban, Codc, Complex,
Crazy-Chemist, Crusticroc, Cymothoa exigua, D, Dellex, DerHexer, Diaphanos, Diba, Dinah, Don Magnifico, Dr. Rolf Merkle, Drahreg01, Driverofthebluetaxi, ElAiko, ElRaki, Emi, Emkaer,
Emsig, Engel-luna3268, Entlinkt, Euphoriceyes, EvaK, Eynre, F2hg.amsterdam, FatmanDan, Feba, Fireman1985, Flann, Frank C. Müller, Franz Kappes, Fuenfundachtzig, FutureCrash,
GattoVerde, GenJack, Geof, Geraldstiehler, Gerbil, Gerhardvalentin, Gerpos, Gesundfuchs, Gnut, Gonfaloniere della Giustizia, Gravitophoton, Greifensee, Grey Geezer, Gustav von Aschenbach,
HaSee, HaeB, Hanno der Niedersachse, Hans-Jürgen Streicher, Hansele, Haraldbischoff, HaukeZuehl, HeniPynch, Hermannthomas, Herr von Quack und zu Bornhöft, Herrick, HexaChord,
Hexajoma, Hkoeln, Hofres, Horst Gräbner, Howwi, Hubertl, Hunding, Icehunter, Icek, Igge, Ilja Lorek, In dubio pro dubio, Inkowik, Iste Praetor, JARU, JCS, JKS, Jennybrix, Jergen, Jivee Blau,
Job Killer, Jobu0101, Johamar, Johnny Controletti, Joker.mg, Jonathan Hornung, Jordi, Josef limpert, Juesch, Jumbo1435, Karl-Henner, Kaugummimann, Kelsang Lachpa, Kh80, Killikalli,
Kolya, Kopernikaner2014, Krawi, Kuebi, Kuli, L47, LKD, LarynX, Lentando, Leoll, Leon, Leonore, Liuthar, Luckyfreddy, Ludger Lampen, Lunie9, Lómelinde, Mabschaaf, Mapsblue,
Marilyn.hanson, Markosch, Markus Mueller, MarkusHagenlocher, Martin-vogel, Martin1978, Maus-78, Mbdortmund, Megan, Meriko, Michael Striebel, MichaelDiederich, MichaelFrey, Mikue,
Mnh, Mnimfuehr, Mo4jolo, Monika E., Moros, Muesli, Muxmax, Mvb, My name, Nachtagent, Nerd, Nere, Netnet, Neun-x, Nicor, Nina, Nogo, Nordstern, Omikron23, OriginOfSpecies, Ot, Otto
Normalverbraucher, Parakletes, Pat gemini, Paterok, Patte865, Pavl90, Peter200, Pferdefanatiker, Philipendula, Pia6472, Psychoanalyse, Psychologe, Raubsaurier, Rdb, Redlinux, Regi51, Robert
Huber, RonnyK80, Roo1812, Rr2000, STBR, Schenkdu, Sepia, Shisha-Tom, Sinn, Sirdon, Skluesener, Skra31, Slllu, Solid State, Spuk968, StYxXx, Stefan Kühn, Stefan64, StefanWesthoff,
StephanPsy, Stern, Summer2005, Synapse, Sypholux, T.M.L.-KuTV, Tafkas, Thanatos, The Hawk, Ticketautomat, Timk70, Tinz, Tobias1983, TobiasKlaus, Tobla, Togo, Tyche, Tönjes,
Umweltschützen, Ute Erb, Uwe Gille, VerwaisterArtikel, Wahldresdner, Webscout, Weissmann, West, Westerms, Westiandi, Wettig, Wheeke, WikiCare, WikipediaMaster, Wilske, Wimpus,
Wnme, Wolff-BI, Wolfgang K, Wolfgang1018, Wst, Wuttgenstein, Wwwfernerat, Xxx xxy, YMS, YourEyesOnly, Zaibatsu, Zaphiro, Zehntwerder, Zornfrucht, Zykure, 455 anonyme
Bearbeitungen
Depression Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=131359722 Bearbeiter: -enzyklop-, 24-online, 45054, A.Savin, AWI, Aaaah, Abadonna, Abc2005, Aberglaube, Acboss, Achak,
Achim Raschka, Achimbodewig, Adokhugi, Aka, Akir, Akmf, AlexR, Almeida, Alnilam, Aloiswuest, AlterVista, Amonsul, Andante, AndreAdrian, Andreas Parker, Andreas Werle, Andreas aus
Hamburg in Berlin, Andreas20, AndreasPraefcke, André Hoek, AndréWilke, Andy king50, AndyK70, Anneke Wolf, Antaios, Anton Groten, Anton-Josef, Applepie, Arcimboldo, Arno Matthias,
Aspiriniks, Astrofreund, Atari-Frosch, Atman Sun, Auer1987, Avoided, AxelHH, Ayacop, AydinC, Azog, Babalama, Baird's Tapir, Bajbi, Batte, Bdk, Beek100, Benzen, Bernd Untiedt,
Bertonymus, Bertram72, Binter, Blaua, Blauespferd, BlueCücü, Blumquast, Boshomi, Buchbibliothek, Buecherfresser, Buerstemitkotspurenschwinger, Buntfalke, BurghardRichter,
CabaretSauvignon, Calle Cool, Carl Steinbeißer, Carol.Christiansen, Carolin, Cartinal, Catfisheye, Cbkrueger, Cboehri, Centovalli, Cepheiden, Cestoda, Chaddy, CherryX, Chigejo, Cholo
Aleman, Christian2003, ChristophDemmer, Ciciban, City Noise, Clickbuetow, Cobold0815, Codc, Cologinux, Conrad v.Wedemeyer, Coptercam, Crazy-Chemist, Cumtempore, Curtis Newton,
Cymothoa exigua, Cyrus Grisham, D, Daendy, Dandelo, Dapeda, Darev, Das Volk, Dem Zwickelbert sei Frau, Der.Traeumer, DerAnalyst, DerHexer, DerJürgen, Diba, Dickbauch, Die Steffi,
Dirk Schneider, Dishayloo, Don Quichote, Dosenfant, Doudo, Dr.Smoking, Drahreg01, Dralon, E-Malte, E.Wende, E.Zann, Editorius, Eins, Ekab, El, Elnolde, Elya, Emes2k, Empro2,
Engel-luna3268, Engie, Ennimate, Ephraim33, Equinoxx, Eras-mus, ErikDunsing, EvaK, Evolutionärer Humanist, Fantasy, FataMorgana, Felix König, Felix Stember, Fenice, Ferrydun,
Filterkaffee, Fischkopp, Fouk, Frankee 67, Frankipank, Franz Xaver, FranzR, Freak1972, Friedenslandl, Frits, Fsaachen, Fuenfundachtzig, G. Vornbäumer, GDK, Gaggafuto, Galleta, Gdarin,
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must present the full title with all words of the title equally prominent and visible. You may add other material on the covers in addition. Copying with changes limited to the covers, as long as they preserve the title of the Document
and satisfy these conditions, can be treated as verbatim copying in other respects.
If the required texts for either cover are too voluminous to fit legibly, you should put the first ones listed (as many as fit reasonably) on the actual cover, and continue the rest onto adjacent pages.
If you publish or distribute Opaque copies of the Document numbering more than 100, you must either include a machine-readable Transparent copy along with each Opaque copy, or state in or with each Opaque copy a
computer-network location from which the general network-using public has access to download using public-standard network protocols a complete Transparent copy of the Document, free of added material. If you use the latter
option, you must take reasonably prudent steps, when you begin distribution of Opaque copies in quantity, to ensure that this Transparent copy will remain thus accessible at the stated location until at least one year after the last time
you distribute an Opaque copy (directly or through your agents or retailers) of that edition to the public.
It is requested, but not required, that you contact the authors of the Document well before redistributing any large number of copies, to give them a chance to provide you with an updated version of the Document.
4. MODIFICATIONS
You may copy and distribute a Modified Version of the Document under the conditions of sections 2 and 3 above, provided that you release the Modified Version under precisely this License, with the Modified Version filling the role
of the Document, thus licensing distribution and modification of the Modified Version to whoever possesses a copy of it. In addition, you must do these things in the Modified Version:
•
A. Use in the Title Page (and on the covers, if any) a title distinct from that of the Document, and from those of previous versions (which should, if there were any, be listed in the History section of the Document). You may use
the same title as a previous version if the original publisher of that version gives permission.
B. List on the Title Page, as authors, one or more persons or entities responsible for authorship of the modifications in the Modified Version, together with at least five of the principal authors of the Document (all of its principal
authors, if it has fewer than five), unless they release you from this requirement.
•
C. State on the Title page the name of the publisher of the Modified Version, as the publisher.
•
D. Preserve all the copyright notices of the Document.
•
E. Add an appropriate copyright notice for your modifications adjacent to the other copyright notices.
•
F. Include, immediately after the copyright notices, a license notice giving the public permission to use the Modified Version under the terms of this License, in the form shown in the Addendum below.
•
G. Preserve in that license notice the full lists of Invariant Sections and required Cover Texts given in the Document's license notice.
•
H. Include an unaltered copy of this License.
•
I. Preserve the section Entitled "History", Preserve its Title, and add to it an item stating at least the title, year, new authors, and publisher of the Modified Version as given on the Title Page. If there is no section Entitled
"History" in the Document, create one stating the title, year, authors, and publisher of the Document as given on its Title Page, then add an item describing the Modified Version as stated in the previous sentence.
•
J. Preserve the network location, if any, given in the Document for public access to a Transparent copy of the Document, and likewise the network locations given in the Document for previous versions it was based on. These
may be placed in the "History" section. You may omit a network location for a work that was published at least four years before the Document itself, or if the original publisher of the version it refers to gives permission.
•
K. For any section Entitled "Acknowledgements" or "Dedications", Preserve the Title of the section, and preserve in the section all the substance and tone of each of the contributor acknowledgements and/or dedications given
therein.
•
L. Preserve all the Invariant Sections of the Document, unaltered in their text and in their titles. Section numbers or the equivalent are not considered part of the section titles.
•
M. Delete any section Entitled "Endorsements". Such a section may not be included in the Modified Version.
•
N. Do not retitle any existing section to be Entitled "Endorsements" or to conflict in title with any Invariant Section.
•
O. Preserve any Warranty Disclaimers.
If the Modified Version includes new front-matter sections or appendices that qualify as Secondary Sections and contain no material copied from the Document, you may at your option designate some or all of these sections as
invariant. To do this, add their titles to the list of Invariant Sections in the Modified Version's license notice. These titles must be distinct from any other section titles.
You may add a section Entitled "Endorsements", provided it contains nothing but endorsements of your Modified Version by various parties--for example, statements of peer review or that the text has been approved by an organization
as the authoritative definition of a standard.
You may add a passage of up to five words as a Front-Cover Text, and a passage of up to 25 words as a Back-Cover Text, to the end of the list of Cover Texts in the Modified Version. Only one passage of Front-Cover Text and one of
Back-Cover Text may be added by (or through arrangements made by) any one entity. If the Document already includes a cover text for the same cover, previously added by you or by arrangement made by the same entity you are
acting on behalf of, you may not add another; but you may replace the old one, on explicit permission from the previous publisher that added the old one.
The author(s) and publisher(s) of the Document do not by this License give permission to use their names for publicity for or to assert or imply endorsement of any Modified Version.
•
5. COMBINING DOCUMENTS
You may combine the Document with other documents released under this License, under the terms defined in section 4 above for modified versions, provided that you include in the combination all of the Invariant Sections of all of
the original documents, unmodified, and list them all as Invariant Sections of your combined work in its license notice, and that you preserve all their Warranty Disclaimers.
The combined work need only contain one copy of this License, and multiple identical Invariant Sections may be replaced with a single copy. If there are multiple Invariant Sections with the same name but different contents, make the
title of each such section unique by adding at the end of it, in parentheses, the name of the original author or publisher of that section if known, or else a unique number. Make the same adjustment to the section titles in the list of
Invariant Sections in the license notice of the combined work.
Lizenz
197
In the combination, you must combine any sections Entitled "History" in the various original documents, forming one section Entitled "History"; likewise combine any sections Entitled "Acknowledgements", and any sections Entitled
"Dedications". You must delete all sections Entitled "Endorsements".
6. COLLECTIONS OF DOCUMENTS
You may make a collection consisting of the Document and other documents released under this License, and replace the individual copies of this License in the various documents with a single copy that is included in the collection,
provided that you follow the rules of this License for verbatim copying of each of the documents in all other respects.
You may extract a single document from such a collection, and distribute it individually under this License, provided you insert a copy of this License into the extracted document, and follow this License in all other respects regarding
verbatim copying of that document.
7. AGGREGATION WITH INDEPENDENT WORKS
A compilation of the Document or its derivatives with other separate and independent documents or works, in or on a volume of a storage or distribution medium, is called an "aggregate" if the copyright resulting from the compilation
is not used to limit the legal rights of the compilation's users beyond what the individual works permit. When the Document is included in an aggregate, this License does not apply to the other works in the aggregate which are not
themselves derivative works of the Document.
If the Cover Text requirement of section 3 is applicable to these copies of the Document, then if the Document is less than one half of the entire aggregate, the Document's Cover Texts may be placed on covers that bracket the
Document within the aggregate, or the electronic equivalent of covers if the Document is in electronic form. Otherwise they must appear on printed covers that bracket the whole aggregate.
8. TRANSLATION
Translation is considered a kind of modification, so you may distribute translations of the Document under the terms of section 4. Replacing Invariant Sections with translations requires special permission from their copyright holders,
but you may include translations of some or all Invariant Sections in addition to the original versions of these Invariant Sections. You may include a translation of this License, and all the license notices in the Document, and any
Warranty Disclaimers, provided that you also include the original English version of this License and the original versions of those notices and disclaimers. In case of a disagreement between the translation and the original version of
this License or a notice or disclaimer, the original version will prevail.
If a section in the Document is Entitled "Acknowledgements", "Dedications", or "History", the requirement (section 4) to Preserve its Title (section 1) will typically require changing the actual title.
9. TERMINATION
You may not copy, modify, sublicense, or distribute the Document except as expressly provided for under this License. Any other attempt to copy, modify, sublicense or distribute the Document is void, and will automatically terminate
your rights under this License. However, parties who have received copies, or rights, from you under this License will not have their licenses terminated so long as such parties remain in full compliance.
10. FUTURE REVISIONS OF THIS LICENSE
The Free Software Foundation may publish new, revised versions of the GNU Free Documentation License from time to time. Such new versions will be similar in spirit to the present version, but may differ in detail to address new
problems or concerns. See http:/ / www. gnu. org/ copyleft/ .
Each version of the License is given a distinguishing version number. If the Document specifies that a particular numbered version of this License "or any later version" applies to it, you have the option of following the terms and
conditions either of that specified version or of any later version that has been published (not as a draft) by the Free Software Foundation. If the Document does not specify a version number of this License, you may choose any version
ever published (not as a draft) by the Free Software Foundation.
ADDENDUM: How to use this License for your documents
To use this License in a document you have written, include a copy of the License in the document and put the following copyright and license notices just after the title page:
Copyright (c) YEAR YOUR NAME.
Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document
under the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.2
or any later version published by the Free Software Foundation;
with no Invariant Sections, no Front-Cover Texts, and no Back-Cover Texts.
A copy of the license is included in the section entitled
"GNU Free Documentation License".
If you have Invariant Sections, Front-Cover Texts and Back-Cover Texts, replace the "with...Texts." line with this:
with the Invariant Sections being LIST THEIR TITLES, with the
Front-Cover Texts being LIST, and with the Back-Cover Texts being LIST.
If you have Invariant Sections without Cover Texts, or some other combination of the three, merge those two alternatives to suit the situation.
If your document contains nontrivial examples of program code, we recommend releasing these examples in parallel under your choice of free software license, such as the GNU General Public License, to permit their use in free
software.