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e-Inclusion – Inklusive-Partizipative Forschung und Entwicklung, User-Centred Design und Empowerment Orientierungen für einen Ansatz der Forschung und Entwicklung(F&E) gemeinsam mit Menschen mit kognitiven Behinderungen Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg vorgelegt von CORDULA EDLER, geb. Kostmann aus München Zell unter Aichelberg 2020 Erstgutachter: Prof. Dr. Dr. Matthias Rath, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Zweitgutachter: Prof. Dr. Klaus Miesenberger, Johannes-Keppler-Universität, Linz, Österreich Datum des Abschlusses der Promotion: 23.06.2020 II DANKSAGUNG An dieser Stelle möchte ich mich bei allen, auch den hier nicht namentlich genannten Personen, bedanken, ohne deren Unterstützung die Erstellung dieser Doktorarbeit in der vorliegenden Form nicht zustande gekommen wäre. Ein aufrichtiger Dank gebührt Herrn Professor Dr. Dr. Matthias Rath, meinem Doktorvater von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg für die Betreuung dieser Arbeit, seine vielfältigen Anregungen und Beratung, die mir den kritischen Zugang zu diesem Thema ermöglicht haben. Die gemeinsamen Gespräche auf intellektueller und auf persönlicher Ebene waren immer ein wertvoller und konstruktiver Austausch. Ebenso gilt dieser Dank Herrn Professor Dr. Klaus Miesenberger als zweitem Gutachter, für seine freundschaftliche, kollegiale und wissenschaftliche Unterstützung. Ohne sein Zutun und die kollegiale Zusammenarbeit mit dem Institut Integriert Studieren der Johannes-KepplerUniversität Linz, wäre der praktische Teil dieser Arbeit und auch das Projekt »Easy Reading« nicht zu realisieren gewesen. Ein weiteres Dankeschön geht auch an meine Kolleginnen und Kollegen der Fakultät Rehabilitations-wissenschaften von der Technischen Universität Dortmund, an die PeerForscherinnen und Peer-Forscher von PIKSL, Proqualis und DART und deren Unterstützerinnen und Unterstützer, die die Idee und Entwicklung des IPAR-UCD Konzepts mitgetragen haben. Ein ganz herzlicher Dank gilt meiner Freundin und Studienkollegin Silke Müller-Lehmann für die kritische Auseinandersetzung und ihr Feedback zu den komplexen Kapiteln meiner Arbeit, sowie meiner Studienkollegin Rebecca Wagner für ihre Anregungen und das Korrekturlesen. Ferner danke ich den australischen Kolleginnen, Therese M. Cumming, Debbie Horsfall, Iva Strnadová und Kelley Johnson für ihre Ermutigungen und dafür, dass sie mir selbstverständlich und zeitnah ihre neusten Veröffentlichungen zur inklusiven Forschung zur Verfügung gestellt haben. Mein ganz besonderer Dank aber gehört meiner Familie, meinem Mann, der meine Ideen und meine Arbeit unermüdlich unterstützt hat, sowie unseren beiden erwachsenen Söhnen, die mich immer wieder neu auf lebendige Weise inklusiv inspirieren und motivieren. III IV ABSTRACT e-Inclusion steht für digitale Inklusion, d. h. die Teilhabe aller an der digitalen Gesellschaft. Immer mehr Menschen leben und arbeiten in digital vernetzten Umgebungen. Von den Vorteilen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) profitieren aber nicht alle im selben Umfang. Es gibt Menschen, die bislang keinen Zugang zu den neuen Medien haben oder die den Umgang mit den Kommunikationsmitteln bisher nicht erlernen konnten. Hier setzt e-Inclusion oder die digitale Inklusion an. Das Wissen über benutzergeneriertes Design ist für die Implementierung von assistiver Technologie (AT) für alle Gruppen von Menschen mit Behinderungen wissenschaftlich belegt und praktisch erprobt mit Ausnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen. Es gibt kaum eine inklusive Beteiligung dieser Zielgruppe als Mitforscherinnen und Mitforscher sowie als Experten, obwohl die Nutzerforschung zur kognitiven Zugänglichkeit (cognitive accessibility) des W3C1 die Herausforderungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Behinderungen bei der Nutzung von Webinhalten und -technologien beschreibt (vgl. W3C/WAI, 2016). In den Sozialwissenschaften existieren inklusive Forschungsansätze für die Zielgruppe, in der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung (F&E) werden jedoch inklusive Ansätze bislang vermisst. Das State of the Art zeigt, dass es an Kriterien für ein inklusives Forschungsdesign und an geeigneten Instrumenten und Methoden zur Unterstützung der Kommunikation und Interaktion in Forschung und Entwicklung fehlt, um Menschen mit kognitiven Behinderungen einzubeziehen (vgl. u. a. Istenič Starčič, A.; BAGON, S. 2013). Der Ausschluss der Zielgruppe von Forschung, einschließlich der Entwicklung von assistiven Technologien (AT) und Barrierefreiheit, basiert auf Problemen bei der Überwindung von Kommunikationsbarrieren und den Annahmen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen keine unabhängigen Entscheidungen fällen oder wertvolle Beiträge leisten können. Es gibt unterschiedlichste Perspektiven auf inklusive Forschung und Entwicklung. Die übergreifende Forschungsfrage lautet deshalb: Können und sollen Nutzerinnen und Nutzer mit kognitiven Behinderungen, basierend auf einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz, aktiv an Forschung und Entwicklung für IKT und an einem User-Centred Design Forschungsprozess teilnehmen? TEIL A dieser Arbeit zeigt die verschiedenen Perspektiven der inklusiven-partizipativen Forschung auf, um eine Orientierung zu geben. Es wird argumentiert, dass inklusive Forschung und Entwicklung mit Beteiligung der Zielgruppe sowohl normativ wie ethisch begründbar und zudem notwendig ist. Durch die Zusammenführung von inklusiver-partizipativer Aktionsforschung (IPAR) und User-Centred Design (UCD), zu einem Forschungskonzept für den Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Anpassung und (Weiter-) Entwicklung von Usability-Methoden wird eine Voraussetzung hierzu geschaffen – IPAR-UCD. In Teil B wird das Forschungskonzept IPAR-UCD im Detail vorgestellt und in die einzelnen Forschungsphasen sowie in entsprechende Instrumente und Methoden eingeführt. Das innovative inklusive designbasierte Forschungskonzept zielt darauf ab, userzentrierte F&E gemeinsam mit der Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess zu ermöglichen. Um das Fehlen von Methoden für die Anforderungen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen auszuräumen, wurde ein inklusiver-partizipativer Designprozess entwickelt. 1 Das World Wide Web Consortium (W3C), internationale Gemeinschaft, in der Mitgliedsunternehmen, und die Öffentlichkeit zusammenarbeiten, um Webstandards zu entwickeln. V Mit der Design-Based Research Methode (vgl. REIMANN, G. 2016) wurden einzelne Interventionen in einem realen Forschungsprojekt »Easy Reading«2 (2018-2020) erprobt und adaptiert. Es wurde hierzu ein Methodenmix verwendet, um Instrumente für die inklusive Forschung und die Methoden des User-Centred Design zu analysieren und anzupassen oder neu zu gestalten. Mit der praktischen Anwendung wird in Teil C die Forschungsfrage empirisch positiv beantwortet: Die inklusive Beteiligung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern in F&E ist, mit entsprechender Zugewandtheit, Kreativität der Forscherinnen/Forscher und Entwickler und die (Weiter-) Entwicklung von Usability Methoden möglich. 2 Projekt im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union Horizon 2020 VI INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG UND MOTIVATION ................................................................................................ XV AUFBAU DER ARBEIT.....................................................................................................................XVI Teil A Orientierung: Grundlagen und Theorie zur inklusiven-partizipativen Forschung und Mensch-Computer-Interaktion 1 MENSCHEN MIT KOGNITIVER BEHINDERUNG IN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG-DIE ZIELGRUPPE.................................................................................................................................3 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Vom (Begriff) »Krüppel« zum »Mensch mit Behinderung«............................................................. 4 Der Begriff Behinderung in der heutigen Zeit................................................................................. 8 Behinderung – Konzepte, Modelle, Klassifikation und Einordnung ............................................... 10 Der Begriff »geistige Behinderung« und das Dilemma der Begrifflichkeit ..................................... 18 Menschen mit kognitiven Behinderungen als Objekt in Wissenschaft und Forschung................... 22 Vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt – Veränderung eines Paradigmas ....................... 30 2 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE FORSCHUNG MIT MENSCHEN MIT KOGNITIVEN BEHINDERUNGEN..................................................................................................................37 2.1 Der Paradigmawechsel und die Umsetzung der UN-BRK.................................................................38 2.2 Inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiver Behinderung .............................. 39 2.2.1 Der historische Kontext inklusiver-partizipative Forschungsansätze ..................................... 40 2.2.2 Entwicklung und Empowerment in der sozialwissenschaftlichen Forschung......................... 42 2.2.3 Voraussetzungen für die inklusive Zusammenarbeit ............................................................ 45 2.2.4 Offene Fragen und Probleme zur inklusiven Forschung ....................................................... 45 3 EINE NORMATIVE HANDLUNGS-PERSPEKTIVE ZU INKLUSIVER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IM BEREICH MENSCH - COMPUTER - INTERAKTION.......................................47 3.1 Was ist Forschung ....................................................................................................................... 48 3.2 Die Forschungsfreiheit im Verfassungsrecht ................................................................................ 48 3.2.1 Forschungsfreiheit im deutschen Grundgesetz .................................................................... 48 3.2.2 Zum Vergleich das Verfassungsrecht in Österreich und der Schweiz .................................... 49 3.2.3 Zur Wissenschaftsfreiheit im deutschen Grundgesetz.......................................................... 50 3.3 Die UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Forschung .............. 50 3.3.1 Partizipation und Teilhabe .................................................................................................. 51 3.3.2 Zugänglichkeit .................................................................................................................... 51 3.4 Teilhabe als inklusive-partizipatorische Forschung im Rahmen der normativen Ordnung........... 53 3.4.1 Wissenschaftlichkeit und Teilhaberecht .............................................................................. 53 3.4.2 Forschung als Arbeitsfeld und gleichberechtigte Aufgabe für eine selbstbestimmte Lebensführung ................................................................................................................... 54 3.4.3 Schlussfolgerung:................................................................................................................ 55 3.5 Inklusive-partizipative Forschung im Rahmen der internationalen Normung ISO ......................... 55 3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung, die Informierte Einwilligung ........................................................................................................ 56 3.6.1 Die Informierte Einwilligung aus rechtlicher Perspektive ..................................................... 56 3.6.2 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen ......................... 57 3.6.3 Anforderung an die Informierte Einwilligung ....................................................................... 58 3.6.4 Wer kann eine Einwilligung abgeben?Anforderung an die Informierte Einwilligung ............ 58 VII 3.6.5 Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren Stellvertretung................................................................................................................... 62 3.7 Urheberrechte ............................................................................................................................ 63 3.8 Schlussbetrachtung zur normativen Einschätzung inklusiver Forschung und Entwicklung............. 63 4 ETHISCHE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN ZUR INKLUSIVEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG ..................................................................................................................................................65 4.1 Angewandte Ethik in Hinblick auf inklusiven Forschung und Entwicklung..................................... 66 4.1.1 Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma ........................................................................ 66 4.1.2 Die angewandte Ethik als Teilbereich der normativen Ethik................................................. 69 4.1.3 Die Handlung selbst ............................................................................................................ 70 4.1.4 Der Diskurs in der angewandten Ethik................................................................................. 71 4.1.5 Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und Verantwortung....................................... 73 4.2 Forschungsethik in der qualitativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen...... 76 4.2.1 Die Gestaltung dieser Forschungsbeziehungen.................................................................... 76 4.2.2 Der Umgang mit Informationen und advokatorische Vertretung ......................................... 79 4.3 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen ................................. 81 4.3.1 Ethische Betrachtung und Beurteilung der Einwilligung ....................................................... 82 4.3.2 Ethische Fragen bei Unmöglichkeit einer Informierte Einwilligung ....................................... 83 4.4 Schutz der Forschungsdaten – Anonymität und Vertraulichkeit ................................................... 83 4.4.1 Anonymität der Daten ........................................................................................................ 84 4.4.2 Der Umgag miteinander und den Daten .............................................................................. 84 4.4.3 Einsicht in Forschungsdokumentation ................................................................................. 84 4.5 Ethik und inklusive Forschung und Entwicklung (digitale) Technologieentwicklung ...................... 85 4.5.1 Möglichkeiten und Grenzen des technologischen Wandels – die Reflexion auf den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt ............................................................................ 86 4.5.2 Forschung und Innovation in der EU (2019)......................................................................... 87 4.5.3 Forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusive-partizipative Forschung ........................ 88 4.5.4 Forschungsethik für inklusive Forschung und Entwicklung und das Wissenschaftssystem .... 90 4.5.5 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen als Co- bzw. PeerForscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung und Entwicklung.................................. 92 5 VERORTUNG: VERNETZTE LEBENSWELT – FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG MIT MENSCHEN MIT KOGNITIVEN BEHINDERUNGEN ..................................................................................... 96 5.1 Mensch-Computer-Interaktion und vernetzte Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen........................................................................................................................... 96 5.1.1 Die Zugänglichkeit zum Netz ............................................................................................... 98 5.1.2 Cognitive Accessibility und HCI.......................................................................................... 100 5.2 Das Potenzial von Human Computer Interaction (HCI) als assistive Technik ............................... 101 5.2.1 Mensch-Computer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit............................................. 101 5.2.2 User-Centred Design (UCD) und User-Experience Design (UXD)...........................................103 5.3 Menschen mit kognitiven Behinderungen als aktive Nutzer von IoT oder digitalen Diensten ...... 109 5.3.1 Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen .................................... 109 5.3.2 Die Nutzung digitaler Systeme und Dienste durch Menschen mit kognitiven Behinderungen......................................................................................................................113 5.4 Forschung und Entwicklung mit den Nutzern, Menschen mit kognitiven Behinderungen, im Fokus........................................................................................................................................ ..... 117 5.4.1 Verschiedene Formen der Einbeziehung der Zielgruppe in Forschung und Entwicklung ..... 118 5.5 Inklusive Forschung in der Entwicklung ..................................................................................... 120 VIII 6 STATE OF THE ART – EIN ÜBERBLICK ZUR INKLUSIVEN-PARTIZIPATIVEN FORSCHUNG..........123 6.1 Ansätze der inklusiven und partizipativen Forschung ................................................................. 124 6.2 Vorgehensweise........................................................................................................................ 124 6.3 Internationaler Überblick zur inklusiven und/oder partizipativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ........................................................................................................ 126 6.3.1 Von der Ausgrenzung zur Inklusion: Entwicklung, Stand und Perspektiven gemeinsamen Forschens (BUCHNER, T. / KÖNIG, O. 2011, Österreich) ......................................................... 126 6.3.2 Grenzgängerinnen im akademischen Raum (GOEKE, S. / KUBANSKI, D. 2012, Deutschland) .... 127 6.3.3 IPAR an inclusive disability research Methodology with accessible analytical tools, (OLLERTON, J. 2012, Australien)........................................................................................................... 128 6.3.4 Conceptualizing Inclusive Research with People with Intellectual Disability (BIGBY, C./ FRAWLEY P./ RAMCHARAN, P. 2013, Australien) .................................................................................. 130 6.3.5 Building an Inclusive Research Team: The Importance of Team Building and Skills Training (STRNADOVÁ, I. / CUMMING, T. / KNOX, M. / PARMENTER, T. 2013, Australien) ............................ 131 6.3.6 A Collaborative Group Method of Inclusive Research (BIGBY, C./ FRAWLEY, P./ RAMCHARAN, P. 2014, Australien) .............................................................................................................. 132 6.3.7 Wissenskonstruktionen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen – Problemlagen und Herausforderungen für inklusive Forschung (FASCHING, H./ BIEWER, G. 2014, Österreich) ..... 134 6.3.8 Peer-reviewed articles on inclusive research: Do co-researchers with intellectual disabilities have a voice? (STRNADOVÁ, I. / WALMSLEY, J. 2017, Australien, Großbritannien) .................... 135 6.4 Partizipation oder Inklusion von Menschen mit kognitiven Behinderungen als Teilnehmer in der Forschung im Überblick ............................................................................................................ 136 6.5 Inklusive-partizipative Forschung und User-Centred Design ....................................................... 143 6.5.1 Barrierefreies Internet für Menschen mit geistiger Behinderung. Eine experimentelle Pilotstudie zu technischen Voraussetzungen und partizipativen Auswirkungen (BERNASCONI, T. 2007, Deutschland) .......................................................................................................... 143 6.5.2 Accessibility of Web Search Engines: Towards a Deeper Understanding of Barriers for People with Disabilities (KERKMANN, FRIEDERIKE / LEWANDOWKSI, Dirk 2012, Deutschland) ................. 145 6.5.3 Accessibility to electronic communication for people with cognitive disabilities (Borg, Johan/ Lantz, Ann/Gulliksen Jan 2014 Schweden) ........................................................................ 147 6.5.4 Mobile Technology and Inclusive Research (CUMMING T./ STRNADOVÁ, I./ KNOX, M. / PARMENTER, T. 2014 Australien) ........................................................................................................... 148 6.6 Ergebnis der Literaturrecherche und Konsequenzen für ein inklusives-partizipatives Forschungskonzept für Forschung und Entwicklung .................................................................. 149 7 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE AKTIONSFORSCHUNG UND USER-CENTRED DESIGN ALS ALTERNATIVER INKLUSIVER METHODENANSATZ FÜR FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG.....153 7.1 7.2 7.3 7.4 Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden IPAR und UCD ........................................ 154 IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver Prozess...................................... 157 Autonomie und Empowerment – die Potenziale von IPAR-UCD nutzen ..................................... 162 Gütekriterien und Qualitätssicherung – Strategien der Geltungssicherung von IPAR-UCD .......... 166 Teil B Das IPAR-UCD Konzept 1 EINFÜHRUNG ......................................................................................................................173 2 DER DESIGN BASED PROZESS ALS PROGRESS FÜR IPAR-UCD ...............................................174 2.1 Die Innovationsidee – IPAR-UCD als Forschungsmethodik......................................................... 174 2.2 Forschungsfragen zum DBR-Prozess .......................................................................................... 175 IX 2.3 Abgrenzung des Design-Based Research Ansatzes zu anderen prozessbegleitenden und praxisorientierten Ansätzen...................................................................................................... 175 2.4 Begründung des qualitativen designbasierten Forschungsansatzes DBR .................................... 180 3 DAS EU-PROJEKT »EASY READING« ......................................................................................... 183 3.2 Das »Easy Reading« LAB ........................................................................................................... 182 3.3 Die neuen Herausforderungen von IPAR-UCD im Projekt ........................................................... 185 4 DAS FORSCHUNGSKONZEPT IPAR-UCD ............................................................................... 188 4.1 IPAR.......................................................................................................................................... 188 4.2 User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX)............................................................. 188 4.3 IPAR-UCD.................................................................................................................................. 189 5 DER WEG ZU EINER INKLUSIVEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG................................... 190 5.1 5.2 5.3 5.4 Inklusiv-Partizipativ................................................................................................................... 190 Wer initiiert was? ..................................................................................................................... 190 Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ..................................................................................... 191 Die Anwerbung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern .................................................... 192 6 DAS INKLUSIVE FORSCHUNGSTEAM ................................................................................... 198 6.1 Rollenverständnis und Wertschätzung innerhalb des gesamten Forschungs- und Entwicklungsteams..... .............................................................................................................. 198 6.2 Wer ist in das inklusive Forschungs- und Entwicklungsprojekt involviert? .................................. 198 6.3 Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt ................................................ 198 6.4 Die Rolle der Wissenschaftler in IPAR-UCD ................................................................................ 199 6.5 Die Rolle der Mitforscherinnen und Mitforscher und der Forschungsassistenz........................... 199 7 DAS INKLUSIVE PROJEKT UND DIE PROJEKTORGANISATION ................................................ 201 7.1 WAS – In welchem Kontext soll inklusiv-partizipativ gestaltet oder geforscht werden ................ 201 7.2 Gemeinsam im Projekt lernen........................................................................................................200 8 TEAMBILDUNG UND KOMPETENZTRAINING ....................................................................... 205 8.1 Teambildung............................................................................................................................. 205 8.2 Das inklusive Forschungstraining............................................................................................... 206 9 DIE BENUTZERORIENTIERTE ENTWICKLUNG ....................................................................... 209 9.1 Die inklusive Usability-Entwicklung mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern Kontextanalyse.... ..................................................................................................................... 209 9.2 Die inklusive Usability-Evaluation mit Test-Usern (Testteilnehmer)............................................ 210 9.3 Die organisatorische und technische Vorbereitung der allgemeinen Usability-Evaluation........... 214 9.4 Die Vorbereitung der Evaluationsteams .................................................................................... 215 9.5 Empfehlungen zur Durchführung der Usability-Evaluation ......................................................... 216 10 METHODEN FÜR IPAR-UCD UND INKLUSIVES PARTIZIPATIVES DESIGN UND ENTWICKLUNG 215 10.1 Methoden für inklusives-partizipatives Design und Entwicklung und die Usability-Evaluation .... 218 10.2 User-Centred Design Methoden für den Einsatz inklusiver-partizipativer Designentwicklung zur Datenanalyse............................................................................................................................ 219 11 ADAPTIERTE USABILITY-FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSMETHODEN FÜR DIE INKLUSIVE FORSCHUNG....................................................................................................................... 220 11.1 Thinking-Aloud-Test .................................................................................................................. 220 11.2 User-Testing ............................................................................................................................. 222 11.3 Inklusive Cognitive Walkthrough (Wharton, C./Rieman, J./ Lewis, C./ Polson, P. 1990) .............. 223 11.4 Photo-Voice (OLLERTON, J. 2012) ................................................................................................ 228 X Teil C FAZIT UND BEDEUTUNG DER VORLIEGENDEN ARBEIT 1 ERGEBNISSE/DISKUSSION....................................................................................................233 1.1 Gemeinsam forschen und entwickeln ........................................................................................ 234 1.2 Chancen und Risiken bei der inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ........................................................................................................ 235 1.3 Fragen, die zu Beginn des Projekts und der DBR Intervention gestellt wurden ........................... 237 2 PERSPEKTIVEN FÜR DIE ZUKUNFT........................................................................................243 2.1 Aufforderung zu zukünftiger inklusiver-partizipativer Forschung und Entwicklung sowie Konsequenzen .......................................................................................................................... 244 Literatur...................................................................................................................................246 Anhang 1 Gesetzestexte...........................................................................................................266 Anhang 2 IPAR-UCD im Design Based Research Prozess ...........................................................278 Anhang 3 Poster IPAR-UCD ......................................................................................................297 XI Glossar und Abkürzungsverzeichnis „Wer´s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten bis er´s klar sagen kann.“ (Popper 2009, 100) AAIDD AT BAR BITV Co-Forscher cognitiv Cognitive Accessibility Disability Studies Design Thinking DBR e-Inclusion EASY READING (Name) embedded computing Empowerment F&E GdB GG HCI ID IKT intellectual Interface Informed Consent IPAR IoT XII Association of Intellectual and Developmental Disabilities (Verband der intellektuellen und entwicklungsbedingten Behinderungen) assistive Technologie Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung Teilnehmer einer Studie, die als mitarbeitende Forscherinnen/Forscher beteiligt werden, siehe hier auch Peer-Forscherinnen/Peer-Forscher geistig, erkenntnismäßig; sich auf den mentalen Prozess zu beziehen, der mit dem Wissen, Lernen und Verstehen von Dingen verbunden ist. kognitive Zugänglichkeit (z. B. durch assistive Technik) Durchführung von Studien über Menschen mit Behinderungen von Menschen mit Behinderungen Ansatz zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen Design Based Research, designbasierte Forschung digitale Inklusion Leicht Lesen eingebettetes System (Computer) Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung erhöhen Forschung und Entwicklung (engl. Research & Development R&D) Grad der Behinderung Grundgesetz internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit Intellectual Disabilities, intellektuelle Behinderungen Informations- und Kommunikationstechnik, auch Informations- und Kommunikationstechnologie sich auf seine Fähigkeit beziehen, Dinge zu denken und zu verstehen, Schnittstelle, Teil eines Systems, welches der Kommunikation dient Informierte Einwilligung Inklusive -partizipative Aktionsforschung Internet of Things (Internet der Dinge) ISO-Normen IQ LAB PAR Peer-Forscher3 PMLD R&D Self Advocat Service smart Smartwatch Smart Home Smart Living SGB UN-BRK UCD User Experience UXD WfBM WHO 3 Internationale Organisation für Normung – kurz ISO Intelligenzquotient Labor (Forschungslabor) Partizipative Aktionsforschung Personen aus der Zielgruppe, die Interesse haben, an qualitativer Forschung mitzuwirken und dabei ihre eigenen Erfahrungen einfließen zu lassen profound and multiple learning difficulties (schwerwiegende und vielfältige Lernschwierigkeiten) Research and Development (Forschung und Entwicklung F&E) Bürgerin oder Bürger Dienst clever, gewitzt Uhr, Merkmal einer Smartwatch ist, dass sich neben der Uhrzeit weitere Informationen darstellen lassen und der Anwender ggf. zusätzliche Funktionen mit Programmen installieren kann. Begriff für Technik und Systeme in Wohnräumen und Wohnhäusern zur Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter Energienutzung auf Basis vernetzter und fernsteuerbarer Geräte und automatisierbarer Abläufe. siehe Smart Home, auch bezeichnet mit Ambient Assisted Living oder eHome Sozialgesetzbuch UN-Behindertenrechtskonvention User-Design Nutzererfahrungen, UX User Experience Design, Design basierend auf Nutzererfahrungen Werkstatt für Menschen mit Behinderungen Weltgesundheitsorganisation Ich habe hier den Begriff Peer-Forscher eingeführt, da die Co-Forscher mit kognitiven Behinderungen, auch Vertreter, d. h. Peers, der Zielgruppe – Menschen mit kognitiven Behinderungen – sind. XIII Abbildungsverzeichnis Teil A Abb. 1 inklusives und soziales Modell (Quelle: OLIVER, M. 1996) Abb. 2 Das integrative bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation von Funktion, Behinderung und Gesundheit (Quelle: ICF) Internet of Things (Quelle: eigene Darstellung 2019) Dienste von Google Was ist UCD – Schritte Design Thinking Prozesses (Quelle: Fraunhofer Design Thinking Factory) „Meet the Elements“ Garrett, J. 2011 – von unten nach oben bauen Empowerment IPAR-UCD (Quelle: eigene Darstellung 2018) Action Research und User-Centred (Quelle: eigene Darstellung) »Autonomieerfahrung von Menschen mit kognitiven Behinderungen« (Quelle: eigene Darstellung 2018) Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Teil B Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Generic model for conducting DBR in education, (Quelle: MCKENNEY S./ REEVES, 2012) Logo vom Projekt »Easy Reading« (Quelle: Philipp Edler 2017) Beispiel für eine partizipativ gestaltete Internetseite www.ich-kenne-meine-rechte.de (Quelle eigene Darstellung): Kurzbeschreibung Proqualis (Quelle https://www.proqualis.at/index.php?id=2&no_cache=1) Methoden für die inklusive Usability-Evaluation (Quelle: eigene Darstellung) Erste Usability –Evaluation mit den Peer-Forscherinnen (Quelle: Projekt Easy Reading) Tabellenverzeichnis Teil A Tabelle 1: Gegenüberstellung der verschiedenen Modelle von Behinderung: Tabelle 2: Tabelle 3: Menschen mit kognitiven Behinderungen als Teilnehmer in der Forschung Anforderungen an die inklusive Forschung Teil B Tabelle 1: Tabelle 2: Unterscheidungen von drei verschiedenen prozessbegleitenden Forschungsansätze Durchführung eines User-Tests Tabelle 3: Tabelle 4: Methoden für inklusive partizipatives Design User-Centred Design – Methoden zur inklusive-partizipative Designentwicklung und zur Datenanalyse ANMERKUNG: Trotz der Problematik der Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit nach Möglichkeit eine gendergerechte Schreibweise berücksichtigt, eine neutrale Formulierung gewählt bzw. englische Begriffe beibehalten. Es war auch der ausdrückliche Wunsch der hier beteiligten PeerForscherinnen und Peer-Forscher im »Easy Reading« Projekt, dass sowohl die weibliche, als auch die männliche Form im Projekt verwendet wird. XIV EINLEITUNG UND MOTIVATION Das Thema inklusive und/oder partizipative Forschung und Empowerment bei der Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen wirft an sich schon zahlreiche Fragen auf, die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung (F&E) und User-Centred Design (UCD) bringen noch einmal eine andere Sicht auf die Dinge. Inklusive Forschungsansätze gibt es bislang fast ausschließlich in den Sozialwissenschaften (vgl. SCHUPPENER, S. et al. 2016: 13 ff.). Die allgemeine Forschung ist lange davon ausgegangen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen keine eigenständigen Entscheidungen treffen können. Eine direkte Beteiligung von Personen mit kognitiven Behinderungen wurde daher bei Forschung und Entwicklung weitgehend von vorneherein ausgeschlossen (ISTENIC STARCIC, A.; BAGON, S. 2014; BOHMANN, R.P. 2007). Die Bedarfe, Bedürfnisse, Anforderungen wurden größtenteils stellvertretend von ihren verantwortlichen Vertretern auf alltägliche oder therapeutische Anwendungen reduziert (Proxy-Aussagen). Persönliches und personelles Potenzial der Betroffenen blieben oftmals unberücksichtigt, (vgl. MADRID, R. I. 2015). Gerade auch im Bereich der Kommunikationswissenschaften fehlt es an einer Sensibilisierung bzgl. dieser Zielgruppe. Die gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen den Bedingungen und Möglichkeiten der Kommunikationstechnologie in der Gesellschaft mit immer wieder neuen Abhängigkeiten von Einsatz und Verarbeitung, von Wissen, Bildungsstand und kognitive Nutzung von Information Gestaltungen nicht (mehr). Gleichzeitig wächst die Gefahr aus gesellschaftlich relevanten Zusammenhängen ausgeschlossen zu werden, sowohl für die Sicherung des Lebensunterhaltes als auch bei der Bewältigung des Alltags (vgl. BURKHART, R. 2002). Hier sind nicht nur rechtliche und ethische Orientierungen gefragt, sondern ein Perspektivwechsel ist notwendig. Nur so lassen sich entsprechende inklusive Forschungsdesigns planen und entwickeln, die die Zielgruppe direkt in den Blick nehmen. Ziel ist es, sie so weit wie möglich und von Anfang an in die Entwicklung von Forschungsprojekten mit einzubeziehen, die ihren Bedürfnissen und Anforderungen entsprechen. XV AUFBAU DER ARBEIT Im Teil A dieser interdisziplinären Arbeit werden unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven der einzelnen Fachdisziplinen zur inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung eingenommen. Dies gilt als Orientierung und ist Grundlage für das nachfolgende inklusive Forschungskonzept. Nachdem eine Beschreibung der Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen und die Einordnung in den internationalen Diskurs versucht wurde, ist zu Beginn die Frage zu beantworten, welche Rolle nehmen Menschen mit kognitiven Behinderungen bislang in der Gesellschaft und insbesondere in Wissenschaft und Forschung ein. Der inklusive Forschungsansatz steht hierbei im Vordergrund. Im Anschluss werden für die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung unterschiedliche Aspekte betrachtet und versucht, einen Standpunkt einzunehmen. Da Menschen mit kognitiven Behinderungen zu den vulnerablen Gruppen, also besonders schutzbedürftigen Personengruppen zählen, werden hier sensible Bereiche auf der normativen und ethischen Ebene diskutiert und anschließend in die Intervention eines inklusiven Forschungsanspruchs aufgenommen. Hierbei schwingt der menschenrechtliche Anspruch auf Teilhabe in unserer vernetzten Lebenswelt mit. Inklusive-partizipative Forschung4 hat inzwischen einen Platz in den Medizin- und Sozialwissenschaften gefunden, andere Wissenschaften müssen noch folgen, dennoch fehlt es an inklusiven Forschungskonzepten. Basierend auf der wissenschaftlichen Literatur werden einzelne für diese Arbeit relevante Beispiele vorgestellt, um zu zeigen, wie in der Forschung inklusive Ansätze bereits verwirklicht wurden. Anschließend wird die Verknüpfung von Inclusiv Participatory Action Research und User-Centred Design als inklusives Forschungskonzept dargestellt und die Chancen und Herausforderungen von IPAR-UCD und die Gütekriterien qualitativer Forschung diskutiert. In Teil B wird das neue designbasierte Forschungskonzept im Detail vorgestellt, das darauf abzielt die userzentrierte Forschung und Entwicklung (F&E), wie dies bei anderen Nutzern mit und ohne Behinderungen bereits Standard ist, mit der Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess zu ermöglichen (Miesenberger, K. et al. 2019). 4 Der Begriff inklusive-partizipative Forschung wird hier verwendet, um eine Reihe von Forschungsansätzen zu beschreiben, bei denen Personen mit kognitiver Behinderung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Forschung zusammenarbeiten (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 11-16) XVI Für die Weiterentwicklung von IPAR-UCD wird zunächst der Design-Based Research als Ansatz begründet und am Beispiel vom LAB »Easy Reading«, Teil in einem EU-Projekt (2018- 2020) ausgeführt. Es soll gezeigt werden, wie die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen im Bereich Forschung und Entwicklung und Usability-Forschung durchführbar und sinnvoll ist. Dass es sich bei der empirischen Anwendung von IPAR-UCD um eine fundierte theoriebasierte Forschungsstrategie handelt, wird mithilfe des Design-Based Prozesses am Beispiel vom »Easy Reading-LAB« transparent gemacht. Dem Ansatz von Design-Based Research werden entsprechende Forschungsfragen zugrunde gelegt. Abschließend wird im Teil C die Frage diskutiert, ob und inwieweit Forschung und Entwicklung (F&E) durch Anpassung und Weiterentwicklung von Usability-Methoden die inklusive Beteiligung der zukünftigen Nutzer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher an nutzerzentrierter Forschung realisiert werden kann. Mit einer SWOT-Analyse werden die Stärken, Schwächen, Chancen und Möglichkeiten von inklusiver-partizipativer Forschung für die Forschung und Entwicklung untersucht und abschließend Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt. Das im Rahmen des LAB entwickelte Handbuch für Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher, Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler5 entspricht dem Paradigma der Transparenz bei inklusiven Forschungsprojekten. Es ist daher auch in leichter verständlicher Sprache und entsprechendem Layout erstellt. 5 (https://www.easyreading.eu/wp-content/uploads/2019/10/Handbuch_DE.pdf) XVII Teil A Orientierung: Grundlagen und Theorie zur inklusiven-partizipativen Forschung und Mensch-ComputerInteraktion 1 2 1 MENSCHEN MIT KOGNITIVER BEHINDERUNG IN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG (Die Zielgruppe) „Die eigentliche Frage ist jedoch nicht nach der richtigen Definition. Entscheidend ist vielmehr die Erkenntnis, ob und in welchem Maße wir wirklich und konkret frei sind Erich Fromm (1968) ÜBERBLICK Das Phänomen Behinderung ist und war in der Vergangenheit bis heute einem ständigen Wandel und Verständnis unterzogen. Heute existieren unterschiedliche Konzepte, Modelle, Klassifikationen und Einordnungen von Behinderung nebeneinander. Ebenso schwierig ist es, die Eingrenzung der sogenannten 'geistigen Behinderung' auszumachen. Es wird daher in dieser Arbeit von Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten gesprochen. Waren Menschen mit kognitiven Behinderungen zunächst das Objekt der Wissenschaft und Forschung, haben sich bis heute grundlegende Änderungen des Blickwinkels vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt unter dem Paradigma der Selbstbestimmung ergeben. Dennoch ist der alltägliche Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen für viele Menschen ohne Behinderungen oft nicht einfach. Kognitive Behinderungen von Menschen mit Behinderung sind schwer zu verstehen. Die unterschiedlichen Formen der Behinderung sind manchmal schwierig zu diagnostizieren und/oder zu charakterisieren, da die Merkmale von Menschen mit ähnlichen kognitiven Behinderungen aufgrund von Abweichungen oder Ausprägungen sehr unterschiedlich sein können (vgl. MARIGER, H. 2006). Vieles von dem, was bezüglich kognitiver Behinderungen geschrieben und veröffentlicht wird, stammt aus einer klinischen Forschungssicht (vgl. ebd.). Einige der möglichen kognitiven Einschränkungen sind bis heute noch unbekannte Bereiche, insbesondere für die Forschung und Entwicklung im Hinblick auf Mensch-Computer-Interaktion (HCI) für Menschen mit kognitiven bzw. geistigen Behinderungen. 3 1.1 Vom (Begriff) »Krüppel« zum »Mensch mit Behinderung« Die Wahrnehmung von und der Umgang mit Menschen mit Behinderung war in der Vergangenheit unterschiedlich. Eine bedeutsame Darstellung der historischen Entwicklung der sogenannten Geisteskrankheit gibt MICHEL FOUCAULT in seinem Buch „Wahnsinn und Gesellschaft“ (vgl. FOUCAULT, M. 1995). 1.1.1 Behinderung als Phänomen In der (empirischen) Forschung wurden Theorien über geistige Behinderung, über die Personen mit geistiger Behinderung und ihre Lebenswelten lange Zeit von 'Nichtbehinderten' entwickelt (vgl. WAGNER-WILLI, M. 2016: 216). „Als normativer Hintergrund diente deren jeweilige Kultur und Lebenswelt sowie eine wissenschaftliche Betrachtungsweise auf der Grundlage von Forschungsstrategien die Labortheorien entstammen“ (ebd. 217). Ohne veränderte Einstellungen und neue Forschungsansätze wird die Erschließung von neuen Anwendungsfeldern wie Informationen zu einem Produkt, Artefakt oder einem Design für Menschen mit kognitiven Behinderungen spekulativ, ungenau und schwierig bleiben. Um Entwicklung und Forschung in Bezug auf die Zielgruppe zu verstehen, sollen hier eingangs verschiedene Perspektiven auf Menschen mit kognitiven Behinderungen eingenommen werden. „Behinderung als soziales Phänomen' umfasst das Spannungsfeld zwischen Selbstwahrnehmung und Identität von behinderten Menschen einerseits und der Zuschreibung von Behinderung durch soziale Umwelt und Gesellschaft andererseits.“ (INSTITUT FÜR ETHIK UND WISSENSCHAFT 2009). Mit dem Begriff »Behinderung« wird allgemein zunächst eine körperliche oder geistige, bzw. kognitive Schädigung und eine damit im Zusammenhang stehenden Funktionsstörung verbunden (vgl. GRUBER, D.; BÖHM, M.; WALLNER, M.; KOREN, G. 2017: 31). MARKUS DEDERICH stellt fest, „dass die theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Behinderung zu den komplexesten und schwierigsten Problemen der Behindertenpädagogik6 gehört. Er verweist dabei auf die Geschichtlichkeit und bezeichnet Behinderung als soziales Konstrukt [Hervorhebung von C.E.] als Folge von Zuschreibungen, Etikettierung und Stigmatisierung sowie Systemeffekten“ (Dederich, M. 2009: 36). 6 4 Die Begriffe Behindertenpädagogik, ebenso wie auch Sonder- und Heilpädagogik werden heute weitgehend synonym mit Rehabilitationspädagogik/Rehabilitationswissenschaften gebraucht. Es geht nicht um eine allgemeine sprachliche Festlegung des Begriffs von Behinderung, sondern um eine Annäherung, um ein besseres Verständnis von und für Menschen mit kognitiven Behinderungen. Mit dem muss sich inklusive Forschung und Entwicklung sowie die Informationsgesellschaft IoT Internet der Dinge)7 auseinandersetzen. Es werden in diesem Kapitel zunächst die Entstehung, die aktuellen Diskurse und internationale Entwicklungen zum Begriff 'kognitive Behinderung' aufgegriffen. Im Anschluss wird im Zusammenhang mit einem inklusiven-partizipativen Forschungsprojekt, in dem gemeinsam mit dieser Zielgruppe geforscht und entwickelt wird, die Einordnung von geistiger Beeinträchtigung bzw. Behinderung neu in den Fokus genommen und reflektiert. Dies hält u. a. TINA GEBERT für notwendig, da sich Forschung immer zwischen der Wissenschaftlichkeit und dem Teilhaberecht bewegt (vgl. GEBERT, T. 2014). 1.1.2 Krüppel – Blöde – Siechen Die Rolle des behinderten Menschen wie dessen Benennung haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Im Mittelalter wurden Behinderte als Besessene, Teufelswerk, Wechselbalg oder Fex diffamiert. Später hießen sie Krüppel, Siechen, Blöde, Schwachsinnige, Debile, Idioten. VOLKER SCHÖNWIESE redet in diesem Zusammenhang auch von Entmenschlichung (vgl. SCHÖNWIESE, V. 2007). Das Wort Behinderung lässt sich in der deutschen Sprache schon 1807 nachweisen (vgl. RHEIN, W. 2013). Der Brockhaus erwähnt den Begriff »Behinderte« erstmals im Ergänzungsband seiner siebzehnten Auflage aus dem Jahr 1981 (BROCKHAUS 1981: 84 ff.). Der Begriff »Behinderung« war und ist aber deshalb problematisch, da er kein persönliches Merkmal, sondern eher eine 'gesellschaftliche Positionszuschreibung' ist, die aufgrund vermuteter oder erwiesener Funktionseinschränkungen getroffen und an aktuellen gesellschaftlichen und individuellen Normvorstellungen gemessen wird (vgl. THIMM, W. 1999: 10). Von wissenschaftlicher Seite interessierten sich für das Thema Behinderung in erster Linie die Medizin und die Pädagogik (Heil-, Sonder-, Integrations- und Inklusionspädagogik). In der Medizin gab es für die sogenannte geistige Behinderung lange den Begriff der »Oligophrenie«. Man sprach im allgemeinen Sprachgebrauch auch von Schwachsinn. 7 IoT (Internet of Things) bezeichnet Funktionen, die die Interaktion zwischen Menschen und hierüber vernetzten beliebigen elektronischen Systemen, sowie zwischen den Systemen an sich, erlauben, z. B. Smart Home. 5 Oligophrenie galt als Sammelbegriff für Intelligenzminderung oder Minderbegabung aller Schweregrade und aller Herkunft, entweder auf erblicher Grundlage für angeboren oder im frühen Kindesalter erworben. Es zählten hierzu Störungen der Intelligenzentwicklung, die organisch bedingt waren beispielsweise genetische Erbkrankheiten, chromosomale Syndrome, Unverträglichkeit der elterlichen Rhesusfaktoren, pränatale Infektionen, Fehlbildungen, Geburtsschäden, etc. (vgl. Bauer M. et al. 1973: 199). Die (Entwicklungs-) Psychologie betrachtete Störungen der Intelligenzentwicklung vor allem in Hinblick auf die kognitive Leistungsfähigkeit des einzelnen Kindes bzw. die sogenannte Retardierung bei einem IQ unter 658 (vgl. NICKEL, H. 1975: 221 ff.). Bei dieser Intelligenzdiagnostik wurde nicht die Intelligenzpotenz, d. h. die intellektuellen Möglichkeiten eines Menschen, sondern lediglich das intelligente Verhalten als Leistung untersucht. Dabei wurde auch nicht bedacht, dass es sich bei einer geistigen Behinderung nicht immer um eine allgemeine Retardierung handelt, sondern manchmal nur bestimmte geistige Fähigkeiten betroffen waren/sind (vgl. SCHRAML, J. 1972). Heute werden schon in der frühen Kindheit Störungen, Entwicklungsrisiken und Förderungsmöglichkeiten in Betracht gezogen (vgl. ROLLETT, B. 2002: 713 ff.). Der Begriff »Behinderung« ist der zentrale Begriff der Sonderpädagogik. Dennoch herrscht hier kein Konsens über die Bedeutung und den Stellenwert des Begriffs und er wird immer wieder neu diskutiert. In der Heil- und Sonderpädagogik bestimmte die Diskussion um den Behindertenbegriff zunächst SPECK (1972): „Der geistig behinderte Mensch und seine Erziehung“ und BLEIDICK (1981): „Einführung in die Behindertenpädagogik“. 8 6 Normalintelligenz liegt im Bereich von jeweils einer Standartabweichung vom Mittelwert nach links und nach rechts (IQ 85-115). Hochbegabung entspricht einem Wert oberhalb der zweifachen Standartabweichung nach rechts (also IQ über 130). Lernbehinderung entspricht einem Wert zwischen einer und einer doppelten Standartabweichung nach links (IQ 85-70). Geistige Behinderung entspricht einem Wert unter einer zweifachen Standartabweichung nach links (also unter IQ 70) (vgl. ebd.). Leichte kognitive Behinderung (IQ 55 - 70). Moderate kognitive Behinderung (IQ 30 - 55). Schwere kognitive Behinderung (IQ unter 30), (vgl. Zimpel, A. 2009). Intellektuelle oder kognitive Behinderung wird heute nicht mehr als Folge von Behinderungen verstanden, sondern als Einschränkung der Teilnahme, deren Ausmaß und Qualität in erster Linie von der Umgebung und den persönlichen Umständen abhängt. Dies bedeutet, dass die verminderte Fähigkeit, neue oder komplexe Informationen zu verstehen, neue Fähigkeiten zu erlernen und angemessen anzuwenden, nicht nur die soziale Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit, ein unabhängiges Leben zu führen, beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung der Beteiligung kann in der Kindheit oder Jugend beginnen. Entscheidend hierfür sind die vorhandenen Rahmenbedingungen, die diese Beteiligung begünstigen oder verhindern. (vgl. Bless, D./Hellfritz, K. 2016: 5). Wobei zu erwähnen ist, dass die Neurodiversität8 von Menschen mit kognitiven Behinderungen in diesem Zusammenhang bislang (noch) keine Berücksichtigung findet (vgl. Zimpel, A. 2016). SPECK betont 1990, dass gerade die Pädagogik eine von den anderen Wissenschaften abgegrenzte Definition geistiger Behinderung erfordert. Er definiert diese daher wie folgt: „Für die Pädagogik ist eine geistige Behinderung sowohl ein Phänomen vorgefundener und zu erfassender Wirklichkeit, wie sie sich im organischen (pathologischen) Zustand, in der individuellen Befindlichkeit und in den gesellschaftlichen Bedingungen darstellt als auch eine Wirklichkeit, die unter dem Anspruch von Menschlichkeit erzieherische Hilfe zur Entfaltung braucht und von Werten und Normen bestimmt wird.“ (SPECK, O. 1990: 56) Trotz ihrer positiven Bemühungen war die Heil- und Sonderpädagogik immer dadurch gekennzeichnet, dass sie Menschen mit geistiger Behinderung zunächst als hilfsbedürftige und abhängige Personen definierte und die Bildbarkeit dieser Personengruppe infrage stellte. BLEIDICK versucht 1981 mit seiner »Einführung in die Behindertenpädagogik« den Blick auf Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu erweitern. Von ihm stammt die folgende häufig zitierte 'weite' Definition von Behinderung: „Als behindert gelten Personen, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen und geistigen Funktionen soweit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder die Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert werden.“ (BLEIDICK, U. 2006:79) BLEIDICK versucht zudem die Bildbarkeit der geistig behinderten Kinder nachzuweisen. Worauf der gesamte Bildungsbegriff des deutschen Schulwesens verändert und erweitert wurde. „Mit Beschluß [sic!] vom 6. Mai 1994 hat die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland »Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland« verabschiedet.“ (ANTOR, G. /BLEIDICK, U. et al. 1995: 247 ff.) Bis zu diesem Zeitpunkt war der bisherige Bildungsauftrag der Schulen die Vermittlung der Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Das deutsche Bildungswesen erkannte ab diesem Zeitpunkt die praktische Bildbarkeit und Selbstverwirklichung mit sozialer Integration als Bildungsziel an und sah es als eine Aufgabe der Schule an von der Handlungs- und Erlebnisebene zur Selbstbestimmung zu führen (vgl. ANTOR, G./BLEIDICK, U. 2006: 137 ff.). Im Bildungsauftrag der Schulen für diese Zielgruppe (Namen in den einzelnen Bundesländern in Deutschland unterschiedlich) stand von da an die praktische Bildung eher im Vordergrund. Als Vertreter der Inklusionspädagogik müssen SANDER (1992): „Wohnortnahe Integration – Grundzüge, Probleme, Erfahrungen“, FEUSER (1995): „Behinderte Kinder und Jugendliche: zwischen Integration und Aussonderung“ und THEUNISSEN (2003): »Handbuch Empowerment und Heilpädagogik (2)«, erwähnt werden. 7 Ab dem Jahr 1996 versuchten FEUSER, wie seine Mittstreiter das Thema Integration/Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe für die Pädagogik voranzubringen. Er vertritt vor allem mit seinem Aufsatz mit dem Titel »Geistig Behinderte gibt es nicht«, eine provokante radikale Position. Er verweist darauf, dass geistige Behinderung nur durch einen phänomenologischen Klassifikationsprozess hervorgebracht wird (vgl. FEUSER, G. 1996). Aktuell hat sich der Soziologe KASTL in seiner „Soziologie der Behinderung“ (2017) mit den Entwicklungen und Einstellungen zur Behinderung auseinandergesetzt. KASTL geht der grundsätzlichen Frage nach, was unter Behinderung eigentlich zu verstehen ist. Er stellt hierbei das Verhältnis der Beeinträchtigung zur sozialen Bestimmung von Behinderung in den Mittelpunkt. Auf der einen Seite der behinderte Körper und auf der anderen Seite die sozialen Konstruktionen und Produktionen zu Behinderung. Er sieht Behinderung nicht ausschließlich als körperlichen Defekt bzw. als ausschließlich sozial-kulturelles Phänomen, sondern stellt so die Abhängigkeit beider dar (vgl. KASTL, J. 2017). Darüber hinaus vertreten u. a. WALDSCHMIDT (2005) und DEDERICH (2009) bis heute die Grundidee der Disability Studies. Beide diskutieren den Perspektivenwechsel der Wissenschaft zum Thema Behinderung, Autonomie, Inklusion und Teilhabe. Disability Studies gelten als eine politische Wissenschaft, die sich aus der politischen Behindertenbewegung entwickelt hat. Die Selbstbestimmung gilt dabei als behindertenpolitisches Paradigma, weil Menschen mit Behinderungen die Selbstbestimmung eher verwehrt wird als Nichtbehinderten. Insbesondere Menschen mit kognitiven Behinderungen, deren Möglichkeiten zu verstehen und zu begreifen als dauerhaft eher schwach eingestuft werden, wird diese Selbstbestimmung oft abgesprochen (siehe Kapitel 3.6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung, die Informierte Einwilligung). 1.2 Der Begriff Behinderung in der heutigen Zeit Man spricht heute korrekt nicht mehr von den Behinderten, sondern von Menschen mit Behinderung. Doch trotz des Bedeutungswandels des Begriffs »Behinderung« in den vergangenen Jahren besteht immer noch die Defizitorientierung (vgl. LINGG, A./THEUNISSEN, G. 2008: 18) und zur jeweiligen Behinderungsform gibt es eine bestimmte Vorstellung von Entstehung, Ausprägung bzw. ihrer Beschaffenheit. 8 „Behinderung ist in diesem Sinne [...] das Ergebnis eines Wahrnehmungs- und Deutungsprozesses angesichts von erwartungswidrigen Merkmalen oder Eigenschaften eines Individuums. Sie ist eine Folge der kulturellen Hervorbringung von ästhetischen, kognitiven, moralischen, kommunikativen, sozialen und ökonomischen Ordnungsmustern, die Eigenes und Fremdes, Vertrautes und Unvertrautes, Erwünschtes und Unerwünschtes [...] unterscheidbar machen.“ (DEDERICH, M. 2009: 37) Statt von Menschen mit Behinderung wird häufig auch von Menschen mit Beeinträchtigungen gesprochen. Wobei die Behinderung als eine Folge einer Beeinträchtigung gesehen wird (vgl. ebd.: 15). Diese Unterscheidung macht auch GRAUMANN, die eine Beeinträchtigung in den körperlichen, geistigen oder psychischen Schädigungen und die Behinderung als Folge gesellschaftlicher Barrieren und fehlende Unterstützung sieht (vgl. GRAUMANN, S. 2006). Ob eine Beeinträchtigung als Behinderung oder chronische Krankheit eingestuft wird, hängt nicht allein von einer ärztlichen Diagnose ab, sondern auch davon, wie sich diese Beeinträchtigung in Verbindung mit den konkreten Gegebenheiten auswirkt und die betroffene Person „an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft“ gehindert wird (vgl. »Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen« auch UNBehindertenrechtskonvention oder UN-BRK). Das deutsche Sozialrecht bezeichnet als Behinderung eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person. Diese wird durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen verursacht, die die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen (vgl. SOZIALGESETZBUCH § 2, 1 SGB IX). Dieser Behinderungsbegriff findet sich heute in Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Medizin oder Pädagogik, insbesondere aber im sozialrechtlichen Kontext wieder. Im Letzteren sichert der bestehende Behinderungsbegriff und die Diagnose Rechtsansprüche auf vielfältige Unterstützung und Hilfe. Obwohl zwar unterschiedliche Behinderungsmodelle diskutiert werden, auf die nachfolgend im Kapitel 1.3 eingegangen wird, gibt es bis heute keine allgemein anerkannte Definition von Behinderung. Trotzdem ist der Begriff »Behinderung« selbst seit Jahrzehnten im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Nicht nur für den deutschsprachigen Bereich, sondern auch international finden sich die unterschiedlichsten Definitionen für den Behinderungsbegriff. Dies ist nur damit zu erklären, dass Menschen mit Behinderungen aufgrund der vielen unterschiedlichen Beeinträchtigungen nicht mit einer einheitlichen Definition zusammenfassbar sind und auch die jeweiligen kulturellen Faktoren hier mitspielen (vgl. LEITNER, B. 2007). 9 1.3 Behinderung – Konzepte, Modelle, Klassifikation und Einordnung Verschiedenste Ansätze und Positionen prägten und prägen den Umgang mit Behinderung und haben die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussionen in den letzten 50 Jahren und bis heute wesentlich beeinflusst. Es wird nicht möglich sein, an dieser Stelle den Begriff »Behinderung« in allen seinen Dimensionen vollständig zu bestimmen. Behinderung kann aus verschiedenen Perspektiven thematisiert werden. Es soll dennoch ein Überblick über verschiedene Definitionen gegeben werden, um die Vielschichtigkeit dieses Begriffs zu verdeutlichen. Um sich einer Definition der Zielgruppe des Projektes (auch im internationalen Kontext) nähern zu können, sollen zunächst die unterschiedlichen Behinderungsmodelle bzw. Definitionen skizziert werden, um im Anschluss eine Einordnung der Zielgruppe vorzunehmen und auf ihre Rolle in der Forschung einzugehen (siehe Kapitel 1.5 Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen als Objekt in Wissenschaft und Forschung). Es werden im Folgenden vorgestellt: das individuelle oder medizinische Modell das soziale Modell das bio-psychosoziale Modell das kulturelle Modell 1.3.1 Das individuelle oder medizinische Modell von Behinderung Das individuelle Modell auch als medizinisches Modell in der Literatur bekannt, beschreibt Behinderung als Merkmal des Individuums. Eine Behinderung ist demnach die Auswirkung einer Krankheit, einer Verletzung oder anderer funktioneller oder morphologischer Defekte bzgl. Form, Gestalt und Struktur, d. h. Folge ist eine körperliche, psychische oder geistige Behinderung (vgl. GRUBER, D. et al. 2017: 31). Behinderung gilt in der Regel als irreversibel. Es handelt sich in der Medizin zunächst aus klinischer/wissenschaftlicher Sicht um das Management von Krankheit oder Behinderung. Im Mittelpunkt stehen dabei Prävention, Therapie, Behandlung und ggf. Hilfsmittel. Dabei setzt man längerfristig auf Heilung der Person oder zumindest deren Eingliederung in die Gesellschaft.9 9 Für Menschen mit Behinderung gibt es in Deutschland die Leistungen zur Teilhabe (9. Sozialgesetzbuch, SGB IX), die sich in Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilnahme am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft aufteilen. Für Schwerbehinderte gibt es zusätzliche Hilfen. mit einer medizinischen Diagnose. Behinderung wird im SGB IX definiert (siehe Anhang 1). 10 Auch Lernbehinderung und Geistige Behinderung gelten im medizinischen Sinne als eine definierte Schädigung. Man versteht darunter Personen, die aufgrund einer Schädigung (z. B. genetischer Veränderungen oder Gesundheitsstörungen durch Krankheit und Unfall) in ihrer Lernfähigkeit deutlich hinter den auf das Lebensalter bezogenen Erwartungen, in unterschiedlichem Ausmaß, sprachlich, emotional und/oder motorisch zurückgeblieben sind (vgl. GILLBERG, C./SODERSTROM, H. 2003). 1.3.2 Das soziale Modell von Behinderung Das soziale Modell von Behinderung bzw. die soziale Sicht auf Behinderung war eine Reaktion auf das medizinische Modell. OLIVER (1990) wie auch SHAKESPEARE (1998) und BARNES (1999) kritisieren das individuelle Modell von Behinderung, dass das 'Problem' der Behinderung beim Individuum lokalisiert und man die Ursachen dieses Problems als funktionelle Einschränkungen oder psychischen Verlust sieht (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2005: 9). OLIVER bezeichnet dies als ein Zufallsereignis, das zufällig bei unglücklichen Individuen auftritt und dazu führt, dass die betroffene Person eine gesellschaftliche Funktion oder Rolle nicht einnehmen kann. Das soziale Modell leugnet nicht das Problem der Behinderung, sondern lokalisiert das Problem direkt in der Gesellschaft. Auch die Entwicklung des sozialen Modells von Behinderung durch die Menschen mit Behinderungen selbst, ist ein Ausdruck davon, insbesondere in Großbritannien. Sie meinen, nicht die individuellen Einschränkungen seien Ursache des Problems, sondern das Versagen der Gesellschaft angemessene Dienstleistungen zu erbringen und die Bedürfnisse von Behinderten zu berücksichtigen. Die Folgen des Scheiterns betreffen nicht zufällig Einzelpersonen, sondern systematisch Menschen mit Behinderungen als Gruppe, die dieses Versagen als Diskriminierung institutionalisiert überall in der Gesellschaft erleben (vgl. OLIVER, M. 1990). OLIVER stellt die Unterschiede zwischen dem individuellen (medizinischen) Modell und dem sozialen Modell von Behinderung gegenüber. Das individuelle Modell versteht Behinderung als persönliches Problem (Tragik) mit einer individuellen Behandlung sowie medizinischen und professionellen Betreuung, hingegen das soziale Modell sieht Behinderung als ein soziales Problem, was soziales Handeln zur Selbsthilfe und individuelle und kollektive Verantwortung erfordert. Aus dieser Kritik am medizinischen Modell und der Kritik der Disability Studies (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2005) ist das heute bekannte soziale Modell von Behinderung entstanden. 11 Hieraus folgte die Kritik an der akademischen Wissensproduktion zum Thema Behinderung. Vertreter der Disability Studies kritisieren den häufig defizitären ausschließenden Charakter der Forschung, die nicht in der Lage sei, eine Verbesserung sowohl der sozialen als auch der materiellen Lebensbedingungen behinderter Menschen herbeizuführen (vgl. BUCHNER, T./ KÖNIG, O./ SCHUPPENER, S. 2011: 13). In der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wird Behinderung, wie bei den Disability Studies, als ein von gesellschaftlichen Bedingungen verursachtes Problem (WALDSCHMID, A. 2005; siehe auch Kapitel 3.4 (Die UN-BRK als rechtliche Grundlage inklusiver Forschung und Entwicklung) beschrieben. Nicht die Person ist behindert, sondern die Bedingungen ihrer Umwelt führt in einer Wechselwirkung mit dem Individuum zu (s)einer Behinderung. Das besagt, dass sich diese Forderung nicht nur auf die Beseitigung gesellschaftlicher Missstände bezieht und die medizinische Hilfe pauschal ablehnt, sondern medizinische wie gesellschaftliche Probleme von Behinderung gesellschaftlich gelöst werden (vgl. GRAUMANN, S. 2006: 20-24). Durch den Einfluss der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Offenheit für die Einsicht in die soziale Konstruktion und die kritische Reflexion eines medizinischen, defektorientierten Verständnisses von Behinderung größer geworden. In der Präambel der Konvention heißt es, dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindert (vgl. UNBRK, Artikel 4, Anhang 1). 1.3.3 Das bio-psychosoziale Modell von Behinderung (ICF) Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht eine Integration des medizinischen und des sozialen Modells, das als biopsychosoziales Modell bezeichnet wird: International Classification of Functioning, Disabilities und Health (ICF). Sie unterscheidet in 'Functioning' und 'Disability' mit den Komponenten Körperfunktionen und strukturen, Aktivitäten, Partizipation wie auch in 'Contextual Factors' mit den Komponenten Umwelt, sowie Persönlichkeitsfaktoren. Diese werden noch weiter differenziert nach 'Capacity' (Vermögen) oder 'Performance'(Umsetzung). 12 Das nachfolgende Modell zeigt die Wechselwirkungen des bio-psychosoziale Modells auf. 1. Abb. Integratives biopsycho-soziale Modell der ICF, Behinderung und Gesundheit (Quelle: ICF) 10 Bei der ICF der WHO (2001) werden weniger die Störungen, sondern die Möglichkeiten (capability) eines Menschen mit Behinderung in den Vordergrund gestellt. Es geht um dessen Aktivitäten und Umsetzung einer Aufgabe oder Aktion, wie um Partizipation und deren Begrenzung durch Schwierigkeiten bei der Durchführung oder wegen Problemen bei der Einbindung in eine Lebenssituation. Dabei müssen ebenso die Umweltfaktoren, die physikalische, soziale und die Umgebung eines Menschen erfasst werden. Erst daraus ergeben sich sowohl die Anforderungen an die Umgebung, wie an assistierende Technologien (AT) zur Realisierung der Partizipation (vgl. NEUHÄUSER, G./ STEINHAUS, H.- C. 2013: 17ff.). Zum Beispiel: Menschen müssen sich nicht (mehr) an die technische Umgebung anpassen, sondern haben die Möglichkeit auf Grundlage barrierefreier Gestaltung, dass sich die digitale Technik an ihre Bedürfnisse als Nutzer/-innen anpasst („Individualisierung“). Dies betrifft ihre Handhabung als auch ihre Qualität für die Rezeption und das Verarbeiten, Verstehen und Anwenden (vgl. MIESENBERGER, K. 2013: 29) 1.3.4 Das kulturelle Modell von Behinderung Abschließend soll hier das kulturelle Modell von Behinderung erwähnt werden. Insbesondere FOUCAULT entwickelte zunächst ein kulturelles Modell von Behinderung. Er beschreibt dies erstmals mit der kanadischen Philosophin TREMAIN in dem gemeinsamen Buch »Foucault and the Gouvernement of Disability« (2005). 10 Grafik der ICF, abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO). 13 Behinderung ist nach dem kulturellen Modell zufolge insbesondere ein kulturelles und politisches Konstrukt zugrundeliegender Einstellungen (vgl. HOMANN, J./ BRUHN, L. 2016). Das kulturelle Modell von Behinderung unterscheidet sich in wichtigen Aspekten von anderen Modellen: Behinderung wird nicht nur als individuelles Schicksal, wie im individualistischreduktionistischen Behindertenmodell und nicht alleine als eine Auswirkung von Diskriminierung und Ausgrenzung wie im Sozialmodell gesehen. Vielmehr hinterfragt dieses Modell die andere Seite. Die häufig unangefochtene 'Normalität' wird ebenso hinterfragt wie Praktiken von (De-) Normalisierung zu der sozialen Kategorie, die wir als 'Behinderung' bezeichnen, z. B., wie etwas als Schädigung bzw. Fehlfunktion definiert wird (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2017: 24 f.). Sie versteht Behinderung nicht als gegebene Tatsache, sondern als Diskurs oder Prozess, Erfahrung, Situation oder Ereignis. Behinderung bzw. Beeinträchtigung sind demnach keine eindeutigen Kategorien der pathologischen Klassifikation, die automatisch in Form eines Kausalzusammenhangs zu sozialer Diskriminierung führen. Das kulturelle Modell zeigt auf, dass sich die verschiedenen Diagnosen zur Behinderung im Laufe der Zeit verändert haben und macht daran fest, dass Kategorisierung und Bewertung genauso wie Sichtbar- und Bemerkbarkeit abhängig von Zeit und Ort und den damit verbundenen sozialen und kulturellen Faktoren sind. Damit sei Behinderung weniger ein zu bewältigendes 'Problem', sondern vielmehr ein 'Problem der Gesellschaft mit der Andersartigkeit' (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2005). Das Interesse des kulturellen Modells – als Entwurf von Wissen über Körper, Normalität und Abweichung – ist die volle Anerkennung, kulturelle sowie gesellschaftliche Teilhabe und nicht mehr nur, als Minderheit als Träger von Bürgerrechten und Empfänger von Sozialleistungen wahrgenommen zu werden (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2017: 21). „Diese kulturwissenschaftliche Sichtweise unterstellt nicht – wie das soziale Modell – die Universalität des Behinderungsproblems, sondern lässt die Relativität und Historizität von Ausgrenzungs- und Stigmatisierungsprozessen zum Vorschein kommen“ (ebd.: 25). 1.3.5 Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Modelle Sowohl für das individuell-medizinische als auch das soziale Modell ist die Behinderung eine Beeinträchtigung, die verhindert oder verbessert werden muss, entweder durch Therapie oder Abbau von Barrieren (vgl. ebd.: 25). Das soziale Modell von Behinderung stellt zunächst tradierte Sichtweisen auf Behinderung infrage. Mit ihm wurde ein neues Paradigma geschaffen, dass eine innovative Perspektive auf Behinderung jenseits der Rehabilitationswissenschaften eröffnete. 14 Es thematisiert im sozialen Kontext Benachteiligung, Unterdrückung und Diskriminierung als das Problem. Im Gegensatz zum individuellen medizinischen Modell setzt es an den eigenen Erfahrungen als Experten in eigener Sache11 und Selbsthilfepotentialen der Betroffenen an. Hierauf wird im Laufe dieser Arbeit noch näher eingegangen (siehe Kapitel 7.2 Empowerment – Potenziale nutzen). Für und von den Betroffenen ist sozialpolitisches Engagement gefragt. Die Aufteilung des 'Behindert-Seins' und 'Behindert-Werdens' im sozialen Modell hat zur Folge, dass der Körper nur in Bezug auf seine Schädigung und Fehlfunktion relevant ist. Im Zentrum der Kritik am sozialen Modell von Behinderung steht zum einen der fehlende wissenschaftliche Anspruch (vgl. KASTL, J. 2017: 51) und zum anderen die strikte Trennung zwischen individuellen Schädigungen oder/und Beeinträchtigungen und Behinderung als sozial konstruiertem Vorgang. Dieser verhindere eine Auseinandersetzung mit der eigenen subjektiven Körpererfahrung und lasse die medizinische Sicht über den behinderten Körper letztlich nicht zu (vgl. KÖBSELL, S. 2009: 274-276; KÖBSELL, S. 2012). Das bio-psychosoziale Modell (der ICF), versucht das individuell-medizinische als auch das soziale Modell miteinander zu vereinen. Obwohl die WHO mit dem ICF 1980 bereits die soziale Dimension von Behinderung berücksichtigt, wird dem Modell die Defizitorientierung bei Betrachtung der Behinderung vorgeworfen (vgl. WALDTSCHMIDT, A. 2005: 15 ff.; KÖBSELL. S. 2009: 276). Auf der einen Seite gilt der ICF alternativlos wegen der präzisen Diagnostik von Problemen (Ausstattungsdefizite, prekäre Situationen, behindernde soziale Interaktionen usw.). Er ist Bedingung für hilfreiche professionelle Interventionen (vgl. LOB-HÜDEPOHL, A. 2012: 123). Auf der anderen Seite wird er als problematisch angesehen. MARIANNE HIRSCHBERG (2003) weist darauf hin, dass das bio-psychosoziale Modell bei sorgfältiger Analyse Unklarheiten hinsichtlich der Einbeziehung von Aspekten des medizinischen sowie des sozialen Modells aufweist, die die Kompatibilität dieser beiden Modelle infrage stellen, einschließlich ihres Verständnisses von Behinderung und des "Menschenbildes", dass die Lebenssituation eines Menschen mit Behinderungen zum Beispiel auf physiologische oder hirnorganische Störungen reduziert. In der Praxis gilt dies insbesondere für Menschen mit geistigen Behinderungen (vgl. MEYER, A.-H. 2004). 11 Experten in eigener Sache sind Menschen mit Behinderung. Sie vertreten die Interessen von Menschen mit Behinderung. Darum nennt man sie auch: Selbstvertreter 15 Trotz allem ist das individuelle oder medizinische Modell gegenüber dem bio-psychosozialen Modell des ICF immer noch sehr dominant. Obwohl das Modell des ICF derzeit dem internationalen Diskurs entspricht. Die Kritik am kulturellen Modell ist, dass es den Diskurs Behinderung zwar als Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse interpretiert, diesen Diskurs jedoch tendenziell gleichberechtigt in einer Vielzahl weiterer Diskurse und Machtverhältnisse stellt. Wenn im Sinne von FOUCAULT (1978) das Subjekt selbst lediglich das Produkt, das „Dispositive der Macht“ ist, dann gibt es kaum die Möglichkeit der Kritik, geschweige des Widerstandes (vgl. HOMANN, J./ BRUHN, L. 2016). Mit zunehmender Distanz von Theorie und Praxis besteht die Gefahr, dass die von Behinderung betroffene Person gar nicht mehr konkret angesprochen wird, sondern sie sich im Diskurs verliert (vgl. ebd.). Das kulturelle Modell der Behinderung enthält dennoch eine neue erkenntnistheoretische Perspektive auf Behinderung, da es keine Randposition einnehmen will, sondern sich im Zentrum von Gesellschaft und Kultur bewegt und die Thematik der Bedeutung von Kultur in Verbindung von Behinderung bietet produktive Räume, durch die neuen Sichtweisen und Denkweisen entstehen könnten, (vgl. ANNE WALDSCHMIDT 2005: 26). WALDSCHMIDT hat sich insbesondere im Rahmen von Disability Studies mit den verschiedenen Modellen auseinandergesetzt. Sie argumentiert, dass auch das soziale Modell von Behinderung nicht unreflektiert für den deutschsprachigen Diskurs übernommen werden solle, da beide Ansätze das individuelle-medizinische, sowie das soziale Modell Behinderung primär als ein 'Problem' wahrnehmen. 16 Tabelle 1 : Gegenü berstellung der vers chiede nen M odelle von Behinder ung: Individuelles und soziales Modell (vgl. BARNES et al. 1999: 30). Überarbeitung und Erweiterung durch das kulturelle Modell©, WALDSCHMIDT, A. (2004) in WALDSCHMIDT, A. (2005).12 Indiv idue l le s M ode ll D is abilit y S t uddie s S oz iale s M ode ll Kult ur e lle s M ode ll Theorie der ‚persönlichen Tragödie’ Theorie der ‚sozialen Unterdrückung’ Theorie der ‚De-Konstruktion’ Behinderung als Ergebnis von Vorurteilen Behinderung als Ergebnis von Diskriminierung Behinderung als Ergebnis von Stigmatisierung Behinderung = persönliches Problem Behinderung = soziales Problem (Nicht)Behinderung = kulturelles Deutungsmuster Individuelle Identität Kollektive Identität Kulturelle Identität Lösungsansatz: individuelle Behandlung Lösungsansatz: soziale Aktion Handlungsansatz: individuelle und gesellschaftliche Akzeptanz Lösungsmodus: Medikalisierung Lösungsmodus: Selbsthilfe Handlungsmodus: Vielfalt Professionelle Dominanz Individuelle und kollektive Verantwortlichkeit Individuelle und kollektive Verantwortlichkeiten Expertise der Experten als Ausgangspunkt Erfahrungen der Betroffenen als Ausgangspunkt Erfahrungen aller Mitglieder einer Kultur als Ausgangspunkt Fürsorge (care) als Sozialleistung (Bürger) Rechte als Anspruch Kulturelle Repräsentation als Zielsetzung Kontrolle der Leistungsempfänger Wahlmöglichkeiten (choice) der BürgerInnen Anerkennung der Gesellschaftsmitglieder Politikbereich (policy) Politik (politics) Diskurs und Praxis Zielsetzung: Individuelle Anpassung Zielsetzung: Sozialer Wandel Zielsetzung: Kultureller Wandel Behinderung als soziale Konstruktion zu verorten ist das Ergebnis eines ein Jahrzehnt dauernden Diskursprozesses, der auf nationaler und internationaler Ebene stattgefunden hat (vgl. Jantzen, W. 1976: 16 ff. und 2002; Weltgesundheitsorganisation/WHO 1980 und 2001; Hirschberg, M. 2009). Die traditionelle medizinische Konstruktion von Behinderung wurde damit abgelöst bzw. systematisch ergänzt, nachdem Behinderung als soziale Kategorie verstanden wurde. Das Ergebnis zeigt sich heute in den Bestrebungen zur sozialen Teilhabe, Integration und Inklusion, die in der Gesundheits-, Sozial- und Bildungspolitik verfolgt werden (vgl. Behindertenbericht der Bundesregierung/Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2009; UN-BRK 2006/United Nations 2010). 12 Abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis von FRAU PROF. DR. ANNE WALDSCHMIDT 17 1.3.6 Behinderung in der UN-Behindertenrechtskonvention In der Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention wird direkt auf den Begriff »Behinderung« Bezug genommen. Es wird dort zusammenfassend gesagt, dass „das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungsund umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.“ (UN-BRK, Präambel) Diese Darstellung verdeutlicht, dass in der UN-BRK das Verständnis von Behinderung nicht als festgelegtes Konzept verstanden wird, sondern von gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig ist. Erst im Artikel 1 Satz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention wird der Begriff »Menschen mit Behinderungen« konkretisiert (vgl. PRAETOR INTERMEDIA UG 2017). Hiernach trifft der Begriff auf Personen zu, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. 1.4 Der Begriff »geistige Behinderung« und das Dilemma der Begrifflichkeit 1.4.1 Was ist eine »geistige Behinderung«? Beschreibungen und Definitionen Beschäftigt man sich mit dem Phänomen »geistige«, »kognitive« oder »intellektuelle« Behinderung ist die Frage, zunächst unabhängig von den unterschiedlichen Modellen zu Behinderung, was darunter zu verstehen ist. Die international anerkannte American Association on Intellectual and Developmental Disabilities AAID definiert Behinderung wie folgt: Die Definition von »Intellektueller Behinderung« (Intellectual Disability, ID), ehemals »geistige Behinderung« (Mental Retardation) genannt, ist gekennzeichnet durch unterdurchschnittliche Intelligenz oder geistige Leistungsfähigkeit und einem Mangel an Fähigkeiten, die für das tägliche Leben notwendig sind. Menschen mit geistiger Behinderung können und wollen neue Fähigkeiten erlernen, aber sie lernen sie oftmals langsamer. Es gibt verschiedene Grade von geistiger Behinderung, von leicht bis schwerwiegend. Demnach sind intellektuelle bzw. geistige Behinderung durch erhebliche Einschränkungen vor allem in zwei Bereichen gekennzeichnet: § 18 Die intellektuelle Funktionsfähigkeit, auch bekannt als IQ, sie bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person zu lernen, zu denken, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. § Das adaptive Verhalten, das eine Reihe von alltäglichen, sozialen und praktischen Fähigkeiten umfasst. Dies sind Fähigkeiten, die für den Alltag notwendig sind, wie z. B. die Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren, mit anderen zu interagieren und auf sich selbst aufzupassen. Der IQ (Intelligenzquotient) wird durch einen IQ-Test gemessen. Der durchschnittliche IQ liegt bei 100, wobei bei der Mehrheit der Menschen dieser zwischen 85 und 115 Punkten liegt. Eine Person gilt als geistig behindert, wenn sie einen IQ von weniger als 70 bis 75 Punkten hat. Die Entstehung der Behinderung liegt vor dem 18. Lebensjahr (vgl. AAIDD, 2009). Der Begriff »geistige Behinderung« wurde 1958 in Westdeutschland und Österreich nach dem amerikanischen Begriff »mental handicap« bzw. »mental retardation« erstmals als Fachbegriff eingeführt und 1969 vom Bundessozialhilfegesetz übernommen. In Deutschland wurde er insbesondere durch die Gründungseltern der Lebenshilfe (heute Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V.) geprägt und ersetzte den Begriff der »Geistesschwäche« (vgl. THEUNISSEN, G. 2008: 127). Weltweit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe, die den Umstand geistiger Behinderung umschreiben (vgl. KLAUß, T. 2006). Das Dilemma der Begriffsbestimmung wird in den mehr oder weniger ungenauen aber gebräuchlichen Bezeichnungen deutlich: § § § § § § § § § § Geistige Behinderung oder Beeinträchtigung Intellektuelle Behinderung oder Beeinträchtigung Kognitive Behinderung oder Beeinträchtigung Geistige Entwicklungsverzögerung Lernbehinderung Lernbeeinträchtigung Praktisch bildbar Mentale Einschränkungen Geistiges Handicap Menschen mit Lernschwierigkeiten (das Netzwerk Mensch zuerst, People First Deutschland e. V. streitet um den Begriff »geistig behindert«).13 International spricht man von § § § § § § 13 mental handicap mental retardation learning difficulties learning disabilities intellectual disabilities (ID) cognitive disabilities Selbstvertretung von eben diesen Personen; 19 Die Beschreibungen bzw. Umschreibungen haben unterschiedliche Ausmaße und Auswirkungen auf die Betroffenen und die Wissenschaft selbst. In der Wissenschaft und Forschung gibt es bislang keine allgemein gültige Definition für sogenannte »geistige«, bzw. »kognitive« Behinderungen. Es gibt nur unterschiedliche Zugangsweisen zu dem Begriff sogenannter »geistiger Behinderung«. Ursprünglich bezeichnet »kognitive Behinderungen« den Zustand des Nicht-Erkennens und NichtWahrnehmens. Mit dem Begriff »intellektueller Behinderung« geht das Verständnis von fehlender Bildung, Bildsamkeit und geistiger Unfähigkeit einher, was sich aber nicht aus den Übersetzungen englischdeutsch erschließt: § cognitiv: bedeutet, sich auf den mentalen Prozess zu beziehen, der mit dem Wissen, Lernen und Verstehen von Dingen verbunden ist. § intelectual: bedeutet sich auf eine Fähigkeit zu beziehen, Dinge zu denken und zu verstehen, besonders komplizierte Konzepte: In der internationalen Terminologie kommt zudem die Bezeichnung »mental disability« vor, womit eher »psychische Behinderungen« gemeint sind. Es existieren so nebeneinander eine Vielzahl von Erklärungsansätzen aus medizinischer, philosophischer, juristischer, psychologischer, soziologischer oder pädagogischer Sicht. Der Wandel des Begriffes betrifft auch die 'politische Korrektheit'. Statt der abwertend empfundenen Formulierung Behinderte werden heute neutralere Bezeichnungen wie »Menschen mit geistiger (kognitiven) Behinderung« oder »Menschen mit Beeinträchtigungen« benutzt. Ebenso geht es um das Thema, wie die unterschiedlichen betroffenen Gruppen beschrieben bzw. benannt werden wollen oder sollten. Beispielsweise wird der Begriff der »geistigen Behinderung« von den Betroffenen selbst als stark diskriminierend und erniedrigend empfunden. Die People First Bewegung, Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V., erkämpfte und etablierte neben dem Begriff »geistige Behinderung« im deutschsprachigen Raum, in Anlehnung an das Anglo-Amerikanische, den Begriff »Menschen mit Lernschwierigkeiten« s o. Sie weisen damit auf die Notwendigkeit hin, eine differenzierte Sicht auf Menschen mit Behinderung zu haben (vgl. THEUNISSEN, G. et al. 2007: 214). Es geht ihnen um die Beachtung der Gesamtpersönlichkeit. Im deutschsprachigen Raum wird nach wie vor an dem Begriff »geistige Behinderung« insbesondere im Verwaltungsbereich festgehalten, obwohl die bisherige Bezeichnung umstritten ist. Als Argumente werden u. a. die bereits vorhandene theoretische Fundierung, das bisherige interdisziplinäre allgemein gleiche Verständnis, sowie die sozialrechtliche Relevanz vorgebracht. 20 Entsprechend der Definition des DEUTSCHEN BILDUNGSRATES gilt als geistig behindert: „wer infolge einer organisch-genetischen oder anderweitigen Schädigung in seiner psychischen Gesamtentwicklung und seiner Lernfähigkeit so sehr beeinträchtigt ist, dass er voraussichtlich lebenslanger sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit der kognitiven Beeinträchtigung gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und motorischen Entwicklung einher. Die Ergebnisse von validen Intelligenztests, motorischen Tests und Sozialreifeskalen können Orientierungsdaten für die Abgrenzung zur Lernbehinderung liefern. Die Grenze wird in der Regel bei drei Standardabweichungen unterhalb des Mittelwertes zu ziehen sein“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT 1973: 37). Andere Staaten (Nordamerika, Südamerika, Australien und andere europäische Länder) verzichten inzwischen auf Unterscheidungen zwischen Lernbehinderung oder geistige Behinderung in der Medizin. GILLBERG und SÖDERSTRÖM warnen jedoch davor, das medizinische Wissen in Bezug auf die Behinderung ganz außer Acht zu lassen, mit der Begründung, es sei noch zu wenig über die Lebensqualität und die Auswirkungen für die Menschen mit Lernschwierigkeiten und deren Familien bekannt. Auch im medizinischen Bereich sei Forschung erforderlich, um diese Fragen zu klären (vgl. GILLBERG, C./ SÖDERSTRÖM, H. 2003; GILLBERG, C. 2010). 1.4.2 Anzahl der Personen mit sogenannter geistiger Behinderung in Deutschland Hier stellt sich die Frage, wer ist von dieser Festlegung betroffen. Ende 2015 lebten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt allein rund 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen14 (vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT WIESBADEN 2016). Das entspricht einem Anteil von 9,3 % an der Gesamtbevölkerung in Deutschland, der bis 2015 schwerbehindert war.15 § 61 % von diesen, knapp zwei von drei schwerbehinderten Menschen, hatten körperliche Behinderungen. § 12 % der schwerbehinderten Menschen hatten eine geistige oder seelische Behinderung, das entspricht 912.000 Menschen in Deutschland, § 9 % der Personen hatten zerebrale Störungen, § Bei 5 % der Personen lag Blindheit beziehungsweise eine Sehbehinderung vor, § 4 % der Personen hatten eine Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen, § 20 % der Personen hatten eine andere Behinderung. 14 Als schwerbehindert gilt eine Person, »wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist« (vgl. § 2 SGB IX, Anhang 1). 15 Als schwerbehindert gelten Personen, denen von den Versorgungsämtern ein Grad der Behinderung von 50 und mehr zuerkannt sowie ein gültiger Ausweis ausgehändigt wurde. 21 Fast ein Drittel (32 %) der schwerbehinderten Menschen waren 75 Jahre und älter, 44 % gehörten der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren an. 2 % waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Demnach treten geistige Behinderungen vor allem bei älteren Personen auf. KASTL bemerkt zu den Werten, dass dies Menschen betreffen, die sich einer amtlichen Feststellung unterzogen haben und einen Grad der Behinderung (GdB)16 von mindestens 20 % zuerkannt bekamen. Menschen, die sich keiner amtlichen Feststellung der Behinderung unterzogen haben, sind nicht erfasst. Wie hoch die 'Dunkelziffer' ist, lässt sich schwer abschätzen (vgl. KASTL, J. 2017: 40). Ebenso ist der Anteil älterer und alternder Menschen mit geistigen Behinderungen in den letzten Jahren deutlich gestiegen, und die hier beschriebenen kognitiven Behinderungen sind in ihrer Ausprägung sehr heterogen. In der Konsequenz bedeutet das, dass sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse vorliegen und daher individualisierte Konzepte für die Partizipation notwendig sind (vgl. WACKER, E./ METZLER H./ TROST, R. 1996: 65). 1.5 Menschen mit kognitiven Behinderungen als Objekt in Wissenschaft und Forschung Die Definition des Begriffs »geistige Behinderung« war und ist ein ständiger Versuch von Be- und Umschreibungen für eine sehr heterogene Gruppe von Menschen. OTTO SPECK versucht diese Hilflosigkeit damit zu begründen, dass der Personenkreis von außen gesehen deshalb so schwierig zu beschreiben sei, weil sich niemand in die Perspektive (in die Lage und Situation) eines betroffenen Menschen hineinversetzen vermag (SPECK, O. 2016: 47 ff.). Die geistige Behinderung als ein Phänomen bzw. als ein Begriff zur Andersartigkeit eines Menschen führte im Laufe der Zeit auch in der Forschung zu logischen und unlogischen Schlüssen. ZIMPEL untermauert dies mit dem Hinweis, dass nur eine systemische Sichtweise und die Beachtung der Gesamtpersönlichkeit ein Verständnis dieses Phänomens ermöglichen kann (vgl. ZIMPEL, A. 2009: 188-192). „Menschen mit geistiger Behinderung wurden jahrzehntelang als versorgungs-, behandlungs- und belieferungsbedürftige Defizitwesen betrachtet und mit ihren Bedürfnissen und Wünschen nicht ernst genommen“ (THEUNISSEN, G./ KULIG, W. / SCHIRBORT, K. 2013: 22). Oder man ging von Bedürfnissen aus, die ihnen zugeschrieben wurden (vgl. ebd.). 16 Grad der Behinderung (GdB) ist ein Begriff aus dem deutschen Schwerbehindertenrecht. 22 Heute erhalten Menschen, die unter den Einschränkungen einer geistigen Behinderung leben, Unterstützungsangebote, die notwendig sind, damit sie in der Gesellschaft wohnen, arbeiten und sich erholen können. Hierzu gibt es bereits partizipative Forschungsansätze im Sinne von Community Living. Was fehlt, ist auf der einen Seite Forschung für eine spezialisierte Medizin für diese Menschen mit geistiger Behinderung. Sie ist notwendig damit sie beschwerdefrei leben und die mit ihren Behinderungen einhergehenden gesundheitlichen Einschränkungen durch spezialisierte Diagnostik, Behandlung und Unterstützung verringert werden können (vgl. HASSELER, M. 2014). Auf der anderen Seite fehlt, wie bereits erwähnt, Forschung und Entwicklung von barrierefreien und assistiven Technologien für diese Zielgruppe (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2019). Im Folgenden werden nun verschiedene Dimensionen und Aspekte der Forschung zum komplexen Phänomen der kognitiven Behinderung vorgestellt. Dieser Versuch soll einen Zugang zum Verhältnis von Behinderung, Gesellschaft und Forschung ermöglichen. 1.5.1 Der Begriff »Behinderung« als gesellschaftliche Kategorie – Was ist »normal«? OTTO SPECK sah 1986 die Heilpädagogik unter dem systemtheoretischen Aspekt (SPECK, O. 2008: 92 ff.). Er ging dabei von LUHMANN (1937-1998) und seiner »Theorie sozialer Systeme« aus und behandelte die Heilpädagogik als System, um diese theoretisch und konzeptionell von anderen Nachbardisziplinen abzugrenzen (vgl. GRÖSCHKE, D. 2005: 107). SPECK setzt sich zunächst mit der pädagogischen Grundbegriffsdiskussion »Anomalität« und »Entwicklungshemmungen« und mit dem Begriff der »Norm« auseinander. Was ist »normal«? (SPECK, O. S. 1991: 99 ff.). Dabei kommt er zu dem Schluss, dass dieser für die Zuschreibung von Behinderung im individualtheoretischen Sinne so wichtiger Begriff mit Vorsicht zu betrachten sei. Zum einen seien Normen dem historischen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen und zum anderen müsse bedacht werden, dass der Umgang mit Normen sehr umsichtig zu geschehen habe. Heute wird daher in Bezug auf Behinderung nicht mehr von Abnormalität, sondern von Abweichung gesprochen. "Es liegt ein abweichendes Verhalten (Devianz) dann vor, wenn es von einem anderen als ein solches definiert wird" (ebd.: 230). In der Gesellschaft gibt es viele Vorurteile, die hier eine große Rolle spielen. Sie stellt Normen auf und sagt, wann ein Verhalten als Abweichung zählt. In seinem Buch »System Heilpädagogik« zum Begriff »Behinderung als gesellschaftliche Kategorie« entwickelt SPECK eine Zuschreibungstheorie bzw. Etikettierung. Sein individualtheoretischer Ansatz beinhaltet eine strenge Klassifizierung nach der Art der Schädigungen, wobei er bereits 1988 von folgender Klassifizierung ausging: 23 § Physische Abweichungen o Schädigungen im Bereich des Sehens o Schädigungen im Bereich des Hörens o Statomotorische Schädigungen o Schädigungen der sprachlichen Funktion o Einschränkungen der mentalen Funktion (Intelligenz) (vgl. SPECK, O. 1988: 116-133) § Sozio-emotionale Störungen (diese führt Speck 2003 näher aus) o Komplexe Syndrome o Spezielle Syndrome oder Faktoren (vgl. SPECK, O. 2003: 196-210) Auf dieser Klassifikation baut bis heute die Unterscheidung in den einzelnen Fachrichtungen der Sonderpädagogik auf: Körperbehindertenpädagogik, Geistigbehindertenpädagogik, Schwerhörigenpädagogik, usw. ... Den klassisch sonderpädagogischen Behinderungsbegriff brachte ULRICH BLEIDICK mit seinem Werk »Pädagogik der Behinderten« (1972) ein. Er formuliert in Anlehnung an den Deutschen Bildungsrat 1973 den Behinderungsbegriff und auch später im Handlexikon der Behindertenpädagogik wie bereits erwähnt. Für ihn gelten Menschen als behindert, wenn sie durch die Schädigung ihrer körperlichen, geistigen oder geistigen Funktionen so stark beeinträchtigt werden, dass ihr unmittelbares Leben oder ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft erschwert wird (vgl. BLEIDICK, U. et.al. 2006: 79). Er setzt in der Folge eine weitere Klärung des Begriffs der Behinderung und eine Überprüfung der Theorien der Behindertenausbildung fort. BLEIDICK thematisiert die Entwicklung des Behinderungsbegriffs von der defizitorientierten medizinischen Sichtweise über den Paradigmenwechsel zur sozialtheoretischen Sicht. Seine neueren Überlegungen sind, verschiedene Sichtweisen zu einem mehrdimensionalen Behinderungsbegriff zu verknüpfen. „Eine Behinderung ist nicht schicksalhaft durch eine vorliegende Schädigung gegeben; sie entsteht vielmehr erst durch die Wechselwirkung mit dem Kontext einer Umwelt, die Menschen mit körperliche, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen von einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausschließt“ (BLEIDICK, U. 2016: 106). 24 Mit der Anerkennung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Menschen mit geistigen Behinderungen, hat er Theorien und Konzepte zur Unterstützung der Betroffenen zu einer Perspektive der Kompetenz und Stärke entwickelt. Dies hat das Engagement für die Verbesserung ihrer Rechte in der Gesetzgebung gestärkt. Es bildeten sich Begriffe wie Selbstbestimmung und Inklusion, von der Selbstbemächtigung, Selbstvertretung, Teilhabe und Anerkennung behinderter Menschen als Bürger unserer Gesellschaft heraus. Das sich trotz andauernder theoretischer Reflexion des Phänomens der geistigen Behinderung der Begriff bis heute entlang der alten Behinderungsdefinitionen und Sondersystemen hält, ist beachtenswert. 1.5.2 „Behindert ist man nicht, behindert wird man!“ Wie beschrieben, sieht das soziale Modell als Problem nicht die behinderte Person selbst, sondern die gesellschaftlichen Bedingungen, die verbessert werden müssen. Es waren/sind zunächst Barrieren, Vorbehalte und Vorurteile, die die Menschen mit Behinderungen daran hindern ein ganz normales Leben zu führen. Der Unmut über die Sondersysteme für Menschen mit Behinderungen führte in den 90er Jahren dazu, dass sich der von der Behinderten-bewegung der Körperbehinderten in Großbritannien 1970 proklamierte Slogan „People are disabled by society, not by their bodies“ in Deutschland fortsetzte. Dieser Protest der Betroffenen „Behindert ist man nicht, behindert wird man!“ hält bis heute an. Anfang der 1970er Jahre entstand in Deutschland die sogenannte Krüppelbewegung17 und formierte sich wie in Großbritannien. Damit begann eine Entwicklung, die qualitativ anders und neu war (vgl. FANDREY, W. 1990: 264). Bis dahin hatten sich meist nur betroffene Eltern von Kindern mit Behinderungen und nicht behinderte Vertreter von Institutionen, professionell oder auch nicht, für bessere Lebensbedingungen in Bereichen wie Bildung, Arbeit, Freizeit und Wohnen für Menschen mit einer Behinderung eingesetzt. Heute fordern Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen selbst für sich dieselben Rechte und Möglichkeiten wie sie von Menschen ohne Behinderung als selbstverständlich angesehen werden. Mit derselben Intention wie die der Krüppelbewegung wurde in den 1980er Jahren der Zusammenschluss von Eltern und Freunden von Kindern mit Behinderungen, Gemeinsam LebenGemeinsam Lernen, Eltern gegen Aussonderung ins Leben gerufen. 17 Die Krüppelbewegung war eine Emanzipationsbewegung der 1970er Jahre, die sich aktiv dafür einsetzte, die soziale Benachteiligung von Menschen mit einer körperlichen Behinderung aufzuheben. 25 Es war/ist eine Gegenbewegung zu den Elternvereinen, wie der Verein zur Förderung spastisch gelähmter Kinder oder die Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind. Das Engagement dieser beiden Elternvereine bestand zunächst darin, zum Schutz und zur Förderung ihrer Kinder mit den unterschiedlichsten Behinderungen, ein System stationärer und teilstationärer Einrichtungen zu gründen: Sonderkindergärten, Sonderschulen und Werkstätten entstanden. Nicht selten waren die Elternvereine selbst Träger dieser Einrichtungen. Ende der 1990er Jahre forderte nun die Elternschaft von Gemeinsam Leben-Gemeinsam Lernen, Eltern gegen Aussonderung, dass ihre Kinder einen Platz mitten in der Gesellschaft haben und Inklusion zunächst in Kindergarten und Schule und später bei Ausbildung und Beruf stattfindet (vgl. EDLER, C. 1998: 65-87). Das war der Beginn der schulischen Integrationsbewegung, eine Bewegung, die heute für Inklusion in allen Lebensbereichen einsteht. 1.5.3 "Geistig Behinderte gibt es nicht!" Die Integrations- heute Inklusionsbewegung – nicht aus, sondern in die Gesellschaft – findet wissenschaftliche Unterstützung u. a. von FEUSER (1996). Er sieht in dem Begriff »geistige Behinderung« bzw. die Bezeichnung von Personen als geistig behindert eine gesellschaftliche Projektion: „Es gibt Menschen, die wir aufgrund unserer Wahrnehmung ihrer menschlichen Tätigkeit, im Spiegel der Normen, in dem wir sie sehen, einem Personenkreis zuordnen, den wir als 'geistig-behindert' bezeichnen[...]. Die Aussage 'geistige Behinderung' ist eine auf einen anderen Menschen hin zur Wirkung kommende Aussage schlechthin.“ (ebd.: 18) FEUSER referiert hierzu in Innsbruck beim österreichischen Symposium für die Integration behinderter Menschen „Es ist normal, verschieden zu sein“: „Wenn ich einem "behinderten" Menschen begegne, ihn anschaue und denke, wie er denn sein könnte, beschreibe ich mich selbst – meine Wahrnehmung des anderen. Ob ich die daraus entstehende Chance nutze, mich selbst zu erkennen, steht auf einem anderen Blatt ...!“ (FEUSER, G. 1996). Geistige Behinderung ist für ihn auf einer ersten Ebene ein phänomenologisch-klassifikatorischer Prozess, ein Vorgang der Registrierung von an anderen Menschen beobachteten Merkmalen, die wir, in Merkmalsklassen zusammengefasst, zu den Eigenschaften des anderen machen (vgl. ebd.). Auf einer zweiten Ebene bezieht sich nach FEUSER die Behinderung konzeptionell auf eine soziale Realität, die der Zuschreibung und Ausgrenzung und fachlichen Realität der Heil- und Sonderschulbildung, die die beobachtbaren Merkmale zu Merkmalen d.h. zu deren Ursachen macht, aber nicht die Individualität des Menschen ausmacht, den man mit diesem Begriff festlegt. 26 Demnach hält FEUSER 'geistige Behinderung' für ein rein sprachliches Konstrukt ohne eine empirische Entsprechung (vgl. FEUSER, G. 2000: 141-165). 1.5.4 »Geistige Behinderung« als soziales Phänomen Die Soziologie der Behinderten nimmt nicht nur die sozialen Konstruktionen von Behinderung in den Blick, sondern auch gesellschaftliche Ursachen von Behinderungen. Schädigungen und die sozialen Reaktionen auf vermeintliche Abweichungen sind dabei im Fokus. Grundlegende Schriften der Behindertensoziologie hierzu stammen von GOFFMAN und FOUCAULT. Sie gelten als Gründungsväter der Soziologie der Behinderung, wobei beide sehr unterschiedliche Positionen einnehmen. GOFFMAN setzte sich als erster 1963 aus Sicht der Soziologie in seinem Buch »Stigma: Notes on the Management of Spoiled Identity« mit dem Thema auseinander. Er entwickelte in seiner StigmaTheorie einen individual-theoretischen Begriff von Behinderung und untersucht sie bezüglich ihrer Relevanz für eine Theorie der Behinderung (vgl. GOFFMAN, E. 2010: 9 -14, Erstauflage 1975). GOFFMAN betont die soziale Komponente der Konstruktion von Behinderung, die in einer bestimmten Relation bezüglich der Realität zu einem Ausgrenzungsgrund wird. Das heißt, dass Merkmale rassische, physische Deformationen oder auch intellektuelle Einschränkungen sein können, die dazu führen, dass eine Person nur noch über diese wahrgenommen wird z. B. der Krüppel, der Neger oder der Idiot und andere Eigenschaften dahinter zurücktreten (vgl. GOFFMAN, E. 2010: 67). Er beschreibt den sozialen Mechanismus, der aufgrund von Abweichungen sich auf das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe auswirkt und zur Ausgrenzung führt, als Exklusionsrisiko. Von Seite der Interaktion war zunächst seine Grundannahme, dass jeder Mensch versucht, ein gewisses Bild von sich zu vermitteln, wenn man weiß, dass man beobachtet wird (vgl. GOFFMAN, E. 2003: 16 f.). Bei dieser Selbstdarstellung, geht es um seine Identität, die er, so GOFFMAN (2010: 4) wissentlich oder unwissentlich präsentiert. Daraus schließt dieser auch, dass alle Menschen prinzipiell immer eine (ihre) Rolle spielen und sich eine Fassade schaffen. Das Gegenteil hierzu sind jedoch Stigmata, die Erwartungen und Zuweisungen der anderen. „Ein Stigma ist für Goffman auf den ersten Blick ein Zeichen [Merkmal, C.E.], dass seine Trägerinnen und Träger als sozial minderwertig oder von der Norm abweichend markiert und damit aktuell oder potenziell diskreditiert“ (SCHINK, A. 2016: 161). Beide Annahmen sprechen dafür, dass jemand auch seine Rolle neu lernen kann, im positiven, wie im negativen Sinn. 27 FOUCAULT, Psychologe, beschreibt Personen in seinem Buch »Wahnsinn und Gesellschaft« (1977: 99 ff.), die „von Sinnen Geratenen, die völlig verrückt geraten sind“. Er weist dabei darauf hin, dass der Wahnsinn hierbei kein objektives Faktum darstellt, sondern sich als Begriff und Konzept in einem jahrhundertealten, von Machtverhältnissen durchdrungenen Prozess entfaltet hat und nur in seinem Verhältnis zur Vernunft wirklich verstanden werden kann (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2006). KASTL (2017) versucht in seiner »Einführung in die Soziologie der Behinderung« den Behindertenbegriff neu zu fassen und einzugrenzen (vgl. vgl. KASTL. J. 2017: 35 ff.). Er argumentiert mit SHAKESPEARE, der insbesondere auf den wechselseitigen Charakter von körperlicher Schädigung (Impairment) und funktionaler Beeinträchtigung (Disability) hinweist. Er erklärt, dass sich weder die Bedeutung von Impairment von der soziokulturellen Realität abkoppeln lasse, noch gehe die funktionale Beeinträchtigung in dieser auf. Sowohl der Körper als solcher, als auch die Art der Behinderung unterschieden sich in den sozial möglichen Vorgaben. Für das soziale Handeln mache es einen Unterschied, ob jemand Schmerzen hat oder nicht, ob eine Behinderung sichtbar ist oder nicht, ob die Behinderung statisch ist, oder wie bei Multipler Sklerose auf unvorhersehbare Weise fortschreitend bzw. bei schizophrenen Erkrankungen episodisch ist. Aber es sei nicht das Ergebnis von sozialen Konstrukten (vgl. ebd. 2017: 53). 1.5.5 Verschiedenheit und Teilhabe Wie die Vielfalt der Zugänge zur Begrifflichkeit hier deutlich macht, bleiben die Begriffe geistige bzw. kognitive Behinderung oder Menschen mit Lernschwierigkeiten dennoch weiter unklar. Es geht mit der Auseinandersetzung der Andersartigkeit in den verschiedenen Disziplinen immer wieder eine Defizitorientierung einher und es wird selten auf die Stärken der Andersartigkeit der Betroffenen geschaut. Im Gegenteil, es wird eher danach gesucht, wie man einen gerechteren Ausgleich für diese Andersartigkeit herstellen bzw. erklären kann. Um Abhilfe zu schaffen, werden entsprechend Maßnahmen ergriffen und die 'pädagogische Sorge' zielt darauf, entstandene Nachteile auszugleichen. So werden auf der einen Seite separierende Einrichtungen mit der speziellen Förderung oftmals als unumgänglich angesehen, die aber von den Betroffenen bei allen Anstrengungen trotzdem als Barriere auf dem Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe betrachtet und erfahren werden. Auf der anderen Seite können Menschen mit schwerer Behinderung Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen, die ihren Ausdruck entweder in einer Marginalisierung, einer Ausgrenzung oder einem 'Behindertenbonus' finden (vgl. LUZ, V. 2012: 14). 28 Eine Perspektive wie diese, die den Blick vorrangig auf Defizite und Behinderungen richtet, schwächt das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Ein Perspektivwechsel dagegen würde das Selbstbewusstsein und den Selbstwert und somit die Teilhabemöglichkeiten stärken (vgl. ebd.). Trotz der positiven Entwicklung nach der Ratifizierung der UN-BRK kann nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Stellung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere mit kognitiven Behinderungen, nach wie vor eine Randposition in der Gesellschaft ist. Chancen auf Teilhabe in der Bildung, bei der Arbeit oder politischen Partizipation müssen speziell für sie inklusiv gedacht und geplant werden (vgl. HILPERT, W. 2015: 11). 1.5.6 Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen In der empirischen Forschung spielten Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre Lebenssituation einschließlich Unterstützung und Assistenz lange eine Nebenrolle. Diese Zurückhaltung in der Forschung beschreiben u. a. JANZ und TERFLOTH (2009), sowie BUCHNER und KOENIG (2008). BUCHNER und KOENIG vergleichen in einem Review die inhaltlichen Themen zu empirischer, sonderpädagogischer „Forschung und geistige Behinderung“ im deutschsprachigen mit denen, die im angloamerikanischen Raum verfassten Forschungsarbeiten zu »Research and Cognitive Disability«. Sie finden dabei heraus, dass der Anteil an Forschung in den deutschsprachigen Journalen relativ gering ist (vgl. BUCHNER, T./ KÖNIG, O. 2008: 20). Sie stellen innerhalb der von ihnen untersuchten empirischen Beiträge fest, dass das Thema 'Schule' mit 42,7 % das größte Interesse findet, gefolgt von Diagnostik / Therapie / Rehabilitation mit 16,2 %. Die Lebensbereiche von erwachsenen Menschen mit einer Behinderung sind hingegen selten Gegenstand empirischer Forschungsarbeiten. Die Themen 'Arbeit', 'Wohnen' und 'Freizeit' umfassen zusammen lediglich 10,8 % (vgl. ebd.: 22). Erst in den letzten Jahren bekommt empirische Forschung im deutschsprachigen Raum für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen mehr Aufmerksamkeit. Zur Erforschung des Themas »Geistige Behinderung im angloamerikanischen Raum« führen SHOGREN und Kollegen (2006) ebenfalls eine Inhaltsanalyse der Fachliteratur über 30 Jahre durch. Hierzu wählen sie fünf Zeitschriften zum Schwerpunkt geistige Behinderung. Die beiden Wissenschaftler stellen hierbei fest, dass es in den letzten Jahrzehnten Verschiebungen in der Begrifflichkeit von geistiger Behinderung gegeben hat (vgl. SHOGREN, K. A. et al. 2006). Die Forschung konzentriert mehr und mehr auch auf die Bedeutung von Erkennung der Stärken und Fähigkeiten von Menschen mit geistiger Behinderung. 29 Zwischen 1975 und 1984 fokussieren sich mehr als 50 % der vorgestellten Forschungsarbeiten auf die intellektuellen Fähigkeiten. Dieser Prozentsatz geht jedoch in den folgenden 20 Jahren wieder zurück und liegt zwischen 1995-2004 unter 20 %. Dabei nehmen die Forschungsarbeiten zu adaptivem Verhalten, Partizipation, Interaktionen und sozialen Rollen, sowie zur Gesundheit zu (vgl. SHOGREN, K. A. et al. 2006: 12). SHOGREN und seine Kollegen beobachten darüber hinaus, dass „sich die Forschung hin zu einem Verständnis und einer Verbesserung bzgl. der Fähigkeiten von Menschen mit geistiger Behinderung aus einer Perspektive entwickelt, die Stärken und nicht Defizite betont und Konstrukte der positiven Psychologie und Selbstbestimmung mit einbezieht“ (ebd.). Die führenden Journale der angloamerikanischen Länder zeigen auch heute, dass der empirischen Forschung hier ein anderer Stellenwert eingeräumt wird als im deutschsprachigen Raum. Sie behandeln auch Themen wie: Verhaltensinterventionen für Menschen mit geistiger Behinderung, Leistung des Lernens behinderte Jugendliche – Strategien für Schülerinnen und Schüler zum Leseverstehen mit Lernschwierigkeiten, Wirkung der kognitiven Strategie auf verbale und mathematische Problemlösungen – Self-determination and Self-advocacy bis hin zu neueren Erkenntnissen bzgl. unterschiedlicher Diagnosen von Personen mit kognitiver Behinderung. Forschungslücken lassen sich u. a. in diesen zwei Bereichen ausmachen, in der Neurobiologie und im Bereich Cognitive Accessibility. Die Neurobiologie hat sich bisher nur selten mit diesem Phänomen und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen beschäftigt, weder in Deutschland noch anderswo, obwohl jüngste Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass das Gehirn wie ein Muskel trainiert werden kann und neuronale Netzwerke bis ins hohe Alter hinein genutzt und neu geknüpft werden können (vgl. STROBACH, T.; HUESTEGGE, L. 2017: 539-558). Ebenso fehlt es bei Menschen mit kognitiver Behinderung an Grundlagenforschung im Bereich eInclusion und Cognitive Accessibility (vgl. SARIMSKI, K. 2009: 27; EDLER, C. 2014: 39; MIESENBERGER, K. 2019). 1.6 Vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt – Veränderung eines Paradigmas In der soziologisch relevanten Forschung hat sich jedoch in Bezug auf Menschen mit Behinderungen, ausgelöst durch die Kritik der Soziologie/Sozialforschung um 1980 an den quantitativen Verfahren, (vgl. LAMNEK, S.; KRELL, C. 2005: 3-6) ein Wandel vollzogen. 30 Die auslösende Kritik bestand darin, dass das soziale Feld in seiner Vielfalt nur eingeschränkt und ausschnittsweise sowie Strukturen nur vereinfacht und reduziert dargestellt wurden. Dies führte dazu, dass mit der qualitativen Forschung Zusammenhänge und deren innere Struktur aus Sicht der Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt wurden. Die soziale Realität von Menschen mit Behinderungen ist heute meist der Ausgangspunkt für soziologisch und empirisch relevante Forschung zu verschiedenen Themenbereichen wie der Zugang zu Bildung, Kommunikation, Freizeit, Arbeit, aber auch zu Themen wie Familie, Sexualität, Partnerschaft. Geistige Behinderung wird nicht länger primär als medizinisches oder sonderpädagogisches Problem zu verstanden, sondern es geht um die Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensqualität der Betroffenen. Frühere Untersuchungen waren meist auf alltägliche oder therapeutische Anwendungen reduziert. Heute geht es um persönliche individuelle Ressourcen bzw. Potenzial der Betroffenen (vgl. JANZ, F./ TERFLOTH, K. 2009: 11-14). JANZ UND TERFLOTH stellen trotz dieses Wandels 2009 noch fest, dass Forschung mit – statt über – Menschen mit intellektueller Behinderung immer wieder neu infrage gestellt wird (vgl. ebd.: 12-13). Das hat sich bis heute nur wenig geändert. In den allgemeinen Wissenschaften besteht nach wie vor die Auffassung, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen keine adäquate Rolle in der Forschung einnehmen können und keine zuverlässigen Interviewpartner sind, da sie nicht in der Lage seien, im Rahmen von Umfragen valide Antworten zu geben (vgl. BUCHNER, T. /KÖNIG, O. 2011: 3). Im Hinblick auf die zu erwartenden kognitiven Fähigkeiten und Grenzen von Menschen mit kognitiven Behinderungen werden die Bedarfe, Bedürfnisse und Anforderungen der Betroffenen trotz vieler Bemühungen um Selbstbestimmung im Alltag oft noch mit den Angehörigen oder verantwortlichen Vertreter von Behinderten erhoben oder zumindest bestätigt. Dies zeigt den schmalen Grat zwischen Loslassen und Festhalten, Bevormundung und Kümmern bzw. Selbstbestimmung der Betroffenen auf der einen und Verantwortlichkeit auf der anderen Seite. Hierbei hängt es davon ab, wie jemand mit gutem Grund in seiner Lebensweise eingeschränkt wird oder ob es um die Verletzlichkeit seiner Person geht (siehe Kapitel 3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung). Verschiedene Analysen und Studien zu diesem Problem zeigen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen über Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen und sehr gut in der Lage sind, valide und adäquate Äußerungen von sich zu geben (vgl. GOODLEY, D. A. 2010: 110 f.). An dieser Stelle soll noch einmal auf das soziale Modell der Behinderung verwiesen werden. 31 GOODLEY stellt fest: "(...) While we can accept that people with learning difficulties do themselves recognize that they may be 'impaired' and 'different' (...) the social model of disability can only include people with learning difficulties when recognizing the social origins of 'learning difficulties' and 'difference'." (GOODLEY, D. 2001: 35 f.)18 Allgemeine empirische Forschung und die notwendigen Informationen und Kompetenzen zum Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen fehlen und waren lange kaum Thema in der Ausbildung der Heil- und Sonderpädagogik. Diese Perspektive verändert sich in den vergangenen Jahren. Wenn man die Studienanforderungen sowie Vorlesungsverzeichnisse anschaut, werden zunehmend in der Ausbildung an den Hochschulen entsprechende Forschungskompetenzen vermittelt. 1.6.1 Disability Studies Disability Studies (Studien zu oder über Behinderung) ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der sozial- und kulturwissenschaftlichen Erforschung des Phänomens Behinderung auseinandersetzt. Disability Studies haben sich in den verschiedenen Ländern der Welt in den letzten Jahrzehnten unterschiedlich entwickelt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle wollen, dass behinderte Menschen selbst forschen oder zumindest mitforschen. Sie nehmen eine besondere Rolle als interdisziplinäre Wissenschaft ein, da Forschung vorwiegend von Menschen mit Behinderungen selbst durchgeführt wird. Allerdings werden Menschen mit intellektuellen/kognitiven Behinderungen hier oftmals nicht berücksichtigt (vgl. FASCHING, H./BIEWER, G. 2014) und sind bis heute äußerst selten anzutreffen. Disability Studies schließen Menschen mit kognitiven Behinderungen häufig durch ihre schwierige Fachsprache und schwer verständliche Veröffentlichungen aus (vgl. NAUE, U. 2011: 109) und das, obwohl sie sich zum Ziel gesetzt haben, dass Menschen mit Behinderungen selbst über Behinderung und das Leben mit Behinderung nachdenken und nachforschen und dafür sorgen sollen, dass erlebtes und gelebtes Wissen in Forschung und Wissenschaft anerkannt wird (vgl. ebd.: 111). 18 "(...) Während wir akzeptieren können, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst erkennen, dass sie "beeinträchtigt" und "anders" (...) sein können, kann das Sozialmodell der Behinderung auch Menschen mit Lernschwierigkeiten mit einbeziehen, wenn sie die soziale Herkunft von "Lernschwierigkeiten" und "Differenz" erkennen." (GOODLEY, D. 2001: 35 f.) 32 1.6.2 Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre Teilhabe in der Forschung Die Kritik, dass die Menschen mit (kognitiven) Behinderungen (a) seltener Gegenstand der Forschung sind (BUCHNER, T. /KÖNIG, O. 2008) und (b) wenn, ihre direkte Beteiligung häufig fehlt, führte zu wachsender Nachfrage nach mehr Beteiligung dieser Zielgruppe und zu neuen Ansätzen partizipativer Forschung (BERGOLD, J. 2013; UNGER V., H. 2014) und inklusiver Forschung (WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003; NIND, M. 2014). Wie bereits erwähnt wird der Begriff inklusive-partizipative Forschung hier verwendet, um eine Reihe von Forschungsansätzen zu beschreiben, bei denen Personen mit kognitiver Behinderung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Forschung zusammenarbeiten (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 11-16). Inklusive-partizipativen Forschung ist dabei nicht als eigene Forschungsmethode zu verstehen, sondern als ein Ansatz oder eine Strategie, bei der Menschen mit und ohne akademischen Bildungshintergrund gemeinsam forschen. Menschen mit Lernschwierigkeiten nehmen dabei über den gesamten Forschungsprozess hinweg nicht nur eine passive Rolle als Objekte der Forschung ein, sondern sind aktiv in unterschiedlichen Rollen an allen Phasen von Forschungsprozessen beteiligt (vgl. BUCHNER, T./KÖNIG, O. 2011). Inklusive-partizipative Forschungsstrategien setzen voraus, dass Menschen mit Behinderungen im Forschungsprozess eine Stellung einnehmen können, die über die Rolle der Befragten hinausgeht, (vgl. BARNES, C./ MERCER, G. (1996); ATKINSON, D. (2004); WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003), Forschung, die Menschen mit Lernbehinderungen mehr als nur als Forschungsthemen berücksichtigt oder einbezieht" (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 62). Hierbei stellt sich die Frage an die Forschung: „Ob und inwieweit können bestimmte Kontextfaktoren Partizipation bzw. Teilhabe der Betroffenen Forschung ermöglichen oder beeinträchtigen?“ (BERGOLD J./ THOMAS S. 2010: 337). Im nachfolgenden sind hierzu einige Kontextfaktoren angeführt. Als Kontextfaktoren gelten § Der Begriff des Phänomens 'geistige oder kognitive Behinderung' und seine unterschiedliche Perspektive: Dieser hat nicht nur im Sprachgebrauch immer wieder Veränderungen erfahren. Es ist sichtbar, dass Behinderung immer auch sozial und gesellschaftlich konstruiert ist. Hinter diesen Begriffen und ihren Definitionen stehen verschiedene Theorien, Denkweisen und Konzepte mit unterschiedlichen Zugangsweisen. § Der Anteil und Alter der Personen mit Störungen der geistigen Entwicklung: In der Bevölkerung in Deutschland liegt derzeit bei 4,2 %, wobei der Anteil der alten und älter werdenden Menschen mit geistiger Behinderung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat (KOMP, E. 2006: 31). Dieser Umstand kann auch die Forschung beeinflussen. 33 § Die Lebenswelt und Wohnsituation: Das Lebensumfeld von erwachsenen Menschen mit kognitiven Behinderungen kann sehr verschieden sein. Ihre Situation hat sich durch das Teilhabegesetz, Assistenzen und ambulante Hilfen in den letzten Jahren verändert. Wie sie leben und wohnen hängt oftmals von ihrem jeweiligen Alter ab. Von den Jüngeren können viele in Mehr-Generationen-Häusern, in Wohngemeinschaften, Wohngruppen oder auch alleine mit oder ohne Partner ihr Leben selbst bestimmen und mit mehr oder weniger Unterstützung leben. Das Wohnheim mit einer 24-Stunden-Betreuung (vollstationär)19 gibt es aber weiterhin. § Der Arbeitsplatz von Menschen mit kognitiven Behinderungen: Arbeit finden die Betroffenen trotz Teilhabegesetzte noch immer fast ausschließlich auf dem 2. (Sonder-) Arbeitsmarkt, (meist in Werkstätten für behinderte Menschen, WfbM). „Für Menschen mit einer geistigen Behinderung fehlt es nicht nur an geeigneten Arbeitsplätzen [außerhalb], sondern es wird auch selten nach (neuen) geeigneten Tätigkeitsfeldern gesucht, weil diese Personengruppe in den WfbMs verortet wird“ (KARDORFF V., E. et al. 2013: 88), dies, obwohl es vermehrt Anstrengungen gibt Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung bereits in einer frühen Phase an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen und zu qualifizieren (vgl. FISCHER, E./HEGER, M. 2011). Beschäftigte aus den WfbMs heraus einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ist bislang die Ausnahme. Geeignete Maßnahmen zur Einbeziehung der Betroffenen in die inklusive Forschung könnten die Chancen und Möglichkeiten der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt erhöhen, wenn beispielsweise rechtliche und tatsächliche Hindernisse für die Beschäftigung von Menschen mit kognitiven Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beseitigt würden. Die Bereitstellung von Begleitdiensten für die notwendige Unterstützung muss sichergestellt und eine angemessene berufliche Qualifizierung und Ausbildung angeboten werden. 1.6.3 Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherinnen und PeerForscher bei der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung und beim User-Centred Design Hier wird nun die Zielgruppe, Menschen mit kognitiven Behinderungen, selbst und ihre Ausgangssituation für die inklusive-partizipative Forschung im Bereich Forschung und Entwicklung und nutzerzentriertes Design vorgestellt. 19 Die Abgrenzung von ambulant, teil- und voll stationäre Unterbringung ist Grundlage für die Eingliederungshilfe SGB XII. 34 Vorangestellt: Diese Arbeit basiert auf dem Verständnis des bio-psychosozialen Modells von Behinderung, in Übereinstimmung mit der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation. Demnach ist Behinderung nicht etwas, das allein in einer Person liegt, vielmehr dass im Sinne des inklusiven Paradigmas, die Chancen auf Teilnahme von den jeweiligen Umwelt- und Kontextbedingungen abhängen. Der Begriff Menschen mit kognitiven Behinderungen wird hier neben dem Begriff Menschen mit Lernschwierigkeiten gleichwertig gebraucht. Im Rahmen der inklusiven-partizipativen Aktionsforschung wird jedoch weniger von den Behinderungen der Teilnehmer als von deren Fähigkeiten ausgegangen. Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern in der Forschung werden nicht als 'besondere' Personen im Forschungskontext angesehen, sondern als Self Advokat, Bürgerin oder Bürger und als Peers akzeptiert. Was zeichnet die Peer-Forscherin oder den Peer-Forscher aus? Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten haben unterschiedlichen Bedarf an Unterstützung in ihren Lebenssituationen und können möglicherweise nicht vollständig in gesprochener und/oder geschriebener Sprache kommunizieren, aber dies betrifft nicht alle. Kognitiven Fähigkeiten zur Verarbeitung von Informationen wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Schlussfolgerung, Erinnerung, Abstraktion oder Logik können durch eine kognitive Behinderung auch unterschiedlich eingeschränkt sein. Dies sind Personen mit sehr vielfältigen Fähigkeiten im Verstehen, Lesen und Schreiben und mit verschiedenen motorischen Fähigkeiten. Somit lässt die unterschiedliche Ausprägung der Behinderung unterschiedliche Lernstrategien zu (MÜHL, H. et al. 2006: 300). Über solche individuellen Strategien gibt es jedoch bisher kein ausreichendes Wissen. „Wie bei jeder anderen besonderen Fähigkeit, die Menschen entwickeln können, gibt es für Intelligenz mindestens drei Faktoren: körperliches Potenzial, innerer Antrieb und soziale Entfaltungsmöglichkeiten“ (ZIMPEL A. 2016: 9). Im Vergleich zu anderen benötigen Menschen mit Lernschwierigkeiten oft mehr Zeit für ihre Lernprozesse und haben häufig eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Sie bedürfen möglicherweise mehr Unterstützung beim Erwerb neuer Fähigkeiten und beim Verstehen komplexer Informationen. Sie brauchen vielleicht sogar ständig Hilfe und Unterstützung in allen Lebensbereichen. In welchem Maße dies zutrifft und welche Unterstützung eine Person im Forschungskontext benötigt, hängt von den individuellen Ressourcen ab, was nicht unbedingt auf ihre jeweiligen Kompetenzen schließen lässt. Dies darf kein Ausschlusskriterium sein. 35 Beispielsweise sind Annahmen und Verallgemeinerungen über ihr Lern- und Nutzerverhalten wie bei der Nutzung des Internets in Bezug auf die Zielgruppe als Ganzes nicht haltbar (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 65; ZENTEL P. 2010: 228). Eine Diagnose wie Autismus-Spektrumstörungen (ASD) bei Jugendlichen zeigt Einschränkungen im Bereich der sozialen Interaktionsfähigkeiten, die insbesondere beim Eintritt in das Erwachsenen- und damit Berufsleben zur Barriere werden. Die computergestützte Ausbildung und Therapie und insbesondere die gestützte Kommunikation von Menschen mit Autismus-Spektrumstörungen machen deutlich, dass es möglich ist, die Betroffenen im beruflichen Prozess zu unterstützen und zu fördern (vgl. RAMDOSS, S. et al. 2012). Was die Voraussetzungen für die Beteiligung von Peers mit kognitiven Behinderungen in der inklusiven Forschung und Entwicklung betrifft, so sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über eine angemessene Art von Vorstellungskraft verfügen, eine Idee davon haben, worum es bei der Forschung geht. Das heißt, dass sowohl das Forschungsthema als auch der Forschungsgegenstand eine Bedeutung für diesen Personenkreis haben sollte (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 64). Das bedeutet jedoch nicht, dass die mit dem Perspektiven- und Paradigmenwechsel verbundenen Aspekte der Selbstbestimmung und Partizipation vor allen anderen Forschungs- und Förderzielen stehen. Die Selbstbestimmung und Partizipation sollten übergreifend im Sinne eines allgemeinen Richt- und Leitziels für die Wissenschaft betrachtet werden, um neue Anwendungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung mit eigenen Interaktionen und/oder Ideen zu finden und zu erfinden (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 39). Die Erfahrungen und Ergebnisse aus unterschiedlichen inklusiven Forschungsprojekten zur Medienbildung sowie die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe unter Anwendungen digitaler Medien zeigen, dass der Erwerb geeigneter Kompetenzen zum einen mit der Lernmotivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und zum anderen mit ihren Einstellungen/Werten und dem professionellen Selbstverständnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (oder den Wertehaltungen anderer Bezugspersonen) zusammenhängt (vgl. MEYERLE, M 2015: 54). Die selbst wahrgenommene Kompetenz und soziale Akzeptanz, die soziale Kompetenz im Alltag und in der Lebenswelt der Menschen mit kognitiven Behinderungen spielen eine wichtige Rolle. Sie führen in der Regel zu Motivation und langfristig motivierter Beteiligung und Weiterentwicklung (vgl. EDLER, C. 2014: 134-139). Die Teilnahme der Zielgruppe an einem Forschungsprojekt bzw. an einem Entwicklungsprozess muss immer freiwillig sein. Das heißt, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer selbst ihre/seine Zustimmung oder Ablehnung äußern, unabhängig von einer rechtlich angeordneten Betreuung (siehe hierzu Kapitel 3 und 4). 36 2 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE FORSCHUNG MIT MENSCHEN MIT KOGNITIVEN BEHINDERUNGEN „Wenn behinderte Menschen, die bis dahin keine Stimme hatten, durch das, was wir tun, ihrer Stimme und ihrer Sprache mächtig werden und sich gegen uns verbünden, dann ist der Prozess, den wir vorhaben, erfolgreich.“ Jantzen 2009a) ÜBERBLICK Die inklusive-partizipative Forschung stellt die traditionelle Forschung infrage. Menschen mit kognitiven Behinderungen bzw. Lernbehinderungen sind nicht länger Forschungsobjekte, vielmehr werden sie zu Subjekten und Forschungspartnern, mit denen Forschung gemeinsam betrieben wird. Der Beginn inklusiver-partizipativer Forschung war ursprünglich das Ergebnis des Engagements für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Die Forschungsansätze unterscheiden sich dabei nicht grundlegend von anderen qualitativen Ansätzen der Sozialforschung, wobei indessen Menschen mit kognitiver Behinderung hier die Experten in eigener Sache sind. Der Paradigmenwechsel und die Umsetzung der UN-BRK erfordert ein Umdenken in der Forschung und ist heute Garant für die inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiver Behinderung in den Belangen, die sie selbst betreffen. 37 2.1 Der Paradigmenwechsel und die Umsetzung der UN-BRK Das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) war ein wichtiger Meilenstein in der Behindertenpolitik, weg von einer medizinisch defizitorientierten hin zu einer menschenrechtsbasierten Sichtweise auf Behinderung. Das Ziel der UN-BRK ist es, Menschen mit Behinderungen das Recht auf ein inklusives gesellschaftliches Leben zu garantieren. Inklusion will Segregation einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft verhindern und die volle Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten (KLAUß 2010: 342). Diesen Prozess gilt es nun in allen Lebensbereichen zu gestalten. Bei der Umstellung auf eine teilhabeorientierte Forschung wird die UN-BRK allerdings nur zögerlich verwirklicht. Betrachtet man jedoch die Forschung im Kontext von Menschen mit Behinderungen seit 2007 in den nationalen und internationalen wissenschaftlichen Artikeln, so zeigt sich, dass diese fast ausnahmslos auf den Paradigmenwechsel in der UN-BRK verweisen. Der inklusive-partizipative Forschungsansatz wurde in den letzten drei Jahrzehnten in vielen englischsprachigen Ländern häufiger verwendet. Im deutschsprachigen Raum gibt es dagegen nur wenige inklusive oder partizipative Forschungsprojekte, wie z. B. in der partizipativen Gesundheitsforschung oder in der Sozialforschung, bei denen die soziale Realität, der Lebensstil oder die Arbeit in Partnerschaft mit den Betroffenen erforscht wird. Der Ansatz der partizipativen Forschung wird in diesen Disziplinen ganz unterschiedlich durchgeführt wie zum Beispiel die Projekte »LeiSA«20, eine Studie zur Evaluation der Leichten Sprache (vgl. GOLDBACH, A. 2016) oder in der Gesundheitsförderung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten »Projekt GESUND! Gesundheits-förderung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten«21 (vgl. BURTSCHER, R. et al. 2017). Auch die Formen inklusiverpartizipativer Forschungsstrategien sind in den unterschiedlichen Projekten sehr vielfältig (siehe Kapitel 6 State of the Art). BERGOLD schlägt daher vor, von einem partizipativen Forschungsstil zu sprechen und nicht von partizipativen Forschungsmethoden (vgl. BERGOLD, J. 2013). 20 Auftrag der LeiSA-Studie war es, zu erforschen wie Leichte Sprache im Arbeitsumfeld die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten verbessern kann. 21 Praxishilfe „Gesundheitsförderung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten “. 38 Auch wenn, wie später in Kapitel 6 (State of the Art) dargelegt, weder ein klarer Ansatz für Methoden noch für ein Forschungsdesign beschrieben wird oder konzeptionelle Klarheit besteht, werden die Bemühungen, Menschen mit kognitiven Behinderungen direkt in die Forschung einzubeziehen, wo es geschieht, als erfolgreich bezeichnet: Auf der einen Seite würde dies zum Abbau von Barrieren und Vorurteilen führen. Auf der anderen Seite solle jedes inklusiv arbeitende Forschungsprojekt neue Chancen und Möglichkeiten für alle Teilnehmer, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Peer-Forscherinnen und PeerForscher Wissenschaftler und Peer-Researcher mit Behinderungen bieten sich mit entsprechenden Forschungsfragen auseinanderzusetzen und Erkenntnisse zu gewinnen. Ein Wandel in der Forschungspraxis hin zu einer inklusiven-partizipativen Forschung, bei der Menschen, die kognitiv behindert sind, gleichberechtigt mit anderen Menschen ohne Behinderung an der Forschung teilnehmen, würde mehr Akzeptanz, Anerkennung, Chancengleichheit, Integration, Selbstbestimmung, Empowerment und Partizipation für die betroffenen Teilnehmer bedeuten. 2.2 Inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiver Behinderung Der Anstoß zur direkten Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Forschung kam bereits Anfang der 1990er Jahre von den Sozialmodelltheoretikern, insbesondere ZARB, G. (1992) und OLIVER, M. (1992) später BARNES, C. (1996), die sich für "emanzipatorische" Forschung unter der Kontrolle von Behinderten einsetzten und in deren Interesse verfolgten. Bis dahin hatten sich in vielen Teilen der Forschung in Bezug auf Menschen mit Lernschwierigkeiten Verfahren etabliert, die hauptsächlich Stellvertretererklärungen zur Informationsbeschaffung verwendeten. Infolgedessen beschränkte sich die Umfrage oft auf Menschen, die als nicht behindert galten und die nicht aus ihren eigenen persönlichen Erfahrungen berichten konnten. Der von JAN WALMSLEY 2001 eingeführte Begriff »Inclusive Research« bezieht sich auf partizipative und emanzipatorische Ansätze in der Behindertenforschung. 39 „'Inclusive research' is a term used here to refer to a range of research approaches that have traditionally been termed 'participatory' or 'emancipatory', broadly speaking research in which people with learning difficulties are involved as more than just research subjects or respondents. Introducing a new term may seem to create unnecessary complications. However, it has the advantage of being less cumbersome and more readily explained to people unfamiliar with the jargon and nuances of academic debate, including people with learning difficulties.” (WALMSLEY, 2001: 187-188).22 Inklusive-partizipative oder -partizipative Forschungsansätze unterscheiden sich dabei nicht grundlegend von anderen qualitativen Ansätzen der Sozialforschung. Sie erfordern jedoch die emanzipatorische Einbeziehung von betroffenen Menschen mit kognitiven Behinderungen in die Forschungspraxis aus der Perspektive der Wissenschaftsforschung (vgl. WAGNER-WILLI, M. 2016: 216). Solche Ansätze werden bislang nicht als ein einheitliches Verfahren betrachtet, sondern eher als ein Forschungsstil verstanden (BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2012), der durch Kontextualität und Flexibilität gekennzeichnet ist (vgl. UNGER V., H. 2014). Aber es geht immer um eine Kollaboration auf Augenhöhe mit den Betroffenen. 2.2.1 Der historische Kontext inklusiver-partizipative Forschungsansätze Die Anfänge der inklusiven-partizipative Forschungsansätze sind nicht zu verstehen, ohne die Geschichte der Behindertenbewegung des jeweiligen Landes zu berücksichtigen. Die ersten bekannten Forschungsprojekte, bei denen Menschen mit kognitiven Behinderungen an der Forschung selbst beteiligt wurden, finden sich in den angelsächsischen Ländern (vgl. WALMSLEY 2001: 188 f.; WALMSLEY, J/, JOHNSON, K. 2003: 14). Der inklusive Forschungsansatz ging aus Bestrebungen für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung hervor (WALMSLEY, J/JOHNSON, K. 2003: 12 ff.) und war Teil der Bewegung, mit dem Slogan "Nichts über uns ohne uns" (ASPIS, S. 2000 in NIND, M.2014: 23). Dieser Anspruch dominierte zunächst die inklusive Forschungspraxis, die sich in den letzten 30 Jahren in vielen angloamerikanischen Ländern etablierte. Im deutschsprachigen Raum begann diese Entwicklung ab dem Jahr 2000. 22 „'Inklusive Forschung' ist ein Begriff, der sich auf eine Reihe von Forschungsansätzen bezieht, die traditionell als 'partizipatorisch' oder 'emanzipatorisch' bezeichnet werden und in denen Menschen mit Lernschwierigkeiten mehr als nur als Forschungsthema oder als Befragte involviert sind. Die Einführung eines neuen Begriffs kann zu unnötigen Komplikationen führen. Es besteht jedoch der Vorteil, dass Menschen, die mit dem Fachjargon und den Nuancen der akademischen Debatte nicht vertraut sind, einschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten, dieser leichter erklärt werden kann" (Walmsley, J., 2001: 187-188). 40 Mit diesem inklusiven Ansatz ist in der Entstehungsgeschichte auch eine Wissenschaftskritik verbunden. Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenbewegung in den Vereinigten Staaten und Großbritannien kritisieren bereits Ende der 1970er Jahre die bisherige einseitige Wissensproduktion (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 11 f.; WALDSCHMIDT, A. 2004; u. a.). Sie reklamieren, dass die etablierten qualitativen Methoden die Betroffenen zu Forschungssubjekten mache (vgl. OLIVER M. 1992: 106), und sie nicht als Experten ihrer eigenen Lebenswelten sieht (vgl. WAGNER-WILLI, M. 2016: 217). Mit der Ratifizierung der UN-BRK 2006 (siehe Kapitel 3.4 Inklusive Forschung und Entwicklung sowie Anwendungsforschung im Sinne der UN-BRK) haben sich auch die Anforderungen an der Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen verändert (vgl. HIRSCHBERG, M. 2012). Gemäß der UN-BRK soll empirischen Forschung in diesem Kontext nicht (mehr nur) über oder für Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Forschung soll grundsätzlich mit den „Betroffenen selbst als Experten in eigener Sache, d. h. mit ihnen gemeinsam stattfinden, vor allem dann, wenn es um Lebensbereiche, Themen und Belange geht, die sie selbst betreffen. Durch das vorgegebene neue Paradigma entwickelt sich daher, wenn auch zögerlich eine inklusive Forschungslandschaft im Zusammenhang mit Behinderung. HAUSER (2013) stellt hierzu fest, dass im Gegensatz zu einer früher fremdbestimmten Forschung, die Forschung mittlerweile deutlich mehr im Interesse von und mit Menschen mit Behinderung und unter Beachtung der Menschenwürde steht (vgl. HAUSER, M. 2013: 1). Der Begriff inklusive-partizipative oder inklusive Forschung wird heute verwendet, um eine Reihe von Forschungsansätzen, Konzepten, Verfahren und Anwendungsbereichen zu beschreiben, in denen Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler gemeinsam mit Personen mit kognitiver Behinderung bzw. Learning Disabilities oder Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenarbeiten und forschen (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 12). Das Schlüsselelement der inklusiven Forschung ist, dass sie es Menschen mit geistigen Behinderungen ermöglicht, mehr als nur ein Objekt oder ein Thema für die akademische Forschung zu sein (vgl. WALMSLEY J./ JOHNSON K. 2016: 9). Bisher wird inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen zumindest in Deutschland als Bestandteil der Teilhabeforschung vor allem im Gesundheitsbereich und bei der Untersuchung ihrer eigenen Lebenswelten angewendet. Hier sind für alle Beteiligten Fortschritte erzielt worden. Weitere Forschungsbereiche müssen aufholen. 41 Auch wenn es bis heute selten vorkommt, dass inklusive Forschung von Menschen mit geistiger Behinderung initiiert wird, ist es Voraussetzung, dass das Thema der jeweiligen Forschung von den Betroffenen als wichtiges Thema für sie identifiziert wird und sie sich freiwillig als Co-Forscher an dieser Forschung beteiligen, um Antworten zu finden oder Probleme besser zu verstehen (vgl. STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017: 6). Inklusive-partizipative Forschung als ein empirischer Forschungsstil der Sozialwissenschaften versucht die Personen aus der Zielgruppe zu ermutigen ihr eigenes Wissen zu generieren und Theorie und Praxis über ihre eigenen Bedürfnisse und ihr Leben zu definieren (vgl. BUCHNER, T/KÖNIG, O. /SCHUPPENER, S. 2016: 13). Menschen mit kognitiven Behinderungen/mit Lernschwierigkeiten spielen dabei nach ihren Möglichkeiten eine aktive gestaltende Rolle im gesamten Forschungsprozess. Sie sind aktiv am Forschungsprozess beteiligt, um Probleme zu identifizieren, Daten zu sammeln und zu analysieren (vgl. ebd.). In der Forschung zusammen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen beeinflusst das integrative Denken die Agenda und den Gesamtansatz. Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler, die inklusiv mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenarbeiten und dabei die Rolle des Anwalts übernehmen, geben diesen die Möglichkeit, eine soziale gesellschaftliche Rolle und die Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen. Um aber die Teilnahme an Forschung und Entwicklung einer großen Anzahl von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ermöglichen, benötigt die Zielgruppe methodisch verständliche Instrumente, mit denen sie die Forschung umsetzen und analysieren kann (vgl. Teil B). Das übergeordnete Ziel der inklusiven Forschung sollte eine positive soziale Wirkung für die gesamte Community der Menschen mit Behinderungen sein. Wenn man sich ausschließlich auf den Prozess während der Inklusionsforschung konzentriert, werden die Auswirkungen auf die Personen, die an einem bestimmten Forschungsprojekt Beteiligten begrenzt (vgl. WALMSLEY, J. et al. 2017: 7). 2.2.2 Entwicklung und Empowerment in der sozialwissenschaftlichen Forschung Der Begriff Empowerment Empowerment bezieht sich auf die Selbstbefähigung eines Individuums. Das wiederum bedeutet, dass jemand durch sein eigenes Handeln eine positive Erfahrung macht. Das Gegenteil ist Disempowerment. RAPPAPORT (1981) ist der Ansicht, dass es das Ziel von Empowerment sein solle, die Möglichkeiten für Menschen zu verbessern, ihr eigenes Leben zu kontrollieren. 42 Wenn dies ein Ziel ist, dann müssten zwangsläufig sowohl die öffentliche Ordnung als auch das Rollenverhältnis zu den abhängigen Menschen infrage gestellt werden. Dazu sei es erforderlich, dass die Form und die Metakommunikation sowie der Inhalt mit dem Empowerment übereinstimmen. RAPPORT sieht hierbei zwei Herausforderungen: Einerseits erfordert es den Blick auf Situationen in denen Menschen bereits ihre eigenen Probleme im Leben bewältigen, um Informationen darüber zu erhalten, wie sie das machen. Auf der anderen Seite müssen Wege gefunden werden, um das, was aus diesen vielfältigen Rahmenbedingungen und Lösungen erkannt wurde, auch für diejenigen umzusetzen, die ihr eigenes Leben nicht in der Hand haben, damit sie mehr Kontrolle über ihr Leben erhalten (vgl. RAPPAPORT, J. 1981: 15). „Partizipative Forschungsmethoden sind auf die Planung und Durchführung eines Untersuchungsprozesses gemeinsam mit jenen Menschen gerichtet deren soziale Welt und sinnhaftes Handeln als lebensweltlich situierte Lebens- und Arbeitspraxis untersucht wird.“ [Herv. im Original], (BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2012). BERGOLD und THOMAS sehen diesen Ansatz als „Forschungsstil“, der „für die Möglichkeit, Bedeutsamkeit und Nützlichkeit der CoForscher/innen in den Erkenntnisprozess argumentiert“ (vgl. ebd.). Inklusive-partizipative Forschung und Empowerment Der Wirkmechanismus des Empowerments spielt auch in der inklusiven-partizipative Forschung eine entscheidende Rolle. Partizipation und Empowerment sind die zentralen gemeindepsychologischen Konzepte: Die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und der Wissenszuwachs gehen mit einer stärkeren Anerkennung durch andere einher. Dazu gehören die Selbstwahrnehmung und Vertrauensbildung (vgl. NEUMANN, O. 2011: 5). Die Stärkung von Co-Forschung (hier mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern) ist ein wertvolles Instrument während des Prozesses aber auch danach, weil diese beispielsweise andere oder neue Möglichkeiten für sich entdecken, die sie selbst einfordern oder umsetzen können (s o.), und sie dadurch Selbstvertrauen und neue Fähigkeiten gewinnen. UNGER V. et al. sprechen auch von Mobilisierung, Qualifizierung und Stärkung (vgl. UNGER V., H. et al. 2007). Allerdings merkt sie an, dass dieser Gewinn u. U. nur von kurzer Dauer sei, wenn das Projekt endet und andere partizipative Möglichkeiten fehlen. Auch WILLIAMS und SIMONS (2005) stellen gemeinsam mit der Swindon People First Gruppe fest, dass der wahrgenommene Nutzen über die Zeit des Projektes hinausgehen muss. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Rolle als Selbstvertreterin oder Selbstvertreter der Zielgruppe in der Forschung ist jedoch schwer fassbar (vgl. ebd.). Daher ist es eine besondere Herausforderung, die Nachhaltigkeit zu gewährleisten und zu zeigen, dass inklusive Forschung einen Mehrwert über die Symbolik hinaus hat (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2016: 12). 43 IRIARTE et al. (2014) beschreiben ebenso, dass es möglich sei, dass inklusiven Forschungsaktivitäten die Beteiligten für eine Weile mit Energie versorgen können, es sei aber wahrscheinlich, dass diese Energie ohne zusätzlichen Input nicht aufrecht zu halten ist (IRIARTE, E.G. et al. 2014: 155). Das wirft natürlich die Frage auf, wie diese Energie bewahrt und für die gewünschte weitere Entwicklung mobilisiert werden kann. Während sich die meisten beschriebenen Studien tatsächlich auf das Ziel, der Ermächtigung der Betroffenen konzentrieren, hat der eigentliche Prozess des Empowerments bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten (vgl. LUND V./JUUJÄRVI, S. 2015). Dies könnte und sollte ein Thema nachfolgender Untersuchungen sein. Partizipative Aktionsforschung – PAR und Empowerment Die partizipative Aktionsforschung (PAR) hat in vielen Bereichen der Sozialwissenschaften eine lange Geschichte. PAR versucht partizipative Forschung mit Aktionen zu verbinden. KEMMIS, S./ MCTAGGART, R. beziehen sich hierbei auf den ursprünglichen Aktionsforschungsansatz von LEWIN (vgl. KEMMIS, S./ MCTAGGART, R. 2007: 272). Es sollte hier nicht um Forschung über den Menschen, sondern mit den Menschen gehen, und die Maßnahmen sollten sich auf konkrete Problemlösungen beziehen. Entsprechend hat PAR seine Wurzeln sowohl in der partizipativen als auch in der Aktionsforschung. Das Empowerment wird bei partizipativer Aktionsforschung sowohl als Prozess als auch als Ziel verstanden (vgl. JUUJÄRVI, S./ LUND V. 2015) und die Wirkung von Empowerment wird durch den gemeinsamen Prozess gestärkt (vgl. KEMMIS, S. et al. 2011: 11-29). Der Forschungsprozess, wie die Erhebung, Analyse und Interpretation von Daten, können den Teilnehmern mit kognitiven Behinderungen unter Umständen ermöglichen, ihr Bewusstsein für das Problem während der Forschungsarbeit zu schärfen beispielsweise, wenn sie eine Situation ändern, die sie für unbefriedigend halten (vgl. BREUER, F. 2009: 115). Daraus ergibt sich, dass das gemeinsame Wissen über Erfahrungen (kognitiv und perzeptionell) während der Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung zu möglichen neuen, innovativen Problemlösungen beitragen kann. Inklusive-partizipative Aktionsforschung – IPAR Inclusive Participatory Action Research (IPAR) stellt einen weiteren empirischen Forschungsansatz dar, bei dem Menschen mit kognitiven Behinderungen durch eine ansprechende Vorgehensweise ermutigt werden, ihre Bedürfnisse zu definieren und ihr Leben neu zu gestalten (vgl. BUCHNER, T/KÖNIG, O. /SCHUPPENER, S. 2016: 13). Es ist ein alternativer Ansatz und eine Variante von Participatory Action Research (PAR), wie sie KEMMIS et al. vorgestellt haben (2011: 11-29). 44 IPAR liefert den Rahmen für die inklusive-partizipative Aktionsforschung. Insbesondere beschäftigt sie sich mit Menschen mit kognitiven Behinderungen und bezieht sie als CoForscherinnen und Co-Forscher oder Peer-Forscher aktiv in die Forschung ein (vgl. OLLERTON, J. 2012). IPAR beinhaltet eine alternative Methodik für inklusives Forschungsdesign mit barrierefreien Datenerhebungs- und Analyseinstrumenten, die für Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen und Qualifikationen zugänglich sind und die Eigenschaft besitzen, PeerResearcher in den gesamten Forschungsprozess einschließlich ihrer Analyse/Bewertung einzubeziehen (siehe Teil B Das IPAR-UCD Konzept). 2.2.3 Voraussetzungen für die inklusive Zusammenarbeit Unabhängig von der Art der Teilnahme, um aktiv an den verschiedenen Phasen der Forschung teilnehmen zu können, sollten Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher vorher oder im Laufe des Prozesses prinzipielle technische und verfahrenstechnische Kenntnisse über den Forschungsprozess kennenlernen (vgl. FULLANA, J. et al. 2016: 2). Sie müssen in der Lage sein, die Forschungskriterien zu verstehen und anzuwenden. Ebenso sollte die Analyse qualitativer Daten und deren Schlussfolgerungen für sie in alternativen Formen dokumentiert werden (vgl. ebd.). Hinweis: Wie der benutzerzentrierte Ansatz IPAR-UCD später zeigt, folgt auch IPAR nicht den traditionellen Forschungsbeziehungen, in denen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen untersucht werden. Stattdessen wird gemeinsam mit ihnen geforscht. Die Zusammenführung von IPAR und UCD soll in einem nachfolgenden Konzeptvorschlag die Grundlage für die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen während eines gesamten Forschungsprozesses, einschließlich der Evaluierung, schaffen. 2.2.4 Offene Fragen und Probleme zur inklusiven Forschung Im Umfeld von inklusiv-partizipativer Forschung sind noch viele Fragen und Probleme ungeklärt. Zumal es in den Sozialwissenschaften bisher nur sehr begrenzt methodologische Grundlagen zur Forschungsteilhabe und inklusiven Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen gibt, wie beispielsweise die von OLLERTON, J. 2010; MOONEN, R. 2012 oder UNGER V., H. 2014. Fehlende methodisch verständliche Instrumente mit denen die inklusive Forschung umgesetzt und analysiert werden kann, machen es der Praxis schwer. Was bis heute vermisst wird, sind offene alternative Methoden für ein inklusives Forschungsdesign. TOBIAS BUCHNER, OLIVER KOENIG und SASKIA SCHUPPENER beklagen auch, dass es nach wie vor nicht klar sei, welche Kriterien inklusivepartizipative Forschung erfüllen muss, um im Wissenschaftsbetrieb der Scientific Community anerkannt zu werden (vgl. BUCHNER, T. et al. 2016: 34). 45 Darüber hinaus wird der Zugang zur Wissenschaft durch das Universitätsrecht und dem Mangel an akademischen Qualifikationen für Menschen mit kognitiven Behinderungen behindert (siehe nächstes Kapitel 3). Auch Fragen, wann und wie Menschen mit kognitiven Behinderungen in ein Forschungsteam aufgenommen werden, ist bisher ungeklärt. Es fehlt an Erfahrungen, welche Rahmenbedingungen die Teilnahme an der Forschung ermöglichen oder beeinträchtigen und inwieweit die individuell benötigten Ressourcen des Einzelnen berücksichtigt werden (vgl. BERGOLD, J./ THOMAS, S. 2010: 337). Manche Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler halten es für problematisch inklusive Forschungsstrategien mit der Zielgruppe durchzuführen. Sie stellen oftmals Fragen nach dem wissenschaftlichen Charakter und der Validität der Forschung im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, nach deren Rolle, die sie in der Zusammenarbeit einnehmen und wer wie bezahlt oder vergütet wird. Diese Probleme dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen von Forschung und Wissenschaft ausgeschlossen werden. Weitere Hindernisse ergeben sich aus den individuellen Ressourcen potenzieller PeerForscherinnen und Peer-Forscher, wie z. B. Unterschiede in der Wahrnehmung, im Verständnis oder in der Arbeitszeit sowie im Tempo und Zeitmanagement (siehe in Anlage 2). Der Anspruch, den Forschungsprozess für sie zugänglich zu machen, geht im deutschsprachigen Raum oft, auch auf Kosten der Theoriebildung früherer Forschungsprojekte, bei der Durchführung verloren. Entsprechend setzen sich wenige Forschungsberichte damit auseinander, wie gemeinsam geforscht wird (methodisch, didaktisch), sondern sie befassen sich eher mit wissenschaftlichen Theorien bzgl. des Forschungsprozesses. Dennoch zeigen die positiven Erfahrungen, dass die Durchführung qualitativer Forschung mit Menschen mit Lern- und/oder Kommunikationsschwierigkeiten zwar anspruchsvoll, jedoch möglich ist (vgl. NIND, M. 2008: 16 u. a.). WALMSLEY, J., STRNADOVÁ, I. und JOHNSON, K. kommen zu dem Schluss, dass inklusive Forschung immer einen Mehrwert bringt, wenn es einen offensichtlichen Beitrag gibt, den nur Co-Researcher bzw. Peer-Researcher mit geistiger Behinderung leisten können. Die Forschung soll hierzu die Beiträge von Menschen mit geistigen Behinderungen, die zu einer besseren Lebensqualität für eine breitere Zielgruppe von Menschen mit kognitiven Behinderungen führen, hervorheben (vgl. WALMSLEY, J. et al. 2017: 1). 46 3 EINE NORMATIVE HANDLUNGS-PERSPEKTIVE ZU INKLUSIVER FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG IM BEREICH MENSCHCOMPUTER-INTERAKTION „Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann.“ Immanuel Kant (1797): Metaphysik der Sitten. ÜBERBLICK Im Folgenden geht es um einen normativen Überblick und eine Einschätzung inklusiverpartizipativer Forschung und Entwicklung (F&E) im Hinblick auf die Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher. § Was bedeutet die Forschungsfreiheit im Recht? Bildet sie einen Rahmen dafür, dass jede und jeder forschen kann? § Welchen Einfluss hat die UN Behindertenrechtskonvention auf Teilhabe und inklusive partizipative Forschung und Entwicklung? § Welche forschungsrechtlichen Grundlagen sind für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht zu beachten? Hier wird insbesondere auf die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGV) und die Informierte Einwilligung eingegangen. (Anmerkung: Die im Folgenden angeführten Gesetzestexte sind in der Anlage 1 zu finden.) 47 3.1 Was ist Forschung Unter Forschung versteht man, im Gegensatz zum zufälligen Entdecken, die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen sowie deren Dokumentation und Veröffentlichung. Forschung findet an vielen Orten statt: an Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in Unternehmen. Nach wie vor aber besteht die Ansicht, dass wissenschaftliches Arbeiten nur Akademikerinnen/Akademikern vorbehalten sei. Forschen kann jedoch grundsätzlich jede Person. 3.2 Die Forschungsfreiheit im Verfassungsrecht Die Forschungsfreiheit ist in den deutschsprachigen Staaten Verfassungsrecht. „Der zivilisatorische Fortschritt in der Geschichte der Menschheit beruht hauptsächlich auf zwei Säulen: zum einen auf dem Grundsatz der Arbeitsteilung, zum anderen auf dem Erkenntnisfortschritt durch Wissenschaft und Forschung. Beides findet sich in den Grundrechtskatalogen heutiger Verfassung wieder: zunächst durch den Schutz der Freiheit von Berufswahl und Berufsausübung in Deutschland im Grundgesetz (Art. 12 GG): in einer arbeitsteiligen Gesellschaft und Wirtschaft soll jeder die Ausbildung und den Beruf ergreifen dürfen, der seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Sodann durch den Schutz der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG)“ (LINDNER, F. 2018: 240). 3.2.1 Forschungsfreiheit im deutschen Grundgesetz Die Forschungsfreiheit zählt im Zusammenhang mit der Wissenschaftsfreiheit und der Lehrfreiheit zu den bürgerlichen Grundrechten in Deutschland. In Österreich ist die Forschungsfreiheit durch das Bundes-Verfassungsgesetz (BVG) und das Universitätsgesetz (UG) 2002 und in der Schweizer Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Art. 20 gewährleistet: Deutschland Artikel 5 Grundgesetz Absatz 3 (GG) (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Der grundsätzliche Schutz in Art. 5 Abs. 3 GG ist zunächst – wie bei anderen Grundrechten – ein Abwehrrecht. Der Staat darf in das Grundrecht nur eingreifen, wenn er davor verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigungsgründe hat. Solche verfassungsrechtlichen Grenzen der Forschungsfreiheit liegen in Bereichen, in denen die Forschungsarbeit oder deren Ergebnisse Leben und Gesundheit der Menschen gefährden können (vgl. SCHOLZ, R. et al. 2018). 48 Dies betrifft auch verfassungsrechtliche Aspekte, insbesondere den Datenschutz, wie die rechtlichen Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie (vgl. EU Datenschutzgrundverordnung), sowie Regelungen für Konflikte zwischen Forschung und Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bei der Erstellung, Analyse, Darstellung, Verbreitung und Speicherung wissenschaftlicher Informationen können sich im Rahmen empirischer Forschungsprojekte rechtliche Kriterien ergeben, wenn Daten über Personen und/oder soziale Prozesse erhoben werden. Durch die Digitalisierung haben sich die Prozesse beim Umgang mit Daten verändert. Die Frage hier nach Grenzen des Datenschutzes kann sich beispielsweise ergeben, wenn die Forschungsfreiheit mit den Rechten oder den Rechtsgütern anderer in Konflikt gerät, wie mit der körperlichen Integrität von Patientinnen/Patienten und Probanden, von dritten Personen oder mit Interessen der Allgemeinheit. Dort, wo die Gefahr besteht, dass Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler die Grenzen der grundsätzlich eingeräumten Forschungsfreiheit überschreiten, geht es mittelbar auch um den Schutz des/der Forschenden vor sich selbst, da Schadensersatzansprüche der Verletzten oder staatliche Sanktionen drohen könnten (vgl. SPICKHOFF, A. 2005: 9). 3.2.2 Zum Vergleich das Verfassungsrecht in Österreich und der Schweiz Österreich, das Staatsgrundgesetzes und Bundes-Verfassungsgesetz Das Grundrecht des Staatsgrundgesetzes Art. 17 StGG (Staatsgrundgesetz) Die Wissenschaft und ihre Lehre ist [sic!] frei. Dies wird vom Verfassungsgerichtshof Österreichs als Individualgrundrecht verstanden: Bundes-Verfassungsgesetz – A. Verwaltung 6. Universitäten -Artikel 81c. (1) Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung, Lehre und Erschließung der Künste. Sie handeln im Rahmen der Gesetze autonom und können Satzungen erlassen. Die Mitglieder universitärer Kollegialorgane sind weisungsfrei. (2) Bundesgesetzlich kann vorgesehen werden, dass die Tätigkeit an der Universität sowie die Mitwirkung in Organen der Universität und der Studierendenvertretung von Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, zulässig ist. Alles Weitere regelt in Österreich das Universitätsgesetz. Schweiz, die Bundesverfassung Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Artikel 20 Wissenschaftsfreiheit Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet. 49 Die Forschungsfreiheit (Lehrfreiheit, Freiheit der Wissenschaft) ist in der schweizerischen Bundesverfassung nicht ausdrücklich verankert. Sie erkennt die Forschungsfreiheit jedoch als Teil des im Art. 20 BV verankerten Grundrechtes der Wissenschaftsfreiheit an (vgl. Steffen, G./ Guillod, O. 2002: 279). 3.2.3 Zur Wissenschaftsfreiheit im deutschen Grundgesetz Sowohl national wie international geltende Grund- und Menschenrechte bilden den Rahmen für die Absteckung von Inhalt und Grenzen der Forschungsfreiheit. Dabei sind für die grundsätzliche Geltung der Wissenschaftsfreiheit die Art und der Anlass der Forschung ohne Bedeutung. Die Idee der Wissenschaftsfreiheit ist aber untrennbar mit dem Begriff der Wissenschaft verbunden, das heißt für die Rechtspraxis und Rechtsdogmatik, dass mit Wissenschaft alles bezeichnet wird, „was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ (BUNDESVERFASSUNGSGERICHT, BVerfGE 35, 79: 113 ff.). „Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung“ (ebd. 112). Artikel 5 Absatz 3 GG macht weder eine Angabe zum Personenkreis noch Vorgaben zu der Art der Forschung. Dieser Sachverhalt unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt und ist daher grundsätzlich nicht beschränkbar. Das heißt, als Grundrechtsträger kann zunächst jede natürliche Person forschen und sich dabei auf ihr/sein in Artikel 5 enthaltenes Grundrecht berufen. Demnach schützt dieser Artikel jede Art von Forschung, Grundlagenforschung ebenso wie anwendungsorientierte Forschung, zweckfreie wie Auftragsforschung, hochschulinterne und -externe Forschung an Universitäten und an öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen. Forschung basiert grundsätzlich auf Kommunikation, Offenheit und Transparenz. Art. 5 Abs. 3 GG - in Verbindung mit Art. 14 GG - schützt zugleich das geistige Eigentum und das Forschungsgeheimnis, insbesondere im Hinblick auf unveröffentlichte Ergebnisse und Teilergebnisse. 3.3 Die UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Forschung Die UN-BRK wurde von Deutschland im März 2009 ratifiziert und ist somit geltendes Recht. Die zentralen Grundsätze Inklusion und Teilhabe, Autonomie, Nicht-Diskriminierung und Chancengleichheit liefern dabei wichtige Impulse für gesellschaftliche Entwicklungen wie Partizipation und Empowerment, wie später beschrieben. 50 3.3.1 Partizipation und Teilhabe Der Partizipationsansatz, ein Querschnittsanliegen der UN-BRK, in Bezug auf die Forschung ist er ein grundlegendes Paradigma, das sich des Weiteren auch in den nachfolgenden relevanten Artikeln der UN-BRK durchzieht. Die volle und wirksame Teilhabe an und in der Gesellschaft ist in Artikel 3 der UN-BRK verankert, „full and effective particpation in society“. Die Unterzeichnerstaaten garantieren ausdrücklich das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft und verpflichten sich geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen an den sie betreffenden Belangen und Entscheidungsprozessen zu beteiligen, ist zu einer Verpflichtung geworden (vgl. Artikel 4 Absatz 3; HIRSCHBERG, M. 2012: 14). Dies bedeutet beispielsweise, dass beim Ausbau von inklusiver Forschung Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen einbezogen werden müssen. Der Artikel 19 UN-BRK erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen an die gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu haben, um zu leben. Er bezieht sich auf Lebensbereiche wie Gesundheit, Bildung, Kultur, Zugänglichkeit d. h. die Verwirklichung der Rechte behinderter Menschen in allen Lebenslagen. Betrachtet man Artikel 3 UN-BRK zusammen mit Artikel 19 UN-BRK lassen sich bzgl. Bildung, Kultur und deren Zugänglichkeit Anforderungen an anwendungsorientierte Forschung herleiten, da die Systeme 'Kultur' und 'Gesellschaft' auch in Wechselwirkung mit dem System 'Wissenschaft' stehen (vgl. LIESEN, C. 2010: 307). Dieser Partizipationsansatz kann zunächst auf die sozialwissenschaftliche Forschung zu Behinderung übertragen werden. Liesen unterstreicht damit die bekannte Forderung, die aus der Kritik an der traditionellen Forschung entwickelt wurde und kann als Aufforderung zu einer teilhabeorientierten Veränderung des Wissenschaftssystems ausgelegt werden (vgl. HIRSCHBERG, M. 2012: 14). Ein weiterer Schritt ist auch Forschung und Entwicklung F&E dem Paradigma der UN-BRK zu unterstellen. Dies betrifft ebenso die Zugänglichkeit zur Forschung. 3.3.2 Zugänglichkeit Bei der Verwirklichung der Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft lag der Schwerpunkt in Deutschland bisher vor allem auf der Schaffung von Barrierefreiheit im Vordergrund. Zugänglichkeit ist jedoch nicht immer mit Barrierefreiheit gleichzusetzen. Die UNBRK versteht das Konzept der Zugänglichkeit in vielfältiger Weise. 51 Entsprechend ist der Auftrag an die Staaten Zugänglichkeit nicht nur in Teilbereichen herzustellen, sondern zu gewährleisten, dass die Gesellschaft insgesamt und in all ihren Facetten zugänglich ist (vgl. PALLEIT, L. 2012: 3). Die Konvention verwendet hier den Begriff Accessibility und meint damit die Bedingungen, die über den Zugang zu einem Recht entscheiden. Artikel 9 Absatz 1 der UN-BRK garantiert den Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen, eine unabhängige Lebensführung und die Teilhabe und Zugang in allen Lebensbereichen. In diesem Kontext bezieht sich die Zugänglichkeit auch auf Güter und Dienstleistungen, auf Kommunikation, Inhalte (Verständlichkeit) und Abläufe (Prozesse). Dabei werden auch die Bedingungen der bestimmungsgemäßen Nutzung erfasst (vgl. PALLEIT, L. 2012: 2 f.). Zugänglichkeit, Accessibility und Usability sind oftmals der Schlüssel zur vollen Teilhabe in der Gesellschaft, insbesondere bei Bildung und Kultur. Neue Technologien können dies fördern, wenn sie in einer Art und Weise entworfen und umgesetzt werden, die dies ermöglichen. Der Ausschuss zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen »Committee on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD« (2014: II.19) 23 stellte fest, dass mangelnde Zugänglichkeit häufig das Ergebnis von unzureichender Aufklärung und technischen Wissens auf der Entwickler-, wie Nutzer-Seite ist. Infolgedessen ist es notwendig, durch gegenseitiges Verständnis die bestehenden Anforderungen, Bedürfnisse und die Wirksamkeit von Zugänglichkeitsprüfungen zu verbessern und die praktische Anwendung von Zugänglichkeitsnormen zu gewährleisten. Neue Investitionen in Forschung und Entwicklung sollten immer zur Beseitigung von Unzugänglichkeit beitragen und neue Barrieren verhindern. Des Weiteren gehen die Vertragsstaaten im Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben (f) bis (h) die Verpflichtung ein, eine anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung für neue Technologien, die für Menschen mit Behinderungen geeignet sind und im Bereich des universellen Designs voranzubringen. Hierbei sind Menschen mit Behinderungen einzubeziehen und diese für sie zugänglich zu machen (vgl. HIRSCHBERG, M. 2012: 14). 23 Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2014): Allgemeine Anmerkung Nr. 2 (2014) Artikel 9, Zugänglichkeit, II,19; CRPD/C/GC/2. 52 3.4 Teilhabe als inklusive-partizipatorische Forschung im Rahmen der normativen Ordnung. Wissenschaft und Forschung sind in vielen Bereichen einem Wandel ausgesetzt, der die Forschung und Lehre berührt. Es wird hierbei zunehmend auf die Einbeziehung und Hilfe durch Erkenntnisse von betroffenen Personen zurückgegriffen, die nicht hauptberuflich in der zugehörigen Wissenschaft tätig sind. Das ist auf die Einsicht zurückzuführen, dass auch Laien die Grundlagenforschung voranbringen können und wird unter dem Namen Citizen Science subsumiert (vgl. SCHOLZ, W.; TOCHTERMANN, K. et al.2016). Dieser Begriff wurde aus dem englischsprachigen Raum übernommen und beschreibt einen Forschungsansatz, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisse von Personen mit oder ohne beruflichen wissenschaftlichen Hintergrund gewonnen werden. Dies bedeutet, dass eine gleichberechtigte Chance für Menschen mit Behinderungen auf eine selbstbestimmte Lebensführung und volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft auch den Bereich von Forschungsfreiheit beinhaltet. 3.4.1 Wissenschaftlichkeit und Teilhaberecht Im Kontext von inklusive-partizipative Forschung steht der Anspruch auf Teilhabe von Menschen mit kognitiven Behinderungen im Spannungsfeld mit dem Anspruch und den Interessen der Wissenschaft, sowie auf den Einfluss gesellschaftlicher Herausforderungen, Trends und Bedürfnisse. Dies hat Auswirkungen auf die inklusive Ausgestaltung von Forschung und technischer Entwicklung (vgl. Teil B). Da Gesellschaft aber als System immer in Wechselwirkung mit dem System der Wissenschaft steht (vgl. GEBERT, T. 2014: 251), muss die UN- Behindertenrechtskonvention auch als Aufforderung zu einer Veränderung hin zu einem teilhabeorientierten Wissenschaftssystem verstanden werden (vgl. ebd.: 266). GEBERT sieht in der Forschung und Entwicklung einen systematischen Prozess auf der Suche nach Erkenntnissen bzw. begründetem, geordnetem und gesichertem Wissen in einem festgelegten Bereich, der für den allgemeinen Beobachter erkennbar und nachvollziehbar ist. Es geht darum, Forschung sowohl zu validieren als auch gegenüber den Betroffenen zu legitimieren (GEBERT 2014: 268). Daher ist bei der Etablierung einer inklusiven-partizipativen Forschungspraxis die Validität, die Gültigkeit von Interpretationen und damit die Gültigkeit von Verallgemeinerungen sowie durchaus auch die Gültigkeit von eingesetzten Methoden unerlässlich. 53 3.4.2 Forschung als Arbeitsfeld und gleichberechtigte Aufgabe für eine selbstbestimmte Lebensführung Es soll/muss hier noch ein weiterer normativer Aspekt zur Teilhabe an Forschung diskutiert werden: die Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach dem 9. Sozialgesetzbuches SGB IX. Demnach könnten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch dazu beitragen, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung innerhalb der empirischen Forschung und Wissenschaft zu fördern. Inwieweit dies ermöglicht wird, werden Forschungsprojekte in der Zukunft zeigen. Bislang können in der Forschung für Menschen mit kognitiven Behinderungen keine Stellen auf dem sogenannten offenen Arbeitsmarkt angeboten werden, da bis heute die Zugänge zur Forschung beispielsweise an der Hochschule ohne akademischen Hintergrund – zumindest in Deutschland – fehlen. Forschung durchzuführen, ohne den Weg über die 'Uni-Karriere' zu gehen, ist bisher fast unmöglich. Es wird fast immer ein wissenschaftlicher Abschluss gefordert. KRÜCKEN (2011) sieht dies aus der Perspektive der Gesellschaft, dass „das Bildungssystem, und als Teil dessen verstärkt das Hochschulsystem, als System der gesellschaftlichen Zuteilung von Chancen in der Gesellschaft verstanden“ wird (KRÜCKEN, G. 2011: 104). „Zu Beginn der 1970er Jahre entwickelte TALCOTT PARSONS die modernisierungs-theoretisch begründete These, dass nach der politischen und ökonomischen Erweiterung von gesellschaftlichen Teilhabechancen mit der "educational revolution" die Zuteilung von Teilhabechancen nun vor allem Aufgabe des Bildungs-, insbesondere des Hochschulsystems sei“ (KRÜCKEN, G. 2011: 104). Da, wie erwähnt, in der Grundlagenforschung mit und von Laien in vielen Bereichen gearbeitet wird und Akademikerinnen/Akademiker sogar zunehmend auf die Hilfe der Erkenntnisse von Personen, die nicht hauptberuflich in der zugehörigen Wissenschaft tätig sind, zurückgreifen, sind Veränderungen in der wissenschaftlichen Community offensichtlich möglich. Ob und inwieweit es in Zukunft Möglichkeiten geben wird, dass auch Menschen mit kognitiven Behinderungen als Co-Forscherinnen/Co-Forscher oder als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher am 'Arbeitsplatz Forschung' akzeptiert werden, hängt von einer veränderten Gesetzgebung ab. Es muss sich zeigen, ob das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) auch im Hinblick auf die UN-BRK hier greifen. Ggf. bedarf dies einer weiteren normativen Überprüfung. 54 Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention24 und die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention mahnte bereits 2016 an: „Der Anspruch eines guten Aktionsplans liegt auch darin, menschenrechtliche Problemstellungen anhand von Daten und Fakten zur Lage von Menschen mit Behinderungen konkret und ehrlich zu benennen, um von dort aus passgenaue politische Maßnahmen zur besseren Umsetzung der Rechte zu treffen. So ist es positiv wie überzeugend, dass im NAP 2.0 [Nationaler Aktionsplan 2.0 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales] in jedem Handlungsfeld Daten und Fakten aus dem Teilhabebericht der Bundesregierung dargestellt werden. Jedoch liegen nicht durchgängig die notwendigen Informationen vor, um den Umsetzungsstand der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu beschreiben und darauf basierend zielgenaue Maßnahmen zu planen“ (MONITORING-STELLE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION 2016: 5). 3.4.3 Schlussfolgerung: Da die Forschung und Entwicklung in vielfältiger Weise die Grundrechte der Menschen mit Behinderung berührt ist es notwendig im Forschungsprozess die Perspektive der Betroffenen einzunehmen und ihrer Partizipation ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Politik muss im Rahmen der Umsetzung der UN-BRK, um die Zulassung eines Arbeitsplatzes für Menschen ohne akademischen Grad in der Forschung zu erreichen, entsprechende Maßnahmen ergreifen. Universitäre wie die außeruniversitäre Forschung haben das Potenzial, die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Wie und mit welchem Ziel dies geschehen kann, muss jeweils anhand des Forschungsstils, des Forschungsdesigns und der Forschungsmethode mit dem Grundsatz der gleichberechtigten Partizipation von Menschen mit Behinderungen entschieden werden. 3.5 Inklusive-partizipative Forschung im Rahmen der internationalen Normung ISO Die ISO – 9241-210 »Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher Systeme« ist eine wichtige Norm zur Einordnung und Einforderung von Usability-Engineering-Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind Standard für benutzerorientierte Verfahren in Entwicklungsprojekten. Sie bezeichnen einen Prozess, der parallel zur klassischen Planungs- und Entwicklungsarbeit einhergeht, um die spätere Gebrauchstauglichkeit eines Systems über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg sicherzustellen (vgl. Geis, T. 2010). 24 Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (2011 und 2016), – Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft. 55 Das Konzept beruht auf einem ganzheitlichen Verständnis der User (Benutzer und Benutzerinnen), in Bezug auf Arbeitsaufgaben und Arbeitsumgebungen. Die Anwender werden bei der Entwicklung und in die Gestaltung einbezogen. Die Verfeinerung und Anpassung von Designlösungen auf der Grundlage einer benutzerzentrierten Bewertung wird kontinuierlich vorangetrieben. Der Prozess umfasst Iterationen (Wiederholungen). Die gesamte Benutzererfahrung wird bei der Umsetzung berücksichtigt. Das Entwicklungsteam kombiniert fachübergreifendes Wissen und die Sichtweisen der Anwender (vgl. PROCONTEXT, 2010). 3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung, die Informierte Einwilligung Wie bereits angemerkt wird in einer Reihe von Wissenschaftsgebieten der Mensch zum Objekt der Forschung. Dadurch kann Forschung mit dem vorrangigen allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 GG in Konflikt geraten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, S. 41 f., s. Anlage 3.1.2). Eine Einschränkung dieses Rechts ist nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Dazu bedarf es einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. 3.6.1 Die Informierte Einwilligung aus rechtlicher Perspektive25 Die Verarbeitung von persönlichen Daten ist generell verboten, solange sie nicht durch ein Gesetz ausdrücklich erlaubt ist oder die Betroffenen in die Verarbeitung selbst eingewilligt haben (s o.) Durch die Möglichkeit der Einwilligung der Betroffenen in die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung der personenbezogenen Daten werden diese in die Lage versetzt, über ihre Grundrechte zu verfügen. Die Anforderungen, die an eine wirksam erteilte Einwilligung gestellt werden, sind in Kapitel 2 (Art. 7 EU-DSGVO – Einwilligung) festgelegt. Sie werden mit dem sogenannten Erwägungsgrund 32 der EU-DSGVO weiter ausgeführt. 25 Die Informierte Einwilligung aus ethischer Perspektive folgt in Kapitel 4.2 56 Die Einwilligung muss demnach durch eine eindeutige bestätigende Handlung erfolgen, mit der freiwillig, für den konkreten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich bekundet wird, dass die betroffene Person mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist (vgl. Erwägungsgrund Art. 32 der EU-DSGVO: 2018). Die Einwilligung ist in Form einer schriftlichen Erklärung wirksam. Sie kann aber auch elektronisch oder als mündliche Erklärung erfolgen. Stillschweigen oder Untätigkeit der betroffenen Person stellen jedoch keine Einwilligung dar. Wenn die Verarbeitung mehreren Zwecken dient, sollte für alle diese Verarbeitungszwecke eine Einwilligung abgegeben werden. Der Widerruf muss dabei genauso leicht möglich sein, wie die Abgabe der Einwilligungserklärung selbst (vgl. ebd.). 3.6.2 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen stellt die Beteiligten bei der inklusiven-partizipativen Forschung vor besondere Probleme. Die Verantwortlichen müssen gewährleisten, dass die angemessene Aufklärung und Information zum inklusiven Forschungsprojekt so erfolgt, dass die Teilnehmerinnen/Teilnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung zur Teilnahme am Projekt treffen können und wissen, welche Aufgaben und Pflichten damit verbunden sind. Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an deren kognitiven Möglichkeiten. Es folgen daher einige Überlegungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Einwilligung: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler die Fähigkeit zur Einwilligung aufgrund der Behinderung ausschließen (vgl. HORNER-JOHNSON, W./ BAILEY, D. 2013). Es ist eine Tatsache, dass Personen mit kognitiven Behinderungen einfach als unfähig und damit nicht geeignet angesehen werden. Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen und Untersuchungen. Nur wenige Studien belegen, wie die Fähigkeit zu Einwilligung überprüft wurde. ARSCOTT et al. (1998) stellen bei einer Untersuchung zum Informend Consent fest, dass keiner von den Teilnehmerinnen/Teilnehmer einer Forschungsstudie fünf inhaltliche Fragen zur Zustimmung korrekt beantworten konnte, obwohl sie alle vorher eingewilligt hatten, an der Studie teilzunehmen. Die Fragen zu Vor- und Nachteilen, sich an der Studie zu beteiligten, waren am schwierigsten zu beantworten (vgl. COONS, K. / WATSON, S. 2013: 16). In einer anderen Studie stellen HORNER-JOHNSON und BAILEY (2013) fest, dass Vorgehensweise und Zeit, die für die Rekrutierung von Teilnehmerinnen/Teilnehmer benötigt wird, sowie die Information über das Projekt ausschlaggebend sind. Dabei kommen sie zu einem anderen Ergebnis. 57 Die Feststellung, ob jemand die Erklärung verstanden hat, ist auch für HORNER-JOHNSON und BAILEY wichtige. Die beiden schlagen vor, an Stelle der allgemeinen Annahme, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht in der Lage seien einer Forschung zuzustimmen, sollten die Forscherinnen/Forscher adäquate Maßnahmen ergreifen, um die Einwilligung durch eine entsprechende Aufklärung zu erleichtern. Ihre Studienergebnisse zeigen, dass nach einer mehrschrittigen Information ggf. durch Assistenz von Vertrauenspersonen und/oder rechtlichem Betreuerinnen/Betreuer und durch sprachunterstützende Anpassung der Einverständniserklärungen, mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen/Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen genügend Verständnis zeigen, um ihre persönliche Einwilligung zu geben (vgl. HORNER-JOHNSON, W./ BAILEY, D. 2013). Diese Art der Verständnisschwierigkeiten betrifft aber nicht ausschließlich Personen mit kognitiver Behinderung. Aus diesem Grund ist die Beurteilung der Fähigkeit zu verstehen ein wichtiger Bestandteil bei der Offenlegung von Studien oder Forschungsprojekten. Die EUDatenschutz-Grundverordnung hat strenge formelle Anforderungen für das Einholen von Einwilligungen (Art. 7 DSGVO), wobei die Information den erhöhten Transparenzanforderungen genügen müssen. Die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung betrifft nicht nur die Einwilligung als 'informationelle Selbstbestimmung' (das Recht des Einzelnen grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen), sondern auch ihre Persönlichkeitsrechte (Artikel 32 UN-BRK). Bei der Abwägung, ob und wie Menschen mit kognitiver Behinderung in einer Studie einbezogen werden sollen ist im ethischen Entscheidungsprozess ein Kriterium, auf das im nächsten Kapitel näher eingegangen wird. 3.6.3 Anforderung an die Informierte Einwilligung Wie Informationen über ein Forschungsprojekt für die Einwilligung vermittelt werden können, ist von den individuellen Möglichkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmern abhängig. Hierzu ist Flexibilität vonseiten der Wissenschaft gefragt. Welche Informationen werden kommuniziert, welche nicht? Wie wird kommuniziert? Wie wird das Einverständnis der Teilnehmenden eingeholt (mündlich, schriftlich)? (Unger 2014: 21). Es kann schwierig sein, sowohl die Informationen als auch die anschließenden Fragen genau und verständlich zu formulieren und/oder darzustellen. 58 Die folgenden Informationen sind für eine informierte Einwilligung in verständlicher Sprache oder in alternativer Form für Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen erforderlich § Name /Titel des Projekts; § Inhalt des Projekts, worum es bei der Forschung oder der Studie gehen soll; Was ist der Zweck dieser Studie? § Wer ist die/der Verantwortliche für die Datenerhebung, das heißt die Person, die Adressat/in der Einwilligungserklärung ist; § Informationen über die Art der erhobenen Daten (Befragung, Beobachtung, Experiment...) § Informationen über die Formate der erhobenen Daten (Foto, Video, Tonaufnahme...) § Informationen über den Prozess der Datenverarbeitung, was wird mit den Daten geschehen? (Verwendungszweck(e); § Hinweis auf Freiwilligkeit und auf das Widerrufsrecht, § Was ist erforderlich, um an dieser Studie teilzunehmen? § Muss ich etwas bezahlen, um an der Studie teilzunehmen? § Habe ich Vorteile, wenn ich an dieser Studie teilnehme? § Welche Auswirkung hat diese Studie für mich selbst? § Gibt es Gefahren, wenn ich an der Studie teilnehme? Um beurteilen zu können, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiver oder geistiger Behinderung tatsächlich in der Lage sind, entsprechende Informationen zu verstehen und damit ihre Einwilligung zu geben, sollten Fragen über die wichtigsten Aspekte der Studie beantworten werden können (vgl. HORNER-JOHNSON, W./ BAILEY, D. 2013). Beispielfragen zur Information:26 § Bitte sagen Sie mir, in Ihren eigenen Worten: Wobei geht es in dieser Studie? § Was müssen Sie tun, wenn Sie an dieser Studie teilnehmen? § Was sind die Gefahren oder haben Sie Angst, wenn Sie an dieser Studie teilzunehmen? § Wenn ich sage, dass Ihre Teilnahme ganz freiwillig ist: Was heißt das für Sie? § Wenn ich sage, dass Ihre Antworten vertraulich behandelt werden: Was heißt das? § Wenn Sie das Forschungsprojekt beginnen, aber plötzlich beenden wollen: Was können Sie tun? Kann die Mehrzahl dieser Fragen nicht beantwortet werden, besteht die Gefahr, dass die gefragte Person die vorhergegangenen Informationen über die Forschung nicht verstanden hat. 26 diese Fragen müssen immer dem Forschungsprojekt angepasst und für die Zielgruppe angemessen und verständlich formuliert werden. (Beispiel im Anhang) 59 Eine schriftliche Form der Informierte Einwilligung ist nicht zwingend notwendig. Es sind auch alternative Aufzeichnungen über das Zustandekommen der Einwilligung ausreichend (vgl. Teil B, Beispiel zur Informierten Einwilligung). 3.6.4 Wer kann eine Einwilligung abgeben? Eine Einwilligung nach erfolgter Aufklärung kann jede natürliche Person abgeben. Bei nicht volljährigen Personen galt bisher, dass die Eltern des Kindes oder dessen rechtlicher Vertreter die Datenschutzrechte im Interesse des Kindes ausübten. Dies war Teil der elterlichen Sorge (§§ 1626 ff. Bürgerliches Gesetzbuch BGB). Nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung können Jugendliche nun bereits ab 16 Jahren selbst wirksam einwilligen (siehe Kapitel 2 Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 7 DSGV). Eine allgemein betreffende Norm hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit, zum Beispiel für Menschen mit kognitiven Behinderungen, finden sich in der europäischen DSGV nicht. Es gelten somit die Vorschriften zum Schutz des Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 GG) und Grundfreiheiten von natürlichen Personen. Laut dem Bundesverfassungsgericht ist einwilligungsfähig, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann (BGH, Urteil vom 28.11.1957). Es kann jedoch bei schweren psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen eine Einwilligungsunfähigkeit vorliegen. In diesem Falle ist die Einwilligung des jeweiligen gesetzlichen Vertreters erforderlich, bei Volljährigen von einem rechtlichen Betreuer. Dies unterliegt aber Einschränkungen. Die Einwilligungsfähigkeit und das Betreuungsrecht, der Betreuer als Stellvertreter? Jemand kann nach dem Betreuungsrecht Unterstützung erhalten, wenn gemäß § 1896 Abs. 1 BGB eine psychische Krankheit bzw. eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung vorliegt. Das Betreuungsrecht ist in Teil-Aufgabenkreise aufgeteilt. 60 § Teilbereich der Gesundheitssorge § Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung § Teilbereich der Vermögenssorge § Teilbereich der Wohnungsangelegenheiten § Vertretung der/des Betroffenen in gerichtlichen Verfahren, § Vertretung gegenüber Behörden, § Entscheidung über den Fernmeldeverkehr der/des Betroffenen und über die Entgegennahme und das Öffnen und Anhalten seiner Post. Die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers erfolgt durch das Betreuungsgericht. Niemand darf ohne eingehende Prüfung unter eine sogenannte 'Totalbetreuung' gestellt werden, nur wenn ohne jeden Zweifel feststeht, dass der Betreute keine einzige seiner Angelegenheiten selbst sinnvoll regeln kann, gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). Vom Grundsatz her hat das Betreuungsrecht keinen Einfluss auf die rechtliche Handlungsfähigkeit der Betroffenen. Es gibt eine wichtige Ausnahme: Wenn das Gericht für einzelne Aufgabenkreise einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat, tritt hierdurch eine Beschränkung der Teilnahme am Rechtsverkehr ein (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2018). Das bedeutet: Die Einwilligung selbst ist nicht abschließend durch das Betreuungsrecht (§ 1896 ff. BGB) geregelt. Wenn es zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die betreute Person oder dessen Vermögen erforderlich ist, kann das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt zu dessen Schutz anordnen. Dies ist eine spezielle Anordnung des Betreuungsgerichtes, die zusätzlich zu einer Betreuerbestellung erfolgen kann und die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen einschränkt. Dieser Einwilligungsvorbehalt ist nur unter engen Voraussetzungen und zur Abwehr erheblicher Gefahren in Betracht zu ziehen. Das Betreuungsrecht hat daher beim Schutz der Privatsphäre und beim Schutz einer Person vor Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich seine Grenzen. Es bedarf bei Eingriffen des Betreuers in die Kommunikationsfreiheit der betreuten Person immer einer ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung (vgl. § 1896 Abs. 4 BGB). Das Bundesverfassungsgericht (BGH) bemerkt hierzu: „Die Unbestimmtheit der gesetzlichen Vorschriften verletze die betroffenen Volljährigen in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Gefahr bestehe, daß [sic!] sie entweder durch eine umfassende Betreuung ohne hinreichenden Anlaß [sic!] in ihren Rechten eingeschränkt oder in Teilbereichen eine Betreuung nicht erhielten, obwohl sie ihrer bedürften. Besonders deutlich werde die dargelegte verfassungsrechtliche Problematik an der Bestimmung des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der eine Betreuung nicht erforderlich sei, soweit Angelegenheiten durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werde, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Denn eine rechtliche Betreuung könne nicht durch tatsächliche Betreuungsformen ersetzt werden. Blieben aber geschäftsunfähige Personen ohne rechtliche Betreuung, unterlägen sie der Fremdbestimmung durch tatsächliche Hilfe leistende Personen, die aber gerade nicht berechtigt seien, rechtliche Angelegenheiten anderer Personen zu besorgen“ (BVerfG 1999).27 27 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 1999 - 1 BvL 28/97 - Rn. (1-28),[online] http://www.bverfg.de/e/lk19990623_1bvl002897.html" \t "_blank [01.09.2017] 61 Dieser Beschluss hat auch Auswirkungen auf die Informierte Einwilligung, wenn es sich nicht um die Bereiche der Teil-Aufgabenkreise handelt (siehe oben). Infolgedessen können Menschen mit kognitiven Behinderungen die Kontrolle über ihre persönlichen Informationen wie persönliche Daten, Bilder und Videoaufnahmen von sich selbst haben, sofern dies nicht gegen eine Rechtsnorm verstößt. 3.6.5 Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren Stellvertretung Das Rechtsgebiet der Einwilligung wird auch in der UN-BRK benannt (vgl. HIRSCHBERG 2014: 365). Seit dem Nürnberger Kodex 1947, als Konsequenz aus den historischen Medizinverbrechen des Nationalsozialismus, ist die freiwillige Einwilligung von Testperson rechtlich vorgeschrieben. Ist die Person einwilligungsfähig, darf also in keinem Fall gegen ihren Willen behandelt werden. 3.6.5.1 Gleiche Anerkennung vor dem Recht Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen legt ausführlich dar, dass sie dieselbe Rechte und Rechtsfähigkeit wie jeder andere Person ohne Behinderung besitzen und dass eine begleitende Pflicht der Vertragsstaaten besteht, den Zugang zur Hilfe bei der Ausübung der Rechtsfähigkeit zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere in Artikel 12, Gleiche Anerkennung vor dem Recht, Absatz 1-4 UN-BRK. Demnach werden der Aufklärung und Information der Betroffenen zur Einwilligung bei der inklusiven Forschung eine besondere Rolle zugeschrieben. Die UN-BRK besagt zudem, dass nicht mehr über die Köpfe von volljährigen Menschen mit Behinderungen hinweg Entscheidungen gefällt werden dürfen. Die rechtliche Handlungsfähigkeit von ihnen soll ausnahmslos anerkannt werden. Sie sollten die individuelle Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ihre rechtliche Handlungsfähigkeit wirksam auszuüben. 3.6.5.2 Schutz von Forschungsdaten Wenn es um Forschung über oder mit Menschen mit Behinderungen geht, spricht HIRSCHBERG (2014: 347f.) von menschenrechtsbasierter Forschung und führt dies in ihren Anforderungen zu Artikel 22 Achtung der Privatsphäre und Artikel 31 Statistik und Datensammlung UN-BRK „Menschenrechtsbasierte Datenerhebung – Schlüssel für gute Behindertenpolitik“ näher aus: Durch diese menschenrechtliche Perspektive auf Forschung für und mit Menschen mit Behinderungen sollen strukturelle Ursachen von Behinderung und Ausgrenzung offengelegt und so verhindert werden, dass sich diese Strukturen weiter verfestigen. 62 Inklusive Forschung darf sich daher nicht allein mit der Bewertung gesellschaftlicher Änderungsprozesse befassen oder als ein Instrument der Rechenschaftslegung gegenüber dem Auftraggeber verstanden werden. Sie muss auch als ein Instrument zur Stärkung von sozialen Mechanismen und Aneignung genutzt werden28. Dies schließt die Umsetzung von Ergebnissen ein (vgl. HIRSCHBERG, M. 2014: 347 f.). 3.7 Urheberrechte Das Urheberrecht bezeichnet das subjektive und absolute Recht auf den Schutz geistigen Eigentums in ideeller und materieller Hinsicht. Bei einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz ist die Bedeutung von Transparenz und Darstellung, wer genau was getan hat, relevant. Nicht nur, damit andere Forschungsteams aus Erfahrungen lernen können (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2014: 4), sondern weil in besonderer Weise bei der Veröffentlichung berücksichtigt werden muss, dass das Urheberrecht auch bei den PeerForschern liegt. Das Urheberrecht (UrhG) schützt somit geistige Schöpfungen und Leistungen. 3.8 Schlussbetrachtung zur normativen Einschätzung inklusiver Forschung und Entwicklung Betrachtet man die vorangegangenen Ausführungen im Hinblick auf Forschung und Entwicklung (F&E), neuer digitale Technologien, Software-Engineering und Interaktionsdesign / UX-Design mit dem Fokus auf Menschen mit kognitiven Behinderungen als User, so lässt sich inklusivepartizipative Forschung gemeinsam mit der Zielgruppe aus rechtlicher Sicht begründen. Zunächst wird dies durch die Erkenntnis, dass auch Personen, die nicht hauptberuflich in der zugehörigen Wissenschaft tätig sind und Forschung mit Peers als Laien die Grundlagenforschung voranbringen können, gestützt. Des Weiteren sind nach den Grundsätzen der UN-BRK Menschen mit Behinderungen an Forschung sowohl bei der Informationsgewinnung über ihre Lebenslagen zu beteiligen, wie auch bei Entwicklungen und Anwendungsforschung, die ihr Leben positiv wie negativ verändern könnten. Zu diesem Zweck muss das Forschungsdesign entsprechend gestaltet und die Menschenrechte und ethischen Grenzen der Datenerhebung eingehalten werden. Hinsichtlich der Informierte Einwilligung ist davon auszugehen, dass sich daraus keine Verbote ableiten lassen, wenn in jeder Hinsicht die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten beachtet werden. 28 Aneignung auch als Bildungskonzept 63 64 4 ETHISCHE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN ZUR INKLUSIVEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG "Die Dinge haben nur den Wert, den wir ihnen geben." Jean-Baptiste Molière (1622-1673) ÜBERBLICK In der angewandten Ethik geht es nicht um bestimmte konkrete Handlungen, sondern darum, Handlungsmöglichkeiten wie Spielräume in Bezug auf die jeweiligen individuellen als auch sozialen Aspekte zu reflektieren (vgl. RATH, M. 2014: 35). Sie soll hier einen Rahmen für die inklusive Forschung und Entwicklung bilden. Im Folgenden werden sehr unterschiedliche ethische Aspekte betrachtet. Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und die Verantwortung gegenüber den Personen wie der Sache bestimmen den Diskurs. Wenn eine bestimmte Person mit Behinderungen und ihre Anliegen und Interessen in Entscheidungs- und Konfliktsituationen, in pädagogischen oder medizinischen Kontexten sowie in Bezug auf Forschung und Entwicklung zu vertreten sind, geht es um Autonomie und Achtsamkeit und um das Handeln selbst. Ethik der Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma zur Orientierung umfasst die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Belange anderer und beinhaltet Präsenz, Verantwortungsübernahme und Ermutigung, sowie Reflexion auf das forschende Handeln und letztlich die Gestaltung der Forschungsbeziehungen. Die Teilhabe oder auch Nicht-Teilhabe bzw. selbstbestimmte Teilhabe wird als Akt der Selbstbestimmung angesehen. Die Forschung, die im Kontext mit Menschen mit kognitiven Behinderungen stattfindet, trifft Entscheidungen über Verfahren und Prozesse, die weitreichende Konsequenzen für deren Leben nach sich ziehen können. Daher wird dem Umgang mit Informationen und advokatorische Vertretung und die assistierte Teilnahme, u. U. mithilfe einer assistierten Selbstbestimmung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Informierte Einwilligung zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt, wie Anonymität und Vertraulichkeit erfordert nicht nur eine normative, sondern auch eine ethische Bewertung. Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen an der Forschung im Zusammenhang mit der Entwicklung des Zugangs zu digitalen Medien und Diensten (IoT) beteiligt sind brauchen auch Forschungsethik und Medienethik Innovation und müssen neugestaltet werden. 65 4.1 Angewandte Ethik in Hinblick auf inklusive Forschung und Entwicklung Mithilfe der angewandten Ethik werden im folgenden Kapitel die inklusive Forschung und Entwicklung für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen als Handlungsfeld untersucht. Ziel ist es, nach Werten, Prinzipien und Regeln für die integrative Forschung zu fragen und Wege zu finden, Lösungen und Standards sowie Kriterien für moralisch gutes Handeln zu begründen. Die zentrale Aufgabe dieser Handlungsorientierung wird es sein, die Anwendbarkeit des Konzepts der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung mit ethisch korrektem Handeln zu verbinden und umzusetzen. 4.1.1 Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma Im 19. Jahrhundert waren Menschen mit Behinderungen nicht nur Forschungsgegenstand, sondern vor allem Ziel von Therapie- und Präventionsversuchen – dies war der bürgerlichen Sozialethik der Aufklärung geschuldet. Behinderte Menschen wurden in dieser Zeit als 'verkrüppelt', 'missgebildet oder 'idiotisch' bezeichnet und galten als soziales Problem. Mit den Mitteln des entstehenden Wohlfahrts- und Sozialstaats und der privaten Wohltätigkeit suchte die bürgerliche, kapitalistisch Gesellschaft die weitgehende Anpassung der als abweichend und defizitär eingestuften Menschen– zum Wohle der Gesellschaft und des Einzelnen (vgl. BÖSL, E. 2010). Mit der UN-BRK wurde nicht nur ein neuer normativer Orientierungsrahmen geschaffen, der Institutionen wie Wohlfahrtsträgern, Bildungseinrichtungen oder sozialen Diensten zu einer neuen Ausrichtung verpflichtet. Die bisherige Betonung der Wohlfahrtspolitik und des mit großer Beharrlichkeit ausgestatteten Apparates der Sozialeinrichtungen, der strukturell stärker auf Spezialisierung und Fremdbestimmung ausgerichtet war, wurde radikal infrage gestellt (vgl. KURZKE-MAASMEIER, S. 2009). KURZE-MAASMEIER diskutiert, wie die zwei Paradigmen der Fürsorge und der Selbstbestimmung eng mit dem Prinzip der Autonomie zusammenhängen. Der bevormundende Gedanke der Fürsorge, eine Handlung für den anderen in der Sorge um ihn zu legitimieren, ohne diesen ausreichend in die Entscheidung über eine bestimmte Handlung oder Maßnahme einzubeziehen, schränkt seine Autonomie ein. Der Begriff Autonomie bezeichnet das Recht, die eigenen Angelegenheiten unabhängig von einer anderen Macht bestimmen zu können (vgl. ebd.: 2). Die Forderung nach Selbstbestimmung hingegen soll die Autonomie garantieren. Immanuel Kant betont, dass die Würde des Menschen auf seiner Autonomie beruhe: Der eigentliche Kern der „Würde der Menschheit“ besteht zuletzt in der sittlichen Autonomie des Menschen, d. h. in der „Fähigkeit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding, eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein“ (Kant. I. 1785/1977). 66 Dies setzt ein Verständnis voraus, dass Autonomie nicht mit Dienstleistungen und Funktionen verbunden ist, d.h. auch ein kranker pflegebedürftiger älterer Mensch ist grundsätzlich autonom, unabhängig von der Ausgestaltung seiner Selbständigkeit. Diese kann sehr wohl freiwillig oder unfreiwillig aufgrund bestimmter Bedingungen, z.B. physischer Bedingungen, eingeschränkt sein. „Der Begriff Autonomie meint zunächst das Recht, die eigenen inneren Angelegenheiten unabhängig von einer anderen Macht bestimmen zu können.“ (KURZKE-MAASMEIER, S. 2009). Als autonome Person hat jeder das Recht selbstbestimmt zu leben. Autonomie ist eine identitätsbildende Eigenschaft des Menschen, die er verlieren kann. Für Menschen mit kognitiven Behinderungen spielt jedoch nicht nur die Autonomie aus sozialethischer Sicht eine Rolle, sondern auch die Fürsorgepflicht. Diese soll in erster Linie das Handeln im Sinne von Care Ethik leiten. Ist eine autonome Entscheidung des Betreffenden nicht lebensbedrohlich, sollte ein Kompromiss zwischen den Prinzipien der Autonomie und der Fürsorgepflicht gefunden werden und vor allem Interventionen und Übergriffe sowie Zwangsmaßnahmen sollten vermieden werden (vgl. ebd.). Der ethische Diskurs stellt kritisch die Frage, ob das traditionelle Verständnis von Fürsorge und Pflege als Ungleichgewicht im Machtverhältnis zwischen Fachkräften und Menschen mit Behinderungen durch ein nicht-paternalistisches Verständnis abgelöst werden sollte. Einerseits ist die Umkehrung und solidarische Unterstützung des anderen in seiner Abhängigkeit ein Naturgesetz, da jeder Mensch in verschiedenen Lebensphasen (z. B. als Kind, in Zeiten von Krankheit und im Alter) auf die Fürsorge anderer angewiesen sein kann. Andererseits geht es um das Gleichgewicht zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung, auch für Menschen mit schweren Behinderungen. Andererseits sollte die Assistenz nicht ausschließlich als Instrument zur Erlangung der Unabhängigkeit im Sinne einer bindungslosen Autonomie verstanden werden (vgl. ebd.). In der professionellen Beziehung geht es in der Fürsorge um die ethische Qualität dieser Beziehung im Bewusstsein gegenseitiger Angewiesenheit und nicht um die Frage nach einem möglichst großen Maß an Unabhängigkeit. Ernst Bloch hat die soziale und geschichtliche Bindung unserer Selbstwerdung und Selbstbestimmung wie folgt ausgedrückt: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst.“ (Bloch, E. 1963: 11; zit. nach KURZKE-MAASMEIER, S. 2009) Auch ELISABETH CONRADI begründet die achtsame Zuwendung mit der grundlegenden Angewiesenheit von Menschen. 67 Sie fordert eine »Ethik der Achtsamkeit« als Modell der Intersubjektivität, die achtsame Zuwendung (vgl. CONRADI, E. 2001: 46 ff.). Sie versteht darin eine Aufforderung, sich anderen Menschen und auch sich selbst zuzuwenden, ethics of care. Anders als die Achtung des Einzelnen in der Ethik der Autonomie. Diese „Achtsamkeit gründet also nicht, wie etwa in autonomie-ethischen Ansätzen, in einem universellen Wesen des Menschen, das sich durch eine bestimmte Art der Willensbestimmung auszeichnet. Wenn es überhaupt einer universalisierbaren Kategorie bedarf, so bietet es sich eher an, über Angewiesenheit nachzudenken, als über die ‚Fähigkeit‘, autonom zu sein. Denn Menschen sind grundlegend aufeinander angewiesen. Außerdem geht es bei Interaktionen der Zuwendung häufig um die Achtsamkeit gegenüber Menschen, deren Autonomie als verschieden eingeschätzt wird.“ (CONRADI, E. 2013: 10) Achtsamkeit gilt in der Care Ethik als eine Form der Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Belange anderer als menschliche Zuwendung. Sie wird als eine Praxis verstanden, die nicht auf Autonomie angewiesen ist. Da sich die »Ethik der Achtsamkeit« den Ermöglichungsbedingungen einer größeren praktischen Eigenständigkeit widmet, hängt damit durchaus auch eine weitere Entscheidungsfreiheit zusammen, die weder auf diese beschränkt wird noch auf ihr beruht (vgl. CONRADI, E. 2013: 12). 2. 29 Abb. Grafik: Ethik der Autonomie und »Ethik der Achtsamkeit« (Conradi, E. 2013: 11)29 Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von FRAU PROF. DR. ELISABETH CONRADI. 68 Dabei spielen nach Conradi drei Aspekte eine Rolle: Präsenz, Verantwortungsübernahme und Ermutigung. Sie versteht die Präsenz als einen oft laufenden Prozess. Die Aufmerksamkeit und aktive Hilfe erfordert Kompetenz und die Übernahme von Verantwortung, um Ermutigungsmöglichkeiten (Empowerment) der beteiligten Menschen zu erkennen und zu fördern (ebd. 13). Conradis Verständnis von Achtsamkeit berücksichtig die Differenzen der Macht und der Möglichkeiten. Es bleibt dennoch immer eineGratwanderung zwischen Verantwortung und Bevormundung, zwischen Selbstachtung und Achtsamkeit sowie zwischen Desinteresse und Überforderung (vgl. KURZKE-MAASMEIER, S. 2009) Die Erfahrung zeigt, dass eine autonome Entscheidung, der Menschen mit Behinderungen insbesondere in stationären Einrichtungen, über die Bedingungen ihrer Lebensqualität selbst zu entscheiden, oftmals aus den unterschiedlichsten persönlichen, personellen, organisatorischen oder auch finanziellen Gründen eingeschränkt ist. Diese Abhängigkeit steht dem normativen Anspruch der UN-BRK auf Autonomie und Selbstbestimmung entgegen, wie dem Prinzip des Artikels 3, in dem die Würde und die individuelle Autonomie des Menschen, einschließlich der Freiheit, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, im Mittelpunkt stehen (vgl. KURZKEMAASMEIER, S. 2009). Welche Wirksamkeit für Forschung und Forschung und Entwicklung sich daraus ergeben wird später in diesem Kapitel erläutert. Auf eine inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung wirken die unterschiedlichsten Interessen und Wertevorstellungen ein, die es in Bezug auf die Teilnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen zu reflektieren gilt. Die angewandte Ethik, deren Ziel es ist, Handlungsmöglichkeiten zu hinterfragen, soll hier einen Weg zeigen, der sowohl die individuellen als auch die sozialen Aspekte widerspiegelt. 4.1.2 Die angewandte Ethik als Teilbereich der normativen Ethik Forschung und Entwicklung werden unter anderem durch traditionelle, sozioökonomische und technische Rahmenbedingungen bestimmt. Die konkrete Durchführung und Gestaltung von Forschung und Entwicklung hängt vor allem vom Handeln der Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen/Entwickler ab. Die grundlegende Freiheit des Menschen, sein Handeln zu kontrollieren, macht dies bis zu einem gewissen Grad unvorhersehbar. Die Angewandte Ethik selbst kann in dieser Hinsicht keine Steuerungsfunktion übernehmen, kann aber durch die Teilnahme am öffentlichen Diskurs Orientierung für normatives Handeln geben. Sie hat die Funktion sich mit den Grundnormen der Moral, die für alle verbindlich, d. h. rational einsehbar und verpflichtend sein sollen, auseinanderzusetzen (vgl. SCHICHA, C. 2000: 3). 69 Ethische Norm- und Werttheorien werden so auf konkrete Problemfälle und Konfliktsituationen angewendet. Diese Normen sollen jedoch nicht, wie KANT in seiner Maxime der Vernunft (kategorischer Imperativ) festlegt, vom Individuum alleine aus deskriptiven Aussagen und Handlungsanweisungen abgeleitet werden. "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde" (KANT, I. 1795/1961: 68). Vielmehr entscheidet gemäß HABERMAS und APEL die Gruppe in einem öffentlichen Diskurs darüber, und zwar auf eine herrschaftsfreie, inklusive Art, frei von Zwang und Täuschung mit Regeln der Vernunft und Wahrhaftigkeit (vgl. HABERMAS 1983: 103 f.). 4.1.3 Handlungsmöglichkeiten und die Handlung selbst HABERMAS unterscheidet: zweckrationales Handeln (zweckmäßiges, erfolgs- bzw. ergebnisorientiertes Tun), instrumentelles Handeln (technische Bedienen von etwas) und kommunikatives Handeln (Verständigung mit dem Ziel einer Einigung/Einverständnis) (vgl. HABERMAS, J. 1985: 387; SCHICHA, C. 2000: 6). Ethik ohne Anwendung kann es nicht geben (vgl. SCHICHA, C. 2000: 14). „Die angewandte Ethik reflektiert ihren Ausgangspunkt bei konkreten Erfahrungen der Lebensgestaltung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ (ebd.: 14). Nach WEBER besteht das menschliche Handeln aus den folgenden zwei Kategorien, dem Mittel und dem Zweck. Man ermittle demnach, wie sinnvoll es sei, ein solches Mittel anzuwenden. Er sagt, dass es möglich sei, innerhalb des eigenen Wissens abzuwägen, ob ein Mittel überhaupt einsetzbar sein könnte, um das Ziel zu erreichen, und welche Folgen die Anwendung des Mittels mit sich ziehen könnte. Dann schätze man ab, was dieser Einsatz koste und inwieweit andere Werte dabei verletzt werden, um ein Ziel zu erreichen. Die Aufgabe der Wissenschaft sei dabei, so WEBER, die Folgen und die Kosten einer solchen Entscheidung wiederzugeben, letztlich aber nicht die Entscheidung zu fällen. Das wiederum liege im Aufgabenbereich des Einzelnen. Die Wissenschaft hilft demjenigen beim Finden der Lösung, indem sie ihm zeigt, welche Bedeutung das Gewollte hat (vgl. WEBER, M. 1922: 150). RATH bezeichnet die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten eines Handlungsfeldes im Sinne von dem Soziologen WEBER als technische Kritik, die er in seiner Schrift »Die "Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer "Erkenntnis"« 1922 formuliert hat (vgl. RATH, M. 2014: 33). Entsprechend sieht WEBER grundlegende Probleme auf dem Gebiet des persönlichen Handelns, die die Ethik aus eigenen Voraussetzungen nicht lösen kann. 70 Für ihn ist es vor allem die grundlegende Frage, ob der Eigenwert des ethischen Handelns – die Gesinnung, alleine zu seiner Rechtfertigung ausreicht, die nach Handlungsabsichten und Motiven fragt. Das würde bedeuten, dass mit einer bestimmten Forschungsfrage und dem Erkenntnisinteresse, die Verantwortung, für die als wahrscheinlich und vorauszusehende Folgen des Handelns, in Betracht zu ziehen ist. Angewandte Ethik lässt sich so auch als ein System zum Denken und Handeln verstehen, wobei die »Verantwortungsethik« maßgeblich von JONAS geprägt wurde (siehe 4.1.5; JONAS, H. 1979). 4.1.4 Der Diskurs in der angewandten Ethik Das Prinzip des Diskurses besteht darin, dass zunächst bei den Teilnehmern Einigkeit über das jeweilige Thema herrscht, über das ein Konsens gefunden werden soll, und dass das, worüber im Diskurs argumentiert und entschieden wird, realisierbar sein muss (Universalisierungsprinzip), (vgl. SCHICHA, C. 2000: 9). Den Rahmen bildet hierbei die von HABERMAS und APEL vorgeschlagene Theorie des kommunikativen Handelns, die Diskursethik. HABERMAS nennt dies auch theoretisches Handeln. Beide vertreten, dass die Gültigkeit von Normen von der 'zwanglosen' Zustimmung der Beteiligten abhängt (vgl. HABERMAS, J. 1983: 103). Eine Regel der Diskursethik besagt auch, dass jeder, der sprechen kann, an Diskursen teilnehmen darf, d. h. auch die Teilhabe an Prozessen der demokratischen Willensbildung ist frei (DEDERICH, M. 2013). Die Diskursethik versteht sich zwar als Erweiterung des Ansatzes von KANT, jedoch mit dem Unterschied, dass man sich dabei nicht auf die ethische Reflexion (mit dem Ziel der Einsicht in die Vernünftigkeit von allgemeinen Prinzipien) des Einzelnen setzt, sondern auf die Gemeinschaft derjenigen, die von einer Frage betroffen sind und diese lösen wollen. Die Aufforderung ist, dass ein begleitender Diskurs der Forderung nach Teilhabe und Gleichberechtigung in inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung und der gleichberechtigte Zugang gemäß dem Diskursideal in der Realität zu verwirklichen ist. Wer sind die moralisch bedeutsamen, zu beteiligenden Subjekte, und zwar in zweierlei Hinsicht, als Subjekte des Handelns und als Subjekte des Erfahrens der Handlungen anderer (vgl. BRUMLIK, M. 2013: 6)? MICHA BRUMLIK vertritt die Ansicht, dass sich die entscheidenden ethischen Fragen nicht bei sogenannten mündigen Menschen, sondern in der Beziehung zwischen Mündigen und Unmündigen stellen (vgl. ebd.: 8). 71 Als unmündig oder nicht mündig gelten Personen, die weder in der Lage sind zu argumentieren noch mangels Information und Wissen in der Lage sind, eine Situation angemessen zu beurteilen (vgl. SCHICHA, C. 2000: 10). HABERMAS (1983) hingegen begegnet dem Problem der Mündigkeit bzw. Unmündigkeit, mit dem sogenannten advokatorischen Diskurs, um die Interessen aller einzubeziehen, auch die der nicht Teilnehmenden, die unter diesen Umständen in einem Diskurs nicht immer Berücksichtigung finden (vgl. ebd.: 10). Advokatorischer Diskurs Im advokatorischen Diskurs vertritt ein Stellvertreter die Interessen eines anderen. Damit die Vorstellung eines advokatorischen Diskurs sinnvoll ist, wird davon ausgegangen, dass der Stellvertreter die Interessen des zu Vertretenden kennt und auch vertritt (vgl. ebd.). Dies kann notwendig sein für Menschen, die nicht (nicht mehr, oder noch nicht) dazu in der Lage sind, diesem Diskurs selbst mitzumachen, sowie den Handlungen, zu denen dieser verpflichtet nachzugehen. Eine Differenzierung sowie die Ausschlussregeln von Personen, die die am Diskurs beteiligt oder vom Diskurs ausgeschlossen sind, scheinen dabei problematisch zu sein. Eine Gefahr beim 'advokatorischer Diskurses' besteht, wenn nicht die Betroffenen selbst teilnehmen können, dass die Prinzipien des Dialogs und der Partizipation eingeschränkt werden. Ungeklärt ist auch, wie ein 'advokatorischer Diskurs' unter den genannten Umständen legitimiert werden kann. Darüber hinaus ist dieser Diskurs immer das Ultima Ratio, die letzte mögliche Lösung. Alle Maßnahmen und Möglichkeiten, die eine Partizipation der Betroffenen ermöglichen, müssen zuvor ausgeschöpft werden. Es muss zudem den 'Ausgeschlossenen' die Gelegenheit gegeben werden, mündig zu werden, um zumindest ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den sie betreffenden Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen (vgl. UN-BRK). Was in den Überlegungen hierzu bislang fehlt, ist die Berücksichtigung des Rechts auf Unterstützung bei der Entwicklung zur Mündigkeit und zur Intervention, wie bei der »Ethik der Achtsamkeit«, bei der Präsenz, Verantwortungsübernahme und Empowerment im Vordergrund stehen (vgl. CONRADI, E. 2013: 11). Die Beteiligung derjenigen Personen, die von der Erfüllung der Aufgaben besonders betroffen sind, sollte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden (vgl. ebd.: 2). Eine Lösung könnte darin bestehen, die Art und Weise, wie der allgemeine Diskurs mit Menschen mit kognitiven Behinderungen geführt wird, an deren Fähigkeiten (abilities) anzupassen. 72 Zum Beispiel nach dem Prinzip der inklusiven Lernorte – Inclusive Spaces of Learning (vgl. NEW PATHS TO INCLUSION NETWORK) oder unter Verwendung des Konzepts der Leichten Sprache (vgl. CANDUSSI/ K.; FRÖHLICH, W. 2016). Das Prinzip der Partizipation kann jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass ein aktiver Diskurs nicht immer möglich ist. Es gibt Situationen, bei denen die Voraussetzungen für die aktive Teilnahme an einem partizipativen Diskurs bei einer Person fehlen. Diese Person wird oder kann nicht persönlich bei einem diskursiven Prozess berücksichtigt werden, obwohl sie von den Folgen der Entscheidungen durchaus betroffen sein könnte, wie beispielsweise Menschen mit Behinderungen, die durch die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Forschung oder hier an der Forschung und Entwicklung betroffen sind. Daraus lässt sich folgern, dass es auch immer die Verantwortung der Verantwortlichen und der Gesellschaft ist „wie Menschen in einer immer stärker von (digitalen) Medien geprägten Welt handlungsfähig und -mächtig sind bzw. bleiben“ (ALTMEPPEN, K. D.; BÜsch, A.; FILIPOVIC, A. 2013, 285). Im Bereich der Forschung und Entwicklung liegt es im Interesse der Betroffenen, dass die digitale Inklusion bzw. Teilhabe für alle ermöglicht wird. Hierzu müssen die Chancen und Risiken der Digitalisierung für Menschen mit kognitiven Behinderungen abgewogen werden. Zukunftsverantwortung bedeutet auch, dass bereits bei der Forschung und Entwicklung eine Verpflichtung besteht alles zu tun, um der Zielgruppe die Teilnahme zu ermöglichen. Im Sinne der Erfolgsverantwortung würde dies auf der einen Seite heißen, alles zu tun, was die Lebensqualität erhöht. Auf der anderen Seite muss im Sinne der Mitverantwortung sichergestellt sein, dass jeglicher mögliche Schaden vom Einzelnen abgewendet wird. Letztlich liegt es hier in der Verantwortung der Wissenschaft, wie die zukünftigen Nutzer, bzw. Akteure in den Forschungsund Entwicklungsprozess mit einzubeziehen sind. „Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sollten von der Teilnahme an einem Forschungsprojekt profitieren und keinerlei Nachteile davontragen. Dieser Grundsatz gilt für den gesamten Forschungsprozess und ist in allen Kontexten einer Untersuchung zu beachten und einzuhalten“ (Buchner, O. 2008: 516, Hervorhebungen im Original). 4.1.5 Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und der Verantwortung Ethik dient u. a. als Orientierung bei Fragen wie: Was soll ich wie tun? Oder: Wie soll ich mich verhalten? Die ethische Verantwortung bezieht sich nicht nur auf die Verantwortung des Individuums gegenüber dem Anderen, sondern auch auf andere Anwendungsgebiete oder unterschiedliche Objekte wie die Technologie und ihre Produkte. YUAN-TSE (2003) sieht dies wie folgend: 73 „Die Verantwortungsprobleme des technologischen Zeitalters und seine Herausforderungen sind die ethischen Probleme der Gegenwart. – Wenn aber auf der Begründungsebene der Ethik nicht nachweisbar ist, dass eine allgemeine (rational einsehbare und verbindliche) Pflicht zur Erfolgsverantwortung, Zukunftsverantwortung und Mitverantwortung besteht, dann bleibt die angewandte Ethik unverbindlich“ (YUAN-TSE, L. 2003: 48). Immer wieder wurde versucht die individuelle Verantwortung mit der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung entsprechend KANTS kategorischen Imperativ in Einklang zu bringen: „Handle so, dass du auch wollen kannst, dass deine Maxime allgemeines Gesetz werde.“ (vgl. RATH, M. 2013: 458). KANT beschreibt hierzu in seiner »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von 1785« mögliche Formen, die handlungsleitende Imperative annehmen können (vgl. ebd.). Dies führt JONAS als eine ethische Grundhaltung 1979 weiter. „Handle so, daß [sic!] die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.“ bzw. „Handle so, daß [sic!] die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ (JONAS, H. 1979: 36). WEBER hingegen sieht eine sozialethische Verpflichtung zum politischen Handeln, dass man die Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass (in bestimmten Situationen) das Notwendige und Richtige getan wird und dass kein Schaden entsteht (vgl. SCHICHA, C. 2000: 3). Die Ethik begründet für gutes und gerechtes Handeln allgemein gültige Regeln. Sie sensibilisiert dafür, dass jeder über die Güte seines Handelns verantwortlich entscheiden sollte und (dies meistens) auch kann. Dieses Verantwortungsbewusstsein bildet die Grundlage einer vernünftigen Innen- bzw. Selbststeuerung der angesprochenen Akteure (vgl. BROSDA, C./SCHICHA. C. 2010: 10). Verantwortung wird von FUNIOK auch als ethische Schlüsselkategorie bezeichnet, d. h. 'dass man für die (voraussagbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat' (vgl. FUNIOK. R. 2002). Es geht um die Verantwortung insgesamt, für die beabsichtigten Folgen, aber auch die unbeabsichtigten Nebenfolgen des eigenen Handelns. FUNIOK zieht daraus den Schluss, dass zu klären ist: 74 § Wer trägt Verantwortung? (Handlungsträger); § Was ist zu verantworten? (Handlung); § Wofür trägt man Verantwortung? (Folgen); § Wem gegenüber trägt man Verantwortung? (Betroffene); § Wovor muss man sich verantworten? (Instanz, z. B. Gewissen, Öffentlichkeit); § Weswegen muss man sich verantworten? (Werte, Normen, Kriterien), (vgl. ebd.) Die Frage bleibt dennoch offen, was ist, wenn es nicht möglich ist die genauen Folgen einer Handlung abzuschätzen? Nach welchen Kriterien soll über den moralischen Wert einer Handlung entschieden werden? Hier muss sich die Problematik entfalten, ob und welche Technik den Menschen zugemutet werden darf/kann. Bei der Frage, ob und welche Technik Menschen nutzen dürfen, ob sie die Entwicklung der technologischen Entwicklung im Griff haben oder ihr vielmehr willenlos ausgeliefert sind, gehen die Grenzen unseres Verantwortungsraumes über die Grenzen unseres eigenen Wissens hinaus (vgl. JONAS, H. 1997: 27). Dies gilt insbesondere für eine vulnerablen Personengruppe, wie Menschen mit Behinderungen. Es ist beispielsweise zu klären, welche Verantwortung bei der Entwicklung, der Anwendung bzw. der Nutzung von Unterstützungstechnologie (AT) übernommen werden muss, die die Aussicht auf eine Verbesserung der individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten von Menschen mit Behinderungen bietet, oder inwieweit AT für die inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung bzw. digitale Inklusion und Teilhabe relevant ist. Die Folgen und Auswirkungen des technologischen Fortschritts, im Hinblick auf Zugänglichkeit und Barrierefreiheit, scheinen auf den ersten Blick ausschließlich positiv. Trotzdem müssen sich Entwickler die Frage stellen: Wie wirkt der technologische Fortschritt für die einzelne Person, wie für die Gesamtheit? Was passiert einer Person, die dieser Entwicklung ausgesetzt ist/wird? Empfindet diese den technischen „Nachteilsausgleich“ positiv im Verhältnis zu Menschen ohne Behinderung (Inklusion oder Exklusion)? Wird die Entwicklung den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht? Ist der Fortschritt, die Entwicklung menschlich angemessen? In seinem Buch „Prinzip Verantwortung, Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“ spricht JONAS von neuen Dimensionen der Verantwortung (vgl. ebd.: 26 ff.). Er betrachtet als Natur- und Technikphilosoph die ethischen Grenzen des Machbaren. Nach ihm soll vor der Entwicklung oder Anwendung einer neuen Technologie alles zur Verfügung stehende Wissen herangezogen werden, auch um mögliche negative Auswirkungen für Menschen und Natur auszuschließen, wobei er die Kluft zwischen Kraft des Vorherwissens und Macht des Tuns als Problem herausstellt. JONAS sieht in dem Wissens- und Machtvorsprung eine langfristige Zukunftsverantwortung (vgl. ebd.: 28). Und obwohl JONAS die Notwendigkeit der moralischen Orientierung betont (vgl. ebd.: 36), stellt er an den einzelnen Anforderungen für die technologische Entwicklung und Anforderungen mit einer 'angepassten' Ethik. Er stellt zudem fest, dass es nicht immer möglich sei das 'vorhersehende Wissen' an das wissenschaftliche, technologische Wissen anzupassen. Daher steht für ihn nicht der Diskurs der Akteure im Vordergrund, sondern er geht von einem Macht- und Wissensvorsprung einiger weniger aus. 75 JONAS verweist dabei auf einen Machtvorsprung vor anderen, wie etwa auf die Verantwortung der Eltern gegenüber ihren Kindern, oder auf das Verhältnis Arzt zum Patienten oder Betreuer und Mensch mit Behinderung (vgl. SCHICHA, C. 2000: 10). Damit widerspricht JONAS dem partizipativen Diskurs, wie ihn HABERMAS und APPEL vorsehen. Für die angewandte Ethik bedeutet dies, dass in der Forschung und Entwicklung die Akteure oder Stakeholder nicht nur bei der Teilnahme von und Menschen mit kognitiven Behinderungen eine Verantwortung übernehmen. 4.2 Forschungsethik in der qualitativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen Zunächst versteht sich die Forschungsethik als Teildisziplin der allgemeinen oder der angewandten Ethik und als Reflexion auf das forschende Handeln. RATH (2017: 45) stellt jedoch fest, dass „[die] Bedeutung von »Forschungsethik« zunächst sowohl für die Sozialwissenschaften, also auch für die qualitative Medienforschung, [...] häufig unklar“ ist (vgl. ebd.). Es geht ihm dabei im Sinne der Ethik auch um eine Handlungsorientierung (ebd.). In der qualitativen Forschung, die im Kontext mit Menschen mit kognitiven Behinderungen stattfindet, werden Entscheidungen über Verfahren und Prozesse getroffen, die weitreichende Konsequenzen für ihr Leben haben können. Die Auseinandersetzung mit den ethischen Grundsätzen der Sozialwissenschaften, wie Schadensminimierung, Informierte Einwilligung, Selbstbestimmung, Freiwilligkeit und Vertraulichkeit ist daher, immer bezogen auf das jeweilige Setting, unentbehrlich (vgl. UNGER V., H./ NARIMANI 2012: 3). Forschungsethische Grundsätze und Prüfverfahren aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften müssen auch in Bezug auf inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung wegweisend sein (vgl. RAT FÜR SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSDATEN 2017). Forschungsethik in der qualitativen Forschung bezieht sich im Kern auf (1) die Gestaltung der Forschungsbeziehungen, (2) Fragen des Umgangs mit Informationen und (3) dem Schutz von Daten (vgl. UNGER v., H. 2014: 18). Bisher wurden forschungsethische Fragen im Zusammenhang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen, die über den Datenschutz hinausgehen, nur selten konkret diskutiert. 4.2.1 Die Gestaltung dieser Forschungsbeziehungen Die Geistigbehindertenpädagogik ist noch eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin und hat daher keine lange Forschungsgeschichte. 76 Behinderung allgemein wurde in ethischen Debatten des gesellschaftlichen Umgangs mit Behinderung hauptsächlich in der Medizin- und Bioethik und im Kontext von Entscheidungen am Anfang30 und am Ende des Lebens31 thematisiert (vgl. WOLFF, G. 2004: 25-35). In diesem Zusammenhang hat 'Ethik und Behinderung' den Anspruch eine reflektierte Grundlage zur wissenschafts- und medizinethischen Forschung zu sein. Mittlerweile ist das Thema Behinderung auch anderweitig in der Ethik der Wissenschaft präsent. Auffällig ist jedoch, dass das Verständnis von Behinderung und die Perspektive auf Menschen mit Behinderungen weiterhin durch das medizinische Modell beeinflusst wird. Es betrachtet Behinderung als ein Merkmal einer Person (siehe Kapitel 1.3 Behinderung – Konzepte, Modelle, Klassifikation und Einordnung). Nach diesem Modell ist eine Behinderung die Folge einer Krankheit, Verletzung oder eines anderen Defekts, die zu einer Beeinträchtigung führt. Demnach wird eine Behinderung wird in der Regel als endgültig angesehen und die behinderte Person benötigt Unterstützung und Hilfeleistungen. Dieses medizinische Behinderungsmodell findet sich bis heute im deutschen Sozialgesetzbuch IX, § 2 wieder (siehe Anhang 1) und ist maßgeblich für Leistungen zum Nachteilsausgleich. In der Wissenschaft gehen, wie beschrieben, die Ansichten bei der Gestaltung von Forschungsbeziehungen über Teilhabe oder auch Nicht-Teilhabe von Menschen mit kognitiven Behinderungen und über Benachteiligungen auseinander. Hierbei lassen sich die forschungsethischen Fragen nicht immer eindeutig im Sinne einer normativen Ethik beantworten. Der/die Forschende muss sich dieser Problematik bewusst sein und je nach Kontext von Fall zu Fall entscheiden. Um in der Praxis zu bestehen, sollte eine forschungsethische Reflexion das ein Ziel der Forschung sein. Die Frage ist, ob und wie diese soziale Teilhabe bzw. Nicht-Teilhabe an der Forschung ethisch begründbar ist oder diese allein im Sinne der Gleichberechtigung von Einzelpersonen in Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen als rechtlich/juristisch definierte Normen zu verstehen ist. Unter Umständen sind Strategien erforderlich, um die Würde, Gleichheit, Autonomie und Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen zu wahren. So können beispielsweise besondere Maßnahmen erforderlich sein, um Anonymität, Datenschutz und Vertraulichkeit zu gewährleisten. 30 31 Pränatale Diagnostik Sterbehilfe 77 Obwohl das Grundgesetz als Rechtsnorm sowie die UN-Behindertenrechtskonvention jedem Menschen Chancengleichheit und Freiheit von Benachteiligung und Diskriminierung (UN-BRK Artikel 4 Absatz 3) zusichern, erfordert die Chancengleichheit als Teilhabe- und Grundprinzip des sozialen Zusammenlebens unterschiedliche Werthaltungen, wie beispielsweise Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität (vgl. HUSTER, E.-U. 2012: 78). Um diese Grundhaltung zu erreichen, benötigen manche Menschen mit Behinderung für ihre Teilhabe eine individuelle, bedarfsorientierte Unterstützung in den unterschiedlichen Lebenslagen zur Teilhabe, zu der sie selbst nicht immer aktiv Zugang haben oder von der sie sich distanzieren können. Diese Entscheidungssituationen mit geforderter Willensäußerung, sind immer dann ethisch zu beantworten, wenn Menschen mit Behinderungen sich nicht zu so einer individuellen Entscheidung äußern können s. o. 4.2.2 Teilhabe in Forschung und Entwicklung Beim Diskurs zur Umsetzung der Inklusion im deutschsprachigen Raum gilt als ethischer Grundsatz eine positiv akzeptierende Haltung. Es wird auf Theorien zur Anerkennung und Gerechtigkeit zurückgegriffen, wobei die Förderung von Teilhabe im Rahmen der geforderten Inklusionsprozesse auch die Gefahr einer weiteren Exklusion von schutzbedürftigen, vulnerablen Personengruppen zeigt. Es werden immer wieder ablehnende Reaktionen beobachtet (vgl. CLOERKES, G. 1984: 25-40). CLOERKES erklärt diese ungünstigen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Menschen mit Behinderungen, dass sie durch widersprüchliche Überlieferungen verursacht werden (vgl. ebd.). Eine weitere Frage, die im Zusammenhang mit Inklusion zu stellen ist: Welche ethischen Aspekte spielen auf der Ebene der Legitimität von Partizipation eine Rolle? DEDERICH ist der Meinung, dass Inklusion und Teilhabe als normatives Prinzip, trotz der menschenrechtlichen Fundierung, einer ethischen Legitimation bedarf, denn die Ethik ermittele und begründe die obersten Prinzipien des moralisch richtigen bzw. guten Handelns (vgl. DEDERICH, M. 2013). Er versteht Behinderung „als soziales Konstrukt, als Folge von Zuschreibungen, Etikettierung und Stigmatisierung sowie Systemeffekten“ (DEDERICH, M. 2007: 19). ROMMELSPACHER vertritt den Standpunkt, dass die gesellschaftliche, soziale Teilhabe gerade nicht durch ambivalente/ widersprüchliche Entwicklungen, Einstellungs- und Verhaltensweisen erschwert und gesellschaftliches Ansehen durch Diskriminierung verhindert werden darf (vgl. ROMMELSPACHER, B. 2006). 78 KASTL nimmt zur Umsetzung der Inklusion eine andere Position ein und kritisiert das vorherrschende Teilhabemodell zur Inklusion als 'Teilhabe-Total-Modell': „[...] dass jeder Mensch vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen teilhaben kann – und zwar von Anfang an und unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten.“ (AKTION MENSCH 2017). Er sieht die Gefahr, dass eine vollständige Teilhabe die gesellschaftliche Unaufrichtigkeit im Umgang mit Behinderung verstärke und das Ende jeder Individualität bedeute, auch wenn betont wird, dass es sich dabei nicht um eine erzwungene Teilhabe handeln soll (vgl. KASTL. J.- M. 2014b). Selbstbestimmte Teilhabe als Akt der Selbstbestimmung bedeutet für GÖHRING-LANGE, dass jeder Mensch das Recht und die Möglichkeit hat, an den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Prozessen einer Gesellschaft teilzunehmen, sie zu gestalten und mitzugestalten. Dies gilt auch für Menschen mit Behinderungen, wenn es darum geht, ihr eigenes Leben zu gestalten (vgl. GÖHRING-LANGE, G. 2011: 15). CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002) weisen darauf hin, dass es bei der Einwilligung zur Teilnahme (Teilhabe) in ein Forschungsprojekt sinnvoll sei eine kontinuierliche Herstellung der informierten Einwilligung zu haben (vgl. CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002). Da gesellschaftliche Teilhabe zunehmend als Indikator und Ziel zur Erreichung sozialer Gerechtigkeit verstanden wird, ist die Kritik von KASTL ernst zu nehmen und die Frage zu stellen, wie wir mit den Menschen, die am Rande stehen, so umgehen, dass es gelingen kann, jedem den Anspruch auf Teilhabe als Gebot auf selbstbestimmte Teilhabe zuzubilligen. 4.2.3 Der Umgang mit und die advokatorische Vertretung von Menschen mit kognitiven Behinderungen Hier schließt sich die Frage an: Wie kann/muss nun ein von Ethik und Verantwortung geprägter Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der inklusiven Forschung und Entwicklung aussehen, unter Berücksichtigung ihrer Unterschiede und Verletzlichkeit und unter Anerkennung des Rechts auf Vielfalt? Der Zweite Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen (2016) macht deutlich, dass, trotz der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse im Hinblick auf Teilhabe, die Lebensbedingungen der Betroffenen oft nicht an ihren Bedürfnissen ausgerichtet sind. Vor allem werden sie selbst an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, nicht ausreichend beteiligt. 79 Als Grund vermutet BOSSE nach seiner Studie 2016 ein erhebliches Wissensdefizit bei den Verantwortlichen. Ein Bewusstsein sei für die Lebenssituation, alltäglicher Herausforderungen und vielfältiger Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen in Deutschland in der breiten Öffentlichkeit kaum vorhanden. Ihre Lebensqualität hänge an unterschiedlichen Bedingungen 32 (vgl. Bosse. I./ Hasebrink, U. 2016). Wie bereits im ethischen Diskurs dargestellt, hat die Stellvertretung im Falle einer bestehenden Behinderung Konsequenzen für die Person und ihre Belange und Interessen, Zum Beispiel in Konflikt- und Entscheidungssituationen, in pädagogischen oder medizinischen Kontexten und im Hinblick auf Forschung und Entwicklung. Um Teilhabechancen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern hält Hauser die Dringlichkeit einer inklusiven-partizipativen Forschung mit Menschen mit Lernbehinderungen für begründet (Hauser, M. 2013: 1) Bei der Erhebung ihrer persönlichen Daten stehen neben rechtlichen, moralisch/ethische Fragen vor allem Fragen, die das Problem des gegenseitigen Verständnisses betreffen. Zwar ist wissenschaftlich belegt, dass ein großer Teil der Personen mit kognitiven Behinderungen durchaus in der Lage ist, zuverlässige, unvoreingenommene und gültige Aussagen zu machen, zum Beispiel über eigene Gefühle, über subjektive Lebensqualität, Selbstwertgefühl und ihre psychische Gesundheit (vgl. EMERSON et al. 2013: 333), dennoch kommt es bei der Erfassung ihrer Daten und Informationen auf die kognitiven und sprachlichen Anforderungen an, um eine zuverlässige und valide 'Selbstberichterstattung' zu bekommen. Fragen beispielsweise, die negativ formuliert sind oder das Passiv verwenden sind schwieriger zu beantworten. Ebenso sind Fragen nach Häufigkeit, Zeitangaben oder generalisierte Bewertung problematisch (vgl. ebd.) und führen dazu, dass sie nicht beantwortet werden. Hier greift das Thema Leichte Sprache33 und verständliche, alternative Information. EMERSON weist darauf hin, dass es wichtig ist, dies bei der Interpretation der Aussagen von Menschen mit kognitiven Behinderungen für die Forschung zu berücksichtigen. 32 Teilhabechancen und die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen werden dadurch beeinflusst, ob barrierefreier Wohnraum zur Verfügung steht und wie gut der öffentliche Raum nutzbar ist. Wohnungen, Straßen, Plätze, ÖPNV, öffentliche Einrichtungen und Bildungseinrichtungen sind häufig nicht barrierefrei gestaltet. Positiv ist, dass immer mehr Menschen, Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen erhalten und in ambulant betreuten Wohnformen anstatt in stationären Einrichtungen leben (vgl. 2. Teihabebericht 2016: 9). 33 Leichte Sprache (LS) gibt es als Konzept in Österreich, Schweiz und Deutschland gibt es seit mehr als 20 Jahren. Es kommt ursprünglich es aus dem englischsprachigen Raum („easy to read“) und wurde in Deutschland in erster Linie gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten durch 'Mensch zuerst' – Netzwerk People First Deutschland e.V., eine deutsche Selbstvertretungs-Vereinigung von Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt und verbreitet (EDLER, C. 2014) 80 Weiterführende Einwendungen: § Wenn Informationen ausschließlich durch Selbstauskunft erlangt werden, sind einige Menschen mit geistiger Behinderung aufgrund von Verständnis- und Kommunikationsschwierigkeiten ausgeschlossen. § Eine Stellvertretung einer Person für dessen Belange und Interessen in der Forschung und Entwicklung hat bei einer vorliegenden Behinderung, notwendigerweise, rechtliche und ethische und ggf. wissenschaftstheoretische Konsequenzen, wie zum Beispiel bei Konfliktund Entscheidungssituationen, in pädagogischen oder medizinischen Kontexten. HAGEN (2002) hat in einer Erhebung festgestellt, „dass Fremdaussagen erheblich von den Selbstaussagen der Betroffenen abweichen. (…) Dies wird oftmals allzu schnell als Beleg für die Unglaubwürdigkeit von Selbstaussagen Betroffener interpretiert“ (HAGEN J. 2002: 296). § Informationen oder Forschungsdaten, die über Dritte gewonnen werden oder Kriterien und Interpretationen, die aus der Perspektive der Beobachtenden des sozialen Umfeldes, wie Betreuerinnen/Betreuer, Lehrerinnen/Lehrer und Eltern von Menschen mit Behinderung, kommen, sollten immer auf ihre Gültigkeit hinterfragt werden (vgl. EMERSON, E. et al. 2013: 344). § Bei der Interpretation von Daten, die durch stellvertretende Befragung gewonnen werden, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass diese Daten die subjektive Einschätzung einer dritten Person widerspiegeln, die nicht mit der Sichtweise des Betroffenen identisch sein muss (vgl. SEIFERT, M. 1997: 26). § Eine Stellvertreter- oder Stellvertreterinnenfunktion im Betreuungsbereichen, kann unter gewissen Umständen zu Interessenkonflikten innerhalb oder außerhalb der Familie, nicht nur im Sinne der gesetzlichen Betreuung, mit sich bringen. In diesem Falle macht der Interessenkonflikt eine objektive Datenerhebung für die Forschung schwierig. Bei allen diesen Einwendungen geht es hierbei um die Frage der Positionierung der/des Forschenden und wie sie/er bei dieser Komplexität zu ethisch akzeptablen, validen Aussagen und Ergebnissen kommen kann. Mit kreativen partizipativen Ansätzen (vgl. OLLERTON, J. 2012) lassen sich Vorschläge entwickeln, wie Beziehungen in der Forschung mit geeigneten Methoden für die Zielgruppe anders gestaltet werden können, indem Beforschte zu Forschenden werden (vgl. BERGOLD, J./THOMAS, S. 2012). 4.3 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen Das Thema »Ethik und Behinderung« wird bislang in der Forschung am häufigsten mit der Aufklärung und Einwilligung (Informed Consent) in Verbindung gebracht, da die Informierte Einwilligung ein zentrales Prinzip der Forschungsethik ist, das dem forschungsethischen Grundsatz des Respekts für die beteiligten Personen folgt. 81 Die Rechte auf Selbstbestimmung werden ernst genommen, was weitere ethische Sorgfaltspflichten zur Folge hat (vgl. RAT FÜR SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSDATEN 2017: 21 f.). 4.3.1 Ethische Betrachtung und Beurteilung der Einwilligung Die Informierte Einwilligung zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt setzt voraus, dass der Betroffene weiß und versteht, in was er einwilligt (vgl. HORNER-JOHNSON/BAILEY 2013). Sie ist nur dann rechtsgültig, wenn sie freiwillig erfolgt ist (vgl. HELFFERICH 2011: 190). Die Informierte Einwilligung soll sicherstellen, dass die beforschte Person das Vorgehen und die Absicht des jeweiligen Forschungsvorhabens tatsächlich verstanden hat. Der Informed Consent wird in einem ethischen Kontext gestellt und bedarf einer Begründung, insbesondere bei Entscheidungssituationen im Zusammenhang mit der geforderten Willensäußerung. D.h.: Die Verantwortlichen der Forschung müssen eine angemessene Aufklärung und Information zum Forschungsprojekt gewährleisten. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen eine selbstbestimmte Entscheidung darüber treffen, an einer Forschung teilzunehmen oder nicht und wissen, welche Aufgaben und Pflichten damit verbunden sein können. Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an deren kognitiven Möglichkeiten. Die Maßgabe der vorhergegangenen Aufklärung soll zunächst sicherstellen, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können. Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an kognitive Fähigkeiten. Bei Menschen mit kognitiven Behinderungen sind diese u. U. eingeschränkt und die Anwendung der informierten Einwilligung kann als problematisch angesehen werden (siehe Kapitel 4.1.1 Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma). Die Einwilligungsfähigkeit sowie die damit verbundene Fähigkeit zur Selbstbestimmung wird bei Menschen mit kognitiven Behinderungen, je nach Ausprägung und Schwere, dabei infrage gestellt. Ein kategorischer Ausschluss dieser Zielgruppe würde sie jedoch vom gesellschaftlichen Fortschritt abkoppeln. Es stellt sich die Frage, wie die informierte Einwilligung modifiziert bzw. ergänzt werden kann, um die Einwilligung von kognitiv eingeschränkten Personen selbst zu erhalten und ihnen die Teilhabe an Forschung zu ermöglichen. Die in Kapitel 3.6 genannten Voraussetzungen der informierten Einwilligung sollten hierzu in den Blick genommen werden. Trotz Einführung der EU-Datenschutz-Grundverordnung und strengen formellen Anforderungen zur Einholen von Einwilligungen, dass die Information den erhöhten Transparenzanforderungen genügen muss (siehe Kapitel 3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung), ist die Abwägung, ob und wie Menschen mit kognitiver Behinderung in einer Studie einbezogen werden, immer auch ein ethischer Entscheidungsprozess. 82 4.3.2 Ethische Fragen bei Unmöglichkeit der Erteilung einer Informierten Einwilligung Wie erwähnt besteht häufig die Auffassung, dass Menschen mit kognitiver oder geistiger Behinderung die für eine empirische Forschung notwendigen Anforderungen nicht erfüllen und ihnen die Fähigkeit abgesprochen wird, die Informierte Einwilligung geben zu können. Aus diesem Grund werden sie immer wieder aus Forschungszusammenhängen ausgeschlossen (vgl. HAUSER, M. 2013: 4). TUFFREY-WIJNE, NIND und andere argumentieren, dass es "unethisch sei, Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, die einen Einblick in ihre eigenen Erfahrungen bei einer Forschung zur Verfügung stellen könnten und helfen, sensible Versorgung in der Zukunft zu gestalten, aus Studien auszuschließen" (TUFFREY-WIJNE, I. et al. 2008: 188; NIND, M. 2008: 6). Alternativ zur advokatorischen Vertretung nach HABERMAS sieht AICHELE die assistierte Entscheidung, bei der die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit kognitiven Behinderungen bei eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit unterstützt werden. Wenn die/der Betroffene nicht alleine in der Lage ist einzuwilligen, kann sie/er u. U. mithilfe von Assistenz in einen einwilligungsfähigen Zustand versetzt werden und einwilligen (vgl. AICHELE V. 2010: 1). Der Deutsche Ethikrat spricht ebenfalls von assistierter Selbstbestimmung, bei der auf der Basis personenzentrierter Hinwendung die Art der Assistenz danach abgestimmt und bemessen wird, inwieweit die noch vorhandenen Selbstständigkeits- und Selbstbestimmungsanteile der Betroffenen aktiviert werden kann (vgl. DEUTSCHE ETHIKRAT 2012: 50 ff). Sofern die Person sich nicht selbst erklären kann, stellt dies höhere Anforderungen an die Achtsamkeit, individuelle Begleitung und Sorge. Im Falle der unterstützten Teilnahme, ggf. mit Hilfe der unterstützten Selbstbestimmung, dürfen die Betreuerinnen und Betreuer laut Gesetz den Willen der betroffenen Person nicht einfach ignorieren, indem sie sich auf ihre Verantwortung und ihr Fachwissen berufen (vgl. ebd.: 50). Besondere Beachtung ist erforderlich, wenn bereits eine rechtsgültige Einwilligung vorliegt, entweder von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst oder einem gesetzlichen Vertreter, denn es besteht immer die Möglichkeit, dass die betroffene Person tatsächlich zustimmt oder die Teilnahme zu verweigert. Sie kann sich beispielsweise zu- oder abwenden, sich ganz verweigern oder in anderer Weise ihren Willen äußern. 4.4 Schutz der Forschungsdaten – Anonymität und Vertraulichkeit Die Zusammenarbeit mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der inklusiven Forschung betrifft nicht nur die Einwilligung als informationelle Selbstbestimmung, sondern auch ihre Anonymität und Integrität. 83 4.4.1 Anonymität der Daten Für die Forschung ist Anonymität ein wesentlicher Faktor für einen vertrauensvollen Umgang miteinander und den erhobenen Daten. Dies gilt sowohl als rechtliche, als auch als ethische Verpflichtung. Die Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler müssen sicherstellen, dass sie diese Verpflichtungen gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Forschung in Bezug auf Vertraulichkeit, einschließlich Anonymität und Datenschutz, erfüllen. Bei datenschutzrechtlichen und ethischen Abwägungen stellt sich als erstes die Frage, inwieweit kann die Kontaktaufnahme von Dritten beobachtet, gespeichert und ausgewertet werden. Um die Vertraulichkeit zu gewährleisten, gilt es daher als selbstverständlich, dass jegliche Gespräche mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Forschung und deren Inhalt der absoluten Schweigepflicht unterliegen. Die gewonnenen Daten werden geheim und anonym behandelt. Anonymität bedeutet, dass die Daten keiner Person zugeordnet werden können und daher nach Absprache mit den Betroffenen anonymisiert werden. Diese Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymisierung nehmen beispielsweise auch im Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) einen zentralen Stellenwert ein (vgl. BDS, 2017). Die Geheimhaltungspflicht der Beteiligten ebenso wie Freiwilligkeit, Anonymität, Folgenlosigkeit der Nicht-Kooperation und entspricht dem Prinzip der Informierten Einwilligung, ist aber in der Ausgestaltung eine Konkretion der Rechtsnorm (vgl. RATH, M. 2017: 51). Die Daten von Einzelpersonen müssen jedoch nicht zwingend anonymisiert werden. In einigen Fällen entscheiden sich beispielsweise die Teilnehmerinnen oder Teilnehmer von inklusiven Forschungsprojekten bewusst gegen eine Anonymisierung (vgl. BUCHNER T. 2008: 517). Die Preisgabe und Verwendung eigener personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, ist Teil der Forschungsbeziehung. 4.4.2 Zum Umgang mit den Forschungsteilnehmerinnen und Forschungsteilnehmern Ethisch relevante Überlegungen betreffen auch Entscheidungen, die der Datenerhebung vorausgehen, einerseits im Hinblick auf die Angemessenheit der Teilnahme für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und andererseits im Hinblick auf die Forschenden selbst z. B. im Hinblick auf die Verpflichtung, sich ausreichend und sorgfältig mit den Datenschutzbestimmungen vertraut zu machen (vgl. ebd.). 84 Form und Inhalt des Forschungsprozesses zur Gewinnung neuer Perspektiven und Wirklichkeitskonstruktionen in der Debatte sollten nicht allein von Experten geplant und kontrolliert werden. Ein inklusives Forschungsprojekt ist daher mit allen Beteiligten auf Augenhöhe zu planen und durchzuführen. BUCHNER empfiehlt, eine der qualitativen Forschung entsprechende SubjektSubjekt-Ebene einzurichten. Dabei ist darauf zu achten, dass Charakter und Dauer der Forschungsbeziehung den Forschungsteilnehmern deutlich gemacht werden. Häufig wird diese Beziehung von Menschen mit kognitiven Behinderungen mit einer dauerhaften Freundschaft verwechselt, was zu falschen Erwartungen und/oder auch falschen Ergebnissen führen kann (vgl. BUCHNER, T. 2008: 517). Auch CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002) messen dem sensiblen Umgang mit der fortlaufenden Herstellung der informierten Zustimmung sowie dem Ende einer Forschungsbeziehung große Bedeutung bei. (vgl. CUTCLIFFE, J./ RAMCHARAN, P. 2002: 106). Die Tatsache, dass die Forschungsteilnehmerinnen und Forschungsteilnehmer jederzeit die Forschungsdokumentation einsehen können, unabhängig davon ob sie die Forschungsnotizen selbst lesen oder sich vorlesen lassen, oder sie sich Fotoalben einsehen oder Filme von sich anschauen, gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Kommentare, Bemerkungen, Fotos oder Filme usw. zurückzuziehen und ihre Zustimmung zu widerrufen. Es gibt ihnen aber auch die Möglichkeit, faktische Ungenauigkeiten in den Forschungsnotizen zu korrigieren (vgl. ebd. 107 f.). 4.5 Ethik, inklusive Forschung und Entwicklung und (digitale) Technologieentwicklung Für Menschen, die bei ihren täglichen Aufgaben zusätzliche Unterstützung benötigen, kann die Technologie die Lebensqualität erheblich erleichtern und verbessern, aber Technologie kann auch ein Hindernis sein, wenn sie nicht zugänglich ist. Viele Menschen sind heute von Dingen abgeschnitten, die andere für selbstverständlich halten, weil Apps oder Websites nicht mit Screen Readern oder alternativen Zugriffsmethoden kompatibel sind oder, was für die Zielgruppe hier am wichtigsten ist, dass die Informationen durch ihren Umfang und des Fehlens eines angepassten Designs nicht einfach zu bedienen sind und die Sprache nicht leicht zu verstehen ist. 85 4.5.1 Möglichkeiten und Grenzen des technologischen Wandels – die Reflexion auf den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Es ist immer auch eine Frage der Ethik die Technologie so zu gestalten, dass sie von allen Menschen so weit wie möglich genutzt werden kann. Dies wird u. a. als universelles Design bezeichnet (vgl. MIESENBERGER, K. 2013: 26 ff.). Es ist bekannt, dass für Menschen mit Behinderungen eine standardisierte und nicht stigmatisierende Sonderlösung von großer Bedeutung ist und sich positiv auf die Nutzungshäufigkeit auswirkt (vgl. ebd.). Der Nutzen aktueller und zukünftiger technologischer Entwicklungen und digitaler Kommunikation für Menschen mit Behinderungen muss unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet werden: Gibt es Grenzen bei der Inklusion in den technologischen Wandel? Kann die Technologie eine Lösung für alles und alle sein, oder gibt es eine unbemerkte Verschiebung der Verantwortung für die Inklusion, weg von der Gesellschaft und hin zum Individuum mit seinen Geräten und Anwendungen? Wird Inklusion durch die Möglichkeiten der Technologie umfassend in der Gesellschaft verankert oder wird die Grenze zwischen den Inkludierten und den Exkludierten nur ein Stück verschoben? (vgl. AKTION MENSCH 2014). Letztlich ist diese Frage nur mit den Betroffenen gemeinsam zu beantworten. Zu den Aufgaben einer inklusiven Forschung und Entwicklung gehören nicht nur die Generierung von neuem Wissen, Erfindungen und Innovationen, sondern auch die Weiterentwicklung bestehender Abläufe und Verbesserungen vorhandener Produkte und Prozesse. Durch neues Wissen und die Anwendungsmöglichkeiten neuer Verfahren und Entwicklungen werden im Kontext von Behinderung nicht nur in den Lebenswissenschaften34 neue ethische Probleme thematisiert. Bei Bereitstellung der jeweiligen Technologie sind die Auswirkungen auf die Gesellschaft und Umwelt kritisch im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zu reflektieren. Die Auswirkungen der Technologie, von intelligenten Assistenzsystemen bis hin zur Hintergrundtechnologie, die in ihrer gesamten Tragweite und in ihrem Funktionsumfang unter Umständen nicht mehr überblickt oder verstanden werden kann, müssen genauso diskutiert werden wie z. B. die 'technischen Möglichkeiten' der pränatale Diagnostik, die Behandlung extrem früh geborener Kinder, medizinische Experimente an Personen, die nicht zustimmen können, die Gentherapie oder die Einstellung der medizinischen Behandlung am Lebensende. 34 Lebenswissenschaften umfassen Biochemie, Bioinformatik, Biologie, Biomedizin, Biophysik, Bio- und Gentechnologie, Ernährungswissenschaften, Lebensmitteltechnologie, Medizin, Medizintechnik, Pharmazie und Pharmakologie, Umweltmanagement und Umwelttechnik. 86 Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt als Ganzes, erfordert eine ständige ethische Rücksichtnahme auf Zustimmung und Selbstbestimmung, sowohl vom Einzelnen als auch von der Gesellschaft (s o.), insbesondere wenn der Einsatz von Assistenzsystemen die eigenen Fähigkeiten und Kräfte, Erinnerungs- und Orientierungsvermögen, Gesundheit, Sprache oder soziale Beziehungen im Falle einer Behinderung unterstützt werden (vgl. MANZESCHKE, A. ET AL. 2013). Assistenzsysteme, die Menschen mit Behinderungen Informationen oder Unterstützung zu ihrer Lebensumgebung zur Verfügung stellen und diese zugänglicher machen können, basieren im Wesentlichen auf der allgegenwärtigen Informations- und Kommunikationstechnologie (vgl. ebd.). Menschen mit kognitiven, psychischen oder physischen Einschränkungen können mit deren Hilfe unter Umständen ein selbstbestimmteres und gesellschaftlich integriertes Leben führen. Allerdings mit der Einschränkung, dass sie durch diese Technik, die sie unterstützt, gleichzeitig überwacht und reguliert werden. Damit stehen der gewonnenen Unabhängigkeit und Sicherheit Einschränkungen der persönlichen und bürgerlichen Freiheit gegenüber. Auf der Ebene der Wissenschaftstheorie und -methodik bedeutet dies, dass die Forschungsethik für die Fragen offen sein muss ob die Forschung interessensorientiert oder wertorientiert ist oder auch nicht. 4.5.2 Ethik-Selbsteinschätzung von Forschung und Innovation in der EU (2019) Bei internationalen Forschungsprojekten ist es mittlerweile eine obligatorische Forderung, dass die Projekte nach ethischen Grundsätzen durchgeführt werden. Beispielsweise im Rahmen der Ausschreibungen EU-Horizon 2020 ist bereits bei der Antragstellung ein Ethics Self-Assessment verpflichtend. „Bei allen von der Europäischen Union finanzierten Aktivitäten ist die Ethik ein integraler Bestandteil der Forschung von Anfang bis Ende. Die Einhaltung der Ethik wird als entscheidend für die Erreichung echter Forschungsexzellenz angesehen. Es besteht eindeutig die Notwendigkeit einer gründlichen ethischen Bewertung ab der konzeptionellen Phase des Vorschlags, nicht nur um den Rechtsrahmen einzuhalten, sondern auch um die Qualität der Forschung zu verbessern. Ethische Forschung bedeutet die Anwendung ethischer Grundprinzipien und Gesetze auf die wissenschaftliche Forschung in allen möglichen Forschungsbereichen. Der Prozess zur Bewertung und Behandlung der ethischen Dimension der im Rahmen von Horizont 2020 finanzierten Aktivitäten wird als Ethikbewertungsverfahren bezeichnet“ (European Comission Ethic and Innovation, 2019)35. 35 http://ec.europa.eu/research/participants/docs/h2020-funding-guide/cross-cuttingissues/ethics_en.htm 87 Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Recht auf Privatsphäre, auf Schutz personenbezogener Daten, auf die körperliche und geistige Unversehrtheit einer Person, auf Nichtdiskriminierung und der Notwendigkeit, ein hohes Maß an Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten (vgl. Horizon 2020 Rules for Participation: Ethics Reviews (Article 14). "Die Ethikprüfung zielt darauf ab, (gegebenenfalls mithilfe unabhängiger Experten) sicherzustellen, dass alle im Rahmen von ERC-Grants durchgeführten Forschungsarbeiten den europäischen ethischen Grundwerten entsprechen. Die Ethikprüfung umfasst auch die Ethiküberwachung" (ebd.). 4.5.3 Forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusive-partizipative Forschung Forschungsethischen Grundsätze, wie sie oben benannt werden, werfen Fragen auf und stellen Forschungsprojekte für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen vor besondere Herausforderungen. Im deutschsprachigen Raum werden diese forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusivepartizipative Forschung bislang kaum diskutiert (siehe Kapitel 6 State of the Art – Ein Überblick zur inklusiven-partizipativen Forschung). Auch Forschungssettings zur inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung selbst werden in der Literatur nur sehr begrenzt thematisiert, wie die Einstellung der akademischen Forscherin oder des Forschers oder die Vorbereitung der CoResearchern auf die Forschungsaufgabe (vgl. STRNADOVÁ, I. et al.2013). Inklusive Forschung im Sinne der UN-BRK bedeutet, dass Forschung und Entwicklung im Hinblick auf eine inklusive Beteiligung der beforschten Zielgruppe neu definiert und gestaltet werden und die Grundsätze für eine inklusive-partizipative Forschung formuliert werden müssen. Ein ethisch reflektiertes Forschungshandeln in der qualitativen Methoden-Debatte ist deshalb erforderlich, da einige der bisherigen Grundsätze nicht ohne weiteres übertragbar sind. Der Forschungs- und Arbeitsprozess soll sich nicht nur wie bisher an den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen ausrichten, sondern er soll mit ihnen gemeinsam gestaltet werden (vgl. Artikel 4 Absatz 3 UN-BRK). Trotz der Anerkennung in der Sonderpädagogik, dass Menschen mit geistiger Behinderung in der Regel selbst am besten wissen, was ihnen wichtig ist und was sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen – sie sind Experten in eigener Sache – werden sie auch wegen fehlender Qualifikation und aufgrund ihrer mangelnden Sprachkompetenz oftmals aus dem Diskurs zu Behinderung ausgeschlossen (vgl. TRESCHER, H. 2015: 261-264). 88 Noch wird selten mit ihnen, stattdessen oft über sie und ihre Behinderung geforscht (vgl. HORNERJOHNSON/BAILEY 2013). Die Einschränkung, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen sich nicht adäquat äußern können, darf nicht uneingeschränkt stehen bleiben. Es ist auch eine ethische Aufgabe, das von Valentin Aichele, Leiter der Beobachtungseinheit UN-BRK, anlässlich der Veröffentlichung des Sammelbandes "Gleichheit vor dem Recht" im Jahr 2013 vorgeschlagene Modell der assistierten Handlungsfähigkeit zu entwickeln (vgl. AICHELE, V. 2013) und in der inklusiven Forschung umzusetzen. Auf den ersten Blick ist bei Forschungsanlässen nicht immer ersichtlich, was der richtige oder bessere Weg ist bzw. was für Menschen mit kognitiven Behinderungen ethisch vertretbar ist. Es ergeben sich Fragen an die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung wie beispielsweise: Frage 1: Welche Auswirkung hat die inklusive Forschung auf die Beteiligten? Eine Auswirkung eines Forschungsvorhabens könnte die Stärkung der sozialen Rolle sein. Wenn beispielsweise Menschen mit Behinderungen erfahren können, dass sie als aktive Forschende in einem ursprünglich akademischen und sozial hochanerkannten Tätigkeitsfeld tätig sind (HAUSER, M. 2013). Unger v. beschreibt den Prozess auch als Selbst-Befähigung und -Ermächtigung (vgl. UNGER V., H. 2014: 35). Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher lernen hierbei nicht nur forschen, sondern erkennen durch ihre Aktivität neue Eigenschaften bei sich, und sie lernen Ideen zur Veränderung zu entwickeln (vgl. Teil B, Konzept). Frage 2: Inwieweit kann die inklusive Forschung das Umfeld der Beteiligten und/oder Politik oder Praxis verändern? Dass sich Politik oder die Praxis verändern, dauert meist lange. Positive Beispiele zeigen, wo Menschen mit kognitiven Behinderungen bei Fragen, die ihre Person betrifft, oder in politische Fragen im Zusammenhang mit Behinderung involviert sind. Sie werden als Experten von der Politik in Ausschüssen 36 oder von der Ethikkommission befragt. Frage 3: Wann verwandelt sich inklusive Forschung in Interessenvertretung? Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, da es bei der inklusiven und/oder partizipativen Sozialforschung darum geht, durch die Beteiligung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu ermutigen ihre eigenen Interessen zu vertreten. 36 So wurden in der BRK-Allianz Menschen mit kognitiven Behinderungen in den Prozess der Überprüfung von Zustandsberichten einbezogen. 89 Beispielsweise wurde das bundesweit in Deutschland arbeitende Institut bifos unter anderem ins Leben gerufen, um emanzipatorische Forschung im Bereich Behinderung voranzutreiben. Für bifos ist inzwischen eine Interessenvertretung. Ihr ist vor allem wichtig, die Perspektiven behinderter Menschen in Bezug auf ihre eigene Lebenssituation sichtbar zu machen37. Frage 4: Welchen Mehrwert bringt Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen als Co- oder Peer-Forscherin oder Peer-Forscher? Der Mehrwert der inklusiven Forschung liegt zum einen im Wissen und in der Erfahrung der Peers, die diese Art der Forschung erst möglich gemacht haben. Zum anderen konkretisieren die unterschiedlichen Kooperationsmuster und der interdisziplinäre Austausch mit Menschen mit kognitiver Behinderung die Forschungsarbeit (vgl. HEUMADER, P./ Edler C. 2018: 439 ff.). 4.5.4 Forschungsethik für inklusive Forschung und Entwicklung und das Wissenschaftssystem Das deutsche Wissenschaftssystem ist im Vergleich zu anderen Ländern überwiegend von Forschung und Lehre geprägt (vgl. BMBF), wobei die Umsetzung des erworbenen Wissens oftmals nachrangig ist. - Dies kann bei der inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung für die PeerForscherinnen oder Peer-Forscher, wenn keine Umsetzung erkennbar ist, problematisch sein. In der sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Forschung sind verschiedenen ethische Grundsätze bekannt wie Schadensminimierung, Informiertes Einverständnis, Selbstbestimmung, Freiwilligkeit und Vertraulichkeit. (vgl. UNGER V., H./NARIMANI, P. 2014). Aber nicht nur in der qualitativen Forschung, sondern eben auch beim experimentellen Design und in der Forschung und Entwicklung ergeben sich ethische Fragen bei der Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen und an die Forschungsprozesse. Solche Fragen tauchen in jeder Phase des Forschungsprozesses auf und die ethische Reflexivität sollte ein wichtiger Bestandteil jeder Forschungspraxis sein (vgl. UNGER von, H. et al. 2016). Welche ethischen Anforderungen und Fragen sich insbesondere für die Teilnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen bei einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz stellen, wird nachfolgend in der Literaturrecherche über Participatory Action Research (PAR) von COONS und WATSON (2013) dargestellt. COONS und WATSON haben eine Reihe von Herausforderungen aufgelistet. Es geht beiden um die Frage, wie sich Forschungsprozesse verbessern lassen, um die Zielgruppe vollständig in die Forschungsumgebung zu integrieren (vgl. Coons, K./Watson, S. 2013). 37 http://www.bifos.org/index.php/der-verein 90 Sie beschreiben zuerst die Anwerbung von Personen, die an der Forschung teilnehmen (können), als schwierig, da sich die ethischen Probleme, die bei einer informierten Einwilligung auftreten, als entscheidend erweisen würden. Forscherinnen/Forscher würden mehr Zeit benötigen, um ihre qualitativen Studien zu planen und um diesen 'Informed Consent' zu erhalten. Zudem sei es wichtig zu dokumentieren, mit welchen alternativen Methoden, visuell oder auditiv, diese Einwilligung erreicht worden sei, da viele von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht lesen oder schreiben können. Forschungsbeziehung, Angemessene verantwortungsvolles Sprache und Risikomanagement, Kommunikation, transparente offene Wissens- verbreitung in der Forschungskompetenz sind für sie wichtige Faktoren, die die gesamte Teilhabe beeinflussen (vgl. ebd.: 16f). Ein weiteres Problem sehen COONS und WATSON wie auch andere Wissenschaftler bei der Kommunikation. Personen mit leichter bis moderater Lernbehinderung falle es leichter, sich zu äußern und an Forschung teilzunehmen, weil diese eher in der Lage seien, Fragen zu stellen oder zu verstehen und ihre Ansichten sowohl in Bezug auf ihr Sprachverständnis als auch auf ihre Sprachkompetenz und Aussprache sich zu artikulieren. Auch die Art und Weise, wie die akademischen Forscherinnen/Forscher Fragen stellen, sei relevant. COONS und WATSON stellen fest, dass direkte Fragen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eher verstanden würden. Dies betrifft das Thema Accessibility in und während der Forschung (hierauf wird im Teil B näher eingegangen). Bei der Partizipativ Action Research (PAR) Methode sei außerdem die Vorbereitung und ggf. Schulung sowie ein mehrstufiges Vorgehen mit der Zielgruppe sinnvoll (vgl. ebd.: 18). Die Beteiligung am Prozess der Datenanalyse sehen sie als besonders schwierig an. Dieser Prozess sei zu komplex und könne zudem entmutigend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sein. Sie bezeichnen das mit Disempowering (vgl. ebd.: 19). Sie stellen fest, dass Zielgruppen als Berater für die PAR Methode in allen Stadien der Forschung hilfreich seien. Durch sie könnten Fehlinterpretationen vermieden und der Verlauf der Forschung im Sinne der Teilnehmerinnen und Teilnehmern beeinflusst werden. Dabei müsse allerdings sichergestellt sein, dass diese an allen Schritten des Forschungsprozesses aktiv beteiligt seien. Besondere Aufmerksamkeit widmen beide der Beurteilung des 'Informed Consent', der Kapazitäten und Ressourcen des Forschungsteams, sowie die Wirkung von spezifischen Behinderungen auf den Forschungsprozess. 91 Es zeigt sich auch hier, dass zunächst viele Schwierigkeiten im Wissenschaftssystem überwunden werden müssen, um Menschen mit kognitiven Behinderungen die Teilnahme an realer Forschung zu ermöglichen. Die Schlüsselfrage bleibt jedoch, ob die Einstellung, die nach Absichten und Handlungsmotiven, z. B. in einem bestimmten Forschungsthema und das Erkenntnisinteresse, fragt, alleine als Rechtfertigung genügt, oder ob die Verantwortung für die als wahrscheinlich und vorhersehbaren Folgen des Handelns berücksichtigt werden soll (vgl. RATH, M. 2013: 467). 4.5.5 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen als Cobzw. Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung und Entwicklung Um Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht nur die Teilnahme als Akteure in der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen, sondern auch die Entwicklung eines nutzerzentrierten Designs als Co-Forscherinnen und Co-Forscher maßgeblich zu beeinflussen, wird im zweiten Teil dieser Arbeit ein inklusives partizipatives Forschungskonzept mit ihnen vorgeschlagen. Trotz der hier diskutierten praktischen, ethischen Fragen und möglichen Implikationen müssen neue Wege gefunden werden, um Menschen mit kognitiven Behinderungen auf gleichberechtigter/demokratischer Basis in ein Forschungsprojekt einzubeziehen, das sich mit ihren Anliegen befasst. "Forschung, bei der Menschen mit Lernschwierigkeiten als Anstifter von Ideen, Forschungsdesigner, Interviewer, Datenanalytiker, Autoren, Multiplikatoren und Nutzer beteiligt sind" (WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003, S. 62). Laut JONAS sollten zu diesem Zweck alle verfügbaren Erkenntnisse genutzt werden, auch um mögliche negative Auswirkungen auf Mensch und Natur auszuschließen, wobei er die Diskrepanz zwischen Vorherwissens und der Handlungsfähigkeit als problematisch hervorhebt. Die ethischen Grenzen des Machbaren einer neuen Technologie sieht JONAS in dem Wissens- und Machtvorsprung eine langfristige Zukunftsverantwortung (vgl. JONAS, H.1979: 28). SIEGERS und HENDRICKS (2015) werfen einen differenzierten Blick auf die gemeinsame Forschung. Sie beschreiben die Probleme und Schwierigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die hierbei mit ihren eigenen Grenzen oder mit anderen Teilnehmern, die mit ähnlichen Beeinträchtigungen leben, konfrontiert zu werden. Vor allem, wenn die anderen Teilnehmer mehr oder weniger stark eingeschränkt sind oder die Hürde überhaupt eine gemeinsame Arbeitsplattform mit Menschen mit schwerwiegenden Einschränkungen in Bezug auf Ort, Zeit und Kommunikation überhaupt herstellen zu können. 92 Viele Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler erleben durch die Erfahrungen bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen Auswirkungen auf ihr eigenes Leben. Manche von ihnen beschreiben, dass einige ihrer Projekte für sie sehr emotional gewesen seien, und dass sie zu Beginn ihrer Projekte nicht ausreichend für den Umgang mit den Teilnehmern vorbereitet waren (vgl. ebd.). Das Co-Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen fordert Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler aufgrund von unterschiedlichen Erfahrungen sowie der Tatsache heraus, dass viele etablierte Co-Design-Methoden und Techniken nicht angemessen sind und angepasst werden müssen (vgl. SIEGERS, K. et al. 2015). SIEGERS et al. empfehlen hier als Methode zum Beispiel »Codesign-Stories«. Der Vorschlag basiert auf LEES sogenannten Methodengeschichten (LEE, J.-J. 2012: 14). LEE stellt universelle, standardisierte Methoden des Human-Centered Design generell infrage, da jede Methode kulturell begrenzt sei und daher die Gegebenheiten berücksichtigen werden müssen, in denen sie angewendet wird (vgl. ebd.: 6). Überlegungen zu einer ethisch-verantwortungsvollen Forschung mit Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung § „Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sollten von der Teilnahme an einem Forschungsprojekt profitieren und keinerlei Nachteile davontragen. Dieses ethische Primat gilt für den gesamten Forschungsprozess und ist in allen Kontexten einer Untersuchung zu beachten und einzuhalten.“ (BUCHNER 2008 b: 1) – Dies ist insofern relevant, als diese Gruppe gerade wegen der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten viel verletzlicher ist als Menschen ohne Behinderungen. § Wenn inklusive-partizipative Forschung als Methodologie angestrebt wird, dann sollten die beteiligten Personen: Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher, Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen/Entwickler und Sinn und Zweck der Forschung klären und sich bereits vor Beginn eines Forschungsvorhabens kennenlernen, um eine Vertrauensbasis aufzubauen (vgl. HAGEN, J. 2002); § Menschen mit kognitiven Behinderungen, die hier als Peer-Forscherinnen und PeerForscher teilnehmen, sind keine Forschungsobjekte, sondern müssen als Betroffene in Entscheidungen, die auf Basis der Evaluationsergebnisse getroffen werden, einbezogen werden. Es darf niemand auf Grund schwerer oder mehrfacher Behinderung ausgeschlossen werden (vgl. NIND, M. 2014); § Ein zentraler Punkt für eine verantwortungsvolle Ethik bei einem inklusiven Forschungsdesign ist das vollkommen freiwillige Einverständnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die fortlaufende Zustimmung sowie die fortlaufende Möglichkeit des Widerrufs (vgl. CUTLIFFE, J./ RAMCHARAN, P. 2002: 1007); 93 § 94 Es müssen alle Informationen während des Forschungsvorhabens, wie auch das Informed Consent selbst, das Forschungsvorhaben (Inhalt), Ziele der Forschung, Weiterverarbeitung der Informationen und Fragen der Anonymität in leichtem verständlichem Format bzw. Sprache für die Zielgruppe verständlich erklärt und bestenfalls auch schriftlich bestätigt werden (vgl. NIND M. 2011; STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017); 5 VERORTUNG: VERNETZTE LEBENSWELT – FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG MIT MENSCHEN MIT KOGNITIVEN BEHINDERUNGEN „Gelingt es uns, die Welt als vernetzt zu betrachten, hören wir auf, alles nur in Schwarz oder Weiß zu sehen.“ Dalai-Lama (2009) ÜBERBLICK Im Mittelpunkt stehen zunächst die Mensch-Computer-Interaktion (HCI), Internet of Things (IoT) und die vernetzten Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen sowie um die Forschung und die Forschungspraxis selbst. Neue Web-Technologien, die "neuen Medien und digitalen Dienste", haben das Potenzial, Inhalte anzubieten und den Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen individuell zugänglich zu machen. Die Mensch-Computer-Interaktion (HCI) ist ein komplexes interdisziplinäres Forschungsfeld, im Bereich der Forschung und Entwicklung, dass hier zunächst beschrieben werden soll, um den Zusammenhang zu einem neuen inklusiven Forschungsansatz herstellen zu können. Sowohl die kognitive Zugänglichkeit (cognitive accessibility) als auch Medienkompetenz werden hier aus Sicht der Forschung und Entwicklung in den Blick genommen. Ziel ist die Entwicklung eines benutzerzentrierten Konzepts für die Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen. Dazu müssen zunächst für Forschung und Entwicklung Parameter für einen inklusiven partizipativen Ansatz für die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen definiert werden. 95 5.1 Mensch-Computer-Interaktion und vernetzte Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen Mensch-Computer-Interaktion (HCI) Mensch-Computer-Interaktion (Human Computer Interaction, HCI) ist das Forschungsgebiet, das sich mit der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine befasst. Es ist der Bereich, der sich mit Fragen der nutzer- und kontextgerechten Gestaltung 'intelligenter', daten-verarbeitender Systeme beschäftigt. Die Herausforderung besteht darin, die Interaktion zwischen Mensch und Computer effektiv und effizient zu gestalten (vgl. HOLZINGER A. 2018). Der Beginn der Mensch-Computer-Interaktion war in den 1960er Jahren (vgl. WOLETZ, J. 2016: 10). Traditionelle Technologien und Geräte waren oft unflexibel mit einer problematischen nicht barrierefreien Bedienung (Knöpfe, Schalter, Regler, Menüs …). Neue Geräte änderten im Laufe der Zeit zwar ihre Bedienmechanismen, die jeweils neu erlernt werden mussten und dadurch neue Probleme mit sich brachten (vgl. MIESENBERGER, K. 2009). 3. Abb. Internet of Things, (Quelle: eigene Darstellung 2018) Die Entwicklung digitaler Medien und Human Computer Interaction HCI sind eng miteinander verbunden. HCI als Spezialgebiet der Informatik schließt die Kognitionswissenschaft ein. Sie versteht menschliche kognitive Prozesse als Informationsverarbeitung und verbindet interdisziplinäre Ansätze aus der Kognitionspsychologie, Informatik (Künstliche Intelligenz), Neurowissenschaft und Anthropologie (vgl. METZINGER, T. 1996). Es geht um die Erforschung des Designs und des Einsatzes von Computertechnologien, an der Schnittstelle (Interface)38 zwischen Menschen (als Anwender) und Computer. 38 HCI ist Standard. Fast alle technologischen Systeme benutzen diesen Standard, ob zu Hause, am Arbeitsplatz, im Auto oder persönliche Geräte. 96 Internet of Things Der Begriff Internet of Things (Internet of Things, IoT) geht auf KEVIN ASHTON zurück, der ihn 1999 erstmals verwendete. Internet der Dinge (IoT) bezeichnet die Vernetzung zwischen den 'intelligenten' Systemen sowohl untereinander als auch nach außen hin mit dem Internet (vgl. ASHTON, K. 2009). Verschiedene Objekte und Alltagsgegenstände sind via IP-Netz miteinander verbunden. Im Jahre 1999 macht auch der Fachbereich Mensch-Computer-Interaktion innerhalb der Gesellschaft für Informatik (GI) auf sich aufmerksam. technische Fokus liegt auf der Informatisierung, Technologiesierung und Computerisierung aller Lebensbereiche und einer menschengerechten Zukunft. Gleichzeitig veränderte sich die digitale Gesellschaft stetig. Das Internet der Dinge brachte eine neue Wende in der Digitalisierung. Die Informations- und Kommunikationstechnologie wird zunehmend in die uns vertrauten Dinge des täglichen Lebens eingebettet (embedded computing). Sie machen unsere Umgebung bzw. unser Zuhause smart (intelligent). Dinge oder Geräte in unserem Zuhause, Kleidung, Gegenstände werden physische Zugangsobjekte zu Internetdiensten und/oder werden selbst informativ, zum Beispiel smarte Kleidung, Smartwatch, Smart Home, Smart Living (vgl. GRIMM, P. 2016). „Die erfolgreiche und wirkungsvolle Nutzung von computergestützten Kommunikationsund Informationsangeboten ist zunehmend für Menschen aller gesellschaftlicher Schichten und Funktionen relevant. Gleichzeitig werden die technischen Systeme, ihre Struktur, Funktionalitäten und Interaktionsformen komplexer, obwohl oder gerade, weil die Systeme durch Miniaturisierung, Vernetzung und Einbettung immer weniger sichtbar und damit auch immer weniger (be-)greifbar werden“ (HERCZEG, M. /KOCH, M. 2015: 290). Viele Dienste (Services) und Funktionen werden heute bereits über standardisierte Interfaces genutzt (vgl. MIESENBERGER, K. 2013: 28). Die Gestaltung dieser Schnittstellen mit der Entwicklung des Dialoges zwischen Mensch und Maschine über einen gewissen Zeitraum hinweg ist Aufgabe des Interaktionsdesigns. HCI und Interaktionsdesign sind kaum voneinander zu trennen, denn jedes Interaktionsdesign benötigt meist auch ein Interface (vgl. ebd.). Beispielsweise der Suchmaschinenkonzern Google zeigt mit seinen unterschiedlichen Diensten, wie Interaktionen mit dem Computer in der Praxis aussehen können. Die Sprachsteuerung der Suche von Google, ähnlich wie Siri von Apple, ist eine dieser Zukunftstechniken. Die Datenbrille Google Glass funktioniert fast ausschließlich über Sprachbefehle. 97 Auch die Ergänzungsfunktion der Google Suche, Google Suggest (für die Keyword-Recherche), gehört zu HCI. Der User bekommt bereits bei der Worteingabe Vorschläge zum Vervollständigen seiner Suchanfrage. 4. 5.1.1 Abb. Verschiedene Dienste von Google (Quelle Google) Die Zugänglichkeit zum Netz Die Interaktion zwischen Mensch und Computer umfasst verschiedene Elemente, die im Folgenden kurz aufgelistet werden. Bei der Interaktion müssen sowohl funktionale als auch ästhetische Elemente berücksichtigt werden. Brauchbarkeit/Nützlichkeit (usefulness), Benutzbarkeit (usability und accesibility) und Ästhetik und Design (enjoyability) sollen ausgewogen zusammenwirken (vgl. HOLZINGER A. 2018). Hierbei wird die aktuelle Gestaltung der Internet of Things (IoT) in der Regel durch die technischen Innovationen und ihre Machbarkeit bestimmt. Die Zugänglichkeit und der Mensch, der am Ende der digitalen Prozesse und mit digitalen Produkten arbeiten muss, wird häufig zu wenig berücksichtigt. Nützlichkeit - Usefulness Dies betrifft in erster Linie die Nützlichkeit (Usefulness) einer Anwendung oder eines Produkts. Sie ist oft wichtiger als die Usability-Bewertungen (vgl. LUND, B. A. M. 2001). Hierbei geht es um die Perspektive der Nutzung. Bewertung der Nützlichkeit aus Sicht des Users: § § § § § § § § 98 Es (das Produkt, die Anwendung) hilft mir, effektiver zu sein.  Es hilft mir, produktiver zu sein.  Es ist nützlich.  Es gibt mir mehr Kontrolle über die Aktivitäten in meinem Leben.  Es erleichtert die Dinge, die ich erledigen will.  Es spart mir Zeit, wenn ich es benutze.  Es erfüllt meine Bedürfnisse. Es tut alles, was ich von ihm erwarten würde (vgl. ebd.). Usability – Benutzerfreundlichkeit Usability bezeichnet ein weiteres Qualitätsmerkmal, das die Benutzerfreundlichkeit von Benutzeroberflächen bewertet (vgl. NIELSEN, J. 2012). Kenntnisse über Usability und Accessibility für Menschen mit Behinderungen betreffen jedoch hauptsächlich körperliche Einschränkungen in Bezug auf Sinneswahrnehmung und körperliche Interaktion. Die Zugänglichkeit (Barrierefreiheit) zu IoT oder digitalen Diensten, wie auch die Internetzugänglichkeit selbst, ist daher meist in Bezug auf visuelle, auditive und körperliche Behinderungen beschränkt. Enjoyability – angenehm, Vergnügen/Freude) Enjoyability spielt ebenfalls bei der Entwicklung einer Anwendung bzw. bei einem Produkt eine wichtige Rolle. Nicht zu unterschätzen sind dabei das Aussehen und die Ästhetik. Form, Farbe, Material, Oberfläche aber auch die Gestaltung sind Faktoren, die die Erscheinung eines Produktes bestimmen. Ist das Aussehen nicht gefällig, wird man dem Produkt weniger Chancen geben, auch wenn es noch so praktisch ist (ebd.). Dass der Zugang vor allem zum Internet für Menschen mit kognitiven Behinderungen bis heute nicht selbstverständlich ist, belegt unter anderem der Forschungsbericht zur Mediennutzung von Menschen mit Behinderungen von UWE HASEBRINK und INGO BOSSE (2016). Die große Mehrheit der Befragten nutzte zwar das Fernsehen regelmäßig, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sahen sogar mehr Befragte regelmäßig fern, dagegen ließen sich bei der Häufigkeit der Nutzung des Internets erhebliche Differenzen feststellen. Besonders große Unterschiede wurden bei Menschen mit Lernschwierigkeiten festgestellt. Für sie hatte der Grad der Lesefähigkeit einen erheblichen Einfluss auf die Nutzung aller Medien (vgl. HASEBRINK, U./BOSSE, I. 2016: 9). Zu diesen Aspekten gibt es wenig dokumentiertes Wissen über die Zielgruppe. Kognitive Behinderungen oder Beeinträchtigung werden in diesem Zusammenhang oft als ein Oberbegriff für viele verschiedene Behinderungen, Zustände oder Störungen gebraucht, die von leicht bis schwerwiegend reichen können. Dies betrifft Menschen mit intellektuellen Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Autismus oder Autismus-Spektrumstörungen, auch Menschen mit einer Alzheimer-krankheit oder Demenz. Zugehörige Auswirkungen können sein: Kurz-/Langzeitgedächtnisprobleme, sensorische Überlastung, Aufmerksamkeitsstörungen, Verarbeitungsgeschwindigkeiten, Schwierigkeiten mit der Problemlösung, Alphabetisierungsprobleme und mehr. In der Forschung und Entwicklung von Mensch-Computer-Interaktion (HCI) für diese Zielgruppen lässt sich ein deutliches GAP (Lücke) ausmachen. 99 Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre Themen sind bis heute kaum im Fokus von Technologieentwicklung und Forschung (vgl. LEWIS, C. 2005; BOHMANN, R. P. 2007, MIESENBERGER, K. 2014; ISTENIC STARCIC, A./ BAGON, S. 2014). Sie sind auch selten Teilnehmerinnen oder Teilnehmer in der Forschung, obwohl die Prinzipien des User Centered Design (UCD) mit Einbeziehung der User (vgl. NIELSEN, J. 1991; SHNEIDERMAN, B. 2000) auf eine generelle Akzeptanz treffen. Forschung und Entwicklung erfordert für die Zielgruppe einen interdisziplinären Ansatz unter Berücksichtigung methodologischer, rechtlicher, ethischer und sozialer Fragen. Die Entwicklungsingenieure sind sowohl auf ihr eigenes technisches Know-how, als auch auf pädagogisches, kognitives, psychologisches, linguistisches und semantisches Wissen angewiesen, um entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit kognitiven Behinderungen als User gerecht zu werden. Zudem ist die Beteiligung der jeweiligen Zielgruppe erforderlich, nicht nur um der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu entsprechen. 5.1.2 Cognitive Accessibility und HCI Cognitive Accessibility (Kognitive Zugänglichkeit) und Design sind ein relativ neuer Bereich, für den es noch keine festgelegten Standards gibt. Cognitive Accessibility beschreibt zunächst die Schwierigkeiten bei der Nutzung von Web-Technologien für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. kognitiven Behinderungen in den Bereichen der Aufmerksamkeit, Führungsfunktion, Wissen, Sprache, Alphabetisierung, Gedächtnis, Wahrnehmung und Argumentation (vgl. W3C/ SEEMANN, L./ COOPER, M. 2018). Eines der Hauptthemen, das sich aus der bisherigen Diskussion ergibt, ist der Widerspruch zwischen den vielen unterschiedlichen Bedürfnissen der User mit kognitiven Behinderungen und dem Design. e-Inclusion ist ein weiterer Begriff, der hier verwendet wird, um die Tatsache zu beschreiben, dass man jeweils unterteilt, in Personen, die entweder Zugang zu modernen, vernetzten Systemen haben, in denen hoch entwickelte Applikationen, Sensoren, mobile Geräte und Maschinen intelligent überwachen und steuern und Personen, die eben keinen Zugang dazu haben und diese deshalb nicht nutzen können. Dabei ist für manche Menschen die kognitive Zugänglichkeit das Problem oder Teil einer Herausforderung. Zugänglichkeitsanforderungen gibt es auf vielen verschiedenen Gebieten. Wenn immer mehr Dienste digitalisiert werden, werden wahrscheinlich auch die mentalen Probleme der User (nicht nur derer mit kognitiven Behinderungen) zunehmen. Kognition kann hier als Informationsverarbeitungsprozess verstanden werden. Das heißt Informationen zu dekodieren, zu verarbeiten, zu verstehen und sie zum Teil einer mentalen Landkarte oder eines Konzepts zu machen, um aktiv werden zu können und teilzunehmen. 100 Hierzu werden Methoden, Techniken und Werkzeuge sowie digitale assistive Technologien (ATs) und Dienste zur kognitiven Unterstützung durch Experten entwickelt (vgl. MIESENBERGER, K. 2018). MIESENBERGER versteht darunter auch Service (einen Prozess der Dienstleistungserbringung), der sehr stark mit der Frage der Entwicklung, Anpassung und Unterstützung persönlicher Fähigkeiten und Wissensräume zusammenhängt. Dies erfordert zunächst eine Personalisierung der Inhalte, um eine eigenständige Nutzung und Partizipation zu ermöglichen, was den persönlichen Kontakt und das Verständnis für den individuellen Wissens- und Sprachraum und die damit verbundenen Anforderungen voraussetzt. Es ist von daher keine leichte Aufgabe, Zugänglichkeit und Unterstützung so zu konzipieren und umzusetzen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen digitale Inhalte verstehen, navigieren, nutzen und mit ihnen interagieren können (vgl. ebd.). Die Anforderungen sind vielschichtig und unterscheiden sich innerhalb der Zielgruppe und sogar von Person zu Person. Zu den wichtigsten Problemen bei der Zugänglichkeit von Websites für User mit kognitiven Behinderungen gehören: § zu viele Objekte werden gleichzeitig angezeigt, § zu viel und/oder zu schwieriger Text, § zu kleine Textgröße und zu lange Textzeilen, § mangelnde Logik, z. B. führt ein und dieselbe Aktion zu unterschiedlichen Ergebnissen, § andere Probleme bei der Benutzererfahrung; (vgl. W3C/SEEMANN, L./ COOPER, M. 2019) Die Dokumente »Web Content Accessibility Guidelines 2.0« (WCAG) und das »Cognitive Accessibility Issue Paper« haben hier zu einem breiteren Verständnis geführt, wie zugängliche Inhalte für bestimmte Benutzergruppen erstellt werden können (vgl. ebd.). Um Lösungen für Menschen mit einer kognitiven Behinderung zu finden, bedarf es weiterer Forschung und Diskussion mit den Zielgruppen, um die Entwicklung voranzubringen. 5.2 Das Potenzial von Human Computer Interaction (HCI) und assistive Technik 5.2.1 Mensch-Computer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit Die Innovation digitalen Zugänge im Hinblick auf Inklusion liegt darin, dass jeder Inhalt heute bereits ohne besonders großen Aufwand auf unterschiedlichste Weise aufbereitet und angeboten werden kann. 101 Teilweise ist dies durch bloße Anwendung technischer Mittel herstellbar, etwa durch die Sprachausgabe eines geschriebenen Textes oder die Abschrift eines in Audio vorliegenden Beitrages durch Texterkennungsprogramme, teilweise auch mit redaktioneller bzw. professioneller Unterstützung. Insofern bieten die digitalen Medien die Möglichkeit, dass alle Menschen an den medialen Angeboten teilhaben können. Dies gilt in allen Bereichen der Bildung, in der Kommunikation, in Freizeitangeboten und beruflich (vgl. BÜHLER, C. 2014a: 30). „Neue Medien bieten ein Potenzial, unterschiedlichste Inhalte den Menschen gemäß ihren Fähigkeiten und Vorlieben bereitzustellen und anzubieten" (BüHLER, C. 2010). Software-Engineering und User-Centred Design (UCD) bzw. User-Experience Design (UX) basieren allgemein bereits auf Interdisziplinarität und partizipativen Entwicklungsansätzen mit entsprechenden Forschungsmethoden/Tools. Dabei bietet im Wesentlichen die Multimedialität durch Rechenkapazität, Serviceleistung oder Vernetzung mit anderen Usern im Hintergrund, alternative Zugangsmöglichkeiten. Die Interaktivität, Nutzer angepasste Bedienoptionen und Unterstützungsfunktionen sowie das Online-Angebot vertiefen die Unterstützung durch Anpassung an die Nutzerbedürfnisse (vgl. BÜHLER, C. 2013: 30). BÜHLER nennt hierzu als verfügbare drahtlose digitale Lösungen die Konvergenz auf Smartphones, e-Book-Readern, Tablet-PCs, TV, Radio, PCs, Kiosks. Wichtig erscheint ihm, dass jeder seinen eigenen individuellen Zugang (Tool) hat, mit dem sie/er sich auskennt und der so angepasst ist, dass der User damit selbstbestimmt umgehen kann. Die Systeme sollen als sogenannte LifestyleProdukte als Ergänzung zu den klassischen Printmedien und verbleibenden analogen Angeboten eingesetzt werden können (vgl. ebd.). Darüber hinaus können mit den Kommunikations- und Informationsangeboten persönliche Mobilgeräte mit digitalen Haushalts- oder anderen Alltagsgeräten sowie öffentlichen oder halböffentlichen Tools wie interaktiven Tischen und Wänden etc. vernetzt werden (vgl. HERCZEG, M. /KOCH, M. 2015). Auch MIESENBERGER sieht in der Multimedialität, dass Informationen visuell, auditiv, haptisch, kodiert und präsentiert werden, eine Ergänzung bzw. äquivalente Alternative für die Ausgabe/Präsentation von Informationen. Damit meint er, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeiten des Zuganges zur ein- und derselben Information auf unterschiedliche Art und Weise bekommen können. Die Handhabung wird dabei durch eine standardisierte MenschMaschine-Schnittstelle möglich, die an eine breite Palette alternativer Interaktionsgeräte und assistierende Technologien (AT) angepasst werden kann. Dies erlaubt bei der Eingabe eine umfassende Flexibilisierung und Anpassung an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Nutzerinnen und Nutzer, einschließlich derer mit Behinderungen (vgl. MIESENBERGER, K, 2013: 27). 102 Interdisziplinäre und partizipative Entwicklungen als Hilfe zum Sehen, Hören und für die Motorik für die digitale Teilhabe bei Behinderung sind erfolgreich, aber noch nicht für die Kognition39 (s o.), da diese über die bloße technische Zugänglichkeit (Usability und Accessibility) hinausgeht. Usability und Accessibility basieren bislang nur auf einer allgemeinen Verständlichkeit. Die vorhandenen Ansätze funktionieren für Menschen mit kognitiven Behinderungen oftmals nicht, weil sie auf einer Sprache und einem Verständnis beruhen, die schwer zugänglich sind und den individuellen Anforderungen und ihren kognitiven Zugänglichkeitsanforderungen nicht immer entsprechen. 5.2.2 User-Centred Design (UCD) und User-Experience Design (UXD) 2004 bereits empfahl WALOSZEK, die zukünftigen Nutzer in die Entwicklung neuer Software zu integrieren. “With the ever growing spread of computers into our daily lives, software application design is more and more focusing on untrained and casual users. These users have very different requirements from professional users who for a long time dominated the business scene. Developers need to take this new breed of users seriously and design applications that do not frustrate them” (vgl. ebd.).40 Das User-Centered Design (UCD) orientiert sich an Bedürfnissen, Fähigkeiten, Aufgaben, Kontext und Umfeld der Nutzerinnen und Nutzer, die hier von Anfang an in den Entwicklungsprozess mit einbezogen werden. Das bedeutet, dass Designerinnen/Designer und Entwicklerinnen/Entwickler technischer Anwendungen oder Produkte die jeweiligen Nutzerforderungen berücksichtigen und versuchen diese in sinnvolle, bedarfsgerechte Lösungen zu integrieren. Mit UCD werden alle Aspekte der Erfahrungen eines Users bei der Interaktion mit einem Produkt, einem Dienst, einer Umgebung oder einer Einrichtung umschrieben. Eine der Grundlagen hierfür ist die Nutzerforschung bei der Gestaltung von interaktiven Systemen und digitalen Anwendungen sowie die Auseinandersetzung mit dem Design, der Realisierung und der Bewertung der Anwendungen. 39 Der Begriff Kognition wird allgemein verwendet, um die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen zu beschreiben. Hier bezieht sich Kognition auf die Transformation von Informationen, die von einem verhaltenssteuernden System durchgeführt wird. 40 „Mit der ständig wachsenden Verbreitung von Computern in unserem täglichen Leben konzentriert sich das Software-Anwendungsdesign mehr und mehr auf ungeübte und gelegentliche Benutzer. Diese Benutzer haben ganz andere Anforderungen als professionelle Benutzer, die lange Zeit die Geschäftswelt dominierten. Entwickler müssen diese neue Art von Benutzern ernst nehmen und Anwendungen entwerfen, die sie nicht frustrieren.“ (Waloszek, G. 2004) 103 In einem ersten Schritt werden zunächst die Bedürfnisse, Wünsche, Intentionen und auch eventuelle Begrenzungen des Users ermittelt, um später daran den Entwicklungsprozess auszurichten. Ziel des User-Centered Designs ist eine hohe Benutzerfreundlichkeit (Usability). Für die Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen sind aber nicht nur IoT oder digitale Dienste wie die Internetzugänglichkeit von Nutzer-Websites, Services und E-Commerce schwer zu handhaben, sondern auch Fahrkartenautomaten, digitale Hinweisschilder und viele andere Online-Systeme, die ihnen Schwierigkeiten bereiten (PERNICE, K./ NIELSEN, J. 2001). Ihnen fehlt an Benutzerfreundlichkeit (Usability). NIELSEN definiert Usability für das Lesen im Web 5 Qualitätskriterien: § Lernfähigkeit: Wie einfach ist es für den User, grundlegende Aufgaben bei der ersten Begegnung mit dem Design zu erledigen? § Effizienz: Sobald die User das Design kennengelernt haben, wie schnell können sie Aufgaben ausführen? § Einprägsamkeit: Wenn User nach einer Zeit der Nichtbenutzung zum Design zurückkehren, wie leicht können sie dann ihre Kenntnisse wiederherstellen? § Fehler: Wie viele Fehler machen User, wie schwerwiegend sind diese Fehler und wie leicht können sie die Fehler beheben? § Zufriedenheit: Wie angenehm ist es, das Design zu nutzen? (vgl. NIELSEN, J. 1997). Laut MIESENBERGER gibt es weitere Qualitätsmerkmale für Usability. Ein Schlüssel für Usability ist das Benutzen selbst. Benutzerfreundlichkeit und das Benutzen bestimmen gemeinsam, ob etwas nützlich ist: Ist es wirklich das, was die User brauchen? „Es spielt dabei keine Rolle, ob etwas einfach ist, wenn es nicht das ist, was man will. Es ist auch nicht gut, wenn das System hypothetisch das kann, was sie wollen, aber sie es nicht realisieren können, weil die Benutzeroberfläche zu anspruchsvoll ist. Um den Nutzen eines Designs zu untersuchen, kann man dieselben Methoden der Benutzerforschung anwenden, durch die die Benutzerfreundlichkeit verbessert wird“ (MIESENBERGER, K. 2016: 8 f.). Man spricht auch von User-Experience Design (UXD). UCD bzw. UXD basieren auf Interdisziplinarität und partizipativen Entwicklungsansätzen mit entsprechenden Forschungsmethoden/Tools. UXD umschreibt die (positive) Erfahrung mit digitalen Anwendungen. Bei beiden geht es um eine ganzheitliche Betrachtung des Users, um positive Nutzererfahrungen, um die Wahrnehmungen der Nutzer und ihre Reaktionen auf eine Software, ein Produkt oder eine Dienstleistung während der Nutzung sowie die Erwartungen vor der eigentlichen Anwendung. Klassische Methoden der Anforderungserhebung sind u. a. Befragungs- und Beobachtungstechniken. 104 Während der Entwicklung werden deshalb gewisse Entwicklungsstände immer mal wieder mit realen Usern getestet. Mit diesem User Experience Engineering, in der Softwareentwicklung, hat sich der User-Centred Designansatz etabliert. Forschungsinstitute, wie das FRAUNHOFER INSTITUT, Abteilung Usability und User Experience Design entwickeln derzeit hierzu im Bereich Experience Engineering neue Forschungsmethoden. Sie kombinieren beispielsweise Design Thinking mit dem nutzerzentrierten Design (vgl. FRAUNHOFER FIT – DESIGN THINKING FACTORY 2019). 5. Abb. Was ist UCD – Schritte des Fraunhofer Design Thinking Prozesses (Quelle: Ullmann, J. / Fraunhofer FIT)41 Design Thinking und nutzerzentriertes Design werden verbunden. Dabei geht man tief in das Problemfeld hinein, indem man Nutzergruppen identifiziert, in deren Welt sich Designdenker einfühlen. Der Prozess wird wie folgt dargestellt: „Design Thinking ist ein Prozess, der Kreativität und Nutzerzentrierung fördert. Es ist insbesondere nützlich, um Innovationen für existierende Produkte und Prozesse zu schaffen oder um in eine neue Domäne vorzustoßen. Nutzerzentriertes Design zielt darauf ab, eine konkrete Produktidee möglichst gut an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und z. B. eine hohe Usability und User Experience zu erreichen. 41 Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des FRAUNHOFER-INSTITUTS FIT. 105 Beide Vorgehensweisen bedienen sich aus einem ähnlichen Methodenpool. Gleichzeitig gibt es einige wichtige Faktoren, die beide Ansätze ausmachen, beispielsweise: § Einbeziehung der Nutzer von Anfang bis Ende, § kollaborative Interaktion in einem interdisziplinären Team, § geeignete Umgebung für kreatives Arbeiten, § etablierter Prozess. § Die Chance von neuen Erkenntnissen zu lernen, die eigenen Konzepte zu verbessern und neu zu evaluieren.“ (FRAUNHOFER FIT 2018)42 Diese Vorgehensweise entspricht dem später vorgeschlagenen inklusiven Forschungskonzept zur Forschung und Entwicklung (vgl. Teil B das IPAR-UCD Konzept). Obwohl entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) betroffenen Menschen mit Behinderungen an Forschung zu beteiligen sind, fehlen hierzu bislang ausreichende Erfahrungen, Methoden und Instrumente im Bereich Forschung und Entwicklung. Menschen mit kognitiven Behinderungen brauchen auch während der Forschung und Entwicklung passende Zugänge. Zwischen den beteiligten Nutzerinnen/Nutzern mit kognitiven Behinderungen und Entwicklerinnen/ Entwicklern bestehen aber häufig Kommunikationsprobleme (es kommt zu Missverständnissen oder die Verwendung unterschiedlicher oder schwieriger Fachbegriffe machen Probleme), (vgl. HENNIG, S. 2018: 294-305). Allgemein übliche Methoden für User-Centred Design bzw. für User Experience Design scheitern möglicherweise, weil diese zunächst von allgemeiner Sprache und einem allgemeinen Verständnis ausgehen, die für die Zielgruppe kognitiv schwer zugänglich ist. Probleme können entstehen, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind das zu artikulieren, was sie möchten und brauchen. Menschen mit kognitiven Behinderungen haben häufig Probleme, konkret beschreiben zu können, was ihre Barrieren sind oder welche kognitiven Zugänglichkeitsanforderungen sie haben. Daher wurde bisher bei der Entwicklung für Menschen mit kognitiven Behinderungen oft nur von etwaigen Annahmen ausgegangen oder es wurden Stellvertreteraussagen (Proxyaussagen) von Angehörigen oder anderen betreuenden Personen herangezogen (vgl. HEUMADER, P./ Edler C. 2018: 440). Ohne jedoch die Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst in ihren Einrichtungen und bei ihren Diensten, in die Forschung und Entwicklung mit einzubeziehen, bleiben die Annahmen über Anforderungen und Wünsche der Zielgruppe immer spekulativ und ein gebrauchstaugliches Design für sie ist schwer umsetzbar (vgl. BOHMANN, P. 2016). 42 https://www.design-thinking-factory.fit.fraunhofer.de/de/design-thinking.html 106 Für die Einbeziehung der zukünftigen User selbst sind neue Methoden und Ansätze zur Messung und Schaffung von positiven Nutzererfahrungen (User-Experience) bei der Interaktion mit technischen Produkten erforderlich. Dass die Teilnahme der User im Design-/Entwicklungsprozess bzw. bei der Entwicklung und Forschung notwendig und wichtig ist, stellt GARRETT (2011) in "The Elements of User Experience" vor. Diese geben Hinweise darüber, wie und wann auch Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peers in die Forschung und Entwicklung einbezogen werden können. GARRETT (2011) beschreibt fünf Elemente für User Experience 1. STRATEGIE-EBENE: Nutzerbedürfnisse und Standortanforderungen (User-Needs) Die Frage ist, für wen und warum etwas entwickelt wird. Warum Menschen bereit sind, eine neue Software oder einen Service zu nutzen und warum sie diese benötigen. Ziel ist, die Benutzerbedürfnisse und Ziele im Vorfeld zu definieren. Dies kann durch Befragung der User und Interessengruppen geschehen. è Zunächst sollte sichergestellt werden, ob und in welchem Umfang Menschen mit kognitiven Behinderungen eine neue Software oder einen Service wünschen bzw. benötigen. Frage: Welches Ziel soll das neue Produkt erfüllen? 2. ANWENDUNGS-EBENE: Funktionale Anforderungen und Inhalte Diese Ebene wird durch die Erstellung von Spezifikationen umgesetzt. Funktionale Anforderungen sind Anforderungen an die Funktionen oder Features im Produkt, z. B. wie Features miteinander funktionieren und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Diese Funktionen sind es, die der User benötigt, um die Ziele zu erreichen. Auf der Seite der Inhaltsanforderungen und Informationen gibt es eine Beschreibung der verschiedenen Inhaltselemente, die benötigt werden. è Für das IPAR-UCD Konzept (Teil B) wurden hierzu zunächst verschiedene Methoden zur Requirementanalyse (Analyse der Nutzeranforderungen) weiterentwickelt. Frage: Welche konkreten Funktionen und Inhalte benötigt die Zielgruppe, um diese Aufgaben zu erledigen? 3. STRUKTUREBENE: Interaktions-Design Die Struktur wird auf der Softwareseite durch das Interaktionsdesign festgelegt, in dem definiert wird, wie sich das System gegenüber dem User verhält. Die Struktur ist in zwei Komponenten unterteilt, Interaktionsdesign und Informationsarchitektur. Das Interaktionsdesign wird von den funktionalen Anforderungen her definiert. Es beschreibt, wie der User mit dem Produkt interagieren kann und wie sich das System als Reaktion auf die Benutzerinteraktionen verhält. è Diese Ebenen sind von den Entwicklerinnen/Entwickler mit Berücksichtigung der Betroffenen zu realisieren. 107 Fragen: § Wie ist der Aufbau? Gibt es eine Startseite? § Wie steigt der User in die Nutzung der Seite ein? Wird er bei der Ersteinrichtung z. B. von einem Assistenten begleitet? § Sind die Funktionen verlinkt oder gehe ich direkt zur Bearbeitungsansicht? § Wie wird auf die einzelnen Funktionen zugegriffen? § An welchen Stellen gibt es Hilfen? § Wie werden Fehler und Meldungen behandelt? 4. GERÜSTEBENE: Informations-Design Das Gerüst bestimmt die optische Form auf dem Bildschirm, die Darstellung und Anordnung aller Elemente, die sich mit der Funktionalität des Systems interagieren lassen. Die Informationsarchitektur geht von den inhaltlichen Anforderungen aus. Sie definiert die Anordnung der Inhaltselemente und deren Organisation, um das Verstehen zu erleichtern. Zum Beispiel wie sich der Benutzer durch die Informationen bewegt und wie Informationen präsentiert werden, um sie effektiv, klar und offensichtlich zu machen. è Für Menschen mit kognitiven Behinderungen sollten die Oberflächenelemente so präsentiert und angeordnet werden, dass sie als User einfach über die Benutzeroberfläche durch die Informationen navigieren können. 6. Abb. Bildschirmoberfläche–Einteilung, (Quelle: eigene Darstellung) 5. OBERFLÄCHEN-EBENE: Sensorisches oder visuelles Design Es bestimmt, wie das Produkt aussehen wird und wählt das richtige Layout, die richtige Typografie, die richtigen Farben, etc. aus. Ergänzend können akustische und haptische Elemente verwendet werden, um die Bedienung des Produkts zu unterstützen (z. B. Warntöne oder Vibrationsfeedback). Beim visuellen Design geht es um die strategische Platzierung von Bildern, Farben, Fonts und anderen Elementen zur Förderung von Interaktionen und User-Engagement, z. B. ein Bild gibt eine bestimmte Information. 108 è Die sensorische Gestaltung ist für Menschen mit kognitiven Behinderungen wesentlich. Nur wenn sie die einzelnen Schritte erkennen und verstehen können werden sie in der Lage sein richtig zu interagieren (vgl. GARETT, J. 2011: 31-36). 7. Abb. IPAR-UCD und die 5 Elemente von Garrett, J. 2011, (Quelle: eigene Darstellung) Ziel eines so inklusiv gestalteten Usability-Designs wäre es mit den Peers (qualifizierten PeerForscherinnen und Peer-Forschern) methodisch fundiert mögliche Lösungen, einschließlich Vorteilen und Einschränkungen, für bestimmte Anwendungsmöglichkeiten zu finden. 5.3 Menschen mit kognitiven Behinderungen als aktive Nutzer von IoT (Internet der Dinge) oder digitalen Diensten Anknüpfungspunkte für diese theoretisch-konzeptionellen Überlegungen sind auf der einen Seite die Medienkompetenz, wie das Sozialisationskonzept, als ein Element der Medienbildung der Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen und auf der anderen Seite die MenschComputer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit aus Sicht der Forschung und Entwicklung. 5.3.1 Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen Da die Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen im Zusammenhang mit dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielt, muss hier darauf eingegangen werden. 109 Menschen mit kognitiven Behinderungen, die an Forschung und Entwicklung (in den Bereichen Engineering, Interface-Design-Prozesse) teilnehmen, haben in der Regel bereits Zugang zu den digitalen Medien und verfügen über eine gewisse Medienkompetenz. Medienkompetenz ist hierbei nicht nur funktionalistisch zu verstehen, sondern begründet sich durch die jeweiligen Lebenssituationen und Herausforderungen der Person (vgl. BANK, VON DER, S. 2014: 324). VON DER BANK beschreibt den Erwerb von Medienkompetenz wie folgt: „Der Erwerb von Medienkompetenz hat viel mit der Entwicklung und Stärkung einer reifen Persönlichkeit zu tun. Es geht um Sehen- und Wahrnehmen können, um Bewerten und Selektieren, Kenntnisse entwickeln und Urteile treffen und letztlich darum, verantwortlich handeln zu können. “ (ebd.: 330). In der deutschsprachigen pädagogischen Diskussion und Auseinandersetzung hinsichtlich der zentralen Begriffe wie Medien, Medienkompetenz und Medienbildung besteht bislang kein Konsens (vgl. GRAFE, S. 2011: 72). An dieser Stelle stehen unterschiedliche theoretische Modelle nebeneinander. Dieter Baacke Die meisten der konzipierten Modelle von Medienkompetenz lassen sich auf das Bielefelder Modell von BAACKE (1996) mit den vier Dimensionen der Medienkompetenz – Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung, Mediengestaltung – zurückführen (vgl. BAACKE, D. 1996: 120). BAACKE prägte einen pädagogischen Medienkompetenzbegriff im Zusammenhang mit Medienerziehung und Medienbildung, der kreative, kritische, soziale und strukturelle Aspekte beinhaltet und heute noch Gültigkeit besitzt. Medienkompetenz ist nach ihm nicht nur die funktionale Nutzung eines Mediums. Unter den Begriff fasst BAACKE Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Kommunikation mit den Medien betreffen (vgl. RATH, M. 2013: 446). "Medienkompetenz meint grundlegend nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen." (BAACKE, D. 1996: 119). Für die Entwicklung seines Konzepts der Medienkompetenz als Zielrichtung der Medienpädagogik (1972; 1997) und seine theoretische Fortschreibung (vgl. GROEBEN, N. 2002), war für BAACKE die Theorie des kommunikativen Handelns von HABERMAS wegweisend. Er setzt bei Medienkompetenz diese kommunikative Kompetenz voraus und übernimmt den Begriff in die Medienpädagogik (vgl. MIKOS, L. 2008: 156). 110 Friedrich Krotz KROTZ machte 2001 den Begriff der Mediatisierung zu einem theoretischen Konzept und erklärt Mediatisierung mit der Veränderung des kommunikativen Handelns (vgl. KROTZ, F. 2001). Bei der Wechselwirkung von Mediatisierung und individuellem Medienhandeln geht es bzgl. der Mensch-Computer-Interaktion um einen Kompetenzbegriff, der über den individuellen Bezug hinausreicht. Neben einer individuellen Ebene tritt die Ebene des sozialen, gesellschaftlichen Systems. Dadurch verändert sich der Vermittlungsprozess von Medienkompetenz zu Prozessen der Selbstorganisation, da andere Rahmenbedingungen und Stimuli im psychischen Sinn durch die sozialen Systeme geschaffen werden (vgl. GAPSKI, H./GRÄßER L. 2007: 27). Demnach ist „Medienkompetenz [...] die Fähigkeit zur Selbstorganisation eines Einzelnen oder eines sozialen Systems im Hinblick auf die sinnvolle, effektive und reflektierte Nutzung technischer Medien, um dadurch die Lebensqualität in der Informationsgesellschaft zu steigern“ (ebd.: 27). Michael Kerres Seit den 1970er Jahren konzentriert sich die deutschsprachige Diskussion zunächst auf die Medienkompetenz und erst seit etwa 2000 auf die Medienbildung. Sie hat dabei mit der englischsprachigen Diskussion über Media Literacy oder Digital Literacy wenig gemeinsam (vgl. KERRES, M. 2017: 86). Nach KERRES ist Medienbildung integral zu konzipieren und bezieht sich auf die Fähigkeit, digitale Technik zu bedienen, ihre Funktionen zu nutzen und ihre Implikationen zu reflektieren. Festzuhalten ist, dass heute in der Regel davon ausgegangen wird, dass Medienkompetenz in der Schule oder Erwachsenenbildung vermittelt wird. Voraussetzung hierzu ist, dass den Betroffenen ein Kompetenzerwerb sowohl von kognitiven als auch technischen Voraussetzungen möglich ist. Es soll möglich sein den Umgang mit der Technik zu erlernen und/oder eigene Medieninhalte zu produzieren. Dabei kann die angewendete Technik entweder die Auseinandersetzung mit der Mediennutzung selbst bewirken oder sie kann als Lernwerkzeug eingesetzt werden. Dieses Lernen wird, wenn entsprechende Voraussetzungen gegeben sind, mal mehr mal weniger, im häuslichen Umfeld ergänzt. Matthias Rath RATH sieht für die Vermittlung von Medienkompetenz die Verantwortung bei den Schulen: Das Lernziel ist Medienkompetenz. Es ist für ihn naheliegend, Medienkompetenz an die Medienpädagogik zu binden. 111 Grundhaltung für ein konstruktives medienpädagogisches Verständnis bestehe darin, weder der Bewahrpädagogik einer allgemeinen Medienfeindlichkeit aufzusitzen noch allzu optimistisch mögliche Fehlentwicklungen in der Mediennutzung zu unterschätzen (vgl. RATH, M. 2014: 103). Er argumentiert, dass der Kompetenzbegriff, wie er bisher verwendet wurde, indirekte, normative Vorstellungen von der angestrebten Handlungsfähigkeit der medial agierenden Personen enthält (vgl. RATH, M. 2013: 452). „Kompetenzen sind […] Kenntnisse im Sinne von abrufbaren und überprüfbaren Wissensbeständen, Fertigkeiten oder Fähigkeiten und schließlich Haltungen oder, wie Kant dies nannte, Maximen“ (RATH, M. 2013: 452). Sie umfassen die Aspekte des Kennens, des Könnens und des Wollens, wobei das Kennen und Können operationalisierbar sei, was für das Wollen nicht zutrifft. Rath stellt dabei nicht infrage, dass der Aspekt des Wollens handlungs-theoretisch unabdingbar ist (vgl. RATH, M. 2014: 106). Für ihn ist das aktuelle Kompetenzmodell nach BAACKE „Medien-Kritik, Medien-Kunde, MedienNutzung, Medien-Gestaltung“ (BAAKE, D. 1996, S. 120) maßgeblich. Klaus Miesenberger KLAUS MIESENBERGER verortet Medienkompetenz bei der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit, die Stelle oder Handlung unter den verschiedensten Voraussetzungen und Umständen, mit der ein Mensch mit einem System in Kontakt tritt. Sie sind das Qualitätskriterium von digitalen Systemen in technischer, sozialer aber auch ökonomischer Hinsicht (MIESENBERGER, K. 2004). „Die Berücksichtigung des „extra ordinary user“ führt zu allgemein, für alle, besser nutzbaren Systemen. Was so einfach ist, dass es ein Mensch mit kognitiven Problemen versteht, so gut strukturiert ist, dass man blind darin navigieren kann, so gut bedienbar ist, dass man mit einem Mundstab gut zurechtkommt, so gut multimedial unterstützt ist, dass man den Text nicht lesen oder hören muss, ..., das wird allgemein leicht und effizient zu nutzen sein und besser seine Ziele erreichen.“ (ebd.). MIESENBERGER erklärt, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien jetzt bereits nur eine begrenzte Anzahl von Elementen auf der Software-Bedienoberfläche verwenden, die unter dem Kürzel »WIMP« (Windows, Icon, Menu and Pointer) zusammengefasst werden.43 43 Der Begriff WIMP geht auf Merzouga Wilberts (1983) zurück. Window (Fenster): Abgegrenzter Bereich auf dem Bildschirm, in etwa vergleichbar mit einem Blatt Papier auf dem Tisch. Programme nutzen es z. B. um ihre Ausgaben als Text oder Graphik darzustellen. Icon (Zeichen): Zeichen sollen auf eine Funktion hinweisen, z. B. eine Schere um etwas auszuschneiden oder ein Mülleimer um etwas zu löschen. Sie sind zumeist schneller erkennbar als ein Text Menu (Menü): Liste von Anwendungen, meist in Textform, zwischen denen der Nutzer wählen kann. 112 Mit wenigen Elementen und Aktionen mit Maus und Tastatur44 (Zeigen und Klicken, Markieren, Kopieren, Ziehen, Verschieben) kann damit die Vielfalt an Geräten und Systemen bedient werden (vgl. MIESENBERGER, K. 2012: 28). Er argumentiert: „Einmal erlernt, kann diese neue „Kulturtechnik“ überall und sehr flexibel eingesetzt werden. Nur so können wir den immer schneller werdenden Erneuerungszyklen folgen, weil der Aufwand des Um- und Neulernens begrenzt bleibt. Geräte und Systeme mögen immer zahlreicher werden und sich immer schneller ändern, ebenso das „Look & Feel“ der Systeme und Geräte, die grundlegenden Elemente und Aktionen der Interaktion bleiben aber konstant“ (ebd.: 25). 5.3.2 Die Nutzung digitaler Systeme und Dienste durch Menschen mit kognitiven Behinderungen Motivation und Absicht Um digitale Systeme, Dienste und Medien zu nutzen, sind Absicht und Wollen zunächst handlungstheoretisch notwendig (vgl. RATH, M. 2014:107). Wenn RATH davon ausgeht, das Handeln nichts ist, was ohne den Willen des kompetent Handelnden einfach zufällig passiert, sondern an normativen Grundüberzeugungen, Haltungen und Einstellungen orientiert ist (vgl. ebd.: 106 ff.), dann stellen sich folgende Fragen: § Ist beispielsweise die Absicht eines Menschen mit kognitiven Behinderungen den Computer nutzen zu wollen von Bedeutung und als Kompetenz zu verstehen? § Mit diesem Hintergrund ist ebenso zu fragen, was motiviert Menschen mit kognitiver Behinderung, eine Handlung vorzunehmen (oder zu wollen) oder sie zu unterlassen? Nach RATH umfassen Kompetenzen die Aspekte Kennen, Können und Wollen. Diese Kompetenz wird als Befähigung auf dem Wege der Sozialisation erworben und aus dem realen Handeln erschlossen. Zum Handeln selbst bedarf es das Wollen des Kompetenten (vgl. Rath, M. 2014: 107) HAHN ergänzt, dass das Gewähren von Freiheitsräumen und Zutrauen eine wichtige Motivation insbesondere für die Zielgruppe darstellt. Dieses ist quasi der Motor der Entwicklung bzw. zur Erlangung von Kompetenzen (vgl. Hahn, M: 1981: 241f). Pointer (Zeiger): Symbol, das die Maus auf dem Bildschirm repräsentiert und sich bewegt, wenn sich auch die Maus bewegt. 44 Die Konzepte hierzu wurden vom Xerox PARC Institut entwickelt (e.g. Douglas Engelbart Father of the Mouse: A research centre for augmenting human inellect, 1968, Stanford Research Institute, Menlo Park, California, USA). 113 Kennen, Können und Wollen Trotz der häufig fehlenden oder unzureichenden Medienbildung ist die digitale Teilhabe von Menschen mit kognitiven Behinderungen in den vergangenen Jahren fortgeschritten. Jahrelange Erfahrungen haben gezeigt, dass unabhängig von mehr oder weniger guten Lese- und Schreibkompetenzen, Menschen mit kognitiven Behinderungen digitale Medien wie viele andere Menschen nutzen. Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen die Möglichkeit und den Zugang zu den Geräten und Diensten haben, versuchen sie mit oder ohne Anleitung und Unterstützung einen Mehrwert für sich daraus zu ziehen (vgl. Edler C. 2014:127 ff.). Dass die Nutzung digitaler Technologien zunächst nur ein minimales Können voraussetzt um nicht nur Erfolg zu haben, sondern auch eine Steigerung der Lebensqualität zu erfahren, hat CLEMENTS bereits 1999 zusammengefasst: „During the current decade, research has moved beyond simple questions about technology and young children. For example, no longer need we ask whether the use of technology is developmentally appropriate. Very young children have shown comfort and confidence in using computers. They can turn them on, follow pictorial directions, and use situational and visual cues to understand and reason about their activity (Clements and Natasi 1993). Typing on the keyboard does not seem to cause them any trouble; in fact, it seems to be a source of pride. Thanks to recent technological developments, even children with physical and emotional disabilities can use the computer with ease. Besides enhancing their mobility and sense of control, computers can help improve self-esteem. One totally mute four-year-old, diagnosed with mental retardation and autism, began to echo words for the first time while working at a computer (Schery and O'Connor 1992). However, access is not always equitable; children attending schools with high poor and minority populations, for example, have less access to most types of technology (Coley R./ Cradler, J./ Engel, P. 1997).” (CLEMENTS, D. H. 1999: 119). 45 45 "In diesem Jahrzehnt ist die Forschung über einfache Fragen der Technik und der Kleinkinder hinausgegangen. Zum Beispiel brauchen wir nicht mehr zu fragen, ob der Einsatz von Technologie entwicklungsgerecht ist. Sehr kleine Kinder haben sich im Umgang mit Computern wohlgefühlt. Sie können diese einschalten, bildlichen Anweisungen folgen und mit situativen und visuellen Hinweisen ihre Tätigkeit verstehen und begründen (CLEMENTS und NATASI 1993). Das Tippen auf der Tastatur scheint ihnen keine Probleme zu bereiten, es scheint sogar eine Quelle des Stolzes zu sein. Dank der jüngsten technologischen Entwicklungen können auch Kinder mit körperlichen und seelischen Behinderungen den Computer problemlos nutzen. Neben der Verbesserung ihrer Beweglichkeit und ihres Kontrollbewusstseins können Computer dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu verbessern. Ein völlig stummer Vierjähriger, der mit mentaler Retardierung und Autismus diagnostiziert wurde, begann zum ersten Mal Wörter zu wiederholen, während er am Computer arbeitete (SCHERY und O'CONNOR 1992). Allerdings ist der Zugang nicht immer gerecht; Kinder, die Schulen mit großer Armutsgefährdung und Minderheiten besuchen, haben beispielsweise weniger Zugang zu den meisten Technologien (COLEY R./ CRADLER, J./ Engel, P. 1997).” (CLEMENTS, D. H. 1999: 119). 114 Ein weiteres Beispiel: Das Projekt »Tablets on the Coffee Table« zeigte, dass das Interesse sich mit dem iPad zu beschäftigen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Lernschwierigkeiten sehr groß ist. Die Bewohner aus drei inklusiven Wohngemeinschaften haben ohne Ausnahme jede Gelegenheit wahrgenommen, sogar ohne Unterstützung ihrer Assistenten und Betreuer, das ihnen zur Verfügung gestellte »WG-iPad« zu benutzen und zu bedienen. Welche Eigendynamik und Empowerment sich daraus entwickelte und welche Bedeutung dies bis heute für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat, konnte in vielen Situationen beobachtet werden. Die Mehrzahl von ihnen benutzen inzwischen ganz selbstverständlich eigene Tablets oder Smartphones und die unterschiedlichsten Apps zur Kommunikation, die Kalenderfunktionen oder einfach nur, um Musik zu hören gehören ganz selbstverständlich zu ihrem Alltag, genauso wie das sogenannte Daddeln (vgl. EDLER, C. 2015). Dies führte zu dem Schluss: „Die Grundannahme, dass für Menschen mit kognitiven Behinderungen die Technik und der Umgang mit dem iPad generell zu kompliziert zu begreifen bzw. zu verstehen – wie es funktioniert/was da passiert – zu schwierig und nicht gefahrenfrei sei, ist falsch, wie hier nachgewiesen werden kann, und das altersentsprechende Interesse an den digitalen Entwicklungen zu partizipieren ist bei Menschen mit kognitiven Behinderungen genauso groß wie bei Gleichaltrigen ohne Behinderung. Das bedeutet, dass das Ausblenden digitaler Medien aus der Lebenswelt von Menschen mit kognitiven Behinderungen Folgen hat, die eine abhängige, betreute und medien-unmündige Parallelgesellschaft begünstigen würde“ (ebd.: 142). Wie bereits erwähnt, lernen viele Menschen mit kognitiven Behinderungen digitale Medien für sich zu nutzen, wenn sie dies selbst wollen und dürfen. Das heißt im Umkehrschluss, wenn sie keine Möglichkeit erhalten, sich mit digitalen Medien auseinanderzusetzen (zum Beispiel mit Computer, Internet und den sozialen Medien), wenn ihnen Erfahrungen mit diesen Medien verwehrt werden, bleibt ihnen die digitale Welt weitestgehend verschlossen. „Wer nicht online ist und nicht die Zugänge und Möglichkeiten zur Teilhabe an der digitalen Welt hat, ist der Gefahr des Ausschlusses und der Benachteiligung ausgesetzt“ (Paus-Hasebrink, I./ Hasebrink, U. 2017: 7). Aus diesem Grund ist es sinnvoll und notwendig sie angemessen, zielgruppenspezifisch zu begleiten und zu unterstützen. Zusammenfassend lässt sich zunächst Folgendes feststellen: Medienkompetenz beginnt § mit An- und Ausschalten eines Dienstes oder Gerätes, § beim Konsumieren von Inhalten oder Programmen im Radio/Fernsehen/Kassettenrecorder oder mit CDs, § beim Entscheiden können zwischen den Geräten und/oder Programmen, § ... 115 Medienkompetenz erweitert sich § mit dem aktiv werden und etwas tun, wie beispielsweise mit den Geräten zu spielen, zu rechnen oder zu schreiben, § etwas darzustellen als Foto, im Film, als Text oder Audio, § sich selbst darzustellen mit Foto, im Film, als Text oder Audio, § ... Es erfordert mehr Kennen und Können um § sich zu informieren und Wissen aus dem Internet zu beziehen, § selbständig mit anderen zu interagieren, E-Mails, WhatsApp zu schreiben, zu skypen o.ä. § selbst zu reagieren, jemanden anzuschreiben und seine Meinung zu äußern, § Gestaltungs- und Bedienungsmöglichkeiten einzelner Dienste und Programme selbst zu erlernen, § Veränderungen bei den Diensten und Programme selbst zu bewältigen, § sich über die Möglichkeiten und Veränderungen der verschiedenen Medien zu informieren oder informiert zu sein, § ... AUCH BAACKE betont, dass sich Medienkompetenz nicht (nur) in organisierten Erziehungsakten lernen lässt, sondern sie muss in aktiven Projekten selber erfahren werden (vgl. BAACKE, D. 1996: 121 und 1999: 34). Das konkrete und beobachtbare Medienhandeln, der selbstverständliche alltägliche Umgang mit den digitalen Medien im Privaten, in der Schule und bei der Arbeit belegen, dass auch Menschen mit kognitiven Behinderungen Ressourcen haben und in der Lage sind, nicht nur technischen Fertigkeiten im Umgang mit Geräten und Software zu bedienen, sondern Inhalte digitaler Medien auch durch mehr oder weniger selbsterworbene Medienkompetenz aufzunehmen und Informations- und Kommunikationstechniken selbst gestaltend und rezeptiv einsetzen können (vgl. WAGNER, W./PESCHKE, R. 2006: 10). Dass dennoch der Erwerb von Medienkompetenz viel mit der Entwicklung und Stärkung einer reifen Persönlichkeit zu tun hat und es darum geht, sehen und wahrnehmen zu können, um zu bewerten und selektieren, Kenntnisse zu entwickeln und Urteile zu treffen und letztlich darum, verantwortlich handeln zu können beschreibt von der BANK (BANK, VON DER, S. 2014: 330). BANK geht sogar davon aus, dass der Erwerb von Medienkompetenz den Zuwachs medienethischer Kompetenzen einschließe. Es gehe darum, Menschen zu unterstützen, sich zu verantwortlich handelnden, mündigen Bürgern zu entwickeln (vgl. ebd.). Hier greift das Empowermentkonzept, das im Kapitel 7 beschrieben wird. 116 Eine angemessene Kompetenzorientierung bedeutet einen Perspektivwechsel vorzunehmen und nicht von vorneherein Ausschlusskriterien festzulegen. Der Fokus liegt hierbei verstärkt auf den Aktivitäten der Teilnehmer. Diese Art der Kompetenzorientierung ist auf Langfristigkeit, auf Zuwachs von Kenntnissen und speziellen Fertigkeiten angelegt. Sowohl die Anwendung von neuem Wissen als auch das Ergebnis und die Erfahrung von Autonomie sind maßgeblich (vgl. EDLER, C. 2014: 136 ff.). 5.4 Forschung und Entwicklung mit den Nutzern, Menschen mit kognitiven Behinderungen, im Fokus Wie schon erwähnt ist die Grundlage für effektives Design die Nutzerforschung. Obwohl die Nutzerforschung heute allgemein anerkannt ist, wird sie bei der Forschung und Entwicklung für Menschen mit kognitiven Behinderungen nur sehr selten konsequent angewendet. Darüber hinaus konzentrierte sich die Forschung und Entwicklung bislang insbesondere auf jüngere Menschen, vor allem auf solche mit körperlichen oder sensorischen Behinderungen, und zwar in erster Linie auf die Entwicklung von Assistenzsystemen und auf die Barrierefreiheit der digitalen Technik und Informations- und Kommunikationstechnologie. Die Entwicklungen und Anpassungen der Technik orientierten sich dabei zunächst an individuellen Speziallösungen und an den Bedürfnissen des Einzelnen und nicht am Mainstream. Erst später stand bei der Entwicklung, Planung und Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Infrastrukturen das Design for All oder Inklusives Design im Vordergrund mit dem Ziel deren Nutzung allen Menschen ohne individuelle Anpassung oder besondere Assistenz zu ermöglichen (vgl. BERNASCONI, T. 2013). Empirische Forschung für oder mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ist in diesem Bereich weniger verbreitet als bei Gruppen mit anderen Behinderungen (vgl.: ISTENIC STARCIC, A./BAGON, S. 2014; BOHMANN, R. P. 2007). Die Forschungsdichte z. B. bei den Beiträgen zur ICCHP, International Conference – Computer Helping People with Spezial Needs, zeigt dies sehr deutlich: § Bei der ICCHP 2014 in Paris hatten von mehr als 180 Forschungsbeiträgen nur 6 die Zielgruppe im Fokus, 3 davon waren der empirischen Forschung zuzuordnen (vgl. MIESENBERGER, K. et al.2014). § Bei der ICCHP 2016 in Linz befassten sich von den insgesamt 184 Konferenzbeiträgen 15 Papiere mit der Zielgruppe, davon hatten die Hälfte einen empirischen Anspruch (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2016). § Zwei Jahre später, 2018 bei der ICCHP in Linz waren es von insgesamt 184 Konferenzbeiträgen lediglich 11 Beiträge, davon waren 9 der empirischen Forschung zuzuordnen (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2018). 117 Als ein Grund für den geringen Anteil empirischer Untersuchungen, bzgl. Anzahl der betroffenen Menschen mit kognitiven Behinderungen im Vergleich zu anderen Gruppierungen mit Behinderungen, wird der erheblichen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand genannt. Dieser Aufwand wird bei empirischen inklusiven und/oder partizipativen Untersuchungen gemeinsam mit der Zielgruppe, noch größer werden und dazu fehlen oft die finanziellen Mittel (vgl. JANZ, F. /TERFLOTH, K. 2009: 10). Ein weiterer Grund sind die bestehenden Vorurteile seitens der Akademikerinnen und Akademiker gegenüber dem angeblichen Unvermögen bzw. fehlenden Kompetenzen der Zielgruppe. SCHLUCHTER stellt 2010 außerdem fest, dass insbesondere bei der Forschung und Technologieentwicklung für Menschen mit kognitiven Behinderungen häufig, mit Stellvertreteraussagen von Angehörigen, Institutionen, Betreuern etc. und deren Erfahrungswerten gearbeitet wird, statt die zukünftigen User selbst zu befragen (vgl. SCHLUCHTER, J. 2010: 172). 5.4.1 Verschiedene Formen der Einbeziehung der Zielgruppe in Forschung und Entwicklung Es gibt verschieden Formen der kooperativen bzw. kollaborativen Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung. Die Begriffe Kooperation und Kollaboration werden häufig synonym verwendet. Zielgruppe und Wissenschaftler lernen voneinander und sammeln Informationen, die zu einem individuellen Forschungsergebnis führen sollen Bei der kooperativen Forschung wird nicht immer in einer Forschungsgruppe zusammengearbeitet, aber man tauscht Wissen und Erfahrungen miteinander aus und sammelt entsprechende Daten zum Forschungsthema. Kollaborative Forschung bedeutet, es werden verschiedene Fähigkeiten und Kenntnisse in der Gruppe in einem neuen, gemeinsamen Forschungssetting zusammengeführt. Kooperation mit Expertinnen und Experten aus der jeweiligen Zielgruppe Eine Möglichkeit der Zusammenarbeit besteht darin, Menschen mit kognitiven Behinderungen partizipativ, das heißt punktuell in die (Content-) Entwicklung mit einzubeziehen. Wie bei den Prüfgruppen von »Easy-to-Read«46 werden die Expertinnen und Experten aus der jeweiligen Zielgruppe hinzugezogen. Man setzt auf die Expertise der Menschen mit kognitiven Behinderungen: Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, können am besten selbst beurteilen, ob etwas leicht oder schwer zu lesen und zu verstehen ist. »Easy-to-read« (Leicht zu lesen) sind Informationen, die Menschen mit geistigen Behinderungen verstehen können. (eine Initiative von Inclusion Europe). 46 118 Bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten könnten Expertinnen und Experten aus der jeweiligen Zielgruppe beispielsweise als Beraterin oder Berater, Testerin oder Tester hinzugezogen werden. Kollaboration mit der Zielgruppe Die hier in der Arbeit favorisierte Form ist die inklusive-partizipative Einbeziehung von Personen aus der Zielgruppe in die Forschung und Entwicklung. Der Unterschied zur Kooperation ist, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen vom Anfang bis zum Schluss in den Forschungs- und Entwicklungsprozess als gleichberechtigte Teammitglieder involviert werden. Ein solches Forschungsteam besteht aus Personen mit wissenschaftlich-technischem Know-how (Entwicklerinnen/Entwickler) und Personen mit eigener Expertise (Peer-Forscherinnen und PeerForschern). Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern erhalten hierbei in allen Phasen des Prozesses eine aktive Rolle und können so "ihre" Ideen und Lösungen im weiteren Verlauf des Prozesses vorantreiben. Entwicklung mit Personas mit kognitiven Behinderungen Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Personas. Personas sind eine besondere Art der Zielgruppenbeschreibung. Eine Persona soll eine echte Nutzerin oder Nutzer repräsentieren. Sie hat beispielsweise einen Namen, ein Geschlecht, einen Beziehungsstatus, wohnt in der Stadt oder auf dem Land. Ist ledig oder verheiratet, hat bestimmte Vorlieben usw. Als typische Nutzer repräsentieren Personas die Ziele und Bedürfnisse einer Zielgruppe oder Zielpersonen. Dies macht es möglich, von Beginn an fundierte Entscheidungen bei der Entwicklung nutzerfreundlicher Produkte zu treffen. Personas sollen empirische Daten widerspiegeln. Diese Daten dienen als Informationsquelle für die Bereiche der Entwicklung. Die Entwicklung geschieht damit aber auf einer rein spekulativen Ebene, wenn nicht zuvor mit den realen Zielpersonen die Erstellung der Personas und eine Requirement-Analyse stattgefunden hat. Die Beschreibung von Personas mit der Zielgruppe gemeinsam bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand. Chapman, Christopher N./Milham, Russel. P. 2006 argumentieren gegen Personas, da es in ihren Augen methodische und praktische Schwierigkeiten gibt. Es sei problematisch zu bestimmen, wie viele, Benutzer durch eine Persona repräsentiert werden, und es sei schwierig zu wissen, ob eine Persona für eine Person relevant ist. Personas können nicht ausreichend verifiziert oder verfälscht sein und haben daher keine nachweisbare Gültigkeit. Diese Probleme deuten darauf hin, dass Personas wahrscheinlich keinen bestimmbaren Bezug zu realen Daten haben und es sei daher unmöglich, ihre Gültigkeit festzustellen (vgl. CHAPMAN, C. N./MILHAM, R. P. 2006). 119 5.5 Inklusive Forschung in der Entwicklung Als Anforderungen der Forschung und Entwicklung sind zunächst Parameter für einen inklusivenpartizipativen Ansatz zu definieren (wie Privatsphäre, Sicherheit und ethische Fragen mit dem Fokus »mit ihnen und nicht nur über sie«) und ein angemessenes Konzept für die Teilnahme von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu ermitteln. Die UN-BRK fordert diese Veränderung der Forschungspraxis im Hinblick auf Inklusion und Teilhabe (siehe Kapitel 3 Eine normative Handlungsperspektive). Dies erfordert die Entwicklung neuer inklusiver-partizipativer Strategien zu gemeinsamen Problemlösungen im Bereich Forschung und Entwicklung und Software Engineering. Dann ist es denkbar, dass eine inklusive Organisationsform und die Bildung von multidisziplinären Projektteams mit Experten unterschiedlicher Qualifikation, die für einen begrenzten Zeitraum an einem Projekt arbeiten, dazu beitragen, neue Wege und Lösungen zu finden. Die Herausforderung besteht aktuell darin, Forschungsmethoden und Werkzeuge für den inklusiven Forschungsansatz offener zu gestalten oder entsprechend anzupassen, damit die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen auf hohem Niveau in allen Phasen gewährleistet werden kann (vgl. OLLERTON, J. 2012). (Neue oder adaptierte Methoden für inklusivepartizipative Gestaltung und Entwicklung werden im Teil B ausführlich beschrieben.) Dazu gehört auf der einen Seite die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Fachgebieten, wie Ingenieurswissenschaften, Informationsdesign, Bildungsmedien, aber auch mit Praktikern und eben auf der anderen Seite die Zusammenarbeit mit den potenziellen Nutzern, Menschen mit kognitiven Behinderungen. Die Inklusion in der Forschung bezieht sich hier ausdrücklich auf das Konzept der Vielfalt (Diversity). Trotzdem müssen die Strategien für inklusive Entwicklung und Forschung müssen der gebotenen Angemessenheit entsprechen. Vor Beginn eines solchen inklusiven Forschungsvorhabens ist zu klären: 120 § Ist das Thema des Projektes für die Zielgruppe relevant? § Bezieht die Forschung Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Lernschwierigkeiten sinnvoll und aktiv mit ein? § Werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ihre Vorstellungen/Ideen mit Respekt behandelt? § Wird ein Thema so kommuniziert, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Lernschwierigkeiten es verstehen und darauf reagieren können? § Gibt es Ehrlichkeit und Transparenz über die Rolle und den Beitrag jedes Einzelnen (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON K. 2003: 126-138)? Weitere Rahmenbedingungen Die Mitwirkung selbst setzt voraus, dass alle Beteiligten ein Interesse am gleichen Ziel haben. Die Qualität der Teamarbeit oder Partnerschaft ist wichtig, d. h. Vertrauen und Offenheit gegenüber den Personen und den Arbeitsweisen und Methoden, die zu jedem passen. Der Austausch von Informationen bekommt eine wichtige Rolle, um miteinander in Verbindung zu treten, kollektive Bedürfnisse und Anforderungen im Prozess auszumachen und zu analysieren und mögliche Störungen frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört auch die Reflexion innerhalb des gesamten Forschungsprozesses. Die zukünftigen Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher erhalten die Möglichkeiten, sich für diesen inklusiven-partizipativen Ansatz mit ihren Fähigkeiten zu profilieren bzw. zu qualifizieren. Sie sollen dabei im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten ein gewisses Verstehen und Können mitbringen, was durch eine freiwillige Teilnahme bereits gewährleistet ist. Gegebenenfalls benötigen sie bei ihrer Forschungsarbeit Assistenz oder andere Unterstützung. 121 122 6 STATE OF THE ART – EIN ÜBERBLICK ZUR INKLUSIVEN-PARTIZIPATIVEN FORSCHUNG "Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll." Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) ÜBERBLICK Inklusive Forschung wird einerseits als ein Kernprinzip für die Forschung nach der UN-BRK betrachtet, statt über Menschen mit Behinderungen mit ihnen zu forschen, andererseits als ein anerkannter Ansatz zur Durchführung von Forschungen zu den Themenbereichen „Personen mit Behinderungen“ (vgl. Cumming et al. 2014). Was bislang fehlt, ist die Transparenz über die Ansätze der inklusiven und/oder partizipativen Forschung. Mit dem nachfolgenden Review werden die Vorteile und Herausforderungen der unterschiedlichen inklusiven oder partizipativen Forschungsansätze dargestellt. Es wird dabei betrachtet, wie bisher in kollaborativen, inklusiven Forschungsgemeinschaften zusammengearbeitet wird und welche Instrumente und Plattformen genutzt oder entwickelt werden. Das vorrangige Ziel ist es, ein besseres Verständnis über die Vielfalt der Ansätze zu erlangen. Der Vergleich soll zu einer konzeptionellen Klarheit und zur Identifizierung der erforderlichen Voraussetzungen für eine solide inklusive Forschung beitragen. Bei den hier vorgestellten Artikeln geht es immer um die Frage: Wie können Menschen mit Lernschwierigkeiten in einem Forschungsprozess mitwirken? Wie können sie selbst und andere davon profitieren? 123 6.1 Ansätze der inklusiven und partizipativen Forschung Erste Ansätze inklusiver und/oder partizipativer Forschung gibt es bereits seit Ende der 1960er Jahre. In Großbritannien, den USA und Australien gab es in der Folge eine Reihe von Beiträgen zu diesem Ansatz, zum Beispiel von TUFFREY-WIJNE/DAVIES 2006, FENDER/MARSDEN/STARR 2005, POTTS/FIDO 2004; JOHNSON/ TRAUSTADOTTIR 2000, ATKINSON/MCCARTHY/WALMSLEY et al. 2000 (vgl. KOENIG, O./ BUCHNER, T. 2009: 2). Hingegen fand die gemeinsame Forschung in den deutschsprachigen Ländern bisher kaum Beachtung. WALMSLEY und JOHNSON definierten inklusive Forschung erstmals in ihrer 2003 veröffentlichten methodischen Monographie „Inclusive Research with People with Learning Disabilities“: § Die Forschungsfragen, Themen oder Problemstellungen müssen für Menschen mit Behinderungen von Bedeutung sein (aber nicht unbedingt initiiert). § Inklusive Forschung sollte weiter die Interessen von Menschen mit Behinderungen vertreten; die nicht behinderten Forscherinnen/Forscher sollten auf der Seite von Menschen mit Lernschwierigkeiten stehen. § Inklusive Forschung sollte kollaborativ sein: Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in den Prozess der Durchführung der Forschung einbezogen werden. § Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in der Lage sein, eine gewisse Kontrolle über den Prozess und die Ergebnisse auszuüben. § Die Forschungsfrage, der Prozess und die Ergebnisse müssen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich sein (vgl. Walmsley/Johnson 2003, 64). Diese Definition wurde bis heute nicht verworfen, sondern weiterentwickelt. In den vergangenen Jahren wurden dazu wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die vom Inhalt her beschreiben, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv in den Forschungsprozess mit einbezogen wurden, oder wie sie einzubeziehen sind. Dabei sind es weiterhin überwiegend Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftler aus Großbritannien und Australien, die die Sichtweisen von Menschen mit Lernschwierigkeiten mit Participatory- und Inclusive Research intensiv verfolgen, erforschen und dokumentieren. 6.2 Vorgehensweise Im folgenden Kapitel geht es um einige der relevanten Publikationen zum Thema »Inklusive Partizipative Forschung« der Jahre 2011-2017. Es werden unterschiedlichen Entwicklungen und Ausprägungsformen von partizipativen und inklusiven Forschungsansätzen vorgestellt und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Wirkungen, Zusammenhänge, Diskrepanzen sowie Unstimmigkeiten und Probleme werden fokussiert. 124 Widersprüche, Das Ergebnis wird anschließend in einer Tabelle zusammengefasst, um mögliche Ansätze für die inklusive Forschung im Bereich Forschung und Entwicklung und User-Centred Design herauszuarbeiten. Diese vorgestellten Publikationen beziehen sich gleichermaßen auf die inklusive wie partizipative Teilnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie finden sich Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung und in der Rolle des Forschenden wieder (vgl. BETTMER, F. 2008: 213-221)? Es geht hierbei um die Einbeziehung, Mitarbeit, Teilhabe, Beteiligung als Mit- oder Co-Forscherinnen und Forscher47. Das Interesse richtet sich auf folgende Punkte: § Thema und Anlass der Publikation; o § § Zur Forschung/Untersuchung o Wie wird inklusive bzw. partizipative Forschung begründet? o Welches Modell von Behinderung wird zugrunde gelegt? o Welche Rolle übernehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen bei der inklusiven Forschung? o Welche Forschungsmethoden, Datenerhebung und Datenanalyse werden genannt? o Werden Co-Forscherinnen und Co-Forscher bei Veröffentlichungen als CoAutoren genannt (Transparenz)? o Bei wem liegt die Leitung der Forschung bzw. Kontrolle der Forschung? o Gibt es Gütekriterien und ethische Fragen, wie Informierte Einwilligung oder Bezahlung der Co-Forscherinnen und Co-Forscher? o Welche Gütekriterien zur inklusiven oder partizipativen Forschung werden angelegt? Resümee/Anschlussforschung /Nachhaltigkeit o 47 Ziel/Erkenntnisinteresse und Fragestellung Welche offenen Fragen werden für die Zukunft gestellt? Anmerkung: In den Publikationen hier ist in der Regel von Co-Forschung und nicht von Peer-Forschung die Rede. 125 6.3 Internationaler Überblick zur inklusiven und/oder partizipativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen 6.3.1 Von der Ausgrenzung zur Inklusion: Entwicklung, Stand und Perspektiven gemeinsamen Forschens (BUCHNER, TOBIAS / KÖNIG, OLIVER 2011, Österreich) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung BUCHNER und KOENIG (2011) wollen mit ihrem Artikel einen Überblick in die internationale Entwicklung und Etablierung einer gemeinsamen Forschungspraxis geben. Sie stellen fest, dass sich die akademische Forschungslandschaft im Kontext von Behinderung in den letzten beiden Jahrzehnten verändert, insbesondere in Großbritannien, den USA, den skandinavischen Ländern und Australien. Hier gab es Veränderungen in Richtung partizipativer Forschungsansätze (vgl. BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011: 1). Sie bemerken, dass sich die forschenden Wissenschaftler erstmals bemühen, die Perspektive der betroffenen Menschen mit intellektueller Behinderung in den Blick zu nehmen. Zur Forschung/Untersuchung partizipativer Forschungsansätze Innerhalb der Scientific Community bestand jedoch lange das Dogma, dass Menschen mit intellektueller Behinderung keine verlässlichen Interviewpartner seien, da sie nicht dazu in der Lage wären, im Rahmen von Befragungen valide Antworten zu geben. Beide gehen dabei von einem sozialen Modell von Behinderung aus (vgl. ebd.: 3). Im deutschsprachigen Raum waren es vor allem zwei Faktoren, die nach BUCHNER und KÖNIG letztlich gemeinsames Forschen von Menschen mit intellektueller Behinderung ermöglichten. Selbstvertreter traten ab 2000 auch zunehmend in Deutschland und Österreich auf und Menschen mit kognitiven Behinderungen werden zunehmend als selbstbewusste, starke Persönlichkeiten wahrgenommen (PEOPLE FIRST und WIBS48). Sie können "für sich selbst" sprechen und ihre Forderungen sind ernst zu nehmen. So waren in den ersten Projekten mit partizipativer Beteiligung im deutschsprachigen Raum Selbstvertreter maßgeblich beteiligt (vgl. ebd.: 6). BUCHNER und KOENIG berichten u a. über eine Studie von KÖBLER »Ich sehe mich NICHT als behindert!« (KÖBLER R. et al (2003). Diese Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit besonderen Fähigkeiten wurde mit dem »Verein TAfiE« Innsbruck-Land49 durchgeführt. Die Forscherinnen und Forscher mit intellektueller Behinderung bestimmten bei einer durchgeführten Literaturrecherche selbst, welche Themen im Zuge des Projekts beforscht werden sollten. 48 49 Wibs, eine Beratungs-Stelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten Tafie, Tiroler Arbeitskreises für Integrative Entwicklung 126 Sie erlernten die Technik der Interviewführung und sie werteten nach der Durchführung der Interviews diese auch selbst aus. Bemerkenswert für BUCHNER und KOENIG ist, dass die Ergebnisse dem inklusiven Ansatz konsequent folgend, in leichter verständlicher Sprache veröffentlicht wurden. Den Paradigmenwechsel zu Normalisierung und Inklusion sehen beide als wesentliche Triebfeder in Richtung gemeinsames Forschen. Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit Bei der Debatte inklusiver Forschungsansätzen wird Personen mit intellektueller Behinderung mittlerweile der Status als valide Informantin/Informant für Forschung zuerkannt. Die Anerkennung der Rolle als Co-Forscherin/Co-Forscher ist aufgrund von Vorurteilen bzgl. der kognitiven Möglichkeiten mit dem Verweis auf die Gütekriterien qualitativer Forschung, weiterhin schwierig. In diesem Diskurs werden eine Reihe von bisher ungelösten Fragen zum Beispiel nach der Qualität von Forschung und Gütekriterien aufgeworfen. Die Vertreter der Scientific Community müssen sich Fragen stellen wie: „Was ist Universität?“, oder „Inwiefern wird anhand von Exklusionsmechansimen hier einer Personengruppe die Mitwirkung an Forschung vorenthalten, die aufgrund ihrer Expertise einen wesentlichen Beitrag zur Qualität liefern könnte?“ (vgl. BUCHNER, T. / KOENIG, O. 2011: 11). 6.3.2 Grenzgängerinnen im akademischen Raum (GOEKE, STEPHANIE. / KUBANSKI, DAGMAR 2012, Deutschland) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung GOEKE und KUBANSKI (2012) setzen sich im Kontext der sozialwissenschaftlichen Behindertenforschung mit den Problemen der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Forschung auseinander. Sie nehmen den Paradigmenwechsel zu Normalisierung und Integration zum Anlass und versuchen die Grenzen der Nichtbeteiligung zu ermitteln und zu begründen. Zur partizipativen Forschung GOEKE und KUBANSKI stellen fest, dass bis zu diesem Zeitpunkt im deutschsprachigen Raum selten Frauen und Männer mit Behinderungen am Forschungsprozess beteiligt werden, und dass es für die unterschiedlichen inklusiven, partizipativen Ansätze keine eindeutige Begrifflichkeit gibt. Ein Problem sei, dass häufig nicht genau beschrieben wird, wie, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß Co-Forscherinnen und Co-Forscher partizipiert haben. Grenzen bestehen in ihren Augen auch durch Pseudobeteiligung oder dadurch, dass ein Teil der sozialwissenschaftlichen Forschung noch dem medizinischen Modell von Behinderung folgt (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012). 127 In Hochschulkontexten treffen Menschen mit kognitiven Behinderungen auf weitere Barrieren, weil sie keinen entsprechenden Bildungsabschluss (Hochschulzugangsberechtigung) nachweisen können (vgl. ebd.). Wie HIRSCHBERG sehen sie das Problem der Klassifikationen und Konstruktionen im Schwerbehindertenrecht (Sozialgesetzbuch IX). Hier werden Menschen mit Behinderungen häufig durch Rehabilitationsmaßnahmen spezifischen Feldern zugewiesen, die zugleich ihren Unterstützungsbedarf definieren (vgl. HIRSCHBERG, M. 2009: 63) und die Möglichkeiten von Bildung (den Erwerb von Kapitalien, BORDIEU) ermöglichen oder einschränken (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012: 20). Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit GOEKE und KUBANSKI kommen zu der Ansicht, dass diese Zugangserschwernisse zum akademischen Raum insbesondere für Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht nur hierarchisch50 bzw. systemisch51 zu sehen, sondern auch strukturell bedingt sind. Sie gehen davon aus, dass es möglich sei, anders als bisher nicht mehr tradierte Rollen im Forschungsprozess einzunehmen, und sich jede, jeder nach ihren/seinen eigenen Fähigkeiten in den Forschungsprozess einbringen (vgl. vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012: 9). Perspektiven für die Zukunft sehen GOEKE und KUBANSKI in einer methodischen Weiterentwicklung der Partizipation und in einer gemeinsamen (verständlichen) Sprache. 6.3.3 IPAR an inclusive disability research Methodology with accessible analytical tools, (OLLERTON, JANICE 2012, Australien) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung OLLERTON (2012) stellt in ihrer Veröffentlichung die UN-Behindertenrechtskonvention als Paradigma in den Vordergrund. Sie unterstützt das Recht aller Menschen, als Forscherin/Forscher in Fragen, die für ihr eigenes Leben relevant sind, aktiv einbezogen zu werden. 50 Eine besondere Bedeutung kommt dem akademischen Raum, so Bourdieu (1988), als einer "Welt für sich" zu. Sie ist bspw. gekennzeichnet durch besondere soziale Anerkennung und hohe symbolische Wertschätzung. 51 Nach LUHMANNS systemtheoretischer Theorie gelten daher bei Inklusion bzw. Exklusion, Menschen als Funktionssysteme in ihren Kommunikationszusammenhängen. In dem Moment, in dem Menschen als Adressaten fungieren, sind sie Teilsysteme der Gesellschaft. Man spricht hier davon, dass sie inkludiert sind (vgl. HAFEN, M.: 2011, S. 1). 128 Zur inklusiven Forschung Inklusive Forschung erfordert inklusive Forschungsstrategien, die mithilfe barrierefreier Instrumente angepasst, umgesetzt und analysiert werden, um die Beteiligung von Personen mit Lernschwierigkeiten auf hohem Niveau zu erreichen (vgl. OLLERTON, J. 2011: 1). Inclusive Participatory Action Research (IPAR), eine Verschmelzung der Ansätze von Inclusive Research und Participatory Action Research, stellt traditionelle Forschungsbeziehungen, bei denen die Forschung nicht von oder mit Personen durchgeführt wird, die mit Lernschwierigkeiten behaftet sind, infrage. OLLERTON diskutiert IPAR als eine inklusive kollaborative Forschungsmethodik, die die aktive Mitwirkung von Menschen mit Behinderung in der Forschung von Anfang an unterstützt (vgl. ebd.). Mit IPAR will sie gerechtere Machtverhältnisse schaffen, indem sie diejenigen, die traditionell als Forschungsteilnehmer angesehen werden, als Co-Researcher einbezieht. An den Anfang ihrer Arbeit stellt sie die Informierte Einwilligung und die freiwillige Teilnahme am Projekt (vgl. ebd.: 7). Forscher und Praktiker sollen ermutigt werden, IPAR als eine praktische alternative Methode in der Behindertenforschung und als ein zugängliches Analyseinstrument zu anzuerkennen. Sie stellt fest, dass textbasierte Methoden, Daten und abstrakten Konzepte Menschen mit kognitiven Behinderungen oftmals ausschließen. Um den Forschungsprozess den Co-Researcher zugänglich zu machen und Wissenswege zu vermitteln, verwendet sie daher kreative Methoden und alternativen Werkzeuge. Beispielsweise kann ein visueller Evaluierungsprozess, der sich nicht auf Lesefähigkeiten bezieht, ein Weg sein, Forschung für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu ermöglichen und das Vorurteil über die fehlende Forschungskompetenz der Zielgruppe abzubauen (vgl. ebd.: 7). Zu OLLERTONS kreativen Methoden gehören: § Rollenspiele zur Vermittlung der Forschungsethik, § Fotografien, um bebilderte Texte (leichte Sprache) für die institutionelle ethnografische Untersuchung zu entwickeln, § Metaphern als Beschreibung der selbsterstellten Fotografien, § Erzählende Dichtung zur Beschreibung eines Sachverhalts, eines Gedankens oder einer Stimmung zur Analyse und Deutung der Daten, § Photo-Voice für die allg. Datenerfassung, Analyse und Verbreitung, § Farbcodierung mit „Patchwork“ als Mittel zur Bewertung der Inklusivität des IPARProzesses. (Zwei dieser Methoden von OLLERTON werden in Teil B vorgestellt.) 129 6.3.4 Conceptualizing Inclusive Research with People with Intellectual Disability (BIGBY, CHRISTINE/ FRAWLEY, PATSY/ RAMCHARAN, PAUL, 2013, Australien) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung BIGBY, FRAWLEY und RAMCHARAN 2013 haben eine umfassende Überprüfung der peer-reviewten Literatur und Schlüsseltexte durchgeführt, um die inklusive Forschung klarer zu konzipieren und die Fragen zu identifizieren, mit den Möglichkeiten, sie umzusetzen. Zur inklusiven Forschung BIGBY und Kollegen identifizieren drei Ansätze für inklusive Forschung: (1) Beratung durch Co-Reseracher, (2) Führung und Kontrolle durch Co-Reseracher, sowie (3) die kollaborative Zusammenarbeit mit Co-Reserachers. Beim beratenden Forschungsansatz werden Personen mit kognitiven Behinderungen als »SelfAdvocat«, als Selbstvertreter an Forschung, die sie selbst betreffen, beteiligt. Forscherinnen und Forscher und Self-Advocats (Selbstvertreter/Betroffene) beraten gemeinsam darüber, was zu tun ist. Dabei beraten die Betroffenen entweder als eigenständige Gruppe oder mit den Forschungsteams gemeinsam. In dieser Konstellation können Menschen mit geistiger Behinderung aktiv als Experten in eigener Sache beteiligt werden. Ein Forschungsansatz bei dem Menschen mit kognitiven Behinderungen die Führung und Kontrolle haben gibt ihnen die Möglichkeit, eigene Forschung zu Themen, die für sie wichtig sind zu initiieren, zu leiten und auszuführen (vgl. BIGBY, C. et al. 2013: 6 ff.). Wichtig scheint bei diesem Ansatz, dass im Rahmen des Disseminationsprozesses alle Beteiligten verstehen und darüber sprechen können, dass das 'neue' Wissen, das mit ihrer Hilfe und inklusiver Forschung generiert wurde, ihr eigener Beitrag ist. Die Veröffentlichungen der Ergebnisse sollten daher immer auch in zugänglicher Form und verständlicher Sprache sein (vgl. ebd.: 7). Der kollaborative Forschungsansatz unterscheidet sich laut BIGBY et al. von den anderen erkennbar. Die Art von Co-Forschung bezieht sich auf Partnerschaften oder Kooperationen, in denen Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenarbeiten und einen gleichwertigen Beitrag leisten wie WALMSLEY und JOHNSON dies beschreiben: „Co-Forschung impliziert eine gleichberechtigte Partnerschaft, bei der Forscherinnen/Forscher mit Menschen mit Lernschwierigkeiten als Experten zusammenarbeiten.“ (WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 148). Anhand der Literatur und eigenen Erfahrungen haben BIGBY et al. diese Ansätze beschrieben und diskutiert. Sie stellen fest, dass es wenig konzeptionelle Klarheit bei der Durchführung von inklusiver Forschung gibt. Fragen nach ihrer Machbarkeit und Genauigkeit bleiben unbeantwortet und sie finden nur minimale Beweise für ihre Auswirkungen. 130 Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit BIGBY et al. schlussfolgern, dass das Verstehen der Vielfältigkeit der Ansätze entscheidend ist, um inklusive Forschung sinnvoll in ein Forschungsdesign umzusetzen. Größere konzeptionelle Klarheit über die Erwartungen an eine inklusive Forschung kann die Basis für das Verständnis ihrer Umsetzung in der Praxis und die Grundlage für die Forschungsausbildung auf allen akademischen Ebenen sein (vgl. BIGBY, C. et al. 2013: 9 f.). Es soll daher ein klarer konzeptioneller Rahmen entwickelt werden, der die inklusive Forschung und deren Durchführbarkeit für bestimmte Forschungsfragen unterstützt. Eine starke Selbstvertretungsbewegung wird von ihnen als eine der Voraussetzungen für das Gelingen der inklusiven Forschung angesehen. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass nicht jeder mit einer kognitiven Behinderung in der Lage oder willens ist, sich zu beteiligen, weil Themen, die von anderen als wichtig identifiziert wurden, von ihnen nicht als wichtig angesehen werden (vgl. BIGBY, C. et al. 2013: 10). 6.3.5 Building an Inclusive Research Team: The Importance of Team Building and Skills Training (STRNADOVÁ, IVA / CUMMING, THERESA / KNOX, MARIE / PARMENTER, TREVOR 2013, Australien) STRNADOVÁ et al. berichten über die Art der Beteiligung von Forscherinnen und Forscher mit kognitiven Behinderungen, die Bildung von Forschungsteams, den Bedarf an Forschungsausbildung und die Durchführung. Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Thema der Publikation von STRNADOVÁ und ihren Kollegen ist die Bedeutung von Teambildung und Kompetenztraining. Ihrer Meinung nach ist der Prozess der Bildung von Forschungsteams und der Bedarf an Forschungsausbildung in der Literatur noch wenig erforscht. Zur inklusiven Forschung Vier Forscherinnen mit intellektuellen Behinderungen und vier akademische Forscherinnen/Forscher bildeten ein integratives Forschungsteam. Ihr Ziel war es, gemeinsam etwas über die Forschung zu lernen, um später gemeinsam ein Forschungsprojekt darüber durchführen zu können, »Wie leben ältere Frauen mit geistigen Behinderungen?« Das Team führte 15 Forschungstrainings in neun Monaten durch. Sie nutzten dabei mobile Technologien zur Unterstützung des Erwerbs von Forschungskompetenzen. Folgende Inhalte waren vorrangig und sollten bearbeitet werden: (1) Was ist Forschung? (2) Wie arbeitet man eine Forschungsfrage aus? (3) Wie erhält man Informationen und Daten zur Forschungsfrage? 131 STRNADOVÁ und das Team fassen zusammen: Um ein effektives, integratives Forschungsteam zu werden, müssen alle, unabhängig von ihren Fähigkeiten, ihre eigenen Erfahrungen einbringen können und auch die notwendigen Forschungsfähigkeiten erlernen. Zudem vertreten sie die Meinung, dass Co-Forscherinnen/Co-Forscher für ihre intellektuellen Beiträge als Autoren mit genannt und anerkannt werden sollten, auch wenn er/sie keinen eigenständigen Text verfasst haben. Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit Um die Forschungsqualität, den Forschungsprozess und seine Ergebnisse zu verbessern, betonen STRNADOVÁ et al. in ihrer Publikation die Notwendigkeit der Teambildung durch ein gemeinsames Forschungstraining des Forschungsteams, um Strategien zur Unterstützung des Peer-Mentoring innerhalb des Teams zu entwickeln. Dies beginnt damit, wie man Menschen mit geistigen Behinderungen am besten informiert, einbezieht und darauf vorbereitet, sich auch an der Forschung zu beteiligen. 6.3.6 A Collaborative Group Method of Inclusive Research (BIGBY, CHRISTNE/ FRAWLEY, PATSY/ RAMCHARAN, PAUL 2014, Australien) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Inklusive Forschung beinhaltet ein weites Spektrum von Forschungsansätzen. BIGBY und Kollegen stellen in dieser Publikation den Forschungsansatz 'die kollaborative Gruppe' als eine Methode zur inklusiven Forschung vor. Zur kollaborativen Forschung In einem weiteren von BIGBY und ihrem Forschungsteam vorgestellten Projekt (2014) untersuchten sie die Prozesse die kollaborative Gruppe als eine Methode bei der Durchführung einer Studie mit akademischen Forscherinnen/Forschern und Selbstvertreterinnen/ Selbstvertretern und Ergebnisse, die aus einer induktiven Analyse von Feldnotizdaten, Interviews und Sitzungsprotokollen stammten. Dabei identifizieren sie fünf Komponenten bei diesem Ansatz als wesentlich: 132 § gemeinsame und unterschiedliche Ziele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, § gemeinsame Beteiligung und unterschiedliche Beiträge, § gleichwertige, flexible, angepasste Forschungsmethoden, § Arbeit als Gruppe mit vertrauensvollen Beziehungen und verteilter Macht, § Rahmen (Voraussetzungen) für die Einbeziehung. Die fünf beschriebenen Komponenten werden durch anhaltende Teilnahme der Selbstvertreter untermauert. Diese beruht auf der Wertstellung, die Menschen mit intellektuellen Behinderungen dabei einnehmen. »Menschen mit geistiger Behinderung haben das Recht haben, gleichwertig behandelt werden.« BIGBY et al. vertreten hier ein Interaktionsmodell von Behinderung, das sowohl die behindernde Eigenschaft sozialer Strukturen und Prozesse als auch die Auswirkungen kognitiver Beeinträchtigungen berücksichtigt. Das heißt, dass in einigen Fällen Unterschiede in der individuellen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beachtet werden müssen (vgl. ebd.) Die Kooperation bringt ihrer Meinung nach einen Mehrwert für die inklusive Forschung, die neben abstrakten konzeptionellen Denken für einige Aspekte der Forschung auch die Lesefähigkeit erfordert. – Um Forschungsprozesse und -praktiken zu dokumentieren und zu überprüfen, wurde ein Ansatz, der auf Aktionsforschungszyklen wie planen, handeln, beobachten und reflektieren stützt, übernommen. – Die Aufgabenteilung zwischen den Gruppenmitgliedern ermöglichen es, einen Teil der Arbeit von akademischen Partnern leisten zu lassen, während der Schwerpunkt der Arbeit als Gruppe sicherstellt, dass die Ergebnisse dieser Arbeit von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit kognitiven Behinderungen geteilt und genutzt werden. Dadurch wird garantiert, dass die Forschung sorgfältig durchgeführt wird, z. B. durch die Einordnung in die bestehende Literatur zu diesem Thema oder durch die Verschiebung der Analyse auf eine konzeptionelle oder theoretische Ebene. Die angepassten Forschungsmethoden, die in diesem Ansatz verwendet werden, ähneln der Beschreibung der inklusiven Analysemethode, die NIND beschreibt (vgl. NIND M. 2011: S. 358). „...dass eine thematische Analyse durch Menschen mit Lernschwierigkeiten machbar sein könnte, wenn es Unterstützung in Form von der Präsentation einer Reihe von Themen gibt, die von Co-Researchers erforscht werden können, und wenn der Prozess durch das einfachere Konzept der Aufzeichnung der "Bits [Teilchen], die sie interessant finden" und ihrer Reaktionen auf diese Bits verstanden wird“ (vgl. ebd.). Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit Nach Auffassung von BIGBY et al. führt der kollaborative Ansatz zu besseren Forschungsergebnissen, als dies entweder Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler oder Selbstvertreterinnen/ Selbstvertreter allein erreichen könnten. Dies kann u. U. zu einem besseren Verständnis über das Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung führen. 133 6.3.7 Wissenskonstruktionen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen – Problemlagen und Herausforderungen für inklusive Forschung (FASCHING, HELGA/ BIEWER, GOTTFRIED, 2014, Österreich) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung FASCHING und BIEWER (2014) stellen als erstes die fehlenden methodologischen Grundlagen im Kontext der Sozialwissenschaften fest. Ihre Publikation befasst sich mit partizipativer Forschung mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im methodologischen Kontext der Grounded Theory der zweiten Generation. Zur Forschung FASCHING und BIEWER geht es in ihrem Vorhaben um die Aufnahme der Betroffenenperspektive zur Generierung bildungswissenschaftlichen Wissens. Das Projekt ist hierzu komplex angelegt. Untersuchungsgegenstand war zum einen um biografische Erzählungen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung als empirische Quelle, zum anderen um die Rolle intellektuell beeinträchtigter Menschen als Mitforschende. Ausschlaggebend für die Forschungsarbeit war die Einrichtung einer Referenzgruppe von Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, die in die Interpretation der qualitativen Daten aus den lebensgeschichtlichen Interviews mit einbezogen wurden. Es war entscheidend ihre Perspektive als untersuchte Gruppe in den Forschungsprozess mit einzubeziehen und gleichzeitig einen Beitrag zur Theoriegenerierung zu leisten. FASCHING und BIEWER beschreiben die Dateninterpretation durch Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung-Beiträge der Referenzgruppenmitglieder wie folgt: 134 § antworten, § andere Sichtweisen bestätigen, § Inhalte zu anderen Beiträgen hinzufügen, § widersprechen und andere Interpretationen liefern, § eigene Standpunkte aufgrund anderslautender Interpretationen aufgeben, § die Plausibilität unterschiedlicher Argumentationen gegeneinander abwägen, § Belege für eigene und fremde Interpretationen finden, § eigene Erfahrungen beisteuern, § beschreiben eigener Emotionen angesichts der Lebensgeschichten, § Gefühle äußern, wesentliche Inhalte zusammenfassen, § die berichteten Erfahrungen mit den eigenen in ähnlichen Situationen vergleichen. Die Fähigkeit und Bereitschaft, für sich selbst zu sprechen und Problemlagen behinderter Menschen zu thematisieren, zeichnet alle Mitglieder der Referenzgruppe aus. Wichtig ist beiden auch die Einhaltung forschungsethischer Standards und der Gütekriterien. Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit Das Projekt liefert Erfahrungen und neue Impulse zur Weiterentwicklung für die Arbeit mit Referenzgruppen als Instrumentarium partizipativer Forschung und GTM. „Im Bereich der Methodenentwicklung, haben wir es hier aber nach wie vor mit "work in progress" zu tun” (FASCHING, H/ BIEWER G. 2014). Zusammenfassend stellen sie fest, dass qualitative Forschung im Sinne der Grounded Theory Methodologie GTM mit Menschen mit kognitiven Behinderungen neue Chancen eröffnet und eine stärkere Stimme in der Wissenschaft gibt. 6.3.8 Peer-reviewed articles on inclusive research: Do co-researchers with intellectual disabilities have a voice? (STRNADOVÁ, IVA/ WALMSLEY, JAN 2017, Australien, Großbritannien) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung STRNADOVÁ und WALMSLEY (2017) führten eine Literaturrecherche und Analyse von 103 peerreviewten Zeitschriftenartikeln die über integrative Forschung berichten aus den Jahren 2003 und 2016 durch. Ziel war es, die Art und Weise zu erforschen, wie die Ansichten und Meinungen von Co-Researcher mit geistiger Behinderung in den publizierten Zeitschriftenartikeln Behinderung dargestellt werden bzw. vertreten sind. Zur Forschung Bei der Literaturrecherche zu den ausgewählten Arbeiten fragten die Autoren: § Wurden die Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit geistiger Behinderung als Autoren genannt? § War der Prozess des Co-Autorenschaft/Co-Authoring (Autorisierung durch die CoPartner) transparent? § Gab es Raum für Reflexionen und/oder Ergebnisse von Co-Forscherinnen und CoForschern über den Forschungsprozess? § Wie war die Stimme von Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit geistiger Behinderung vertreten? (z. B. Verwendung von direkten Zitaten, indirekte Rede, gemeinsames Auftreten von Autorenschaft –'wir')? Die Ergebnisse zeigen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten über inklusive Forschungsprojekte zu berichten gibt. Allerdings werden die Erfahrungen, Ansichten und Meinungen von CoForscherinnen und Co-Forschern dabei oft entweder nicht erwähnt oder es wurde über sie nur sehr selektiv berichtet. 135 Die akademischen Forscher können in den Peer-Review-Journalen, den Prozess der inklusiven Forschung reflektieren und darstellen. Für die Reflexion von Co-Forschern, über ihre eigenen Erfahrungen mit inklusiver Forschung zu berichten, fehlt die Möglichkeit den Prozess im Rahmen von Co-Authoring zu beschreiben und die Ergebnisse zu benennen, obwohl es hier um gemeinsame Arbeit und Erkenntnisse geht (vgl. STRNADOVÁ, I. / WALMSLEY, J. 2017). Es gibt bisher nur wenige Publikationen, die von Forscherinnen/Forschern und Co-Forscherinnen und Co-Forschern gemeinsam verfasst wurden. Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit In ihrem Artikel kommen STRNADOVÁ und WALMSLEY zu dem Schluss, dass die inklusive Forschung insgesamt zwar zunimmt, dass aber mehr Aufmerksamkeit darauf verwendet werden müsse, wie sich die Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit kognitiver Behinderung mehr artikulieren können und ihre Meinungen in formalen akademischen Kontexten gehört werden. Sie schlagen vor, hierzu Leitlinien für die zukünftige Praxis zu formulieren, zum Beispiel, dass bei der Berichterstattung über inklusive Forschungsprojekte von den Autoren erwartet wird, dass sie alle Mitglieder des Forschungsteams als Autoren erwähnen oder erklären, warum sie dies nicht tun (vgl. ebd.). 6.4 Partizipation oder Inklusion von Menschen mit kognitiven Behinderungen als Teilnehmer in der Forschung im Überblick Die hier vorgestellten Publikationen, werden in der folgenden tabellarischen Ansicht noch einmal zusammenfassend dargestellt, um die Schwerpunkte herauszuarbeiten. 136 Tabelle 2 : Me nsche n mit kognitiven Behinder ungen als Teilnehmer in der Fors chung Autor Buchner, T.; König, O. 2011 Goeke, S.; Kubanski, D. 2012 Ollerton, J. 2012 Bigby, C. et al. 2013 Titel Von der Ausgrenzung zur Inklusion: Entwicklung, Stand und Perspektiven gemeinsamen Forschens Menschen mit Behinderungen als Grenzgängerinnen im akademischen Raum IPAR, eine Inklusive Forschungsmethodik mit zugänglichen Analysewerkzeugen Konzeption einer inklusiven Forschung mit Menschen mit ID (geistige Behinderungen) Forschungsziel/ Erkenntnisinteresse und Fragestellung Internationale Trends, Entwicklungslinien und Ausprägungsformen Sozialwissenschaftliche Behindertenforschung mit den Problemen der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Forschung Veröffentlichung Fachpublikation Reviewed Publication Reviewed Publication, Reviewed Publication Art/Form In: DIFGB (2011): Forschungsfälle Methode? Partizipative Forschung im Diskurs In: Forum Qualitative Sozialforschung In: Practice Development Journal 2012 In: JARID - Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities Wie wird die inklusive partizipativen Forschung begründet Paradigmenwechsel zur Normalisierung Paradigmenwechsel zur Normalisierung und Integration Gesellschaftlicher Wandel, Paradigmenwechsel in Sozial- und Gesundheitswesen Disabilitystuddies • Art der (vorgeschlagenen) Emanzipatorisches Selbstverständnis: als Co-Forscher, Teilhabe Interviewer, Referenzgruppe oder Co-Autoren • Co-Forscher als CoKeine Aussage Autoren Einbeziehung von Menschen mit geistiger Behinderung in die Forschung Wichtigkeit in Planung und Forschung Grundsatz des Recht aller Menschen, als Forscher in Fragen, die für das eigene Leben relevant sind, aktiv einbezogen zu werden "partizipative" Einbindung der CoForscher kollaborativ: Unterschiedliche Modelle: Co-Forscher Leitung und Kontrolle liegt bei akademischen Forschern Keine Aussage Keine Aussage 1. Beratung 2. kollaborative Gruppen 3. Führung und Kontrolle Autorenschaft wird erwähnt 137 Welche Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse wurden angewendet? Keine Aussage Aussagen zu: Keine Aussage Keine Aussage • Rollenspiel zur Vermittlung der Forschungsethik • Fotografie, um Bildsprache für institutionelle ethnographische Untersuchung zu entwickeln • Metaphern (Geschichten) zur Beschreibung eines Sacherhalts • Fotografie eines Gedankens oder einer Stimmung, zur Analyse und Deutung der Daten • Photo-Voice zur Datenerfassung, Analyse und Verbreitung; • Farbcodierung/Patchwork Zeilenkodierung Keine Aussage Informed Consent Keine Aussage Paradigmenwechsel zur Normalisierung und Integration Kreative, visuelle und zugängliche Forschungsinstrumente für Forschung und Analyse ethische Herausforderungen für die akademischen Forscher Keine Aussage Gruppenanalyse • Inform. Einwilligung • Leitung/ Kontrolle der Forschung • Gütekriterien Voraussetzungen für inklusive Forschung Accessibility um Forschungsprozesse zu fördern und eine sinnvolle Beteiligung von CoForschern zu ermöglichen Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit • Was ist Universität und was Wissenschaft? • Veränderung der tradierten Rollen in der Forschung • Frage nach Qualität- und Gütekriterien • methodischen Weiterentwicklung • eine gemeinsamen (verständlichen) Sprache 138 Forscher müssen überdenken, wie sie Forschungsteilnehmer als CoForscher einbeziehen, die Nutzung und die Zugänglichkeit kreativer Forschungsmethoden und instrumente verbessern, Beiträge der Co-Forscher ermöglichen. Vermittlung von inklusiver Forschung als Kernprinzip für Behindertenforschung Autor Strnadová, I./ Cumming, T./ Knox, M./ Parmenter, T. 2013 Bigby, C. et al. 2014 Fasching, H.; Biewer, G. 2014 Strnadová, I./ Walmsley, J. 2017 Titel Aufbau eines inklusiven Forschungsteams: Die Bedeutung von Teambildung und Kompetenztraining Eine kollaborative Gruppenmethode zur inklusiven Forschung Wissenskonstruktionen mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in der Bildungswissenschaft Peer-reviewte Artikel über Inklusive Forschung: Haben Mitforscher mit geistiger Behinderung eine Stimme? Forschungsziel/ Erkenntnisinteresse und Fragestellung Die Bedeutung von Teambildung und Kompetenztraining Studie "die kollaborative Gruppe" als eine Methode: die Bedeutung der Selbstvertretung für den Aufbau der individuellen, sozialen und politischen Integration von Menschen mit einer geistigen Behinderung Grounded Theorie und Referenzgruppe als Beitrag zur Methodologie Wie ist die Meinungen von CoForschern mit geistiger Behinderung in publizierten, peer-reviewten Zeitschriftenartikeln vertreten? Veröffentlichung Reviewed Publication Reviewed Publication Reviewed Publication Reviewed Publication • Art/Form In: JARID - Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities In: JARID - Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities Springer-online 2014 In: JARID - Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities Wie wird die InklusivePartizipative Forschung begründet? Akademische Forscher wie Forscher mit geistiger Behinderung brauchen Unterstützung und Ausbildung, um Qualität der Forschung zu gewährleisten Notwendigkeit umfassender Forschung zu Themen, die das Leben von Menschen mit geistiger Behinderung betreffen. Paradigmenwechsel Keine Aussage Kollaborativ Kollaborative Teilnahme Referenzgruppe Thema der Publikation Keine Aussage Keine Aussage • Art der (vorgeschlagenen) Teilhabe Co-Forscher als CoAutoren Co-Forscher sind als Autoren zu benennen Zugängliche Zusammenfassung; 139 Welche Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse wurden angewendet? • Videoaufzeichnungen von Training und Sitzungen • Forschungstagebücher, von akademischen Forschern nach Grounded Theorie analysiert und mit den CoForschern besprochen und ergänzt Interviews, Sitzungsprotokolle, Feldnotizen Induktive Analyse (adaptiert Grounded Theorie Literature Review und -Analyse Aussagen zu Keine Aussage Keine Aussage Einhaltung forschungs-ethischer Standards 7 von 8 Gütekriterien nach Breuer/Reichertz (2014): 1. aufgrund der Logik der Rechtfertigung 2. aufgrund der Logik der Entdeckung 3. aufgrund der Ehrlichkeit und Redlichkeit der Wissenschaftler 4. als Gegenstandsangemessenheit: Selbstreflexion und Perspektivität 5. als Ergebnis einer humanen Ethik 6. Technologiefähigkeit von Forschung 7. aufgrund der (Darstellungs-) Politik der Forscherinnen und Forscher Keine Aussage • Informierte Einwilligung • Leitung der Forschung • Kontrolle der Forschung • Gütekriterien 140 Voraussetzungen Ethical approval52 • gemeinsame und unterschiedliche Ziele der Teilnehmer • gemeinsame Beteiligung und unterschiedliche Beiträge • gleichwertige, flexible, angepasste Forschungsmethoden, • Arbeit als Gruppe mit vertrauensvollen Beziehungen und verteilter Macht • Rahmen (Voraussetzungen) für die Einbeziehung Finanzierung (Bezahlung der CoForscher) Wenn keine Klarheit über den Prozess der Mitautorschaft eines inklusiven Forschungsartikels oder eines Artikels, der auf partizipativen Methoden basiert, besteht die Gefahr des sogenannten Tokenismus (Gefahr von der Diskriminierung abzulenken) Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit Notwendigkeit der Teambildung durch ein gemeinsames Forschungstraining Dies kann zu einer besseren Forschung und besseren Verständnis über das Leben von Menschen mit geistiger Behinderung führen. Menschen mit intellektuellen Behinderungen im akad. Raum Die Beiträge der Co-Forscher benennen und beschreiben und als das anerkennen, was sie sind, damit andere konstruktiv auf dem aufbauen können, was zuvor geschehen ist 52 Für jede Forschung, an der menschliche Teilnehmerinnen/Teilnehmer, ihr Gewebe und/oder Daten beteiligt sind, ist eine ethische Genehmigung erforderlich, um sicherzustellen, dass die Würde, die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen aller Teilnehmer im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen. 141 Tabelle 3: Anforder ungen an die inklusive F orsch ung Qualität Ethik Informed Consent Coauthoring Konzept Accessibility (Easy to read) § Arscott, Katy 1997 - x x - - x § Goodley, Dan 2000 - - - x - ? § Nind, Melanie 2008 ? x x - x x § Stevenson Miriam 2010 - x x x x x Gütekriterien - - - - - x x - x x § Buchner, Tobias/Koenig, Oliver 2011 § Nind, Melanie 2011 § Goeke, Stefanie/Kubanski, Dagmar. 2012 - - - - - x § Bigby, Christine (Conc.) 2013 - - - - x x § Bigby, Christine (Coll.) 2013 - - - x x x § Strnadová, Iva 2013 x x - x x x § Ollerton, Janice 2014 x x x - x x § Iriarte, Edurne García 2014 - x - - x Gütekriterien - x - x x Gültigkeit x - - x - § Nind, Melanie 2017 x x x - x x § Callus, Anne-Marie 2017 - Einwilligung - - x x § Ellis, Liz 2018 - x x - - - § Strnadová, Iva/ Walmsley, Jan 2017 x - - x - x 7 11 8 5 10 14 § Fasching, Helga/Biewer, Gottfried 2014 § Seale, Jane/ Nind, Melanie 2014 142 6.5 Inklusive-partizipative Forschung und User-Centred Design Für inklusiven und partizipativen Ansätze bei der Forschung und Entwicklung insbesondere von digitalen Systemen und Anwendungen müssen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen werden, um einen nutzerzentrierten/orientierten Design-, Entwicklungs- und Inhaltserstellungskontext zu etablieren (vgl. MIESENBERGER et al. 2019). § Besteht ein angemessenes Verständnis dafür, wie die User/Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher mit Systemen und Tools arbeiten, welche assistiven Technologien (ATs) sie verwenden könnten, welche Anforderungen in Bezug auf z. B. Zeitpunkt und Nutzung von Medien, ATs oder persönliche Unterstützung zu erfüllen sind? § Wurde eine geeignete Kommunikationsinfrastruktur geschaffen, die Ausdruck, Diskussion, Feststellung und Kontrolle ermöglicht? § Wird das Thema/System als relevant und wichtig für die Teilnahme verstanden; haben Endnutzer die Möglichkeit, Thema, Ziel und Rahmenbedingungen, die das Projekt/Aktivität bestimmen, zu beeinflussen? § Verstehen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ihre Rolle und den angestrebten Beitrag? § Haben die User das Gefühl, dass ihre Meinung und ihr Know-how auf gleicher Augenhöhe respektiert und gefordert wird? UCD und F&E haben unterschiedliche (nationale und internationale) Perspektiven, Grundsätze, um die Begriffe der kognitiven Behinderungen in einen möglichst breiten Kontext zu stellen. Die Einstellungen und Perspektiven gegenüber kognitiven Behinderungen sind nicht immer dieselben, aber aus diesen unterschiedlichen Erfahrungen kann viel gelernt werden (vgl. MIESENBERGER et al. 2019). Im nun Folgenden werden vier weitere Publikationen zur inklusiven und/oder partizipativen Forschung und User- Centred Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen vorgestellt, die sich während des Forschungsprozesses auf unterschiedliche Weise dem Thema nähern. Im Blickpunkt stehen hierbei die Methoden, Werkzeuge und Vorgehensweisen, die für IPAR-UCD richtungsweisend sein könnten. 6.5.1 Barrierefreies Internet für Menschen mit geistiger Behinderung. Eine experimentelle Pilotstudie zu technischen Voraussetzungen und partizipativen Auswirkungen (BERNASCONI, TOBIAS 2007, Deutschland) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Es geht um die Zugänglichkeit des Internets für Menschen mit kognitiven Behinderungen, die BERNASCONI anhand einer Pilotstudie mit den Usern durchführte. Design/Methodik/Ansatz BERNASCONI hinterfragt und beurteilt kritisch verschiedene Methoden für Usability Tests in seiner Arbeit. Dabei fällt ihm auf, dass sowohl qualitative als auch quantitative Daten und verschiedenen methodischen Vorgehen zu kombinieren bei der 'Web-Usability-Forschung' gängige Praxis ist (vgl. BERNASCONI, T. 2007:174). Er findet zudem in seiner Pilotstudie heraus, dass sich bei seiner Zielgruppe qualitative Verfahren eher anbieten, um zum einen den spezifischen Eigenschaften der Personen gerecht zu werden und zum anderen sicherzustellen, dass valide Ergebnisse erzielt werden, die die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung bieten (vgl. ebd. 174). Die Triangulation der Daten bietet ihm dabei die Möglichkeit, den miteinander konkurrierenden Zielen Generalisierbarkeit, Präzision und Wirkungskontrolle sowie Kontexterfassung und Beachtung der Menschen mit kognitiven Behinderungen gerecht zu werden. Die unterschiedlichen Methoden (quantitatives Experiment/qualitative Beobachtung) werden nicht willkürlich, sondern durch die untersuchungsimmanente Form des geplanten Testens schlüssig und aufeinander bezogen eingesetzt (vgl. BERNASCONI, T. 2009: 104). Beispielsweise: Das Experiment weist gegenüber der Befragung oder der Beobachtung einige entscheidende Vorteile auf. Es biete die Möglichkeit, Versuchspersonen in eine künstlich gestaltetet Situation einzufügen und so Zusammenhänge unter ständiger Kontrolle darzustellen und zu reproduzieren (vgl. BERNASCONI, T.2007: 176). Die teilnehmende Beobachtung zeichnet sich durch die Anwesenheit und Teilnahme des Beobachters im Feld aus, während bei nicht-teilnehmenden Beobachtungen die Beobachtungen von einer außenstehenden Person gemacht werden. Kriterien der Überprüfbarkeit, der systematischen Aufzeichnung und der genauen Planung der Beobachtung sind nach BERNASCONI wichtig, um die Aufmerksamkeit nicht der Willkür zu überlassen: § was zu beobachten ist und was eher nebensächlich ist, § ob und in welcher Art das Beobachtete gedeutet werden darf, § zu welcher Zeit und an welchem Ort die Beobachtung stattfindet und § in welcher Form das Beobachtete zu protokollieren ist (vgl. ebd.: 184). Die formale und praktische Gestaltung der Untersuchungssituation, in der eine möglichst normale Atmosphäre geschaffen wird, sollte dabei als Teil des methodischen Designs bei einer strukturierten Beobachtung der Untersuchungssituation bedacht werden (vgl. BERNASCONI, T. 2009: 104) Eine Befragung (Interview) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lässt sich gut auf die Zielgruppe abzustimmen (vgl. ebd.:190). 144 Für die Befragung von Menschen mit Lernschwierigkeiten empfehlen BERNASCONI (ebd.: 165) und HAGEN (HAGEN, J. (2002: 299) eine Interviewmethodik, welche dem Erzählenden größtmögliche Offenheit für die eigene Sicht der Dinge gibt, gleichzeitig aber so strukturiert ist, dass alle für Forscherin/Forscher relevanten Problemfelder und Fragen angesprochen werden. Hagen verweist dabei auf das problemzentrierte Interview. Ergebnisse/Praktische Auswirkungen Als besonders sinnvoll und hilfreich bewertet BERNASCONI die methodische Triangulation, da durch die Integration und Verbindung von experimenteller Untersuchung und Beobachtung bei der Auswertung Aspekte herausgefiltert werden konnten, die einem isolierten Verfahren verborgen geblieben wären (vgl. BERNASCONI 2007:325). 6.5.2 Accessibility of Web Search Engines: Towards a Deeper Understanding of Barriers for People with Disabilities (KERKMANN, FRIEDERIKE / LEWANDOWKSI, Dirk 2012, Deutschland) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Zweck der Publikation von KERKMANN/LEWANDOWKSI ist es, die Aspekte zu beschreiben, die bei der Bewertung der Zugänglichkeit von Web-Suchmaschinen für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen sind. Suchmaschinen sind die am wichtigsten und am häufigsten genutzte Dienste im Web und Gatekeeper (Türöffner). Die Autoren geben einen Überblick und skizzieren einen theoretischen Rahmen für eine umfassende Barrierefreiheitsstudie von Web-Suchmaschinen zu den Prinzipien der Behindertenforschung und der Idee der Inklusion. Es geht ihnen um ein tieferes Verständnis von Barrieren für Menschen mit Behinderungen. Zumal es bisher keine Zufriedenheitskriterien für Menschen mit Behinderungen gibt. Design/Methodik/Ansatz Das Papier basiert auf einer Literaturrecherche und einer Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen in der Praxis, hauptsächlich nach dem Evaluierungsverfahren der W3C Web Accessibility Initiative (WAI). Forschungseinschränkungen/Implikationen Die Publikation kann als Zusammenfassung betrachtet werden. Sie beschreibt ein theoretisches Konzept zur Durchführung von Benutzertests. Bei der Testumgebung stellen KERKMANN und LEWANDOWKSI fest, dass es sinnvoll sei, Tests am Standort des Users durchzuführen, wo es einfacher ist, die physische Zugänglichkeit in den Räumen sowie die Verfügbarkeit und Funktionalität verschiedener Arten von Hilfstechnologien zu berücksichtigen. 145 Bei der Planung und Vorbereitung sei die zeitliche Dauer und die Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Als eine Methode, schlagen sie das Think-Aloud Protokoll (vgl. BRAJNIK, G. 2008) vor. Zur Vorbereitung können Aufgaben und Szenarien ähnlich wie bei Studien mit nichtbehinderten Personen erstellt werden. Es sollen realistische Suchaufgaben für die Teilnehmer erstellt werden. Sie empfehlen Aufgaben mit unterschiedlichem Schweregrad sowie verschiedene Arten von Abfragen. Es sollen Informations- und Navigationsabfragen sowie Fragen zur Transaktion berücksichtigt werden. Es gibt freie Suchaufgaben, d.h.: der Teilnehmer formuliert die Abfrage selbstständig oder es gibt geführte Suchaufgaben d.h.: der Teilnehmer erhält fertige Fragen. Alle benutzen Dokumente (Einwilligungserklärung, Aufgabenbeschreibung, Testmaterial) müssen vorab in leicht verständliche Texte umgewandelt werden. Falls erforderlich muss die Unterstützung durch Gebärdendolmetscher oder andere benötigte Unterstützung organisiert werden. Bei Durchführung des User-Testing müssen die Testbenutzerinnen und Testbenutzern bestimmte Aufgaben erfüllen, während sie beobachtet und aufgefordert werden, laut zu denken (um ihre Gefühle und Gedanken so auszudrücken, wie sie können). Testberichte, wie Bug-Report (Fehlerbericht) werden nach den Kriterien der Usability-Standard-Testverfahren, von den Gutachterinnen/Gutachter (aus Notizen, Audio- und/oder Videoaufzeichnungen und/oder Eyetracking) erstellt. Zum Beispiel geht es um Kriterien wie Effektivität, Effizienz, Zufriedenheit: § Effektivität: Wie viele Teilnehmer, die nicht direkt auf die Suchmaschine zugreifen können, können ihre Hilfstechnologie effektiv nutzen? § Effizienz: Wie viel Zeit wird benötigt, um die Aufgaben ohne/mit Hilfstechnologie zu erfüllen? Wie viele Anwendungen von Hilfstechnologien sind notwendig? Welche Unterstützung von Dritten wird benötigt? Wie viele Teilnehmer geben auf? § Zufriedenheit: Wie viele positive/negative Ausdrücke werden bei der Suche gemacht und wie zufrieden sind die Teilnehmer mit der Suchmaschine? (vgl. BRAJNIK, G. 2008). Ergebnisse/Praktische Auswirkungen KERKMANN und LEWANDOWKSI kombinieren Ergebnisse aus der Web-Suchmaschinenforschung mit Aspekten der Behindertenforschung. Dies soll Forscherinnen/Forschern, Entwicklerinnen/ Entwickler und Pädagoginnen/Pädagogen in der Praxis Einblicke geben, wie wichtig die Zugänglichkeit von Web-Suchmaschinen für Menschen mit Behinderungen ist, wie sie gemessen werden kann und welche Aspekte berücksichtigt werden müssen. Diese Publikation von KERKMANN/LEWANDOWKSI ist bislang jedoch nur eine Art Konzeptentwurf, der noch nicht getestet wurde, sondern auf vorhandener Literatur, Methoden und Richtlinien basiert. 146 Die Ergebnisse solcher Studien könnten praktische Auswirkungen auf die Entwickler von WebSuchmaschinen haben, um die Zugänglichkeit ihres Produkts zu verbessern. Die Zugänglichkeit von Web-Suchmaschinen hätte dann nicht nur Auswirkungen auf die Zielgruppe, sondern auch auf ältere oder vorübergehend behinderte Menschen. 6.5.3 Accessibility to electronic communication for people with cognitive disabilities (Borg, Johan/ Lantz, Ann/Gulliksen Jan 2014 Schweden) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Es geht in dieser Publikation darum wissenschaftlich evaluierte und berichtete Maßnahmen für den Zugang zur elektronischen Kommunikation für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu identifizieren. Ziel der Studie ist es, die Zugänglichkeit und Möglichkeiten für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu den Kommunikationsmedien zu bewerten, wobei der Schwerpunkt auf der Mensch-Computer-Interaktion und nicht auf der Art und Weise liegt, wie die Nutzer teilnehmen. Design/Methodik/Ansatz Aus dreizehn Datenbanken wurden diesbezüglich 29 empirische Studien mit Beschreibung und Bewertung von Maßnahmen zur kognitiven Zugänglichkeit identifiziert und analysiert um Empfehlungen für die Praxis gegeben (vgl. ebd. BORG, J. et al.: 547). Alle analysierten Artikel befassen sich mit der Nutzung von Internet, E-Mail und Telefon, Fernsehen, Multimedia-Schnittstellen, Texten und Bildern, dem Betrieb von Geräten, der Eingabe von Informationen und Maßnahmen zur Zugänglichkeit. Folgende Fragestellungen wurden untersucht: Über welche Maßnahmen, um Menschen mit kognitiven Behinderungen die elektronische Kommunikation zugänglich zu machen, werden in der wissenschaftlichen Literatur berichtet? Welche dokumentierten Auswirkungen haben diese Maßnahmen? Ergebnisse/Praktische Auswirkungen Borg und Kollegen stellen fest, dass die aktuelle Evidenzbasis darauf hinweist, dass die Anforderungen und das Design und Teilnehmer der einzelnen Studien sehr unterschiedlich sind. Das Methodenspektrum bewegt sich sowohl im quantitativ als auch qualitativ, aber immer wurden die Untersuchungen direkt mit den Menschen mit unterschiedlichen kognitiven Behinderungen selbst durchgeführt. Das Ergebnis der Untersuchung beschreiben Borg und Kollegen wie folgt: Die Präferenzen für die Zugänglichkeit von Menschen mit kognitiven Behinderungen sind sehr unterschiedlich. Die ungenaue Beschreibung der Diagnosen in konsistenter Weise und die häufig verwendeten 'Mixed Methods', die nicht genauer reflektiert werden, erscheinen ihnen problematisch. 147 6.5.4 Mobile Technology and Inclusive Research (CUMMING THERESA/ STRNADOVÁ, IVA/ KNOX, MARIE / PARMENTER, TREVOR 2014 Australien) Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung Inwieweit ermöglicht der Einsatz von iPads (a) als unterstützende Technologie die Co-Researcher mit kognitiver Behinderung eine gleichberechtigte Beteiligung an der Forschung und (b) unterstützt es die Co-Researcher in ihrem Alltag. Design/Methodik/Ansatz Um diese Erfahrungen mit dem Einsatz von iPads zur Unterstützung von Menschen mit kognitiver Behinderung in der Forschung zu diskutieren, nutzen die Autorinnen auch Fallstudien. CUMMING und ihre Kolleginnen untersuchen dies in dem bereits oben genannten Projekt. Die iPads konnten dabei als unterstützende Technologie vom gesamten Forschungsteam benutzt werden, da die Geräte durch den Einsatz verschiedener Anwendungen anpassbar sind. Das iPad wurde hier wegen seiner Transportierbarkeit, Zugänglichkeit und Vielseitigkeit ausgewählt, zumal es eine Vielzahl von Anwendungen (Apps) und assistive Technologie gibt, die speziell für Menschen mit verschiedenen Behinderungen entwickelt wurden (iTunes, 2011). Den Mitgliedern des Forschungsteams war freigestellt, wie und wann sie die Technologie hierzu nutzen. Mithilfe der iPads erstellten sie Fotos und Videos. Mit Einbeziehung von iMovie (Videoschnittprogramm) und Forschungstagebüchern53 sowie mit Video aufgezeichneten Trainings- und Forschungseinheiten wurden die sogenannten Forschungsdaten zunächst erhoben. Später wurden diese dann analysiert, wobei die Co-Forscherinnen dazu aufgefordert wurden, sich an den Prozessen zu beteiligen. Hierbei erwies sich die Erstellung der Forschungstagebücher mit dem iPad durch die Teilnehmerinnen teilweise als schwierig. Die Tagebucheinträge wurden daher gemeinsam als eine kurze Zusammenfassung am Ende jeder Einheit verbal erstellt und von einer der akademischen Forscherinnen transkribiert. Dies zeigte sich insofern als erfolgreicher, da es die Teilnehmerinnen dazu anregte, über die Sitzung und ihren Inhalt nachzudenken. Ergebnisse/Praktische Auswirkungen Zusammenfassend berichten CUMMING und Kollegen, dass die iPads die Beteiligungsmöglichkeiten für Co-Researcher mit einer kognitiven Behinderung nicht nur in der Forschung, sondern auch in anderen Bereichen ihres Lebens verbessert haben, einschließlich Kommunikation, Gedächtnis und analytische Fähigkeiten. 53 Forschungstagebücher mit dem iPad Audio-Notizen sind eine gute Lösung zur Unterstützung der unterschiedlichen Alphabetisierungsgrade der Forscher mit kognitiver Behinderung. 148 6.6 Ergebnis der Literaturrecherche und Konsequenzen für ein inklusives-partizipatives Forschungskonzept für Forschung und Entwicklung Die Suche nach methodischen Ansätzen für die Praxis inklusiver-partizipativer Forschung und User-Centred Design dokumentiert, dass es bisher wenig grundsätzliche Vorstellungen zur inklusiven Forschung gibt. Viele der Publikationen beschreiben zwar den Forschungsgegenstand und die Zielgruppe, aber das Forschungsdesign selbst wird häufig vernachlässigt. Die hier ausgewählten Publikationen, einschließlich der zwei Tabellen, bilden einen Querschnitt inklusiver und/oder partizipativer Forschung und User-Centred Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ab. Dabei besteht nicht der Anspruch der Vollständigkeit. Hier zeigt sich, dass es prinzipiell einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Forschung mit Menschen mit Behinderungen gibt, der sich u. a. auf die UN-Behindertenrechtskonvention stützt. Dennoch wird das Themenfeld der inklusiven partizipativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen und noch mehr das User-Centred Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen sehr heterogen behandelt. Als Behinderungsmodell wird vorwiegend das sogenannte soziale Modell favorisiert. Wie der Überblick weiter zeigt, geht es in den meisten Fällen um eine methodische (Weiter-) Entwicklung von inklusiver Forschung. Es stehen sowohl Veränderungen von Strukturen, als auch Veränderung der tradierten Rollen zur Disposition (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012) und die Fragen im Raum: Was ist Universität und was Wissenschaft? (vgl. BUCHNER, T./KOENIG, O. 2011). BIGBY sieht in der kollaborativen Gruppenmethode die Möglichkeit, bessere Forschungsergebnisse zu erhalten (vgl. BIGBY, C. et al. 2014). Die Art der Teilhabe an der Forschung und die Rolle der TeilnehmerInnen im Forschungsprojekt variiert stark. Aspekte der Freiwilligkeit und der Informed Consent kommen nur bei OLLERTON (2012) zur Sprache. Die Form der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen wird beschrieben als teilnehmende User im Experiment, als Beobachtung oder Befragung (vgl. BERNASCONI, T. 2007). Unter Zusammenarbeit wird die beratende Teilnahme, als Experten in eigener Sache (vgl. BUCHNER, T./KOENIG, O. 2011; GEBERT, T. 2014; FASCHING, H. /BIERWER, G. 2014; BIGBY, C. ET AL. 2014), als Referenzgruppe, Fokusgruppe oder sogar als Interviewer (vgl. BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011; FASCHING, H./ BIEWER, G. 2014) verstanden. BIGBY et al. heben die Aufgabenteilung zwischen den Gruppenmitgliedern hervor, die es ermöglicht, einen Teil der Arbeit von nicht akademischen Partnern leisten zu lassen. 149 OLLERTON und BIGBY sprechen auch von der Vielfältigkeit der Ansätze und kreativen (angepassten) Methoden (vgl. OLLERTON, J. 2012; BIGBY, C. et al. 2014). Als Methoden und Instrumente für die Forschung werden konkret genannt: § Beobachtung, Befragung, Experiment (vgl. u. a.BERNASCONI, T. 2007) § kreative Methoden wie Rollenspiel, Photo-Voice, Metaphern, Farbcodierung-Patchwork (vgl. OLLERTON 2012); § Research Diary (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2013); § Audio- und/oder Videoaufzeichnungen, Eyetracking (vgl. KERKMANN, F. /LEWANDOWKSI, D.) § Werkzeuge wie iPads für die Beteiligung der Co-Forscherinnen und Co-Forschern (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2013). Qualitative und quantitative Daten und verschiedenen methodischen Vorgehen werden teilweise kombiniert, wie bei den Mixed Methods, (vgl. BERNASCONI, T. 2007; BORG, J. et al. 2014). Aussagen zu Forschungs- und Analysemethoden mit der Zielgruppe machen lediglich BIGBY und OLLERTON. Sie machen auch als einzige Angaben zur Überprüfbarkeit ihrer Forschung. Die methodische Vielfalt der inklusiven Forschung macht sie lebendig und glaubwürdig, da diese angemessen im Hinblick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmern eingesetzt werden. GEBER und FASCHING/BIEWER geben als einzige Hinweise zu den notwendigen Gütekriterien. Größtmögliche konzeptionelle Klarheit und angemessene Gütekriterien werden jedoch mehrfach vermisst (vgl. BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011; KERKMANN, F./ LEWANDOWKSI, D. 2014; FASCHING, H./ BIEWER, G. 2014; BIGBY 2014, BORG 2014). Zur Transparenz wie Autorenschaft und die Frage »Wem gehört die Forschung?« schlagen STRNADOVÁ/ WALMSLEY Richtlinien für die zukünftige Praxis (Co-Authoring) vor. Zum Beispiel, dass bei der Berichterstattung über inklusive Forschungsprojekte alle Mitglieder des Forschungsteams als Autoren genannt werden. Andernfalls soll erklärt werden, warum wer nicht einbezogen wird (vgl. STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017). STRNADOVÁ (2012) fordert zudem ein Forschungstraining für alle Mitglieder (vgl. STRNADOVÁ, I./ CUMMING, T. 2013). Fragen zu den einzelnen Usern/Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern im Hinblick auf ihr Verständnis (wird das Thema der Forschung von ihnen als wichtig erkannt oder verstanden) oder zur Kommunikationsinfrastruktur werden kaum gestellt. Die Frage nach dem Selbstverständnis der eigenen Rolle als Forscher wird selten angesprochen. Methoden werden, wenn überhaupt erwähnt, nicht begründet. Ethische Rahmenbedingungen sind außer im Hinblick auf die Informierte Einwilligung oder bei FASCHING und BIEWER bzgl. der Transparenz kein Thema. 150 Bei der inklusiven Forschung betrifft die von OLLERTON geforderte Transparenz von Forschungsprojekten auch eine leichte verständliche Information, Kommunikation und Zugänglichkeit zu den Forschungsmethoden (vgl. OLLERTON, J. 2012). Dieses Ergebnis legt nahe, dass methodologische Grundlagen für die Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen unerlässlich sind. Dies gilt nicht nur für die Sozialwissenschaften, sondern ebenso für die Grundlagenforschung von Engineering sowie Forschung und Entwicklung. Wichtigster Aspekt bei der Vorstellung der Projekte war ein allgemeines Verständnis und Wissen über inklusive Forschung zu erhalten, dass in eine konkrete Anwendung sowie in Forschung und Entwicklung umgesetzt werden sollte. 6.6.1 Erkenntnisse für die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung und das Konzept § Die Einbindung der Zielgruppen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher erfordert hohe Bereitschaft und Intuition der Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen/Entwickler, sowie die notwendigen Ressourcen wie Zeit, Material und die Bezahlung der Peers für die Durchführung der Forschung und Entwicklung (vgl. FASCHING, H./BIERWER, G. 2014). § Von den Peer-Forscherinne und Peer-Forschern wird neben der Freiwilligkeit der Teilnahme Interesse und ein gewisses Maß an Eigenverantwortung im Rahmen ihrer Möglichkeiten erwartet (vgl. STRNADOVÁ, I./ CUMMING, T./ KNOX, M./PARMENTER, T. 2013) § Um den ethischen Anforderungen an die Forschung gerecht zu werden, wird neben den notwendigen Voraussetzungen eine entsprechende Informierte Einwilligung in verständlicher Sprache und /oder anderem Format für die Beteiligten vorgeschlagen (vgl. KREMSNER, G. 2014). § Das Forschungsprojekt muss so barrierefrei wie möglich sein. Das erfordert, dass die Zugänglichkeit und Verständlichkeit berücksichtigt werden muss. Zum Beispiel: Alle Informationen über die Forschung, wie das Informed Consent, das Forschungsvorhaben (Inhalt), Ziele der Forschung, Weiterverarbeitung der Informationen und Fragen der Anonymität sollten in leichter Sprache und für die Zielgruppe verständlich erklärt und bestenfalls auch schriftlich bestätigt werden (vgl. MEYER, D. et al. 2002; GOEKE, S./KUBANSKI, D. 2012). § Bevor die Entwicklung des Prozesses beginnt, ist eine formale Einführung/Ausbildung in Forschungskompetenzen für Menschen mit geistiger Behinderung notwendig, damit sie zur Forschung beitragen können (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2013; COONS, K. D./WATSON, S. L. 2013). § Zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit gehört nicht nur die lückenlose Dokumentation des Forschungsprozesses, sondern ebenso, dass die Peer-Forscherinnen und PeerForscher als Co-Autoren namentlich genannt werden und dass die Ergebnisse für sie auch in leichter verständlicher Sprache vorliegen (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 216 ff.; STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017). 151 152 7 Inklusive-partizipative Aktionsforschung und User-Centred Design als alternativer inklusiver Methodenansatz für Forschung und Entwicklung "Traue jemandem etwas zu und er wird sich bemühen, diesem Vertrauen zu entsprechen." Don Bosco (1815-1888) ÜBERBLICK Im Folgenden geht es um die Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden inklusivepartizipative Aktionsforschung IPAR und User-Centred Design UCD zu einem gemeinsamen Konzept, was im Detail im Teil B beschrieben wird. Die Verknüpfung beider Ansätze unter der Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und nicht nur als Probanden oder Befragte (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 32 ff.) soll neue Anstöße für Forschung und Entwicklung durch den Einsatz von neuen und veränderten Forschungsmethoden im User-Centred Design bieten. IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver Prozess hat dabei nicht nur für die Forschung und Entwicklung Potenzial, sondern auch für die Autonomie und das Empowerment von Menschen mit kognitiven Behinderungen. Grenzen und Erschwernisse für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher, alternativen Erhebungsmethoden und Befragungen sowie die Gütekriterien und Qualitätssicherung als Strategien der Geltungssicherung von IPAR-UCD werden ebenfalls diskutiert. 153 7.1 Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden IPAR und UCD Im Rahmen dieser Arbeit soll IPAR mit dem Forschungsansatz der User-Centred Design UCD zu einer inklusiven Forschungsmethode IPAR-UCD verknüpft werden. Dadurch wird es der Zielgruppe als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ermöglicht, sich aktiv an der Gestaltung und Bewertung digitaler Anwendungen und Dienste zu beteiligen. Inklusive-partizipative Forschung ist nicht auf die Sozialwissenschaften beschränkt, sondern ist auch für andere Wissenschaftsbereiche relevant, wie beispielsweise Forschung und Entwicklung (F&E). Als Hauptansatz für das neue Konzept wird auf den Ansatz Inclusiv Participatory Action Research (IPAR) von JANICE OLLERTON (2012) verwiesen. IPAR und UCD sind in ihren partizipativen Ansätzen sehr ähnlich. Dabei unterscheiden sie sich auch nicht grundlegend von anderen sozialwissenschaftlichen Ansätzen, die in der Forschung mit der Zielgruppe bereits verfolgt werden. Obwohl IPAR wie UCD eine hohe Kompatibilität haben, wurden sie bisher formell nicht miteinander kombiniert und genutzt. Beide können auf ein breites Spektrum an Methoden, Techniken und Werkzeugen zurückgreifen. Für IPAR wurden bereits einige Methoden und Werkzeuge zielgerecht für die Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen angepasst oder entwickelt, (OLLERTON, J. M. 2012; STRNADOVÁ, I./CUMMING; T. 2010). Beim UCD liegen zahlreiche Erfahrungen und methodischen Standards im Kontext von 'User Experience Engineering' 54 und moderner Softwareentwicklung vor, allerdings nicht für die Zielgruppe. IPAR-UCD wird nicht als unabhängige Methodik verstanden, sondern als ein Ansatz, Menschen mit kognitiven Behinderungen als Expertinnen/Experten in Bezug auf ihr soziales und mediales Umfeld in das Forschungsfeld Forschung und Entwicklung kollaborativ einzubeziehen. IPAR-UCD ist daher eher als Forschungsstrategie gedacht, die durch Evaluierung und Weiterentwicklung zu einem Standard für inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung mit der Zielgruppe werden könnte. Wie bereits erwähnt, plädiert WALOSZEK (2005) in dem »SAP Design Guide« für die Beteiligung von Usern in der Forschung und Entwicklung. Für die Gestaltung neuer Medien und IKT-Systeme empfehlen HEARN und FOTH hierzu die Aktionsforschung (vgl. HEARN und FOTH 2005: 19). Sie sind der Meinung, dass die Aktionsforschung einen festen Platz innerhalb der Medien- und Kommunikationsforschung haben soll. 54 Synthese von Design und Entwicklung 154 Sie regen an, unterschiedliche Forschungsansätze zu verwenden, da der Bereich der neuen Medien auf individueller, institutioneller und kultureller Ebene analysiert werden müsse. Das IPAR-UCD Konzept, das in seiner Gesamtheit in Teil B vorgestellt wird befasst sich zuvor mit den folgenden Fragen: § Welche Unterstützung und Einstellungen gegenüber Peer-Forscherinnen und PeerForschern mit Behinderungen und Forschung mit dem IPAR-UCD Konzept ermöglichen positive Prozesse und Ergebnisse bei der Mensch-Computer-Interaktion (HCI)? § Können Informations-, Kommunikations- und Unterstützungsstrategien (Methoden, Richtlinien und Werkzeuge) in eine allgemeine und übertragbare IPAR-UCDForschungsmethodik für die Mensch-Computer-Interaktion und andere technische Bereiche integriert werden? § Ist die IPAR-UCD-Forschungsmethodik geeignet, die Qualität von Strategien zur Bereitstellung von Inhalten für User mit kognitiven Behinderungen zu überprüfen? § Führt die Erfahrung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern zu neuen Perspektiven und Kenntnissen über die Nutzungsanforderungen und damit zu mehr Produktqualität, Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit? § Beeinflussen neue Erkenntnisse über die Nutzeranforderungen den Forschungsprozess und die Ergebnisse des HCI durch die aktive Beteiligung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, insbesondere in Bereichen, die für die Zielgruppe von besonderem Interesse sind? Die Kombination beider Ansätze, Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Researcher und nicht nur als Testpersonen oder Befragte einzubeziehen, soll durch den Einsatz neuer und veränderter Forschungsmethoden im nutzerzentrierten Design neue Impulse für Forschung und Entwicklung geben (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 32 ff.). Die Veränderung der Forschungsmethoden und die Einbeziehung von Menschen mit kognitiven Behinderungen bei der Entwicklung – sie selbst zu fragen, was ihre tatsächlichen Bedürfnisse und Wünsche sind – sollte zu einem höheren Grad an Personalisierung, Anpassungsfähigkeit und Zugänglichkeit führen. Mit diesem alternativen Ansatz kann das Potenzial neuer Mensch-Computer-Interaktionen (HCI) gemeinsam mit der Zielgruppe untersucht und weiterentwickelt werden (vgl. MIESENBERGER, K. 2017). IPAR-UCD schafft damit die Grundlage für eine stärkere Beteiligung von PeerForscherinnen und Peer-Forschern mit kognitiven Behinderungen an Forschung und Technologieentwicklung. 155 Mit einem sogenannten LAB-Projekt »Easy Reading«55 konnte herausgearbeitet werden, welche Methoden und Unterstützungen für die Teilhabe von Peers erforderlich sind und wie diese, basierend auf dem IPAR-UCD-Ansatz, aktiv am HCI-Forschungsprozess teilnehmen können. Es wurde dabei an einem konkreten Forschungsgegenstand versucht, einzelne Methoden und Werkzeuge des User- Centered Design für den inklusiven Forschungsansatz anzupassen oder neu zu entwickeln. Im Gegensatz zur traditionellen Forschung besteht die Herausforderung darin, mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenzuarbeiten, zu forschen und die Technologieforschung zu entwickeln. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern arbeiten mit ihrer eigenen Perspektive auf das Projekt und ihren eigenen Erfahrungen. Sie werden entsprechend ihrer Ressourcen und Fähigkeiten in den Planungs- und Entwicklungsprozess einbezogen. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher unterstützen die einzelnen Schritte der agilen Entwicklung, indem sie im Vorfeld eine meist wissenschaftliche Frage mit entsprechend angepassten inklusiven Methoden verfolgen, die später zu einem Produkt oder einer Anwendung führen. Mit der gleichberechtigten Beteiligung und einem Verständnis füreinander wird es möglich, über eigene Ideen und die anderer nachzudenken. Sie sind daher auch interessiert ihre eigenen Erfahrungen und/oder die ihrer Peers einfließen zu lassen und kreativ neue Konzepte zu entwickeln. In schrittweisen inklusiven iterativen Prozessen werden so Anforderungen und später Funktionalitäten ermittelt und ausgewertet sowie in weiteren Entwicklungsschritten von den Entwicklerinnen/ Entwicklern berücksichtigt. Abschließend beurteilen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern bei einer Endevaluation die Richtigkeit und Wichtigkeit der einzelnen Ergebnisse. Alle Forschungsinhalte und -kriterien müssen für die Peer-Researcher verständlich und nutzbar sein. Ebenso sollten die Datenanalyse und ihre Schlussfolgerungen entsprechend für sie in alternativen Formen erstellt und dokumentiert werden (vgl. FULLANA, J. et al. 2016: 2). Kognitiver Behinderung muss aber nicht bedeuten, dass die Person generell eine besondere Unterstützung benötigt, um an der Forschung teilzuhaben. 55 Ein physischer und/oder virtueller Raum, der der Initiierung und Umsetzung innovativer Ideen dient. 156 Die Erfahrungen aus dem sozialwissenschaftlichen inklusiven Bereich haben gezeigt, dass unabhängig davon, wie die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen am Forschungsprozess gestaltet ist, die Teilnehmenden vor oder im Laufe des Projektes einen allgemeinen Überblick über Forschung erhalten und den Forschungsprozess kennenlernen sollten, um aktiv an der Forschung teilnehmen zu können (vgl. ebd. 2). Ob und welche Forschungsmethoden und -instrumente dafür geeignet sind, welche es bereits gibt und inwieweit sie für die Zusammenarbeit mit Menschen mit kognitiven Behinderungen angepasst werden können oder ob neue Methoden entwickelt werden müssen, wird im Rahmen des LAB-Projekts "Easy Reading" gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern erarbeitet. 8. Abb. Action Research und User-Centred (Quelle: eigene Darstellung 2019) 7.2 IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver Prozess Um Forschung und Entwicklung als einen inklusiven Prozess durchzuführen, bedarf es einiger Überlegungen zu den bestehenden Anforderungen an F&E, aber auch Veränderungen. Die gemeinsame Arbeit, die Teilnahme und Übernahme von Verantwortung für ein Forschungsvorhaben wie IPAR-UCD findet in aufeinanderfolgenden Schritten statt, die hier zusammenfassend vorgestellt werden. 157 158 § Ausgangspunkt: Die inklusive Entwicklung einer Anwendung oder eines Produktes beginnt in der Regel mit der Erkenntnis, dass eine Teilhabe an oder mit etwas nicht möglich ist, weil etwas fehlt und der Wunsch der User danach auftaucht oder weil etwas nicht wie erwartet funktioniert. Man stellt sich Fragen „Warum ist das so?“, „Wie kann es verändert werden?“, „Wer oder was kann dabei Unterstützung leisten?“. Hier ist zunächst ganz allgemein die Mitarbeit der betroffenen User gefragt. § Suche nach Experten: Es wird eine Forschergruppe von Co-Forscherinnen/Co-Forschern bzw. Peer-Forscherinnen/Peer-Forschern, akademischen Forscherinnen/Forschern, Entwickler-innen/Entwickler und anderen gebildet. Dabei treffen im Wesentlichen zwei Gruppen von Experten zusammen, die Experten mit dem Wissen über die Anforderungen aus der Sicht der User und die wissenschaftlichen Experten für Entwicklung und Design. § Das methodische Vorgehen: Der gesamte Forschungsprozess wird, dort wo erforderlich und möglich, den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher angemessen angepasst. Ausgenommen sind beispielsweise Entwicklungsschritte, wie die Entwicklung in einer Programmiersprache oder andere technische Anforderungen. § Gemeinsamer Projektstart: Zu Beginn findet für alle eine Einführung in das Forschungsprojekt statt, damit jeder einen Überblick über das Projekt hat. Es geht vor allem auch um die Bildung eines gemeinsamen Forschungsteams, in dem alle auf Augenhöhe miteinander arbeiten, gleich welche Vorerfahrungen sie oder er für die Forschung mitbringt. Anschließend wird die Fragestellung bzw. das Problem schrittweise gemeinsam oder in einzelnen inklusiven Forschergruppen untersucht. § Die Requirementanalyse: Hier werden Anforderungen formuliert: Bei der Erkundung und Analyse der für die Entwicklung einer Softwareanwendung relevanten Kontextfaktoren werden beispielsweise die verschiedenen Interessen der User gesammelt und dann gemeinsam bewertet (Requirementanalyse). Damit ist auch die Suche nach Lösungen und Alternativen verbunden. § Die Entwicklung: Die Entwicklerinnen/Entwickler machen einen Vorschlag und erstellen ggf. einen Prototyp. Die Forschergruppe mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher entwickeln hierzu eine Testumgebung/Testszenarios für die ersten Versuche der Nutzung. Man bedient sich der User Erfahrungen/User Experience (UX), ein erweitertes Konzept der Usability, das psychologische und physiologische Reaktionen des Benutzers (wie seine Emotionen, Erwartungen, Erfahrungen, Präferenzen, Leistungen und Verhaltensweisen) beinhaltet, die sich bei der Gestaltung ergeben. Die Beobachtungen und Ergebnisse werden ausgewertet, um Verbesserungen oder weitere Entscheidungen zum Forschungsdesign treffen zu können. Es ist besonders das Expertenwissen der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher gefragt. Nach dieser Phase werden ggf. die Verbesserungsvorschläge umgesetzt. § Die eigentliche Versuchs- und Testphase: Die empirische Evaluation der Gebrauchstauglichkeit eines Produktes oder interaktiven Systems wird mit dem End-User in unterschiedlichen Projektgruppen, gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und PeerForschern durchgeführt. Hier sind die Peers in der beobachtenden Rolle. § 7.2.1 Die Implementierung der neuen Software, des Produkts oder Dienstes: Beim Einführen der neuen Entwicklung spielen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ebenfalls eine entscheidende Rolle, weil sie den End-Usern aus der Peergruppe am besten vermitteln können, wann und wie sie dies am besten benutzen und welchen Benefit sie daraus ziehen können. Allgemeine Anforderungen an die kollaborativen Forschung mit IPAR-UCD Während der Forschungsphase selbst können Hindernisse auftreten. Die Verständigung auf einem gemeinsamen Niveau ist oft ein echtes Problem für alle Beteiligten. Alle Materialien, wie die methodischen Standards in "User Experience" und Software Engineering (vgl. JAKOBSEN, J. /MEYER, L. 2017: 34ff.), müssen verständlich/nachvollziehbar sowie zugänglich sein, und es sollten Methoden verwendet werden, die 'Self Advocacy' (Selbstbestimmung), Empowerment und Verantwortung der Co-Researcher fördern (vgl. FULLANA, J. et al. 2013.: 724). Voraussetzungen für diese Form der inklusiven Forschung und Entwicklung sind Offenheit, Neugierde, Empathie und Interesse an einem interdisziplinäre Forschungsteam. Kollaboratives Forschen gemeinsam mit der Zielgruppe erfordert Kommunikationsfähigkeit, angemessene Zeitressourcen und personelle Unterstützung. Bei der Wahl der Methoden (vgl. Teil B) ist zu klären über welche Kompetenzen die PeerForscherinnen und Peer-Forscher verfügen, z. B. bei der Kommunikation oder Schriftsprache, ob sie in der Lage sind, unabhängig oder mit Assistenz schriftlich zu kommunizieren. Der Umgang mit Schriftsprache ist für viele ungewohnt, ungeübt oder fremd. Menschen mit kognitiven Behinderungen sind es eher gewohnt, in ihrem Alltag und an ihrem Arbeitsplatz mündlich (im Dialog) zu agieren 7.2.2 Erschwernisse für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher – und Disempowerment Die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern ist nicht immer einfach zu organisieren. Zugangserschwernisse zum akademischen Raum bestehen u. a. durch die Universitätsgesetze und fehlender akademischer Qualifikation. Häufig wird die Frage nach der Wissenschaftlichkeit und Validität der Forschung mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von akademischen Forscherinnen/Forschern gestellt. Eine weitere Frage ist, welche Rolle die mit PeerForscherinnen und Peer-Forscher bei der Zusammenarbeit einnehmen und wer wie bezahlt oder entlohnt wird. Akzeptanz, Einfluss und die Bedeutsamkeit von Peer-Forschern sind entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im gesamten Forschungsprozess. 159 Beispielsweise kann die Ablehnung der Erfahrung als Expertise einer Person durch eine oder mehrere Personen im inklusiven Forschungsteam zu Problemen führen, ebenso wie die unterschiedlichen individuellen Ressourcen der potenziellen Peer-Forscherinnen und PeerForscher wie Unterschiede bei der Arbeitszeit und dem Arbeitstempo sowie dem Zeitmanagement. Es kann jedoch von Vorteil sein, wenn die zukünftigen Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher bereits Erfahrungen mit Forschung haben. Zum Beispiel, wenn sie Wissen und/oder Sachkenntnis zur Forschung allgemein und zum Forschungsprozess mitbringen oder wenn sie Erfahrungen mit dem Forschungsgegenstand (Produkt) oder der Forschung haben. 7.2.3 Grenzen von alternativen Erhebungsmethoden und Befragungen Forschung von und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der wissenschaftlichen Literatur wird sehr kontrovers diskutiert s.o. Verschiedene Studien zeigen, dass für die Erfassung der Bedürfnis- und Interessenstrukturen sehr unterschiedliche Verfahren notwendig sind, die methodisch und inhaltlich an der subjektiven Lebenswelt der Betroffenen ansetzen (vgl. MOISL, D. 2017). Es hat sich zudem erwiesen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Lage sind, im Rahmen von Interviews qualifizierte Aussagen zu machen (vgl.: SCHÄFERS, M. 2008: 145.; SCHLEBROWSKI, D. 2009: 134 f.), sodass hier auf ihre Mitarbeit zurückgegriffen werden kann. Ebenso können andere Kompetenzen der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Berücksichtigung finden. MOONEN erklärt hierzu, dass die Fragen vereinfacht gestellt werden müssen, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft einen kleineren Umfang an Vokabular oder Probleme wegen einer Sprachbehinderung haben. Interviews könnten zwar genutzt werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, diese seien jedoch nicht für jede Zielgruppe anwendbar und sie sollten nicht als eigenständige Methode verwendet werden (vgl. MOONEN, R. 2012: 19). COONS und WATSON heben in ihren Untersuchungen hervor, dass es wichtig sei, die Aufmerksamkeit gerade auf diese Herausforderungen zu lenken, um den Forschungsprozess zu verbessern und Personen mit ID (Intellectual Disabilities) vollständig in den Forschungsprozess einzubeziehen (vgl. COONS, K. / WATSON, S. 2013: 21). Im Diskurs über Behinderung, müssen Forscherinnen und Forscher die Expertise und das Detailwissen von Personen mit ID anerkennen, mit dem diese in der Lage sind, den Forschungsrahmen zu erweitern. Obwohl die Einbeziehung von Personen mit ID in die Forschung, insbesondere von Menschen mit schweren oder schwerwiegenden Behinderungen, herausfordernd sein kann, könnte dies zu Ergebnissen führen, die zu neuen Erkenntnisse über die Zugänglichkeit liefern (ebd.). 160 Die Erfahrung, die durch die Teilnahme von Personen mit Behinderungen an partizipativen oder emanzipatorische Forschungsprojekten gewonnen werden, könnten einen aktiven Beitrag zur Definition ihrer eigenen Schwierigkeiten, sowie zur Lösung von Problemen leisten. Es lässt sich beobachten, dass Menschen mit leichten und moderaten Lernschwierigkeiten eher als Co-Forscherinnen/Co-Forscher oder als Befragte in die Forschung einbezogen werden. Dagegen wird bisher nur in wenigen Studien versucht, Personen mit erheblichen kognitiven und mehrfachen Behinderungen (profound and multiple learning difficulties PMLD) im inklusiven Sinne einzubeziehen, vor allem wenn diese großen Schwierigkeiten haben zu kommunizieren. Der Grund hierfür ist in der Regel ihre oft eingeschränkte Auffassungsgabe, und sie drücken sich oft nur mit wenigen Worten oder Symbolen aus. Oftmals zeigen sie auch gar keine Reaktion. Ihre Meinung oder Ansicht sind daher eingeschränkt verständlich. In NINDS Augen ist es jedoch ethisch nicht vertretbar diese von Forschungsstudien auszuschließen (vgl. NIND, M. 2008: 6). Sie könnten einen Einblick in ihre Erfahrungen geben und den zukünftigen Umgang mit ihnen mitgestalten. (vgl. ebd.), hierzu müssten alternative Formen der Prozessgestaltung gesucht werden. Nind und ihre Kollegen haben innovative multimediale Ansätze entwickelt, um Menschen mit erheblichen kognitiven und mehrfachen Behinderungen in die Forschung zu integrieren, Daten mit ihnen zu erheben und Ergebnisse zu präsentieren. Auch OLLERTON zeigt, wie sich die Zielgruppe als Co-Researcher integrieren lässt (vgl. OLLERTON, J. 2012). OLLERTON betont, dass die verwendeten Methoden für alle Beteiligten verstehbar sein sollen. Dies geht nicht ohne Aufwand und methodischer Fantasie und Kreativität der Forschenden (vgl. ebd.). Es eignen sich vor allem qualitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden, die am Alltagsverständnis der Zielgruppe anknüpfen. Komplexere statistische Methoden sind schwerer zu vermitteln (vgl. BERGOLD, J. 2013). Inklusive ebenso wie partizipative Forschung mit der Zielgruppe erfordert von den akademischen Forscherinnen/Forschern, dass sie flexibel und angemessen agieren, sowohl bei der Auswahl der Methoden als auch bei der Anpassung des Verfahrens. Dies bedeutet, dass sie ihre Erwartungen an den Forschungsprozess modifizieren müssen (vgl. COONS, K.; Watson, W. 2013: 21f). NIEDEK beschreibt ebenfalls die Bedeutung und Grenzen von Befragungen im Forschungsfeld von Menschen mit kognitiver und mehrfacher Behinderung und alternativen Erhebungsmethoden. Ihr Fazit nach ihrer vergleichenden Untersuchung ist, dass die Methodenforschung und -entwicklung in diesem Bereich trotz zahlreicher Studien noch nicht hinreichend entwickelt ist (vgl. NIEDEK, I. 2016: 5). Sie stellt fest, dass es nicht ausreicht, Menschen mit kognitiven Behinderungen zu befragen und dabei gezielt festgelegte Frageformate und unterstützende Techniken einzusetzen. 161 Beispielsweise wenn kein oder nur ein gering ausgeprägtes Symbolverständnis mit einem sehr geringen expressiven Wortschatz vorliegt, schlägt sie für die Erhebung alternative Methoden aus der Aktionsforschung oder Beobachtungen vor (vgl. ebd.: 5). NIEDEKS und Ollertons Ausführungen zeigen, dass es weniger auf die kognitiven Fähigkeiten der befragten Person, als vielmehr auf die kreative und kommunikative Kompetenz der Person, die die Daten erhebt, ankommt. Je geringer die kommunikativen Kompetenzen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, desto höher sind die Anforderungen an eine sorgfältige und angemessene Analyse des später vorliegenden Datenmaterials. Freie Interpretationen sind zu vermeiden. Sie müssen vielmehr aus dem Material belegt und präzise abgeleitet werden. Hierzu sollten sich die Auswertungen nicht ausschließlich auf den Inhalt beziehen, sondern sie müssen die 'Produktionsbedingungen' und 'Produktionsprozesse' der Aussagen mitberücksichtigen. Inklusive Forschung kann gerade diesen Prozess bestärken (vgl. ebd.). Unterstützende Techniken Unterstützende Techniken wie entsprechende Frageformulierungen, Netzwerkkarten, narrative Landkarten, Bild oder Fragekarten, Fotos, 'Talking Mats'56 oder andere Kommunikationshilfen können helfen, ein Gesprächsthema zu fokussieren und den Gesprächsverlauf zu visualisieren. Aber auch mit derartigen Techniken benötigt die befragte Person ein Mindestmaß an Fähigkeiten zur symbolischen Kommunikation, da die unterstützenden Techniken nicht grundsätzlich die Verständlichkeit der Frage erhöhen. Dazu gehören vor allem pragmatische und semantische Fähigkeiten der Interviewer, sowie ein rezeptiver und expressiver Wortschatz, je nachdem, welche Kommunikationsformen die interviewte Person im Alltag benutzt. Die Praxiserfahrungen haben gezeigt, dass es für die Interviewer wichtig ist, den Umgang mit solchen Techniken im Vorfeld zu erlernen. 7.3 Autonomie und Empowerment – Potenziale von IPAR-UCD nutzen Das ursprüngliche Empowerment-Konzept aus den USA ist darauf ausgerichtet, Menschen zu befähigen, sich auf ihre eigenen Stärken zu berufen und Selbstbestimmung und Autonomie zu erlangen. „Empowerment bedeutet Selbstbefähigung und Selbstbemächtigung, Stärkung von Eigenmacht, Autonomie und Selbstverfügung“ (vgl. HERRIGER, N. 2002: 18). 56 Talking Mats ist eine Methode zur Gesprächsstrukturierung, die bei Menschen mit Kommunikationsproblemen eingesetzt werden kann. Damit sollen die Betroffenen dabei unterstützt werden, ihre Meinungen und Wünsche zu Themen zu äußern, die ihnen wichtig sind. 162 Dieser Ansatz aus der sozialen Praxis soll Menschen zur Entdeckung eigener Stärken ermutigen, ihre Ressourcen fördern und personale Kompetenzen (weiter-)entwickeln. Er gibt Hilfestellungen bei der Aneignung von Selbstbestimmung und Lebensautonomie (vgl. ebd.). Dadurch erfahren die Betroffenen zunehmend mehr Authentizität und Identität (vgl. EDLER, C. 2014). IPAR-UCD als inklusives Verfahren, erweitern nicht nur den Erfahrungshorizont und Lebensraum der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern rund um das Projekt. Wie bei anderen inklusiven Forschungsprojekten kann man davon ausgehen, dass sich mit IPAR-UCD auch Autonomie und Empowerment bei den Beteiligten entfalten kann. Dieses Empowerment konkretisiert sich durch Autonomie beim Zugang zu gewünschten Informationen, intensiver (aufgabenbezogener) Kommunikation mit dem Forschungsteam und bei der Mitbestimmung der Gestaltung der Arbeitsabläufe. Welche Eigendynamik Empowerment hierbei entwickelt und wie 'Authentizität' und 'Identität' bei Menschen mit kognitiven Behinderungen an Bedeutung gewinnen kann, wird in der nachfolgenden Darstellung aufgezeigt. 9. 7.3.1 Abb. Empowerment IPAR-UCD (Quelle: eigene Darstellung 2018) Autonomie als Authentizität- und Identitätsorientierung Authentizität für sich selbst herzustellen ist für die Personen aus der Zielgruppe nicht selbstverständlich, denn viele werden in ihrem Leben in hohem Maße von anderen Personen und Bedingungen bestimmt und zu dem gemacht, was sie sind – stärker als von sich selbst. Bei Menschen mit kognitiver Behinderung dominiert nach wie vor eine Grundhaltung aus multiplen Fremdperspektiven (vgl. SCHUPPENER, S. 2010: 330). 163 Selbst sein zu können oder authentisch und echt zu sein bedeutet, dass das tägliche Leben mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen übereinstimmt. Menschen mit Behinderungen haben natürlicherweise wie jeder Mensch den Wunsch, in Übereinstimmung mit sich selbst zu leben (vgl. EDLER, C. 2014: 132 ff.). Nur wenn dieses Ich-Bewusstsein vorhanden ist, kann eine Person authentisch handeln. Die Authentizität hängt stark mit dem Selbstkonzept und der Identität einer Person zusammen. Es geht dabei um die Frage nach dem Selbst – 'wer bin ich? ' – sowie um die Frage der Abgrenzung zum anderen. Das Erleben von Identität ist die bewusste Erfahrbarkeit und Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst, welches von persönlichen Voraussetzungen und Interessen abhängig ist (vgl. BURMANN, C./ SCHALLEHN, M. 2010: 23) „Authentizität bedeutet nichts anderes als das Verhältnis von Entwurf und Realität eines Menschen. Wenn das zusammenpasst, wenn jemand „in Übereinstimmung“ mit sich selbst lebt, dann sprechen wir von authentischer, Existenz“ (ebd.: 23). Gewöhnlich durchläuft der Mensch als Mitglied sozialer Institutionen wie Familie, Schule, PeerGroup, Betrieb und durch die Medien vermittelt unterschiedliche Lern- und Identifikationsprozesse und erwirbt so die vom sozialen Umfeld geforderte Wertorientierung und Verhaltensmuster zur Handlungs- und Funktionsfähigkeit. Authentizität- und Identitätsorientierung sind beide für Menschen mit kognitiven Behinderungen in Bezug auf ihr Empowerment und Selbstverwirklichung von Bedeutung. Authentizität ist ein Ausdruck für selbstbestimmtes Leben und Autonomie. Die Autonomieerfahrungen bewirken bei den Betroffenen Selbstbewusstsein und Offenheit gegenüber Neuem. „Autonomie kann nur dadurch gefördert werden, dass Situationen geschaffen werden, in denen Menschen sich als autonom erleben. Das heißt, es sind weniger die Inhalte als die Strukturen der Interaktion in den Bildungsmaßnahmen [...], die darüber bestimmen, ob hier ein autonomieförderndes Potenzial zum Tragen kommt“ (KATZENBACH, D./UPHOFF, G. 2008 S. 78). Beispiel aus dem Forschungsprojekt: Im Projekt »Easy Reading« zum Beispiel erhält eine teilnehmende Peer-Forscherin die Möglichkeit bei unterschiedlichen Forschungsaufgaben selbständig zu arbeiten und zu interagieren und hierbei neue Erfahrungen in Bezug auf Selbständigkeit und Verantwortung für ihre PeerForschungsgruppe zu sammeln. Sie erlebt dabei eine neue Eigenständigkeit und Unabhängigkeit und dadurch eine neue subjektive Bedeutsamkeit ihrer Person, die ihren Ursprung in der eigenen Selbstwahrnehmung und bewertung hat. Ihre eigenen Grenzen werden ihr bewusst und sie lernt damit umzugehen. 164 Als Phänomen der begleitenden Forschungsanalyse fällt auf, dass diese Peer-Forscherin zunehmend unabhängiger agieren kann und dabei ihre individuellen Handlungsmöglichkeiten erweitert, sowohl ihre digitalen Kompetenzen, da sie Zugang zu unterschiedlichen digitalen (End-) Geräten hat, als auch die kommunikative Kompetenz über sprachliche Grenzen hinweg, indem sie sogar in einem einfachen Englisch mit ihr bisher fremden Personen kommuniziert Die Erfahrung, die die Teilnehmerin dabei sammelt, ist sozusagen eine neue Erfahrung der eigenen Autonomie, eine Autonomieerfahrung. Durch die aktive Beteiligung und 'Zumutungen' im Arbeitsalltag lässt sich bei den PeerForscherinnen und Peer-Forschern verstärkt eine Authentizität- und neue Identitätsorientierung feststellen. Dies soll in der folgenden Darstellung noch einmal verdeutlicht werden (vgl. EDLER, C. 2014: 134-137). 10. Abb. »Autonomieerfahrung von Menschen mit kognitiven Behinderungen« (Quelle: eigene Darstellung 2018) 7.3.2 Empowerment durch IPAR-UCD Empowerment kann bei IPAR-UCD sowohl als Prozess als auch als ein Ziel der inklusivenpartizipativen Aktionsforschung (IPAR) verstanden werden. Inwieweit sich dabei Interaktionsmöglichkeiten durch inklusive-partizipative Forschungsstrategien entwickeln, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer langfristig autonom interagieren können, wird hier nicht untersucht. Schwerpunkt liegt zunächst auf der Gestaltung und Unterstützung der Interaktion. Die Teilnahme der Zielgruppe an IPAR-UCD bedeutet, dass Forschung und Entwicklung nicht über Menschen, sondern methodisch mit ihnen geplant und durchgeführt wird. Während der einzelnen Aktionen geht es um konkrete Problemlösungen für Forschung und Entwicklung. 165 Indem sie mitreden und gehört werden sollen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in die Lage versetzt werden, bewusst auf ihre eigenen Bedürfnisse Einfluss zu nehmen. Dabei werden sowohl individuelle als auch gruppenbezogene Prozesse angeregt und bei Bedarf unterstützt, um so Empowerment zu ermöglichen. Schon allein die Teilnahme kann eine persönliche Entwicklungschance für die/den Einzelnen bedeuten. Die daraus entstehenden Rollenveränderungen können zu einem ganz persönlichen Empowerment beitragen (vgl. GOEKE, S. 2012). BERGOLD stellt fest, dass Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher durch den Prozess eine Anerkennung ihrer Kompetenzen erfahren und sie sich in diesem Rahmen weitere Kompetenzen aneignen können, die es ihnen in der Zukunft ermöglichen, anders oder besser zu reflektieren, zu argumentieren und sich frei zu äußern (vgl. BERGOLD, J. 2013: 6). CUMMING berichtet aus ihrer Studie mit Menschen mit kognitiven Behinderungen zum Thema »Mobile Technology«: „Martin (2006: 126) definiert Empowerment als "ein echtes Mitspracherecht bei Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen". Ermächtigung ist nicht etwas, was man plötzlich eines Tages hat." Diese Definition eignet sich besonders für diese inklusiven Forschungsstudien, da eine Person mit geistiger Behinderung sie selbst entwickelt hat und es den Autoren ermöglichte, ihre Studie mit der inklusiven Brille zu betrachten.“ (Cumming, T. et al. 2014: 12). 7.4 Gütekriterien und Qualitätssicherung – Strategien der Geltungssicherung von IPAR-UCD In der inklusiven-partizipativen Forschung werden zunächst die bekannten Erhebungs-, Analyseund Auswertungsverfahren der Sozialwissenschaften wie die Methoden des User-Centred Design genutzt. Während in der quantitativen Forschung die sogenannten Gütekriterien wie Reliabilität, Validität und Objektivität unbestritten sind (vgl. SCHNAPP et al. 2006: 17), ist die Situation in der qualitativen Forschung nicht so eindeutig. Die Uneinheitlichkeit der Gütekriterien ist in der Vielfalt der qualitativen Methoden und in unterschiedlichen Forschungsansätze begründet. Das Feld der Methoden vom Interview bis zur teilnehmenden Beobachtung erstreckt sich weit. Eine einheitliche Position, ähnlich der in der quantitativen Forschung, ist daher nicht abzusehen (vgl. FLICK, U. 2007: 188f.; LÜDERS, C. 2011). Im Gegensatz zur quantitativen Forschung kann es hierbei nicht um Überprüfbarkeit gehen, da die Replikation aufgrund der begrenzten Standardisierbarkeit nicht möglich ist (vgl. ebd.) 166 STEINKE spricht sich für die Etablierung eigenständiger Gütekriterien für die qualitative Forschung aus, die jeweils für die eingesetzte Untersuchungsmethode abgewägt werden müssen (vgl. Steinke, I. 2010: 322f.). Zentralen Gütekriterien qualitativer Forschung sind nach ihr, die „Indikation der methodischen Vorgehensweise, die empirische Verankerung der gewonnenen Theorie in den Daten, das Aufzeigen der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse und die Herstellung Intersubjektiver Nachvollziehbarkeit“ (STEINKE, I. 2007: 187). BERGOLD und THOMAS weisen ebenfalls darauf hin, dass es für die integrative partizipative Forschung und Entwicklung erforderlich sei, eigene, angepasste Qualitätskriterien bzw. Gütekriterien zu entwickeln. Diese sollten den allgemeinen Gütekriterien der Forschung und insbesondere der qualitativen Forschung entsprechen. (vgl. BERGOLD, J./ THOMAS, S. 2010: 342). Um IPAR-UCD als Forschungskonzept zu etablieren, wurde das Thema Gütekriterien von Anfang an berücksichtigt. Für die Qualität von Forschungsprozessen und Forschungsergebnissen im Zusammenhang mit IPAR-UCD werden hier folgende Gütekriterien vorgeschlagen: § Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses, § Validität, Reliabilität und Glaubwürdigkeit der Daten, § Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit, § Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und Forscher Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses Die Angemessenheit des qualitativen Vorgehens wird durch die Fragestellung des Gegenstandes der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung, User-Centred Design und Empowerment geprägt. Zum Beispiel: Bei der Forschung und Entwicklung für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen im LAB »Easy Reading« gehen wir davon aus, dass bei der Entwicklung von individualisierten und personalisierten Funktionalitäten der interaktiven Schnittstellen ein inklusiv zusammengesetztes Forschungsteam unverzichtbar ist, da die künftigen User die eigentlichen Experten ihrer Sache sind. Die Kombination der zwei etablierten Forschungsansätze IPAR und UCD mit der Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher – und nicht nur als Subjekte oder Befragte (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003) – bedeutet Ergänzungen zur Verbesserung des User-Centred Designs. 167 Die forschenden Beteiligten, Entwicklerinnen und Entwickler sowie Peer-Forscherinnen und PeerForscher gehen bei IPAR-UCD zunächst von ihren eigenen Annahmen und Vorkenntnissen aus. Durch die Kombination verschiedener Methoden wie teilnehmender Beobachtung, Interview oder anderer gestalterischer Verfahren und durch die Vergleichsmöglichkeiten verschiedener Projektgruppen wird ein tieferes Verständnis für das Forschungsanliegen bzw. den Forschungsgegenstand möglich (vgl. FLICK, U. 2000: 311). Die Daten und Erkenntnisse werden im Projektverlauf gemeinsam mit der Zielgruppe aus unterschiedlichsten Perspektiven diskutiert. Entsprechend angewendeten Verfahren und Methoden sollen dabei helfen, die Wahrnehmung bei der Datenauswahl und -analyse zu strukturieren (vgl. BREUER F. 2010: 51 ff.). Im Forschungsprozess selbst bezieht sich daher die Angemessenheit auf: § die Begründung der Entscheidungen unter besonderer Berücksichtigung der Problemangemessenheit, § den sorgfältigen Umgang mit den Äußerungen des gesamten Forschungsteams, § die angewendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden (Waren diese den Teilnehmerinnen und Teilnehmern entsprechend angepasst?). Validität, Reabilität und Glaubwürdigkeit der Daten Qualitative Forschung kann ohne die Bewertungskriterien Validität, Reabilität und Glaubwürdigkeit der Daten nicht bestehen, weil sonst der Vorwurf der Beliebigkeit und Willkür im Raum stehen könnte. Validität und Glaubwürdigkeit der Aussagen/Informationen von Menschen mit Lernschwierigkeiten werden jedoch immer wieder infrage gestellt. Diese Problematik wurde bereits im Kapitel 4 (Ethische Handlungsorientierungen) diskutiert und widerlegt. Wie bereits erwähnt haben EMERSON et al. festgestellt, dass viele Menschen mit kognitiven Behinderungen durchaus in der Lage sind, zuverlässige, unvoreingenommene und gültige Aussagen zum Beispiel über ihre Gefühle, wie über subjektive Lebensqualität, Selbstwertgefühl und Gesundheit zu machen. Es scheint jedoch wichtig, gewisse Einschränkungen der Befragten zu berücksichtigen. Zunächst kommt es hierbei auf die Frage- bzw. Antwortformate an. Wenn Informationen ausschließlich durch Selbstauskunft erlangt werden, können Menschen mit kognitiven Behinderungen aufgrund von Verständnis- und Kommunikationsschwierigkeiten sehr schnell ausgeschlossen werden (vgl. EMERSON, E. et al. 2013: 333). Auch ist bei einigen auf Grund von Einschränkungen in Bezug auf Verständnis (z. B. Erkennen der Bedeutung der Fragen), kognitive Verarbeitung (z. B. Abrufen, Ordnen oder Vergleichen von Informationen) und Ausdruck (z. B. Artikulieren einer Antwort) die Gewinnung von Informationen aus einer Selbstauskunft unrealistisch. 168 Im Hinblick auf die Reliabilität von inklusiver-partizipativer Forschung hat sich immer wieder gezeigt, dass eine Fragestellung nicht alleine auf einem bestimmten methodischen Verfahren beruhen sollte (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 169). BERNASCONI spricht von einem Mixed Methods Design und von Triangulation. Die methodischen Angaben sind entsprechend transparent und empirisch überprüfbar zu machen. Durch die Mitarbeit von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern als End-User in der Forschung und Entwicklung, wie im Projekt »Easy Reading«, wird eine höhere Validität der Forschungsergebnisse erwartet und die Anzahl systemischer Fehler verringert. Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit Um den Forschungsprozess nachvollziehen und die entstandenen Ergebnisse entsprechend (auch nach eigenen Maßstäben) beurteilen zu können, sollten Vorverständnis und damit zusammenhängende Erwartungen, die Methoden sowie die Daten und die systematische Reflexion des Forschungsprozesses dargelegt werden. Da IPAR-UCD die Methoden(-weiter-)entwicklung immer in die Forschung einbezieht, muss der gesamte Prozess angemessen dokumentiert und erläutert werden. Das betrifft alles, von der Begründung für die gewählten Verfahren und deren Adaption im Rahmen der Studie bis hin zu der konkreten Umsetzung der Forschungsarbeit. Ebenso muss nachvollziehbar sein, wie die Daten ausgewertet und interpretiert werden. Zur empirischen Verankerung des Forschungsergebnisses gehört, dass der Forschungsprozess nachvollziehbar und wiederholbar ist. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses wird durch eine lückenlose Dokumentation gewährleistet und macht die Qualität der Datenerhebung und des Datenmaterials überprüfbar. Zur Transparenz in der inklusiven Forschung gehört ebenso, dass die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher als Co-Autoren namentlich genannt werden und dass die Ergebnisse für sie auch in leichter verständlicher Sprache vorliegen (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 216 ff.). Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und Forscher Der Anspruch der reflektierten Subjektivität als Forscher wird im qualitativen Forschungsansatz als Grundprinzip angesehen und stellt ein weiteres Qualitätskriterium dar (vgl. FLICK, U. 2005: 19; STEINKE, I. 2010: 330 f.). Das Merkmal der reflektierten Subjektivität steht für das Ausmaß, in dem die konstitutive Rolle der Subjektivität von den Forscherinnen und Forschern bei der Theoriebildung reflektiert wird. Unger v. sieht in Bezug auf Selbstreflexivität auch in der Auseinandersetzung mit Konflikten einen Indikator für die Qualität einer partizipativen Zusammenarbeit (vgl. UNGER V., H. 2014: 85). 169 170 Teil B Das IPAR-UCD Konzept Inclusiv Participatory Action Research and User-Centred Design – Ergebnis des Design Based Research Prozesses (DBR) – Nutzerorientierte Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste und Usability-Evaluation gemeinsam mit Personen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Sinne von Inclusive Participatory Action Research 171 172 1 Einführung IPAR-UCD (Inclusive Participatory Research – User-Centred Design) ist ein neues Forschungskonzept im Bereich Forschung und Entwicklung zur Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste gemeinsam mit Menschen mit kognitiven Behinderungen. Im Sinne von Inclusive Participatory Action Research und User-Centred Design soll es hierbei um die Forschung für und mit Personen mit kognitiven Behinderungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, gehen. Das bedeutet, dass die Zielgruppe als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in die Forschung und Entwicklung integriert wird, um eine bessere kognitive Zugänglichkeit (Cognitive Accessibility) bei der Optimierung oder Neuentwicklung von interaktiven Produkten oder Schnittstellen zu erreichen. User Centered Design (UCD) ist hierzu der Prozessrahmen (der nicht auf Interfaces und Technologien beschränkt ist), der den Bedürfnissen, Wünschen und Grenzen der End User in jeder Phase des Design-Prozesses größtmögliche Aufmerksamkeit schenkt. Partizipative und/oder inklusive Forschung, wie beispielsweise IPAR (inklusive partizipatorische Aktionsforschung, vgl. Ollerton, J. 2013), sind bereits Forschungsansätze in den Sozialwissenschaften, bei denen Menschen mit Lernschwierigkeiten über den gesamten Forschungsprozess hinweg eine aktiv gestaltende Rolle einnehmen (vgl. BUCHNER, T. et al, 2016). Sie werden bisher in erster Linie als Forschungsansatz im Gesundheitsbereich oder Forschung über Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen eingesetzt. Das neue Konzept IPAR-UCD will die Zielgruppe bei der Gestaltung und Durchführung von Forschung und Entwicklung, bei Dingen, die sie selbst betreffen mit einzubeziehen und über sie und ihre auf unterschiedliche Weise erlebten Erfahrungen mit ihnen gemeinsam neues Wissen zu erzeugen (vgl. NIND, M. 2017). Dieses Konzept wurde für das EU-Projekt H2020 »Easy Reading« vorgeschlagen, eingesetzt und innerhalb des Projektes im Sinne von Design Based Research gemeinsam mit dem inklusiven Forschungsteam weiterentwickelt. Es soll daher ein klarer konzeptioneller Rahmen entwickelt werden, der die inklusive Forschung und deren Durchführbarkeit für bestimmte Forschungsfragen unterstützt. Die Herausforderung und Frage hierbei war: Wie lassen sich Menschen mit kognitiven Behinderungen durch ein inklusives Entwicklungs- und Forschungskonzept in Anlehnung an IPAR (vgl. OLLERTON, J. 2013) in die Forschung und Entwicklung (F&E), in dem Anwendungsfeld MenschComputer-Interaktion (HCI) und User-Centred Design (UCD) als Peer-Forscherinnen und PeerForscher, quasi als Experten in eigener Sache, sinnvoll einbeziehen? 173 2 Der Design Based Prozess als Progress für IPAR-UCD 2.1 Die Innovationsidee – IPAR-UCD als Forschungsmethodik Das vorläufige IPAR-UCD Konzept wird im Verlauf des Projekts »Easy Reading« im Sinne von Design-Based Research (DBR) als Intervention eingesetzt. Auf diese Weise sollen die Peers auch an der Methodenentwicklung für Forschung und Entwicklung beteiligt werden, wodurch sowohl diese als auch das eigentliche Forschungsergebnis im Interesse der Zielgruppe verbessert werden können. Hierzu ist anzumerken, dass die Entwicklung eines Forschungskonzepts keine typische Anwendung von DBR ist, aber im Sinne von DBR und empirischer Forschung wird so nach neuen Erkenntnissen durch systematische Auswertung der Erfahrungen gesucht, um diese dann umsetzen zu können (vgl.: BORTZ, J./ DÖRING N. 2006: 2). Die Frage, die sich stellt, ist: Wie kann hier Sozialwissenschaft die Praxis von Entwicklung und Forschung unterstützen? In dieser Arbeit wird für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern in der Forschung und Entwicklung argumentiert. Ziel ist es, neue Zugänge zu beschreiben und die Überwindung von Barrieren zu ermöglichen, so auch Zugänglichkeit zu Räumen und Materialien, barrierefreie Forschungswerkzeuge, verständliche Sprache etc. zu gewährleisten. Es soll aber auch gefragt werden: Wie lassen sich Ergebnisse qualitativer Forschung in Entwicklungsprojekten der Informationstechnologie anschlussfähig kommunizieren? Hier geht es darum, Ansätze für eine Handlungsempfehlung (anschlussfähige Darstellungsformen qualitativer Ergebnisse) zu sammeln und zur Diskussion zu stellen. Bei Betrachtung des State of the Art (Kapitel 6) lässt sich die Forschungslücke erkennen. Es kann festgestellt werden kann, dass sich bei inklusiver Forschung die Forschungssettings unterschiedlich gestalten. Es gibt es bislang kaum theoriebasierte Forschungsansätze in der inklusiven Forschung, bei denen Menschen mit kognitiven Behinderungen beteiligt werden. FASCHING UND BIEWER stellen fest, dass sich wissenschaftliche Fundierung bisher häufig auf Argumentationen beschränkt und methodologische Grundlegungen und geeignete Konzepte fehlen. Entsprechend empfehlen sie (2014) für »Wissenskonstruktionen mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in der Bildungswissenschaft« die Verbindung von Grounded Theory und partizipativer Forschung. 174 Durch die Verknüpfung von IPAR und UCD zu IPAR-UCD werden neue methodologische Positionen und methodische Schritte nötig, die in den vorherigen Kapiteln beschrieben wurden. Mit dem Ansatz von Design-Based Research soll nun untermauert werden, dass es sich bei der empirischen Anwendung von IPAR-UCD um eine fundierte theoriebasierte Forschungsstrategie handelt. Auf Basis der LAB-Studie im Projekt »Easy Reading« wird der Forschungsbereich Forschung und Entwicklung für die Zielgruppe neu erschlossen. Der hierzu gewählte qualitative Forschungsansatz wird nach Flick die Perspektive der Beteiligten in ihrer Vielschichtigkeit erfassen. Somit ist der Anspruch nach größtmöglicher Offenheit gegenüber dem Forschungsgegenstand und seiner Komplexität angemessen (vgl. FLICK, U. 2012: 82 f.). Anhand der Darstellung des methodischen Vorgehens wird die Übertragbarkeit des vorgestellten Ansatzes auf weitere Anwendungen transparent gemacht (vgl. DIAZ-BONE, R. 2002: 181 f.). 2.2 Forschungsfragen zum DBR-Prozess Dem Ansatz von Design-Based Research entsprechend werden folgende Forschungsfragen zugrunde gelegt. 1. Welche Unterschiede zeigen sich bei der Nutzung eines inklusiven multimodalen Forschungsansatzes zu anderen Forschungsansätzen in der Forschung und Entwicklung? 2. Lassen sich anhand der Aktivitäten Typisierungen hinsichtlich der vorgeschlagenen Forschungsmethoden vornehmen? An welchen Stellen sind Anpassungen notwendig? 3. Welche Schlussfolgerungen für die Gestaltung sowie für den Einsatz von inklusiven Forschungsmethoden lassen sich aus den Ergebnissen dieses Konzeptes ableiten? Im Folgenden wird zunächst für den DBR-Ansatz argumentiert und anschließend die konkrete Umsetzung des DBR vorgestellt, anhand dessen sich Antworten auf die Forschungsfragen ergeben. 2.3 Abgrenzung des Design-Based Research Ansatzes zu anderen prozessbegleitenden und praxisorientierten Ansätzen Design-Based Research Design-Based Research (DBR), früher im angelsächsischen Bereich auch Design Experiments genannt, ist ein relativ offenes Forschungskonzept wobei es Überschneidungen zu anderen Forschungs-ansätzen gibt. Für Design-Based Research existieren unterschiedliche Prozessmodelle von unterschiedlichen Autoren (vgl. MCKENNEY/REEVES 2013: 12), die sich zwar in der Zahl und begrifflichen Bezeichnung der Phasen unterscheiden, in ihrer Grundstruktur jedoch eine hohe Affinität zueinander aufweisen. 175 Bzgl. der Vielfalt stellen MCKENNEY UND REEVES diese Gemeinsamkeiten fest: § Die Designforschung auf dem Gebiet der Bildungsforschung liefert wissenschaftliche Erkenntnisse (und in einigen Fällen auch praktisches Handwerkszeug für die Teilnehmer); § Obwohl sich Terminologie und Inhalte unterscheiden, lassen sich hier drei Phasen unterscheiden: eine Analyse-/Orientierungsphase, eine Design-/Entwicklungsphase und eine Evaluierungs-/Retrospektivphase; die während der Laufzeit eines Projekts wieder aufgegriffen werden; § Die Bildungsdesignforschung ist bestrebt, sowohl Interventionen in der Praxis als auch wiederverwendbares Wissen zu entwickeln. (vgl. MCKENNEY, S./REEVES, T.C. 2013: 12) Design-Based Research ist eine Forschungsrichtung, in der die iterative Entwicklung von Lösungen für praktische und komplexe (Bildungs-) Aufgaben den Rahmen für die wissenschaftliche Untersuchung bildet. Diese Lösungen können Lehrmaterialien, Prozesse, Programme oder Konzepte sein. DBR als Designforschung zielt nicht nur auf die Lösung bedeutender Probleme ab, mit denen Bildungspraktiker konfrontiert sind, sondern versucht auch, neues Wissen zu entdecken, das die Arbeit von anderen mit ähnlichen Aufgaben beeinflussen kann (vgl. ebd.). Dabei ist der theoretische Entwicklungsansatz in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern und Praktikerinnen/Praktikern unerlässlich (vgl. Teil A). Aufgrund dieses Lösungsansatzes scheint DBR als Instrument besonders für die Konzeptionierung dieses inklusiven Forschungs- und Entwicklungsansatzes geeignet. Aktionsforschung Auch die Aktionsforschung ist eine Methode zur Erforschung und gleichzeitig zur Veränderung. Der Begriff Action Research wurde in den 1940er-Jahren von KURT LEWIN geprägt (LEWIN 1946). Sie „konzentriert sich auf soziale und politische Themen und arbeitet auf konkrete Veränderungen in der Praxis hin; speziell die Situation von benachteiligten Gruppen soll dadurch transparent gemacht und verbessert werden. Aktionsforschung beteiligt die Betroffenen weitgehend am Forschungsprozess und behandelt sie als gleichberechtigte Experten bei der Entscheidung von inhaltlichen und methodischen Fragen.“ (BORTZ, J.; DÖRING N. 2006: 343). Bei der Aktionsforschung ist die Zielgruppe, die von Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern untersucht werden soll, nicht bloße Informationsquelle, sondern Forscherin und/oder Forscher begeben sich gemeinsam auf die Suche nach Erkenntnissen. Es sollen praktikable Lösungen für bestimmte komplexe Zusammenhänge gefunden werden. Ein wesentliches Merkmal der Aktionsforschung besteht weiterhin darin, dass sie theorientwickelnd ist (vgl. MOSER H. 1977: 11-17). 176 Prozessbegleitende Evaluation Ebenso wie die Aktionsforschung gehört die Evaluationsforschung zu den Handlungsforschungen. Sie bedient ebenfalls verschiedener Untersuchungsmethoden, die die Möglichkeit bieten, Handlungen und Aktivitäten anhand von Werten, Kriterien und Standards zu beurteilen. Gleichzeitig ist die Evaluierung auch eine Praxis um bestehende oder neu entwickelte Projekte, Prozesse, Maßnahmen oder Funktionseinheiten zu überprüfen und ggf. anzupassen sowie zu optimieren. Eine prozessbegleitende Evaluation hilft beispielsweise einen Organisationsentwicklungsprozess zu unterstützen, indem sie Hinweise auf Fortschritte, Anpassungsbedarfe und Lernpotenziale der Organisation gibt. Die Unterscheidungen Bei allen drei vorgestellten Ansätzen können unterschiedliche Methoden und unterschiedliche Daten in einer Triangulation entsprechend kombiniert werden (vgl. BORTZ, J./ DÖRING, N. 2006: 365; GORARD, S. TAYLOR, C. 2004: 43 ff.). Nachfolgend werden daher Unterscheidungen der drei prozessbegleitenden Forschungsansätze mit ihrem engen Praxisbezug aufgezeigt: Tabelle 1 : Unter scheidu ng der verschiedenen pro zessbegleitenden Forschungsansä tze Aktionsforschung– Handlungsforschung Gemeinsamkeiten enger Praxisbezug prozessbegleitend Inhalte und Ziele Ermöglichung einer theoretisch inspirierten Veränderung; Ziel ist, an konkreten Problemen aus der Praxis anzusetzen und direktes soziales Handeln zu ermöglichen – Situatives Vorgehen; Die Entwicklung der Intervention ist das Ergebnis; Handlungsorientierung formative oder prozessbegleitende Evaluation enger Praxisbezug prozessbegleitend Bewertung bzw. Begutachtung von bestehenden oder neu entwickelten Projekten, Prozessen/Maßnahmen oder Funktionseinheiten während der laufenden Intervention; Design-Based Research enger Praxisbezug prozessbegleitend Entwicklung von Theorien und Rahmen für die Konzeption von Lernen, Instruktion, Designprozessen und Bildungsreformen; die Entwicklung der Intervention ist vorgelagert, - Instruktives Vorgehen; Entwicklung einer theoretisch inspirierten Intervention ist selbst Bestandteil der Forschung; Produktorientierung Prozessorientierung 177 Aktionsforschung– Handlungsforschung Charakterisierung der Forschung, Sozialwissenschaftlichmethodisches Vorgehen; Partizipation (auch im Sinne politischer Partizipation); Ziele Forschungsziele, Forschungssetting und Forschungsprozess, sowie die unterschiedlichen Rollen aller Beteiligten sind transparent; Forscher und Teilnehmer (Co-Forscher) versuchen gemeinsam, die untersuchten Probleme und Fragestellungen zu klären und zu lösen; Befunde/Ergebnisse 178 formative oder prozessbegleitende Evaluation Design-Based Research Die Maßnahme wird in regelmäßigen Abständen von Forschern (quantitativ) untersucht und es werden Zwischenresultate erhoben, mit dem Ziel, die laufende Maßnahme anzupassen und zu optimieren; Der grundlegende Prozess besteht darin, Lösungen (sogenannte "Interventionen") für Probleme mit den Anwendern zu entwickeln, die im Anschluss im Praxisfeld erprobt werden; Es werden vorher festgelegte Verfahrensschritte verwendet, die nicht mehr verändert werden; Die Ergebnisse werden analysiert, um ggf. Anpassungen vorzunehmen (Iteration); Befragung, Monitoring, Test, Fragebogen oder Analyse der Beobachtung findet außerhalb der Intervention statt; Die Aktionsforschung sieht eine enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis bei der Entwicklung des Forschungsansatzes, der Durchführung der Untersuchung und der Ergebnisauswertung vor; Bei der formativen Evaluationsforschung werden zunächst die Daten methodisch erhoben und systematisch dokumentiert: die Untersuchung, das Vorgehen und letzlich die Ergebnisse; Sie will die Entwicklung beschreiben oder erklären; Auf diese Weise wird versucht über eine Maßnahme subjektive Eindrücke von Betroffenen zu erhalten, um diese ggf. anzupassen, die dann wiederum mit den Betroffenen evaluiert werden können; Unter realen Bedingungen werden während des gesamten Forschungsprozesses Erfahrungen und Zwischenergebnisse mit Co-Forschern auf das Forschungsvorhaben hin reflektiert, um gegebenenfalls das Design anzupassen; Hierbei geht es um Objektivität, Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Ergebnisse; Aktionsforschung– Handlungsforschung formative oder prozessbegleitende Evaluation Design-Based Research Empirie Das induktive Vorgehen steht im Vordergrund, dennoch sollen die Ergebnisse intersubjektiv überprüfbar sein; Die Ergebnisse sollen nachvollziehbar und überprüfbar sein; Objektivität, Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Ergebnisse bestimmen das gesamte Vorgehen; Forschungsperspektive und Komplexität die Komplexität der Aufgaben erfordert § Kompetenzentwicklung der Beteiligten, § Lern- und Veränderungsprozesse; Man konzentriert sich auf die Identifikation, auf eine oder wenige festgelegte abhängige Variablen, dadurch häufig reduzierte Betrachtung; Charakterisiert die Situation in all ihrer Komplexität, vieles ist nicht grundsätzlich festgelegt und bezieht möglichst viele abhängige Variablen ein; Fokussierung auf eine Theorie; Fokussierung auf die Forschungsfrage; Fokussierung auf den Forschungsgegenstand; Forscher und Beforschte sind gleichberechtigt; Evaluator auf der einen und die Personen, die von der geplanten Maßnahme betroffen stehen, auf der anderen Seite; DBR bezieht die unterschiedlichen Rollen mehrerer Mitwirkender (Praktiker und Forscher) in die Erstellung und Analyse des Forschungsdesigns mit ein; Soziale Interaktion Gemeinsame soziale Interaktionen; Die Aktionsforschung ähnelt dem DBR in vielerlei Hinsicht. Auch hier steht der Prozess im Mittelpunkt. Das Forschungskonzept DBR ist im Vergleich zur Aktionsforschung jedoch zieloffener und im Hinblick auf die Position des Forschers in Bezug zum Forscherteam besteht ein Unterschied. Anders als in der Aktionsforschung werden die Praktiker bei DBR nicht primär zu Forschenden. Ihre Rolle ist eher die, dass sie ihre Expertise in den Forschungsprozess einbringen, um Ausgangssituation besser zu verstehen oder Interventionen an die Gegebenheiten anzupassen (vgl. REIMANN, G. 2016:3). Die formative Evaluation bewertet bzw. begutachtet (quasi von außen) bestehende oder neu entwickelte Projekte, Prozesse/Maßnahmen oder Funktionseinheiten während der laufenden Intervention. Sie erhebt signifikant messbare Daten (Wirkkriterien). Eine Form der formativen Evaluation ist die Lernverlaufsdiagnostik (vgl. BORTZ, J.; DÖRING, N. 2006: 98 ff.). Im Gegensatz zur Evaluationsforschung betrachtet die Designforschung eine entworfene Intervention und ihren Kontext. Das heißt, sie kombinierte Forschungs- und Anwendungsbezug (Theorie und Praxis). 179 Bei der designbasierten Forschung hier geht es (1) um die Schaffung von neuem Wissen durch die Entwicklung neuer oder innovativer Artefakte (Dinge oder Prozesse) und (2) um die Analyse der Nutzung und/oder Leistung mit Reflexion und Abstraktion (vgl. VAISHNAVI, V. et al. 2004/17). 2.4 Begründung des qualitativen designbasierten Forschungsansatzes DBR Der partizipative designbasierte Forschungsansatz wird für die Entwicklung des IPAR-UCD Konzepts gewählt, weil er mit seiner Design-Perspektive das Konzeptdesign als Forschungsgegenstand in den Fokus nimmt und sein Potenzial und seine Benutzerfreundlichkeit untersucht. Für DBR spricht insbesondere, dass die Entwicklung als Intervention selbst Bestandteil des Forschungsprozesses ist. Sie ist weder vorgelagert, wie bei der Implementations- und Evaluationsforschung, noch will sie die Entwicklung im Anschluss beschreiben oder erklären, wie die Aktionsforschung (vgl. REINMAN, G. 2016: 2). Im Forschungsprojekt »Easy Reading« geht es darum, dass die jeweilige Vorgehensweise, bzw. Methode problematisiert und angepasst wird und ein verändernder Entwurf zur Durchführung weiterer Test benutzt werden kann (vgl. DILGER, B./ EULER, D. 2018: 6). Wie beim User-Centred Design gibt es die iterative, zirkuläre Abfolge der Forschungsphasen. Vergleichbar werden das Potenzial und die 'Anwenderfreundlichkeit' im Wesentlichen dadurch erreicht, dass der (zukünftige) User des methodischen Ansatzes IPAR-UCD mit ihren/seinen Anforderungen, Aufgaben und Zielen in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses steht. Basierend auf einer ersten Analyse der Anforderungen wird zunächst ein vorläufiges Konzept für das zukünftige Forschungskonzept bis hin zu einem sogenannten Prototyp entwickelt. Die anschließend erstellten Entwürfe werden wiederholt mit den Usern, dem inklusiven Forschungsteam, besprochen und ausprobiert, um sicherzustellen, dass die Anforderungen auch tatsächlich erfüllt werden. Nach dem Design-Based Research Modell ist der theoretische Entwicklungsansatz in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Praxis bei der professionellen Entwicklung von Design Research Aktivitäten unerlässlich (vgl. MCKENNEY, S. et al. 2007: 77). Bei der Entwicklung des inklusiven Forschungssettings im inklusiven Forschungsprojekt »Easy Reading« nehmen die Experten (mit und ohne Behinderungen) aus unterschiedlichen Bereichen in diesem Forschungskontext komplementäre Interessen ein (vgl. DILGER, B./EULER, D. 2018: 2). Dabei handelt es sich um eine Kooperation in den verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses zwischen Wissenschaft und Praxis. 180 Design und Entwicklung wird im Kontext einer wissenschaftlich-praktischen Zusammenarbeit nicht als Objektforschung, sondern als Kooperations- und Forschungspartner im Sinne einer "Innovationspartnerschaft" verstanden (vgl. DILGER, B./EULER, D. 2018: 1). Die einzelnen Schritte eines DBR-Prozesses im Modell stellen McKenney und Reeves zur systematischen Entwicklung und Umsetzung von Lösungen für pädagogische Herausforderungen vor. 1. Abb. Generic model for conducting DBR in education, übersetzt (Quelle: McKenney S./ Reeves, T. 201257) Die im Projekt festgelegte Aufgabe von DBR besteht in erster Linie darin zu analysieren, welche Probleme in diesem inklusiven Forschungsansatz bestehen bzw. auftreten könnten und wie diesen mit einem geeigneteren Design begegnet werden kann. Es soll ein klarer konzeptioneller Rahmen entwickelt werden, der die inklusive Forschung und deren Durchführbarkeit für bestimmte Forschungsfragen unterstützt. Wie beschrieben wurde im Rahmen der Vorprüfung auf theoretischer Basis (Teil A dieser Arbeit) der erste Prototyp des IPAR-UCD-Konzepts als Designlösung entworfen, der im weiteren Verlauf durch die praktische Überprüfung während des Projekts »Easy Reading« sukzessive weiterentwickelt wird. Die Weiterentwicklung erfolgt zyklisch unter der Beteiligung des inklusiven Forschungsteams. Dabei liegt der Fokus sowohl auf den sozialwissenschaftlichen Ansätzen von Forschung als auch dem User-Centred Design. Die empirische Überprüfung des Konzepts IPAR-UCD durch experimentelles Ausprobieren ist Grundlage um die Entwicklung der inklusiven Methode mit praxistauglichen Designlösungen in der Forschung und Entwicklung zu verzahnen. 57 Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von SUSAN MC KENNEY 181 Während der Intervention kommen qualitative und weniger quantitative Methoden zum Einsatz zum Beispiel: Fokusgruppe, Beobachtung, Fragebogen... DBR dient hier als Orientierungshilfe, die ausgehend von den Bedürfnissen, Zwängen und Interaktionen der inklusiven Forschungspraxis zu verstehen, wie die theoretischen Ansprüche eines inklusiven Forschungsansatzes mit IPAR-UCD in der Praxis umgesetzt werden können. Das IPAR-UCD-Konzept selbst stellt eine sehr komplexe Forschungseinheit dar. Das Konzept wird daher in vier einzelne Interventionen für das iterative Vorgehen unterteilt, zumal das UserCentred Design ebenfalls ein iteratives Vorgehen erfordert. 1. Rekrutierung von Peer-Forscher 2. Anforderungsanalyse 3. Entwicklung und Anwender-Tests 4. Auswertung (Evaluation) Diese kleinschrittige Unterteilung des Projektansatzes wird den Anforderungen der Zielgruppe, Menschen mit kognitiver Behinderung, die hier als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung und Entwicklung mitarbeiten, gerecht und es sollen so valide Erklärungsansätze für innovative Praktiken geliefert werden, die andere Forschungsteams in neuen Situationen anwenden können. 182 3 DAS EU-PROJEKT »EASY READING« ALS FORSCHUNGS-LAB Das »Easy Reading« Projekt ist ein interdisziplinäres Projekt mit verschiedenen Projektpartnern, die Hand in Hand an der Entwicklung einer Software arbeiten, um ein anwendungsfreundliches Produkt zu schaffen. Die Grundidee des »Easy Reading« als Framework besteht darin, Menschen mit kognitiven Behinderungen die Nutzung von Internetressourcen zu erleichtern. Easy Reading 2. Keeping the user at the digital original https://www.easyreading.eu Abb. Logo vom Projekt »Easy Reading« (Quelle: Philipp Edler 2017) Dies kann nur erreicht werden, wenn für die zukünftigen User die Benutzeroberfläche des »Easy Reading« Frameworks und die integrierten Tools kognitiv zugänglich sind und von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen selbstständig genutzt werden können. In diesem Projekt wird zum ersten Mal das neue Konzept IPAR-UCD eingesetzt und gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern angepasst und weiterentwickelt. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern nehmen somit eine Doppelrolle ein. Zum einen sind sie an der Weiterentwicklung des IPAR-UCDKonzepts beteiligt, zum anderen ist ihr Expertenwissen bei der Entwicklung des »Easy Reading« Frameworks gefragt. 3.1 Das Ziel von »Easy Reading« Das übergeordnete Ziel des »Easy Reading« Projekts ist, bekannte kognitive Barrierefreiheits- und Usability-Probleme in Webinhalten und Apps durch Personalisierung zu reduzieren und Inhalte mit Verständlichkeitsrichtlinien für alle kompatibel zu machen. Dies soll durch die Entwicklung eines neuartigen Rahmens für intelligente, adaptive personalisierte Schnittstellen und affektives Computing58 für Menschen mit geringen Sprach- und Lesefähigkeiten (einschließlich Menschen mit kognitiven Behinderungen) erreicht werden. 58 affektive Computing umfasst die Entwicklung von Systemen und Geräten, die menschliche Regungen erkennen, interpretieren, ... 183 Um digitale Inhalte besser verständlich zu machen und mit ihnen zu interagieren, die Kommunikation zu verbessern und die Integration zu erleichtern wird auf die Zusammenarbeit mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher gesetzt. Das gemeinsam entwickelte SoftwareFramework soll später helfen, dass angesurfte Internetseiten in Echtzeit „personalisiert“ werden, wenn die Nutzerinnen und Nutzer dies wollen. Zum Beispiel: o Das Layout und die Struktur von Internetseiten werden angepasst. o Inhalte auf Internetseiten mithilfe von Symbolen, Videos etc. werden angereichert. o Beschreibungen mit Symbolen, Bildern oder Videos werden hinzugefügt. o Webinhalte werden in ein anderes Sprachniveau übersetzt (z. B. in Einfache Sprache oder vereinfachte Sprache, oder entsprechend dem „Europäische Referenzrahmen“ (GER) A1 – B1). 3.2 Das »Easy Reading« Forschungs-LAB 59 Zum Entwicklungsteam gehören neben den Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftlern eben auch Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher mit kognitiven Behinderungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten aus Österreich, Schweden und Deutschland, die in allen Phasen des interdisziplinären Projektes mitarbeiten. 3.2.1 Struktur der Peer-Forschungsgruppen und Mitforscherinnen In den drei Peer-Forscherteams arbeiten 18 Personen mit kognitiven Behinderungen, 7 PeerForscherinnen und 11 Peer-Forscher im Alter von 23 bis 59 Jahren und mit unterschiedlichen kognitiven Behinderungen und Fähigkeiten. 59 Mit dem »Easy Reading« LAB soll ein internationales Forschungskonsortium Menschen mit kognitiver Behinderung einen unabhängigen Zugang zu digitalen Informationen ermöglichen. Die EU finanziert das Programm im Rahmen ihres Programms »Horizont 2020« mit knapp zwei Millionen Euro. Neun Projektpartner aus sechs EU- Ländern sind an diesem Projekt beteiligt. Unter der Leitung der Johannes-KeplerUniversität Linz arbeiten folgende Partner zusammen: das inklusive Forschungskonsortium: Kompetenznetz für Informationstechnologie zur Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen (KI-I) /Österreich, Universität TU Dortmund und gGmbH "In der Gemeinde leben" Düsseldorf/Deutschland, DART, Zentrum für Assistive Technologien und Assistierte Kommunikation/ Schweden erarbeiten u. a. im Rahmen der inklusiven Forschung und Entwicklung an den Requirements und am agilen Entwicklungsprozess mit. Funka/ Schweden, Texthelp/ Großbritannien und Athena/Israel sind an der Entwicklung, Evaluierung und Einführung des Frameworks beteiligt. ERCIM, European Research Consortium for Informatics and Mathematics und das World Wide Web Consortium (W3C) /Frankreich, arbeiten an der Erweiterung der Richtlinien für die Entwicklung von kognitiv zugänglichen Webanwendungen auf Basis der Projektergebnisse. 184 Sie arbeiten mit einer sozialwissenschaftlichen Mitarbeiterin (Proqualis), einer Kommunikationswissenschaftlerin und einer weiteren Mitarbeiterin (PIKSL), zwei Beschäftigungstherapeutinnen und eine Computerlinguistin (DART) zusammen. Alle drei Teams erhalten bei ihrer Forschung Anleitung und Unterstützung von der der Technischen Universität Dortmund, Fakultät für Rehabilitationswissenschaften Fachgebiet für motorisch-körperliche Entwicklung und Medien. Die Verfasserin koordiniert von hier die Zusammenarbeit zwischen den Peer-Forschergruppen und den Entwicklern und bringt dabei das IPAR-UCD schrittweise in die Kooperation ein. 3.3 Die neuen Herausforderungen von IPAR-UCD im Projekt »Easy Reading« ist als ein inklusives Forschungs- und Entwicklungsprojekt konzipiert. Um den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher zu ermöglichen, gut und angemessen mit den Mitforscherinnen/Mitforschern und Entwicklerinnen/Entwicklern zusammenzuarbeiten, wurde das Forschungskonzept für Forschung und Entwicklung (F&E) IPAR-UCD im Vorfeld von der Autorin dieser Arbeit als vorläufiges Konzept entwickelt, das auf detaillierten Kenntnissen sowohl der Zielgruppe als auch der neuen Lerntechnologien basiert. Dieses Konzept wird während dieses Projektes erstmals genutzt. Die einzelnen Interventionsschritte werden während der Entwicklungsarbeit gemeinsam mit dem interdisziplinären EasyReading-Team, (Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, Entwicklerinnen/ Entwickler und anderen) analysiert, angepasst und ergänzt. Die Autorin ist im Projekt auf der einen Seite für die Koordination zwischen Peers und Entwicklern verantwortlich und auf der anderen Seite für die designorientierte Entwicklung des Konzepts unter Beachtung der in Teil 1 beschriebenen Gütekriterien für qualitative Forschung Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses, § Validität, Reliabilität und Glaubwürdigkeit der Daten, § Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit, § Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und Forscher. Außerdem obliegt ihr die Umsetzung eines Handbuchs für inklusive F&E in einfacher verständlicher Sprache. Zur qualitativen Forschung gehören die wissenschaftliche Integrität und Objektivität. Wissenschaftliche Integrität ist die freiwillige Verpflichtung zur Einhaltung der Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis. Zunächst müssen diesbezüglich in der Forschungspraxis viele Entscheidungen getroffen werden. 185 Die Komplexität im inklusiven Projekt "Easy Reading" liegt nicht nur darin, Einstellungen, Verfahren und Methoden zu entwickeln, damit Personen mit kognitiven Behinderungen vollwertige Mitglieder des Forschungsteams werden können. Es ist zu klären, wie die inklusive Zusammenarbeit gestaltet werden soll. Zum Beispiel, welchen Zugang haben die Personen zum Forschungsfeld? Wie definieren die PeerForscherinnen und Forscherinnen selbst ihre Rolle? Weiterhin ist es eine Herausforderung, wie können ihre Ideen zu Forschung und Entwicklung konkret ermittelt werden und wie kommen diese und weitere Vorschläge im Entwicklungsverlauf auf die Agenda der inklusiven Forschung. Das schrittweise Vorgehen erfordert außerdem mehr Zeit und personelle Unterstützung, als bei herkömmlichen Forschungsprojekten. Um geeignete Instrumente für die IPAR-UCD-Methodik vorschlagen zu können, werden die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses sowie die Forschungsinstrumente, gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und in Bezug auf ihre unterschiedlichen Kompetenzen ausgewählt und getestet. Es wird ein Methodenmix eingesetzt, um möglichst jeder PeerForscherin und jedem Peer-Forscher gerecht zu werden und um ihr Empowerment und Verantwortung zu fördern. Dazu müssen die vorgeschlagenen Forschungsmethoden einfach und verständlich sein. Ebenso sollen alle Materialien für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher anschaulich und zugänglich sein. Die Ergebnisse und Analysen der qualitativen Daten und ihre Schlussfolgerungen werden ebenfalls in zugänglicher Form dargestellt. Die wissenschaftlichen und verfahrenstechnischen Kriterien des IPAR-UCD-Konzepts werden angepasst, um die wissenschaftliche wie praktische Qualität zu gewährleisten. Der Stand der Technik muss hierbei respektiert und die beschriebenen Kriterien für Angemessenheit, Validierung und Transparenz eingehalten werden. Qualitätskriterien für die Erhebung, Analyse und Interpretation von Daten werden gemeinsam definiert und angewendet, um Verständnis, Benutzerfreundlichkeit und Diskurs für und mit dem Forschungsteam zu gewährleisten. Gegebenenfalls werden die Schlussfolgerungen mit anderen möglichen Interpretationen verglichen. Für die Dokumentation der einzelnen Interventionen gibt es die unterschiedlichsten Formen: § Die Peer-Forscherteams dokumentieren ihre Arbeit mit Fotos, Film- und Tagebucheinträgen, gelegentlich mit Zeichnungen. 186 § Die Mitforscherinnen/Mitforscher protokollieren ihre (oft virtuellen Meetings) und erstellen mit den Peer-Forscherteams verfasste Testberichte. § Über die Zusammenarbeit werden von der Koordinatorin Memorys verfasst. § Die Entwickler haben ihr eigenes Dokumentationssystem. Die Erfahrung zeigt, dass der mehrstufige Ansatz der Methodenentwicklung im Sinne von DesignBased Research erforderlich und die mehrspurige Verfolgung des Prozesses in all seinen Aspekten und Dimensionen (siehe Anhang 2) erforderlich ist und infolge nie ganz abgeschlossen sein wird. 3.3.1 Selbstreflexivität und Forschungsethik Selbstreflexivität Ein besonderes Augenmerk liegt bei der Selbstreflexivität. Die Peer-Forscherteams zeichnen sich durch unterschiedliche Kenntnisse, Interessen und Perspektiven aus. Gleiches gilt für die Mitforscherinnen und Mitforscher oder die Assistenz. Ihre Referenzsysteme haben eine eigene Funktionalität und Logik. Zudem sprechen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft eine verschiedene Sprache (vgl. UNGER V., H. 2014: 85). Daher sind Konflikte in partizipativen Forschungsprojekten nicht ungewöhnlich (ebd.). In so einem Fall schlägt UNGER v. vor, Konflikte nicht als ein Problem, sondern als einen Indikator für die Qualität einer partizipativen Zusammenarbeit zu sehen, oder wie RATH (2014) sagt: „... auch das ist ein Ergebnis.“ Es stellt sich jedoch die Frage, wie mit einem Konflikt noch umgegangen werden kann. Es sollte die Bereitschaft bestehen sich selbstkritisch damit auseinanderzusetzen, um somit den Anlass zu analysieren und Lösungsvorschläge machen zu können. Die Akteure nehmen dazu eine neue Perspektive ein, die für eine diskursive Verständigung notwendig ist. Aber „...auch wenn einzelne Akteure mit besten Absichten versuchen, über Systemgrenzen und andere [zu] beteiligen, können sie systembedingt scheitern“ (UNGER V., H. 2014: 86). Forschungsethik Die Forschungsethik umfasst Prinzipien und Regeln, in denen es mehr oder weniger verbindlich und einvernehmlich ist, wie die Beziehungen zwischen den Forschern einerseits und den an wissenschaftlichen Studien beteiligten Personen andererseits gestaltet werden sollen (vgl. RATH, M. 2017: 45). Über die Forschungsethik und Menschen mit kognitiven Behinderungen ist bisher wenig bekannt. Wichtige Voraussetzungen sind: Die freiwillige und informierte Einwilligung der beforschten Person muss von allen Beteiligten eingeholt werden. Dem Einzelnen, der Community bzw. der Einrichtung darf durch die Forschung kein Schaden entstehen. Vertraulichkeit und Anonymisierung der Daten muss gewährleistet sein (siehe hierzu Konzept und Handbuch). 187 4 Das Forschungskonzept IPAR-UCD Nutzerorientierte Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste und Usability-Evaluation gemeinsam mit Personen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und PeerForscher im Sinne von Inclusive Participatory Action Research IPAR-UCD ist eine Kombination aus zwei etablierten Forschungsmethoden: Bei IPAR (Inclusive Participatory Action Research) forscht die Zielgruppe mit und wird so in jeder Projektphase in die Arbeit direkt eingebunden. Das stellt sicher, dass die Ergebnisse der Forschung und Entwicklung dann auch die Lösungen der Zielgruppe, das heißt „ihre“ Lösungen sind und dass die Bedingungen, die die Zielgruppe an das Projekt stellt, in jeder Phase mitgedacht werden. UCD (User Centered Design) achtet in jeder Projektphase auf die zukünftigen User und ihren Bedarf. Das IPAR-UCD Design für Menschen mit kognitiven Behinderungen garantiert die Alltagstauglichkeit der Ergebnisse der Forschung und Entwicklung. 4.1 IPAR Die inklusive-partizipative Aktionsforschung (IPAR) wurde von OLLERTON (2012) im Rahmen von inklusiver Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen eingeführt. IPAR ist eine Forschungsmethodik, die Inclusive Research (vgl. WALMSLEY, J. und JOHNSON, K. 2003) und Participatory Action Research (MCTAGGART, 1994) kombiniert. Laut OLLERTON basiert IPAR auf einem inklusiven Ideal. Diese inklusive-partizipative Forschungsmethodik arbeitet direkt mit der Zielgruppe. Sie setzt hierzu zugängliche analytische Werkzeuge ein, die für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit unterschiedlichen Fähigkeiten zugänglich sind und in die Lage versetzt, sich als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in dem gesamten Forschungs- und Entwicklungsprozess zu beteiligen. 4.2 User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX) Der Begriff vom nutzerzentrierten Design wurde von NORMAN an der University of California, San Diego, mit der Veröffentlichung des Buches »User-Centered System Design: New Perspectives on Human-Computer Interaction« geprägt (vgl. NORMAN, D. A. DRAPER, S. W. 1986). Bei der nutzerorientierten Gestaltung sollen Produkte so gestalten werden, dass sie eine hohe effektive, effiziente und zufriedenstellende Gebrauchstauglichkeit haben und für möglichst viele User zugänglich sind (DONG, H. et al. 2002). 188 Beim User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX) stehen die zukünftigen Nutzer und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt. Der UCD-Prozess wird in drei Kernphasen eingeteilt: Analysephase, Designphase und Evaluationsphase. Zentrales Merkmal des Prozesses ist zielorientiertes, iteratives Wechseln zwischen Analyse-, Design- und Evaluation und Weiterentwicklung der jeweiligen Ergebnisse. Wobei die Ziele und Bedürfnisse mit den Nutzern identifiziert werden. 4.3 IPAR-UCD IPAR und UCD haben in der Beteiligung der späteren Anwender viel gemeinsam, wurden aber formal bisher nicht miteinander verbunden. Bei dem hier vorgestellten inklusiven Konzept werden diese zwei bewährten qualitativen Forschungsmethoden zusammengeführt. Damit soll eine Lücke in der inklusiven Forschung geschlossen werden. So soll gewährleistet werden, dass in der Zukunft Menschen mit kognitiven Behinderungen als spätere Nutzer bzw. Anwender an Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die sie betreffen, teilnehmen können. Das Forschungskonzept zur inklusiven Forschung und Entwicklung ist ein erster Vorschlag, der in jedem neuen Projekt gemeinsam mit der Zielgruppe angepasst, verfeinert und weiterentwickelt werden muss. IPAR sowie UCD können bereits auf ein breites Spektrum an Methoden, Techniken und Werkzeuge zurückgreifen. Für IPAR wurden bereits einige Forschungsmethoden und -Werkzeuge angepasst oder entwickelt, die der Zielgruppe gerecht werden. Zu UCD liegen bereits jahrelange Erfahrungen und methodischen Standards im Kontext von 'User Experience Engineering'60 und moderner Softwareentwicklung vor. Im Projekt »Easy Reading« wird der ganzheitliche Ansatz zur nutzerzentrierten Gestaltung verfolgt. Es wird gezeigt, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherinnen und PeerForscher bereits von der ersten Entwurfsphase an der Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste in die Entwicklungsarbeit mit einbezogen werden und mit den Forscherinnen/ Forschern und Entwicklerinnen/Entwicklern zusammenarbeiten können, die diese Software und Dienste dann ihren Bedürfnissen entsprechend entwickeln. Nur wenn die Bedürfnisse der User und der Nutzungskontext bekannt sind und bei der Entwicklung berücksichtigt werden, kann die intuitive Benutzung erfolgreich gestaltet werden. Sowohl User Research als auch User Centered Design gehören daher zusammen. 60 Synthese von Design und Entwicklung 189 5 Der Weg zu einer inklusiven Forschung und Entwicklung 5.1 Inklusiv-Partizipativ Wichtigste Voraussetzung für IPAR-UCD ist ein inklusives Forscherteam mit Forscherinnen/Forschern, Entwicklerinnen/Entwicklern und Peer-Forscherinnen und PeerForschern, dass das Ziel hat in der Zusammenarbeit auf neue Lösungen zu kommen. Dabei sollte jeder, der beteiligt ist auf der einen Seite Experte in eigener Sache sein, auf der anderen Seite aber sich auch in andere Menschen hineinversetzen können. Menschen mit kognitiven Behinderungen sollen nach ihren persönlichen Möglichkeiten ohne oder ggf. mit Assistenz in die Lage versetzt werden, selbst während des UCD forschend in so einem inklusiven Team tätig zu sein. Die menschlichen Bedürfnisse und Wünsche der zukünftigen User stehen bei der Aufgabenstellung und der Ideenfindung im Zentrum der Forschung und Entwicklung. Das inklusive Forschungsteam arbeitet dabei gemeinsam ergebnisoffen an einer Lösung. Das heißt: o Jeder Kontext braucht sein eigenes Verständnis. Frage: Was ist der Anlass? Was soll inklusiv-partizipativ gestaltet werden? o Jede Produktentwicklung/-gestaltung benötigt die Einbindung der Zielgruppe. Frage: Wer ist die Zielgruppe? o Jede Aufgabe braucht eigene Methoden. Frage: Wie, mit welchen Methoden soll gearbeitet werden? 5.2 Wer initiiert was? Jede Person/Institution/Organisation kann ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt anregen. Voraussetzung ist hierzu ist, dass der Bedarf für Menschen mit kognitiven Behinderungen besteht. Der Anstoß oder das Interesse für ein neues digitales Produkt oder einen neuen Dienst kann auch von den Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst kommen, z. B. wenn Ideen oder Bedürfnisse existieren, die bislang nicht erfüllt werden (können). 190 Beispiel: Ich kenne meine Rechte Nach der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK hat das Deutsche Institut für Menschenrechte den Wunsch von Menschen mit Lernschwierigkeiten aufgegriffen und die Erstellung einer Internetseite zur UN-BRK in Leichter Sprache in Auftrag gegeben. In diesem Projekt www.ich-kenne-meine-rechte.de waren zukünftige User der Internetseite bei den Texten, Bildern, Funktionen und der Gestaltung der Seite von Anfang an mit einbezogen (vgl. WEBER, H./ EDLER, C.: 2010). Dies entsprach den Anforderungen der UN-BRK in verschiedener Hinsicht. 3. 5.3 Abb. Beispiel für eine partizipativ gestaltete Internetseite www.ich-kenne-meine-rechte.de (Quelle eigene Darstellung) Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Wer sich als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher beteiligt, bzw. beteiligt wird, hängt immer vom jeweiligen Projekt ab. Die wichtigste Frage bei der Anwerbung des Peer-Forschungsteams ist, ob sie als Teilnehmer der Zielgruppe und motiviert und bereit sind, sich an der Forschung zu beteiligen. Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können sein (werden): o Einzelpersonen aus der Zielgruppe, o Personen (Betroffene) einer Organisation, wie einer Selbsthilfegruppe, o Personen der Zielgruppe aus Institutionen oder Einrichtungen, o bereits geschulte Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher. 191 Beispiel: Proqualis, Linz: Im Projekt »Easy Reading« sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Proqualis beteiligt. Die Angestellten mit und ohne kognitive Behinderung arbeiten auf Augenhöhe zusammen. Einige davon sind Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher. Sie sind u. a. geschult um Evaluationen durchführen zu können. Die Mitarbeiter mit unterschiedlichen kognitiven Behinderungen sind hier die Experten. Proqualis heißt: Für Qualität Wir überprüfen die Qualität von Dienstleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Das nennt man auch evaluieren. Wir überprüfen die Qualität, wenn der Anbieter der Dienstleistung uns einen Auftrag gibt. 4. 5.4 Abb. Kurzbeschreibung Proqualis (Quelle https://www.proqualis.at/index.php?id=2&no_cache=1) Die Anwerbung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern Die Anwerbung geeigneter Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Lernschwierigkeiten kann eine große Herausforderung darstellen. Um Zugang zu möglichen Teilnehmern für ein Forschungsvorhaben zu erhalten, ist es fast immer notwendig sich über die Führungsebenen einer Organisation, die sich mit Menschen mit Behinderungen beschäftigt, zu wenden. Sie sind die Gatekeeper, Torwächter (LENNOX et al. 2005). Das heißt in der Praxis, um in direkten Kontakt mit Menschen mit Lern-/Kommunikationsschwierigkeiten zu kommen, muss oftmals die Leitung in einer Organisation zunächst vom Projekt und den Vorteilen für die Menschen, die sie oft als schutzbedürftig betrachten, überzeugt werden (vgl. NIND, M. 2008: 9). Es müssen verständliche Informationen über das Forschungsvorhaben zur Verfügung stehen mit der Bitte, Vorschläge zu machen oder potenzielle Freiwillige zur Teilnahme zu kontaktieren. Gatekeeper können den Zugang blockieren (vgl. TUFFREY-WIJNE, I. et al. 2008: 187). Beispiel: 192 § Die Führungsebenen eines Unternehmens fürchtet vielleicht Nachteile für ihre Organisation und will sich nicht in die Karten schauen lassen. § Betreuer/Unterstützer von Menschen mit Lernschwierigkeiten könnten zu beschäftigt oder zu misstrauisch gegenüber der Forschung sein, um sich daran beteiligen zu wollen. § Selbstvertretungsorganisationen könnten mit zu vielen Beteiligungsmöglichkeiten in der Forschung überfordert werden oder sie lehnen Ansätze der Forscher ab (vgl. NIND, M. 2008: 9). OLLERTON (2012) berichtet, dass die Anwerbung für ihre Studien oft länger als geplant dauerte, die Projekte höhere Kosten verursachten als erwartet, und die Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftler die Zahl der Teilnehmer, die für die ihre Studien zur Verfügung stehen, überschätzten (vgl. OLLERTON, J. 2012). Zudem könne es schwierig werden, Menschen mit Behinderung in der Phase der Umsetzung einzubeziehen, wenn dies im Antrag des Projekts nicht geplant gewesen ist. Das Anwerben beinhaltet verschiedene Aktivitäten: Das Anwerben der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können auf unterschiedliche Weise erfolgen. Um einen Eindruck darüber zu bekommen, welche Ressourcen und Fertigkeiten eine Person für ein bestimmtes Vorhaben oder Projekt mitbringt, sollten sich die Beteiligten näher kennenlernen. Das Kennenlernen kann zum Beispiel stattfinden mithilfe: o eines Workshops, o eines Fragebogens zur Person, o eines (Leitfaden-)Interviews, o ... Die Mitarbeit als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher muss freiwillig sein. o Das Aussuchen geeigneter Teilnehmer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher, o Erklärungen und Informationen zu Forschung in leichter verständlicher Sprache: o Was ist Forschung? o Was bedeutet gemeinsam forschen? o Einholung der Einverständniserklärung, Informierte Einwilligung. Es darf niemand überredet oder gezwungen werden, an einem Projekt teilzunehmen. Voraussetzung für eine Mitarbeit als Peer-Forscherin oder Peer-Forscher ist, dass jemand Interesse, Zeit und Ressourcen für die Forschungsmitarbeit mitbringt. Sie oder er sollte eine realistische Vorstellung von der Arbeit und ihrem Engagement haben (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 64). Als künftige Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sollten sie sich bereitwillig bei der Zusammenarbeit anleiten und/oder ausbilden/qualifizieren lassen und falls erforderlich unterstützt werden (STRNADOVÁ, I. et al. 2014). 193 Außerdem sollte von Anfang an geklärt werden, zu welchen Konditionen (Bezahlung/ Aufwandsentschädigung) die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher am Projekt mitarbeiten und welche Unterstützung sie erhalten können (vgl. ebd.). Personen mit schweren Behinderungen dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden, sondern es soll nach Möglichkeiten gesucht werden, sie daran teilhaben zu lassen. Auch sie sollten dabei eine wie auch immer gestaltete, aktive Beteiligungsmöglichkeit haben (vgl. NIND, M. 2008: 6). 5.4.1 Allgemeine Informationen Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sollen das Motiv der Forschung nach Möglichkeit verstehen: o Was ist der Anlass für das Projekt? o Was soll neu entwickelt/gestaltet verändert werden? o Wer ist die Zielgruppe? Wer sind die späteren Nutzer? o Wie soll gearbeitet werden? o Wie hoch ist der Zeitaufwand? o Welche Aufgaben haben die Peer-Forscher? o Mit welchen Werkzeugen und Methoden kann gearbeitet werden? Das setzt auch voraus, dass die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher von vorneherein klar sein muss in Bezug auf: o Ihren Status (z. B. als Mitarbeiter, als Praktikant, als Mitarbeiter am Außenarbeitsplatz-, in der Freizeit), o Ihre Assistenz (Möglichkeiten) und Zugänglichkeit, o Ihre Bezahlung bzw. Vergütung, Aufwandsentschädigung. Anmerkung: Dies kann auf keinen Fall dem Zufall überlassen werden und es bedarf im Hinblick auf die Punkte Status und Bezahlung einer konkreten Abklärung.61 61 Generelle Fragen zum Status der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher: Ist der Zugang und Mitarbeit an einem Forschungsprojekt einer Universität als nicht anerkannter Wissenschaftler möglich? Wie ist der Status/Anstellung? In wieweit ist eine Bezahlung trotz Leistungsempfänger nach dem Bundessozialhilfegesetz möglich? Hat die Universität aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit die Möglichkeit in diesem Rahmen Zuwendungen an ehrenamtlich Tätige von 200 Euro monatlich anrechnungsfrei zu zahlen, oder die Möglichkeit einer Festanstellung? 194 Für beide Seiten ist es sinnvoll hierzu eine schriftliche Vereinbarung über die Art der Zusammenarbeit zu treffen. Dies ist nicht mit der Informierte Einwilligung über Datenerhebung und Datenverarbeitung im Projekt zu verwechseln, d.h. es gilt nicht als Ersatz und es ergibt sich daraus keine Verpflichtung. 5.4.2 Information zur Datenverarbeitung Bei der Forschung und Entwicklung mit einem Peer-Forscherteam müssen oft deren persönliche Daten benutzt werden. Zum Verfahren mit diesen Daten gibt es die allgemeinen europäischen und internationalen Vorschriften sowie weitere spezielle Vorschriften für die Verarbeitung von Daten für bestimmte Zwecke62. Was sind Daten? Nach der gesetzlichen Definition des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 BDSG) sind „personenbezogene Daten“ Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Damit sind alle Informationen umfasst, die über eine Person etwas aussagen. Dies kann ein Name, eine E-Mail-Adresse, eine Online-Identifikation wie ein Facebook-Post oder es können andere Faktoren sein, die es ermöglichen, eine bestimmte Person zu identifizieren. „Besondere Arten personenbezogener Daten“ im Sinne des Datenschutzrechts sind Angaben über rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder philosophische Überzeugung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit, das sexuelle Leben oder sexueller Identität. Was bedeutet die Verarbeitung von Daten? Das heißt: 62 o dass personenbezogene Daten nur für bestimmte Zwecke gesammelt werden dürfen, o dass sicherzustellen ist, dass nur relevante Daten gesammelt werden, o dass Daten nicht länger als nötig gespeichert werden. Verordnungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Europäischen Datenschutzkonvention, der OECD, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der neuen europäischen Verordnung - Allgemeine Datenschutzverordnung - gültig ab Mai 2018. 195 Die Verarbeitung von Daten in jeglicher Form umfasst: Erhebung, Registrierung, Organisation, Strukturierung, Speicherung, Verarbeitung, Lesen, Übertragen oder Löschen von Daten. Die Bearbeitung kann manuell oder automatisch, analog oder digital erfolgen. Wie soll mit personenbezogenen Daten umgegangen werden? 5.4.3 o Es muss sichergestellt sein, dass die Person, deren Daten behandelt werden, darüber informiert ist. o Daten dürfen nur für den Zweck verwenden werden, über den informiert wurde. o Nur die Daten, die auch benötigt werden, dürfen gesammelt und verarbeitet o Daten dürfen nur für einen festgelegten Zeitraum gespeichert werden. o Der Zugang zu personenbezogenen Daten muss auf die Personen beschränkt bleiben, die sie für diese bestimmte Forschungsarbeit benötigen. o Es besteht Verantwortung dafür, dass die Daten korrekt und aktuell sind. Die Einwilligungserklärung nach erfolgter Aufklärung (Informed Consent) Die Informierte Einwilligung ist eine 'qualifizierte' Zustimmung und die Voraussetzung, um überhaupt an einer Forschung teilnehmen zu können. Bevor Peer-Forscher an der Forschung beteiligt werden, müssen sie über den Gegenstand, Inhalte und die Hintergründe der Studie, also den Sinn und Zweck, sowie über ihre Rechte als Person und die eventuellen Risiken aufgeklärt werden (s.o.). Sie müssen ebenfalls über die Ziele und Bedingungen ihrer Arbeit als Peer-Forscherin bzw. Peer-Forscher informiert werden und mit der Einwilligungserklärung zustimmen, dass sie an dem vorgesehenen Forschungsprojekt teilnehmen. Die Einwilligungserklärung muss so strukturiert und formuliert sein, dass die Peer-Forscher diese zuverlässig verstehen können, im Zweifelsfalle mit Unterstützung der Assistenz Die Zustimmung selbst muss daher auch in verständlicher und leicht zugänglicher Form erteilt werden können und sie muss die Einwilligung von anderen Dingen unterscheidbar sein. Der Widerruf der Einwilligung muss ebenso einfach sein wie die Erteilung. In dieser Erklärung muss auch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen des Projekts personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Im Falle einer Inspektion muss nachweisbar sein, dass für jede einzelne beteiligte Person eine Informierte Einwilligung vorliegt. 196 Inhalt der Informierten Einwilligung: o Name der einwilligenden Person o Projekttitel o Konkrete Informationen über die Art der erhobenen Daten o Wer ist der Verantwortliche im Sinne des Datenschutzes o Hinweis auf Freiwilligkeit, auf Widerrufsrecht o der Hinweis auf die Folgen oder die Folgenlosigkeit bei Verweigerung oder Widerruf o besonders wichtig: Verwendungszweck(e) Achtung beim Fotografieren und Videofilmen auch in großen Menschenmengen Hierzu ist die ausdrückliche Zustimmung jeder einzelnen Person, die identifizierbar ist, notwendig, auch wenn sie in großen Menschenmengen erfolgt. Um Fotos oder Videos ohne Zustimmung veröffentlichen zu können, dürfen Personen nicht identifizierbar sein (z. B. wenn das Foto von hinten aufgenommen wird). Die betroffene Person kann darum bitten, Fotos oder Videos zu sehen oder zu entfernen. 197 6 Das inklusive Forschungsteam 6.1 Rollenverständnis und Wertschätzung innerhalb des gesamten Forschungs- und Entwicklungsteams Das Team besteht aus einer heterogenen Gruppe von Personen mit verschiedenen Ressourcen, Begabungen und Erfahrungen und unterschiedlichen Qualifizierungen. Aus diesem Grund sind mensch-zentrierte Sichtweise angebracht. Zudem hat sich bei der Forschung und Entwicklung mit Menschen mit Behinderungen gezeigt, dass bei einer mensch-zentrierten Vorgehensweise ein enormes Potenzial steckt, um Dinge (für alle) einfacher und angenehmer zu gestalten. Das ist auch der Grund, weshalb beim IPAR-UCD die Beteiligten des Forschungsteams trotz unterschiedlicher Arbeitsaufträge alle gleichberechtigt zusammenarbeiten. Sie verstehen sich als Partner auf Augenhöhe. 6.2 Wer ist in das inklusive Forschungs- und Entwicklungsprojekt involviert? 6.2.1 Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt sind in erster Linie Experten in eigener Sache und sprechen für sich selbst. Viele Menschen mit kognitiven Behinderungen haben aber bislang kaum Berührungspunkte mit Forschung. Sie sind es auch nicht gewohnt und haben selten Erfahrung, sich Dinge oder Vorgänge vorzustellen, zu abstrahieren oder für andere verständlich darzustellen. Hierbei brauchen sie Unterstützung. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher „verfügen [dennoch] über lebensweltliches Wissen, sprachliche Kompetenzen und soziale Kontakte, die ihnen als „Insider“ und „Gleichgestellte“ (Peers) einen besonderen Zugang zum Forschungsfeld [...] verschaffen“(vgl. UNGER V., H. 2014: 41). Um die Beteiligung umzusetzen, werden die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher (s o.), wenn möglich, angeleitet und geschult und in jedem Fall begleitet, damit sie die Aufgaben der Forschung und Entwicklung wie Datenerhebung und Auswertung der unterschiedlichen Settings umsetzen können (vgl. ebd.). Siehe auch das Handbuch für das Forschungsteam zur inklusiven Forschung und Entwicklung im Anhang. 198 6.2.2 Die Rolle der Wissenschaftler in IPAR-UCD Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler sind in der Regel professionelle Experten auf ihrem Gebiet des Forschungsprojektes, was durchaus interdisziplinär angelegt sein kann. Ihre Aufgabe ist es ihren Beitrag zur Entwicklung zu leisten und dabei sowohl den Peer-Forscherinnen und PeerForschern und ihren Wünschen mit Akzeptanz und Geduld offen zu begegnen, als auch die Qualität der Forschung zu gewährleisten. Das bedeutet nicht nur zu forschen, sondern auch zu handeln, und die Bedürfnisse der Peers zu verstehen und zu verändern (vgl. UNGER V., H. 2012: 35). Wissen über und Verständnis für die Behinderung und die unvoreingenommene Kommunikation mit Menschen mit kognitiven Behinderungen kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden. Die Zusammenarbeit mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern ohne akademischen Hintergrund in einem inklusiven Umfeld und deren Mitwirkung im Prozess zu stärken kann daher manchmal eine große Herausforderung für Fachleute und Wissenschaftler sein. Neben den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, den Entwicklerinnen und Entwicklern, Designerinnen und Designern werden noch weitere Personen an dem Projekt beteiligt sein. 6.2.3 Die Rolle der Mitforscherinnen und Mitforscher und der Forschungsassistenz Zum Beispiel Fachleute und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler aus anderen Disziplinen wie: o Technikerinnen / Techniker o Pädagoginnen / Pädagogen o Soziologinnen / Soziologen o Forschungsassistentinnen / Forschungsassistenten (die die User begleiten und unterstützen) Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung aktiv mitarbeiten, ist jemand wie ein Mentor als 'sympathischer Verbündeter' notwendig (vgl. WALMSLEY, J. JOHNSON, K. 2003: 62). Das sind hier Forschungsassistenten oder Forschungsmentoren. Dies sind Personen, die PeerForscherinnen und Peer-Forscher, bzw. die User bei den Forschungsaufgaben und Tests begleiten und unterstützen, aber nicht von sich aus eigenständig im Forschungsprozess agieren. Ihre Aufgabe sollte sein, Fähigkeiten und Erfahrungen der Menschen mit kognitiven Behinderungen als Forschungspartner zu unterstützen, indem sie auf diese hinweisen (betonen, hervorheben) und das Selbstvertrauen der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher stärken. Diese sind mal mehr und mal weniger auf deren Unterstützung bei ihrer Forschungsarbeit angewiesen, um gute Ergebnisse zu erzielen. 199 Die Forschungsassistenz sollte Fragen stellen und die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ermutigen, sich zu äußern. Sie sollten aber selbst keine Bewertungen oder Ratschläge geben. IVA STRNADOVÁ und Kollegen beschreiben die Vielschichtigkeit der Rolle eines Mentors bzw. der Mitforscherinnen und Mitforscher, dass die Zusammenarbeit bei den Forschungsarbeiten und die Bereitstellung von Unterstützung eng miteinander verbunden sind. Der Mentor in der Forschung ist eine wichtige Voraussetzung für die Peerforschung. Die vielfältigen und notwendigen Aufgaben des Mentors bzw. der Mitforscherinnen und Mitforscher sind: 200 o Organisatorische Unterstützung für das Peer-Forscherteam und die Beschaffung der Ausrüstung, o Unterstützung beim Lesen von Anweisungen und anderen Texten, bei der Aufnahme und beim Transkribieren, o Unterstützung beim Schreiben und Bearbeiten verschiedener Berichte und Dokumente, o Unterstützung bei den eigentlichen Forschungsaufgaben, o Organisation der Zusammenarbeit mit Entwicklern und anderen Mitarbeitern. Begleitung von internen und externen Treffen, Veranstaltungen und Konferenzen. 7 Das inklusive Projekt und die Projektorganisation 7.1 WAS – In welchem Kontext soll inklusiv-partizipativ gestaltet oder geforscht werden Zu Beginn eines inklusiven Forschungsprojekts steht eine Idee, ein Problem eine Fragestellung oder Anforderung, die Menschen mit Behinderungen betrifft. JAN WALMSLEY und KELLEY JOHNSON (2003) beschreiben die Standards inklusiver Forschung in »Inclusive Research with People with Intellectual Disability«: o Das Forschungsproblem muss ein Interesse von Menschen mit Behinderung darstellen (nicht notwendigerweise eingeleitet). o Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten an dem Prozess der Forschung beteiligt werden. o Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in der Lage sein, eine gewisse Kontrolle über Prozesse und Ergebnisse ausüben zu können. o Die Forschungsfrage, Prozesse und Berichte müssen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich sein. (vgl. Wallmsley, J./ Johnson, K. 2003: 64). Es geht um eine Forschungsstrategie „die Menschen mit Lernbehinderungen als Anstifter von Ideen, Forschungsdesignern, Interviewern, Datenanalytikern, Autoren, Multiplikatoren und Nutzern einbezieht" (WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 62ff.). Wenn die Führung und Kontrolle des Projekts die Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst haben, müssen sie in besonderem Maße unterstützt werden, da es ihnen oft nicht leichtfällt, dies ganz alleine zu bewältigen (vgl. GÖBEL, S. 2002: 14 ff.). Jedes Forschungsprojekt braucht deshalb einen Projektkoordinator für das Projektmonitoring. 7.2 Gemeinsam im Projekt lernen Da die inklusive-partizipative Forschung noch relativ neu ist, gibt es bisher kaum Handlungsanweisungen für die Durchführung. Deshalb muss für das jeweilige Projekt gemeinsam erarbeitet werden, wie für alle Beteiligten die Projektorganisation gut funktionieren kann. 201 DIE AUSHANDLUNG DER ROLLEN 7.2.1 o „Wer ist hier die Chefin, der Chef?“ o „Wer unterstützt wen?“ o „Wer trägt (wann/wofür die Verantwortung?“ o „Wer ist Empfänger oder Ausführende von Anweisungen?“ Die Fachleute bzw. Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler haben im Projekt oft eine Doppelrolle. Sie sind nicht nur Wissenschaftler, sondern übernehmen oft gleichzeitig auch die Rolle als Unterstützer für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Forschungsteam. 7.2.2 Aufgaben der Projektorganisation und Koordination (Projektmonitoring) Die Aufgabe des Projektmonitorings besteht darin, die Arbeit in den einzelnen Phasen gemeinsam mit dem inklusiven Forschungsteam zu organisieren: Arbeitsinhalte zu formulieren sowie abzustimmen und festzulegen, wer welche Aufgabe übernimmt und welche Unterstützung jemand benötigt (Aufgabenmanagement). Später geht es eher darum, die Projektphasen zu koordinieren, zu dokumentieren und ggf. auch um das Finanzmanagement. 7.2.3 Erster Schritt: Die Situationsanalyse und Ideenfindung Zu Beginn eines inklusiven Forschungsprojekts ist die Partizipation in Form der Gewährleistung der Chancengleichheit in der Gesellschaft oder des Schutzes vor willkürlicher Ungleichbehandlung oft ein Problem (vgl. DIEHL, E. 2017: 9). Dasselbe gilt auch für die Nutzung digitaler Medien und Services (digitale Kluft). Ausgehend von der konkreten Situation im Projektumfeld besteht daher der erste Schritt darin, das Problem zu definieren und eine Projektidee zu finden. Von der Projektidee zum Projektziel Die erste Projektidee ist häufig noch nicht sehr konkret. Der Kern des Projektes wird aber bereits erkannt. Aus der ersten Projektidee wird häufig (nach einigen Diskussionsrunden) ein Projektziel entwickelt. Später sorgt das Projektmonitoring dafür, dass die Inhalte der Entwicklung, die geplante Dauer und alle Faktoren und Einflüsse, die im Projekt berücksichtigt werden sollen, beschrieben werden. Es geht zum Beispiel dabei auch um folgende Fragen: Wie ist der Zugang zu Einrichtungen, Dienstleistungen, digitalen Medien? Wie sind die Finanzen und andere Ressourcen? Werden Menschen mit kognitiven Behinderungen in diesen Prozess bereits mit einbezogen? 202 Grundsätze für die Zielformulierung nach S.M.A.R.T. (vgl. D ORAN , G.T.198:35 f.) o Spezifisch: Eine genaue, verständliche Formulierung des Ziels ist wichtig, damit alle Beteiligten die gleiche Vorstellung von dem haben, was erreicht werden soll. Ist das Ziel so genau formuliert, dass es keinen Spielraum für Interpretationen oder Nachforderungen lässt? o Messbar: Es müssen Kriterien festgelegt werden, an denen die Zielerreichung festgestellt oder gemessen werden kann. Woran erkenne ich, dass das Projektziel erreicht wurde? o Akzeptiert (auch attraktiv): Ziele, die im Projektteam als unakzeptabel angesehen werden, haben wenig Aussicht auf Erfolg. Werden die Projektziele von der Zielgruppe akzeptiert, werden sie auch positiv erlebt. o Realistisch: Die formulierten Ziele sollen auf der einen Seite attraktiv und auf der anderen Seite auch machbar und angemessen sein. Ist das Ziel zu anspruchsvoll, oder erreichbar? o Terminiert: Zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel erreicht werden soll. Ist ein klarer Endtermin festgelegt? 7.2.4 Zweiter Schritt: Die Projektplanung Schon bei der Projektplanung soll das Projektmonitoring sicherstellen, dass der gesamte Forschungsprozess zugänglich ist. Das setzt voraus, das in verständlicher, einfacher Sprache mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern kommuniziert wird. Inhalte und Texte sollten nach bisherigen Erfahrungen, wenn möglich kurzgehalten werden. Schwer verständliche Fakten und Inhalte können besser im persönlichen Gespräch erläutert werden (vgl. Projekt MEKOS 2017)63. 7.2.5 Dritter Schritt: Die allgemeine Projektdurchführung Bei Projektbeginn sollte deutlich werden, dass die Mitarbeit im Projekt bedeutet alle Beteiligten gewisse Rollen einnehmen sowie Pflichten übernehmen. Das Projektmonitoring ist sowohl für die inhaltliche als auch für die organisatorische Gestaltung des Projektes zuständig. 63 Projekt MekoS (2017): Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der empirischen Sozialforschung Institut für empirische Soziologie, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg 203 Es sorgt auch dafür, dass die Beteiligten in die Ereignisse des Projektes entsprechend ihren Ressourcen und Fähigkeiten einbezogen werden, und dass das Projektziel im Auge behalten wird. Es sollte über Folgendes Klarheit bestehen: 64 Allgemein o Wer macht was? o Wie ist unser Zeitplan? Arbeitsmaterialien und Arbeitsplattform? o Wie stellen wir sicher, dass das, was wir tun, nicht zu schwierig, oder nicht übermäßig kompliziert ist? o Wie beziehen wir Nachzügler oder Abwesende ein? o Wie organisieren wir unsere Arbeitsweise, Entscheidungsfindung und Kommunikation auch inklusiv? Arbeit in Gruppen oder Tandem o Wie arbeitet eine Fokusgruppe? o Wie arbeitet man im Tandem? o Wie werden Ergebnisse/Fortschritte mitgeteilt oder verwaltet? Fragen zur Rückkopplung während des Prozesses o Was funktioniert gut für Dich, was nicht? o Was würdest Du gerne tun? o Was würdest Du gerne verändern? Organisation des Forschungsprojekts Das Projektmonitoring soll sicherstellen, dass die auf Menschen mit kognitiven Behinderungen zugeschnitten Planung auch tatsächlich umgesetzt wird und dass diese bei der Analyse und Anpassung des Projektplans sowie an den Forschungsaktivitäten beteiligt sind. Es sorgt dafür, dass das Forschungsteam für das Thema Behinderung ausreichend sensibilisiert ist und dem Team hierbei – falls nötig – externe Beratung zur Verfügung steht. Außerdem sollte das Projektmonitoring dafür Sorge tragen, dass die Arbeits- und Evaluierungsinstrumente gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern angepasst oder entwickelt werden. 64 Anmerkung: Die nachfolgende Aufzählung ist verständlich für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher formuliert. 204 8 Teambildung und Kompetenztraining IPAR-UCD verändert die Kommunikation und die sozialen Beziehungen von User und Entwickler in Bezug auf Forschung und Entwicklung. Es soll dabei eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen beiden angeregt werden. Bei der Teambildung ist zu beachten, dass viele Menschen mit geistiger Behinderung die meiste Zeit ihres Lebens eine abhängige Rolle gehabt haben und sich vielleicht nicht bewusst sind, dass es für sie tatsächlich einen entscheidenden Unterschied macht, als Peer-Forscherin oder PeerForscher in die Forschung einbezogen zu werden. Da es bislang formale Kenntnisse über die Unterstützung von Peers mit kognitiven Behinderungen in einem inklusiven Forschungsrahmen fehlen (vgl. BIGBY, C.; FRAWLEY, P. 2010: 54) ist die Vorbereitung und Einführung in die Forschungsarbeit (Teambildung, Forschungsmethoden und werkzeuge) angezeigt und sinnvoll (vgl. IVA STRNADOVÁ und 2013: 14 ff.). BIGBY UND FRAWLEY sind der Meinung, dass dies auch während des Forschungsprojekts geschehen kann und es erst einmal wichtig sei, die Stärken der Mitforschenden zu erkennen und damit die Unterstützung am Arbeitsplatz zu gestalten. 8.1 Teambildung Die Teambildung ist ein wichtiger Aspekt bei der Bildung eines inklusiven Forschungsteams und Vorbereitung aller Mitglieder auf die Durchführung des Forschungsprojektes. Dabei ist das gegenseitige Kennen- und Verstehenlernen von großer Bedeutung (vgl. STRNADOVÁ, I. et all. 2014: 14). Aus eigenen Erfahrungen wird hier für den Bereich Forschung und Entwicklung eine gemeinsame Planungswerkstatt vorgeschlagen. Initiator/en, Entwicklerinnen/Entwickler und/oder Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und die zukünftigen Nutzer, die als Peer-Forscherinnen und PeerForscher beteiligt werden, brauchen diesen gemeinsamen Startpunkt für die Einführung in den Forschungsgegenstand oder um die Forschungsfrage zu schärfen, die Vorgehensweise zu planen und die Methoden auszuwählen. Das gemeinsame planen fördert gleichzeitig die gegenseitige Akzeptanz und die Teambildung. Für diese erste Planungswerkstatt sollte ausreichend Zeit eingeplant werden. 205 8.2 Das inklusive Forschungstraining Damit sich Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher an der Planung und während des Forschungsprojektes beteiligen können, sind sie nicht nur auf persönliche oder organisatorische Unterstützung angewiesen, sondern auch auf eine inhaltliche Qualifizierung. Diese Qualifizierung umfasst Hilfestellungen zum Verstehen des Forschungsbegriffs sowie von Zielen und Inhalten der Forschung. Dies kann wie oben beschrieben vor dem Beginn des eigentlichen Forschungsprojektes stattfinden oder auch während des Projektes. Wobei sicherlich eine Kombination von beidem das Beste wäre. Grundlegende Inhalte und Fragen zur Forschung können und sollten zu Beginn mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Dies bedeutet nicht, dass bestimmte Fragen, damit ein für alle Mal geklärt sind. Sie werden auch während der Projektlaufzeit immer wieder thematisiert werden müssen. Die Forschungs- und Entwicklungsverfahren, kreative Werkzeuge und Methoden, die inklusiv für alle im Verfahren zugänglich und verständlich sind (vgl.: OLLERTON, J. 2012:12), sollten situativ und ganz konkret während des Projektverlaufs vorgestellt und ggf. für die Zielgruppe angemessen adaptiert werden. 8.2.1 Der Forschungsbegriff Was bedeutet Forschung und Entwicklung? Definition Forschung und Entwicklung (vgl. GABLER WIRTSCHAFTSLEXIKON) Forschung und Entwicklung ist die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden in geplanter Form. Während unter Forschung der generelle Erwerb neuer Kenntnisse zu verstehen ist, setzt sich die Entwicklung mit deren erstmaliger konkretisierender Anwendung sowie praktischer Umsetzung auseinander. Was ist Wissenschafts-Forschung und die Hochschul-Forschung? (in verständlicher Sprache) Durch die Forschung will man erreichen, dass etwas entwickelt oder verbessert wird. Dabei geht es oft um Technik, neue Erfindungen und Ideen. Bei der Forschung und Entwicklung sucht man zum Beispiel nach neuen Erkenntnissen und Erfahrungen, nach der Lösung praktischer Probleme mithilfe der Technik o Vorentwicklungen werden geprüft, ob sie gut sind und sich umsetzen lassen o Und man möchte herausfinden, ob die Ergebnisse etwas verändern oder verbessern. Alle Bereiche, die etwas erforschen, nennt man auch Wissenschaft (vgl. Wissenschaftsund Hochschulforschung). 206 8.2.2 Gütekriterien für die inklusive-partizipative Forschung Zur Forschung gehören bestimmte Regeln, die die Qualität einer Forschung ausmachen. Das nennt man Gütekriterien. Gütekriterien für die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung müssen noch entwickelt werden. Inklusive-partizipative Forschung muss den Gütekriterien von Forschung allgemein nachkommen. Diese Gütekriterien sollten zu den angewendeten Methoden passend/angemessen sein. Zu Beginn eines Projekts sollten gemeinsam mit allen Forschungsteilnehmern auf der Grundlage der allgemeinen Gütekriterien für die Forschung Gütekriterien für das jeweilige inklusive Forschungsprojekt entwickelt und definiert werden. Das bedeutet, dass die Gütekriterien dem Forschungsprozess, den Erfordernissen (dem Erkenntnisgewinn), den konkreten Fähigkeiten und Interessen entsprechend anzupassen sind (vgl. BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2010: 342). Qualität des Forschungsprozesses und der Forschungsergebnisse mit IPAR-UCD Die Angemessenheit des qualitativen Vorgehens wird zunächst durch die Fragestellung des Gegenstandes der inklusiven-partizipatorischen Forschung und Entwicklung, User-Centred Design und dem Empowerment der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern geprägt. Es muss sichergestellt sein, dass alle Teilnehmer Zugang zu dem Forschungsprozess und den dort anstehenden Entscheidungen haben, dass die Stimme jedes Beteiligten gehört wird und in die Entscheidung eingeht (vgl. ebd.: 342). Dies betrifft zum Beispiel.: o Formulierung von verständlichen Forschungsfragen zur Entwicklung, o Begründungen und Entscheidungen sollen für das gesamte Forschungsteam nachvollziehbar sein, o Erhebungs- und Auswertungsmethoden, passend zur Forschungsfrage, die ggf. den Peer- Forscherinnen und Peer-Forschern entsprechend angepasst werden. Qualitative Forschung kann ohne Bewertungskriterien nicht bestehen, da sonst der Vorwurf der Beliebigkeit und Willkürlichkeit naheliegt. Die Validität und Glaubwürdigkeit der Aussagen/ Informationen von Menschen mit Lernschwierigkeiten werden immer wieder infrage gestellt (vgl. Teil A), daher diese Empfehlung von BERNASCONI: o Die Untersuchungen sollten nicht nur mit einem bestimmten methodischen Verfahren durchgeführt werden (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 169). o Die Angaben und Daten können mit unterschiedlichen Methoden (Mixed Methods Design oder durch Triangulation) überprüfbar gemacht werden (auch eine Frage der Transparenz und Reliabilität). 207 Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei IPAR-UCD Empirische Forschung bedeutet, dass der Forschungsprozess und das Ergebnis nachvollziehbar und wiederholbar sind. Da die Methoden- und Methodenentwicklung in der Forschung und Entwicklung immer entscheidungsrelevant ist, muss der gesamte Prozess ausreichend dokumentiert und erklärt werden. Dies betrifft die Begründung der gewählten Verfahren und deren Anpassung im Rahmen der Studie bis hin zur konkreten Umsetzung der Forschungsarbeiten. Es muss nachvollziehbar sein, wie und mit welcher Methode die Daten ausgewertet und interpretiert wurden. Transparenz umfasst auch die Frage der Autorenschaft (wer ist der Eigentümer der Forschung). Die Ergebnisse sollten verständlich, transparent in ihren Folgen und für alle zugänglich sein. Es muss selbstverständlich sein, dass die Co- und Peer-Forscher auch namentlich erwähnt werden und dass ihnen eine zugängliche, verständliche Form der Publikation der Ergebnisse zur Verfügung steht, wenn es keine gemeinsame Publikation geben kann (vgl. WALMSLEY, J/ JOHNSON, K.2003:216 ff.). Durch die Zusammenarbeit als Endnutzer kann eine höhere Validität der Forschungsergebnisse erreicht werden und die Anzahl systemischer Fehler verringert werden. 8.2.3 Normen und Werte in der Forschung o Dies bedeutet für IPAR-UCD folgendes: o Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher verstehen, den Sinn und Zweck der Forschung. o Sie geben ihre Zustimmung zur Teilnahme freiwillig. o Sie wissen, dass sie die Zustimmung jederzeit zurücknehmen können. o Es darf kein Forschungsvorhaben geben und keine Studie durchgeführt werden, wenn diese gegen die Menschenwürde bzw. Menschenrechte verstößt. o Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher müssen ehrlich sein und sie nicht etwas Falsches sagen oder behaupten. o Sie dürfen nichts versprechen, was nicht eingehalten werden kann. o Die anvertrauten Daten oder Geheimnisse dürfen nicht an andere Personen außerhalb des Projektes weitergegeben werden. o Alle personenbezogenen Daten werden anonymisiert oder so verändert, dass sie nicht einer Person zugeordnet werden können. Sollte dies in besonderen Fällen nicht möglich sein (z. B. ein Mann unter lauter Frauen) dann müssen die Teilnehmer darüber informiert werden und müssen damit einverstanden sein. Peer-Forscherinnen und Peerforscher sollten so weit wie möglich verstehen können, dass die Entscheidungen über das Verfahren und den Prozess, den sie treffen, weitreichende Folgen für das Leben anderer Menschen haben können. 208 9 Die benutzerorientierte Entwicklung Zum nutzerzentrierten Gestaltungsprozess wie Usability-Entwicklung und Evaluation, gehören alle Aktivitäten oder Methoden zur Bewertung der Benutzerfreundlichkeit des neuen Produkts oder Systems. Es gibt hierzu unterschiedliche Methoden, die sich in ihren Ansätzen, Zielen und in ihrer Vorgehensweise unterscheiden. Einige davon werden später vorgestellt. 9.1 Die inklusive Usability-Entwicklung mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern – Kontextanalyse 9.1.1 Nutzungshintergrund Wenn die Aufgabe feststeht, werden zunächst Informationen über die zukünftigen Nutzer gesammelt. Man stellt sich die Frage: Wer ist die Zielgruppe, wer sind die zukünftigen Nutzer? Dann sind Informationen über die soziale und physische Umwelt wichtig, z. B. welche Ressourcen oder Geräte stehen zur Verfügung? Hier sind die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern die Experten Sie können ihre eigenen Erfahrungen und Vorstellungen exakt einbringen. 9.1.2 Die Anforderungsanalyse Nach einer ausführlichen Analyse des Nutzungshintergrunds werden Nutzungsanforderungen (Wunschliste) gemeinsam definiert: o Das nennt man auch Requirementanalyse. o Was soll das neue Produkt, die neue Software oder der neue Service alles können? o Wie soll er gestaltet sein? o Was ist möglich oder umsetzbar, was nicht? Diese Anforderungen werden anschließend von den Entwicklern in erste Konzepte und Entwürfe Prototyp oder Mockup umgesetzt. 9.1.3 Der Prototyp oder Mockup Die erstellten Konzepte und Entwürfe werden wiederholt mit Peer-Forscherinnen und PeerForschern besprochen und Mockups und Prototypen werden ausprobiert. Dies alles dient dazu, sicherzustellen, dass die Anforderungen der späteren Nutzer auch tatsächlich erfüllt werden. 209 Betrachtet man den Prozess im Rahmen von IPAR-UCD so wird deutlich, dass die PeerForscherinnen und Peer-Forscher in das Feld, das sie objektiv als Peers darzustellen versuchen, auch subjektiv involviert sind und diese Form der Erkenntnisgewinnung von ihren persönlichen Erfahrungen nicht zu trennen sind. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sind zunächst aktiv Beobachtende. Sie sind im Sinne des Instruments der Beobachtung aber auch passiv Beobachtete. Nicht nur der untersuchte Testgegenstand, an dem relevante Beobachtungen gemacht und Informationen gesammelt werden können, ist entscheidend. Auch an den Forschenden selbst zeigen sich Erfahrungen, deren Wahrnehmung für die Forschungssituation von Bedeutung ist. Dieser Prozess des Verstehens ist daher immer auch mit einer selbstreflexiven Überlegung verbunden. Diese Vorgehensweise macht wie bei der Aktionsforschung aus, dass man nicht bei der Klärung der Probleme stehen bleibt, sondern die gewonnenen Erkenntnisse auch praktisch wirksam werden lässt und damit den Entwicklungsgegenstand gemeinsam 'verbessert'. 9.2 Die inklusive Usability-Evaluation mit Test-Usern (Testteilnehmer) Die inklusive Usability-Evaluation wird von einem inklusiven Evaluationsteam geplant und durchgeführt. Wer sich vom Forschungsteam an der inklusiven Evaluation beteiligt, ist Projekt abhängig. In so einem inklusiven Evaluationsteam sind auf jeden Fall auch immer PeerForscherinnen oder Peer-Forscher beteiligt. Zur Evaluierung eines Prototyps und später auch für die Evaluierung des fertiggestellten Produkts gibt es einen Evaluationsplan oder Testplan. Darin stehen die einzelnen Punkte, die evaluiert werden sollen. Bevor eine Usability-Evaluation durchgeführt wird, sollten die Testziele, das Anliegen sowie die Randbedingungen der Evaluation definiert werden. Für einen iterativen Gestaltungsprozess (hier gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und PeerForschern), empfiehlt JAKOB NIELSENS, drei Testtermine mit jeweils 5 Probanden durchzuführen und nach jedem Test die gefundenen Usability-Probleme zu beseitigen, anstatt einen einzelnen Test mit 15 Probanden durchzuführen (vgl. NIELSEN, J. 2000). Er weist nach, dass das ultimative Benutzererlebnis durch 3 Studien mit je 5 Test-User deutlich stärker verbessert wird, als durch eine einzige Studie mit 15 Usern. 210 Vorbereitung der Usability-Evaluierung Die Vorbereitungsphase umfasst folgende Teilschritte: 9.2.1 o Auswahl der Mitarbeiter für das Evaluationsteam, die an der Evaluation oder dem Usability-Test teilnehmen o Festlegung der Fragestellung und Zielsetzung der Evaluation o Gemeinsame Auswahl der Methoden der Usability-Evaluation o Auswahl der Testaufgaben und Testfälle, dies ist Aufgabe der Entwickler o Auswahl der Test-User (Wer ist ein geeigneter Nutzer? Wie viele Test-User sollen teilnehmen?) o Festlegung der Dokumentation o Technische und organisatorische Vorbereitung der Evaluation. Das Evaluationsteam und die Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer Zu einem inklusiven Evaluationsteam gehören: o Ein Moderator, der die Sitzung leitet. Sie/er sollte ein Usability-Spezialist sein. o Eine Peer-Forscherin oder ein Peer-Forscher, zur Unterstützung des Moderators. Sie bilden das Forschungstandem (d. h. Peer-Forscherin oder Peer-Forscher und Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler aus dem Forschungsteam). o Das Forschungstandem erfasst die Ergebnisse. o Andere Teammitglieder können als stille Beobachter teilnehmen. o Ergänzend kann ein Mitglied die Protokollierung der Ergebnisse übernehmen. Die folgenden Fragen dienen als Grundlage für die Auswahl der Testteilnehmer: o Wie soll die Zusammensetzung bei den Test-User sein, die getestet werden sollen? o Wie viele Test-User werden gebraucht? o Wie wählt das Team die Test-User aus? o Welche Voraussetzungen müssen Testteil-User mitbringen (Merkmale ihrer Qualifikation und die erwarteten Fähigkeiten/Wissen)? Sind die Test-User mit den Evaluierungs-Aufgaben vertraut? o Haben die Test-User Erfahrungen mit der Durchführung bestimmter Aufgaben? o Wie werden die Test-User gewonnen? 211 9.2.2 Festlegung der Fragestellung/Zielsetzung der Evaluation Der Aufgabenbereich (der Testgegenstand, der Prototyp, das Mockup), der evaluiert werden soll, muss genau benannt werden. Der Testgegenstand wird vorgestellt und das Ziel und die Fragen für die Evaluation oder den Test werden vorher besprochen und festgehalten. Zielsetzung im Rahmen eines Usability-Tests sind beispielsweise: o Überprüfung von Ergebnissen, o Ermittlung von echten Problemen der realen Benutzer, o Ermittlung von Akzeptanzproblemen, o Erhebung von weiteren Anforderungen, fehlenden Funktionalitäten und die Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen, o Der Vergleich verschiedener Möglichkeiten unter realistischen Einsatzbedingungen. 9.2.3 Die Auswahl der Methoden der Usability-Evaluation Es gibt eine Anzahl von Usability-Methoden, die partizipativ durchgeführt werden können. Welche Methoden sich für die inklusive Besetzung eignen oder angepasst werden müssen, wird im Forschungsteam entschieden (siehe Kapitel 8 Methoden)65 5. Abb. Methoden für die inklusive Usability-Evaluation (Quelle: eigene Darstellung) 65 Im Anhang werden die verschiedenen Evaluationsmethoden vorgestellt, die mit dem Verfahren des Design Based Research Ansatz für die IPAR-UCD Methode ausgewählt und gemeinsam mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern adaptiert wurden. 212 9.2.4 Festlegung der vorzunehmenden Schritte, Auswahl der Testfälle, Testaufgaben oder Testszenarien: Die Testaufgaben sollten möglichst realistisch sein und den späteren typischen (Arbeits-) Alltag der Testbenutzerinnen und Testbenutzer widerspiegeln. Echte Praxisaufgaben als Test sind ideal. Wenn bei komplexen Anwendungen keine Evaluation aller möglichen Arbeitsschritte des Systems durchführbar ist, dann müssen die Testaufgaben so ausgewählt werden, dass sie typisch und möglichst realistisch sind. Hierzu sind die folgenden Festlegungen notwendig: o Festlegung der Usability-Test-Sitzungen (Anzahl und Zeit); o Beschreibung der einzelnen Aufgaben die zu lösen sind; o Festlegung der Reihenfolge o Bestimmung zusätzlicher Aufgaben, damit das Forschungsteam die entsprechenden Aufgaben auswählen kann. 9.2.5 Der Testplan und die Dokumentation – Beispiel So kann beispielsweise der Inhalt eines Testplans aussehen. (Dieser muss je nach Situation mit Bildern angepasst werden.) Projektname: Test: Name oder Nummer Datum: Test User (Pseudonym): Alter: Geschlecht: Test Aufgaben: Was ist zu tun Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe 3 Wurde die Aufgabe erledigt? o ja o ja o ja o nein o nein o nein Beobachtungen: Zufriedenheit Fehler Verbesserungsvorschläge 213 9.2.6 Die Dokumentation der Begutachtung/Beurteilung/Evaluation Checkliste o Einzelne Testschritte und Beobachtungen zum Testplan festhalten o Bilder, Screenshots und Videoaufnahme sind hilfreich; o Störfaktoren notieren; o Abschlussbewertungen der Testteilnehmer in einfacher verständlicher Sprache ggf. mit einfacher Skala (Smiley- oder Sterne-Skala) aufbereiten. 9.2.7 Kollaborative Datenanalyse Die Datenauswertung soll gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern durchgeführt werden. Sie muss daher für alle leicht und verständlich durchführbar sein. Auch für die gemeinsame Datenauswertung gibt es verschiedene Auswertungsmethoden (siehe unten). 9.3 Die organisatorische und technische Vorbereitung der allgemeinen Usability-Evaluation Die Vorbereitung der allgemeinen Usability-Evaluation mit anderen Test-Usern hängt vom Termin und vom Evaluationsort ab. Der Termin muss mit allen Teilnehmern rechtzeitig abgesprochen werden. Hierzu ist notwendig: Zeitplan: 214 o Festlegung von Zeitplan und Datum der Test-Sitzungen; o Festlegung, wie viele Sitzungen an einem Tag durchgeführt werden und zu welchen Zeiten die Sitzungen stattfinden; o Festlegung der Dauer einer Sitzung (diese ist in der Regel 60 bis 90 Minuten). o Bei der Planung muss Zeit für die Erstellung von Notizen vorgesehen werden und zwischen den Sitzungen ist Zeit einzuplanen, um die Untersuchungsumgebung für den nächsten Test-User zurückzusetzen. o Es ist von Vorteil eine Zeitreserve für Sitzungen einzuplanen, für Teilnehmer die etwas länger dauern oder, die zu spät kommen. Die Test-Umgebung Der Versuchsaufbau soll vorher genau festgehalten (soll gefilmt, fotografiert werden?) o Raum (mögl. Ruhig, ohne Störungen); o Festlegung der Ausstattung, die im Test verwenden werden: • Desktop, Laptop, • Handy/Smartphone, • Spezielle barrierefreie Ausstattung; • eventuell Informationen für die Größe und Auflösung des Monitors; • Betriebssystem, Browser und Ähnliches; Arbeitsmaterialien Die Materialien für die allgemeine Usability-Evaluation müssen vorbereitet und ggf. später der Ablauf mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern eingeübt werden. o Testaufgaben, Testfälle; o Abschlussfragebogen; o Festlegung der Dokumentation: • Videoaufzeichnung oder Audioaufzeichnung, • Schreibmaterial, Zeichenmaterial; 9.4 Die Vorbereitung der Evaluationsteams 9.4.1 Einführung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in das Evaluationsverfahren o Die Test-Users werden darüber informiert, was evaluiert oder getestet werden soll (Beschreibung des Testgegenstandes). o Für die Test-User muss verständlich sein, warum sie an dieser User-Evaluation teilnehmen und warum gerade diese Testaufgaben wichtig sind. o Es ist sicherzustellen, dass die Test-User die Aufgabe auch wirklich verstanden haben. Dabei ist es wichtig zu erklären, dass es dabei „Aufgaben“ gibt, die sie ausprobieren können und, dass man nichts richtig oder falsch machen kann und dass man bei diesem Test nicht durchfallen kann. o Die Testteilnehmer müssen die informierte Einwilligung unterschrieben haben. 215 In einem gemeinsamen Workshop sollte das Evaluationsverfahren in verständlicher Form mit Beispielen erklärt werden (die Aufgabe selbst, der Sinn und Zweck). Es muss klar sein, warum die Untersuchungen oder der Test gemacht werden soll. Auch die evtl. angepasste Evaluationsmethode sollte vorgestellt und ausprobiert werden. Es ist wichtig, dass die Peer-Forscher sie verstehen und alle offenen Fragen geklärt sind. 9.4.2 Regeln bei der Evaluation Für die Evaluation gelten auch für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Regeln. Die folgenden Regeln sind von allen Beteiligten einzuhalten: o Der Name des Test-Users darf nicht außerhalb der Testsitzung verwendet werden. o Die Ergebnisse eines Test-User dürfen nicht individuell zugeordnet werden. o Eine Auskunft oder Bewertung der Ergebnisse des einzelnen Test-User darf nicht an seinen Vorgesetzten weitergegeben werden. 9.5 Empfehlungen zur Durchführung der Usability-Evaluation Sollte der Testnutzer bei den Testaufgaben auf unlösbare Probleme stoßen, kann das Forschungsteam Hilfestellung geben. Das kann zum Beispiel ein Hinweis sein die aktuelle Lösung zu überdenken oder Fragen nach dem aktuellen Benutzerziel. Wenn der Testbenutzerinnen und Testbenutzer dennoch nach weiterem Suchen einer Lösung keinen Erfolg haben, wird die Aufgabe abgebrochen. 9.5.1 Auswahl und Einführung in die unterschiedlichen Forschungswerkzeuge, Forschungstechniken und empirische Forschungsmethoden Während der einzelnen Phasen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses werden unterschiedliche Werkzeuge Methoden benötigt. Häufig verwendeten Methoden bei UCD sind Usability-Tests, Card Sorting und Fokusgruppen. Oft werden diese Methoden auch miteinander kombiniert (eine Aufstellung der einzelnen Forschungsmethoden folgt). Welche dieser Werkzeuge und Methoden sinnvoll in einem inklusiven Verfahren verwendet werden können, welche angepasst oder ersetzt werden müssen, ist auszuprobieren. Entsprechende Methoden sind in Kapitel 10 (Methoden für IPAR-UCD) und im Handbuch für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher mit Arbeitsanweisungen und Arbeitsmaterialien beschrieben. 216 9.5.2 Dokumentation und Datenerhebung Die Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse müssen im Vorfeld festgelegt und vor allem ausprobiert werden. Bevor mit der eigentlichen Dokumentation und Datenerhebung begonnen wird, sollte man einen Ablaufplan haben, damit die Mitglieder des Forschungsteams wissen, wann und was zu tun ist. Für die Dokumentation ihrer Beobachtungen können die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher unterschiedlichen Werkzeuge selbstständig benutzen. Neben üblichem Papier und Stift ist die Dokumentation mit dem iPad eine der einfachsten Möglichkeiten. Das iPad stellt verschiedene Anwendungen (Apps) für die Datenerfassung und Dokumentation zur Verfügung. Diese sind auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten schnell zu erlernen. Das iPad kann als qualitative Forschungsmethode zur Foto- oder Video-Erhebungsmethode (Elicitation) eingesetzt werden, ebenso das Videointerview zur Auswertung der Beobachtungen und Testberichte. Nach dem Test wird vom Forschungstandem gemeinsam ein Bericht über die Beobachtungen und Testergebnisse verfasst. Wenn alle Berichte vorliegen, können diese der Fokusgruppe mit oder ohne Entwickler diskutiert werden, um ggf. Verbesserungsvorschläge für den Testgegenstand oder auch zum Testablauf machen zu können. Das Ergebnis geht dann in die iterative Entwicklung ein, bis bei der End-Evaluation ein fertiges Produkt oder Service steht mit dem alle zufrieden sind. Tabelle 2 : Anregungen zur D urch führu ng ein es User-Tes ts Tipp Vorschlag Verwenden Sie eine angemessene Sprache Machen Sie es sich nicht zu leicht, sondern vereinfachen Sie es verständlich. Seien Sie sensibel für den unterschiedlichen Entwicklungsstand Bei der Gestaltung der Beobachtungen, Beurteilungen oder Tests: diese entsprechend anpassen Planen Sie zwischen den Sitzungen genügend Zeit ein Die Arbeit mit Menschen mit kognitiven Behinderungen kann zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen, die Betreuung und die Sitzungen können übermäßig lange dauern. Rekrutieren Sie mehr Teilnehmer, als Sie benötigen Dies wird Ihnen helfen, wenn Teilnehmer nicht kommen oder sie sich nicht trauen. Verwenden Sie visuelle Skalen anstelle Wenn möglich und sinnvoll, diese Art visuelle Skalen von Zahlen oder Wörtern funktionieren besonders gut. Erwägen Sie zusätzlich zu der allg. Aufwandsentschädigung den Teilnehmern etwas zukommen zu lassen Halten Sie sich an die Regeln Ihrer Organisation. Aber wenn möglich, sollten Sie in Betracht ziehen, den Teilnehmern etwas als Belohnung mit zu geben. 217 10 Methoden für IPAR-UCD und inklusives partizipatives Design und Entwicklung In den vorherigen Kapiteln wurde gezeigt, wie der Ablauf von IPAR-UCD in der Praxis mit einem Peer-Forscher-Team realisiert werden kann. Im Folgenden werden nun für die inklusive Forschung und Entwicklung bewährte und bekannte Methoden vorgestellt, die für die Beteiligung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher ausgewählt, angepasst und ergänzt wurden. 10.1 Methoden für inklusives-partizipatives Design und Entwicklung und die Usability-Evaluation Es gibt eine Reihe von Methoden, die für IPAR-UCD und inklusives-partizipatives Design und Entwicklung geeignet sind. Tabelle 3 : Me tho den für inklusives-p artizipa tives Design Methode Kollaborative Methode Fokusgruppe Card Sorting Szenarien Storyboards, auch Visual Storytelling Foto-, Video-Elicitation Cognitive Walkthrough Thinking Aloud Test 218 Planung Analyse Konzeption Prototyping Evaluatio n/ Implemetierung partizipativer Gruppenprozess zur Planung, Durchführung und Evaluation ü ü ü ü ü moderierte Gruppendiskussion mit den Peer-Forschern ü ü ü ü ü ü ü ü ü Kurzbeschreibung Erarbeitung der Anforderungen und Informationsarchitektur (z. B. Navigationsinhalte einer Website) ein Szenario ist eine detaillierte Beschreibung einer möglichen SollSituation ü Visualisierung von Interaktionen, Szenarien und Visionen Visualisierung von Interaktionen Handlungsschritte planen und durchführen Lautes-Denken während dem Test ü ü ü ü ü ü ü ü ü Methode Fragebogen Interview Beobachtung Testfälle Kontextanalyse Prototyping Evaluatio n/ Implemetierung ü ü ü Beobachtung meist im realen Arbeitsumfeld der User ü ü ü repräsentative User lösen produkt-typische Aufgaben ü ü ü ü ü Kurzbeschreibung vordefinierten Fragen, um gezielte Informationen zu erhalten Planung Analyse Konzeption ü ü ü ü liefert detaillierte Informationen über einen bestimmten Sachverhalt oder Nutzer Beobachtung und gleichzeitige Befragung zukünftiger Nutzer, PeerForscher 10.2 User-Centred Design Methoden für den Einsatz inklusiverpartizipativer Designentwicklung zur Datenanalyse Tabelle 4 : User-Centre d Design Me thode n z u r inklusive-partizipa tive Designentwicklung und zur Da tenanalyse Methode Patchwork-Analyse Colour Coding Kurzbeschreibung leicht verständliches Analyseverfahren Planung Analyse Konzeption Prototyping Evaluation/ Implemetierung ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü ü leicht verständliches Bewertungsverfahren Video Card Game und Affinitäts-diagramm (vgl. Moonen, R. 2012) Das Video wird in kleinere Stücke zerteilt. Mithilfe des Affinitäts-diagramm wird es anschließend geordnet, um Probleme, Bedürf-nisse und Prioritäten zu identifizieren. Mindmapping Erschließen und visuelles Darstellen eines Themengebietes, zum Planen und als Problemlösung ü 219 11 Adaptierte Usability-Forschungs- und Entwicklungsmethoden für die inklusive Forschung Exemplarisch werden hier vier Forschungsmethoden für IPAR-UCD in leichter verständlicher Sprache vorgestellt.66 Diese Methoden wurden gemeinsam mit den die mit den PeerForscherinnen und Peer-Forscher angewendet, analysiert, angepasst oder neugestaltet. Sowohl der Thinking-Aloud-Test67 wie der Cognitive Walkthrough wurden bereits im LAB Easy Reading, mit einem Peer-Forscher-Team als Experten adaptiert und angewendet. Die Praktikabilität und Effektivität der abgeleiteten Usability-Methoden soll durch Folgeuntersuchungen, möglichst qualitativer Art, und dem Design Based Research mit der Zielgruppe im Forschungs-LAB »Easy Reading« mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern weiter überprüft werden, um die Ansätze zu optimieren oder um weiter konkrete Methoden und Vorgehensmodelle zu entwickeln. 11.1 Thinking-Aloud-Test (Laut-Denken-Tests) Was ist ein Thinking-Aloud-Test? Der Thinking-Aloud-Test ist eine Forschungs-Methode. Ein oder mehrere Test-Teilnehmer übernehmen die Rolle des Benutzers Ÿ am Computer Ÿ am Smartphone Ÿ oder am Tablett Der Testbenutzer soll laut aussprechen, was er bei der Benutzung denken. Was passiert bei einem Thinking-Aloud-Test? Mit dieser Methode wird für das Projekt eine neue Software ein Test-Typ ausprobiert. Es wird geschaut: Können Testbenutzerinnen und Testbenutzer die neue Software leicht bedienen oder ist es zu schwer. Sie sollen entweder den TestTyp frei ausprobieren, oder festgelegte Aufgaben lösen. Dabei werden sie beobachtet. Sie werden aufgefordert, laut zudenken, daher der Name ThinkingAloud-Test. 66 Diese Methoden sind in Anlehnung an die Regeln der leichten Sprache adaptiert. 67 Diese Methode ist seit 20 Jahren die Nummer eins bei den Usability-Methoden. 220 11.1.1 Ziel eines Thinking-Aloud-Tests (Laut-Denken-Tests) o die Gedanken eines Testteilnehmers zu erkennen und zu verstehen, warum sie oder er welche Dinge tut; o wenn Testbenutzerinnen und Testbenutzer einen Fehler machen, kann man die Ursache des Fehlers feststellen; o so kann man die Software, »Easy Reading« verbessern und Probleme vermeiden. 11.1.2 Aufgabe der Peer-Forscherinnen/Peer-Forscher beim Thinking-Aloud-Test Sie sollen helfen, die Probleme der Nutzer zu entdecken um die Benutzung zu verbessern. Das Testen mit einem Test-Typen (Prototyp*) o Zuerst benutzen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher einen Test-Typ selbst im Forschungstandem. o Dann testen sie den Test-Typ im Forschungstandem mit neuen, anderen Testteilnehmern Was wird gesucht? o Wo sind der Vorschlag oder Entwurf nicht so, wie es der User braucht? o Wo können schnell Fehler entstehen? Ergebnisbericht: o Nach den Untersuchungen berichtet das Forschungstandem den Entwicklern von den Ergebnissen vom Thinking-Aloud-Test. o Die Ergebnisse aus diesem gedachten Lösungsweg sind ohne Ausnahme die Eindrücke die von Testbenutzerinnen Testbenutzern laut gedacht wurden. 11.1.3 Anmerkung zum Thinking-Aloud-Test Beim Thinking-Aloud-Test können fehlende Funktionen oder auch Fehler festgestellt werden. Es ist aber nicht möglich, während eines Thinking-Aloud-Tests die genaue Qualität eines Test-Typs festzustellen, da durch das laute Mitdenken Verzögerungen entstehen, die das Ergebnis beeinflussen. Ein Problem bei einem Thinking-Aloud-Test ist, dass viele Testpersonen mit der Zeit nichts mehr sagen. o Sie sind es nicht gewöhnt, alles, was sie denken, auszusprechen. o Eine Lösung hierzu wäre: dass man beispielsweise zwei Testpersonen gleichzeitig an einen Test-Typen arbeiten lässt. Dadurch fällt ihnen das Sprechen einfacher. 221 11.2 User-Testing 11.2.1 Was ist User-Testing mit Testplan und Testfällen (siehe Anhang 2) User-Testing ist ein Test mit den Nutzerinnen und Nutzern Beim User-Testing untersuchen Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer einen Test-Typ, Testgegenstand, Prototyp, Mockup oder Interface-Prototyps. Hierzu gibt es einen Testplan, der gemeinsam mit den Entwicklern erstellt wird. In diesem Testplan werden die genauen Aufgaben beschrieben, die der Testteilnehmer durchführen soll. Sie werden dabei von einem inklusiven Forschungsteam oder Forschungstandem angeleitet. 11.2.2 Das Forschungstandem Das Forschungstandem oder Forschungsteam besteht immer aus wenigstens einer PeerForscherin oder Peerforscher und einer Forschungsassistenz. Das Forschungstandem soll den Test-Typ vorher kennen lernen o Sie bekommen beide von den Entwicklern einen Testplan, den Ablauf für die Testfälle, für ihre eigenen Notizen. o Sie gehen den Plan Schritt für Schritt durch, um zu verstehen, was der TestTeilnehmer machen soll und ob ggf. im Testplan noch etwas verändert werden muss. o Das heißt, dass das Forschungs-Team genau weiß, was im Test passieren soll und wie der Teilnehmer die Aufgaben stellen muss. o Das Forschungsteam sagt dem Testteilnehmer, was er zu tun hat und beobachtet dann genau, wie sich der Testteilnehmer verhält. o Wenn er eine Aufgabe nicht lösen kann oder etwas nicht funktioniert, soll das Forschungstandem das genau notieren. o Das Forschungstandem unterstützt sich hierbei gegenseitig. o Sie unterstützen aber den Testteilnehmer nur indirekt, indem sie z. B. die Frage oder Aufgabe mit anderen Worten wiederholen. 11.2.3 Einführung für die Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer o Es muss zu Beginn für alle eine Einführung des Test-Typs oder der Software geben. o Es muss vorher die Methode der Untersuchung genau erklärt werden. 222 11.2.4 Die Testteilnehmer können nichts falsch machen: o Wenn die Testteilnehmer Schwierigkeiten beim Testen des Test-Typs haben liegt das nicht daran, dass sie etwas nicht verstehen oder nicht können. Es liegt dann meist daran, dass der Test-Typ noch verbessert werden muss. o Es geht nicht darum, die Fähigkeiten der Testteilnehmer zu testen, sondern zu untersuchen, wie gut der Test-Typ gemacht ist. o Menschen mit Lernschwierigkeiten sagen manchmal, dass sie die Aufgabe verstanden haben, aber sie haben die Aufgabe noch verstanden. Deshalb ist das Nachhaken vom Forschungsteam wichtig. Man kann die Testteilnehmer auch bitten die Aufgabe mit eigenen Worten zu wiederholen. 11.3 Inklusive Cognitive Walkthrough (Wharton, C./Rieman, J./Lewis, C./ Polson, P. 1990) 11.3.1 Was ist ein Cognitive Walkthrough? Cognitive Walkthrough, das heißt so viel wie: gedachter Lösungs-Weg Der gedachte Lösungs-Weg ist eine Forschungs-Methode. Ein oder mehrere Tester übernehmen die Rolle des Users o am Computer o am Smartphone oder am Tablett Die Tester benutzen dabei einen bestimmten Weg, Um Fehler und Schwierigkeiten entdecken. 11.3.2 Was wird beim gedachten Lösungs-Weg gemacht Mit dieser Methode kann im Projekt eine neue Software schon sehr früh ausprobiert werden. Beim gedachten Lösungs-Weg wird geschaut: Kann der Benutzer den Test-Typen leicht erlernen und bedienen? Oder ist es für ihn zu schwer? 11.3.3 Aufgaben Die Entwickler und der Test-Typ Die Entwickler überlegen vorab aufeinander folgende Schritte, die am Test-Typen ausprobiert werden sollen, (Beispielaufgaben und Ablauffolgen). Zum Beispiel: o o o o eine Aktion finden oder eine Aktion anwenden, einen bestimmten Lernschritt finden, einen Schritt bis zum Ende bearbeiten, das Ergebnis als E-Mail versenden .... Für jede der Aufgaben wird festgelegt, welchen Weg der Benutzer idealerweise gehen wird, um seine Aufgabe zu erledigen. 223 Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte testen den Test-Typen o Sie helfen den Entwicklern die ersten Benutzer-Probleme zu entdecken und die Entwicklung zu verbessern. o Sie benutzen sie den Test-Typen, um zu sehen, wie der erste Versuch gelingt. o Beobachter (ein Forschungstandem) halten die möglichen Probleme mit dem Test-Typen fest (Notizen, Screenshots, Video) Wonach suchen die Peer-Forscher? o Sie beobachten, an welcher Stelle der Entwurf nicht so, wie es der Benutzer braucht? o Oder wo schnell Fehler entstehen können? Anpassungen Nach den Untersuchungen berichten die Peer-Forscher und später das Forschungstandem den Entwicklern on den Ergebnissen und Problemen des gedachten Lösungswegs und was sie verbessern sollen. Die Entwickler versuchen danach den Test-Typen zu verbessern. Dieser Vorgang kann mehrmals gemeinsam mit den Peer-Forschern wiederholt werden bis der Test-Typ ein fertiger Entwicklungs-Typ ist. Das nennt man agile Entwicklung. Ziel der agilen Entwicklung Menschen mit Lernschwierigkeiten und andere Benutzer sollen später diese Entwicklung oder Anwendung ohne Schwierigkeiten gut benutzen können und keine Probleme haben. 11.3.4 Hier können Fehler im Test-Typ stecken Fehler 1: Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte macht einen falschen Arbeitsschritt (Aktion) auf dem Gerät. Sie/er drückt vielleicht einen falschen Knopf (den Aktions-Button) Fehler 1 sagt: Es muss klar zu erkennen sein, was zu tun ist. Zum Beispiel: o o o 224 Die Aktion muss für den Benutzer klar und deutlich angezeigt werden. Die Aktion ist überflüssig, dann muss sie gelöscht werden. Die Aktion ist ein Schritt, der nicht zu erwarten ist. Fehler 2: Ein Button oder Auslöser sind auf dem Bildschirm sichtbar. Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte können aber nicht erkennen, ob beim Drücken vom Button das passiert, was er sich wünscht. Fehler 2 sagt: Es fehlt die klare Beschriftung oder das Bild, das zeigt, was passieren soll. Fehler 3: Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte will die nächste Aktion ausführen. Er findet nicht, was er sucht. Fehler 3 zeigt: die Aktion hat einem schlechten Platz auf der Seite. Der Entwickler muss den Aktions-Button besser sichtbar machen, damit er zu finden ist. Fehler 4: Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte macht einen richtigen Arbeitsschritt. Er sieht aber trotzdem keinen Erfolg. Das heißt, er weiß nicht, ob etwas passiert ist. Fehler 4 zeigt: der Benutzer braucht eine deutliche Rückmeldung. Die Aktion war richtig oder die Aktion war falsch. Es gibt vielleicht auch noch andere Fehler, die entdeckt werden können. 11.3.5 Vorbereitung eines Cognitive Walkthrough Wen und was braucht man für die Durchführung? o Ein Forschungstandem, einen Moderator und ein Peer-Forscher - der Moderator sollte kein Entwickler sein, o 4-8 weitere Peer-Forscherin oder Peer-Forscher als Experte in dem Projekt, (die den Durchgang durchlaufen), o Anschließend sollen auch Testteilnehmer diese Anwendung testen, o Vorbereitete Auswertungsbögen, o Schreibzeug, Tablets und Kamera zur Beobachtung und später für die Auswertung. Aufgaben für das Forschungstandem Jede Aufgabe wird dem Peer-Forscherin oder Peer-Forscher erklärt. Es wird genau vorgegeben was zu tun ist. Die Teil-Schritte müssen vorher ganz genau überlegt werden (das bedeutet: keine Entscheidung oder Handlung für selbstverständlich halten). 225 Zum Beispiel: o Sagen Sie nicht nur "auf den Button klicken". o Sondern sagen Sie: "Erkennen sie den richtigen Button. " o oder "Sie müssen doppelklicken." Was soll bei den einzelnen Aktionen und Aufgaben beobachtet werden soll Vorbereitung des Beobachtungsbogens für die Beobachtung: o o o o Finden der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte das, was er/sie sucht? Wo sucht er/sie? Wo wäre ein besserer Platz? Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten können vielleicht die Lösung aufzeichnen. Weitere Fragen während der Durchführung: o Sind die Seite oder Anwendung schwer zu durchschauen? o Ist es leicht auf der Seite den nächsten Schritt zu machen? o Oder bei der Anwendung den nächsten Schritt zu machen? o Bekommt man Erklärungen von schweren Worten und Abkürzungen, wenn man diese braucht? Sind Erklärungen oder Texte zu schwer zu verstehen? o Fragen an die Peer-Forscherin oder den Peer-Forscher als Experte zu den Aktionen: Zu den Aufgaben: o Sind die Aufgaben (Aktion) einfach oder zu schwer? o Sind die Aufgaben gut zu verstehen? Zu Informationen auf der Internetseite: o Verstehen Sie die einzelnen Hilfen? o Sind diese Informationen einfach zu verstehen? o Sind diese Informationen einfach zu finden? o Wo haben Sie Probleme? Zur Navigation o Wie finden Sie sich auf der Seite zurecht? o Ist die Navigation auf der Seite leicht oder schwer? o Wie gehen Sie zurück zu einem vertrauten Punkt auf der Seite? 226 11.3.6 Zum Durchgang des Cognitive Walkthrough selbst Der Durchgang o Jeder Durchgang wird einzeln durchgeführt. o Jeder Peer-Forscher/Peer-Forscherin hat einen Forschungs-Assistenten an der Seite. o Vor jeder neuen Aufgabe gibt es eine kurze Pause. Die Aufgaben o Jede Aufgabe wird den Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher, Schritt für Schritt erklärt: • die erste Beispielaufgabe, • der erste Arbeitsschritt, der geplant ist. Die Test-User o Peer-Forscher oder Peer-Forscherin bearbeitet eine Reihe von Aufgaben. o Sie sollen genau beschreiben, was auf jeder neuen Seite zu erkennen ist. o Sie sollen entscheiden, welchen Schritt sie machen wollen. o Sie sollen dabei laut denken, und erklären warum sie etwas tun, oder warum ein anderer Weg falsch ist. Der Rückblick o Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin beantworten eine Reihe von Fragen. o Sie machen Vorschläge oder geben Hinweise, um es besser zu machen. o Nach dem Durchgang kann auch eine gemeinsame Diskussion darüber stattfinden. • Es werden die Schritte analysiert und gefragt, ob diese so tatsächlich von den Benutzern gemacht wurden. • Es werden auch Gründe für die erkannten Probleme gesucht. • Hierbei werden die Anregungen und die Verbesserungsvorschläge aus dieser Diskussion gesammelt. 11.3.7 Vor- und Nachteile des Cognitive Walkthrough Vorteile: Der Cognitive Walkthrough ist eine Methode, die nicht nur die Funktionalität eines Entwicklungstyps prüft, sondern wie und ob sich Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten darauf einlassen und diese erlernbar ist. Die Methode kann schon in einem frühen Entwicklungsstadium durchgeführt werden (wenn ein vollständiger Benutzertests noch nicht durchführbar ist). Es wird mit Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten, d.h. von den realen Anwendern getestet. Die wissenschaftliche Auswertung des Tests mit einer qualitativen Videoanalyse kann genaueren Ergebnissen liefern. Es ist zu prüfen, ob der Zeitaufwand dafür in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht. 227 Nachteile: Aufwendig ist die vorausgehende detaillierte Aufgabenanalyse, da für jede Aufgabe muss eigener Cognitive Walkthrough erarbeitet werden. 11.4 Photo-Voice (OLLERTON, J. 2012) 11.4.1 Was ist Photo-Voice oder Fotosprache Photo-Voice oder Photo-Sprache ist eine qualitative Methode für die inklusive-partizipative Forschung, um die Tatsachen zu dokumentieren und zu reflektieren. Photo-Sprache kann hier von einzelnen Personen oder Gruppen verwendet werden, um Aspekte ihrer Umgebung und Erfahrungen zum Forschungsthema festzuhalten und mit anderen zu teilen. Dies ist vor allem eine Methode für solche Personen, die das sonst aufgrund von Sprachbarrieren nicht könnten Die Teilnehmer sollen versuchen, ihre Standpunkte und Erfahrungen zum Forschungsthema zu fotografieren und ihnen einen Titel zu geben. Diese Methode wurde ursprünglich von Caroline Wang in den 1990er Jahren entwickelt (Wang, C. 1999, Wang, C. / Burris, M. 1997). JANICE OLLERTON benutzt Photo-Voice als eine inklusive Forschungsmethode. Betroffene Menschen mit kognitiven Behinderungen dokumentieren ihre Realität selbst (vgl. OLLERTON, J. 2012 :7). 11.4.2 Wann wird Photo-Voice oder Fotosprache benutzt? Mit Photo-Voice verfolgt OLLERTON hauptsächlich drei Hauptziele: 1. 2. 3. Stärken und Anliegen einer Gemeinschaft oder eines Einzelnen erfassen und reflektieren, kritischen Dialog und das Wissen über wichtige Themen durch Gruppendiskussion fördern und Veränderungen zu erreichen. Sie bezieht sich dabei auf BOOTH, T/ BOOTH, W. (2003), die den Wert von Photo-Voice als inklusives Forschungsinstrument erkannten, »um durch Handeln zu Erkenntnissen zu kommen« (vgl. OLLERTON, J. 2012: 8). Der Fotograf ist eigenverantwortlich und entscheidet, was, wann und warum er ein bestimmtes Foto macht. Photo-Voice stärkt die Autonomie (selbst zu entscheiden, was fotografiert wird), die Selbstregulierung (sich selbst zu organisieren, um das Foto zu machen), die Selbstverwirklichung (die Fähigkeiten und Werkzeuge zu besitzen, die eigene Geschichte zu erzählen) und das Empowerment (es hört ihnen jemand zu) (vgl. ebd.: 8). 228 OLLERTON beschreibt Photo-Voice als Türöffner: Wenn ein Forschungsproblem artikuliert wird und ein spezifisches soziales oder anderes Hindernis durch das Forscherteam bei Maßnahmen identifiziert wird, kann dies im Bild festgehalten und früher oder später gemeinsam mit dem Forschungsteam diskutiert und reflektiert werden. 11.4.3 Die Durchführung einer Photo-Voice-Studie bei Forschung und Entwicklung Ziel eines Photo-Voice-Projekts kann zum Beispiel auch eine Bedarfsanalyse oder Evaluation sein. Die Photo-Voice-Methode hat verschiedene Phasen (vgl. UNGER v., H. 2014: 69 ff.) Photo-Voice als Beispiel zur methodischen Umsetzung von inklusiver-partizipativer Forschung. (Phase 1) Planung und Vorbereitung ggf. von einer sogenannten Steuerungsgruppe, Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen /Entwickler u. a. o Festlegung des Forschungsprozesses (Forschungsabschnitt), o Definition des gemeinsamen Zieles, (Phase 2) Ein Photo-Voice-Training. o Bei diesem Training werden die Teilnehmenden über das Teil-Projekt informiert und als Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher in technischen, fotografischen und ethischen Aspekten der Fotografie geschult. o Es werden Gruppenregeln eingeführt, o eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt, o sowie die Anweisungen zum Fotografieren gegeben. (Phase 3) Die Feldphase Fotoshooting o o Die Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher machen Fotos von ihren Eindrücken als User. Wenn möglich machen sie Notizen und erzählen ihre Geschichte mit Bildern. (Phase 4) Diskussion in der Fokus-Gruppe (Analysephase), die ideale Anzahl für die Fokusgruppen 8-max. 12 Personen. o Die Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher stellen ihre Bilder vor und diskutieren sie gemeinsam. o Sie beschreiben, was auf dem Foto zu sehen ist, und warum sie es gemacht haben. o Sie versuchen die dargestellten Inhalte zu beschreiben. o Sie begründen die Auswahl des Fotos. o Sie geben an, was sie mit dem Bildinhalt in Verbindung bringen (Thema). 229 (Phase 5) Auswertung und Ergebnisse o o o o o Die Gruppe diskutiert die angesprochenen Themen (Kontextualisierung) Die zentralen Themen und Ergebnisse werden zusammengefasst (Kodifizierung). Die Kodierungen werden, wenn möglich, gemeinsam festgelegt oder nach systematischer Sammlung von Themen und Mustern bestimmt. Das Forscherteam erstellt ggf. eine Empfehlung, was ist gewünscht, was soll verändert werden, oder formuliert weitere Fragestellungen, wenn Fragen offen geblieben sind. Eine weitere Feld- und Analysephase kann durchgeführt werden (je nachdem, ob der Erkenntnisprozess als gesättigt angesehen wird). (Phase 6) Nutzung oder Veröffentlichung der Ergebnisse Bei der Forschung und Entwicklung werden die Ergebnisse eher mit den Entwicklern geteilt, als veröffentlicht. Allerdings sollten eine Präsentation und gemeinsame Diskussion stattfinden, damit ein besseres Verständnis für die zukünftigen Nutzer entstehen kann. (Phase 7) Überprüfung der Zielerreichung Inwieweit wurden die Erwartungen und Ansprüche/Anforderungen der Peer-Forscherinnen und Co-Forscher und Zielgruppe umgesetzt? o Sind die Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden? o Welche weiteren positiven Auswirkungen hat das Photo-Voice Projekt? o Gibt es weiter Möglichkeiten der Veränderung/Verbesserung? 11.5 Farbcodierung »Patchwork« als Reflexion (OLLERTON, J. 2012) Die Farbcodierung wurde ebenso von OLLERTON entwickelte, um abstrakte Denkprozesse greifbar zu machen und visuell darzustellen. Die Aufgabe besteht darin, die Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer- Forscherinnen und Peer-Forscher aktiv einzubeziehen. a. Zunächst werden einzelne Farben mit spezifischen Aktionen (z. B. Anforderungen) kodiert. Aktionen und Ereignisse werden symbolisch in farblich gekennzeichneten Feldern dargestellt b. Indem die Peer- Forscherinnen und Peer-Forscher die Farbe identifizieren und den spezifischen Aktionen zuordnen- (farbcodierte oder Patchwork-Analyse) lassen sich bestimmte Schwerpunkte bzgl. der Fragestellung ausmachen. Die aktive Beteiligung hebt nicht nur die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung hervor, sie gibt den sogenannten „Nicht-Lesern“ auch Zugriff auf die Daten und damit ein Hilfsmittel, mit dem sie sich selbständig umgehen können. Diese Methode ist für die Peers leicht anwendbar und eignet sich daher gut für die kooperative Zusammenarbeit (vgl. ebd.: 9). Die fertige Patchwork-Arbeit stellt einen Forschungsbericht dar. Anmerkung: Weitere Forschungsmethoden werden in dem Handbuch für Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern beschrieben. 230 Teil C Fazit und Bedeutung der vorliegenden Arbeit 231 232 1 Ergebnisse/Diskussion Die Welt besteht aus denen, die etwas in Gang setzen, denen, die zusehen, wie etwas geschieht, und denen, die fragen, was geschehen ist. Norman R. Augustine (1996) ÜBERBLICK Die verschiedenen Perspektiven auf inklusiver-partizipativer Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen zeigen, dass dieser Forschungsansatz auch für die Forschung und Entwicklung berechtigt und als solcher machbar sowie normativ und ethisch vertretbar ist. Die Frage, wie sich in Forschung und Entwicklung (F&E) durch Anpassung und (Weiter-) Entwicklung von Usability-Methoden die inklusive Beteiligung der zukünftigen Nutzer als PeerForscherinnen und Peer-Forscher an nutzerzentrierter Forschung realisiert werden kann, wurde mit dem inklusiven designbasierte Forschungskonzept IPAR-UCD beantwortet. Das Konzept verfolgt ein neues Verständnis von Forschung und Entwicklung, das durch entsprechende Aufmerksamkeit und Kreativität nutzerorientierte Forschung und Entwicklung zusammen mit der Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess ermöglicht. Der innovative Ansatz zielt darauf ab, Beziehungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch die Förderung verantwortungsvoller Forschung und Innovation zu unterstützen. Das Projekt »Easy Reading« (Januar 2018 bis Juni 2020) ist ein Beispiel für die professionelle Umsetzung dieses Konzepts im Rahmen der Entwicklung von assistiven Technologien für Menschen mit kognitiven Behinderungen. Eine SWOT-Analyse dient zunächst als Grundlage für die Betrachtung der Stärken, Schwächen, Risiken und Chancen des IPAR-UCD-Konzepts. Schließlich werden die zu Beginn gestellten Fragen zu den Rahmenbedingungen, Benutzererfahrungen und neuen Erkenntnissen über Nutzeranforderungen sowie zu den Rahmenbedingungen, Instrumenten und Methoden aufgegriffen und beantwortet und ein Ausblick gegeben. 233 1.1 Gemeinsam forschen und entwickeln Das Phänomen Behinderung war in der Vergangenheit und ist bis heute einem ständigen Verständniswandel ausgesetzt. Heute existieren unterschiedliche Konzepte, Modelle, Klassifikationen und Einordnungen von Behinderung nebeneinander. Es ist zudem schwierig die Grenzen der sogenannten geistigen Behinderung oder Lernschwierigkeiten zu erkennen. Während Menschen mit kognitiven Behinderungen zunächst Gegenstand von Wissenschaft und Forschung waren, hat sich die Perspektive vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt unter dem Paradigma der Selbstbestimmung grundlegend verändert. Mit der vorliegenden Arbeit konnte ich einen Beitrag dazu leisten eine Orientierung für einen inklusiven Ansatz in Forschung und Entwicklung (F&E) zusammen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen zu geben. Die Arbeit besteht aus 3 Teilen: Teil A Orientierung: Grundlagen und Theorie zur inklusivenpartizipativen Forschung und Mensch-Computer-Interaktion, Teil B Design-Based Research und das IPAR-UCD Konzept als Ergebnis und Teil C Ergebnisse/Diskussion. Mit der theoretischen Grundlegung aus den unterschiedlichen Perspektiven in Teil A wurden die verschiedenen Ansätze zu inklusiver-partizipativer Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen dargestellt. Ein Anliegen dabei war es, einen Überblick darüber zu schaffen, wie sich das Verständnis und der Umgang Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung sich im Laufe der Zeit verändert hat. Aus der rechtlichen Perspektive berühren heute Forschung und Entwicklung in vielfältiger Weise die Grundrechte der Menschen mit Behinderung. Dies betreffen die Persönlichkeitsrechte genauso wie die Forschungsfreiheit oder Teilhabe. In Bezug auf die Umsetzung UN-BRK, muss nicht nur die Forschung, sondern auch die Politik entsprechende Maßnahmen ergreifen. Es geht aber nicht nur um konkrete Maßnahmen, sondern ebenso um eine ethische Ausrichtung von Forschung und Entwicklung und die Reflexion von Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf individuelle sowie soziale Aspekte und Verantwortung gegenüber dem Einzelnen und der Umwelt, hier insbesondere um Menschen mit kognitiven Behinderungen. Grundsätzlich werfen jedes Forschungsprojekt, jede vulnerable Gruppe und jedes Szenario neue und spezifische ethische Fragen auf, die eine Reflexion erfordern. Die ethischen Handlungsorientierungen bilden den Rahmen für die inklusive Forschung und Entwicklung. Sie sind daher als wichtige Grundlage dieser Arbeit mit vorangestellt. 234 Obwohl die Ansichten über die Beteiligung oder Nichtteilnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen an der Forschung geteilt sind, gibt es Gründe, warum sie aktiv an Forschung und Entwicklung im Bereich der digitalen Entwicklung und digitalen Integration beteiligt werden sollten. Es wurde im Teil A theoretisch dargelegt, warum ein inklusive-partizipative Forschungsansatz auch für Forschung und Entwicklung (F&E) dringend notwendig und als solche machbar und vertretbar ist. Dies diente als Basis für den Teil B. In Teil B erfolgte die praktische Umsetzung eines inklusive-partizipative Forschungsansatzes. In einem ersten Schritt wird der Design Based Prozess als Progress für IPAR-UCD vorgestellt und begründet, wobei die reflektierende Subjektivität des Forschers als Prinzip in der partizipativen Forschung verbindlich ist. Außerdem wird in das »Easy Reading-LAB« eingeführt in dem IPAR-UCD erstmals praktisch umgesetzt wird. Das Konzept wurde in den folgenden Kapiteln beschrieben. Die konzeptionellen Ergänzungen des ersten Vorschlags erfolgte hierzu in Zusammenarbeit mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern und deren Mitforschern aus den 3 beschriebenen Projektgruppen im Projekt »Easy Reading« von DART, Schweden; PIKSL, Deutschland; Proqualis, Österreich. Sie werden im Handbuch entsprechend namentlich erwähnt. 1.2 Chancen und Risiken bei der inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen Der tägliche Kontakt mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ist oft ungewöhnlich. Sie sind manchmal schwer zu verstehen, das ist für Menschen ohne Behinderungen nicht immer einfach, zumal die verschiedenen Formen der Behinderung manchmal schwierig zu diagnostizieren oder zu charakterisieren sind, da die Merkmale von Menschen mit ähnlichen kognitiven Behinderungen aufgrund von Variationen oder Erscheinungsformen sehr unterschiedlich sein können (siehe MARIGER, H. 2006). Vieles, was über kognitive Behinderungen geschrieben und veröffentlicht wird, stammt aus der Perspektive der klinischen Forschung (siehe ebd.). Einige der möglichen kognitiven Behinderungen sind bis heute unbekannt. Dies hat insbesondere Konsequenzen für die Forschung und Entwicklung im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion für diese Zielgruppe. SWOT-Analyse – IPAR-UCD im »LAB Easy Reading« Die nachfolgende SWOT-Analyse dient hier als Basis für die Betrachtung der Stärken, Schwächen, Risiken und Möglichkeiten des IPAR-UCD-Konzepts. Die Verwendung dieses EvaluierungInstrumentes soll Hindernisse identifizieren, die die Ziele von inklusiver-partizipativer Forschung einschränken können und mögliche Änderungen aufzeigen. 235 STRENGTHS – Was sind die Stärken von IPAR-UCD? WEAKNESS – Was sind die Schwächen von IPAR-UCD? Worauf sind die bisherigen Erfolge zurückzuführen? Auf welche Ursachen sind Misserfolge zurückzuführen? Zusammenarbeit: o Menschen mit kognitiven Behinderungen, bzw. Menschen mit Lernschwierigkeiten sind nicht mehr Gegenstand der Forschung, sondern beteiligen sich an der Forschung; o Entwickler müssen sie als User ernst nehmen und Anwendungen entwickeln, die sie nicht frustrieren o Peers arbeiteten ernsthaft mit und haben eine Aufgabe, die von Bedeutung ist; o Gegenseitige Anerkennung, Akzeptanz lässt Kollegialität und Vertrauen zu; o Methoden werden angepasst und entwickelt. Was lief nicht optimal oder sogar schlecht? o Start Up - Planungswerkstatt zur Einführung Teambildung fehlte; o Terminplanung und Einhaltung von Terminen bei den Forschungsaufgaben; o Fehlende kontinuierliche Unterstützung durch Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen /Entwickler; o Motivationsverlust oder Überforderung beim Erledigen der Aufgaben; o Knapp bemessene finanzielle Reisemittel für eine echte gemeinsame Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektgruppen; o Unterschiedliche Vergütung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher Das Konzept IPAR-UCD: o Es adressiert den Unterstützungsbedarf von PeerResearchern; o Es hilft Softwareentwicklern und Entwicklern, die Anforderungen von Nutzern mit kognitiven Behinderungen durch einen integrativen, nutzerzentrierten Designprozess besser zu verstehen und zu erfüllen. Synergien: o Entwickler erhalten ein direktes Feedback vom zukünftigen Anwender; o Empowerment der Peers, Eigeninitiative; o Ideenpool von unterschiedlichen Seiten. Erfolgreiche Methoden: o Fokusgruppe o Forschungstandem o Thinking allowed o Brainstorming o Storytelling o Usertesting (Cognitive Walkthrough) Was hat demotiviert? o Verzögerungen der Entwicklung - Lange Pausen o Unklare oder schwierige Ansagen; o Schwere Sprache; Welche Störungen behinderten? o Ausfälle durch Krankheit und Urlaub; o Schlecht funktionierendes Internet; o Gedächtnis (Erinnerungsvermögen) der PeerForscherinnen und Peer-Forschern; OPPORTIUNITIES – Welche Chancen von IPAR-UCD resultieren aus den Stärken für die Zukunft? Welche Möglichkeiten stehen offen? THREATS – Risiken bei IPAR-UCD - Wo lauern Gefahren? Welche Schwierigkeiten können auftreten? IPAR-UCD kann gelingen, wenn: o die Forschungspartner miteinander in Kontakt treten; o Informationen und Materialien für PeerResearcher in verständlicher Sprache zur Verfügung stehen; o genügend Zeit für Erklärungen und Wiederholungen sowie für persönliche Kommunikation bleibt; o eine gemeinsame Zustimmung gefunden wird. o Rekrutierung von Peers (Gatekeeper); o Kommunikationsschwierigkeiten; o Fehlende Lese- und Schreibkompetenzen der Peers; o Aufmerksamkeitsdefizite. Welche Richtung soll verfolgt werden? Was ist ausbaufähig? o Bessere allgemeine Benutzerfreundlichkeit; o Inklusive F&E soll einen nutzerzentrierten Designprozess garantieren. 236 Was sind mögliche Risiken kritische Faktoren? o Verständnis und Umsetzung des Informed Consent; o Unter- oder Überforderung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher; o Zu hohe Anforderungen oder Erwartungen an die Entwicklung; o Bezahlung oder Vergütung Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher; Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es? Welche sonstigen Schwierigkeiten/Probleme gibt es? o Erfolge bei der kognitiven Zugänglichkeit ausbauen, indem weitere Methoden und Werkzeuge gesucht werden; o Akzeptanz der Wissenschaft; o organisatorische Probleme; o Knapp kalkulierte Finanzen. Wozu wäre IPAR-UCD noch in der Lage? Was ist noch zugänglicher zu gestalten? Konkurrierende Forschung o Eine offizielle Anerkennung von IPAR-UCD als Forschungsmethode würde die Universität für die Zielgruppe öffnen; o Die Anbindung der Peer-Forscherinnen und PeerForscher direkt an die F&E an die Forschungseinrichtung oder Universität; o Klärung der Bezahlung oder Vergütung mit den Verantwortlichen. o Herkömmliche Forschung in diesem Bereich arbeitet hauptsächlich mit Methoden wie Proxyaussagen, Interviews (die kritisch zu beurteilen sind) und Beobachtungen der User. Dies ist nicht so zeit- und kostenintensiv, oftmals aber nicht der Zielgruppe angemessen. 1.3 Fragen, die zu Beginn des Projekts und der DBR Intervention gestellt wurden Design-based Research wurde hier im Hinblick auf die wissenschaftlich-methodische Positionierung sowie der Offenheit des Diskurses in Bezug auf die Bewertung und Anerkennung der Entwicklung als Teil des Forschungsprozesses durchgeführt. Dabei ging es nicht um Erkenntnisse wie bei der Grundlagenforschung. Nicht die Forschungsfrage, sondern das Interventionsdesign als Produkt, das war hier Gegenstand der Forschungsaktivitäten. Frage 1: Welche Schlussfolgerungen für die Gestaltung sowie für den Einsatz von inklusiven Forschungsmethoden lassen sich aus den ersten Ergebnissen mit diesem Konzept ableiten? Die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe und dem interdisziplinären Forschungsteam während des Projekts ist durch den inklusiven-partizipativen Forschungsansatz in der Softwareentwicklung grundsätzlich realisierbar und kann zur Erfüllung der Projektziele führen. Die Erfahrung zeigt, dass die Zusammenarbeit aller Beteiligten von Anfang an notwendig ist: § Die Anwerbung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit kognitiven Behinderungen und die gemeinsame Arbeit an bestimmten Forschungsaufgaben nimmt mehr Zeit in Anspruch als erwartet. § Persönliche Begegnungen zwischen den Koordinatoren, Entwicklern und Designern und den Forschungsgruppen sind von Anfang an unerlässlich, um nicht nur den Informationsaustausch und damit den Projekterfolg zu fördern, sondern auch ein gemeinsames Verständnis für das Projektziel zu entwickeln. 237 § Die Sensibilisierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer füreinander darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. (Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher brauchen viel Aufmerksamkeit um mit der Arbeitsweise der Entwickler klarzukommen und die Entwickler müssen lernen und verstehen, dass nicht alles, was sie planen, selbstverständlich ist. Sie müssen die individuellen Fähigkeiten der Peers kennenlernen und sich in die persönliche Situation der einzelnen Peers hineinversetzen können.) Die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe (Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern) und dem interdisziplinären Forschungsteam während des Projekts: § Als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sind die Betroffenen nicht das "Forschungsobjekt", sondern beteiligen sich direkt als Experten in eigener Sache. Es handelt sich hierbei um ihre Lebensbereiche, Themen und Belange, insbesondere wenn es sich wie hier um eine Software, um ein Werkzeug oder einen Dienst handelt, die so gestaltet werden sollen, dass diese für sie hilfreich bzw. nützlich und anwendbar ist, mit dem Ziel, ihnen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihr Leben und ihre Lebensqualität zu ermöglichen und sie damit zu 'empowern'. § Das IPAR-UCD-Konzept kann dort erfolgreich angewendet werden, wo die Forschungspartner miteinander in Kontakt treten, wenn Informationen und Materialien in verständlicher Sprache für Peer-Researcher verfügbar sind, wenn genügend Zeit für Erklärungen und Wiederholungen sowie für die persönliche Kommunikation bleibt und wenn ein gemeinsamer Interessenskonsens gefunden wird. § Dieses Konzept adressiert zunächst den Unterstützungsbedarf der Zielgruppe und kann somit den Softwareentwicklern helfen, die Anforderungen von Nutzern mit kognitiven Behinderungen besser zu verstehen und zu erfüllen (vgl. Heumader, P. 2018: 442f). § Durch das inklusive Forschungskonzept bekommen die Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen/Entwickler jeweils die direkte Rückmeldung zum jeweiligen Entwicklungsstand und Design, indem die Peer-Forscherteams einzeln oder als Gruppe ihre Erfahrungen und Ideen zum Profil, Prototyp oder ähnliches mitteilen (ebd.). § Dies kann bestehende Vorstellungen, Denkweisen und Perspektiven in Bezug auf die Zielgruppe verändern und Forschung und Entwicklung so gestalten, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht ausschließlich auf die Entwicklung reduziert werden. § Das »LAB Easy Reading« zeigt, dass die Zusammenarbeit der angestellten PeerForscherinnen und Peer-Forschern am zuverlässigsten und flexibelsten ist, zumal diese direkt an das Entwicklungsteam angedockt sind. Problematisch ist jedoch die Zusammenarbeit von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern mit einer Aufwandsentschädigung von wenigen Stunden pro Woche, zumal wenn die Mitforscherinnen institutionell bedingt meist nur zu diesem Zeitpunkt dem Projekt zur Verfügung stehen. Generell lässt sich sagen, dass die Rahmenbedingungen für die inklusive Forschung weitgehend für die erfolgreiche Umsetzung und die Ergebnisse verantwortlich sind. 238 Frage 2: Welche Unterschiede zeigen sich bei der Nutzung eines inklusiven multimodalen Forschungsansatzes zu anderen Forschungsansätzen in der Forschung und Entwicklung? Es ist vorab anzumerken, dass das Konzept der inklusiven-partizipativen Forschung die routinemäßige oder traditionelle Vorgehensweise von Forschung und Entwicklung und SoftwareEngineering aufbrechen muss, um als Grundlage für die Entwicklung und Gestaltung vielfältiger digitaler Anwendungen und Dienste dienen zu können. Entsprechend der UN-BRK muss über neue Wege in der Forschung nachgedacht werden. § Forscherinnen/Forscher, Entwicklerinnen/Entwickler und alle anderen Beteiligten müssen sich im Sinne eines User-Centred Design mit der Zielgruppe auseinandersetzen und es müssen Zeit und Geldressourcen im vertretbaren Maße zur Verfügung stehen. § Der Erfolg eines Entwicklungsprojektes und damit das Ergebnis einer Software oder Dienstleistung hängt davon ab, wie gut sie die Nutzerzielgruppe und ihre Ziele unterstützt und wie gut sie sich diese dabei fühlt. Nur wenn sie das Ergebnis am Ende tatsächlich nutzen wollen, ist das Ziel erreicht. § Durch eine inklusive Organisationsform und Bildung von multidisziplinären Projektteams mit 'Fachleuten' unterschiedlicher Qualifikation und Herkunft, die zeitlich befristet an einem Projekt arbeiten, können neue Wege und Lösungen gefunden werden. § Durch neue Strategien für gemeinsame Problemlösungen kann der Fokus bei der Entwicklung von Beginn an direkt auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Zielgruppe gerichtet und von ihnen mitbestimmt werden. § Bei der inklusiven, interdisziplinären Zusammenarbeit spielen die sogenannten Mitforscher-innen/Mitforscher (Assistenten) eine besondere Rolle als Bindeglied zwischen Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern und Forschung und Entwicklung. Ihre Rolle zeichnet sich im Gegensatz zu Forschern und Entwicklern dadurch aus, dass sie auf der einen Seite auf Augenhöhe unterstützend die Anforderungen der Peer-Forscher mit ermitteln und sich für diese einsetzen und auf der anderen Seite den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern auch vermitteln können, welche Anforderungen oder Möglichkeiten und Grenzen die geplante Forschung und Entwicklung hat. Dies erfordert nicht nur ein hohes Maß an Professionalität, Einsatzbereitschaft und Flexibilität, sondern auch die entsprechenden Arbeitsbedingungen. § Es ist davon auszugehen, dass die Weiterentwicklung und Verbreitung des IPAR-UCDAnsatzes der richtige Weg ist, um dauerhaft erfolgreiche Produkte für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu entwickeln und damit deren Unabhängigkeit und Empowerment zu unterstützen. Wirtschaftlich gesehen wird die IPAR-UCD langfristig wahrscheinlich zu mehr Erfolg führen, auch wenn man noch nichts über die Entwicklungsdauer und damit die Entwicklungskosten sagen kann. 239 Frage 3: Lassen sich anhand der bisherigen Aktivitäten Typisierungen hinsichtlich der vorgeschlagenen Forschungsmethoden vornehmen? An welchen Stellen sind Anpassungen notwendig? § Das IPAR-UCD-Konzept verfolgt ein neues Verständnis von Forschung und Entwicklung. Der innovative Ansatz zielt darauf ab, die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch verantwortungsvolle Forschung und Innovation zu unterstützen. § Inklusive -partizipative Forschungsansätze erfordern als erstes die Bereitstellung eines breiteren Spektrums an pädagogischem, kognitivem, psychologischem und sprachlichem Know-how. § Die größere Herausforderung besteht darin, solche Ansätze in den Design-, Entwicklungsund Content-Erstellungsprozess zu integrieren und die notwendige kommunikative und kooperative Infrastruktur einschließlich angepasster Engineering Usability-Methoden aufzubauen (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2019). § Das Projekt »Easy Reading« (Januar 2018 bis Juni 2020) ist ein erstes Beispiel für die professionelle Umsetzung dieses Konzepts im Rahmen der Entwicklung von assistiven Technologien für Menschen mit kognitiven Behinderungen. Die Analyse (Anlage 2) zeigt, dass durch DBR wirksame Interventionen für die inklusive Forschung und Entwicklung gefunden und gleichzeitig einen Beitrag zur Methodik erzielt werden konnte. Das IPAR-UCD-Konzept zielt darauf ab, barrierefreie, inklusive Forschungsinstrumente bereitzustellen, um den Zugang zu Forschungsverfahren zu ermöglichen und eine sinnvolle Beteiligung von Peer-Forschern zu gewährleisten. 240 § Bei der Umsetzung eines neuen Projekts ist es notwendig, sich flexibel und kreativ an das inklusive Forschungsteam einzustellen und die vorgesehenen Methoden an die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmern anzupassen. Es werden einige Methodenbeispiele für das IPAR-UCD Konzept vorgestellt, die sich im »Easy Reading Projekt« als gut umsetzbar erwiesen haben. § Die Erfahrungen im Forschungslab »Easy Reading« haben gezeigt, dass ein gemeinsamer Workshop zu Beginn eines Projekts mit allen Mitarbeitern eines Projekts nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist, um sich gegenseitig kennenzulernen, sich mit den Aufgaben, Instrumenten, Methoden und der integrativen Arbeitsweise vertraut zu machen sowie eine verbindliche Terminplanung anzustreben. § Generell lässt sich sagen, dass Methoden, die von Anfang an mit Visualisierung arbeiten, besser geeignet sind als textbasierte oder stark sprachorientierte Methoden. Textbasierte Methoden erfordern in vielen Fällen zusätzliche Erklärungen und/oder Visualisierungen. § Die Arbeit in der Gruppe (Fokusgruppe) oder im Forschungsteam wurde im Projekt »Easy Reading« von den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern bevorzugt. Den angepassten Cognitiv Walkthrough zum Beispiel haben die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher als Tandem durchgeführt. Das gab ihnen gegenseitige Sicherheit und hat das Ergebnis nicht beeinträchtigt. Das hierzu entwickelte und mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern angepasste Handbuch für inklusive Forschung und Entwicklung beschreibt die einzelnen Phasen und Aktivitäten in einem inklusiven Forschungsprojekt als Orientierungshilfe in leichter verständlicher Sprache für das gesamte Forschungsteam. 241 242 2 Perspektiven für die Zukunft Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun. (Johann Wolfang von Goethe) AUSBLICK Festzuhalten ist, dass ein inklusiver-partizipativer Forschungsansatzes für die Softwareentwicklung möglich und notwendig ist und zur Realisierung der Projektziele führen kann, dass aber jedes neue Projekt auch ein Unikat ist und die Vorgehensweise und die Methoden jeweils angepasst oder weiterentwickelt werden müssen. Der Ansatz der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung erfordert in mehrfacher Hinsicht eine ethische Verantwortung und einen großen Einsatz von allen Beteiligten und Bereitschaft, offen an die inklusive Projektarbeit heranzugehen. 243 2.1 Aufforderung zu zukünftiger inklusiver-partizipativer Forschung und Entwicklung sowie Konsequenzen Das IPAR-UCD-Konzept als Ergebnis hat nicht den Anspruch auf allgemeine Repräsentation und Gültigkeit im Hinblick auf eine Generalisierung. Das Konzept ist als Forschungsstrategie gedacht, dass durch kontinuierliche Evaluierung und Weiterentwicklung zu einem Standard für inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung mit der Zielgruppe werden kann. Es müssen bestimmte Rahmenbedingungen vorhanden sein oder neu geschaffen werden. Forscherinnen und Forscher tragen – über die Einhaltung rechtlicher Regeln hinaus – eine besondere ethische Verantwortung. Sie haben ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fähigkeiten einzusetzen, um die einschlägigen Risiken zu erkennen, abzuschätzen und zu bewerten. Die Kenntnis der möglichen Risiken ist die Voraussetzung dafür, dass Forschung verantwortlich erfolgen kann, wie Risiken für die Menschenwürde und für das Leben oder die Gesundheit von Menschen. Diese Risikoanalyse und Folgenabschätzung verlangen Offenheit des Denkens und Verantwortung (siehe Kapitel 4 Ethische Handlungsorientierungen zur inklusiven Forschung und Entwicklung). Eine Voraussetzung muss sein, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen in Zukunft einen anerkannten sozialen Status als Mitarbeiterin/Mitarbeiter von Hochschulen oder als PeerForscherin oder Peer-Forscher haben. Dies erfordert nicht nur eine großzügige Planung der zeitlichen und finanziellen Ressourcen für das Projekt, sondern auch eine angemessene Unterstützung und Assistenz. Von Mitforscherinnen/Mitforschern (Assistenten) als Bindeglied zwischen den Peers und den Entwicklerinnen/Entwicklern wird ein hohes Maß an Professionalität, Bereitschaft und Anpassungsfähigkeit gefordert. Die Bedeutung von Reflexivität und Positionierung im inklusiven Prozess der einer qualitativen Forschung sollte dabei nicht unterschätzt werden. Die entsprechenden Arbeitsbedingungen müssen vorhanden sein. Es ist nicht zu erwarten, dass Namen, Forschungsergebnisse und Daten jederzeit und jedermann zugänglich sein werden (zum Beispiel, wenn negative Folgen für die Beteiligten mit einer Veröffentlichung der Ergebnisse zu befürchten sind). Im Falle einer wissenschaftlichen Veröffentlichung sind auch diejenigen zu nennen, die einen eigenen wissenschaftlichen oder wesentlichen anderen Beitrag geleistet haben, die aber nicht als Autoren oder Mitautoren im Sinne des Urheberrechtsgesetzes anzusehen sind. Es sei denn die Beteiligten selbst lehnen dies ab. 244 Aus Sicht der wissenschaftlich-methodischen Positionierung ist die inklusive Beteiligung von Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherin oder Peer-Forscherin in der Praxis von Forschung und Entwicklung grundsätzlich möglich. Wenn man bedenkt, dass die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung im Bereich von e-Inclusion und Accessibility und Usability in erster Linie darauf abzielen, Menschen mit kognitiven Behinderungen den Alltag zu erleichtern und ihre Lebensqualität zu verbessern, muss inklusivepartizipative Forschung bei der Entwicklung als Forschungsansatz genutzt werden und die Zielgruppe entsprechend den hier dargestellten Anforderungen und Möglichkeiten einbezogen werden, auch wenn dies ein besonderes Maß an Engagement und Flexibilität bei der Umsetzung erfordert, damit Organisation, Instrumente und Methoden an die Bedürfnisse der Teilnehmer angepasst werden können. 245 Literatur Anmerkungen zur Literatur Das Literaturverzeichnis ist in alphabetischer Reihenfolge der Autoren oder Autorenschaft aufgeführt. Im Rahmen dieser Arbeit standen überwiegend internationale wissenschaftliche Arbeiten von hoher Relevanz zur Verfügung, die zum großen Teil nur online abgerufen werden konnten. 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Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Artikel 14 (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. 2. Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) Präambel Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens – a) unter Hinweis auf die in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Grundsätze, denen zufolge die Anerkennung der Würde und des Wertes, die allen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft innewohnen, sowie ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, 266 b) in der Erkenntnis, dass die Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den Internationalen Menschenrechtspakten verkündet haben und übereingekommen sind, dass jeder Mensch ohne Unterschied Anspruch auf alle darin aufgeführten Rechte und Freiheiten hat, c) bekräftigend, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind, einander bedingen und miteinander verknüpft sind und dass Menschen mit Behinderungen der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss, d) unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen, e) in der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern, f) in der Erkenntnis, dass die in dem Weltaktionsprogramm für Behinderte und den Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte enthaltenen Grundsätze und Leitlinien einen wichtigen Einfluss auf die Förderung, Ausarbeitung und Bewertung von politischen Konzepten, Plänen, Programmen und Maßnahmen auf einzelstaatlicher, regionaler und internationaler Ebene zur Verbesserung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen haben, g) nachdrücklich darauf hinweisend, wie wichtig es ist, die Behinderungsthematik zu einem festen Bestandteil der einschlägigen Strategien der nachhaltigen Entwicklung zu machen, h) ebenso in der Erkenntnis, dass jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung eine Verletzung der Würde und des Wertes darstellt, die jedem Menschen innewohnen, i) ferner in der Erkenntnis der Vielfalt der Menschen mit Behinderungen, j) in Anerkennung der Notwendigkeit, die Menschenrechte aller Menschen mit Behinderungen, einschließlich derjenigen, die intensivere Unterstützung benötigen, zu fördern und zu schützen, k) besorgt darüber, dass sich Menschen mit Behinderungen trotz dieser verschiedenen Dokumente und Verpflichtungen in allen Teilen der Welt nach wie vor Hindernissen für ihre Teilhabe als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sowie Verletzungen ihrer Menschenrechte gegenübersehen, l) in Anerkennung der Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderungen in allen Ländern, insbesondere den Entwicklungsländern, m) in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können, und in der Erkenntnis, dass die Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen sowie ihrer uneingeschränkten Teilhabe ihr Zugehörigkeitsgefühl verstärken und zu erheblichen Fortschritten in der menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft und bei der Beseitigung der Armut führen wird, 267 n) in der Erkenntnis, wie wichtig die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit für Menschen mit Behinderungen ist, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, o) in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben sollen, aktiv an Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken, insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen, p) besorgt über die schwierigen Bedingungen, denen sich Menschen mit Behinderungen gegenübersehen, die mehrfachen oder verschärften Formen der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen, indigenen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt, des Alters oder des sonstigen Status ausgesetzt sind, q) in der Erkenntnis, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres häuslichen Umfelds oft in stärkerem Maße durch Gewalt, Verletzung oder Missbrauch, Nichtbeachtung oder Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung gefährdet sind, r) in der Erkenntnis, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten in vollem Umfang genießen sollen, und unter Hinweis auf die zu diesem Zweck von den Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes eingegangenen Verpflichtungen, s) nachdrücklich darauf hinweisend, dass es notwendig ist, bei allen Anstrengungen zur Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen die Geschlechterperspektive einzubeziehen, t) unter besonderem Hinweis darauf, dass die Mehrzahl der Menschen mit Behinderungen in einem Zustand der Armut lebt, und diesbezüglich in der Erkenntnis, dass die nachteiligen Auswirkungen der Armut auf Menschen mit Behinderungen dringend angegangen werden müssen, u) in dem Bewusstsein, dass Frieden und Sicherheit auf der Grundlage der uneingeschränkten Achtung der in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Ziele und Grundsätze sowie der Einhaltung der anwendbaren Übereinkünfte auf dem Gebiet der Menschenrechte unabdingbar sind für den umfassenden Schutz von Menschen mit Behinderungen, insbesondere in bewaffneten Konflikten oder während ausländischer Besetzung, v) in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderungen vollen Zugang zur physischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwelt, zu Gesundheit und Bildung sowie zu Information und Kommunikation haben, damit sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll genießen können, w) im Hinblick darauf, dass der Einzelne gegenüber seinen Mitmenschen und der Gemeinschaft, der er angehört, Pflichten hat und gehalten ist, für die Förderung und Achtung der in der Internationalen Menschenrechtscharta anerkannten Rechte einzutreten, x) in der Überzeugung, dass die Familie die natürliche Kernzelle der Gesellschaft ist und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat und dass Menschen mit Behinderungen und ihre Familienangehörigen den erforderlichen Schutz und die notwendige Unterstützung erhalten sollen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen, 268 y) in der Überzeugung, dass ein umfassendes und in sich geschlossenes internationales Übereinkommen zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen mit Behinderungen sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den entwickelten Ländern einen maßgeblichen Beitrag zur Beseitigung der tiefgreifenden sozialen Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen leisten und ihre Teilhabe am bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben auf der Grundlage der Chancengleichheit fördern wird – haben Folgendes vereinbart: Artikel 3 — Allgemeine Grundsätze Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind: a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit; b) die Nichtdiskriminierung; c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit; e) die Chancengleichheit; f) die Zugänglichkeit; g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau; h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Artikel 4 — Allgemeine Verpflichtungen (1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, a) alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen b) alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen; c) den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und allen Programmen zu berücksichtigen; d) Handlungen oder Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind, zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass die staatliche n Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit diesem Übereinkommen handeln; e) alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen; 269 f) Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte und Einrichtungen in universellem Design, wie in Artikel 2 definiert, die den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwand gerecht werden, zu betreiben oder zu fördern, ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und sich bei der Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design einzusetzen; g) Forschung und Entwicklung für neue Technologien, die für Menschen mit Behinderungen geeignet sind, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien, Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützenden Technologien, zu betreiben oder zu fördern sowie ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und dabei Technologien zu erschwinglichen Kosten den Vorrang zu geben; h) für Menschen mit Behinderungen zugängliche Informationen über Mobilitätshilfen, Geräte und unterstützende Technologien, einschließlich neuer Technologien, sowie andere Formen von Hilfe, Unterstützungsdiensten und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen; i) die Schulung von Fachkräften und anderem mit Menschen mit Behinderungen arbeitendem Personal auf dem Gebiet der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu fördern, damit die aufgrund dieser Rechte garantierten Hilfen und Dienste besser geleistet werden können. (2) Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen, unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. (3) Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein. (4) Dieses Übereinkommen lässt zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen besser geeignete Bestimmungen, die im Recht eines Vertragsstaats oder in dem für diesen Staat geltenden Völkerrecht enthalten sind, unberührt. Die in einem Vertragsstaat durch Gesetze, Übereinkommen, Verordnungen oder durch Gewohnheitsrecht anerkannten oder bestehenden Menschenrechte und Grundfreiheiten dürfen nicht unter dem Vorwand beschränkt oder außer Kraft gesetzt werden, dass dieses Übereinkommen derartige Rechte oder Freiheiten nicht oder nur in einem geringeren Ausmaß anerkenne. (5) Die Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten ohne Einschränkung oder Ausnahme für alle Teile eines Bundesstaats. Artikel 9 — Zugänglichkeit (1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informationsund Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren einschließen, gelten unter anderem für 270 a) Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten; b) Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste. (2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen, a) um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen; b) um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen; c) um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen anzubieten; d) um in Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, Beschilderungen in Brailleschrift und in leicht lesbarer und verständlicher Form anzubringen; e) um menschliche und tierische Hilfe sowie Mittelspersonen, unter anderem Personen zum Führen und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscher und dolmetscherinnen, zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern; f) um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird; g) um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern; h) um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme in einem frühen Stadium zu fördern, sodass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird. Artikel 12 — Gleiche Anerkennung vor dem Recht (1) Die Vertragsstaaten bekräftigen, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall als Rechtssubjekt anerkannt zu werden. (2) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen. (3) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen Zugang zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen. (4) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass zu allen die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit betreffenden Maßnahmen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen geeignete und wirksame Sicherungen vorgesehen werden, um Missbräuche zu verhindern. Diese Sicherungen müssen gewährleisten, dass bei den Maßnahmen betreffend die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, der Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige, unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen. 271 (5) Die Sicherungen müssen im Hinblick auf das Ausmaß, in dem diese Maßnahmen die Rechte und Interessen der Person berühren, verhältnismäßig sein. Vorbehaltlich dieses Artikels treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten und wirksamen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen das gleiche Recht wie andere haben, Eigentum zu besitzen oder zu erben, ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und gleichen Zugang zu Bankdarlehen, Hypotheken und anderen Finanzkrediten zu haben, und gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen nicht willkürlich ihr Eigentum entzogen wird. Artikel 17 — Schutz der Unversehrtheit der Person Jeder Mensch mit Behinderungen hat gleichberechtigt mit anderen das Recht auf Achtung seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Artikel 19 — Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben; b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist; c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Artikel 22 — Achtung der Privatsphäre (1) Menschen mit Behinderungen dürfen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder der Wohnform, in der sie leben, keinen willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in ihr Privatleben, ihre Familie, ihre Wohnung oder ihren Schriftverkehr oder andere Arten der Kommunikation oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen ihrer Ehre oder ihres Rufes ausgesetzt werden. Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen. (2) Die Vertragsstaaten schützen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen die Vertraulichkeit von Informationen über die Person, die Gesundheit und die Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen. Artikel 31 — Statistik und Datensammlung (1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur Sammlung geeigneter Informationen, einschließlich statistischer Angaben und Forschungsdaten, die ihnen ermöglichen, politische Konzepte zur Durchführung dieses Übereinkommens auszuarbeiten und umzusetzen. Das Verfahren zur Sammlung und Aufbewahrung dieser Informationen muss 272 a) mit den gesetzlichen Schutzvorschriften, einschließlich der Rechtsvorschriften über den Datenschutz, zur Sicherung der Vertraulichkeit und der Achtung der Privatsphäre von Menschen mit Behinderungen im Einklang stehen; b) mit den international anerkannten Normen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und den ethischen Grundsätzen für die Sammlung und Nutzung statistischer Daten im Einklang stehen. (2) Die im Einklang mit diesem Artikel gesammelten Informationen werden, soweit angebracht, aufgeschlüsselt und dazu verwendet, die Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen durch die Vertragsstaaten zu beurteilen und die Hindernisse, denen sich Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, zu ermitteln und anzugehen. (3) Die Vertragsstaaten übernehmen die Verantwortung für die Verbreitung dieser Statistiken und sorgen dafür, dass sie für Menschen mit Behinderungen und andere zugänglich sind. 3. Europäische Grundschutzverordnung zum Datenschutz (EU- DSGVO) Allgemein: Die europäische Grundschutzverordnung zum Datenschutz (EU-DSGVO) bezeichnet mit „personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann.“ (Art. 4 DSGVO) Diese personenbezogenen Daten gehören immer dem Nutzer und nicht demjenigen, der sich mit der Datenverarbeitung befasst. Dies gilt auch bei der für die Forschung erhobenen Daten. Mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung gibt es strenge formelle Anforderungen für das Einholen von Einwilligungen (Art. 7 DSGVO) Die Informationspflichten gegenüber den betroffenen Personen steigen im Vergleich zum BDSG deutlich an (Art. 12 ff. DSGVO). Die Information muss den erhöhten Transparenzanforderungen genügen. Art. 5 Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten (1) Personenbezogene Daten müssen a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“); b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken („Zweckbindung“); c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“); 273 d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden („Richtigkeit“); e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden („Speicherbegrenzung“); f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“); (2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“). Art. 6 DSGVO Rechtmäßigkeit der Verarbeitung – hier Einwilligung (1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben; die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen; die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt; die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen; e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde; f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung. 274 (2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. (3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch a) Unionsrecht oder b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt. Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt oder hinsichtlich der Verarbeitung gemäß Absatz 1 Buchstabe e für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich sein, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Diese Rechtsgrundlage kann spezifische Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten, unter anderem Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten, welche Arten von Daten verarbeitet werden, welche Personen betroffen sind, an welche Einrichtungen und für welche Zwecke die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, welcher Zweckbindung sie unterliegen, wie lange sie gespeichert werden dürfen und welche Verarbeitungsvorgänge und -verfahren angewandt werden dürfen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung einer rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgenden Verarbeitung, wie solche für sonstige besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten müssen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen. (4) Beruht die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten, die in einer demokra-tischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Artikel 23 Absatz 1 genannten Ziele darstellt, so berücksichtigt der Verantwortliche – um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist – unter anderem a) jede Verbindung zwischen den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten erhoben wurden, und den Zwecken der beabsichtigten Weiterverarbeitung, b) den Zusammenhang, in dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen, c) die Art der personenbezogenen Daten, insbesondere ob besondere Kategorien personenbezogener Daten gemäß Artikel 9 verarbeitet werden oder ob personenbezogene Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 verarbeitet werden, d) die möglichen Folgen der beabsichtigten Weiterverarbeitung für die betroffenen Personen, e) das Vorhandensein geeigneter Garantien, wozu Verschlüsselung oder Pseudonymisierung gehören kann. 275 Art. 7 DSGVO Bedingungen für die Einwilligung (1) Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat. (2) Erfolgt die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die noch andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist.2 Teile der Erklärung sind dann nicht verbindlich, wenn sie einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellen. (3) Die betroffene Person hat das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Durch den Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt.3 betroffene Person wird vor Abgabe der Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt.4 Der Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie die Erteilung der Einwilligung sein. (4) Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind. 4. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1896 Voraussetzungen (BGB) (1) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige aufgrund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann. (1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden. (2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. (3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestimmt werden. (4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat. 276 5. Sozialgesetzbuch 9 § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (1) Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. 2Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen. § 2 SGB IX Behinderung (1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. (2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. (3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen). 277 Anhang 2 IPAR-UCD im Design Based Research Prozess Das IPAR-UCD Konzept als Prototyp Die Zusammenführung von IPAR und UCD wurde zunächst als ein vorläufiges Konzept von der Verfasserin selbst entwickelt. Das IPAR-UCD Konzept beinhaltet einen einführenden Teil zur inklusiven Forschung und einen praktischen Leitfaden in Modulen zur Durchführung von inklusiver Forschung und Entwicklung. Mit ihm wurde im »Easy Reading« Projekt erstmals im Sinne von DBR gearbeitet. Inhalt des vorläufigen IPAR-UCD Konzepts 1. INKLUSIV – PARTIZIPATIV 1.1. Allgemein 1.2. Haltungen, Methoden und Ansätze (Verhaltenskodex) 2. WER – WER INITIIERT WAS? WER IST BETEILIGT? 2.1. Wer initiiert Was? 2.2. Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher 2.3. Voraussetzungen um Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher in der empirischen Forschung zu werden? 2.4. Wer ist noch involviert? 2.5. Das Rollenverständnis und die Wertschätzung innerhalb des Forschungs- und Entwicklungsteams 2.6. Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und Anforderungen 2.7. Rolle der Fachleute und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler in IPAR-UCD 2.8. Rolle der Forschungs-Assistenz 2.9. Die Rolle des Projektmanagements 3. Zur Ausbildung/Qualifizierung Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher 3.1. Einführung in Forschung allgemein 3.2. Einführung in die Forschungsethik 3.3. Einführung zu möglichen Gütekriterien der inklusiven partizipatorischen Forschung 3.4. Gütekriterien für die Entwicklung von Nutzungsanforderungen 3.5. Einführung in Forschungstechnik und empirische Forschungsmethoden 3.6. Forschen mit Assistenz 3.7. Arbeitstechniken, Arbeitsmittel und ihr Einsatz (z. B. Fragebogen, Bildmaterial, Techniken wie Forschungstagebuch oder iPad, etc.) 278 3.8. Datenerhebung und Datenauswertung 4. WAS – IN WELCHEM KONTEXT SOLL INKLUSIV GESTALTET ODER GEFORSCHT WERDEN? 5. WIE – SOLL GEARBEITET WERDEN? VORAUSSETZUNGEN 5.1. Allgemein 5.2. »Experten In eigener Sache« 5.3. Ressourcenplanung 5.4. Zugänglichkeit und Transparenz 6. LEITFADEN FÜR IPAR-UCD 6.1. MODUL A – STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG 6.2. MODUL B – DIE UMSETZUNG, EINZELNE SCHRITTE DES USER-CENTRED DESIGNS: 6.2.1. Anforderungen oder Bedarfsanalyse 6.2.2. Konzeption 6.2.3. Prototyping - Erstellen der ersten Prototypen (Versuchsmodelle) 6.3. MODUL C– EVALUATION 6.3.1. Erste Design- und Usability Studien (interne Evaluation) 6.3.2. User Studie mit anderen Usern der Zielgruppe (externe Evaluation) 6.3.3. Analyse der Ergebnisse der Evaluation und ggf. Anpassungsvorschläge 6.4. MODUL D – FINALE FERTIGSTELLUNG 6.5. IPAR–USER-CENTRED DESIGN METHODEN Die Module wurden im LAB »Easy Reading« umgesetzt. Einzelne Interventionen werden zuerst mit einer Kleingruppe oder einzelnen Peer-Forschern gemeinsam geplant, um diese anschließend in einer größeren Peer-Gruppe zu testen. IPAR-UCD – Entwicklung inklusiver Methoden, Tools und Rahmenbedingungen für den Einsatz im Software-Engineering für das »Easy Reading« Projekt MODUL A – STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG Das MODUL A – STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG wurde im Projekt »Easy Reading« insofern verändert, als dass bereits während der Anwerbung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher vor Projektstart über das Projekt intensiv informiert wurde. Bei der ersten Kennenlernphase erhielten die zukünftigen Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Informationen zur geplanten Forschung im Projekt »Easy Reading«. Im Anschluss waren sie dann am internationalen Kick-Off-Meeting beteiligt. Die extra hierfür erstellten Materialien ermöglichten einen niedrigschwelligen Zugang zum Projekt. Wie sich im Laufe des Projektes immer wieder zeigte, ist bei allen Materialien die Verständlichkeit von großer Wichtigkeit. Sie wurden in möglichst leichter Sprache verfasst (siehe Handbuch). 279 1. Abb. Einführung in das Projekt (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Die Kick-Off-Veranstaltung wurde hauptsächlich der Organisation des internationalen Forschungsprojekts gewidmet und für die eigentliche Planungswerkstatt und für den Austausch und die inklusive Zusammenarbeit blieb wenig Zeit. Es ist anzumerken, dass bei der Projektplanung versäumt wurde hierfür genügend Zeit und finanzielle Ressourcen durchzusetzen. Beides fiel der Finanzdebatte zum Opfer, was sich später an vielen Stellen als Mangel herausstellte und durch das gesamte Projekt zog. (Es gab keine zusätzlichen Mittel für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher sich im internationalen Rahmen real zu treffen oder gar an den Projektmeetings teilzunehmen.) ANMERKUNG: Eine Planungswerkstatt zum Start ist nach diesen Erfahrungen für den Ablauf des gesamten inklusiven Forschungsprozesses von großer Bedeutung. In dem darauffolgenden ersten Forschungsabschnitt (3 Monate) wurde mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern gemeinsam eine Informierte Einwilligung erarbeitet und es entwickelte sich eine gewisse Grundhaltung zur gemeinsamen Forschungsarbeit. Nach 5 Monaten fand im Zuge der Requirementanalyse ein gemeinsames Treffen mit den österreichischen und deutschen Partnern statt. Hier zeigte sich, dass alle Beteiligten davon profitierten, einschließlich der Entwicklungsteams, die dadurch ein viel besseres Verständnis für die Zielgruppe bekamen. Des Weiteren arbeiteten die Peer-Forschungsgruppen relative separat an ihren Standorten. PIKSL (Düsseldorf) bekam in unregelmäßigen Abständen Unterstützung von dem Projektteam der Technischen Universität Dortmund. Proqualis (Linz, Österreich) ist Linz direkt an der Universität angesiedelt und hat kurze Wege zum Entwicklungsteam vom KI-I. 280 DART (Göteborg, Schweden) sollte FUNKA ein weiteres Entwicklungsteam bei der Entwicklung der Personalisierung von »Easy Reading« unterstützen. Sie sind aber auch räumlich voneinander getrennt. Der Austausch der zwei Peer-Forscherteams Österreich-Deutschland fand von Beginn regelmäßig per Skype statt, später kam DART hinzu, was die realen Treffen aber nicht ersetzt, schon allein, weil dann nur geredet und nicht praktisch gearbeitet werden kann. Dieser Austausch ergänzt die zweiwöchigen großen Telefonkonferenzen mit dem gesamten Projektkonsortium, an dem die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher wegen der englischen Projektsprache nicht teilnehmen. Um diesen Problemen zu begegnen wurden vor Ort unterschiedliche Arbeitsstrukturen ausprobiert, die im Folgenden näher beschrieben werden. Als Dokumentation sollten Fotos und Filme (iPad) gemacht werden, die jeweils mit einem Tagebucheintrag ergänzt wurden. Dies bereitete unterschiedliche Schwierigkeiten. Einige der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können nicht schreiben und/oder nicht lesen. Beispiel Tagebuch Zur Dokumentation der Arbeit wurde das Tagebuch eingeführt. Es wurden verschiedene Formate ausprobiert. Freies Schreiben schien nicht sinnvoll, daher benutzen die Peer-Forschergruppen eine Tagebuchvorlage mit ein paar Anhaltspunkten, zu dem was ihnen wichtig erscheint. 2. Abb. Tagebuchvorlage für die PeerForschungsteams aus dem Projekt »Easy Reading« (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 281 PIKSL: Das Forschungsteam von PIKSL versuchte zunächst das Tagebuch selbst mithilfe von Bildern, Diktat oder Video erstellen: der Vorteil hiervon, es kann relativ selbständig und unabhängig gemacht werden; der Nachteil, es kostete viel Disziplin und von der zur Verfügung stehenden Zeit. Daher erwies sich als die realistischste Lösung, das Tagebuch von den Unterstützerinnen schreiben lassen. Dies erfolgt seither nach einem zusammenfassenden gemeinsamen Gespräch. Proqualis: Bei Proqualis schreibt eine Peer-Forscherin das Protokoll ganz selbständig. Dies erfolgt mal mehr und mal weniger ausführlich. Es fällt ihr aber offensichtlich schwer dies regelmäßig zu tun. Da sie unterschiedliche Aufgaben in ihrem Team hat, ist es manchmal nicht möglich, dass sie an einer Sache dranbleibt und es gleich erledigt. Von daher muss hier Unterstützung gegeben werden. Fotos und Filme kommen im Laufe der Projektzeit immer weniger zur Dokumentation zum Einsatz, genauso wie die App »book-creator«, die zu Beginn von den Forschungsteams gerne genutzt wurde. Als allgemeines Kommunikationswerkzeug hat sich allerdings WhatsApp für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer als sinnvoll erwiesen. Beispiel Aufgabe für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Für die einzelnen Schritte im Projekt wurden sogenannte Aufgaben gestellt, die in der jeweiligen Peer-Forschungsgruppe mithilfe von entsprechenden Anleitungen als digitale Präsentation den Peer-Forschern von den unterstützenden Forscherinnen vorgestellt wurde. Daran arbeiteten die Forschungsgruppen dann meist mit mehr oder weniger Unterstützung ohne die Entwickler. Die erste Aufgabe zur Vorbereitung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher war einen »Forscherkoffer« zu packen, der als Forschungswerkzeug auch ein iPad enthielt. Dem Wunsch statt Koffer einen Forscherrucksack zu benutzen wurde entsprochen. 3. Abb. Der Forscherrucksack für die Peer-Forschungsteams (Quelle: »Easy Reading Projekt«) 282 4. Abb. Beispielaufgabe und Methode für die Peer-Forschungsteams (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Kommunikation und Verständigung im Projekt – leichte verständliche Sprache Die Verständigung mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern erfolgte in der Muttersprache, meist Deutsch. Die Unterstützerinnen von DART übersetzten ggf. die Aufgaben und Ergebnisse ins Schwedische. Da Verständlichkeit bei allen Materialien von großer Wichtigkeit ist, wird auf möglichst leichte verständliche Sprache geachtet. So waren Sprachanpassungen (Vereinfachung) auch während der Testverfahren sowie bei den Erläuterungen für potenzielle Nutzer mit kognitiven Behinderungen und die Co-Autorenschaft in Bezug auf die Berichterstattung und Ergebnisse bislang angemessen und erforderlich. Beispiel: Anpassung einer Informierten Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Damit die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher überhaupt in dem Projekt mitarbeiten konnten, sollten sie eine Informierte Einwilligung (Informed Consent) unterschreiben. Hierzu gab es eine Vorlage in verständlicher Sprache, die dann von ihnen mit Unterstützung in mehreren Durchläufen angepasst und dann von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschrieben wurde. Wir benötigten die ausdrückliche Zustimmung der beteiligten Personen, dass sie akzeptierten, dass wir ihre Daten verarbeiteten. Die Zustimmung musste in verständlicher und leicht zugänglicher Form erteilt werden. Als Vorlage wurde eine Informierte Einwilligung aus einem älteren Projekt genommen und entsprechend dem »Easy Reading« Projekt in der Anwerbungsphase angepasst. Die Weiterentwicklung erfolgte aufgrund der (Nach-)Fragen und Einwände der Betroffenen. 283 Dies erforderte mehrere Durchgänge mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, weil immer wieder Einwände zum Verständnis auftauchten. Insbesondere die an die allgemeine Projektinformation anschließenden Verständnisfragen waren wegen der konkreten Übertragbarkeit auf den gegebenen Informationen schwierig abzustimmen. Version (1) Haben Sie die Informationen verstanden? Dann beantworten Sie die 4 Fragen: (1) Kennen Sie Probleme im Internet? Nennen Sie ein Problem: .................................. (zu allgemein) (2) Was sammelt man bei der Forschung? ................................... (Frage ist nicht konkret genug) (3) Was sind Daten? ......................................................(Welche Daten sind gemeint?) (4) Dürfen Sie Einzelheiten aus dem Projekt erzählen?............................. Ich bin damit einverstanden, am genannten Forschungs-Projekt Easy Reading als Peer-Forscherin oder Peer-Forscher teilzunehmen. Ich stelle dabei meine Daten zur Verfügung, (Welche Daten und wofür genau? Werden Namen anonymisiert?) auch Fotos und Videos, die von mir während des Projekts entstehen. 5. Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers. 1( Quelle: »Easy Reading« Projekt) Version (2) Haben Sie die Informationen verstanden? Dann beantworten Sie die 4 Fragen: 1. Manche Menschen haben Probleme mit dem Internet. Nennen Sie ein Problem: ……………………………………………...…................ 2. Was wird im Projekt Easy Reading geforscht? ........................................................................................................... 3. Was sind persönliche Daten? Nennen sie ein Beispiel: ..................................................................... 4. Dürfen Sie Einzelheiten aus dem Projekt erzählen ................................ 6. 284 Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers. 2 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Mit dieser Informierten Einwilligung kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwar klar, aber es war nicht ansprechend. Version (3) 7. Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers.3 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Letztlich stellte sich heraus, dass die Anforderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr verschieden waren und unterschiedliche Versionen der Informierte Einwilligung notwendig machten. Da die Informierte Einwilligung trotz Allem im Laufe des Projektes aus unterschiedlichsten Gründen immer wieder thematisiert wurde, stellte das Forschungsteam fest, dass hierzu das Verständnis bei einigen Peer-Forscherinnen und Peer-forschern immer wieder neu aufgebaut und erklärt werden musste. Abschließend wurde ein Versuch mit einem kleinen Informationsfilm hierzu gestartet. Beispiel: Wörterbuch Während des Projekts tauchten immer wieder „technische“ Begriffe oder andere schwierige Wörter auf, die erklärt werden mussten. Hierzu legten die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher für sich eigens ein sogenanntes Wörterbuch an. Auch hier fielen die Erklärungen unterschiedlich aus und wurden diskutiert, bis man sich auf eine Erklärung einigen konnte. 8. Abb. Beispiel Wörterbuch aus dem Handbuch für Peerforscher, Forscher und Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 285 MODUL B – DIE UMSETZUNG, EINZELNE SCHRITTE DES USER-CENTRED DESIGNS Entwicklung und Anpassung von verschiedenen Forschungs- und Analysemethoden Aufgaben der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher bei der Entwicklung sind: • Als erstes eine Requirementanalyse (Anforderungskatalog), • später die Umsetzung der Forschungs- und Analysemethoden bei UsabilityTestverfahren während der Entwicklungsphase des Frameworks • einschließlich Eye-Tracking (Augensteuerung), um in der virtuellen Realität den Entwicklerteams Anhaltspunkte zu geben, was hinter den unterbewussten Reaktionen und Verhalten steckt. Die Anforderungen an IPAR-UCD wurden bereits u. a. für die Bedarfsanalyse und Usability-Tests im »Easy Reading« Projekt ermittelt oder durchgeführt. Anforderungen oder Bedarfsanalyse (Requirementanalyse) Die Anforderungen und Usability Test wurden mit Unterstützung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in den ersten drei Monaten mithilfe verschiedener Methoden ermittelt und abschließend mit einer gemeinsamen Analyse durchgeführt (siehe Methoden im Handbuch). Methode: Sammeln der Lieblingsseiten im Internet Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sammeln ihre Favoriten im Internet und notieren die Internetadresse. Methode: eigene Beobachtungen Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher beobachten sich bewusst selber bei der Nutzung des Internets und halten ihre Beobachtungen fest Methode: Storytelling (die eigene Geschichte zu Problemen mit den Internetseiten) Gemeinsam wurden die Lieblingsseiten besucht nach guten und schlechten Aspekten untersucht und anschließend im Videotagebuch festgehalten. 9. 286 Abb. Methode: Storytelling aus dem aus dem Handbuch für Peer-forscher, Forscher und Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Methode: Ideenfindung (Brainstorming) Beim Brainstorming werden alle positiven (grün) und negativen (rot) Aspekte als Anforderung (Wunsch für das Internet) auf Karten festgehalten und dazu jeweils ein Plakat erstellt, die im Laufe der nächsten Peer-Forscher-Treffen ergänzt werden konnten. Daraus ergeben sich später die Anforderungen an ein zugängliches Internet für die (Zielgruppe). Methode: Kartensortierung (Cardsorting) Beim Kartensortieren wurde den roten und grünen Karten eine Gewichtung gegeben. Ziel war es herauszuarbeiten, welche Anforderungen dringend und welche nur 'nice to have' sind. 10. Abb. Methode Cardsorting aus dem Handbuch für Peerforscher, Forscher und Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Methode: Fokusgruppe Das Ergebnis der Anforderungen aus dem Cardsorting wird gemeinsam mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern diskutiert. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von PIKSL und Proqualis haben gemeinsam mit dem Entwicklerteam des KI-I während eines Workshops die Ergebnisse analysiert, die Forschergruppe von DART hat ihre Analyse ergänzt. Das Ergebnis wurde von den Entwicklerteams zusammengefasst. Entsprechend der Requirementanalyse wurden dann von den unter-schiedlichen Entwicklerteams technischen Lösungen mithilfe moderner HCITechnologie realisiert. Im ersten Schritt wurde eine Einstellung für das individuelle User-Profil entwickelt, mit verschiedenen Funktionen, mit der sich beispielsweise Pop-Ups öffnen lassen, um zusätzliche Inhalte anzuzeigen, Beschriftungen von Steuerelementen, die beim Überfahren mit der Maus erscheinen. 11. Abb. Einstellung des Userprofils (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 287 Durch die Verwendung eines eigenen persönlichen Profils können später die Funktionen individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Benutzers angepasst werden. Die Verwendung der Eye-Tracking-Technologie zur Anpassung des User-Profils (um Augenbewegungen über den Bildschirm zu verfolgen), steht noch aus. Ergebnis zur Methodenauswahl: Die freieren Methoden in der Gruppenarbeit (Brainstorming) und Fokusgruppe sind für die PeerForscherinnen und Peer-Forscher leichter zu bewältigen, als die Aufgabe als für einzelne PeerForscherinnen und Peer-Forschern (z. B. Storytelling oder Cardsorting). Anmerkung: Es zeigte sich, dass die unterschiedliche Komplexität der Methoden iterative Anpassungen in mehreren Schritten erforderte. Die Anweisungen müssen klar in verständlicher Sprache gegeben werden und die individuelle Unterstützung durch Assistenz ohne Behinderung muss möglich sein (z. B. strukturieren des Ablaufs, lesen, schreiben). Umsetzung der Forschungs- und Analysemethoden und die Dokumentation Usertesting mit Testpattern Das »Easy Reading« Interface wird derzeit noch von den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern getestet und ausgewertet. Sie sind die Expertinnen und Experten, um herauszufinden, ob »Easy Reading« nützlich, benutzerfreundlich, gut zugänglich und wünschenswert ist. Hierzu müssen die Entwickler und Entwicklerinnen müssen vorab über die wichtigsten Testfragen nachdenken und die Testmethode wählen. Diese Nutzertests stützten sich auf unterschiedlich Methoden, wie die Beobachtungen und Thinking Aloud bei der Nutzung von »Easy Reading«. Oder die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern durchlaufen einen Cognitiv Walkthrough, um erste Fehler entdecken zu können. Später gehen sie nach einem Testplan (Testpattern) vor. Hier wird noch einmal mit Usern getestet: warum, wie, welche Funktion benutzt wird und wann. Zur Vorbereitung vom eigentlichen Usertesting wurde ein Workshop gemacht, damit die PeerForscherinnen und Peer-Forscher den Testgegenstand und den Ablauf kennenlernen konnten. Zum Ablauf des Usertesting mit Testplan (Testpattern) gehören o Vorbereitung des Tests und Testplan o Der Testablauf o Der Fehlerbericht o Was passiert während des Tests o Was passiert nach dem Test 288 Die Konzeption der Testpläne war sehr aufwendig. Zunächst gab es die Testfälle als eine erste Version von der Entwicklerseite. Diese wurde sprachlich und vom Layout her in mehreren Schritten mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern vereinfacht. Zudem wurde gemeinsam ein Ablaufplan erstellt. Die Testläufe wurden anschließend mit Forschertandems eingeübt (immer eine Peer-Forscherin oder ein Peer-Forscher und eine mitforschende Assistentin). Version (1) 12. Abb. Testpattern der Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt) zu Version (1): • • • ein Mix von Englisch und Deutsch, schwere Sprache, Test Step, Test Data, Expected Result, Actual Result, Status, Post-Conditions und Comments waren als Aufgabenstellung für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher zu komplex, sowohl als Testerinnen und Tester wie auch als Testteilnehmer. 289 Version (2) 13. Abb. Testfall in verständlicher Sprache (Quelle: »Easy Reading« Projekt) zu Version (2): Diese Version wurde in eine leicht verständliche Sprache umgesetzt i. B. • • Test Fall ID - Abhängigkeiten waren für den eigentlichen Testdurchlauf unerheblich; Die Testschritte waren als Aufgabenstellung für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher immer noch zu komplex. Version (3) 14. Abb. Testpattern in verständlicher Sprache (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 290 Zu Version (3): Die Eingabe der Internetadresse machte noch erhebliche Schwierigkeiten und wurde daher fallengelassen, weil es nicht zur Funktion von »Easy Reading« gehörte. Außerdem besteht der Wunsch der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher nach einer allgemeinen Einführung und Icons zu den einzelnen Testschritten. Version (4) 15. Abb. Entgültiger Testplan mit Peer-Forscherinnen und Forschern entwicklet (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Zu Version (4): Mit Version 4 sind die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Lage selbständig zu arbeiten. Weitere Informationen für den Test-/Fehlerbericht bespricht das Forschertandem im Anschluss. Der Fehlerbericht: Was ist wichtig im Fehlerbericht? Dokumentation allgemein: Zur Dokumentation gehört alles Daten-Material und Informationen die während der Forschung gesammelt werden. Das sind meist Aufzeichnungen. Zum Beispiel: • Als geschriebener Text, wie im Tagebuch (Problem: manche Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können nicht lesen und/oder schreiben) • Als Foto (Problem: manchmal lassen sich keine Aufnahmen machen) • Als Video oder als Audiodatei (Problem: s o. oder es wird zu viel Material aufgenommen) 291 Was wird dokumentiert? • Wo wurde getestet (auf welcher Website)? • Welche Funktion wurde getestet (Bildersuche, Vorlesefunktion etc.)? • Was genau waren die Fehler? • Wie oft kam der Fehler vor – die Häufigkeit? • Wie kann der Fehler reproduziert werden (was muss man tun, dass der Fehler auftritt) • Welche Wünsche haben die Testteilnehmer (wie ginge was leichter oder besser)? Das Paper-Mockup und Prototyping Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von Proqualis sollten mithilfe einer Aufgabenpräsentationen jeweils ein Paper-Mockup von einem Bildschirm und den »Easy Reading« Modulen (Platzhaltern) erstellt umso die Konfiguration ihres eigenen »Easy Reading« vorzubereiten. Die unterstützenden Forscherinnen waren davon ausgegangen, dass nach einer ausführlichen Vorbesprechung das Peer-Forscherteam die Aufgabe selbständig erledigen könnte. Wir mussten jedoch feststellen, dass die Aufgabenpräsentationen zu umfangreich waren und dadurch keine der Aufgaben selbständig/richtig gelöst wurde. Im zweiten Anlauf waren dann die unterstützenden Forscherinnen bei den Sitzungen und der Erledigung der Aufgaben beteiligt. Mit strukturierender bzw. erklärender Hilfestellung waren dann die Peer-Forscherinnen und PeerForschern in der Lage die Aufgaben zu lösen. Beispielaufgabe 1 Neue Platzhalter für Easy Reading Aufgabe: Wählt Icons als Platzhalter für das EasyReading Tool aus. 16. Abb. Easy Reading Symbolvorlagen 1 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 292 Beispielaufgabe 2: Das eigene Easy-Reading-Werkzeug 17. Abb. Easy Reading Symbolvorlagen 2 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Jeder kann Easy Reading als eigenes Werkzeug zusammenstellen • Kopiert die Platzhalter und die leeren Easy Reading Vorlagen und schneidet sie aus. • Wählt Eure Hilfen für Easy Reading und klebt sie auf eine der 3 Easy Reading Vorlagen. • Fotografiert das Ergebnis und macht einen Tagebucheintrag. Beispielaufgabe 3: Paper-Mockup bauen Bastelt Euch einen Bildschirm-Hintergrund Ihr braucht dazu: 1 x Pappe etwas größer als ein DIN 4 Blatt 2 x Streifen 30 cm lang 21,5 cm breit Schere und Klebstoff. • Die Streifen knickt Ihr am Ende um, so dass sie genau auf der schmalen Seite der großen Pappe aufliegen. • Die umgeknickten Enden klebt Ihr auf der Rückseite fest. • Kopiert eine von euren Lieblingsseiten aus dem Internet auf DIN 4 • Schiebt sie unter die Streifen (links und rechts) Kopiert Folie 7-9 • Jetzt könnt Ihr mit den Aufgaben beginnen. 18. Abb. Easy Reading Vorlage Paper-Mockup 2 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 293 Beispielaufgabe 4: Wo soll Eurer Easy Reading Werkzeug platziert werden? Probiert mit Eurem Easy Reading aus, wo für Euch der beste Platz ist! 19. Abb. Easy Reading Vorlage Paper-Mockup 3 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) Beispielaufgabe 5 Interface- Anmeldung mit Google Welche Hilfen wünschst Du Dir? • dass der Hintergrund anpassbar ist? • dass Hinweise gegeben werden? • dass das Passwort sichtbar ist? • … 20. Abb. Mockup Easy Reading Login 3 (Quelle: »Easy Reading« Projekt) 294 MODUL CEVALUATION und CO-AUTHORING (Co-Autorenschaft) Anmerkung zur Evaluation: Für die Einschätzung und Bewertung des inklusiven Forschungsprojekts »Easy Reading« war am Ende der Projektlaufzeit (Juni 2020) mit einer quantitativen und einer qualitativen Peer-Evaluation geplant. Diese konnte auf Grund Corona Pandemie Covid 19 (2020) bisher nur in Ansätzen durchgeführt werden Co-Autorenschaft Die iterative Anpassung des IPAR-UCD-Konzepts für integrative Forschung und Entwicklung in einem Handbuch für Peer-Forscher, Forscher und Entwickler steht für das Projekt "Easy Reading" (in leicht verständlicher Sprache mit Erklärungen und Abbildungen) zur Verfügung. Es wurde unter der Mitarbeit der drei Forschungsteams laufend fortgeschrieben und ist im Internet auf der Homepage des Projekts »Easy Reading« https://www.easyreading.eu veröffentlicht. Co-Autoren sind: Anderson, Per Per (S), Danner, Johann (A), Herrmanns, Elisabeth (D), Knieper, Monika (D), Lackinger, Eva (A), Mitter, Franziska (A), Maurer, Christiane (A), Morwind, Rene (A), Mühlbachler, Karl (A), Pfeiffer, Cornelia (A), Tambo, Mikael (S), Traxler, Sarah (A), Singleton, Mark (S), Schwarz, Heiko (D), Spissu, Paolo (D); Begleitung und Unterstützung: Baiker, Katja (D), Bosse, Ingo (DE), Buchholz, Margret (S), Derbring, Sandra (S), Dirks, Susanne (DE), Holmquist, Eva (S), Wolkersdorfer, Sylvia, Zaynel, Nadja (D;) 295 Anhang 3 Poster IPAR-UCD 296 297