e-Inclusion –
Inklusive-Partizipative Forschung und
Entwicklung, User-Centred Design und
Empowerment
Orientierungen für einen Ansatz der
Forschung und Entwicklung(F&E)
gemeinsam mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors
der Philosophie (Dr. phil.)
der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg
vorgelegt von CORDULA EDLER, geb. Kostmann aus München
Zell unter Aichelberg 2020
Erstgutachter:
Prof. Dr. Dr. Matthias Rath,
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Zweitgutachter: Prof. Dr. Klaus Miesenberger,
Johannes-Keppler-Universität, Linz,
Österreich
Datum des Abschlusses der Promotion: 23.06.2020
II
DANKSAGUNG
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen, auch den hier nicht namentlich genannten Personen,
bedanken, ohne deren Unterstützung die Erstellung dieser Doktorarbeit in der vorliegenden Form
nicht zustande gekommen wäre.
Ein aufrichtiger Dank gebührt Herrn Professor Dr. Dr. Matthias Rath, meinem Doktorvater von der
Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg für die Betreuung dieser Arbeit, seine vielfältigen
Anregungen und Beratung, die mir den kritischen Zugang zu diesem Thema ermöglicht haben. Die
gemeinsamen Gespräche auf intellektueller und auf persönlicher Ebene waren immer ein
wertvoller und konstruktiver Austausch.
Ebenso gilt dieser Dank Herrn Professor Dr. Klaus Miesenberger als zweitem Gutachter, für seine
freundschaftliche, kollegiale und wissenschaftliche Unterstützung. Ohne sein Zutun und die
kollegiale Zusammenarbeit mit dem Institut Integriert Studieren der Johannes-KepplerUniversität Linz, wäre der praktische Teil dieser Arbeit und auch das Projekt »Easy Reading« nicht
zu realisieren gewesen.
Ein weiteres Dankeschön geht auch an meine Kolleginnen und Kollegen der Fakultät
Rehabilitations-wissenschaften von der Technischen Universität Dortmund, an die PeerForscherinnen und Peer-Forscher von PIKSL, Proqualis und DART und deren Unterstützerinnen
und Unterstützer, die die Idee und Entwicklung des IPAR-UCD Konzepts mitgetragen haben.
Ein ganz herzlicher Dank gilt meiner Freundin und Studienkollegin Silke Müller-Lehmann für die
kritische Auseinandersetzung und ihr Feedback zu den komplexen Kapiteln meiner Arbeit, sowie
meiner Studienkollegin Rebecca Wagner für ihre Anregungen und das Korrekturlesen.
Ferner danke ich den australischen Kolleginnen, Therese M. Cumming, Debbie Horsfall, Iva
Strnadová und Kelley Johnson für ihre Ermutigungen und dafür, dass sie mir selbstverständlich
und zeitnah ihre neusten Veröffentlichungen zur inklusiven Forschung zur Verfügung gestellt
haben.
Mein ganz besonderer Dank aber gehört meiner Familie, meinem Mann, der meine Ideen und
meine Arbeit unermüdlich unterstützt hat, sowie unseren beiden erwachsenen Söhnen, die mich
immer wieder neu auf lebendige Weise inklusiv inspirieren und motivieren.
III
IV
ABSTRACT
e-Inclusion steht für digitale Inklusion, d. h. die Teilhabe aller an der digitalen Gesellschaft.
Immer mehr Menschen leben und arbeiten in digital vernetzten Umgebungen. Von den Vorteilen
der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) profitieren aber nicht alle im selben
Umfang. Es gibt Menschen, die bislang keinen Zugang zu den neuen Medien haben oder die den
Umgang mit den Kommunikationsmitteln bisher nicht erlernen konnten. Hier setzt e-Inclusion
oder die digitale Inklusion an.
Das Wissen über benutzergeneriertes Design ist für die Implementierung von assistiver
Technologie (AT) für alle Gruppen von Menschen mit Behinderungen wissenschaftlich belegt und
praktisch erprobt mit Ausnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen. Es gibt kaum eine
inklusive Beteiligung dieser Zielgruppe als Mitforscherinnen und Mitforscher sowie als Experten,
obwohl die Nutzerforschung zur kognitiven Zugänglichkeit (cognitive accessibility) des W3C1 die
Herausforderungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder kognitiven Behinderungen bei
der Nutzung von Webinhalten und -technologien beschreibt (vgl. W3C/WAI, 2016).
In den Sozialwissenschaften existieren inklusive Forschungsansätze für die Zielgruppe, in der
anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung (F&E) werden jedoch inklusive Ansätze
bislang vermisst. Das State of the Art zeigt, dass es an Kriterien für ein inklusives Forschungsdesign
und an geeigneten Instrumenten und Methoden zur Unterstützung der Kommunikation und
Interaktion in Forschung und Entwicklung fehlt, um Menschen mit kognitiven Behinderungen
einzubeziehen (vgl. u. a. Istenič Starčič, A.; BAGON, S. 2013). Der Ausschluss der Zielgruppe von
Forschung, einschließlich der Entwicklung von assistiven Technologien (AT) und Barrierefreiheit,
basiert auf Problemen bei der Überwindung von Kommunikationsbarrieren und den Annahmen,
dass Menschen mit kognitiven Behinderungen keine unabhängigen Entscheidungen fällen oder
wertvolle Beiträge leisten können.
Es gibt unterschiedlichste Perspektiven auf inklusive Forschung und Entwicklung. Die
übergreifende Forschungsfrage lautet deshalb: Können und sollen Nutzerinnen und Nutzer mit
kognitiven Behinderungen, basierend auf einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz, aktiv
an Forschung und Entwicklung für IKT und an einem User-Centred Design Forschungsprozess
teilnehmen?
TEIL A dieser Arbeit zeigt die verschiedenen Perspektiven der inklusiven-partizipativen Forschung
auf, um eine Orientierung zu geben. Es wird argumentiert, dass inklusive Forschung und
Entwicklung mit Beteiligung der Zielgruppe sowohl normativ wie ethisch begründbar und zudem
notwendig ist. Durch die Zusammenführung von inklusiver-partizipativer Aktionsforschung (IPAR)
und User-Centred Design (UCD), zu einem Forschungskonzept für den Bereich Forschung und
Entwicklung (F&E) sowie Anpassung und (Weiter-) Entwicklung von Usability-Methoden wird eine
Voraussetzung hierzu geschaffen – IPAR-UCD.
In Teil B wird das Forschungskonzept IPAR-UCD im Detail vorgestellt und in die einzelnen
Forschungsphasen sowie in entsprechende Instrumente und Methoden eingeführt. Das
innovative inklusive designbasierte Forschungskonzept zielt darauf ab, userzentrierte F&E
gemeinsam mit der Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess zu ermöglichen. Um das Fehlen
von Methoden für die Anforderungen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen auszuräumen,
wurde ein inklusiver-partizipativer Designprozess entwickelt.
1
Das World Wide Web Consortium (W3C), internationale Gemeinschaft, in der Mitgliedsunternehmen,
und die Öffentlichkeit zusammenarbeiten, um Webstandards zu entwickeln.
V
Mit der Design-Based Research Methode (vgl. REIMANN, G. 2016) wurden einzelne Interventionen
in einem realen Forschungsprojekt »Easy Reading«2 (2018-2020) erprobt und adaptiert. Es wurde
hierzu ein Methodenmix verwendet, um Instrumente für die inklusive Forschung und die
Methoden des User-Centred Design zu analysieren und anzupassen oder neu zu gestalten.
Mit der praktischen Anwendung wird in Teil C die Forschungsfrage empirisch positiv beantwortet:
Die inklusive Beteiligung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern in F&E ist, mit
entsprechender Zugewandtheit, Kreativität der Forscherinnen/Forscher und Entwickler und die
(Weiter-) Entwicklung von Usability Methoden möglich.
2
Projekt im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union Horizon 2020
VI
INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG UND MOTIVATION ................................................................................................ XV
AUFBAU DER ARBEIT.....................................................................................................................XVI
Teil A
Orientierung: Grundlagen und Theorie zur inklusiven-partizipativen Forschung und
Mensch-Computer-Interaktion
1 MENSCHEN MIT KOGNITIVER BEHINDERUNG IN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG-DIE
ZIELGRUPPE.................................................................................................................................3
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Vom (Begriff) »Krüppel« zum »Mensch mit Behinderung«............................................................. 4
Der Begriff Behinderung in der heutigen Zeit................................................................................. 8
Behinderung – Konzepte, Modelle, Klassifikation und Einordnung ............................................... 10
Der Begriff »geistige Behinderung« und das Dilemma der Begrifflichkeit ..................................... 18
Menschen mit kognitiven Behinderungen als Objekt in Wissenschaft und Forschung................... 22
Vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt – Veränderung eines Paradigmas ....................... 30
2 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE FORSCHUNG MIT MENSCHEN MIT KOGNITIVEN
BEHINDERUNGEN..................................................................................................................37
2.1 Der Paradigmawechsel und die Umsetzung der UN-BRK.................................................................38
2.2 Inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiver Behinderung .............................. 39
2.2.1 Der historische Kontext inklusiver-partizipative Forschungsansätze ..................................... 40
2.2.2 Entwicklung und Empowerment in der sozialwissenschaftlichen Forschung......................... 42
2.2.3 Voraussetzungen für die inklusive Zusammenarbeit ............................................................ 45
2.2.4 Offene Fragen und Probleme zur inklusiven Forschung ....................................................... 45
3 EINE NORMATIVE HANDLUNGS-PERSPEKTIVE ZU INKLUSIVER FORSCHUNG UND
ENTWICKLUNG IM BEREICH MENSCH - COMPUTER - INTERAKTION.......................................47
3.1 Was ist Forschung ....................................................................................................................... 48
3.2 Die Forschungsfreiheit im Verfassungsrecht ................................................................................ 48
3.2.1 Forschungsfreiheit im deutschen Grundgesetz .................................................................... 48
3.2.2 Zum Vergleich das Verfassungsrecht in Österreich und der Schweiz .................................... 49
3.2.3 Zur Wissenschaftsfreiheit im deutschen Grundgesetz.......................................................... 50
3.3 Die UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Forschung .............. 50
3.3.1 Partizipation und Teilhabe .................................................................................................. 51
3.3.2 Zugänglichkeit .................................................................................................................... 51
3.4
Teilhabe als inklusive-partizipatorische Forschung im Rahmen der normativen Ordnung........... 53
3.4.1 Wissenschaftlichkeit und Teilhaberecht .............................................................................. 53
3.4.2 Forschung als Arbeitsfeld und gleichberechtigte Aufgabe für eine selbstbestimmte
Lebensführung ................................................................................................................... 54
3.4.3 Schlussfolgerung:................................................................................................................ 55
3.5 Inklusive-partizipative Forschung im Rahmen der internationalen Normung ISO ......................... 55
3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung,
die Informierte Einwilligung ........................................................................................................ 56
3.6.1 Die Informierte Einwilligung aus rechtlicher Perspektive ..................................................... 56
3.6.2 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen ......................... 57
3.6.3 Anforderung an die Informierte Einwilligung ....................................................................... 58
3.6.4 Wer kann eine Einwilligung abgeben?Anforderung an die Informierte Einwilligung ............ 58
VII
3.6.5 Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren
Stellvertretung................................................................................................................... 62
3.7 Urheberrechte ............................................................................................................................ 63
3.8 Schlussbetrachtung zur normativen Einschätzung inklusiver Forschung und Entwicklung............. 63
4 ETHISCHE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN ZUR INKLUSIVEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG
..................................................................................................................................................65
4.1 Angewandte Ethik in Hinblick auf inklusiven Forschung und Entwicklung..................................... 66
4.1.1 Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma ........................................................................ 66
4.1.2 Die angewandte Ethik als Teilbereich der normativen Ethik................................................. 69
4.1.3 Die Handlung selbst ............................................................................................................ 70
4.1.4 Der Diskurs in der angewandten Ethik................................................................................. 71
4.1.5 Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und Verantwortung....................................... 73
4.2 Forschungsethik in der qualitativen Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen...... 76
4.2.1 Die Gestaltung dieser Forschungsbeziehungen.................................................................... 76
4.2.2 Der Umgang mit Informationen und advokatorische Vertretung ......................................... 79
4.3 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen ................................. 81
4.3.1 Ethische Betrachtung und Beurteilung der Einwilligung ....................................................... 82
4.3.2 Ethische Fragen bei Unmöglichkeit einer Informierte Einwilligung ....................................... 83
4.4 Schutz der Forschungsdaten – Anonymität und Vertraulichkeit ................................................... 83
4.4.1 Anonymität der Daten ........................................................................................................ 84
4.4.2 Der Umgag miteinander und den Daten .............................................................................. 84
4.4.3 Einsicht in Forschungsdokumentation ................................................................................. 84
4.5 Ethik und inklusive Forschung und Entwicklung (digitale) Technologieentwicklung ...................... 85
4.5.1 Möglichkeiten und Grenzen des technologischen Wandels – die Reflexion auf den
wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt ............................................................................ 86
4.5.2 Forschung und Innovation in der EU (2019)......................................................................... 87
4.5.3 Forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusive-partizipative Forschung ........................ 88
4.5.4 Forschungsethik für inklusive Forschung und Entwicklung und das Wissenschaftssystem .... 90
4.5.5 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen als Co- bzw. PeerForscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung und Entwicklung.................................. 92
5 VERORTUNG: VERNETZTE LEBENSWELT – FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG MIT MENSCHEN
MIT KOGNITIVEN BEHINDERUNGEN ..................................................................................... 96
5.1 Mensch-Computer-Interaktion und vernetzte Lebenswelten von Menschen mit kognitiven
Behinderungen........................................................................................................................... 96
5.1.1 Die Zugänglichkeit zum Netz ............................................................................................... 98
5.1.2 Cognitive Accessibility und HCI.......................................................................................... 100
5.2 Das Potenzial von Human Computer Interaction (HCI) als assistive Technik ............................... 101
5.2.1 Mensch-Computer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit............................................. 101
5.2.2 User-Centred Design (UCD) und User-Experience Design (UXD)...........................................103
5.3 Menschen mit kognitiven Behinderungen als aktive Nutzer von IoT oder digitalen Diensten ...... 109
5.3.1 Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen .................................... 109
5.3.2 Die Nutzung digitaler Systeme und Dienste durch Menschen mit kognitiven
Behinderungen......................................................................................................................113
5.4 Forschung und Entwicklung mit den Nutzern, Menschen mit kognitiven Behinderungen, im
Fokus........................................................................................................................................ ..... 117
5.4.1 Verschiedene Formen der Einbeziehung der Zielgruppe in Forschung und Entwicklung ..... 118
5.5 Inklusive Forschung in der Entwicklung ..................................................................................... 120
VIII
6 STATE OF THE ART – EIN ÜBERBLICK ZUR INKLUSIVEN-PARTIZIPATIVEN FORSCHUNG..........123
6.1 Ansätze der inklusiven und partizipativen Forschung ................................................................. 124
6.2 Vorgehensweise........................................................................................................................ 124
6.3 Internationaler Überblick zur inklusiven und/oder partizipativen Forschung mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen ........................................................................................................ 126
6.3.1 Von der Ausgrenzung zur Inklusion: Entwicklung, Stand und Perspektiven gemeinsamen
Forschens (BUCHNER, T. / KÖNIG, O. 2011, Österreich) ......................................................... 126
6.3.2 Grenzgängerinnen im akademischen Raum (GOEKE, S. / KUBANSKI, D. 2012, Deutschland) .... 127
6.3.3 IPAR an inclusive disability research Methodology with accessible analytical tools, (OLLERTON,
J. 2012, Australien)........................................................................................................... 128
6.3.4 Conceptualizing Inclusive Research with People with Intellectual Disability (BIGBY, C./ FRAWLEY
P./ RAMCHARAN, P. 2013, Australien) .................................................................................. 130
6.3.5 Building an Inclusive Research Team: The Importance of Team Building and Skills Training
(STRNADOVÁ, I. / CUMMING, T. / KNOX, M. / PARMENTER, T. 2013, Australien) ............................ 131
6.3.6 A Collaborative Group Method of Inclusive Research (BIGBY, C./ FRAWLEY, P./ RAMCHARAN, P.
2014, Australien) .............................................................................................................. 132
6.3.7 Wissenskonstruktionen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen – Problemlagen und
Herausforderungen für inklusive Forschung (FASCHING, H./ BIEWER, G. 2014, Österreich) ..... 134
6.3.8 Peer-reviewed articles on inclusive research: Do co-researchers with intellectual disabilities
have a voice? (STRNADOVÁ, I. / WALMSLEY, J. 2017, Australien, Großbritannien) .................... 135
6.4 Partizipation oder Inklusion von Menschen mit kognitiven Behinderungen als Teilnehmer in der
Forschung im Überblick ............................................................................................................ 136
6.5 Inklusive-partizipative Forschung und User-Centred Design ....................................................... 143
6.5.1 Barrierefreies Internet für Menschen mit geistiger Behinderung. Eine experimentelle
Pilotstudie zu technischen Voraussetzungen und partizipativen Auswirkungen (BERNASCONI, T.
2007, Deutschland) .......................................................................................................... 143
6.5.2 Accessibility of Web Search Engines: Towards a Deeper Understanding of Barriers for People
with Disabilities (KERKMANN, FRIEDERIKE / LEWANDOWKSI, Dirk 2012, Deutschland) ................. 145
6.5.3 Accessibility to electronic communication for people with cognitive disabilities (Borg, Johan/
Lantz, Ann/Gulliksen Jan 2014 Schweden) ........................................................................ 147
6.5.4 Mobile Technology and Inclusive Research (CUMMING T./ STRNADOVÁ, I./ KNOX, M. / PARMENTER,
T. 2014 Australien) ........................................................................................................... 148
6.6 Ergebnis der Literaturrecherche und Konsequenzen für ein inklusives-partizipatives
Forschungskonzept für Forschung und Entwicklung .................................................................. 149
7 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE AKTIONSFORSCHUNG UND USER-CENTRED DESIGN ALS
ALTERNATIVER INKLUSIVER METHODENANSATZ FÜR FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG.....153
7.1
7.2
7.3
7.4
Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden IPAR und UCD ........................................ 154
IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver Prozess...................................... 157
Autonomie und Empowerment – die Potenziale von IPAR-UCD nutzen ..................................... 162
Gütekriterien und Qualitätssicherung – Strategien der Geltungssicherung von IPAR-UCD .......... 166
Teil B
Das IPAR-UCD Konzept
1 EINFÜHRUNG ......................................................................................................................173
2 DER DESIGN BASED PROZESS ALS PROGRESS FÜR IPAR-UCD ...............................................174
2.1 Die Innovationsidee – IPAR-UCD als Forschungsmethodik......................................................... 174
2.2 Forschungsfragen zum DBR-Prozess .......................................................................................... 175
IX
2.3 Abgrenzung des Design-Based Research Ansatzes zu anderen prozessbegleitenden und
praxisorientierten Ansätzen...................................................................................................... 175
2.4 Begründung des qualitativen designbasierten Forschungsansatzes DBR .................................... 180
3 DAS EU-PROJEKT »EASY READING« ......................................................................................... 183
3.2 Das »Easy Reading« LAB ........................................................................................................... 182
3.3 Die neuen Herausforderungen von IPAR-UCD im Projekt ........................................................... 185
4 DAS FORSCHUNGSKONZEPT IPAR-UCD ............................................................................... 188
4.1 IPAR.......................................................................................................................................... 188
4.2 User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX)............................................................. 188
4.3 IPAR-UCD.................................................................................................................................. 189
5 DER WEG ZU EINER INKLUSIVEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG................................... 190
5.1
5.2
5.3
5.4
Inklusiv-Partizipativ................................................................................................................... 190
Wer initiiert was? ..................................................................................................................... 190
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ..................................................................................... 191
Die Anwerbung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern .................................................... 192
6 DAS INKLUSIVE FORSCHUNGSTEAM ................................................................................... 198
6.1 Rollenverständnis und Wertschätzung innerhalb des gesamten Forschungs- und
Entwicklungsteams..... .............................................................................................................. 198
6.2 Wer ist in das inklusive Forschungs- und Entwicklungsprojekt involviert? .................................. 198
6.3 Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt ................................................ 198
6.4 Die Rolle der Wissenschaftler in IPAR-UCD ................................................................................ 199
6.5 Die Rolle der Mitforscherinnen und Mitforscher und der Forschungsassistenz........................... 199
7 DAS INKLUSIVE PROJEKT UND DIE PROJEKTORGANISATION ................................................ 201
7.1 WAS – In welchem Kontext soll inklusiv-partizipativ gestaltet oder geforscht werden ................ 201
7.2 Gemeinsam im Projekt lernen........................................................................................................200
8 TEAMBILDUNG UND KOMPETENZTRAINING ....................................................................... 205
8.1 Teambildung............................................................................................................................. 205
8.2 Das inklusive Forschungstraining............................................................................................... 206
9 DIE BENUTZERORIENTIERTE ENTWICKLUNG ....................................................................... 209
9.1 Die inklusive Usability-Entwicklung mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
Kontextanalyse.... ..................................................................................................................... 209
9.2 Die inklusive Usability-Evaluation mit Test-Usern (Testteilnehmer)............................................ 210
9.3 Die organisatorische und technische Vorbereitung der allgemeinen Usability-Evaluation........... 214
9.4 Die Vorbereitung der Evaluationsteams .................................................................................... 215
9.5 Empfehlungen zur Durchführung der Usability-Evaluation ......................................................... 216
10 METHODEN FÜR IPAR-UCD UND INKLUSIVES PARTIZIPATIVES DESIGN UND ENTWICKLUNG 215
10.1 Methoden für inklusives-partizipatives Design und Entwicklung und die Usability-Evaluation .... 218
10.2 User-Centred Design Methoden für den Einsatz inklusiver-partizipativer Designentwicklung zur
Datenanalyse............................................................................................................................ 219
11 ADAPTIERTE USABILITY-FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSMETHODEN FÜR DIE INKLUSIVE
FORSCHUNG....................................................................................................................... 220
11.1 Thinking-Aloud-Test .................................................................................................................. 220
11.2 User-Testing ............................................................................................................................. 222
11.3 Inklusive Cognitive Walkthrough (Wharton, C./Rieman, J./ Lewis, C./ Polson, P. 1990) .............. 223
11.4 Photo-Voice (OLLERTON, J. 2012) ................................................................................................ 228
X
Teil C
FAZIT UND BEDEUTUNG DER VORLIEGENDEN ARBEIT
1 ERGEBNISSE/DISKUSSION....................................................................................................233
1.1 Gemeinsam forschen und entwickeln ........................................................................................ 234
1.2 Chancen und Risiken bei der inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen ........................................................................................................ 235
1.3 Fragen, die zu Beginn des Projekts und der DBR Intervention gestellt wurden ........................... 237
2 PERSPEKTIVEN FÜR DIE ZUKUNFT........................................................................................243
2.1 Aufforderung zu zukünftiger inklusiver-partizipativer Forschung und Entwicklung sowie
Konsequenzen .......................................................................................................................... 244
Literatur...................................................................................................................................246
Anhang 1 Gesetzestexte...........................................................................................................266
Anhang 2 IPAR-UCD im Design Based Research Prozess ...........................................................278
Anhang 3 Poster IPAR-UCD ......................................................................................................297
XI
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
„Wer´s nicht einfach und klar sagen kann,
der soll schweigen und weiterarbeiten
bis er´s klar sagen kann.“
(Popper 2009, 100)
AAIDD
AT
BAR
BITV
Co-Forscher
cognitiv
Cognitive Accessibility
Disability Studies
Design Thinking
DBR
e-Inclusion
EASY READING (Name)
embedded computing
Empowerment
F&E
GdB
GG
HCI
ID
IKT
intellectual
Interface
Informed Consent
IPAR
IoT
XII
Association of Intellectual and Developmental Disabilities
(Verband der intellektuellen und entwicklungsbedingten
Behinderungen)
assistive Technologie
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V.
Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung
Teilnehmer einer Studie, die als mitarbeitende Forscherinnen/Forscher
beteiligt werden, siehe hier auch Peer-Forscherinnen/Peer-Forscher
geistig, erkenntnismäßig; sich auf den mentalen Prozess zu beziehen,
der mit dem Wissen, Lernen und Verstehen von Dingen verbunden ist.
kognitive Zugänglichkeit (z. B. durch assistive Technik)
Durchführung von Studien über Menschen mit Behinderungen von
Menschen mit Behinderungen
Ansatz zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer
Ideen
Design Based Research, designbasierte Forschung
digitale Inklusion
Leicht Lesen
eingebettetes System (Computer)
Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Autonomie und
Selbstbestimmung erhöhen
Forschung und Entwicklung (engl. Research & Development R&D)
Grad der Behinderung
Grundgesetz
internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und
Gesundheit
Intellectual Disabilities, intellektuelle Behinderungen
Informations- und Kommunikationstechnik, auch Informations- und
Kommunikationstechnologie
sich auf seine Fähigkeit beziehen, Dinge zu denken und zu
verstehen,
Schnittstelle, Teil eines Systems, welches der Kommunikation dient
Informierte Einwilligung
Inklusive -partizipative Aktionsforschung
Internet of Things (Internet der Dinge)
ISO-Normen
IQ
LAB
PAR
Peer-Forscher3
PMLD
R&D
Self Advocat
Service
smart
Smartwatch
Smart Home
Smart Living
SGB
UN-BRK
UCD
User Experience
UXD
WfBM
WHO
3
Internationale Organisation für Normung – kurz ISO
Intelligenzquotient
Labor (Forschungslabor)
Partizipative Aktionsforschung
Personen aus der Zielgruppe, die Interesse haben, an qualitativer
Forschung mitzuwirken und dabei ihre eigenen Erfahrungen
einfließen zu lassen
profound and multiple learning difficulties (schwerwiegende und
vielfältige Lernschwierigkeiten)
Research and Development (Forschung und Entwicklung F&E)
Bürgerin oder Bürger
Dienst
clever, gewitzt
Uhr, Merkmal einer Smartwatch ist, dass sich neben der Uhrzeit
weitere Informationen darstellen lassen und der Anwender ggf.
zusätzliche Funktionen mit Programmen installieren kann.
Begriff für Technik und Systeme in Wohnräumen und Wohnhäusern
zur Erhöhung von Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effizienter
Energienutzung auf Basis vernetzter und fernsteuerbarer Geräte und
automatisierbarer Abläufe.
siehe Smart Home, auch bezeichnet mit Ambient Assisted Living oder
eHome
Sozialgesetzbuch
UN-Behindertenrechtskonvention
User-Design
Nutzererfahrungen, UX
User Experience Design, Design basierend auf Nutzererfahrungen
Werkstatt für Menschen mit Behinderungen
Weltgesundheitsorganisation
Ich habe hier den Begriff Peer-Forscher eingeführt, da die Co-Forscher mit kognitiven Behinderungen,
auch Vertreter, d. h. Peers, der Zielgruppe – Menschen mit kognitiven Behinderungen – sind.
XIII
Abbildungsverzeichnis
Teil A
Abb. 1
inklusives und soziales Modell (Quelle: OLIVER, M. 1996)
Abb. 2
Das integrative bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation von
Funktion, Behinderung und Gesundheit (Quelle: ICF)
Internet of Things (Quelle: eigene Darstellung 2019)
Dienste von Google
Was ist UCD – Schritte Design Thinking Prozesses (Quelle: Fraunhofer Design Thinking
Factory)
„Meet the Elements“ Garrett, J. 2011 – von unten nach oben bauen
Empowerment IPAR-UCD (Quelle: eigene Darstellung 2018)
Action Research und User-Centred (Quelle: eigene Darstellung)
»Autonomieerfahrung von Menschen mit kognitiven Behinderungen« (Quelle: eigene
Darstellung 2018)
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9
Teil B
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Generic model for conducting DBR in education, (Quelle: MCKENNEY S./ REEVES, 2012)
Logo vom Projekt »Easy Reading« (Quelle: Philipp Edler 2017)
Beispiel für eine partizipativ gestaltete Internetseite www.ich-kenne-meine-rechte.de
(Quelle eigene Darstellung):
Kurzbeschreibung Proqualis (Quelle
https://www.proqualis.at/index.php?id=2&no_cache=1)
Methoden für die inklusive Usability-Evaluation (Quelle: eigene Darstellung)
Erste Usability –Evaluation mit den Peer-Forscherinnen (Quelle: Projekt Easy Reading)
Tabellenverzeichnis
Teil A
Tabelle 1:
Gegenüberstellung der verschiedenen Modelle von Behinderung:
Tabelle 2:
Tabelle 3:
Menschen mit kognitiven Behinderungen als Teilnehmer in der Forschung
Anforderungen an die inklusive Forschung
Teil B
Tabelle 1:
Tabelle 2:
Unterscheidungen von drei verschiedenen prozessbegleitenden Forschungsansätze
Durchführung eines User-Tests
Tabelle 3:
Tabelle 4:
Methoden für inklusive partizipatives Design
User-Centred Design – Methoden zur inklusive-partizipative Designentwicklung und
zur Datenanalyse
ANMERKUNG: Trotz der Problematik der Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit nach Möglichkeit eine
gendergerechte Schreibweise berücksichtigt, eine neutrale Formulierung gewählt bzw. englische
Begriffe beibehalten. Es war auch der ausdrückliche Wunsch der hier beteiligten PeerForscherinnen und Peer-Forscher im »Easy Reading« Projekt, dass sowohl die weibliche, als auch
die männliche Form im Projekt verwendet wird.
XIV
EINLEITUNG UND MOTIVATION
Das Thema inklusive und/oder partizipative Forschung und Empowerment bei der Beteiligung von
Menschen mit kognitiven Behinderungen wirft an sich schon zahlreiche Fragen auf, die
anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung (F&E) und User-Centred Design (UCD) bringen
noch einmal eine andere Sicht auf die Dinge.
Inklusive Forschungsansätze gibt es bislang fast ausschließlich in den Sozialwissenschaften (vgl.
SCHUPPENER, S. et al. 2016: 13 ff.). Die allgemeine Forschung ist lange davon ausgegangen, dass
Menschen mit kognitiven Behinderungen keine eigenständigen Entscheidungen treffen können.
Eine direkte Beteiligung von Personen mit kognitiven Behinderungen wurde daher bei Forschung
und Entwicklung weitgehend von vorneherein ausgeschlossen (ISTENIC STARCIC, A.; BAGON, S. 2014;
BOHMANN, R.P. 2007). Die Bedarfe, Bedürfnisse, Anforderungen wurden größtenteils
stellvertretend von ihren verantwortlichen Vertretern auf alltägliche oder therapeutische
Anwendungen reduziert (Proxy-Aussagen). Persönliches und personelles Potenzial der
Betroffenen blieben oftmals unberücksichtigt, (vgl. MADRID, R. I. 2015). Gerade auch im Bereich
der Kommunikationswissenschaften fehlt es an einer Sensibilisierung bzgl. dieser Zielgruppe.
Die gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen den Bedingungen und Möglichkeiten der
Kommunikationstechnologie in der Gesellschaft mit immer wieder neuen Abhängigkeiten von
Einsatz und Verarbeitung, von Wissen, Bildungsstand und kognitive Nutzung von Information
Gestaltungen nicht (mehr). Gleichzeitig wächst die Gefahr aus gesellschaftlich relevanten
Zusammenhängen ausgeschlossen zu werden, sowohl für die Sicherung des Lebensunterhaltes als
auch bei der Bewältigung des Alltags (vgl. BURKHART, R. 2002).
Hier sind nicht nur rechtliche und ethische Orientierungen gefragt, sondern ein Perspektivwechsel
ist notwendig. Nur so lassen sich entsprechende inklusive Forschungsdesigns planen und
entwickeln, die die Zielgruppe direkt in den Blick nehmen. Ziel ist es, sie so weit wie möglich und
von Anfang an in die Entwicklung von Forschungsprojekten mit einzubeziehen, die ihren
Bedürfnissen und Anforderungen entsprechen.
XV
AUFBAU DER ARBEIT
Im Teil A dieser interdisziplinären Arbeit werden unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven
der einzelnen Fachdisziplinen zur inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung
eingenommen. Dies gilt als Orientierung und ist Grundlage für das nachfolgende inklusive
Forschungskonzept.
Nachdem eine Beschreibung der Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen und die
Einordnung in den internationalen Diskurs versucht wurde, ist zu Beginn die Frage zu
beantworten, welche Rolle nehmen Menschen mit kognitiven Behinderungen bislang in der
Gesellschaft und insbesondere in Wissenschaft und Forschung ein. Der inklusive Forschungsansatz
steht hierbei im Vordergrund.
Im Anschluss werden für die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung unterschiedliche
Aspekte betrachtet und versucht, einen Standpunkt einzunehmen. Da Menschen mit kognitiven
Behinderungen zu den vulnerablen Gruppen, also besonders schutzbedürftigen Personengruppen
zählen, werden hier sensible Bereiche auf der normativen und ethischen Ebene diskutiert und
anschließend in die Intervention eines inklusiven Forschungsanspruchs aufgenommen. Hierbei
schwingt der menschenrechtliche Anspruch auf Teilhabe in unserer vernetzten Lebenswelt mit.
Inklusive-partizipative Forschung4 hat inzwischen einen Platz in den Medizin- und
Sozialwissenschaften gefunden, andere Wissenschaften müssen noch folgen, dennoch fehlt es an
inklusiven Forschungskonzepten. Basierend auf der wissenschaftlichen Literatur werden einzelne
für diese Arbeit relevante Beispiele vorgestellt, um zu zeigen, wie in der Forschung inklusive
Ansätze bereits verwirklicht wurden.
Anschließend wird die Verknüpfung von Inclusiv Participatory Action Research und User-Centred
Design als inklusives Forschungskonzept dargestellt und die Chancen und Herausforderungen von
IPAR-UCD und die Gütekriterien qualitativer Forschung diskutiert.
In Teil B wird das neue designbasierte Forschungskonzept im Detail vorgestellt, das darauf abzielt
die userzentrierte Forschung und Entwicklung (F&E), wie dies bei anderen Nutzern mit und ohne
Behinderungen bereits Standard ist, mit der Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess zu
ermöglichen (Miesenberger, K. et al. 2019).
4
Der Begriff inklusive-partizipative Forschung wird hier verwendet, um eine Reihe von
Forschungsansätzen zu beschreiben, bei denen Personen mit kognitiver Behinderung mit
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Forschung zusammenarbeiten (vgl. WALMSLEY,
J./JOHNSON, K. 2003: 11-16)
XVI
Für die Weiterentwicklung von IPAR-UCD wird zunächst der Design-Based Research als Ansatz
begründet und am Beispiel vom LAB »Easy Reading«, Teil in einem EU-Projekt (2018- 2020)
ausgeführt.
Es soll gezeigt werden, wie die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen im
Bereich Forschung und Entwicklung und Usability-Forschung durchführbar und sinnvoll ist. Dass
es sich bei der empirischen Anwendung von IPAR-UCD um eine fundierte theoriebasierte
Forschungsstrategie handelt, wird mithilfe des Design-Based Prozesses am Beispiel vom »Easy
Reading-LAB« transparent gemacht. Dem Ansatz von Design-Based Research werden
entsprechende Forschungsfragen zugrunde gelegt.
Abschließend wird im Teil C die Frage diskutiert, ob und inwieweit Forschung und Entwicklung
(F&E) durch Anpassung und Weiterentwicklung von Usability-Methoden die inklusive Beteiligung
der zukünftigen Nutzer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher an nutzerzentrierter Forschung
realisiert werden kann. Mit einer SWOT-Analyse werden die Stärken, Schwächen, Chancen und
Möglichkeiten von inklusiver-partizipativer Forschung für die Forschung und Entwicklung
untersucht und abschließend Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt.
Das im Rahmen des LAB entwickelte Handbuch für Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher,
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler
und
Entwicklerinnen/Entwickler5
entspricht
dem
Paradigma der Transparenz bei inklusiven Forschungsprojekten. Es ist daher auch in leichter
verständlicher Sprache und entsprechendem Layout erstellt.
5
(https://www.easyreading.eu/wp-content/uploads/2019/10/Handbuch_DE.pdf)
XVII
Teil A
Orientierung: Grundlagen und Theorie
zur inklusiven-partizipativen
Forschung und Mensch-ComputerInteraktion
1
2
1 MENSCHEN MIT KOGNITIVER BEHINDERUNG
IN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG
(Die Zielgruppe)
„Die eigentliche Frage ist jedoch nicht nach der
richtigen Definition. Entscheidend ist vielmehr die
Erkenntnis, ob und in welchem Maße wir wirklich und
konkret frei sind
Erich Fromm (1968)
ÜBERBLICK
Das Phänomen Behinderung ist und war in der Vergangenheit bis heute einem ständigen
Wandel und Verständnis unterzogen. Heute existieren unterschiedliche Konzepte, Modelle,
Klassifikationen und Einordnungen von Behinderung nebeneinander. Ebenso schwierig ist es, die
Eingrenzung der sogenannten 'geistigen Behinderung' auszumachen. Es wird daher in dieser
Arbeit von Menschen mit kognitiven Behinderungen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten
gesprochen.
Waren Menschen mit kognitiven Behinderungen zunächst das Objekt der Wissenschaft und
Forschung, haben sich bis heute grundlegende Änderungen des Blickwinkels vom
Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt unter dem Paradigma der Selbstbestimmung ergeben.
Dennoch ist der alltägliche Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen für viele
Menschen ohne Behinderungen oft nicht einfach. Kognitive Behinderungen von Menschen mit
Behinderung sind schwer zu verstehen. Die unterschiedlichen Formen der Behinderung sind
manchmal schwierig zu diagnostizieren und/oder zu charakterisieren, da die Merkmale von
Menschen mit ähnlichen kognitiven Behinderungen aufgrund von Abweichungen oder
Ausprägungen sehr unterschiedlich sein können (vgl. MARIGER, H. 2006). Vieles von dem, was
bezüglich kognitiver Behinderungen geschrieben und veröffentlicht wird, stammt aus einer
klinischen Forschungssicht (vgl. ebd.). Einige der möglichen kognitiven Einschränkungen sind bis
heute noch unbekannte Bereiche, insbesondere für die Forschung und Entwicklung im Hinblick
auf Mensch-Computer-Interaktion (HCI) für Menschen mit kognitiven bzw. geistigen
Behinderungen.
3
1.1 Vom (Begriff) »Krüppel« zum »Mensch mit Behinderung«
Die Wahrnehmung von und der Umgang mit Menschen mit Behinderung war in der Vergangenheit
unterschiedlich. Eine bedeutsame Darstellung der historischen Entwicklung der sogenannten
Geisteskrankheit gibt MICHEL FOUCAULT in seinem Buch „Wahnsinn und Gesellschaft“ (vgl.
FOUCAULT, M. 1995).
1.1.1
Behinderung als Phänomen
In der (empirischen) Forschung wurden Theorien über geistige Behinderung, über die Personen
mit geistiger Behinderung und ihre Lebenswelten lange Zeit von 'Nichtbehinderten' entwickelt
(vgl. WAGNER-WILLI, M. 2016: 216). „Als normativer Hintergrund diente deren jeweilige Kultur und
Lebenswelt sowie eine wissenschaftliche Betrachtungsweise auf der Grundlage von
Forschungsstrategien die Labortheorien entstammen“ (ebd. 217).
Ohne veränderte Einstellungen und neue Forschungsansätze wird die Erschließung von neuen
Anwendungsfeldern wie Informationen zu einem Produkt, Artefakt oder einem Design für
Menschen mit kognitiven Behinderungen spekulativ, ungenau und schwierig bleiben. Um
Entwicklung und Forschung in Bezug auf die Zielgruppe zu verstehen, sollen hier eingangs
verschiedene Perspektiven auf Menschen mit kognitiven Behinderungen eingenommen werden.
„Behinderung als soziales Phänomen' umfasst das Spannungsfeld zwischen
Selbstwahrnehmung und Identität von behinderten Menschen einerseits und der
Zuschreibung von Behinderung durch soziale Umwelt und Gesellschaft andererseits.“
(INSTITUT FÜR ETHIK UND WISSENSCHAFT 2009).
Mit dem Begriff »Behinderung« wird allgemein zunächst eine körperliche oder geistige, bzw.
kognitive Schädigung und eine damit im Zusammenhang stehenden Funktionsstörung verbunden
(vgl. GRUBER, D.; BÖHM, M.; WALLNER, M.; KOREN, G. 2017: 31).
MARKUS DEDERICH stellt fest,
„dass die theoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der Behinderung zu den
komplexesten und schwierigsten Problemen der Behindertenpädagogik6 gehört. Er
verweist dabei auf die Geschichtlichkeit und bezeichnet Behinderung als soziales
Konstrukt [Hervorhebung von C.E.] als Folge von Zuschreibungen, Etikettierung und
Stigmatisierung sowie Systemeffekten“ (Dederich, M. 2009: 36).
6
4
Die Begriffe Behindertenpädagogik, ebenso wie auch Sonder- und Heilpädagogik werden heute
weitgehend synonym mit Rehabilitationspädagogik/Rehabilitationswissenschaften gebraucht.
Es geht nicht um eine allgemeine sprachliche Festlegung des Begriffs von Behinderung, sondern
um eine Annäherung, um ein besseres Verständnis von und für Menschen mit kognitiven
Behinderungen. Mit dem muss sich inklusive Forschung und Entwicklung sowie die
Informationsgesellschaft IoT Internet der Dinge)7 auseinandersetzen.
Es werden in diesem Kapitel zunächst die Entstehung, die aktuellen Diskurse und internationale
Entwicklungen zum Begriff 'kognitive Behinderung' aufgegriffen. Im Anschluss wird im
Zusammenhang mit einem inklusiven-partizipativen Forschungsprojekt, in dem gemeinsam mit
dieser Zielgruppe geforscht und entwickelt wird, die Einordnung von geistiger Beeinträchtigung
bzw. Behinderung neu in den Fokus genommen und reflektiert. Dies hält u. a. TINA GEBERT für
notwendig, da sich Forschung immer zwischen der Wissenschaftlichkeit und dem Teilhaberecht
bewegt (vgl. GEBERT, T. 2014).
1.1.2
Krüppel – Blöde – Siechen
Die Rolle des behinderten Menschen wie dessen Benennung haben sich im Laufe der Geschichte
immer wieder gewandelt. Im Mittelalter wurden Behinderte als Besessene, Teufelswerk,
Wechselbalg oder Fex diffamiert. Später hießen sie Krüppel, Siechen, Blöde, Schwachsinnige,
Debile, Idioten.
VOLKER SCHÖNWIESE redet in diesem Zusammenhang auch von Entmenschlichung
(vgl. SCHÖNWIESE, V. 2007).
Das Wort Behinderung lässt sich in der deutschen Sprache schon 1807 nachweisen (vgl. RHEIN, W.
2013). Der Brockhaus erwähnt den Begriff »Behinderte« erstmals im Ergänzungsband seiner
siebzehnten Auflage aus dem Jahr 1981 (BROCKHAUS 1981: 84 ff.). Der Begriff »Behinderung« war
und ist aber deshalb problematisch, da er kein persönliches Merkmal, sondern eher eine
'gesellschaftliche Positionszuschreibung' ist, die aufgrund vermuteter oder erwiesener
Funktionseinschränkungen getroffen und an aktuellen gesellschaftlichen und individuellen
Normvorstellungen gemessen wird (vgl. THIMM, W. 1999: 10).
Von wissenschaftlicher Seite interessierten sich für das Thema Behinderung in erster Linie die
Medizin und die Pädagogik (Heil-, Sonder-, Integrations- und Inklusionspädagogik). In der Medizin
gab es für die sogenannte geistige Behinderung lange den Begriff der »Oligophrenie«. Man sprach
im allgemeinen Sprachgebrauch auch von Schwachsinn.
7
IoT (Internet of Things) bezeichnet Funktionen, die die Interaktion zwischen Menschen und hierüber
vernetzten beliebigen elektronischen Systemen, sowie zwischen den Systemen an sich, erlauben, z. B.
Smart Home.
5
Oligophrenie galt als Sammelbegriff für Intelligenzminderung oder Minderbegabung aller
Schweregrade und aller Herkunft, entweder auf erblicher Grundlage für angeboren oder im
frühen Kindesalter erworben.
Es zählten hierzu Störungen der Intelligenzentwicklung, die organisch bedingt waren
beispielsweise genetische Erbkrankheiten, chromosomale Syndrome, Unverträglichkeit der
elterlichen Rhesusfaktoren, pränatale Infektionen, Fehlbildungen, Geburtsschäden, etc.
(vgl. Bauer M. et al. 1973: 199).
Die (Entwicklungs-) Psychologie betrachtete Störungen der Intelligenzentwicklung vor allem in
Hinblick auf die kognitive Leistungsfähigkeit des einzelnen Kindes bzw. die sogenannte
Retardierung bei einem IQ unter 658 (vgl. NICKEL, H. 1975: 221 ff.). Bei dieser Intelligenzdiagnostik
wurde nicht die Intelligenzpotenz, d. h. die intellektuellen Möglichkeiten eines Menschen,
sondern lediglich das intelligente Verhalten als Leistung untersucht. Dabei wurde auch nicht
bedacht, dass es sich bei einer geistigen Behinderung nicht immer um eine allgemeine
Retardierung handelt, sondern manchmal nur bestimmte geistige Fähigkeiten betroffen
waren/sind (vgl. SCHRAML, J. 1972). Heute werden schon in der frühen Kindheit Störungen,
Entwicklungsrisiken und Förderungsmöglichkeiten in Betracht gezogen (vgl. ROLLETT, B. 2002: 713
ff.). Der Begriff »Behinderung« ist der zentrale Begriff der Sonderpädagogik. Dennoch herrscht
hier kein Konsens über die Bedeutung und den Stellenwert des Begriffs und er wird immer wieder
neu diskutiert. In der Heil- und Sonderpädagogik bestimmte die Diskussion um den
Behindertenbegriff zunächst SPECK (1972): „Der geistig behinderte Mensch und seine Erziehung“
und BLEIDICK (1981): „Einführung in die Behindertenpädagogik“.
8
6
Normalintelligenz liegt im Bereich von jeweils einer Standartabweichung vom Mittelwert nach links und
nach rechts (IQ 85-115). Hochbegabung entspricht einem Wert oberhalb der zweifachen Standartabweichung nach rechts (also IQ über 130). Lernbehinderung entspricht einem Wert zwischen einer und
einer doppelten Standartabweichung nach links (IQ 85-70). Geistige Behinderung entspricht einem Wert
unter einer zweifachen Standartabweichung nach links (also unter IQ 70) (vgl. ebd.). Leichte kognitive
Behinderung (IQ 55 - 70). Moderate kognitive Behinderung (IQ 30 - 55). Schwere kognitive Behinderung
(IQ unter 30), (vgl. Zimpel, A. 2009).
Intellektuelle oder kognitive Behinderung wird heute nicht mehr als Folge von Behinderungen
verstanden, sondern als Einschränkung der Teilnahme, deren Ausmaß und Qualität in erster Linie von
der Umgebung und den persönlichen Umständen abhängt. Dies bedeutet, dass die verminderte
Fähigkeit, neue oder komplexe Informationen zu verstehen, neue Fähigkeiten zu erlernen und
angemessen anzuwenden, nicht nur die soziale Kompetenz, sondern auch die Fähigkeit, ein
unabhängiges Leben zu führen, beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung der Beteiligung kann in der
Kindheit oder Jugend beginnen. Entscheidend hierfür sind die vorhandenen Rahmenbedingungen, die
diese Beteiligung begünstigen oder verhindern. (vgl. Bless, D./Hellfritz, K. 2016: 5). Wobei zu erwähnen
ist, dass die Neurodiversität8 von Menschen mit kognitiven Behinderungen in diesem Zusammenhang
bislang (noch) keine Berücksichtigung findet (vgl. Zimpel, A. 2016).
SPECK betont 1990, dass gerade die Pädagogik eine von den anderen Wissenschaften abgegrenzte
Definition geistiger Behinderung erfordert. Er definiert diese daher wie folgt:
„Für die Pädagogik ist eine geistige Behinderung sowohl ein Phänomen vorgefundener und
zu erfassender Wirklichkeit, wie sie sich im organischen (pathologischen) Zustand, in der
individuellen Befindlichkeit und in den gesellschaftlichen Bedingungen darstellt als auch eine
Wirklichkeit, die unter dem Anspruch von Menschlichkeit erzieherische Hilfe zur Entfaltung
braucht und von Werten und Normen bestimmt wird.“ (SPECK, O. 1990: 56)
Trotz ihrer positiven Bemühungen war die Heil- und Sonderpädagogik immer dadurch
gekennzeichnet, dass sie Menschen mit geistiger Behinderung zunächst als hilfsbedürftige und
abhängige Personen definierte und die Bildbarkeit dieser Personengruppe infrage stellte.
BLEIDICK versucht 1981 mit seiner »Einführung in die Behindertenpädagogik« den Blick auf
Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu erweitern. Von ihm stammt die folgende
häufig zitierte 'weite' Definition von Behinderung:
„Als behindert gelten Personen, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen
und geistigen Funktionen soweit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren
Lebensverrichtungen oder die Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert werden.“
(BLEIDICK, U. 2006:79)
BLEIDICK versucht zudem die Bildbarkeit der geistig behinderten Kinder nachzuweisen. Worauf der
gesamte Bildungsbegriff des deutschen Schulwesens verändert und erweitert wurde. „Mit
Beschluß [sic!] vom 6. Mai 1994 hat die ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland »Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen
der Bundesrepublik Deutschland« verabschiedet.“ (ANTOR, G. /BLEIDICK, U. et al. 1995: 247 ff.)
Bis zu diesem Zeitpunkt war der bisherige Bildungsauftrag der Schulen die Vermittlung der
Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben, Rechnen. Das deutsche Bildungswesen erkannte ab diesem
Zeitpunkt die praktische Bildbarkeit und Selbstverwirklichung mit sozialer Integration als
Bildungsziel an und sah es als eine Aufgabe der Schule an von der Handlungs- und Erlebnisebene
zur Selbstbestimmung zu führen (vgl. ANTOR, G./BLEIDICK, U. 2006: 137 ff.). Im Bildungsauftrag der
Schulen für diese Zielgruppe (Namen in den einzelnen Bundesländern in Deutschland
unterschiedlich) stand von da an die praktische Bildung eher im Vordergrund.
Als Vertreter der Inklusionspädagogik müssen SANDER (1992): „Wohnortnahe Integration –
Grundzüge, Probleme, Erfahrungen“, FEUSER (1995): „Behinderte Kinder und Jugendliche:
zwischen Integration und Aussonderung“ und THEUNISSEN (2003): »Handbuch Empowerment und
Heilpädagogik (2)«, erwähnt werden.
7
Ab dem Jahr 1996 versuchten FEUSER, wie seine Mittstreiter das Thema Integration/Inklusion als
gesellschaftliche Aufgabe für die Pädagogik voranzubringen. Er vertritt vor allem mit seinem
Aufsatz mit dem Titel »Geistig Behinderte gibt es nicht«, eine provokante radikale Position. Er
verweist darauf,
dass
geistige
Behinderung
nur durch einen phänomenologischen
Klassifikationsprozess hervorgebracht wird (vgl. FEUSER, G. 1996).
Aktuell hat sich der Soziologe KASTL in seiner „Soziologie der Behinderung“ (2017) mit den
Entwicklungen und Einstellungen zur Behinderung auseinandergesetzt. KASTL geht der
grundsätzlichen Frage nach, was unter Behinderung eigentlich zu verstehen ist. Er stellt hierbei
das Verhältnis der Beeinträchtigung zur sozialen Bestimmung von Behinderung in den
Mittelpunkt. Auf der einen Seite der behinderte Körper und auf der anderen Seite die sozialen
Konstruktionen und Produktionen zu Behinderung. Er sieht Behinderung nicht ausschließlich als
körperlichen Defekt bzw. als ausschließlich sozial-kulturelles Phänomen, sondern stellt so die
Abhängigkeit beider dar (vgl. KASTL, J. 2017).
Darüber hinaus vertreten u. a. WALDSCHMIDT (2005) und DEDERICH (2009) bis heute die Grundidee
der Disability Studies. Beide diskutieren den Perspektivenwechsel der Wissenschaft zum Thema
Behinderung, Autonomie, Inklusion und Teilhabe. Disability Studies gelten als eine politische
Wissenschaft, die sich aus der politischen Behindertenbewegung entwickelt hat. Die
Selbstbestimmung gilt dabei als behindertenpolitisches Paradigma, weil Menschen mit
Behinderungen die Selbstbestimmung eher verwehrt wird als Nichtbehinderten. Insbesondere
Menschen mit kognitiven Behinderungen, deren Möglichkeiten zu verstehen und zu begreifen als
dauerhaft eher schwach eingestuft werden, wird diese Selbstbestimmung oft abgesprochen
(siehe Kapitel 3.6. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht
in der Forschung, die Informierte Einwilligung).
1.2 Der Begriff Behinderung in der heutigen Zeit
Man spricht heute korrekt nicht mehr von den Behinderten, sondern von Menschen mit
Behinderung. Doch trotz des Bedeutungswandels des Begriffs »Behinderung« in den vergangenen
Jahren besteht immer noch die Defizitorientierung (vgl. LINGG, A./THEUNISSEN, G. 2008: 18) und zur
jeweiligen Behinderungsform gibt es eine bestimmte Vorstellung von Entstehung, Ausprägung
bzw. ihrer Beschaffenheit.
8
„Behinderung ist in diesem Sinne [...] das Ergebnis eines Wahrnehmungs- und
Deutungsprozesses angesichts von erwartungswidrigen Merkmalen oder Eigenschaften eines
Individuums. Sie ist eine Folge der kulturellen Hervorbringung von ästhetischen, kognitiven,
moralischen, kommunikativen, sozialen und ökonomischen Ordnungsmustern, die Eigenes
und Fremdes, Vertrautes und Unvertrautes, Erwünschtes und Unerwünschtes [...]
unterscheidbar machen.“ (DEDERICH, M. 2009: 37)
Statt von Menschen mit Behinderung wird häufig auch von Menschen mit Beeinträchtigungen
gesprochen. Wobei die Behinderung als eine Folge einer Beeinträchtigung gesehen wird (vgl. ebd.:
15). Diese Unterscheidung macht auch GRAUMANN, die eine Beeinträchtigung in den körperlichen,
geistigen oder psychischen Schädigungen und die Behinderung als Folge gesellschaftlicher
Barrieren und fehlende Unterstützung sieht (vgl. GRAUMANN, S. 2006).
Ob eine Beeinträchtigung als Behinderung oder chronische Krankheit eingestuft wird, hängt nicht
allein von einer ärztlichen Diagnose ab, sondern auch davon, wie sich diese Beeinträchtigung in
Verbindung mit den konkreten Gegebenheiten auswirkt und die betroffene Person „an der vollen,
wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft“ gehindert wird (vgl.
»Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen« auch UNBehindertenrechtskonvention oder UN-BRK).
Das deutsche Sozialrecht bezeichnet als Behinderung eine dauerhafte und gravierende
Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer
Person. Diese wird durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren
(Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen verursacht, die die Überwindung der
Barrieren erschweren oder unmöglich machen (vgl. SOZIALGESETZBUCH § 2, 1 SGB IX).
Dieser Behinderungsbegriff findet sich heute in Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Medizin
oder Pädagogik, insbesondere aber im sozialrechtlichen Kontext wieder. Im Letzteren sichert der
bestehende Behinderungsbegriff und die Diagnose Rechtsansprüche auf vielfältige Unterstützung
und Hilfe. Obwohl zwar unterschiedliche Behinderungsmodelle diskutiert werden, auf die
nachfolgend im Kapitel 1.3 eingegangen wird, gibt es bis heute keine allgemein anerkannte
Definition von Behinderung. Trotzdem ist der Begriff »Behinderung« selbst seit Jahrzehnten im
allgemeinen Sprachgebrauch etabliert.
Nicht nur für den deutschsprachigen Bereich, sondern auch international finden sich die
unterschiedlichsten Definitionen für den Behinderungsbegriff. Dies ist nur damit zu erklären, dass
Menschen mit Behinderungen aufgrund der vielen unterschiedlichen Beeinträchtigungen nicht
mit einer einheitlichen Definition zusammenfassbar sind und auch die jeweiligen kulturellen
Faktoren hier mitspielen (vgl. LEITNER, B. 2007).
9
1.3 Behinderung – Konzepte, Modelle, Klassifikation und Einordnung
Verschiedenste Ansätze und Positionen prägten und prägen den Umgang mit Behinderung und
haben die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussionen in den letzten 50 Jahren und bis
heute wesentlich beeinflusst. Es wird nicht möglich sein, an dieser Stelle den Begriff
»Behinderung« in allen seinen Dimensionen vollständig zu bestimmen. Behinderung kann aus
verschiedenen Perspektiven thematisiert werden. Es soll dennoch ein Überblick über
verschiedene Definitionen gegeben werden, um die Vielschichtigkeit dieses Begriffs zu
verdeutlichen.
Um sich einer Definition der Zielgruppe des Projektes (auch im internationalen Kontext) nähern
zu können, sollen zunächst die unterschiedlichen Behinderungsmodelle bzw. Definitionen
skizziert werden, um im Anschluss eine Einordnung der Zielgruppe vorzunehmen und auf ihre
Rolle in der Forschung einzugehen (siehe Kapitel 1.5 Forschung mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Objekt in Wissenschaft und Forschung).
Es werden im Folgenden vorgestellt:
das individuelle oder medizinische Modell
das soziale Modell
das bio-psychosoziale Modell
das kulturelle Modell
1.3.1
Das individuelle oder medizinische Modell von Behinderung
Das individuelle Modell auch als medizinisches Modell in der Literatur bekannt, beschreibt
Behinderung als Merkmal des Individuums. Eine Behinderung ist demnach die Auswirkung einer
Krankheit, einer Verletzung oder anderer funktioneller oder morphologischer Defekte bzgl. Form,
Gestalt und Struktur, d. h. Folge ist eine körperliche, psychische oder geistige Behinderung (vgl.
GRUBER, D. et al. 2017: 31). Behinderung gilt in der Regel als irreversibel. Es handelt sich in der
Medizin zunächst aus klinischer/wissenschaftlicher Sicht um das Management von Krankheit oder
Behinderung. Im Mittelpunkt stehen dabei Prävention, Therapie, Behandlung und ggf. Hilfsmittel.
Dabei setzt man längerfristig auf Heilung der Person oder zumindest deren Eingliederung in die
Gesellschaft.9
9
Für Menschen mit Behinderung gibt es in Deutschland die Leistungen zur Teilhabe (9. Sozialgesetzbuch,
SGB IX), die sich in Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilnahme am Arbeitsleben und zur
Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft aufteilen. Für Schwerbehinderte gibt es zusätzliche Hilfen. mit
einer medizinischen Diagnose. Behinderung wird im SGB IX definiert (siehe Anhang 1).
10
Auch Lernbehinderung und Geistige Behinderung gelten im medizinischen Sinne als eine
definierte Schädigung. Man versteht darunter Personen, die aufgrund einer Schädigung (z. B.
genetischer Veränderungen oder Gesundheitsstörungen durch Krankheit und Unfall) in ihrer
Lernfähigkeit deutlich hinter den auf das Lebensalter bezogenen Erwartungen, in
unterschiedlichem Ausmaß, sprachlich, emotional und/oder motorisch zurückgeblieben sind (vgl.
GILLBERG, C./SODERSTROM, H. 2003).
1.3.2
Das soziale Modell von Behinderung
Das soziale Modell von Behinderung bzw. die soziale Sicht auf Behinderung war eine Reaktion auf
das medizinische Modell. OLIVER (1990) wie auch SHAKESPEARE (1998) und BARNES (1999) kritisieren
das individuelle Modell von Behinderung, dass das 'Problem' der Behinderung beim Individuum
lokalisiert und man die Ursachen dieses Problems als funktionelle Einschränkungen oder
psychischen Verlust sieht (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2005: 9).
OLIVER bezeichnet dies als ein Zufallsereignis, das zufällig bei unglücklichen Individuen auftritt und
dazu führt, dass die betroffene Person eine gesellschaftliche Funktion oder Rolle nicht einnehmen
kann.
Das soziale Modell leugnet nicht das Problem der Behinderung, sondern lokalisiert das Problem
direkt in der Gesellschaft. Auch die Entwicklung des sozialen Modells von Behinderung durch die
Menschen mit Behinderungen selbst, ist ein Ausdruck davon, insbesondere in Großbritannien. Sie
meinen, nicht die individuellen Einschränkungen seien Ursache des Problems, sondern das
Versagen der Gesellschaft angemessene Dienstleistungen zu erbringen und die Bedürfnisse von
Behinderten zu berücksichtigen. Die Folgen des Scheiterns betreffen nicht zufällig Einzelpersonen,
sondern systematisch Menschen mit Behinderungen als Gruppe, die dieses Versagen als
Diskriminierung institutionalisiert überall in der Gesellschaft erleben (vgl. OLIVER, M. 1990). OLIVER
stellt die Unterschiede zwischen dem individuellen (medizinischen) Modell und dem sozialen
Modell von Behinderung gegenüber.
Das individuelle Modell versteht Behinderung als persönliches Problem (Tragik) mit einer
individuellen Behandlung sowie medizinischen und professionellen Betreuung, hingegen das
soziale Modell sieht Behinderung als ein soziales Problem, was soziales Handeln zur Selbsthilfe
und individuelle und kollektive Verantwortung erfordert.
Aus dieser Kritik am medizinischen Modell und der Kritik der Disability Studies (vgl. WALDSCHMIDT,
A. 2005) ist das heute bekannte soziale Modell von Behinderung entstanden.
11
Hieraus folgte die Kritik an der akademischen Wissensproduktion zum Thema Behinderung.
Vertreter der Disability Studies kritisieren den häufig defizitären ausschließenden Charakter der
Forschung, die nicht in der Lage sei, eine Verbesserung sowohl der sozialen als auch der
materiellen Lebensbedingungen behinderter Menschen herbeizuführen (vgl. BUCHNER, T./ KÖNIG,
O./ SCHUPPENER, S. 2011: 13).
In der Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wird Behinderung, wie bei den Disability Studies,
als ein von gesellschaftlichen Bedingungen verursachtes Problem (WALDSCHMID, A. 2005; siehe
auch Kapitel 3.4 (Die UN-BRK als rechtliche Grundlage inklusiver Forschung und Entwicklung)
beschrieben.
Nicht die Person ist behindert, sondern die Bedingungen ihrer Umwelt führt in einer
Wechselwirkung mit dem Individuum zu (s)einer Behinderung. Das besagt, dass sich diese
Forderung nicht nur auf die Beseitigung gesellschaftlicher Missstände bezieht und die
medizinische Hilfe pauschal ablehnt, sondern medizinische wie gesellschaftliche Probleme von
Behinderung gesellschaftlich gelöst werden (vgl. GRAUMANN, S. 2006: 20-24). Durch den Einfluss
der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Offenheit für die Einsicht in die soziale Konstruktion
und die kritische Reflexion eines medizinischen, defektorientierten Verständnisses von
Behinderung größer geworden.
In der Präambel der Konvention heißt es, dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen
Menschen mit Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die
sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindert (vgl. UNBRK, Artikel 4, Anhang 1).
1.3.3
Das bio-psychosoziale Modell von Behinderung (ICF)
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versucht eine Integration des medizinischen und des
sozialen Modells, das als biopsychosoziales Modell bezeichnet wird: International Classification of
Functioning, Disabilities und Health (ICF).
Sie unterscheidet in 'Functioning' und 'Disability' mit den Komponenten Körperfunktionen und strukturen, Aktivitäten, Partizipation wie auch in 'Contextual Factors' mit den Komponenten
Umwelt, sowie Persönlichkeitsfaktoren. Diese werden noch weiter differenziert nach 'Capacity'
(Vermögen) oder 'Performance'(Umsetzung).
12
Das nachfolgende Modell zeigt die Wechselwirkungen des bio-psychosoziale Modells auf.
1.
Abb. Integratives biopsycho-soziale Modell der ICF, Behinderung und Gesundheit (Quelle: ICF) 10
Bei der ICF der WHO (2001) werden weniger die Störungen, sondern die Möglichkeiten (capability)
eines Menschen mit Behinderung in den Vordergrund gestellt. Es geht um dessen Aktivitäten und
Umsetzung einer Aufgabe oder Aktion, wie um Partizipation und deren Begrenzung durch
Schwierigkeiten bei der Durchführung oder wegen Problemen bei der Einbindung in eine
Lebenssituation. Dabei müssen ebenso die Umweltfaktoren, die physikalische, soziale und die
Umgebung eines Menschen erfasst werden. Erst daraus ergeben sich sowohl die Anforderungen
an die Umgebung, wie an assistierende Technologien (AT) zur Realisierung der Partizipation (vgl.
NEUHÄUSER, G./ STEINHAUS, H.- C. 2013: 17ff.).
Zum Beispiel:
Menschen müssen sich nicht (mehr) an die technische Umgebung anpassen, sondern haben
die Möglichkeit auf Grundlage barrierefreier Gestaltung, dass sich die digitale Technik an ihre
Bedürfnisse als Nutzer/-innen anpasst („Individualisierung“). Dies betrifft ihre Handhabung als
auch ihre Qualität für die Rezeption und das Verarbeiten, Verstehen und Anwenden (vgl.
MIESENBERGER, K. 2013: 29)
1.3.4
Das kulturelle Modell von Behinderung
Abschließend soll hier das kulturelle Modell von Behinderung erwähnt werden.
Insbesondere FOUCAULT entwickelte zunächst ein kulturelles Modell von Behinderung. Er
beschreibt dies erstmals mit der kanadischen Philosophin TREMAIN in dem gemeinsamen Buch
»Foucault and the Gouvernement of Disability« (2005).
10
Grafik der ICF, abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
13
Behinderung ist nach dem kulturellen Modell zufolge insbesondere ein kulturelles und politisches
Konstrukt zugrundeliegender Einstellungen (vgl. HOMANN, J./ BRUHN, L. 2016).
Das kulturelle Modell von Behinderung unterscheidet sich in wichtigen Aspekten von anderen
Modellen: Behinderung wird nicht nur als individuelles Schicksal, wie im individualistischreduktionistischen Behindertenmodell und nicht alleine als eine Auswirkung von Diskriminierung
und Ausgrenzung wie im Sozialmodell gesehen. Vielmehr hinterfragt dieses Modell die andere
Seite. Die häufig unangefochtene 'Normalität' wird ebenso hinterfragt wie Praktiken von (De-)
Normalisierung zu der sozialen Kategorie, die wir als 'Behinderung' bezeichnen, z. B., wie etwas
als Schädigung bzw. Fehlfunktion definiert wird (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2017: 24 f.). Sie versteht
Behinderung nicht als gegebene Tatsache, sondern als Diskurs oder Prozess, Erfahrung, Situation
oder Ereignis. Behinderung bzw. Beeinträchtigung sind demnach keine eindeutigen Kategorien
der pathologischen Klassifikation, die automatisch in Form eines Kausalzusammenhangs zu
sozialer Diskriminierung führen.
Das kulturelle Modell zeigt auf, dass sich die verschiedenen Diagnosen zur Behinderung im Laufe
der Zeit verändert haben und macht daran fest, dass Kategorisierung und Bewertung genauso wie
Sichtbar- und Bemerkbarkeit abhängig von Zeit und Ort und den damit verbundenen sozialen und
kulturellen Faktoren sind. Damit sei Behinderung weniger ein zu bewältigendes 'Problem',
sondern vielmehr ein 'Problem der Gesellschaft mit der Andersartigkeit' (vgl. WALDSCHMIDT, A.
2005).
Das Interesse des kulturellen Modells – als Entwurf von Wissen über Körper, Normalität und
Abweichung – ist die volle Anerkennung, kulturelle sowie gesellschaftliche Teilhabe und nicht
mehr nur, als Minderheit als Träger von Bürgerrechten und Empfänger von Sozialleistungen
wahrgenommen zu werden (vgl. WALDSCHMIDT, A. 2017: 21).
„Diese kulturwissenschaftliche Sichtweise unterstellt nicht – wie das soziale Modell – die
Universalität des Behinderungsproblems, sondern lässt die Relativität und Historizität von
Ausgrenzungs- und Stigmatisierungsprozessen zum Vorschein kommen“ (ebd.: 25).
1.3.5
Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Modelle
Sowohl für das individuell-medizinische als auch das soziale Modell ist die Behinderung eine
Beeinträchtigung, die verhindert oder verbessert werden muss, entweder durch Therapie oder
Abbau von Barrieren (vgl. ebd.: 25).
Das soziale Modell von Behinderung stellt zunächst tradierte Sichtweisen auf Behinderung infrage.
Mit ihm wurde ein neues Paradigma geschaffen, dass eine innovative Perspektive auf Behinderung
jenseits der Rehabilitationswissenschaften eröffnete.
14
Es thematisiert im sozialen Kontext Benachteiligung, Unterdrückung und Diskriminierung als das
Problem. Im Gegensatz zum individuellen medizinischen Modell setzt es an den eigenen
Erfahrungen als Experten in eigener Sache11 und Selbsthilfepotentialen der Betroffenen an.
Hierauf wird im Laufe dieser Arbeit noch näher eingegangen (siehe Kapitel 7.2 Empowerment –
Potenziale nutzen). Für und von den Betroffenen ist sozialpolitisches Engagement gefragt. Die
Aufteilung des 'Behindert-Seins' und 'Behindert-Werdens' im sozialen Modell hat zur Folge, dass
der Körper nur in Bezug auf seine Schädigung und Fehlfunktion relevant ist.
Im Zentrum der Kritik am sozialen Modell von Behinderung steht zum einen der fehlende
wissenschaftliche Anspruch (vgl. KASTL, J. 2017: 51) und zum anderen die strikte Trennung
zwischen individuellen Schädigungen oder/und Beeinträchtigungen und Behinderung als sozial
konstruiertem Vorgang. Dieser verhindere eine Auseinandersetzung mit der eigenen subjektiven
Körpererfahrung und lasse die medizinische Sicht über den behinderten Körper letztlich nicht zu
(vgl. KÖBSELL, S. 2009: 274-276; KÖBSELL, S. 2012).
Das bio-psychosoziale Modell (der ICF), versucht das individuell-medizinische als auch das soziale
Modell miteinander zu vereinen. Obwohl die WHO mit dem ICF 1980 bereits die soziale Dimension
von Behinderung berücksichtigt, wird dem Modell die Defizitorientierung bei Betrachtung der
Behinderung vorgeworfen (vgl. WALDTSCHMIDT, A. 2005: 15 ff.; KÖBSELL. S. 2009: 276).
Auf der einen Seite gilt der ICF alternativlos wegen der präzisen Diagnostik von Problemen
(Ausstattungsdefizite, prekäre Situationen, behindernde soziale Interaktionen usw.). Er ist
Bedingung für hilfreiche professionelle Interventionen (vgl. LOB-HÜDEPOHL, A. 2012: 123). Auf der
anderen Seite wird er als problematisch angesehen.
MARIANNE HIRSCHBERG (2003) weist darauf hin, dass das bio-psychosoziale Modell bei sorgfältiger
Analyse Unklarheiten hinsichtlich der Einbeziehung von Aspekten des medizinischen sowie des
sozialen Modells aufweist, die die Kompatibilität dieser beiden Modelle infrage stellen,
einschließlich ihres Verständnisses von Behinderung und des "Menschenbildes",
dass die
Lebenssituation eines Menschen mit Behinderungen zum Beispiel auf physiologische oder
hirnorganische Störungen reduziert.
In der Praxis gilt dies insbesondere für Menschen mit geistigen Behinderungen (vgl. MEYER, A.-H.
2004).
11
Experten in eigener Sache sind Menschen mit Behinderung. Sie vertreten die Interessen von Menschen
mit Behinderung. Darum nennt man sie auch: Selbstvertreter
15
Trotz allem ist das individuelle oder medizinische Modell gegenüber dem bio-psychosozialen
Modell des ICF immer noch sehr dominant. Obwohl das Modell des ICF derzeit dem
internationalen Diskurs entspricht.
Die Kritik am kulturellen Modell ist, dass es den Diskurs Behinderung zwar als Ausdruck
gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse interpretiert, diesen Diskurs jedoch
tendenziell gleichberechtigt in einer Vielzahl weiterer Diskurse und Machtverhältnisse stellt.
Wenn im Sinne von FOUCAULT (1978) das Subjekt selbst lediglich das Produkt, das „Dispositive der
Macht“ ist, dann gibt es kaum die Möglichkeit der Kritik, geschweige des Widerstandes (vgl.
HOMANN, J./ BRUHN, L. 2016). Mit zunehmender Distanz von Theorie und Praxis besteht die Gefahr,
dass die von Behinderung betroffene Person gar nicht mehr konkret angesprochen wird, sondern
sie sich im Diskurs verliert (vgl. ebd.).
Das kulturelle Modell der Behinderung enthält dennoch eine neue erkenntnistheoretische
Perspektive auf Behinderung, da es keine Randposition einnehmen will, sondern sich im Zentrum
von Gesellschaft und Kultur bewegt und die Thematik der Bedeutung von Kultur in Verbindung
von Behinderung bietet produktive Räume, durch die neuen Sichtweisen und Denkweisen
entstehen könnten, (vgl. ANNE WALDSCHMIDT 2005: 26).
WALDSCHMIDT hat sich insbesondere im Rahmen von Disability Studies mit den verschiedenen
Modellen auseinandergesetzt. Sie argumentiert, dass auch das soziale Modell von Behinderung
nicht unreflektiert für den deutschsprachigen Diskurs übernommen werden solle, da beide
Ansätze das individuelle-medizinische, sowie das soziale Modell Behinderung primär als ein
'Problem' wahrnehmen.
16
Tabelle 1 : Gegenü berstellung der vers chiede nen M odelle von Behinder ung:
Individuelles und soziales Modell (vgl. BARNES et al. 1999: 30). Überarbeitung und Erweiterung
durch das kulturelle Modell©, WALDSCHMIDT, A. (2004) in WALDSCHMIDT, A. (2005).12
Indiv idue l le s M ode ll
D is abilit y S t uddie s
S oz iale s M ode ll
Kult ur e lle s M ode ll
Theorie der ‚persönlichen Tragödie’
Theorie der ‚sozialen
Unterdrückung’
Theorie der ‚De-Konstruktion’
Behinderung als Ergebnis von
Vorurteilen
Behinderung als Ergebnis von
Diskriminierung
Behinderung als Ergebnis von
Stigmatisierung
Behinderung = persönliches Problem
Behinderung = soziales Problem
(Nicht)Behinderung = kulturelles
Deutungsmuster
Individuelle Identität
Kollektive Identität
Kulturelle Identität
Lösungsansatz: individuelle
Behandlung
Lösungsansatz: soziale Aktion
Handlungsansatz: individuelle
und gesellschaftliche Akzeptanz
Lösungsmodus: Medikalisierung
Lösungsmodus: Selbsthilfe
Handlungsmodus: Vielfalt
Professionelle Dominanz
Individuelle und kollektive
Verantwortlichkeit
Individuelle und kollektive
Verantwortlichkeiten
Expertise der Experten als
Ausgangspunkt
Erfahrungen der Betroffenen als
Ausgangspunkt
Erfahrungen aller Mitglieder
einer Kultur als Ausgangspunkt
Fürsorge (care) als Sozialleistung
(Bürger) Rechte als Anspruch
Kulturelle Repräsentation als
Zielsetzung
Kontrolle der Leistungsempfänger
Wahlmöglichkeiten (choice) der
BürgerInnen
Anerkennung der
Gesellschaftsmitglieder
Politikbereich (policy)
Politik (politics)
Diskurs und Praxis
Zielsetzung: Individuelle Anpassung
Zielsetzung: Sozialer Wandel
Zielsetzung: Kultureller Wandel
Behinderung als soziale Konstruktion zu verorten ist das Ergebnis eines ein Jahrzehnt dauernden
Diskursprozesses, der auf nationaler und internationaler Ebene stattgefunden hat (vgl. Jantzen,
W. 1976: 16 ff. und 2002; Weltgesundheitsorganisation/WHO 1980 und 2001; Hirschberg, M.
2009). Die traditionelle medizinische Konstruktion von Behinderung wurde damit abgelöst bzw.
systematisch ergänzt, nachdem Behinderung als soziale Kategorie verstanden wurde.
Das Ergebnis zeigt sich heute in den Bestrebungen zur sozialen Teilhabe, Integration und Inklusion,
die in der Gesundheits-, Sozial- und Bildungspolitik verfolgt werden (vgl. Behindertenbericht der
Bundesregierung/Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2009; UN-BRK 2006/United Nations
2010).
12
Abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis von FRAU PROF. DR. ANNE WALDSCHMIDT
17
1.3.6
Behinderung in der UN-Behindertenrechtskonvention
In der Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention wird direkt auf den Begriff »Behinderung«
Bezug genommen. Es wird dort zusammenfassend gesagt, dass
„das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung
aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungsund umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und
gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.“ (UN-BRK, Präambel)
Diese Darstellung verdeutlicht, dass in der UN-BRK das Verständnis von Behinderung nicht als
festgelegtes Konzept verstanden wird, sondern von gesellschaftlichen Entwicklungen abhängig ist.
Erst im Artikel 1 Satz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention wird der Begriff »Menschen mit
Behinderungen« konkretisiert (vgl. PRAETOR INTERMEDIA UG 2017). Hiernach trifft der Begriff auf
Personen zu, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen
haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe
an der Gesellschaft hindern.
1.4 Der Begriff »geistige Behinderung« und das Dilemma der
Begrifflichkeit
1.4.1
Was ist eine »geistige Behinderung«? Beschreibungen und Definitionen
Beschäftigt man sich mit dem Phänomen »geistige«, »kognitive« oder »intellektuelle«
Behinderung ist die Frage, zunächst unabhängig von den unterschiedlichen Modellen zu
Behinderung, was darunter zu verstehen ist.
Die international anerkannte American Association on Intellectual and Developmental Disabilities
AAID definiert Behinderung wie folgt: Die Definition von »Intellektueller Behinderung«
(Intellectual Disability, ID), ehemals »geistige Behinderung« (Mental Retardation) genannt, ist
gekennzeichnet durch unterdurchschnittliche Intelligenz oder geistige Leistungsfähigkeit und
einem Mangel an Fähigkeiten, die für das tägliche Leben notwendig sind. Menschen mit geistiger
Behinderung können und wollen neue Fähigkeiten erlernen, aber sie lernen sie oftmals langsamer.
Es gibt verschiedene Grade von geistiger Behinderung, von leicht bis schwerwiegend. Demnach
sind intellektuelle bzw. geistige Behinderung durch erhebliche Einschränkungen vor allem in zwei
Bereichen gekennzeichnet:
§
18
Die intellektuelle Funktionsfähigkeit, auch bekannt als IQ, sie bezieht sich auf die
Fähigkeit einer Person zu lernen, zu denken, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu
lösen.
§
Das adaptive Verhalten, das eine Reihe von alltäglichen, sozialen und praktischen
Fähigkeiten umfasst. Dies sind Fähigkeiten, die für den Alltag notwendig sind, wie z. B.
die Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren, mit anderen zu interagieren und auf sich selbst
aufzupassen.
Der IQ (Intelligenzquotient) wird durch einen IQ-Test gemessen. Der durchschnittliche IQ liegt bei
100, wobei bei der Mehrheit der Menschen dieser zwischen 85 und 115 Punkten liegt. Eine Person
gilt als geistig behindert, wenn sie einen IQ von weniger als 70 bis 75 Punkten hat. Die Entstehung
der Behinderung liegt vor dem 18. Lebensjahr (vgl. AAIDD, 2009).
Der Begriff »geistige Behinderung« wurde 1958 in Westdeutschland und Österreich nach dem
amerikanischen Begriff »mental handicap« bzw. »mental retardation« erstmals als Fachbegriff
eingeführt und 1969 vom Bundessozialhilfegesetz übernommen. In Deutschland wurde er
insbesondere durch die Gründungseltern der Lebenshilfe (heute Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung e. V.) geprägt und ersetzte den Begriff der
»Geistesschwäche« (vgl. THEUNISSEN, G. 2008: 127).
Weltweit gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe, die den Umstand geistiger Behinderung
umschreiben (vgl. KLAUß, T. 2006). Das Dilemma der Begriffsbestimmung wird in den mehr oder
weniger ungenauen aber gebräuchlichen Bezeichnungen deutlich:
§
§
§
§
§
§
§
§
§
§
Geistige Behinderung oder Beeinträchtigung
Intellektuelle Behinderung oder Beeinträchtigung
Kognitive Behinderung oder Beeinträchtigung
Geistige Entwicklungsverzögerung
Lernbehinderung
Lernbeeinträchtigung
Praktisch bildbar
Mentale Einschränkungen
Geistiges Handicap
Menschen mit Lernschwierigkeiten (das Netzwerk Mensch zuerst, People First
Deutschland e. V. streitet um den Begriff »geistig behindert«).13
International spricht man von
§
§
§
§
§
§
13
mental handicap
mental retardation
learning difficulties
learning disabilities
intellectual disabilities (ID)
cognitive disabilities
Selbstvertretung von eben diesen Personen;
19
Die Beschreibungen bzw. Umschreibungen haben unterschiedliche Ausmaße und Auswirkungen
auf die Betroffenen und die Wissenschaft selbst. In der Wissenschaft und Forschung gibt es bislang
keine allgemein gültige Definition für sogenannte »geistige«, bzw. »kognitive« Behinderungen. Es
gibt nur unterschiedliche Zugangsweisen zu dem Begriff sogenannter »geistiger Behinderung«.
Ursprünglich bezeichnet »kognitive Behinderungen« den Zustand des Nicht-Erkennens und NichtWahrnehmens.
Mit dem Begriff »intellektueller Behinderung« geht das Verständnis von fehlender Bildung,
Bildsamkeit und geistiger Unfähigkeit einher, was sich aber nicht aus den Übersetzungen englischdeutsch erschließt:
§ cognitiv: bedeutet, sich auf den mentalen Prozess zu beziehen, der mit dem Wissen,
Lernen und Verstehen von Dingen verbunden ist.
§ intelectual: bedeutet sich auf eine Fähigkeit zu beziehen, Dinge zu denken und zu
verstehen, besonders komplizierte Konzepte:
In der internationalen Terminologie kommt zudem die Bezeichnung »mental disability« vor,
womit eher »psychische Behinderungen« gemeint sind. Es existieren so nebeneinander eine
Vielzahl von Erklärungsansätzen aus medizinischer, philosophischer, juristischer, psychologischer,
soziologischer oder pädagogischer Sicht.
Der Wandel des Begriffes betrifft auch die 'politische Korrektheit'. Statt der abwertend
empfundenen Formulierung Behinderte werden heute neutralere Bezeichnungen wie »Menschen
mit geistiger (kognitiven) Behinderung« oder »Menschen mit Beeinträchtigungen« benutzt.
Ebenso geht es um das Thema, wie die unterschiedlichen betroffenen Gruppen beschrieben bzw.
benannt werden wollen oder sollten. Beispielsweise wird der Begriff der »geistigen Behinderung«
von den Betroffenen selbst als stark diskriminierend und erniedrigend empfunden.
Die People First Bewegung, Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V., erkämpfte
und etablierte neben dem Begriff »geistige Behinderung« im deutschsprachigen Raum, in
Anlehnung an das Anglo-Amerikanische, den Begriff »Menschen mit Lernschwierigkeiten« s o. Sie
weisen damit auf die Notwendigkeit hin, eine differenzierte Sicht auf Menschen mit Behinderung
zu haben (vgl. THEUNISSEN, G. et al. 2007: 214). Es geht ihnen um die Beachtung der Gesamtpersönlichkeit.
Im deutschsprachigen Raum wird nach wie vor an dem Begriff »geistige Behinderung«
insbesondere im Verwaltungsbereich festgehalten, obwohl die bisherige Bezeichnung umstritten
ist. Als Argumente werden u. a. die bereits vorhandene theoretische Fundierung, das bisherige
interdisziplinäre allgemein gleiche Verständnis, sowie die sozialrechtliche Relevanz vorgebracht.
20
Entsprechend der Definition des DEUTSCHEN BILDUNGSRATES gilt als geistig behindert:
„wer infolge einer organisch-genetischen oder anderweitigen Schädigung in seiner
psychischen Gesamtentwicklung und seiner Lernfähigkeit so sehr beeinträchtigt ist, dass er
voraussichtlich lebenslanger sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit der kognitiven
Beeinträchtigung gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und motorischen
Entwicklung einher. Die Ergebnisse von validen Intelligenztests, motorischen Tests und
Sozialreifeskalen können Orientierungsdaten für die Abgrenzung zur Lernbehinderung
liefern. Die Grenze wird in der Regel bei drei Standardabweichungen unterhalb des
Mittelwertes zu ziehen sein“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT 1973: 37).
Andere Staaten (Nordamerika, Südamerika, Australien und andere europäische Länder)
verzichten inzwischen auf Unterscheidungen zwischen Lernbehinderung oder geistige
Behinderung in der Medizin. GILLBERG und SÖDERSTRÖM warnen jedoch davor, das medizinische
Wissen in Bezug auf die Behinderung ganz außer Acht zu lassen, mit der Begründung, es sei noch
zu wenig über die Lebensqualität und die Auswirkungen für die Menschen mit Lernschwierigkeiten
und deren Familien bekannt. Auch im medizinischen Bereich sei Forschung erforderlich, um diese
Fragen zu klären (vgl. GILLBERG, C./ SÖDERSTRÖM, H. 2003; GILLBERG, C. 2010).
1.4.2
Anzahl der Personen mit sogenannter geistiger Behinderung in Deutschland
Hier stellt sich die Frage, wer ist von dieser Festlegung betroffen. Ende 2015 lebten in Deutschland
laut Statistischem Bundesamt allein rund 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen14 (vgl.
STATISTISCHES BUNDESAMT WIESBADEN 2016).
Das entspricht einem Anteil von 9,3 % an der Gesamtbevölkerung in Deutschland, der bis 2015
schwerbehindert war.15
§
61 % von diesen, knapp zwei von drei schwerbehinderten Menschen, hatten körperliche
Behinderungen.
§
12 % der schwerbehinderten Menschen hatten eine geistige oder seelische
Behinderung, das entspricht 912.000 Menschen in Deutschland,
§
9 % der Personen hatten zerebrale Störungen,
§
Bei 5 % der Personen lag Blindheit beziehungsweise eine Sehbehinderung vor,
§
4 % der Personen hatten eine Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen,
§
20 % der Personen hatten eine andere Behinderung.
14
Als schwerbehindert gilt eine Person, »wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische
Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter
typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist«
(vgl. § 2 SGB IX, Anhang 1).
15
Als schwerbehindert gelten Personen, denen von den Versorgungsämtern ein Grad der Behinderung
von 50 und mehr zuerkannt sowie ein gültiger Ausweis ausgehändigt wurde.
21
Fast ein Drittel (32 %) der schwerbehinderten Menschen waren 75 Jahre und älter, 44 % gehörten
der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren an. 2 % waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Demnach treten geistige Behinderungen vor allem bei älteren Personen auf.
KASTL bemerkt zu den Werten, dass dies Menschen betreffen, die sich einer amtlichen Feststellung
unterzogen haben und einen Grad der Behinderung (GdB)16 von mindestens 20 % zuerkannt
bekamen. Menschen, die sich keiner amtlichen Feststellung der Behinderung unterzogen haben,
sind nicht erfasst. Wie hoch die 'Dunkelziffer' ist, lässt sich schwer abschätzen (vgl. KASTL, J. 2017:
40).
Ebenso ist der Anteil älterer und alternder Menschen mit geistigen Behinderungen in den letzten
Jahren deutlich gestiegen, und die hier beschriebenen kognitiven Behinderungen sind in ihrer
Ausprägung sehr heterogen. In der Konsequenz bedeutet das, dass sehr unterschiedliche
Voraussetzungen und Bedürfnisse vorliegen und daher individualisierte Konzepte für die
Partizipation notwendig sind (vgl. WACKER, E./ METZLER H./ TROST, R. 1996: 65).
1.5 Menschen mit kognitiven Behinderungen als Objekt in
Wissenschaft und Forschung
Die Definition des Begriffs »geistige Behinderung« war und ist ein ständiger Versuch von Be- und
Umschreibungen für eine sehr heterogene Gruppe von Menschen. OTTO SPECK versucht diese
Hilflosigkeit damit zu begründen, dass der Personenkreis von außen gesehen deshalb so schwierig
zu beschreiben sei, weil sich niemand in die Perspektive (in die Lage und Situation) eines
betroffenen Menschen hineinversetzen vermag (SPECK, O. 2016: 47 ff.). Die geistige Behinderung
als ein Phänomen bzw. als ein Begriff zur Andersartigkeit eines Menschen führte im Laufe der Zeit
auch in der Forschung zu logischen und unlogischen Schlüssen. ZIMPEL untermauert dies mit dem
Hinweis, dass nur eine systemische Sichtweise und die Beachtung der Gesamtpersönlichkeit ein
Verständnis dieses Phänomens ermöglichen kann (vgl. ZIMPEL, A. 2009: 188-192).
„Menschen mit geistiger Behinderung wurden jahrzehntelang als versorgungs-, behandlungs- und
belieferungsbedürftige Defizitwesen betrachtet und mit ihren Bedürfnissen und Wünschen nicht
ernst genommen“ (THEUNISSEN, G./ KULIG, W. / SCHIRBORT, K. 2013: 22). Oder man ging von
Bedürfnissen aus, die ihnen zugeschrieben wurden (vgl. ebd.).
16
Grad der Behinderung (GdB) ist ein Begriff aus dem deutschen Schwerbehindertenrecht.
22
Heute erhalten Menschen, die unter den Einschränkungen einer geistigen Behinderung leben,
Unterstützungsangebote, die notwendig sind, damit sie in der Gesellschaft wohnen, arbeiten und
sich erholen können. Hierzu gibt es bereits partizipative Forschungsansätze im Sinne von
Community Living. Was fehlt, ist auf der einen Seite Forschung für eine spezialisierte Medizin für
diese Menschen mit geistiger Behinderung. Sie ist notwendig damit sie beschwerdefrei leben und
die mit ihren Behinderungen einhergehenden gesundheitlichen Einschränkungen durch
spezialisierte Diagnostik, Behandlung und Unterstützung verringert werden können (vgl. HASSELER,
M. 2014). Auf der anderen Seite fehlt, wie bereits erwähnt, Forschung und Entwicklung von
barrierefreien und assistiven Technologien für diese Zielgruppe (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2019).
Im Folgenden werden nun verschiedene Dimensionen und Aspekte der Forschung zum komplexen
Phänomen der kognitiven Behinderung vorgestellt. Dieser Versuch soll einen Zugang zum
Verhältnis von Behinderung, Gesellschaft und Forschung ermöglichen.
1.5.1
Der Begriff »Behinderung« als gesellschaftliche Kategorie – Was ist
»normal«?
OTTO SPECK sah 1986 die Heilpädagogik unter dem systemtheoretischen Aspekt (SPECK, O. 2008: 92
ff.). Er ging dabei von LUHMANN (1937-1998) und seiner »Theorie sozialer Systeme« aus und
behandelte die Heilpädagogik als System, um diese theoretisch und konzeptionell von anderen
Nachbardisziplinen abzugrenzen (vgl. GRÖSCHKE, D. 2005: 107).
SPECK setzt sich zunächst mit der pädagogischen Grundbegriffsdiskussion »Anomalität« und
»Entwicklungshemmungen« und mit dem Begriff der »Norm« auseinander. Was ist »normal«?
(SPECK, O. S. 1991: 99 ff.). Dabei kommt er zu dem Schluss, dass dieser für die Zuschreibung von
Behinderung im individualtheoretischen Sinne so wichtiger Begriff mit Vorsicht zu betrachten sei.
Zum einen seien Normen dem historischen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen und zum
anderen müsse bedacht werden, dass der Umgang mit Normen sehr umsichtig zu geschehen
habe. Heute wird daher in Bezug auf Behinderung nicht mehr von Abnormalität, sondern von
Abweichung gesprochen. "Es liegt ein abweichendes Verhalten (Devianz) dann vor, wenn es von
einem anderen als ein solches definiert wird" (ebd.: 230). In der Gesellschaft gibt es viele
Vorurteile, die hier eine große Rolle spielen. Sie stellt Normen auf und sagt, wann ein Verhalten
als Abweichung zählt.
In seinem Buch »System Heilpädagogik« zum Begriff »Behinderung als gesellschaftliche
Kategorie« entwickelt SPECK eine Zuschreibungstheorie bzw. Etikettierung.
Sein individualtheoretischer Ansatz beinhaltet eine strenge Klassifizierung nach der Art der
Schädigungen, wobei er bereits 1988 von folgender Klassifizierung ausging:
23
§
Physische Abweichungen
o
Schädigungen im Bereich des Sehens
o
Schädigungen im Bereich des Hörens
o
Statomotorische Schädigungen
o
Schädigungen der sprachlichen Funktion
o
Einschränkungen der mentalen Funktion (Intelligenz)
(vgl. SPECK, O. 1988: 116-133)
§
Sozio-emotionale Störungen (diese führt Speck 2003 näher aus)
o
Komplexe Syndrome
o
Spezielle Syndrome oder Faktoren
(vgl. SPECK, O. 2003: 196-210)
Auf dieser Klassifikation baut bis heute die Unterscheidung in den einzelnen Fachrichtungen der
Sonderpädagogik auf: Körperbehindertenpädagogik, Geistigbehindertenpädagogik, Schwerhörigenpädagogik, usw. ...
Den klassisch sonderpädagogischen Behinderungsbegriff brachte ULRICH BLEIDICK mit seinem Werk
»Pädagogik der Behinderten« (1972) ein. Er formuliert in Anlehnung an den Deutschen
Bildungsrat
1973
den
Behinderungsbegriff
und
auch
später
im
Handlexikon
der
Behindertenpädagogik wie bereits erwähnt. Für ihn gelten Menschen als behindert, wenn sie
durch die Schädigung ihrer körperlichen, geistigen oder geistigen Funktionen so stark
beeinträchtigt werden, dass ihr unmittelbares Leben oder ihre Teilnahme am Leben in der
Gesellschaft erschwert wird (vgl. BLEIDICK, U. et.al. 2006: 79).
Er setzt in der Folge eine weitere Klärung des Begriffs der Behinderung und eine Überprüfung der
Theorien der Behindertenausbildung fort. BLEIDICK thematisiert die Entwicklung des
Behinderungsbegriffs von der defizitorientierten medizinischen Sichtweise über den
Paradigmenwechsel zur sozialtheoretischen Sicht. Seine neueren Überlegungen sind,
verschiedene Sichtweisen zu einem mehrdimensionalen Behinderungsbegriff zu verknüpfen.
„Eine Behinderung ist nicht schicksalhaft durch eine vorliegende Schädigung gegeben; sie
entsteht vielmehr erst durch die Wechselwirkung mit dem Kontext einer Umwelt, die
Menschen mit körperliche, geistigen und seelischen Beeinträchtigungen von einer
gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausschließt“ (BLEIDICK, U. 2016: 106).
24
Mit der Anerkennung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Menschen mit geistigen
Behinderungen, hat er Theorien und Konzepte zur Unterstützung der Betroffenen zu einer
Perspektive der Kompetenz und Stärke entwickelt. Dies hat das Engagement für die Verbesserung
ihrer Rechte in der Gesetzgebung gestärkt.
Es bildeten sich Begriffe wie Selbstbestimmung und Inklusion, von der Selbstbemächtigung,
Selbstvertretung, Teilhabe und Anerkennung behinderter Menschen als Bürger unserer
Gesellschaft heraus. Das sich trotz andauernder theoretischer Reflexion des Phänomens der
geistigen Behinderung der Begriff bis heute entlang der alten Behinderungsdefinitionen und
Sondersystemen hält, ist beachtenswert.
1.5.2
„Behindert ist man nicht, behindert wird man!“
Wie beschrieben, sieht das soziale Modell als Problem nicht die behinderte Person selbst, sondern
die gesellschaftlichen Bedingungen, die verbessert werden müssen. Es waren/sind zunächst
Barrieren, Vorbehalte und Vorurteile, die die Menschen mit Behinderungen daran hindern ein
ganz normales Leben zu führen. Der Unmut über die Sondersysteme für Menschen mit
Behinderungen führte in den 90er Jahren dazu, dass sich der von der Behinderten-bewegung der
Körperbehinderten in Großbritannien 1970 proklamierte Slogan „People are disabled by society,
not by their bodies“ in Deutschland fortsetzte. Dieser Protest der Betroffenen „Behindert ist man
nicht, behindert wird man!“ hält bis heute an. Anfang der 1970er Jahre entstand in Deutschland
die sogenannte Krüppelbewegung17 und formierte sich wie in Großbritannien.
Damit begann eine Entwicklung, die qualitativ anders und neu war (vgl. FANDREY, W. 1990: 264).
Bis dahin hatten sich meist nur betroffene Eltern von Kindern mit Behinderungen und nicht
behinderte Vertreter von Institutionen, professionell oder auch nicht, für bessere
Lebensbedingungen in Bereichen wie Bildung, Arbeit, Freizeit und Wohnen für Menschen mit
einer Behinderung eingesetzt. Heute fordern Menschen mit den unterschiedlichsten
Behinderungen selbst für sich dieselben Rechte und Möglichkeiten wie sie von Menschen ohne
Behinderung als selbstverständlich angesehen werden.
Mit derselben Intention wie die der Krüppelbewegung wurde in den 1980er Jahren der
Zusammenschluss von Eltern und Freunden von Kindern mit Behinderungen, Gemeinsam LebenGemeinsam Lernen, Eltern gegen Aussonderung ins Leben gerufen.
17
Die Krüppelbewegung war eine Emanzipationsbewegung der 1970er Jahre, die sich aktiv dafür
einsetzte, die soziale Benachteiligung von Menschen mit einer körperlichen Behinderung aufzuheben.
25
Es war/ist eine Gegenbewegung zu den Elternvereinen, wie der Verein zur Förderung spastisch
gelähmter Kinder oder die Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind. Das Engagement dieser
beiden Elternvereine bestand zunächst darin, zum Schutz und zur Förderung ihrer Kinder mit den
unterschiedlichsten Behinderungen, ein System stationärer und teilstationärer Einrichtungen zu
gründen: Sonderkindergärten, Sonderschulen und Werkstätten entstanden. Nicht selten waren
die Elternvereine selbst Träger dieser Einrichtungen.
Ende der 1990er Jahre forderte nun die Elternschaft von Gemeinsam Leben-Gemeinsam Lernen,
Eltern gegen Aussonderung, dass ihre Kinder einen Platz mitten in der Gesellschaft haben und
Inklusion zunächst in Kindergarten und Schule und später bei Ausbildung und Beruf stattfindet
(vgl. EDLER, C. 1998: 65-87).
Das war der Beginn der schulischen Integrationsbewegung, eine
Bewegung, die heute für Inklusion in allen Lebensbereichen einsteht.
1.5.3
"Geistig Behinderte gibt es nicht!"
Die Integrations- heute Inklusionsbewegung – nicht aus, sondern in die Gesellschaft – findet
wissenschaftliche Unterstützung u. a. von FEUSER (1996). Er sieht in dem Begriff »geistige
Behinderung« bzw. die Bezeichnung von Personen als geistig behindert eine gesellschaftliche
Projektion:
„Es gibt Menschen, die wir aufgrund unserer Wahrnehmung ihrer menschlichen Tätigkeit, im
Spiegel der Normen, in dem wir sie sehen, einem Personenkreis zuordnen, den wir als
'geistig-behindert' bezeichnen[...]. Die Aussage 'geistige Behinderung' ist eine auf einen
anderen Menschen hin zur Wirkung kommende Aussage schlechthin.“ (ebd.: 18)
FEUSER referiert hierzu in Innsbruck beim österreichischen Symposium für die Integration
behinderter Menschen „Es ist normal, verschieden zu sein“:
„Wenn ich einem "behinderten" Menschen begegne, ihn anschaue und denke, wie er
denn sein könnte, beschreibe ich mich selbst – meine Wahrnehmung des anderen. Ob ich
die daraus entstehende Chance nutze, mich selbst zu erkennen, steht auf einem anderen
Blatt ...!“ (FEUSER, G. 1996).
Geistige Behinderung ist für ihn auf einer ersten Ebene ein phänomenologisch-klassifikatorischer
Prozess, ein Vorgang der Registrierung von an anderen Menschen beobachteten Merkmalen, die
wir, in Merkmalsklassen zusammengefasst, zu den Eigenschaften des anderen machen (vgl. ebd.).
Auf einer zweiten Ebene bezieht sich nach FEUSER die Behinderung konzeptionell auf eine soziale
Realität, die der Zuschreibung und Ausgrenzung und fachlichen Realität der Heil- und
Sonderschulbildung, die die beobachtbaren Merkmale zu Merkmalen d.h. zu deren Ursachen
macht, aber nicht die Individualität des Menschen ausmacht, den man mit diesem Begriff festlegt.
26
Demnach hält FEUSER 'geistige Behinderung' für ein rein sprachliches Konstrukt ohne eine
empirische Entsprechung (vgl. FEUSER, G. 2000: 141-165).
1.5.4
»Geistige Behinderung« als soziales Phänomen
Die Soziologie der Behinderten nimmt nicht nur die sozialen Konstruktionen von Behinderung in
den Blick, sondern auch gesellschaftliche Ursachen von Behinderungen. Schädigungen und die
sozialen Reaktionen auf vermeintliche Abweichungen sind dabei im Fokus. Grundlegende
Schriften der Behindertensoziologie hierzu stammen von GOFFMAN und FOUCAULT. Sie gelten als
Gründungsväter der Soziologie der Behinderung, wobei beide sehr unterschiedliche Positionen
einnehmen.
GOFFMAN setzte sich als erster 1963 aus Sicht der Soziologie in seinem Buch »Stigma: Notes on the
Management of Spoiled Identity« mit dem Thema auseinander. Er entwickelte in seiner StigmaTheorie einen individual-theoretischen Begriff von Behinderung und untersucht sie bezüglich ihrer
Relevanz für eine Theorie der Behinderung (vgl. GOFFMAN, E. 2010: 9 -14, Erstauflage 1975).
GOFFMAN betont die soziale Komponente der Konstruktion von Behinderung, die in einer
bestimmten Relation bezüglich der Realität zu einem Ausgrenzungsgrund wird. Das heißt, dass
Merkmale rassische, physische Deformationen oder auch intellektuelle Einschränkungen sein
können, die dazu führen, dass eine Person nur noch über diese wahrgenommen wird z. B. der
Krüppel, der Neger oder der Idiot und andere Eigenschaften dahinter zurücktreten (vgl. GOFFMAN,
E. 2010: 67). Er beschreibt den sozialen Mechanismus, der aufgrund von Abweichungen sich auf
das Verhältnis des Einzelnen zur Gruppe auswirkt und zur Ausgrenzung führt, als Exklusionsrisiko.
Von Seite der Interaktion war zunächst seine Grundannahme, dass jeder Mensch versucht, ein
gewisses Bild von sich zu vermitteln, wenn man weiß, dass man beobachtet wird (vgl. GOFFMAN, E.
2003: 16 f.). Bei dieser Selbstdarstellung, geht es um seine Identität, die er, so GOFFMAN (2010: 4)
wissentlich oder unwissentlich präsentiert. Daraus schließt dieser auch, dass alle Menschen
prinzipiell immer eine (ihre) Rolle spielen und sich eine Fassade schaffen.
Das Gegenteil hierzu sind jedoch Stigmata, die Erwartungen und Zuweisungen der anderen.
„Ein Stigma ist für Goffman auf den ersten Blick ein Zeichen [Merkmal, C.E.], dass seine
Trägerinnen und Träger als sozial minderwertig oder von der Norm abweichend markiert
und damit aktuell oder potenziell diskreditiert“ (SCHINK, A. 2016: 161).
Beide Annahmen sprechen dafür, dass jemand auch seine Rolle neu lernen kann, im positiven, wie
im negativen Sinn.
27
FOUCAULT, Psychologe, beschreibt Personen in seinem Buch »Wahnsinn und Gesellschaft« (1977:
99 ff.), die „von Sinnen Geratenen, die völlig verrückt geraten sind“. Er weist dabei darauf hin,
dass der Wahnsinn hierbei kein objektives Faktum darstellt, sondern sich als Begriff und Konzept
in einem jahrhundertealten, von Machtverhältnissen durchdrungenen Prozess entfaltet hat und
nur in seinem Verhältnis zur Vernunft wirklich verstanden werden kann (vgl. WALDSCHMIDT, A.
2006).
KASTL (2017) versucht in seiner »Einführung in die Soziologie der Behinderung« den
Behindertenbegriff neu zu fassen und einzugrenzen (vgl. vgl. KASTL. J. 2017: 35 ff.). Er argumentiert
mit SHAKESPEARE, der insbesondere auf den wechselseitigen Charakter von körperlicher Schädigung
(Impairment) und funktionaler Beeinträchtigung (Disability) hinweist. Er erklärt, dass sich weder
die Bedeutung von Impairment von der soziokulturellen Realität abkoppeln lasse, noch gehe die
funktionale Beeinträchtigung in dieser auf. Sowohl der Körper als solcher, als auch die Art der
Behinderung unterschieden sich in den sozial möglichen Vorgaben. Für das soziale Handeln mache
es einen Unterschied, ob jemand Schmerzen hat oder nicht, ob eine Behinderung sichtbar ist oder
nicht, ob die Behinderung statisch ist, oder wie bei Multipler Sklerose auf unvorhersehbare Weise
fortschreitend bzw. bei schizophrenen Erkrankungen episodisch ist. Aber es sei nicht das Ergebnis
von sozialen Konstrukten (vgl. ebd. 2017: 53).
1.5.5
Verschiedenheit und Teilhabe
Wie die Vielfalt der Zugänge zur Begrifflichkeit hier deutlich macht, bleiben die Begriffe geistige
bzw. kognitive Behinderung oder Menschen mit Lernschwierigkeiten dennoch weiter unklar. Es
geht mit der Auseinandersetzung der Andersartigkeit in den verschiedenen Disziplinen immer
wieder eine Defizitorientierung einher und es wird selten auf die Stärken der Andersartigkeit der
Betroffenen geschaut.
Im Gegenteil, es wird eher danach gesucht, wie man einen gerechteren Ausgleich für diese
Andersartigkeit herstellen bzw. erklären kann. Um Abhilfe zu schaffen, werden entsprechend
Maßnahmen ergriffen und die 'pädagogische Sorge' zielt darauf, entstandene Nachteile
auszugleichen. So werden auf der einen Seite separierende Einrichtungen mit der speziellen
Förderung oftmals als unumgänglich angesehen, die aber von den Betroffenen bei allen
Anstrengungen trotzdem als Barriere auf dem Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe betrachtet und
erfahren werden. Auf der anderen Seite können Menschen mit schwerer Behinderung
Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen, die ihren Ausdruck entweder in einer Marginalisierung,
einer Ausgrenzung oder einem 'Behindertenbonus' finden (vgl. LUZ, V. 2012: 14).
28
Eine Perspektive wie diese, die den Blick vorrangig auf Defizite und Behinderungen richtet,
schwächt das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Ein Perspektivwechsel dagegen würde das
Selbstbewusstsein und den Selbstwert und somit die Teilhabemöglichkeiten stärken (vgl. ebd.).
Trotz der positiven Entwicklung nach der Ratifizierung der UN-BRK kann nicht darüber
hinweggesehen werden, dass die Stellung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere mit
kognitiven Behinderungen, nach wie vor eine Randposition in der Gesellschaft ist. Chancen auf
Teilhabe in der Bildung, bei der Arbeit oder politischen Partizipation müssen speziell für sie inklusiv
gedacht und geplant werden (vgl. HILPERT, W. 2015: 11).
1.5.6
Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
In der empirischen Forschung spielten Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre
Lebenssituation einschließlich Unterstützung und Assistenz lange eine Nebenrolle. Diese
Zurückhaltung in der Forschung beschreiben u. a. JANZ und TERFLOTH (2009), sowie BUCHNER und
KOENIG (2008).
BUCHNER und KOENIG vergleichen in einem Review die inhaltlichen Themen zu empirischer,
sonderpädagogischer „Forschung und geistige Behinderung“ im deutschsprachigen mit denen, die
im angloamerikanischen Raum verfassten Forschungsarbeiten zu »Research and Cognitive
Disability«. Sie finden dabei heraus, dass der Anteil an Forschung in den deutschsprachigen
Journalen relativ gering ist (vgl. BUCHNER, T./ KÖNIG, O. 2008: 20).
Sie stellen innerhalb der von ihnen untersuchten empirischen Beiträge fest, dass das Thema
'Schule' mit 42,7 % das größte Interesse findet, gefolgt von Diagnostik / Therapie / Rehabilitation
mit 16,2 %. Die Lebensbereiche von erwachsenen Menschen mit einer Behinderung sind hingegen
selten Gegenstand empirischer Forschungsarbeiten. Die Themen 'Arbeit', 'Wohnen' und 'Freizeit'
umfassen zusammen lediglich 10,8 % (vgl. ebd.: 22).
Erst in den letzten Jahren bekommt empirische Forschung im deutschsprachigen Raum für und
mit Menschen mit kognitiven Behinderungen mehr Aufmerksamkeit.
Zur Erforschung des Themas »Geistige Behinderung im angloamerikanischen Raum« führen
SHOGREN und Kollegen (2006) ebenfalls eine Inhaltsanalyse der Fachliteratur über 30 Jahre durch.
Hierzu wählen sie fünf Zeitschriften zum Schwerpunkt geistige Behinderung. Die beiden
Wissenschaftler stellen hierbei fest, dass es in den letzten Jahrzehnten Verschiebungen in der
Begrifflichkeit von geistiger Behinderung gegeben hat (vgl. SHOGREN, K. A. et al. 2006). Die
Forschung konzentriert mehr und mehr auch auf die Bedeutung von Erkennung der Stärken und
Fähigkeiten von Menschen mit geistiger Behinderung.
29
Zwischen 1975 und 1984 fokussieren sich mehr als 50 % der vorgestellten Forschungsarbeiten auf
die intellektuellen Fähigkeiten. Dieser Prozentsatz geht jedoch in den folgenden 20 Jahren wieder
zurück und liegt zwischen 1995-2004 unter 20 %. Dabei nehmen die Forschungsarbeiten zu
adaptivem Verhalten, Partizipation, Interaktionen und sozialen Rollen, sowie zur Gesundheit zu
(vgl. SHOGREN, K. A. et al. 2006: 12). SHOGREN und seine Kollegen beobachten darüber hinaus, dass
„sich die Forschung hin zu einem Verständnis und einer Verbesserung bzgl. der Fähigkeiten von
Menschen mit geistiger Behinderung aus einer Perspektive entwickelt, die Stärken und nicht
Defizite betont und Konstrukte der positiven Psychologie und Selbstbestimmung mit einbezieht“
(ebd.).
Die führenden Journale der angloamerikanischen Länder zeigen auch heute, dass der empirischen
Forschung hier ein anderer Stellenwert eingeräumt wird als im deutschsprachigen Raum. Sie
behandeln auch Themen wie: Verhaltensinterventionen für Menschen mit geistiger Behinderung,
Leistung des Lernens behinderte Jugendliche – Strategien für Schülerinnen und Schüler zum
Leseverstehen mit Lernschwierigkeiten, Wirkung der kognitiven Strategie auf verbale und
mathematische Problemlösungen – Self-determination and Self-advocacy bis hin zu neueren
Erkenntnissen bzgl. unterschiedlicher Diagnosen von Personen mit kognitiver Behinderung.
Forschungslücken lassen sich u. a. in diesen zwei Bereichen ausmachen, in der Neurobiologie und
im Bereich Cognitive Accessibility.
Die Neurobiologie hat sich bisher nur selten mit diesem Phänomen und mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen beschäftigt, weder in Deutschland noch anderswo, obwohl jüngste
Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass das Gehirn wie ein Muskel trainiert werden kann
und neuronale Netzwerke bis ins hohe Alter hinein genutzt und neu geknüpft werden können (vgl.
STROBACH, T.; HUESTEGGE, L. 2017: 539-558).
Ebenso fehlt es bei Menschen mit kognitiver Behinderung an Grundlagenforschung im Bereich eInclusion und Cognitive Accessibility (vgl. SARIMSKI, K. 2009: 27; EDLER, C. 2014: 39; MIESENBERGER,
K. 2019).
1.6 Vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt – Veränderung
eines Paradigmas
In der soziologisch relevanten Forschung hat sich jedoch in Bezug auf Menschen mit
Behinderungen, ausgelöst durch die Kritik der Soziologie/Sozialforschung um 1980 an den
quantitativen Verfahren, (vgl. LAMNEK, S.; KRELL, C. 2005: 3-6) ein Wandel vollzogen.
30
Die auslösende Kritik bestand darin, dass das soziale Feld in seiner Vielfalt nur eingeschränkt und
ausschnittsweise sowie Strukturen nur vereinfacht und reduziert dargestellt wurden. Dies führte
dazu, dass mit der qualitativen Forschung Zusammenhänge und deren innere Struktur aus Sicht
der Betroffenen in den Mittelpunkt gestellt wurden.
Die soziale Realität von Menschen mit Behinderungen ist heute meist der Ausgangspunkt für
soziologisch und empirisch relevante Forschung zu verschiedenen Themenbereichen wie der
Zugang zu Bildung, Kommunikation, Freizeit, Arbeit, aber auch zu Themen wie Familie, Sexualität,
Partnerschaft. Geistige Behinderung wird nicht länger primär als medizinisches oder
sonderpädagogisches Problem zu verstanden, sondern es geht um die Entwicklungsmöglichkeiten
und Lebensqualität der Betroffenen. Frühere Untersuchungen waren meist auf alltägliche oder
therapeutische Anwendungen reduziert. Heute geht es um persönliche individuelle Ressourcen
bzw. Potenzial der Betroffenen (vgl. JANZ, F./ TERFLOTH, K. 2009: 11-14). JANZ UND TERFLOTH stellen
trotz dieses Wandels 2009 noch fest, dass Forschung mit – statt über – Menschen mit
intellektueller Behinderung immer wieder neu infrage gestellt wird (vgl. ebd.: 12-13). Das hat sich
bis heute nur wenig geändert.
In den allgemeinen Wissenschaften besteht nach wie vor die Auffassung, dass Menschen mit
kognitiven Behinderungen keine adäquate Rolle in der Forschung einnehmen können und keine
zuverlässigen Interviewpartner sind, da sie nicht in der Lage seien, im Rahmen von Umfragen
valide Antworten zu geben (vgl. BUCHNER, T. /KÖNIG, O. 2011: 3).
Im Hinblick auf die zu erwartenden kognitiven Fähigkeiten und Grenzen von Menschen mit
kognitiven Behinderungen werden die Bedarfe, Bedürfnisse und Anforderungen der Betroffenen
trotz vieler Bemühungen um Selbstbestimmung im Alltag oft noch mit den Angehörigen oder
verantwortlichen Vertreter von Behinderten erhoben oder zumindest bestätigt. Dies zeigt den
schmalen Grat zwischen Loslassen und Festhalten, Bevormundung und Kümmern bzw.
Selbstbestimmung der Betroffenen auf der einen und Verantwortlichkeit auf der anderen Seite.
Hierbei hängt es davon ab, wie jemand mit gutem Grund in seiner Lebensweise eingeschränkt
wird oder ob es um die Verletzlichkeit seiner Person geht (siehe Kapitel 3.6 Das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht in der Forschung).
Verschiedene Analysen und Studien zu diesem Problem zeigen, dass Menschen mit kognitiven
Behinderungen über Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen und sehr gut in der Lage sind, valide
und adäquate Äußerungen von sich zu geben (vgl. GOODLEY, D. A. 2010: 110 f.). An dieser Stelle soll
noch einmal auf das soziale Modell der Behinderung verwiesen werden.
31
GOODLEY stellt fest:
"(...) While we can accept that people with learning difficulties do themselves recognize that
they may be 'impaired' and 'different' (...) the social model of disability can only include people
with learning difficulties when recognizing the social origins of 'learning difficulties' and
'difference'." (GOODLEY, D. 2001: 35 f.)18
Allgemeine empirische Forschung und die notwendigen Informationen und Kompetenzen zum
Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen fehlen und waren lange kaum Thema in der
Ausbildung der Heil- und Sonderpädagogik. Diese Perspektive verändert sich in den vergangenen
Jahren. Wenn man die Studienanforderungen sowie Vorlesungsverzeichnisse anschaut, werden
zunehmend in der Ausbildung an den Hochschulen entsprechende Forschungskompetenzen
vermittelt.
1.6.1
Disability Studies
Disability Studies (Studien zu oder über Behinderung) ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die
sich mit der sozial- und kulturwissenschaftlichen Erforschung des Phänomens Behinderung
auseinandersetzt.
Disability Studies haben sich in den verschiedenen Ländern der Welt in den letzten Jahrzehnten
unterschiedlich entwickelt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle wollen, dass behinderte Menschen
selbst forschen oder zumindest mitforschen. Sie nehmen eine besondere Rolle als
interdisziplinäre Wissenschaft ein, da Forschung vorwiegend von Menschen mit Behinderungen
selbst durchgeführt wird. Allerdings werden Menschen mit intellektuellen/kognitiven
Behinderungen hier oftmals nicht berücksichtigt (vgl. FASCHING, H./BIEWER, G. 2014) und sind bis
heute äußerst selten anzutreffen.
Disability Studies schließen Menschen mit kognitiven Behinderungen häufig durch ihre schwierige
Fachsprache und schwer verständliche Veröffentlichungen aus (vgl. NAUE, U. 2011: 109) und das,
obwohl sie sich zum Ziel gesetzt haben, dass Menschen mit Behinderungen selbst über
Behinderung und das Leben mit Behinderung nachdenken und nachforschen und dafür sorgen
sollen, dass erlebtes und gelebtes Wissen in Forschung und Wissenschaft anerkannt wird (vgl.
ebd.: 111).
18
"(...) Während wir akzeptieren können, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst erkennen, dass
sie "beeinträchtigt" und "anders" (...) sein können, kann das Sozialmodell der Behinderung auch
Menschen mit Lernschwierigkeiten mit einbeziehen, wenn sie die soziale Herkunft von
"Lernschwierigkeiten" und "Differenz" erkennen." (GOODLEY, D. 2001: 35 f.)
32
1.6.2
Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre Teilhabe in der
Forschung
Die Kritik, dass die Menschen mit (kognitiven) Behinderungen (a) seltener Gegenstand der
Forschung sind (BUCHNER, T. /KÖNIG, O. 2008) und (b) wenn, ihre direkte Beteiligung häufig fehlt,
führte zu wachsender Nachfrage nach mehr Beteiligung dieser Zielgruppe und zu neuen Ansätzen
partizipativer Forschung (BERGOLD, J. 2013; UNGER V., H. 2014) und inklusiver Forschung (WALMSLEY,
J./JOHNSON, K. 2003; NIND, M. 2014). Wie bereits erwähnt wird der Begriff inklusive-partizipative
Forschung hier verwendet, um eine Reihe von Forschungsansätzen zu beschreiben, bei denen
Personen mit kognitiver Behinderung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der
Forschung zusammenarbeiten (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 11-16). Inklusive-partizipativen
Forschung ist dabei nicht als eigene Forschungsmethode zu verstehen, sondern als ein Ansatz oder
eine Strategie, bei der Menschen mit und ohne akademischen Bildungshintergrund gemeinsam
forschen.
Menschen
mit
Lernschwierigkeiten
nehmen
dabei
über
den
gesamten
Forschungsprozess hinweg nicht nur eine passive Rolle als Objekte der Forschung ein, sondern
sind aktiv in unterschiedlichen Rollen an allen Phasen von Forschungsprozessen beteiligt (vgl.
BUCHNER, T./KÖNIG, O. 2011).
Inklusive-partizipative Forschungsstrategien setzen voraus, dass Menschen mit Behinderungen im
Forschungsprozess eine Stellung einnehmen können, die über die Rolle der Befragten hinausgeht,
(vgl. BARNES, C./ MERCER, G. (1996); ATKINSON, D. (2004); WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003),
Forschung, die Menschen mit Lernbehinderungen mehr als nur als Forschungsthemen
berücksichtigt oder einbezieht" (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 62). Hierbei stellt sich die
Frage an die Forschung: „Ob und inwieweit können bestimmte Kontextfaktoren Partizipation bzw.
Teilhabe der Betroffenen Forschung ermöglichen oder beeinträchtigen?“ (BERGOLD J./ THOMAS S.
2010: 337). Im nachfolgenden sind hierzu einige Kontextfaktoren angeführt.
Als Kontextfaktoren gelten
§
Der Begriff des Phänomens 'geistige oder kognitive Behinderung' und seine
unterschiedliche Perspektive: Dieser hat nicht nur im Sprachgebrauch immer wieder
Veränderungen erfahren. Es ist sichtbar, dass Behinderung immer auch sozial und
gesellschaftlich konstruiert ist. Hinter diesen Begriffen und ihren Definitionen stehen
verschiedene Theorien, Denkweisen und Konzepte mit unterschiedlichen Zugangsweisen.
§
Der Anteil und Alter der Personen mit Störungen der geistigen Entwicklung: In der
Bevölkerung in Deutschland liegt derzeit bei 4,2 %, wobei der Anteil der alten und älter
werdenden Menschen mit geistiger Behinderung in den letzten Jahren deutlich
zugenommen hat (KOMP, E. 2006: 31). Dieser Umstand kann auch die Forschung
beeinflussen.
33
§
Die Lebenswelt und Wohnsituation: Das Lebensumfeld von erwachsenen Menschen mit
kognitiven Behinderungen kann sehr verschieden sein. Ihre Situation hat sich durch das
Teilhabegesetz, Assistenzen und ambulante Hilfen in den letzten Jahren verändert. Wie
sie leben und wohnen hängt oftmals von ihrem jeweiligen Alter ab. Von den Jüngeren
können viele in Mehr-Generationen-Häusern, in Wohngemeinschaften, Wohngruppen
oder auch alleine mit oder ohne Partner ihr Leben selbst bestimmen und mit mehr oder
weniger Unterstützung leben. Das Wohnheim mit einer 24-Stunden-Betreuung
(vollstationär)19 gibt es aber weiterhin.
§
Der Arbeitsplatz von Menschen mit kognitiven Behinderungen: Arbeit finden die
Betroffenen trotz Teilhabegesetzte noch immer fast ausschließlich auf dem 2. (Sonder-)
Arbeitsmarkt, (meist in Werkstätten für behinderte Menschen, WfbM). „Für Menschen
mit einer geistigen Behinderung fehlt es nicht nur an geeigneten Arbeitsplätzen
[außerhalb], sondern es wird auch selten nach (neuen) geeigneten Tätigkeitsfeldern
gesucht, weil diese Personengruppe in den WfbMs verortet wird“ (KARDORFF V., E. et al.
2013: 88), dies, obwohl es vermehrt Anstrengungen gibt Schüler im Förderschwerpunkt
geistige Entwicklung bereits in einer frühen Phase an den ersten Arbeitsmarkt
heranzuführen und zu qualifizieren (vgl. FISCHER, E./HEGER, M. 2011). Beschäftigte aus den
WfbMs heraus einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ist bislang die
Ausnahme.
Geeignete Maßnahmen zur Einbeziehung der Betroffenen in die inklusive Forschung könnten die
Chancen und Möglichkeiten der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt erhöhen, wenn
beispielsweise rechtliche und tatsächliche Hindernisse für die Beschäftigung von Menschen mit
kognitiven Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beseitigt würden.
Die Bereitstellung von Begleitdiensten für die notwendige Unterstützung muss sichergestellt und
eine angemessene berufliche Qualifizierung und Ausbildung angeboten werden.
1.6.3
Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherinnen und PeerForscher bei der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung und
beim User-Centred Design
Hier wird nun die Zielgruppe, Menschen mit kognitiven Behinderungen, selbst und ihre
Ausgangssituation für die inklusive-partizipative Forschung im Bereich Forschung und Entwicklung
und nutzerzentriertes Design vorgestellt.
19
Die Abgrenzung von ambulant, teil- und voll stationäre Unterbringung ist Grundlage für die
Eingliederungshilfe SGB XII.
34
Vorangestellt: Diese Arbeit basiert auf dem Verständnis des bio-psychosozialen Modells von
Behinderung, in Übereinstimmung mit der International Classification of Functioning, Disability
and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation. Demnach ist Behinderung nicht etwas, das
allein in einer Person liegt, vielmehr dass im Sinne des inklusiven Paradigmas, die Chancen auf
Teilnahme von den jeweiligen Umwelt- und Kontextbedingungen abhängen. Der Begriff Menschen
mit kognitiven Behinderungen wird hier neben dem Begriff Menschen mit Lernschwierigkeiten
gleichwertig gebraucht.
Im Rahmen der inklusiven-partizipativen Aktionsforschung wird jedoch weniger von den
Behinderungen der Teilnehmer als von deren Fähigkeiten ausgegangen. Menschen mit
Lernschwierigkeiten oder kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
in der Forschung werden nicht als 'besondere' Personen im Forschungskontext angesehen,
sondern als Self Advokat, Bürgerin oder Bürger und als Peers akzeptiert.
Was zeichnet die Peer-Forscherin oder den Peer-Forscher aus?
Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten haben unterschiedlichen Bedarf an Unterstützung in
ihren Lebenssituationen und können möglicherweise nicht vollständig in gesprochener und/oder
geschriebener Sprache kommunizieren, aber dies betrifft nicht alle. Kognitiven Fähigkeiten zur
Verarbeitung von Informationen wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Schlussfolgerung,
Erinnerung, Abstraktion oder Logik können durch eine kognitive Behinderung auch
unterschiedlich eingeschränkt sein. Dies sind Personen mit sehr vielfältigen Fähigkeiten im
Verstehen, Lesen und Schreiben und mit verschiedenen motorischen Fähigkeiten. Somit lässt die
unterschiedliche Ausprägung der Behinderung unterschiedliche Lernstrategien zu (MÜHL, H. et al.
2006: 300). Über solche individuellen Strategien gibt es jedoch bisher kein ausreichendes Wissen.
„Wie bei jeder anderen besonderen Fähigkeit, die Menschen entwickeln können, gibt es für
Intelligenz mindestens drei Faktoren: körperliches Potenzial, innerer Antrieb und soziale
Entfaltungsmöglichkeiten“ (ZIMPEL A. 2016: 9).
Im Vergleich zu anderen benötigen Menschen mit Lernschwierigkeiten oft mehr Zeit für ihre
Lernprozesse und haben häufig eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Sie bedürfen
möglicherweise mehr Unterstützung beim Erwerb neuer Fähigkeiten und beim Verstehen
komplexer Informationen. Sie brauchen vielleicht sogar ständig Hilfe und Unterstützung in allen
Lebensbereichen. In welchem Maße dies zutrifft und welche Unterstützung eine Person im
Forschungskontext benötigt, hängt von den individuellen Ressourcen ab, was nicht unbedingt auf
ihre jeweiligen Kompetenzen schließen lässt. Dies darf kein Ausschlusskriterium sein.
35
Beispielsweise sind Annahmen und Verallgemeinerungen über ihr Lern- und Nutzerverhalten wie
bei der Nutzung des Internets in Bezug auf die Zielgruppe als Ganzes nicht haltbar (vgl. BERNASCONI,
T. 2007: 65; ZENTEL P. 2010: 228). Eine Diagnose wie Autismus-Spektrumstörungen (ASD) bei
Jugendlichen zeigt Einschränkungen im Bereich der sozialen Interaktionsfähigkeiten, die
insbesondere beim Eintritt in das Erwachsenen- und damit Berufsleben zur Barriere werden. Die
computergestützte Ausbildung und Therapie und insbesondere die gestützte Kommunikation von
Menschen mit Autismus-Spektrumstörungen machen deutlich, dass es möglich ist, die
Betroffenen im beruflichen Prozess zu unterstützen und zu fördern (vgl. RAMDOSS, S. et al. 2012).
Was die Voraussetzungen für die Beteiligung von Peers mit kognitiven Behinderungen in der
inklusiven Forschung und Entwicklung betrifft, so sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
über eine angemessene Art von Vorstellungskraft verfügen, eine Idee davon haben, worum es bei
der Forschung geht. Das heißt, dass sowohl das Forschungsthema als auch der
Forschungsgegenstand eine Bedeutung für diesen Personenkreis haben sollte (vgl. WALMSLEY, J.;
JOHNSON, K. 2003: 64). Das bedeutet jedoch nicht, dass die mit dem Perspektiven- und
Paradigmenwechsel verbundenen Aspekte der Selbstbestimmung und Partizipation vor allen
anderen Forschungs- und Förderzielen stehen. Die Selbstbestimmung und Partizipation sollten
übergreifend im Sinne eines allgemeinen Richt- und Leitziels für die Wissenschaft betrachtet
werden, um neue Anwendungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung mit eigenen
Interaktionen und/oder Ideen zu finden und zu erfinden (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 39).
Die Erfahrungen und Ergebnisse aus unterschiedlichen inklusiven Forschungsprojekten zur
Medienbildung sowie die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe unter Anwendungen digitaler
Medien zeigen, dass der Erwerb geeigneter Kompetenzen zum einen mit der Lernmotivation der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer und zum anderen mit ihren Einstellungen/Werten und dem
professionellen Selbstverständnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (oder den
Wertehaltungen anderer Bezugspersonen) zusammenhängt (vgl. MEYERLE, M 2015: 54). Die selbst
wahrgenommene Kompetenz und soziale Akzeptanz, die soziale Kompetenz im Alltag und in der
Lebenswelt der Menschen mit kognitiven Behinderungen spielen eine wichtige Rolle. Sie führen
in der Regel zu Motivation und langfristig motivierter Beteiligung und Weiterentwicklung (vgl.
EDLER, C. 2014: 134-139).
Die Teilnahme der Zielgruppe an einem Forschungsprojekt bzw. an einem Entwicklungsprozess
muss immer freiwillig sein. Das heißt, dass jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer selbst
ihre/seine Zustimmung oder Ablehnung äußern, unabhängig von einer rechtlich angeordneten
Betreuung (siehe hierzu Kapitel 3 und 4).
36
2 INKLUSIVE-PARTIZIPATIVE FORSCHUNG MIT
MENSCHEN MIT KOGNITIVEN
BEHINDERUNGEN
„Wenn behinderte Menschen, die bis dahin keine Stimme hatten,
durch das, was wir tun, ihrer Stimme
und ihrer Sprache mächtig werden und sich gegen uns verbünden,
dann ist der Prozess, den wir vorhaben,
erfolgreich.“ Jantzen 2009a)
ÜBERBLICK
Die inklusive-partizipative Forschung stellt die traditionelle Forschung infrage. Menschen mit
kognitiven Behinderungen bzw. Lernbehinderungen sind nicht länger Forschungsobjekte,
vielmehr werden sie zu Subjekten und Forschungspartnern, mit denen Forschung gemeinsam
betrieben wird.
Der Beginn inklusiver-partizipativer Forschung war ursprünglich das Ergebnis des Engagements für
die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Die
Forschungsansätze unterscheiden sich dabei nicht grundlegend von anderen qualitativen
Ansätzen der Sozialforschung, wobei indessen Menschen mit kognitiver Behinderung hier die
Experten in eigener Sache sind.
Der Paradigmenwechsel und die Umsetzung der UN-BRK erfordert ein Umdenken in der
Forschung und ist heute Garant für die inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit
kognitiver Behinderung in den Belangen, die sie selbst betreffen.
37
2.1 Der Paradigmenwechsel und die Umsetzung der UN-BRK
Das Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) war ein wichtiger
Meilenstein in der Behindertenpolitik, weg von einer medizinisch defizitorientierten hin zu
einer menschenrechtsbasierten Sichtweise auf Behinderung. Das Ziel der UN-BRK ist es,
Menschen mit Behinderungen das Recht auf ein inklusives gesellschaftliches Leben zu
garantieren. Inklusion will Segregation einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft
verhindern und die volle Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten (KLAUß 2010: 342). Diesen
Prozess gilt es nun in allen Lebensbereichen zu gestalten.
Bei der Umstellung auf eine teilhabeorientierte Forschung wird die UN-BRK allerdings nur
zögerlich verwirklicht. Betrachtet man jedoch die Forschung im Kontext von Menschen mit
Behinderungen seit 2007 in den nationalen und internationalen wissenschaftlichen Artikeln,
so zeigt sich, dass diese fast ausnahmslos auf den Paradigmenwechsel in der UN-BRK
verweisen.
Der inklusive-partizipative Forschungsansatz wurde in den letzten drei Jahrzehnten in vielen
englischsprachigen Ländern häufiger verwendet. Im deutschsprachigen Raum gibt es dagegen
nur wenige inklusive oder partizipative Forschungsprojekte, wie z. B. in der partizipativen
Gesundheitsforschung oder in der Sozialforschung, bei denen die soziale Realität, der
Lebensstil oder die Arbeit in Partnerschaft mit den Betroffenen erforscht wird.
Der Ansatz der partizipativen Forschung wird in diesen Disziplinen ganz unterschiedlich
durchgeführt wie zum Beispiel die Projekte »LeiSA«20, eine Studie zur Evaluation der Leichten
Sprache (vgl. GOLDBACH, A. 2016) oder in der Gesundheitsförderung mit Menschen mit
Lernschwierigkeiten
»Projekt
GESUND!
Gesundheits-förderung
mit
Menschen
mit
Lernschwierigkeiten«21 (vgl. BURTSCHER, R. et al. 2017). Auch die Formen inklusiverpartizipativer Forschungsstrategien sind in den unterschiedlichen Projekten sehr vielfältig
(siehe Kapitel 6 State of the Art).
BERGOLD schlägt daher vor, von einem partizipativen Forschungsstil zu sprechen und nicht von
partizipativen Forschungsmethoden (vgl. BERGOLD, J. 2013).
20
Auftrag der LeiSA-Studie war es, zu erforschen wie Leichte Sprache im Arbeitsumfeld die
Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten verbessern kann.
21
Praxishilfe „Gesundheitsförderung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten “.
38
Auch wenn, wie später in Kapitel 6 (State of the Art) dargelegt, weder ein klarer Ansatz für
Methoden noch für ein Forschungsdesign beschrieben wird oder konzeptionelle Klarheit besteht,
werden die Bemühungen, Menschen mit kognitiven Behinderungen direkt in die Forschung
einzubeziehen, wo es geschieht, als erfolgreich bezeichnet:
Auf der einen Seite würde dies zum Abbau von Barrieren und Vorurteilen führen. Auf der anderen
Seite solle jedes inklusiv arbeitende Forschungsprojekt neue Chancen und Möglichkeiten für alle
Teilnehmer, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Peer-Forscherinnen und PeerForscher Wissenschaftler und Peer-Researcher mit Behinderungen bieten sich mit
entsprechenden Forschungsfragen auseinanderzusetzen und Erkenntnisse zu gewinnen.
Ein Wandel in der Forschungspraxis hin zu einer inklusiven-partizipativen Forschung, bei der
Menschen, die kognitiv behindert sind, gleichberechtigt mit anderen Menschen ohne
Behinderung an der Forschung teilnehmen, würde mehr Akzeptanz, Anerkennung,
Chancengleichheit, Integration, Selbstbestimmung, Empowerment und Partizipation für die
betroffenen Teilnehmer bedeuten.
2.2 Inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiver
Behinderung
Der Anstoß zur direkten Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Forschung kam
bereits Anfang der 1990er Jahre von den Sozialmodelltheoretikern, insbesondere ZARB, G. (1992)
und OLIVER, M. (1992) später BARNES, C. (1996), die sich für "emanzipatorische" Forschung unter
der Kontrolle von Behinderten einsetzten und in deren Interesse verfolgten.
Bis dahin hatten sich in vielen Teilen der Forschung in Bezug auf Menschen mit
Lernschwierigkeiten Verfahren etabliert, die hauptsächlich Stellvertretererklärungen zur
Informationsbeschaffung verwendeten. Infolgedessen beschränkte sich die Umfrage oft auf
Menschen, die als nicht behindert galten und die nicht aus ihren eigenen persönlichen
Erfahrungen berichten konnten.
Der von JAN WALMSLEY 2001 eingeführte Begriff »Inclusive Research« bezieht sich auf partizipative
und emanzipatorische Ansätze in der Behindertenforschung.
39
„'Inclusive research' is a term used here to refer to a range of research approaches that
have traditionally been termed 'participatory' or 'emancipatory', broadly speaking
research in which people with learning difficulties are involved as more than just research
subjects or respondents. Introducing a new term may seem to create unnecessary
complications. However, it has the advantage of being less cumbersome and more readily
explained to people unfamiliar with the jargon and nuances of academic debate, including
people with learning difficulties.” (WALMSLEY, 2001: 187-188).22
Inklusive-partizipative oder -partizipative Forschungsansätze unterscheiden sich dabei nicht
grundlegend von anderen qualitativen Ansätzen der Sozialforschung. Sie erfordern jedoch die
emanzipatorische Einbeziehung von betroffenen Menschen mit kognitiven Behinderungen in die
Forschungspraxis aus der Perspektive der Wissenschaftsforschung (vgl. WAGNER-WILLI, M. 2016:
216).
Solche Ansätze werden bislang nicht als ein einheitliches Verfahren betrachtet, sondern eher als
ein Forschungsstil verstanden (BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2012), der durch Kontextualität und
Flexibilität gekennzeichnet ist (vgl. UNGER V., H. 2014). Aber es geht immer um eine Kollaboration
auf Augenhöhe mit den Betroffenen.
2.2.1
Der historische Kontext inklusiver-partizipative Forschungsansätze
Die Anfänge der inklusiven-partizipative Forschungsansätze sind nicht zu verstehen, ohne die
Geschichte der Behindertenbewegung des jeweiligen Landes zu berücksichtigen.
Die ersten bekannten Forschungsprojekte, bei denen Menschen mit kognitiven Behinderungen an
der Forschung selbst beteiligt wurden, finden sich in den angelsächsischen Ländern (vgl. WALMSLEY
2001: 188 f.; WALMSLEY, J/, JOHNSON, K. 2003: 14). Der inklusive Forschungsansatz ging aus
Bestrebungen für die Gleichberechtigung und Selbstbestimmung hervor (WALMSLEY, J/JOHNSON, K.
2003: 12 ff.) und war Teil der Bewegung, mit dem Slogan "Nichts über uns ohne uns" (ASPIS, S.
2000 in NIND, M.2014: 23). Dieser Anspruch dominierte zunächst die inklusive Forschungspraxis,
die sich in den letzten 30 Jahren in vielen angloamerikanischen Ländern etablierte. Im
deutschsprachigen Raum begann diese Entwicklung ab dem Jahr 2000.
22
„'Inklusive Forschung' ist ein Begriff, der sich auf eine Reihe von Forschungsansätzen bezieht, die
traditionell als 'partizipatorisch' oder 'emanzipatorisch' bezeichnet werden und in denen Menschen mit
Lernschwierigkeiten mehr als nur als Forschungsthema oder als Befragte involviert sind. Die Einführung
eines neuen Begriffs kann zu unnötigen Komplikationen führen. Es besteht jedoch der Vorteil, dass
Menschen, die mit dem Fachjargon und den Nuancen der akademischen Debatte nicht vertraut sind,
einschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten, dieser leichter erklärt werden kann" (Walmsley, J.,
2001: 187-188).
40
Mit diesem inklusiven Ansatz ist in der Entstehungsgeschichte auch eine Wissenschaftskritik
verbunden. Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenbewegung in den Vereinigten Staaten
und Großbritannien kritisieren bereits Ende der 1970er Jahre die bisherige einseitige
Wissensproduktion (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 11 f.; WALDSCHMIDT, A. 2004; u. a.). Sie
reklamieren, dass die etablierten qualitativen Methoden die Betroffenen zu Forschungssubjekten
mache (vgl. OLIVER M. 1992: 106), und sie nicht als Experten ihrer eigenen Lebenswelten sieht (vgl.
WAGNER-WILLI, M. 2016: 217).
Mit der Ratifizierung der UN-BRK 2006 (siehe Kapitel 3.4 Inklusive Forschung und Entwicklung
sowie Anwendungsforschung im Sinne der UN-BRK) haben sich auch die Anforderungen an der
Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen verändert (vgl. HIRSCHBERG, M. 2012).
Gemäß der UN-BRK soll empirischen Forschung in diesem Kontext nicht (mehr nur) über oder für
Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Forschung soll grundsätzlich mit den
„Betroffenen selbst als Experten in eigener Sache, d. h. mit ihnen gemeinsam stattfinden, vor
allem dann, wenn es um Lebensbereiche, Themen und Belange geht, die sie selbst betreffen.
Durch das vorgegebene neue Paradigma entwickelt sich daher, wenn auch zögerlich eine inklusive
Forschungslandschaft im Zusammenhang mit Behinderung. HAUSER (2013) stellt hierzu fest, dass
im Gegensatz zu einer früher fremdbestimmten Forschung, die Forschung mittlerweile deutlich
mehr im Interesse von und mit Menschen mit Behinderung und unter Beachtung der
Menschenwürde steht (vgl. HAUSER, M. 2013: 1).
Der Begriff inklusive-partizipative oder inklusive Forschung wird heute verwendet, um eine Reihe
von Forschungsansätzen, Konzepten, Verfahren und Anwendungsbereichen zu beschreiben, in
denen Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler gemeinsam mit Personen mit kognitiver
Behinderung
bzw.
Learning
Disabilities
oder
Menschen
mit
Lernschwierigkeiten
zusammenarbeiten und forschen (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 12). Das Schlüsselelement
der inklusiven Forschung ist, dass sie es Menschen mit geistigen Behinderungen ermöglicht, mehr
als nur ein Objekt oder ein Thema für die akademische Forschung zu sein (vgl. WALMSLEY J./
JOHNSON K. 2016: 9).
Bisher wird inklusive-partizipative Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
zumindest in Deutschland als Bestandteil der Teilhabeforschung vor allem im Gesundheitsbereich
und bei der Untersuchung ihrer eigenen Lebenswelten angewendet. Hier sind für alle Beteiligten
Fortschritte erzielt worden. Weitere Forschungsbereiche müssen aufholen.
41
Auch wenn es bis heute selten vorkommt, dass inklusive Forschung von Menschen mit geistiger
Behinderung initiiert wird, ist es Voraussetzung, dass das Thema der jeweiligen Forschung von den
Betroffenen als wichtiges Thema für sie identifiziert wird und sie sich freiwillig als Co-Forscher an
dieser Forschung beteiligen, um Antworten zu finden oder Probleme besser zu verstehen (vgl.
STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017: 6). Inklusive-partizipative Forschung als ein empirischer
Forschungsstil der Sozialwissenschaften versucht die Personen aus der Zielgruppe zu ermutigen
ihr eigenes Wissen zu generieren und Theorie und Praxis über ihre eigenen Bedürfnisse und ihr
Leben zu definieren (vgl. BUCHNER, T/KÖNIG, O. /SCHUPPENER, S. 2016: 13). Menschen mit kognitiven
Behinderungen/mit Lernschwierigkeiten spielen dabei nach ihren Möglichkeiten eine aktive
gestaltende Rolle im gesamten Forschungsprozess. Sie sind aktiv am Forschungsprozess beteiligt,
um Probleme zu identifizieren, Daten zu sammeln und zu analysieren (vgl. ebd.). In der Forschung
zusammen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen beeinflusst das integrative Denken die
Agenda und den Gesamtansatz.
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler,
die
inklusiv
mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammenarbeiten und dabei die Rolle des Anwalts
übernehmen, geben diesen die Möglichkeit, eine soziale gesellschaftliche Rolle und die
Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen.
Um aber die Teilnahme an Forschung und Entwicklung einer großen Anzahl von Menschen mit
Lernschwierigkeiten zu ermöglichen, benötigt die Zielgruppe methodisch verständliche
Instrumente, mit denen sie die Forschung umsetzen und analysieren kann (vgl. Teil B).
Das übergeordnete Ziel der inklusiven Forschung sollte eine positive soziale Wirkung für die
gesamte Community der Menschen mit Behinderungen sein. Wenn man sich ausschließlich auf
den Prozess während der Inklusionsforschung konzentriert, werden die Auswirkungen auf die
Personen, die an einem bestimmten Forschungsprojekt Beteiligten begrenzt (vgl. WALMSLEY, J. et
al. 2017: 7).
2.2.2
Entwicklung und Empowerment in der sozialwissenschaftlichen Forschung
Der Begriff Empowerment
Empowerment bezieht sich auf die Selbstbefähigung eines Individuums. Das wiederum bedeutet,
dass jemand durch sein eigenes Handeln eine positive Erfahrung macht. Das Gegenteil ist
Disempowerment. RAPPAPORT (1981) ist der Ansicht, dass es das Ziel von Empowerment sein solle,
die Möglichkeiten für Menschen zu verbessern, ihr eigenes Leben zu kontrollieren.
42
Wenn dies ein Ziel ist, dann müssten zwangsläufig sowohl die öffentliche Ordnung als auch das
Rollenverhältnis zu den abhängigen Menschen infrage gestellt werden. Dazu sei es erforderlich,
dass die Form und die Metakommunikation sowie der Inhalt mit dem Empowerment
übereinstimmen. RAPPORT sieht hierbei zwei Herausforderungen: Einerseits erfordert es den Blick
auf Situationen in denen Menschen bereits ihre eigenen Probleme im Leben bewältigen, um
Informationen darüber zu erhalten, wie sie das machen. Auf der anderen Seite müssen Wege
gefunden werden, um das, was aus diesen vielfältigen Rahmenbedingungen und Lösungen
erkannt wurde, auch für diejenigen umzusetzen, die ihr eigenes Leben nicht in der Hand haben,
damit sie mehr Kontrolle über ihr Leben erhalten (vgl. RAPPAPORT, J. 1981: 15).
„Partizipative Forschungsmethoden sind auf die Planung und Durchführung eines
Untersuchungsprozesses gemeinsam mit jenen Menschen gerichtet deren soziale Welt und
sinnhaftes Handeln als lebensweltlich situierte Lebens- und Arbeitspraxis untersucht wird.“
[Herv. im Original], (BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2012). BERGOLD und THOMAS sehen diesen Ansatz
als „Forschungsstil“, der „für die Möglichkeit, Bedeutsamkeit und Nützlichkeit der CoForscher/innen in den Erkenntnisprozess argumentiert“ (vgl. ebd.).
Inklusive-partizipative Forschung und Empowerment
Der Wirkmechanismus des Empowerments spielt auch in der inklusiven-partizipative Forschung
eine
entscheidende
Rolle.
Partizipation
und
Empowerment
sind
die
zentralen
gemeindepsychologischen Konzepte: Die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und der
Wissenszuwachs gehen mit einer stärkeren Anerkennung durch andere einher. Dazu gehören die
Selbstwahrnehmung und Vertrauensbildung (vgl. NEUMANN, O. 2011: 5).
Die Stärkung von Co-Forschung (hier mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern) ist ein
wertvolles Instrument während des Prozesses aber auch danach, weil diese beispielsweise andere
oder neue Möglichkeiten für sich entdecken, die sie selbst einfordern oder umsetzen können
(s o.), und sie dadurch Selbstvertrauen und neue Fähigkeiten gewinnen. UNGER V. et al. sprechen
auch von Mobilisierung, Qualifizierung und Stärkung (vgl. UNGER V., H. et al. 2007). Allerdings merkt
sie an, dass dieser Gewinn u. U. nur von kurzer Dauer sei, wenn das Projekt endet und andere
partizipative Möglichkeiten fehlen. Auch WILLIAMS und SIMONS (2005) stellen gemeinsam mit der
Swindon People First Gruppe fest, dass der wahrgenommene Nutzen über die Zeit des Projektes
hinausgehen muss. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Rolle als Selbstvertreterin oder
Selbstvertreter der Zielgruppe in der Forschung ist jedoch schwer fassbar (vgl. ebd.).
Daher ist es eine besondere Herausforderung, die Nachhaltigkeit zu gewährleisten und zu zeigen,
dass inklusive Forschung einen Mehrwert über die Symbolik hinaus hat (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON,
K. 2016: 12).
43
IRIARTE et al. (2014) beschreiben ebenso, dass es möglich sei, dass inklusiven Forschungsaktivitäten
die Beteiligten für eine Weile mit Energie versorgen können, es sei aber wahrscheinlich, dass diese
Energie ohne zusätzlichen Input nicht aufrecht zu halten ist (IRIARTE, E.G. et al. 2014: 155).
Das wirft natürlich die Frage auf, wie diese Energie bewahrt und für die gewünschte weitere
Entwicklung mobilisiert werden kann. Während sich die meisten beschriebenen Studien
tatsächlich auf das Ziel, der Ermächtigung der Betroffenen konzentrieren, hat der eigentliche
Prozess des Empowerments bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten (vgl. LUND V./JUUJÄRVI, S.
2015). Dies könnte und sollte ein Thema nachfolgender Untersuchungen sein.
Partizipative Aktionsforschung – PAR und Empowerment
Die partizipative Aktionsforschung (PAR) hat in vielen Bereichen der Sozialwissenschaften eine
lange Geschichte. PAR versucht partizipative Forschung mit Aktionen zu verbinden. KEMMIS, S./
MCTAGGART, R. beziehen sich hierbei auf den ursprünglichen Aktionsforschungsansatz von LEWIN
(vgl. KEMMIS, S./ MCTAGGART, R. 2007: 272). Es sollte hier nicht um Forschung über den Menschen,
sondern mit den Menschen gehen, und die Maßnahmen sollten sich auf konkrete
Problemlösungen beziehen. Entsprechend hat PAR seine Wurzeln sowohl in der partizipativen als
auch in der Aktionsforschung.
Das Empowerment wird bei partizipativer Aktionsforschung sowohl als Prozess als auch als Ziel
verstanden (vgl. JUUJÄRVI, S./ LUND V. 2015) und die Wirkung von Empowerment wird durch den
gemeinsamen Prozess gestärkt (vgl. KEMMIS, S. et al. 2011: 11-29). Der Forschungsprozess, wie die
Erhebung, Analyse und Interpretation von Daten, können den Teilnehmern mit kognitiven
Behinderungen unter Umständen ermöglichen, ihr Bewusstsein für das Problem während der
Forschungsarbeit zu schärfen beispielsweise, wenn sie eine Situation ändern, die sie für
unbefriedigend halten (vgl. BREUER, F. 2009: 115). Daraus ergibt sich, dass das gemeinsame Wissen
über Erfahrungen (kognitiv und perzeptionell) während der Zusammenarbeit in der Forschung und
Entwicklung zu möglichen neuen, innovativen Problemlösungen beitragen kann.
Inklusive-partizipative Aktionsforschung – IPAR
Inclusive Participatory Action Research (IPAR) stellt einen weiteren empirischen Forschungsansatz
dar, bei dem Menschen mit kognitiven Behinderungen durch eine ansprechende Vorgehensweise
ermutigt werden, ihre Bedürfnisse zu definieren und ihr Leben neu zu gestalten (vgl. BUCHNER,
T/KÖNIG, O. /SCHUPPENER, S. 2016: 13). Es ist ein alternativer Ansatz und eine Variante von
Participatory Action Research (PAR), wie sie KEMMIS et al. vorgestellt haben (2011: 11-29).
44
IPAR liefert den Rahmen für die inklusive-partizipative Aktionsforschung. Insbesondere
beschäftigt sie sich mit Menschen mit kognitiven Behinderungen und bezieht sie als CoForscherinnen und Co-Forscher oder Peer-Forscher aktiv in die Forschung ein (vgl. OLLERTON, J.
2012). IPAR beinhaltet eine alternative Methodik für inklusives Forschungsdesign mit
barrierefreien Datenerhebungs- und Analyseinstrumenten, die für Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen und Qualifikationen zugänglich sind und die Eigenschaft besitzen, PeerResearcher in den gesamten Forschungsprozess einschließlich ihrer Analyse/Bewertung
einzubeziehen (siehe Teil B Das IPAR-UCD Konzept).
2.2.3
Voraussetzungen für die inklusive Zusammenarbeit
Unabhängig von der Art der Teilnahme, um aktiv an den verschiedenen Phasen der
Forschung teilnehmen zu können, sollten Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher vorher oder im
Laufe des Prozesses prinzipielle technische und verfahrenstechnische Kenntnisse über den
Forschungsprozess kennenlernen (vgl. FULLANA, J. et al. 2016: 2). Sie müssen in der Lage sein, die
Forschungskriterien zu verstehen und anzuwenden. Ebenso sollte die Analyse qualitativer Daten
und deren Schlussfolgerungen für sie in alternativen Formen dokumentiert werden (vgl. ebd.).
Hinweis: Wie der benutzerzentrierte Ansatz IPAR-UCD später zeigt, folgt auch IPAR nicht den
traditionellen Forschungsbeziehungen, in denen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
untersucht werden. Stattdessen wird gemeinsam mit ihnen geforscht.
Die Zusammenführung von IPAR und UCD soll in einem nachfolgenden Konzeptvorschlag die
Grundlage für die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen während eines
gesamten Forschungsprozesses, einschließlich der Evaluierung, schaffen.
2.2.4
Offene Fragen und Probleme zur inklusiven Forschung
Im Umfeld von inklusiv-partizipativer Forschung sind noch viele Fragen und Probleme ungeklärt.
Zumal es in den Sozialwissenschaften bisher nur sehr begrenzt methodologische Grundlagen zur
Forschungsteilhabe und inklusiven Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen gibt,
wie beispielsweise die von OLLERTON, J. 2010; MOONEN, R. 2012 oder UNGER V., H. 2014. Fehlende
methodisch verständliche Instrumente mit denen die inklusive Forschung umgesetzt und
analysiert werden kann, machen es der Praxis schwer. Was bis heute vermisst wird, sind offene
alternative Methoden für ein inklusives Forschungsdesign. TOBIAS BUCHNER, OLIVER KOENIG und
SASKIA SCHUPPENER beklagen auch, dass es nach wie vor nicht klar sei, welche Kriterien inklusivepartizipative Forschung erfüllen muss, um im Wissenschaftsbetrieb der Scientific Community
anerkannt zu werden (vgl. BUCHNER, T. et al. 2016: 34).
45
Darüber hinaus wird der Zugang zur Wissenschaft durch das Universitätsrecht und dem Mangel
an akademischen Qualifikationen für Menschen mit kognitiven Behinderungen behindert (siehe
nächstes Kapitel 3). Auch Fragen, wann und wie Menschen mit kognitiven Behinderungen in ein
Forschungsteam aufgenommen werden, ist bisher ungeklärt. Es fehlt an Erfahrungen, welche
Rahmenbedingungen die Teilnahme an der Forschung ermöglichen oder beeinträchtigen und
inwieweit die individuell benötigten Ressourcen des Einzelnen berücksichtigt werden (vgl.
BERGOLD, J./ THOMAS, S. 2010: 337).
Manche Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler halten es für problematisch inklusive Forschungsstrategien mit der Zielgruppe durchzuführen. Sie stellen oftmals Fragen nach dem
wissenschaftlichen Charakter und der Validität der Forschung im Hinblick auf die Zusammenarbeit
mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, nach deren Rolle, die sie in der Zusammenarbeit
einnehmen und wer wie bezahlt oder vergütet wird. Diese Probleme dürfen jedoch nicht dazu
führen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen von Forschung und Wissenschaft
ausgeschlossen werden.
Weitere Hindernisse ergeben sich aus den individuellen Ressourcen potenzieller PeerForscherinnen und Peer-Forscher, wie z. B. Unterschiede in der Wahrnehmung, im Verständnis
oder in der Arbeitszeit sowie im Tempo und Zeitmanagement (siehe in Anlage 2). Der Anspruch,
den Forschungsprozess für sie zugänglich zu machen, geht im deutschsprachigen Raum oft, auch
auf Kosten der Theoriebildung früherer Forschungsprojekte, bei der Durchführung verloren.
Entsprechend setzen sich wenige Forschungsberichte damit auseinander, wie gemeinsam
geforscht wird (methodisch, didaktisch), sondern sie befassen sich eher mit wissenschaftlichen
Theorien bzgl. des Forschungsprozesses.
Dennoch zeigen die positiven Erfahrungen, dass die Durchführung qualitativer Forschung mit
Menschen mit Lern- und/oder Kommunikationsschwierigkeiten zwar anspruchsvoll, jedoch
möglich ist (vgl. NIND, M. 2008: 16 u. a.).
WALMSLEY, J., STRNADOVÁ, I. und JOHNSON, K. kommen zu dem Schluss, dass inklusive Forschung
immer einen Mehrwert bringt, wenn es einen offensichtlichen Beitrag gibt, den nur Co-Researcher
bzw. Peer-Researcher mit geistiger Behinderung leisten können. Die Forschung soll hierzu die
Beiträge von Menschen mit geistigen Behinderungen, die zu einer besseren Lebensqualität für
eine breitere Zielgruppe von Menschen mit kognitiven Behinderungen führen, hervorheben (vgl.
WALMSLEY, J. et al. 2017: 1).
46
3 EINE NORMATIVE HANDLUNGS-PERSPEKTIVE
ZU INKLUSIVER FORSCHUNG UND
ENTWICKLUNG IM BEREICH MENSCHCOMPUTER-INTERAKTION
„Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die
Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach
einem allgemeinen Gesetz zusammen bestehen kann.“
Immanuel Kant (1797): Metaphysik der Sitten.
ÜBERBLICK
Im Folgenden geht es um einen normativen Überblick und eine Einschätzung inklusiverpartizipativer Forschung und Entwicklung (F&E) im Hinblick auf die Zielgruppe Menschen mit
kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher.
§ Was bedeutet die Forschungsfreiheit im Recht? Bildet sie einen Rahmen dafür, dass jede und
jeder forschen kann?
§ Welchen Einfluss hat die UN Behindertenrechtskonvention auf Teilhabe und inklusive partizipative Forschung und Entwicklung?
§ Welche forschungsrechtlichen Grundlagen sind für das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht zu beachten? Hier wird insbesondere auf die
neue Datenschutzgrundverordnung (DSGV) und die Informierte Einwilligung eingegangen.
(Anmerkung: Die im Folgenden angeführten Gesetzestexte sind in der Anlage 1 zu finden.)
47
3.1 Was ist Forschung
Unter Forschung versteht man, im Gegensatz zum zufälligen Entdecken, die systematische Suche
nach neuen Erkenntnissen sowie deren Dokumentation und Veröffentlichung. Forschung findet
an vielen Orten statt: an Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in
Unternehmen. Nach wie vor aber besteht die Ansicht, dass wissenschaftliches Arbeiten nur
Akademikerinnen/Akademikern vorbehalten sei. Forschen kann jedoch grundsätzlich jede Person.
3.2 Die Forschungsfreiheit im Verfassungsrecht
Die Forschungsfreiheit ist in den deutschsprachigen Staaten Verfassungsrecht.
„Der zivilisatorische Fortschritt in der Geschichte der Menschheit beruht hauptsächlich auf
zwei Säulen: zum einen auf dem Grundsatz der Arbeitsteilung, zum anderen auf dem
Erkenntnisfortschritt durch Wissenschaft und Forschung. Beides findet sich in den
Grundrechtskatalogen heutiger Verfassung wieder: zunächst durch den Schutz der Freiheit
von Berufswahl und Berufsausübung in Deutschland im Grundgesetz (Art. 12 GG): in einer
arbeitsteiligen Gesellschaft und Wirtschaft soll jeder die Ausbildung und den Beruf ergreifen
dürfen, der seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht. Sodann durch den Schutz der
Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 GG)“ (LINDNER, F. 2018: 240).
3.2.1
Forschungsfreiheit im deutschen Grundgesetz
Die Forschungsfreiheit zählt im Zusammenhang mit der Wissenschaftsfreiheit und der Lehrfreiheit
zu den bürgerlichen Grundrechten in Deutschland. In Österreich ist die Forschungsfreiheit durch
das Bundes-Verfassungsgesetz (BVG) und das Universitätsgesetz (UG) 2002 und in der Schweizer
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Art. 20 gewährleistet:
Deutschland
Artikel 5 Grundgesetz Absatz 3 (GG)
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet
nicht von der Treue zur Verfassung.
Der grundsätzliche Schutz in Art. 5 Abs. 3 GG ist zunächst – wie bei anderen Grundrechten – ein
Abwehrrecht. Der Staat darf in das Grundrecht nur eingreifen, wenn er davor verfassungsrechtlich
tragfähige Rechtfertigungsgründe hat.
Solche verfassungsrechtlichen Grenzen der Forschungsfreiheit liegen in Bereichen, in denen die
Forschungsarbeit oder deren Ergebnisse Leben und Gesundheit der Menschen gefährden können
(vgl. SCHOLZ, R. et al. 2018).
48
Dies betrifft auch verfassungsrechtliche Aspekte, insbesondere den Datenschutz, wie die
rechtlichen Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie (vgl. EU Datenschutzgrundverordnung), sowie
Regelungen für Konflikte zwischen Forschung und Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Bei der Erstellung, Analyse, Darstellung, Verbreitung und Speicherung wissenschaftlicher
Informationen können sich im Rahmen empirischer Forschungsprojekte rechtliche Kriterien
ergeben, wenn Daten über Personen und/oder soziale Prozesse erhoben werden.
Durch die Digitalisierung haben sich die Prozesse beim Umgang mit Daten verändert. Die Frage
hier nach Grenzen des Datenschutzes kann sich beispielsweise ergeben, wenn die
Forschungsfreiheit mit den Rechten oder den Rechtsgütern anderer in Konflikt gerät, wie mit der
körperlichen Integrität von Patientinnen/Patienten und Probanden, von dritten Personen oder
mit Interessen der Allgemeinheit.
Dort, wo die Gefahr besteht, dass Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler die Grenzen der
grundsätzlich eingeräumten Forschungsfreiheit überschreiten, geht es mittelbar auch um den
Schutz des/der Forschenden vor sich selbst, da Schadensersatzansprüche der Verletzten oder
staatliche Sanktionen drohen könnten (vgl. SPICKHOFF, A. 2005: 9).
3.2.2
Zum Vergleich das Verfassungsrecht in Österreich und der Schweiz
Österreich, das Staatsgrundgesetzes und Bundes-Verfassungsgesetz
Das Grundrecht des Staatsgrundgesetzes
Art. 17 StGG (Staatsgrundgesetz)
Die Wissenschaft und ihre Lehre ist [sic!] frei.
Dies wird vom Verfassungsgerichtshof Österreichs als Individualgrundrecht verstanden:
Bundes-Verfassungsgesetz – A. Verwaltung
6. Universitäten -Artikel 81c.
(1) Die öffentlichen Universitäten sind Stätten freier wissenschaftlicher Forschung,
Lehre und Erschließung der Künste. Sie handeln im Rahmen der Gesetze autonom und
können Satzungen erlassen. Die Mitglieder universitärer Kollegialorgane sind
weisungsfrei.
(2) Bundesgesetzlich kann vorgesehen werden, dass die Tätigkeit an der Universität
sowie die Mitwirkung in Organen der Universität und der Studierendenvertretung von
Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, zulässig ist.
Alles Weitere regelt in Österreich das Universitätsgesetz.
Schweiz, die Bundesverfassung
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft
Artikel 20 Wissenschaftsfreiheit
Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
49
Die Forschungsfreiheit (Lehrfreiheit, Freiheit der Wissenschaft) ist in der schweizerischen
Bundesverfassung nicht ausdrücklich verankert. Sie erkennt die Forschungsfreiheit jedoch als Teil
des im Art. 20 BV verankerten Grundrechtes der Wissenschaftsfreiheit an (vgl. Steffen, G./ Guillod,
O. 2002: 279).
3.2.3
Zur Wissenschaftsfreiheit im deutschen Grundgesetz
Sowohl national wie international geltende Grund- und Menschenrechte bilden den Rahmen für
die Absteckung von Inhalt und Grenzen der Forschungsfreiheit.
Dabei sind für die grundsätzliche Geltung der Wissenschaftsfreiheit die Art und der Anlass der
Forschung ohne Bedeutung. Die Idee der Wissenschaftsfreiheit ist aber untrennbar mit dem
Begriff der Wissenschaft verbunden, das heißt für die Rechtspraxis und Rechtsdogmatik, dass mit
Wissenschaft alles bezeichnet wird, „was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger
Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“ (BUNDESVERFASSUNGSGERICHT, BVerfGE 35, 79:
113 ff.). „Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer
Verantwortung“ (ebd. 112).
Artikel 5 Absatz 3 GG macht weder eine Angabe zum Personenkreis noch Vorgaben zu der Art der
Forschung. Dieser Sachverhalt unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt und ist daher grundsätzlich
nicht beschränkbar. Das heißt, als Grundrechtsträger kann zunächst jede natürliche Person
forschen und sich dabei auf ihr/sein in Artikel 5 enthaltenes Grundrecht berufen. Demnach schützt
dieser Artikel jede Art von Forschung, Grundlagenforschung ebenso wie anwendungsorientierte
Forschung, zweckfreie wie Auftragsforschung, hochschulinterne und -externe Forschung an
Universitäten und an öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen.
Forschung basiert grundsätzlich auf Kommunikation, Offenheit und Transparenz. Art. 5 Abs. 3 GG
- in Verbindung mit Art. 14 GG - schützt zugleich das geistige Eigentum und das Forschungsgeheimnis, insbesondere im Hinblick auf unveröffentlichte Ergebnisse und Teilergebnisse.
3.3 Die UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen zur Forschung
Die UN-BRK wurde von Deutschland im März 2009 ratifiziert und ist somit geltendes Recht. Die
zentralen Grundsätze Inklusion und Teilhabe, Autonomie, Nicht-Diskriminierung und
Chancengleichheit liefern dabei wichtige Impulse für gesellschaftliche Entwicklungen wie
Partizipation und Empowerment, wie später beschrieben.
50
3.3.1
Partizipation und Teilhabe
Der Partizipationsansatz, ein Querschnittsanliegen der UN-BRK, in Bezug auf die Forschung ist er
ein grundlegendes Paradigma, das sich des Weiteren auch in den nachfolgenden relevanten
Artikeln der UN-BRK durchzieht.
Die volle und wirksame Teilhabe an und in der Gesellschaft ist in Artikel 3 der UN-BRK verankert,
„full and effective particpation in society“. Die Unterzeichnerstaaten garantieren ausdrücklich das
Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft und verpflichten sich geeignete Maßnahmen zu treffen,
um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben ihr kreatives, künstlerisches und
intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur
Bereicherung der Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen an den sie betreffenden Belangen
und Entscheidungsprozessen zu beteiligen, ist zu einer Verpflichtung geworden (vgl. Artikel 4
Absatz 3; HIRSCHBERG, M. 2012: 14). Dies bedeutet beispielsweise, dass beim Ausbau von inklusiver
Forschung Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen einbezogen werden müssen.
Der Artikel 19 UN-BRK erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen an die gleichen
Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu haben, um zu leben. Er bezieht
sich auf Lebensbereiche wie Gesundheit, Bildung, Kultur, Zugänglichkeit d. h. die Verwirklichung
der Rechte behinderter Menschen in allen Lebenslagen. Betrachtet man Artikel 3 UN-BRK
zusammen mit Artikel 19 UN-BRK lassen sich bzgl. Bildung, Kultur und deren Zugänglichkeit
Anforderungen an anwendungsorientierte Forschung herleiten, da die Systeme 'Kultur' und
'Gesellschaft' auch in Wechselwirkung mit dem System 'Wissenschaft' stehen (vgl. LIESEN, C. 2010:
307). Dieser Partizipationsansatz kann zunächst auf die sozialwissenschaftliche Forschung zu
Behinderung übertragen werden. Liesen unterstreicht damit die bekannte Forderung, die aus der
Kritik an der traditionellen Forschung entwickelt wurde und kann als Aufforderung zu einer
teilhabeorientierten Veränderung des Wissenschaftssystems ausgelegt werden (vgl. HIRSCHBERG,
M. 2012: 14).
Ein weiterer Schritt ist auch Forschung und Entwicklung F&E dem Paradigma der UN-BRK zu
unterstellen. Dies betrifft ebenso die Zugänglichkeit zur Forschung.
3.3.2
Zugänglichkeit
Bei der Verwirklichung der Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft lag der
Schwerpunkt in Deutschland bisher vor allem auf der Schaffung von Barrierefreiheit im
Vordergrund. Zugänglichkeit ist jedoch nicht immer mit Barrierefreiheit gleichzusetzen. Die UNBRK versteht das Konzept der Zugänglichkeit in vielfältiger Weise.
51
Entsprechend ist der Auftrag an die Staaten Zugänglichkeit nicht nur in Teilbereichen herzustellen,
sondern zu gewährleisten, dass die Gesellschaft insgesamt und in all ihren Facetten zugänglich ist
(vgl. PALLEIT, L. 2012: 3). Die Konvention verwendet hier den Begriff Accessibility und meint damit
die Bedingungen, die über den Zugang zu einem Recht entscheiden.
Artikel 9 Absatz 1 der UN-BRK garantiert den Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit
anderen, eine unabhängige Lebensführung und die Teilhabe und Zugang in allen Lebensbereichen.
In diesem Kontext bezieht sich die Zugänglichkeit auch auf Güter und Dienstleistungen, auf
Kommunikation, Inhalte (Verständlichkeit) und Abläufe (Prozesse). Dabei werden auch die
Bedingungen der bestimmungsgemäßen Nutzung erfasst (vgl. PALLEIT, L. 2012: 2 f.).
Zugänglichkeit, Accessibility und Usability sind oftmals der Schlüssel zur vollen Teilhabe in der
Gesellschaft, insbesondere bei Bildung und Kultur. Neue Technologien können dies fördern, wenn
sie in einer Art und Weise entworfen und umgesetzt werden, die dies ermöglichen. Der Ausschuss
zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen »Committee on the Rights of Persons
with Disabilities – CRPD« (2014: II.19)
23
stellte fest, dass mangelnde Zugänglichkeit häufig das
Ergebnis von unzureichender Aufklärung und technischen Wissens auf der Entwickler-, wie
Nutzer-Seite ist. Infolgedessen ist es notwendig, durch gegenseitiges Verständnis die bestehenden
Anforderungen, Bedürfnisse und die Wirksamkeit von Zugänglichkeitsprüfungen zu verbessern
und die praktische Anwendung von Zugänglichkeitsnormen zu gewährleisten. Neue Investitionen
in Forschung und Entwicklung sollten immer zur Beseitigung von Unzugänglichkeit beitragen und
neue Barrieren verhindern.
Des Weiteren gehen die Vertragsstaaten im Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben (f) bis (h) die
Verpflichtung ein, eine anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung für neue Technologien,
die für Menschen mit Behinderungen geeignet sind und im Bereich des universellen Designs
voranzubringen. Hierbei sind Menschen mit Behinderungen einzubeziehen und diese für sie
zugänglich zu machen (vgl. HIRSCHBERG, M. 2012: 14).
23
Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2014): Allgemeine Anmerkung Nr. 2
(2014) Artikel 9, Zugänglichkeit, II,19; CRPD/C/GC/2.
52
3.4 Teilhabe als inklusive-partizipatorische Forschung im Rahmen der
normativen Ordnung.
Wissenschaft und Forschung sind in vielen Bereichen einem Wandel ausgesetzt, der die Forschung
und Lehre berührt. Es wird hierbei zunehmend auf die Einbeziehung und Hilfe durch Erkenntnisse
von betroffenen Personen zurückgegriffen, die nicht hauptberuflich in der zugehörigen
Wissenschaft tätig sind.
Das ist auf die Einsicht zurückzuführen, dass auch Laien die Grundlagenforschung voranbringen
können und wird unter dem Namen Citizen Science subsumiert (vgl. SCHOLZ, W.; TOCHTERMANN, K.
et al.2016). Dieser Begriff wurde aus dem englischsprachigen Raum übernommen und beschreibt
einen Forschungsansatz, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisse von Personen mit oder ohne
beruflichen wissenschaftlichen Hintergrund gewonnen werden. Dies bedeutet, dass eine
gleichberechtigte Chance für Menschen mit Behinderungen auf eine selbstbestimmte
Lebensführung und volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft auch den Bereich von
Forschungsfreiheit beinhaltet.
3.4.1
Wissenschaftlichkeit und Teilhaberecht
Im Kontext von inklusive-partizipative Forschung steht der Anspruch auf Teilhabe von Menschen
mit kognitiven Behinderungen im Spannungsfeld mit dem Anspruch und den Interessen der
Wissenschaft, sowie auf den Einfluss gesellschaftlicher Herausforderungen, Trends und
Bedürfnisse.
Dies hat Auswirkungen auf die inklusive Ausgestaltung von Forschung und technischer
Entwicklung (vgl. Teil B). Da Gesellschaft aber als System immer in Wechselwirkung mit dem
System
der
Wissenschaft
steht
(vgl.
GEBERT,
T.
2014:
251),
muss
die
UN-
Behindertenrechtskonvention auch als Aufforderung zu einer Veränderung hin zu einem
teilhabeorientierten Wissenschaftssystem verstanden werden (vgl. ebd.: 266). GEBERT sieht in der
Forschung und Entwicklung einen systematischen Prozess auf der Suche nach Erkenntnissen bzw.
begründetem, geordnetem und gesichertem Wissen in einem festgelegten Bereich, der für den
allgemeinen Beobachter erkennbar und nachvollziehbar ist. Es geht darum, Forschung sowohl zu
validieren als auch gegenüber den Betroffenen zu legitimieren (GEBERT 2014: 268). Daher ist bei
der Etablierung einer inklusiven-partizipativen Forschungspraxis die Validität, die Gültigkeit von
Interpretationen und damit die Gültigkeit von Verallgemeinerungen sowie durchaus auch die
Gültigkeit von eingesetzten Methoden unerlässlich.
53
3.4.2
Forschung als Arbeitsfeld und gleichberechtigte Aufgabe für eine
selbstbestimmte Lebensführung
Es soll/muss hier noch ein weiterer normativer Aspekt zur Teilhabe an Forschung diskutiert
werden: die Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nach dem 9.
Sozialgesetzbuches SGB IX. Demnach könnten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch dazu
beitragen, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung innerhalb der empirischen
Forschung und Wissenschaft zu fördern. Inwieweit dies ermöglicht wird, werden
Forschungsprojekte in der Zukunft zeigen.
Bislang können in der Forschung für Menschen mit kognitiven Behinderungen keine Stellen auf
dem sogenannten offenen Arbeitsmarkt angeboten werden, da bis heute die Zugänge zur
Forschung beispielsweise an der Hochschule ohne akademischen Hintergrund – zumindest in
Deutschland – fehlen. Forschung durchzuführen, ohne den Weg über die 'Uni-Karriere' zu gehen,
ist bisher fast unmöglich. Es wird fast immer ein wissenschaftlicher Abschluss gefordert.
KRÜCKEN (2011) sieht dies aus der Perspektive der Gesellschaft, dass „das Bildungssystem, und als
Teil dessen verstärkt das Hochschulsystem, als System der gesellschaftlichen Zuteilung von
Chancen in der Gesellschaft verstanden“ wird (KRÜCKEN, G. 2011: 104).
„Zu Beginn der 1970er Jahre entwickelte TALCOTT PARSONS die modernisierungs-theoretisch
begründete These, dass nach der politischen und ökonomischen Erweiterung von
gesellschaftlichen Teilhabechancen mit der "educational revolution" die Zuteilung von
Teilhabechancen nun vor allem Aufgabe des Bildungs-, insbesondere des Hochschulsystems
sei“ (KRÜCKEN, G. 2011: 104).
Da, wie erwähnt, in der Grundlagenforschung mit und von Laien in vielen Bereichen gearbeitet
wird und Akademikerinnen/Akademiker sogar zunehmend auf die Hilfe der Erkenntnisse von
Personen, die nicht hauptberuflich in der zugehörigen Wissenschaft tätig sind, zurückgreifen, sind
Veränderungen in der wissenschaftlichen Community offensichtlich möglich.
Ob und inwieweit es in Zukunft Möglichkeiten geben wird, dass auch Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Co-Forscherinnen/Co-Forscher oder als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
am 'Arbeitsplatz Forschung' akzeptiert werden, hängt von einer veränderten Gesetzgebung ab. Es
muss sich zeigen, ob das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und das Gesetz zur Stärkung der
Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz –
BTHG) auch im Hinblick auf die UN-BRK hier greifen. Ggf. bedarf dies einer weiteren normativen
Überprüfung.
54
Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention24 und die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention mahnte bereits
2016 an:
„Der Anspruch eines guten Aktionsplans liegt auch darin, menschenrechtliche Problemstellungen anhand von Daten und Fakten zur Lage von Menschen mit Behinderungen konkret
und ehrlich zu benennen, um von dort aus passgenaue politische Maßnahmen zur besseren
Umsetzung der Rechte zu treffen. So ist es positiv wie überzeugend, dass im NAP 2.0
[Nationaler Aktionsplan 2.0 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales] in jedem
Handlungsfeld Daten und Fakten aus dem Teilhabebericht der Bundesregierung dargestellt
werden. Jedoch liegen nicht durchgängig die notwendigen Informationen vor, um den
Umsetzungsstand der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu beschreiben und darauf
basierend zielgenaue Maßnahmen zu planen“ (MONITORING-STELLE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION 2016: 5).
3.4.3
Schlussfolgerung:
Da die Forschung und Entwicklung in vielfältiger Weise die Grundrechte der Menschen mit
Behinderung berührt ist es notwendig im Forschungsprozess die Perspektive der Betroffenen
einzunehmen und ihrer Partizipation ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Politik muss im Rahmen
der Umsetzung der UN-BRK, um die Zulassung eines Arbeitsplatzes für Menschen ohne
akademischen Grad in der Forschung zu erreichen, entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Universitäre wie die außeruniversitäre Forschung haben das Potenzial, die Umsetzung der Rechte
von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Wie und mit welchem Ziel dies geschehen kann,
muss jeweils anhand des Forschungsstils, des Forschungsdesigns und der Forschungsmethode mit
dem Grundsatz der gleichberechtigten Partizipation von Menschen mit Behinderungen
entschieden werden.
3.5 Inklusive-partizipative Forschung im Rahmen der
internationalen Normung ISO
Die ISO – 9241-210 »Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher Systeme« ist eine wichtige Norm
zur Einordnung und Einforderung von Usability-Engineering-Maßnahmen. Diese Maßnahmen sind
Standard für benutzerorientierte Verfahren in Entwicklungsprojekten. Sie bezeichnen einen
Prozess, der parallel zur klassischen Planungs- und Entwicklungsarbeit einhergeht, um die spätere
Gebrauchstauglichkeit eines Systems über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg
sicherzustellen (vgl. Geis, T. 2010).
24
Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
(2011 und 2016), – Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft.
55
Das Konzept beruht auf einem ganzheitlichen Verständnis der User (Benutzer und Benutzerinnen),
in Bezug auf Arbeitsaufgaben und Arbeitsumgebungen. Die Anwender werden bei der
Entwicklung und in die Gestaltung einbezogen. Die Verfeinerung und Anpassung von
Designlösungen auf der Grundlage einer benutzerzentrierten Bewertung wird kontinuierlich
vorangetrieben. Der Prozess umfasst Iterationen (Wiederholungen). Die gesamte Benutzererfahrung wird bei der Umsetzung berücksichtigt. Das Entwicklungsteam kombiniert
fachübergreifendes Wissen und die Sichtweisen der Anwender (vgl. PROCONTEXT, 2010).
3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das
Persönlichkeitsrecht in der Forschung, die Informierte Einwilligung
Wie bereits angemerkt wird in einer Reihe von Wissenschaftsgebieten der Mensch zum Objekt
der Forschung. Dadurch kann Forschung mit dem vorrangigen allgemeinen Persönlichkeitsrecht
aus Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 1 GG in Konflikt geraten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet dieses allgemeine
Persönlichkeitsrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Befugnis des
Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu
bestimmen (BVerfGE 65, S. 41 f., s. Anlage 3.1.2). Eine Einschränkung dieses Rechts ist nur im
überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Dazu bedarf es einer verfassungsmäßigen
gesetzlichen Grundlage, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.
3.6.1
Die Informierte Einwilligung aus rechtlicher Perspektive25
Die Verarbeitung von persönlichen Daten ist generell verboten, solange sie nicht durch ein Gesetz
ausdrücklich erlaubt ist oder die Betroffenen in die Verarbeitung selbst eingewilligt haben (s o.)
Durch die Möglichkeit der Einwilligung der Betroffenen in die Erhebung, Verarbeitung und/oder
Nutzung der personenbezogenen Daten werden diese in die Lage versetzt, über ihre Grundrechte
zu verfügen.
Die Anforderungen, die an eine wirksam erteilte Einwilligung gestellt werden, sind in Kapitel 2
(Art. 7 EU-DSGVO – Einwilligung) festgelegt. Sie werden mit dem sogenannten Erwägungsgrund
32 der EU-DSGVO weiter ausgeführt.
25
Die Informierte Einwilligung aus ethischer Perspektive folgt in Kapitel 4.2
56
Die Einwilligung muss demnach durch eine eindeutige bestätigende Handlung erfolgen, mit der
freiwillig, für den konkreten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich bekundet wird,
dass die betroffene Person mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten
einverstanden ist (vgl. Erwägungsgrund Art. 32 der EU-DSGVO: 2018).
Die Einwilligung ist in Form einer schriftlichen Erklärung wirksam. Sie kann aber auch elektronisch
oder als mündliche Erklärung erfolgen. Stillschweigen oder Untätigkeit der betroffenen Person
stellen jedoch keine Einwilligung dar. Wenn die Verarbeitung mehreren Zwecken dient, sollte für
alle diese Verarbeitungszwecke eine Einwilligung abgegeben werden. Der Widerruf muss dabei
genauso leicht möglich sein, wie die Abgabe der Einwilligungserklärung selbst (vgl. ebd.).
3.6.2
Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen
Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen stellt die Beteiligten bei
der inklusiven-partizipativen Forschung vor besondere Probleme. Die Verantwortlichen müssen
gewährleisten,
dass
die
angemessene
Aufklärung
und Information zum
inklusiven
Forschungsprojekt so erfolgt, dass die Teilnehmerinnen/Teilnehmer eine selbstbestimmte
Entscheidung zur Teilnahme am Projekt treffen können und wissen, welche Aufgaben und
Pflichten damit verbunden sind. Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an deren
kognitiven Möglichkeiten.
Es folgen daher einige Überlegungen hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung der Einwilligung:
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler die Fähigkeit zur
Einwilligung aufgrund der Behinderung ausschließen (vgl. HORNER-JOHNSON, W./ BAILEY, D. 2013).
Es ist eine Tatsache, dass Personen mit kognitiven Behinderungen einfach als unfähig und damit
nicht geeignet angesehen werden. Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen und
Untersuchungen.
Nur wenige Studien belegen, wie die Fähigkeit zu Einwilligung überprüft wurde.
ARSCOTT et al. (1998) stellen bei einer Untersuchung zum Informend Consent fest, dass keiner von
den Teilnehmerinnen/Teilnehmer einer Forschungsstudie fünf inhaltliche Fragen zur Zustimmung
korrekt beantworten konnte, obwohl sie alle vorher eingewilligt hatten, an der Studie
teilzunehmen. Die Fragen zu Vor- und Nachteilen, sich an der Studie zu beteiligten, waren am
schwierigsten zu beantworten (vgl. COONS, K. / WATSON, S. 2013: 16).
In einer anderen Studie stellen HORNER-JOHNSON und BAILEY (2013) fest, dass Vorgehensweise und
Zeit, die für die Rekrutierung von Teilnehmerinnen/Teilnehmer benötigt wird, sowie die Information über das Projekt ausschlaggebend sind. Dabei kommen sie zu einem anderen Ergebnis.
57
Die Feststellung, ob jemand die Erklärung verstanden hat, ist auch für HORNER-JOHNSON und BAILEY
wichtige. Die beiden schlagen vor, an Stelle der allgemeinen Annahme, dass Menschen mit
kognitiven Behinderungen nicht in der Lage seien einer Forschung zuzustimmen, sollten die
Forscherinnen/Forscher adäquate Maßnahmen ergreifen, um die Einwilligung durch eine
entsprechende Aufklärung zu erleichtern. Ihre Studienergebnisse zeigen, dass nach einer
mehrschrittigen Information ggf. durch Assistenz von Vertrauenspersonen und/oder rechtlichem
Betreuerinnen/Betreuer und durch sprachunterstützende Anpassung der Einverständniserklärungen, mehr als die Hälfte der Teilnehmerinnen/Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen
genügend Verständnis zeigen, um ihre persönliche Einwilligung zu geben (vgl. HORNER-JOHNSON,
W./ BAILEY, D. 2013).
Diese Art der Verständnisschwierigkeiten betrifft aber nicht ausschließlich Personen mit
kognitiver Behinderung. Aus diesem Grund ist die Beurteilung der Fähigkeit zu verstehen ein
wichtiger Bestandteil bei der Offenlegung von Studien oder Forschungsprojekten. Die EUDatenschutz-Grundverordnung hat strenge formelle Anforderungen für das Einholen von
Einwilligungen (Art. 7 DSGVO), wobei die Information den erhöhten Transparenzanforderungen
genügen müssen.
Die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung betrifft nicht nur
die Einwilligung als 'informationelle Selbstbestimmung' (das Recht des Einzelnen grundsätzlich
selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen),
sondern auch ihre Persönlichkeitsrechte (Artikel 32 UN-BRK). Bei der Abwägung, ob und wie
Menschen mit kognitiver Behinderung in einer Studie einbezogen werden sollen ist im ethischen
Entscheidungsprozess ein Kriterium, auf das im nächsten Kapitel näher eingegangen wird.
3.6.3
Anforderung an die Informierte Einwilligung
Wie Informationen über ein Forschungsprojekt für die Einwilligung vermittelt werden können, ist
von den individuellen Möglichkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmern abhängig. Hierzu ist
Flexibilität vonseiten der Wissenschaft gefragt. Welche Informationen werden kommuniziert,
welche nicht? Wie wird kommuniziert? Wie wird das Einverständnis der Teilnehmenden eingeholt
(mündlich, schriftlich)? (Unger 2014: 21).
Es kann schwierig sein, sowohl die Informationen als auch die anschließenden Fragen genau und
verständlich zu formulieren und/oder darzustellen.
58
Die folgenden Informationen sind für eine informierte Einwilligung in verständlicher Sprache oder
in alternativer Form für Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen erforderlich
§
Name /Titel des Projekts;
§
Inhalt des Projekts, worum es bei der Forschung oder der Studie gehen soll; Was ist der
Zweck dieser Studie?
§
Wer ist die/der Verantwortliche für die Datenerhebung, das heißt die Person, die
Adressat/in der Einwilligungserklärung ist;
§
Informationen über die Art der erhobenen Daten (Befragung, Beobachtung,
Experiment...)
§
Informationen über die Formate der erhobenen Daten (Foto, Video, Tonaufnahme...)
§
Informationen über den Prozess der Datenverarbeitung, was wird mit den Daten
geschehen? (Verwendungszweck(e);
§
Hinweis auf Freiwilligkeit und auf das Widerrufsrecht,
§
Was ist erforderlich, um an dieser Studie teilzunehmen?
§
Muss ich etwas bezahlen, um an der Studie teilzunehmen?
§
Habe ich Vorteile, wenn ich an dieser Studie teilnehme?
§
Welche Auswirkung hat diese Studie für mich selbst?
§
Gibt es Gefahren, wenn ich an der Studie teilnehme?
Um beurteilen zu können, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiver oder geistiger
Behinderung tatsächlich in der Lage sind, entsprechende Informationen zu verstehen und damit
ihre Einwilligung zu geben, sollten Fragen über die wichtigsten Aspekte der Studie beantworten
werden können (vgl. HORNER-JOHNSON, W./ BAILEY, D. 2013).
Beispielfragen zur Information:26
§
Bitte sagen Sie mir, in Ihren eigenen Worten: Wobei geht es in dieser Studie?
§
Was müssen Sie tun, wenn Sie an dieser Studie teilnehmen?
§
Was sind die Gefahren oder haben Sie Angst, wenn Sie an dieser Studie teilzunehmen?
§
Wenn ich sage, dass Ihre Teilnahme ganz freiwillig ist: Was heißt das für Sie?
§
Wenn ich sage, dass Ihre Antworten vertraulich behandelt werden: Was heißt das?
§
Wenn Sie das Forschungsprojekt beginnen, aber plötzlich beenden wollen: Was können
Sie tun?
Kann die Mehrzahl dieser Fragen nicht beantwortet werden, besteht die Gefahr, dass die gefragte
Person die vorhergegangenen Informationen über die Forschung nicht verstanden hat.
26
diese Fragen müssen immer dem Forschungsprojekt angepasst und für die Zielgruppe angemessen und
verständlich formuliert werden. (Beispiel im Anhang)
59
Eine schriftliche Form der Informierte Einwilligung ist nicht zwingend notwendig. Es sind auch
alternative Aufzeichnungen über das Zustandekommen der Einwilligung ausreichend (vgl. Teil B,
Beispiel zur Informierten Einwilligung).
3.6.4
Wer kann eine Einwilligung abgeben?
Eine Einwilligung nach erfolgter Aufklärung kann jede natürliche Person abgeben. Bei nicht
volljährigen Personen galt bisher, dass die Eltern des Kindes oder dessen rechtlicher Vertreter die
Datenschutzrechte im Interesse des Kindes ausübten. Dies war Teil der elterlichen Sorge
(§§ 1626 ff. Bürgerliches Gesetzbuch BGB). Nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung können
Jugendliche nun bereits ab 16 Jahren selbst wirksam einwilligen (siehe Kapitel 2 Artikel 8 in
Verbindung mit Artikel 7 DSGV). Eine allgemein betreffende Norm hinsichtlich der
Einwilligungsfähigkeit, zum Beispiel für Menschen mit kognitiven Behinderungen, finden sich in
der europäischen DSGV nicht. Es gelten somit die Vorschriften zum Schutz des
Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 GG) und Grundfreiheiten von natürlichen Personen. Laut dem
Bundesverfassungsgericht ist einwilligungsfähig, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der
ärztlichen Maßnahme erfassen kann (BGH, Urteil vom 28.11.1957).
Es kann jedoch bei schweren psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen eine
Einwilligungsunfähigkeit vorliegen. In diesem Falle ist die Einwilligung des jeweiligen gesetzlichen
Vertreters erforderlich, bei Volljährigen von einem rechtlichen Betreuer. Dies unterliegt aber
Einschränkungen.
Die Einwilligungsfähigkeit und das Betreuungsrecht, der Betreuer als
Stellvertreter?
Jemand kann nach dem Betreuungsrecht Unterstützung erhalten, wenn gemäß § 1896 Abs. 1 BGB
eine psychische Krankheit bzw. eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung vorliegt.
Das Betreuungsrecht ist in Teil-Aufgabenkreise aufgeteilt.
60
§
Teilbereich der Gesundheitssorge
§
Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung
§
Teilbereich der Vermögenssorge
§
Teilbereich der Wohnungsangelegenheiten
§
Vertretung der/des Betroffenen in gerichtlichen Verfahren,
§
Vertretung gegenüber Behörden,
§
Entscheidung über den Fernmeldeverkehr der/des Betroffenen und über die
Entgegennahme und das Öffnen und Anhalten seiner Post.
Die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers erfolgt durch das Betreuungsgericht.
Niemand darf ohne eingehende Prüfung unter eine sogenannte 'Totalbetreuung' gestellt werden,
nur wenn ohne jeden Zweifel feststeht, dass der Betreute keine einzige seiner Angelegenheiten
selbst sinnvoll regeln kann, gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Vom Grundsatz her hat das Betreuungsrecht keinen Einfluss auf die rechtliche Handlungsfähigkeit
der Betroffenen. Es gibt eine wichtige Ausnahme: Wenn das Gericht für einzelne Aufgabenkreise
einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat, tritt hierdurch eine Beschränkung der Teilnahme
am Rechtsverkehr ein (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2018).
Das bedeutet: Die Einwilligung selbst ist nicht abschließend durch das Betreuungsrecht (§ 1896 ff.
BGB) geregelt. Wenn es zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die betreute Person oder
dessen Vermögen erforderlich ist, kann das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt zu
dessen Schutz anordnen. Dies ist eine spezielle Anordnung des Betreuungsgerichtes, die zusätzlich
zu einer Betreuerbestellung erfolgen kann und die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen
einschränkt. Dieser Einwilligungsvorbehalt ist nur unter engen Voraussetzungen und zur Abwehr
erheblicher Gefahren in Betracht zu ziehen.
Das Betreuungsrecht hat daher beim Schutz der Privatsphäre und beim Schutz einer Person vor
Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich seine Grenzen. Es bedarf bei Eingriffen des
Betreuers in die Kommunikationsfreiheit der betreuten Person immer einer ausdrücklichen
gerichtlichen Anordnung (vgl. § 1896 Abs. 4 BGB).
Das Bundesverfassungsgericht (BGH) bemerkt hierzu:
„Die Unbestimmtheit der gesetzlichen Vorschriften verletze die betroffenen Volljährigen in
ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Gefahr bestehe, daß [sic!] sie entweder durch eine
umfassende Betreuung ohne hinreichenden Anlaß [sic!] in ihren Rechten eingeschränkt oder
in Teilbereichen eine Betreuung nicht erhielten, obwohl sie ihrer bedürften. Besonders
deutlich werde die dargelegte verfassungsrechtliche Problematik an der Bestimmung des
§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der eine Betreuung nicht erforderlich sei, soweit
Angelegenheiten durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werde,
ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Denn eine rechtliche
Betreuung könne nicht durch tatsächliche Betreuungsformen ersetzt werden. Blieben aber
geschäftsunfähige Personen ohne rechtliche Betreuung, unterlägen sie der
Fremdbestimmung durch tatsächliche Hilfe leistende Personen, die aber gerade nicht
berechtigt seien, rechtliche Angelegenheiten anderer Personen zu besorgen“ (BVerfG
1999).27
27
BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 1999 - 1 BvL 28/97 - Rn. (1-28),[online]
http://www.bverfg.de/e/lk19990623_1bvl002897.html" \t "_blank [01.09.2017]
61
Dieser Beschluss hat auch Auswirkungen auf die Informierte Einwilligung, wenn es sich nicht um
die Bereiche der Teil-Aufgabenkreise handelt (siehe oben).
Infolgedessen können Menschen mit kognitiven Behinderungen die Kontrolle über ihre
persönlichen Informationen wie persönliche Daten, Bilder und Videoaufnahmen von sich selbst
haben, sofern dies nicht gegen eine Rechtsnorm verstößt.
3.6.5
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und
deren Stellvertretung
Das Rechtsgebiet der Einwilligung wird auch in der UN-BRK benannt (vgl. HIRSCHBERG 2014: 365).
Seit dem Nürnberger Kodex 1947, als Konsequenz aus den historischen Medizinverbrechen des
Nationalsozialismus, ist die freiwillige Einwilligung von Testperson rechtlich vorgeschrieben. Ist
die Person einwilligungsfähig, darf also in keinem Fall gegen ihren Willen behandelt werden.
3.6.5.1
Gleiche Anerkennung vor dem Recht
Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen legt ausführlich dar, dass
sie dieselbe Rechte und Rechtsfähigkeit wie jeder andere Person ohne Behinderung besitzen und
dass eine begleitende Pflicht der Vertragsstaaten besteht, den Zugang zur Hilfe bei der Ausübung
der Rechtsfähigkeit zu gewährleisten.
Dies betrifft insbesondere in Artikel 12, Gleiche Anerkennung vor dem Recht, Absatz 1-4 UN-BRK.
Demnach werden der Aufklärung und Information der Betroffenen zur Einwilligung bei der
inklusiven Forschung eine besondere Rolle zugeschrieben.
Die UN-BRK besagt zudem, dass nicht mehr über die Köpfe von volljährigen Menschen mit
Behinderungen hinweg Entscheidungen gefällt werden dürfen. Die rechtliche Handlungsfähigkeit
von ihnen soll ausnahmslos anerkannt werden. Sie sollten die individuelle Unterstützung erhalten,
die sie benötigen, um ihre rechtliche Handlungsfähigkeit wirksam auszuüben.
3.6.5.2
Schutz von Forschungsdaten
Wenn es um Forschung über oder mit Menschen mit Behinderungen geht, spricht HIRSCHBERG
(2014: 347f.) von menschenrechtsbasierter Forschung und führt dies in ihren Anforderungen zu
Artikel 22 Achtung der Privatsphäre und Artikel 31 Statistik und Datensammlung UN-BRK
„Menschenrechtsbasierte Datenerhebung – Schlüssel für gute Behindertenpolitik“ näher aus:
Durch diese menschenrechtliche Perspektive auf Forschung für und mit Menschen mit
Behinderungen sollen strukturelle Ursachen von Behinderung und Ausgrenzung offengelegt und
so verhindert werden, dass sich diese Strukturen weiter verfestigen.
62
Inklusive Forschung darf sich daher nicht allein mit der Bewertung gesellschaftlicher Änderungsprozesse befassen oder als ein Instrument der Rechenschaftslegung gegenüber dem Auftraggeber
verstanden werden. Sie muss auch als ein Instrument zur Stärkung von sozialen Mechanismen und
Aneignung genutzt werden28. Dies schließt die Umsetzung von Ergebnissen ein (vgl. HIRSCHBERG,
M. 2014: 347 f.).
3.7 Urheberrechte
Das Urheberrecht bezeichnet das subjektive und absolute Recht auf den Schutz geistigen
Eigentums in ideeller und materieller Hinsicht.
Bei einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz ist die Bedeutung von Transparenz und
Darstellung, wer genau was getan hat, relevant. Nicht nur, damit andere Forschungsteams aus
Erfahrungen lernen können (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2014: 4), sondern weil in besonderer Weise
bei der Veröffentlichung berücksichtigt werden muss, dass das Urheberrecht auch bei den PeerForschern liegt. Das Urheberrecht (UrhG) schützt somit geistige Schöpfungen und Leistungen.
3.8 Schlussbetrachtung zur normativen Einschätzung inklusiver
Forschung und Entwicklung
Betrachtet man die vorangegangenen Ausführungen im Hinblick auf Forschung und Entwicklung
(F&E), neuer digitale Technologien, Software-Engineering und Interaktionsdesign / UX-Design mit
dem Fokus auf Menschen mit kognitiven Behinderungen als User, so lässt sich inklusivepartizipative Forschung gemeinsam mit der Zielgruppe aus rechtlicher Sicht begründen.
Zunächst wird dies durch die Erkenntnis, dass auch Personen, die nicht hauptberuflich in der
zugehörigen Wissenschaft tätig sind und Forschung mit Peers als Laien die Grundlagenforschung
voranbringen können, gestützt. Des Weiteren sind nach den Grundsätzen der UN-BRK Menschen
mit Behinderungen an Forschung sowohl bei der Informationsgewinnung über ihre Lebenslagen
zu beteiligen, wie auch bei Entwicklungen und Anwendungsforschung, die ihr Leben positiv wie
negativ verändern könnten.
Zu diesem Zweck muss das Forschungsdesign entsprechend gestaltet und die Menschenrechte
und ethischen Grenzen der Datenerhebung eingehalten werden. Hinsichtlich der Informierte
Einwilligung ist davon auszugehen, dass sich daraus keine Verbote ableiten lassen, wenn in jeder
Hinsicht die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten beachtet werden.
28
Aneignung auch als Bildungskonzept
63
64
4 ETHISCHE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN
ZUR INKLUSIVEN FORSCHUNG UND
ENTWICKLUNG
"Die Dinge haben nur den Wert, den wir ihnen geben."
Jean-Baptiste Molière (1622-1673)
ÜBERBLICK
In der angewandten Ethik geht es nicht um bestimmte konkrete Handlungen, sondern
darum, Handlungsmöglichkeiten wie Spielräume in Bezug auf die jeweiligen individuellen als
auch sozialen Aspekte zu reflektieren (vgl. RATH, M. 2014: 35). Sie soll hier einen Rahmen für die
inklusive Forschung und Entwicklung bilden. Im Folgenden werden sehr unterschiedliche ethische
Aspekte betrachtet.
Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und die Verantwortung gegenüber den Personen
wie der Sache bestimmen den Diskurs. Wenn eine bestimmte Person mit Behinderungen und ihre
Anliegen und Interessen in Entscheidungs- und Konfliktsituationen, in pädagogischen oder
medizinischen Kontexten sowie in Bezug auf Forschung und Entwicklung zu vertreten sind, geht
es um Autonomie und Achtsamkeit und um das Handeln selbst. Ethik der Autonomie und
Achtsamkeit als Paradigma zur Orientierung umfasst die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und
Belange anderer und beinhaltet Präsenz, Verantwortungsübernahme und Ermutigung, sowie
Reflexion auf das forschende Handeln und letztlich die Gestaltung der Forschungsbeziehungen.
Die Teilhabe oder auch Nicht-Teilhabe bzw. selbstbestimmte Teilhabe wird als Akt der
Selbstbestimmung angesehen. Die Forschung, die im Kontext mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen stattfindet, trifft Entscheidungen über Verfahren und Prozesse, die weitreichende
Konsequenzen für deren Leben nach sich ziehen können. Daher wird dem Umgang mit
Informationen und advokatorische Vertretung und die assistierte Teilnahme, u. U. mithilfe einer
assistierten Selbstbestimmung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Informierte
Einwilligung zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt, wie Anonymität und Vertraulichkeit
erfordert nicht nur eine normative, sondern auch eine ethische Bewertung.
Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen an der Forschung im Zusammenhang mit der
Entwicklung des Zugangs zu digitalen Medien und Diensten (IoT) beteiligt sind brauchen auch
Forschungsethik und Medienethik Innovation und müssen neugestaltet werden.
65
4.1 Angewandte Ethik in Hinblick auf inklusive Forschung und
Entwicklung
Mithilfe der angewandten Ethik werden im folgenden Kapitel die inklusive Forschung und
Entwicklung für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen als Handlungsfeld untersucht.
Ziel ist es, nach Werten, Prinzipien und Regeln für die integrative Forschung zu fragen und Wege
zu finden, Lösungen und Standards sowie Kriterien für moralisch gutes Handeln zu begründen. Die
zentrale Aufgabe dieser Handlungsorientierung wird es sein, die Anwendbarkeit des Konzepts der
inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung mit ethisch korrektem Handeln zu verbinden
und umzusetzen.
4.1.1 Autonomie und Achtsamkeit als Paradigma
Im 19. Jahrhundert waren Menschen mit Behinderungen nicht nur Forschungsgegenstand,
sondern vor allem Ziel von Therapie- und Präventionsversuchen – dies war der bürgerlichen
Sozialethik der Aufklärung geschuldet. Behinderte Menschen wurden in dieser Zeit als
'verkrüppelt', 'missgebildet oder 'idiotisch' bezeichnet und galten als soziales Problem. Mit den
Mitteln des entstehenden Wohlfahrts- und Sozialstaats und der privaten Wohltätigkeit suchte die
bürgerliche, kapitalistisch Gesellschaft die weitgehende Anpassung der als abweichend und
defizitär eingestuften Menschen– zum Wohle der Gesellschaft und des Einzelnen (vgl. BÖSL, E.
2010).
Mit der UN-BRK wurde nicht nur ein neuer normativer Orientierungsrahmen geschaffen, der
Institutionen wie Wohlfahrtsträgern, Bildungseinrichtungen oder sozialen Diensten zu einer
neuen Ausrichtung verpflichtet. Die bisherige Betonung der Wohlfahrtspolitik und des mit großer
Beharrlichkeit ausgestatteten Apparates der Sozialeinrichtungen, der strukturell stärker auf
Spezialisierung und Fremdbestimmung ausgerichtet war, wurde radikal infrage gestellt (vgl.
KURZKE-MAASMEIER, S. 2009). KURZE-MAASMEIER diskutiert, wie die zwei Paradigmen der Fürsorge
und der Selbstbestimmung eng mit dem Prinzip der Autonomie zusammenhängen. Der
bevormundende Gedanke der Fürsorge, eine Handlung für den anderen in der Sorge um ihn zu
legitimieren, ohne diesen ausreichend in die Entscheidung über eine bestimmte Handlung oder
Maßnahme einzubeziehen, schränkt seine Autonomie ein. Der Begriff Autonomie bezeichnet das
Recht, die eigenen Angelegenheiten unabhängig von einer anderen Macht bestimmen zu können
(vgl. ebd.: 2). Die Forderung nach Selbstbestimmung hingegen soll die Autonomie garantieren.
Immanuel Kant betont, dass die Würde des Menschen auf seiner Autonomie beruhe:
Der eigentliche Kern der „Würde der Menschheit“ besteht zuletzt in der sittlichen Autonomie
des Menschen, d. h. in der „Fähigkeit, allgemein gesetzgebend, obgleich mit dem Beding,
eben dieser Gesetzgebung zugleich selbst unterworfen zu sein“ (Kant. I. 1785/1977).
66
Dies setzt ein Verständnis voraus, dass Autonomie nicht mit Dienstleistungen und Funktionen
verbunden ist, d.h. auch ein kranker pflegebedürftiger älterer Mensch ist grundsätzlich autonom,
unabhängig von der Ausgestaltung seiner Selbständigkeit. Diese kann sehr wohl freiwillig oder
unfreiwillig aufgrund bestimmter Bedingungen, z.B. physischer Bedingungen, eingeschränkt sein.
„Der Begriff Autonomie meint zunächst das Recht, die eigenen inneren Angelegenheiten
unabhängig von einer anderen Macht bestimmen zu können.“ (KURZKE-MAASMEIER, S. 2009). Als
autonome Person hat jeder das Recht selbstbestimmt zu leben. Autonomie ist eine
identitätsbildende Eigenschaft des Menschen, die er verlieren kann.
Für Menschen mit kognitiven Behinderungen spielt jedoch nicht nur die Autonomie aus
sozialethischer Sicht eine Rolle, sondern auch die Fürsorgepflicht. Diese soll in erster Linie das
Handeln im Sinne von Care Ethik leiten. Ist eine autonome Entscheidung des Betreffenden nicht
lebensbedrohlich, sollte ein Kompromiss zwischen den Prinzipien der Autonomie und der
Fürsorgepflicht gefunden werden und vor allem Interventionen und Übergriffe sowie
Zwangsmaßnahmen sollten vermieden werden (vgl. ebd.).
Der ethische Diskurs stellt kritisch die Frage, ob das traditionelle Verständnis von Fürsorge und
Pflege als Ungleichgewicht im Machtverhältnis zwischen Fachkräften und Menschen mit
Behinderungen durch ein nicht-paternalistisches Verständnis abgelöst werden sollte.
Einerseits ist die Umkehrung und solidarische Unterstützung des anderen in seiner Abhängigkeit
ein Naturgesetz, da jeder Mensch in verschiedenen Lebensphasen (z. B. als Kind, in Zeiten von
Krankheit und im Alter) auf die Fürsorge anderer angewiesen sein kann. Andererseits geht es um
das Gleichgewicht zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung, auch für Menschen mit schweren
Behinderungen. Andererseits sollte die Assistenz nicht ausschließlich als Instrument zur Erlangung
der Unabhängigkeit im Sinne einer bindungslosen Autonomie verstanden werden (vgl. ebd.).
In der professionellen Beziehung geht es in der Fürsorge um die ethische Qualität dieser
Beziehung im Bewusstsein gegenseitiger Angewiesenheit und nicht um die Frage nach einem
möglichst großen Maß an Unabhängigkeit. Ernst Bloch hat die soziale und geschichtliche Bindung
unserer Selbstwerdung und Selbstbestimmung wie folgt ausgedrückt: „Ich bin. Aber ich habe mich
nicht. Darum werden wir erst.“ (Bloch, E. 1963: 11; zit. nach KURZKE-MAASMEIER, S. 2009)
Auch ELISABETH CONRADI begründet die achtsame Zuwendung mit der grundlegenden
Angewiesenheit von Menschen.
67
Sie fordert eine »Ethik der Achtsamkeit« als Modell der Intersubjektivität, die achtsame
Zuwendung (vgl. CONRADI, E. 2001: 46 ff.). Sie versteht darin eine Aufforderung, sich anderen
Menschen und auch sich selbst zuzuwenden, ethics of care. Anders als die Achtung des Einzelnen
in der Ethik der Autonomie.
Diese „Achtsamkeit gründet also nicht, wie etwa in autonomie-ethischen Ansätzen, in einem
universellen Wesen des Menschen, das sich durch eine bestimmte Art der
Willensbestimmung auszeichnet. Wenn es überhaupt einer universalisierbaren Kategorie
bedarf, so bietet es sich eher an, über Angewiesenheit nachzudenken, als über die ‚Fähigkeit‘,
autonom zu sein. Denn Menschen sind grundlegend aufeinander angewiesen. Außerdem
geht es bei Interaktionen der Zuwendung häufig um die Achtsamkeit gegenüber Menschen,
deren Autonomie als verschieden eingeschätzt wird.“ (CONRADI, E. 2013: 10)
Achtsamkeit gilt in der Care Ethik als eine Form der Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und
Belange anderer als menschliche Zuwendung. Sie wird als eine Praxis verstanden, die nicht auf
Autonomie angewiesen ist. Da sich die »Ethik der Achtsamkeit« den Ermöglichungsbedingungen
einer größeren praktischen Eigenständigkeit widmet, hängt damit durchaus auch eine weitere
Entscheidungsfreiheit zusammen, die weder auf diese beschränkt wird noch auf ihr beruht (vgl.
CONRADI, E. 2013: 12).
2.
29
Abb. Grafik: Ethik der Autonomie und »Ethik der Achtsamkeit« (Conradi, E. 2013: 11)29
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von FRAU PROF. DR. ELISABETH CONRADI.
68
Dabei spielen nach Conradi drei Aspekte eine Rolle: Präsenz, Verantwortungsübernahme und
Ermutigung. Sie versteht die Präsenz als einen oft laufenden Prozess. Die Aufmerksamkeit und
aktive
Hilfe
erfordert
Kompetenz
und
die
Übernahme
von
Verantwortung,
um
Ermutigungsmöglichkeiten (Empowerment) der beteiligten Menschen zu erkennen und zu
fördern (ebd. 13). Conradis Verständnis von Achtsamkeit berücksichtig die Differenzen der Macht
und der Möglichkeiten. Es bleibt dennoch immer eineGratwanderung zwischen Verantwortung
und Bevormundung, zwischen Selbstachtung und Achtsamkeit sowie zwischen Desinteresse und
Überforderung (vgl. KURZKE-MAASMEIER, S. 2009)
Die Erfahrung zeigt, dass eine autonome Entscheidung, der Menschen mit Behinderungen
insbesondere in stationären Einrichtungen, über die Bedingungen ihrer Lebensqualität selbst zu
entscheiden, oftmals aus den unterschiedlichsten persönlichen, personellen, organisatorischen
oder auch finanziellen Gründen eingeschränkt ist. Diese Abhängigkeit steht dem normativen
Anspruch der UN-BRK auf Autonomie und Selbstbestimmung entgegen, wie dem Prinzip des
Artikels 3, in dem die Würde und die individuelle Autonomie des Menschen, einschließlich der
Freiheit, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, im Mittelpunkt stehen (vgl. KURZKEMAASMEIER, S. 2009). Welche Wirksamkeit für Forschung und Forschung und Entwicklung sich
daraus ergeben wird später in diesem Kapitel erläutert.
Auf eine inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung wirken die unterschiedlichsten
Interessen und Wertevorstellungen ein, die es in Bezug auf die Teilnahme von Menschen mit
kognitiven Behinderungen zu reflektieren gilt. Die angewandte Ethik, deren Ziel es ist,
Handlungsmöglichkeiten zu hinterfragen, soll hier einen Weg zeigen, der sowohl die individuellen
als auch die sozialen Aspekte widerspiegelt.
4.1.2
Die angewandte Ethik als Teilbereich der normativen Ethik
Forschung und Entwicklung werden unter anderem durch traditionelle, sozioökonomische und
technische Rahmenbedingungen bestimmt. Die konkrete Durchführung und Gestaltung von
Forschung und Entwicklung hängt vor allem vom Handeln der Forscherinnen/Forscher und
Entwicklerinnen/Entwickler ab. Die grundlegende Freiheit des Menschen, sein Handeln zu
kontrollieren, macht dies bis zu einem gewissen Grad unvorhersehbar.
Die Angewandte Ethik selbst kann in dieser Hinsicht keine Steuerungsfunktion übernehmen, kann
aber durch die Teilnahme am öffentlichen Diskurs Orientierung für normatives Handeln geben.
Sie hat die Funktion sich mit den Grundnormen der Moral, die für alle verbindlich, d. h. rational
einsehbar und verpflichtend sein sollen, auseinanderzusetzen (vgl. SCHICHA, C. 2000: 3).
69
Ethische Norm- und Werttheorien werden so auf konkrete Problemfälle und Konfliktsituationen
angewendet. Diese Normen sollen jedoch nicht, wie KANT in seiner Maxime der Vernunft
(kategorischer Imperativ) festlegt, vom Individuum alleine aus deskriptiven Aussagen und
Handlungsanweisungen abgeleitet werden.
"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein
allgemeines Gesetz werde" (KANT, I. 1795/1961: 68).
Vielmehr entscheidet gemäß HABERMAS und APEL die Gruppe in einem öffentlichen Diskurs
darüber, und zwar auf eine herrschaftsfreie, inklusive Art, frei von Zwang und Täuschung mit
Regeln der Vernunft und Wahrhaftigkeit (vgl. HABERMAS 1983: 103 f.).
4.1.3
Handlungsmöglichkeiten und die Handlung selbst
HABERMAS unterscheidet: zweckrationales Handeln (zweckmäßiges, erfolgs- bzw. ergebnisorientiertes Tun), instrumentelles Handeln (technische Bedienen von etwas) und kommunikatives
Handeln (Verständigung mit dem Ziel einer Einigung/Einverständnis) (vgl. HABERMAS, J. 1985: 387;
SCHICHA, C. 2000: 6). Ethik ohne Anwendung kann es nicht geben (vgl. SCHICHA, C. 2000: 14). „Die
angewandte
Ethik
reflektiert ihren Ausgangspunkt bei
konkreten Erfahrungen der
Lebensgestaltung und des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ (ebd.: 14).
Nach WEBER besteht das menschliche Handeln aus den folgenden zwei Kategorien, dem Mittel
und dem Zweck. Man ermittle demnach, wie sinnvoll es sei, ein solches Mittel anzuwenden. Er
sagt, dass es möglich sei, innerhalb des eigenen Wissens abzuwägen, ob ein Mittel überhaupt
einsetzbar sein könnte, um das Ziel zu erreichen, und welche Folgen die Anwendung des Mittels
mit sich ziehen könnte. Dann schätze man ab, was dieser Einsatz koste und inwieweit andere
Werte dabei verletzt werden, um ein Ziel zu erreichen. Die Aufgabe der Wissenschaft sei dabei, so
WEBER, die Folgen und die Kosten einer solchen Entscheidung wiederzugeben, letztlich aber nicht
die Entscheidung zu fällen. Das wiederum liege im Aufgabenbereich des Einzelnen. Die
Wissenschaft hilft demjenigen beim Finden der Lösung, indem sie ihm zeigt, welche Bedeutung
das Gewollte hat (vgl. WEBER, M. 1922: 150).
RATH bezeichnet die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten eines Handlungsfeldes im Sinne von
dem Soziologen WEBER als technische Kritik, die er in seiner Schrift »Die "Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer "Erkenntnis"« 1922 formuliert hat (vgl. RATH, M. 2014: 33).
Entsprechend sieht WEBER grundlegende Probleme auf dem Gebiet des persönlichen Handelns,
die die Ethik aus eigenen Voraussetzungen nicht lösen kann.
70
Für ihn ist es vor allem die grundlegende Frage, ob der Eigenwert des ethischen Handelns – die
Gesinnung, alleine zu seiner Rechtfertigung ausreicht, die nach Handlungsabsichten und Motiven
fragt.
Das würde bedeuten, dass mit einer bestimmten Forschungsfrage und dem Erkenntnisinteresse,
die Verantwortung, für die als wahrscheinlich und vorauszusehende Folgen des Handelns, in
Betracht zu ziehen ist. Angewandte Ethik lässt sich so auch als ein System zum Denken und
Handeln verstehen, wobei die »Verantwortungsethik« maßgeblich von JONAS geprägt wurde
(siehe 4.1.5; JONAS, H. 1979).
4.1.4
Der Diskurs in der angewandten Ethik
Das Prinzip des Diskurses besteht darin, dass zunächst bei den Teilnehmern Einigkeit über das
jeweilige Thema herrscht, über das ein Konsens gefunden werden soll, und dass das, worüber im
Diskurs argumentiert und entschieden wird, realisierbar sein muss (Universalisierungsprinzip),
(vgl. SCHICHA, C. 2000: 9).
Den Rahmen bildet hierbei die von HABERMAS und APEL vorgeschlagene Theorie des
kommunikativen Handelns, die Diskursethik. HABERMAS nennt dies auch theoretisches Handeln.
Beide vertreten, dass die Gültigkeit von Normen von der 'zwanglosen' Zustimmung der Beteiligten
abhängt (vgl. HABERMAS, J. 1983: 103). Eine Regel der Diskursethik besagt auch, dass jeder, der
sprechen kann, an Diskursen teilnehmen darf, d. h. auch die Teilhabe an Prozessen der
demokratischen Willensbildung ist frei (DEDERICH, M. 2013).
Die Diskursethik versteht sich zwar als Erweiterung des Ansatzes von KANT, jedoch mit dem
Unterschied, dass man sich dabei nicht auf die ethische Reflexion (mit dem Ziel der Einsicht in die
Vernünftigkeit von allgemeinen Prinzipien) des Einzelnen setzt, sondern auf die Gemeinschaft
derjenigen, die von einer Frage betroffen sind und diese lösen wollen. Die Aufforderung ist, dass
ein begleitender Diskurs der Forderung nach Teilhabe und Gleichberechtigung in inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung und der gleichberechtigte Zugang gemäß dem
Diskursideal in der Realität zu verwirklichen ist. Wer sind die moralisch bedeutsamen, zu
beteiligenden Subjekte, und zwar in zweierlei Hinsicht, als Subjekte des Handelns und als Subjekte
des Erfahrens der Handlungen anderer (vgl. BRUMLIK, M. 2013: 6)?
MICHA BRUMLIK vertritt die Ansicht, dass sich die entscheidenden ethischen Fragen nicht bei
sogenannten mündigen Menschen, sondern in der Beziehung zwischen Mündigen und
Unmündigen stellen (vgl. ebd.: 8).
71
Als unmündig oder nicht mündig gelten Personen, die weder in der Lage sind zu argumentieren
noch mangels Information und Wissen in der Lage sind, eine Situation angemessen zu beurteilen
(vgl. SCHICHA, C. 2000: 10).
HABERMAS (1983) hingegen begegnet dem Problem der Mündigkeit bzw. Unmündigkeit, mit dem
sogenannten advokatorischen Diskurs, um die Interessen aller einzubeziehen, auch die der nicht
Teilnehmenden, die unter diesen Umständen in einem Diskurs nicht immer Berücksichtigung
finden (vgl. ebd.: 10).
Advokatorischer Diskurs
Im advokatorischen Diskurs vertritt ein Stellvertreter die Interessen eines anderen. Damit die
Vorstellung eines advokatorischen Diskurs sinnvoll ist, wird davon ausgegangen, dass der
Stellvertreter die Interessen des zu Vertretenden kennt und auch vertritt (vgl. ebd.). Dies kann
notwendig sein für Menschen, die nicht (nicht mehr, oder noch nicht) dazu in der Lage sind,
diesem Diskurs selbst mitzumachen, sowie den Handlungen, zu denen dieser verpflichtet
nachzugehen.
Eine Differenzierung sowie die Ausschlussregeln von Personen, die die am Diskurs beteiligt oder
vom Diskurs ausgeschlossen sind, scheinen dabei problematisch zu sein. Eine Gefahr beim
'advokatorischer Diskurses' besteht, wenn nicht die Betroffenen selbst teilnehmen können, dass
die Prinzipien des Dialogs und der Partizipation eingeschränkt werden. Ungeklärt ist auch, wie ein
'advokatorischer Diskurs' unter den genannten Umständen legitimiert werden kann. Darüber
hinaus ist dieser Diskurs immer das Ultima Ratio, die letzte mögliche Lösung. Alle Maßnahmen
und Möglichkeiten, die eine Partizipation der Betroffenen ermöglichen, müssen zuvor
ausgeschöpft werden.
Es muss zudem den 'Ausgeschlossenen' die Gelegenheit gegeben werden, mündig zu werden, um
zumindest ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den sie betreffenden Maßnahmen zum Ausdruck
zu bringen (vgl. UN-BRK). Was in den Überlegungen hierzu bislang fehlt, ist die Berücksichtigung
des Rechts auf Unterstützung bei der Entwicklung zur Mündigkeit und zur Intervention, wie bei
der »Ethik der Achtsamkeit«, bei der Präsenz, Verantwortungsübernahme und Empowerment im
Vordergrund stehen (vgl. CONRADI, E. 2013: 11). Die Beteiligung derjenigen Personen, die von der
Erfüllung der Aufgaben besonders betroffen sind, sollte bei der Entscheidungsfindung
berücksichtigt werden (vgl. ebd.: 2).
Eine Lösung könnte darin bestehen, die Art und Weise, wie der allgemeine Diskurs mit Menschen
mit kognitiven Behinderungen geführt wird, an deren Fähigkeiten (abilities) anzupassen.
72
Zum Beispiel nach dem Prinzip der inklusiven Lernorte – Inclusive Spaces of Learning (vgl. NEW
PATHS TO INCLUSION NETWORK) oder unter Verwendung des Konzepts der Leichten Sprache (vgl.
CANDUSSI/ K.; FRÖHLICH, W. 2016).
Das Prinzip der Partizipation kann jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass ein aktiver Diskurs
nicht immer möglich ist. Es gibt Situationen, bei denen die Voraussetzungen für die aktive
Teilnahme an einem partizipativen Diskurs bei einer Person fehlen. Diese Person wird oder kann
nicht persönlich bei einem diskursiven Prozess berücksichtigt werden, obwohl sie von den Folgen
der Entscheidungen durchaus betroffen sein könnte, wie beispielsweise Menschen mit
Behinderungen, die durch die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Forschung oder hier an der
Forschung und Entwicklung betroffen sind. Daraus lässt sich folgern, dass es auch immer die
Verantwortung der Verantwortlichen und der Gesellschaft ist „wie Menschen in einer immer
stärker von (digitalen) Medien geprägten Welt handlungsfähig und -mächtig sind bzw. bleiben“
(ALTMEPPEN, K. D.; BÜsch, A.; FILIPOVIC, A. 2013, 285).
Im Bereich der Forschung und Entwicklung liegt es im Interesse der Betroffenen, dass die digitale
Inklusion bzw. Teilhabe für alle ermöglicht wird. Hierzu müssen die Chancen und Risiken der
Digitalisierung
für
Menschen
mit
kognitiven
Behinderungen
abgewogen
werden.
Zukunftsverantwortung bedeutet auch, dass bereits bei der Forschung und Entwicklung eine
Verpflichtung besteht alles zu tun, um der Zielgruppe die Teilnahme zu ermöglichen. Im Sinne der
Erfolgsverantwortung würde dies auf der einen Seite heißen, alles zu tun, was die Lebensqualität
erhöht. Auf der anderen Seite muss im Sinne der Mitverantwortung sichergestellt sein, dass
jeglicher mögliche Schaden vom Einzelnen abgewendet wird. Letztlich liegt es hier in der
Verantwortung der Wissenschaft, wie die zukünftigen Nutzer, bzw. Akteure in den Forschungsund Entwicklungsprozess mit einzubeziehen sind.
„Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sollten von der Teilnahme an einem
Forschungsprojekt profitieren und keinerlei Nachteile davontragen. Dieser Grundsatz gilt
für den gesamten Forschungsprozess und ist in allen Kontexten einer Untersuchung zu
beachten und einzuhalten“ (Buchner, O. 2008: 516, Hervorhebungen im Original).
4.1.5
Die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten und der Verantwortung
Ethik dient u. a. als Orientierung bei Fragen wie: Was soll ich wie tun? Oder: Wie soll ich mich
verhalten?
Die ethische Verantwortung bezieht sich nicht nur auf die Verantwortung des Individuums
gegenüber dem Anderen, sondern auch auf andere Anwendungsgebiete oder unterschiedliche
Objekte wie die Technologie und ihre Produkte.
YUAN-TSE (2003) sieht dies wie folgend:
73
„Die Verantwortungsprobleme des technologischen Zeitalters und seine Herausforderungen sind die ethischen Probleme der Gegenwart. – Wenn aber auf der Begründungsebene der Ethik nicht nachweisbar ist, dass eine allgemeine (rational einsehbare und
verbindliche) Pflicht zur Erfolgsverantwortung, Zukunftsverantwortung und Mitverantwortung besteht, dann bleibt die angewandte Ethik unverbindlich“ (YUAN-TSE, L. 2003: 48).
Immer wieder wurde versucht die individuelle Verantwortung mit der gesellschaftlichen und
technischen Entwicklung entsprechend KANTS kategorischen Imperativ in Einklang zu bringen:
„Handle so, dass du auch wollen kannst, dass deine Maxime allgemeines Gesetz werde.“ (vgl.
RATH, M. 2013: 458).
KANT beschreibt hierzu in seiner »Grundlegung zur Metaphysik der Sitten von 1785« mögliche
Formen, die handlungsleitende Imperative annehmen können (vgl. ebd.). Dies führt JONAS als eine
ethische Grundhaltung 1979 weiter. „Handle so, daß [sic!] die Wirkungen deiner Handlung nicht
zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.“ bzw. „Handle so, daß [sic!] die
Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens
auf Erden.“ (JONAS, H. 1979: 36).
WEBER hingegen sieht eine sozialethische Verpflichtung zum politischen Handeln, dass man die
Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass (in bestimmten Situationen) das Notwendige und Richtige getan
wird und dass kein Schaden entsteht (vgl. SCHICHA, C. 2000: 3).
Die Ethik begründet für gutes und gerechtes Handeln allgemein gültige Regeln. Sie sensibilisiert
dafür, dass jeder über die Güte seines Handelns verantwortlich entscheiden sollte und (dies
meistens) auch kann. Dieses Verantwortungsbewusstsein bildet die Grundlage einer vernünftigen
Innen- bzw. Selbststeuerung der angesprochenen Akteure (vgl. BROSDA, C./SCHICHA. C. 2010: 10).
Verantwortung wird von FUNIOK auch als ethische Schlüsselkategorie bezeichnet, d. h. 'dass man
für die (voraussagbaren) Folgen seines Handelns aufzukommen hat' (vgl. FUNIOK. R. 2002). Es geht
um die Verantwortung insgesamt, für die beabsichtigten Folgen, aber auch die unbeabsichtigten
Nebenfolgen des eigenen Handelns. FUNIOK zieht daraus den Schluss, dass zu klären ist:
74
§
Wer trägt Verantwortung? (Handlungsträger);
§
Was ist zu verantworten? (Handlung);
§
Wofür trägt man Verantwortung? (Folgen);
§
Wem gegenüber trägt man Verantwortung? (Betroffene);
§
Wovor muss man sich verantworten? (Instanz, z. B. Gewissen, Öffentlichkeit);
§
Weswegen muss man sich verantworten? (Werte, Normen, Kriterien), (vgl. ebd.)
Die Frage bleibt dennoch offen, was ist, wenn es nicht möglich ist die genauen Folgen einer
Handlung abzuschätzen? Nach welchen Kriterien soll über den moralischen Wert einer Handlung
entschieden werden? Hier muss sich die Problematik entfalten, ob und welche Technik den
Menschen zugemutet werden darf/kann.
Bei der Frage, ob und welche Technik Menschen nutzen dürfen, ob sie die Entwicklung der
technologischen Entwicklung im Griff haben oder ihr vielmehr willenlos ausgeliefert sind, gehen
die Grenzen unseres Verantwortungsraumes über die Grenzen unseres eigenen Wissens hinaus
(vgl. JONAS, H. 1997: 27). Dies gilt insbesondere für eine vulnerablen Personengruppe, wie
Menschen mit Behinderungen. Es ist beispielsweise zu klären, welche Verantwortung bei der
Entwicklung, der Anwendung bzw. der Nutzung von Unterstützungstechnologie (AT)
übernommen werden muss, die die Aussicht auf eine Verbesserung der individuellen Fähigkeiten
und Möglichkeiten von Menschen mit Behinderungen bietet, oder inwieweit AT für die inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung bzw. digitale Inklusion und Teilhabe relevant ist. Die
Folgen und Auswirkungen des technologischen Fortschritts, im Hinblick auf Zugänglichkeit und
Barrierefreiheit, scheinen auf den ersten Blick ausschließlich positiv. Trotzdem müssen sich
Entwickler die Frage stellen: Wie wirkt der technologische Fortschritt für die einzelne Person, wie
für die Gesamtheit? Was passiert einer Person, die dieser Entwicklung ausgesetzt ist/wird?
Empfindet diese den technischen „Nachteilsausgleich“ positiv im Verhältnis zu Menschen ohne
Behinderung (Inklusion oder Exklusion)? Wird die Entwicklung den Bedürfnissen der Betroffenen
gerecht? Ist der Fortschritt, die Entwicklung menschlich angemessen?
In seinem Buch „Prinzip Verantwortung, Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“
spricht JONAS von neuen Dimensionen der Verantwortung (vgl. ebd.: 26 ff.). Er betrachtet als
Natur- und Technikphilosoph die ethischen Grenzen des Machbaren. Nach ihm soll vor der
Entwicklung oder Anwendung einer neuen Technologie alles zur Verfügung stehende Wissen
herangezogen werden, auch um mögliche negative Auswirkungen für Menschen und Natur
auszuschließen, wobei er die Kluft zwischen Kraft des Vorherwissens und Macht des Tuns als
Problem herausstellt. JONAS sieht in dem Wissens- und Machtvorsprung eine langfristige
Zukunftsverantwortung (vgl. ebd.: 28). Und obwohl JONAS die Notwendigkeit der moralischen
Orientierung betont (vgl. ebd.: 36), stellt er an den einzelnen Anforderungen für die
technologische Entwicklung und Anforderungen mit einer 'angepassten' Ethik.
Er stellt zudem fest, dass es nicht immer möglich sei das 'vorhersehende Wissen' an das
wissenschaftliche, technologische Wissen anzupassen. Daher steht für ihn nicht der Diskurs der
Akteure im Vordergrund, sondern er geht von einem Macht- und Wissensvorsprung einiger
weniger aus.
75
JONAS verweist dabei auf einen Machtvorsprung vor anderen, wie etwa auf die Verantwortung der
Eltern gegenüber ihren Kindern, oder auf das Verhältnis Arzt zum Patienten oder Betreuer und
Mensch mit Behinderung (vgl. SCHICHA, C. 2000: 10). Damit widerspricht JONAS dem partizipativen
Diskurs, wie ihn HABERMAS und APPEL vorsehen.
Für die angewandte Ethik bedeutet dies, dass in der Forschung und Entwicklung die Akteure oder
Stakeholder nicht nur bei der Teilnahme von und Menschen mit kognitiven Behinderungen eine
Verantwortung übernehmen.
4.2 Forschungsethik in der qualitativen Forschung mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen
Zunächst versteht sich die Forschungsethik als Teildisziplin der allgemeinen oder der
angewandten Ethik und als Reflexion auf das forschende Handeln. RATH (2017: 45) stellt jedoch
fest, dass „[die] Bedeutung von »Forschungsethik« zunächst sowohl für die Sozialwissenschaften,
also auch für die qualitative Medienforschung, [...] häufig unklar“ ist (vgl. ebd.). Es geht ihm dabei
im Sinne der Ethik auch um eine Handlungsorientierung (ebd.).
In der qualitativen Forschung, die im Kontext mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
stattfindet, werden Entscheidungen über Verfahren und Prozesse getroffen, die weitreichende
Konsequenzen für ihr Leben haben können. Die Auseinandersetzung mit den ethischen
Grundsätzen der Sozialwissenschaften, wie Schadensminimierung, Informierte Einwilligung,
Selbstbestimmung, Freiwilligkeit und Vertraulichkeit ist daher, immer bezogen auf das jeweilige
Setting, unentbehrlich (vgl. UNGER V., H./ NARIMANI 2012: 3). Forschungsethische Grundsätze und
Prüfverfahren aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften müssen auch in Bezug auf inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung wegweisend sein (vgl. RAT FÜR SOZIAL- UND
WIRTSCHAFTSDATEN 2017).
Forschungsethik in der qualitativen Forschung bezieht sich im Kern auf (1) die Gestaltung der
Forschungsbeziehungen, (2) Fragen des Umgangs mit Informationen und (3) dem Schutz von
Daten (vgl. UNGER v., H. 2014: 18). Bisher wurden forschungsethische Fragen im Zusammenhang
mit Menschen mit kognitiven Behinderungen, die über den Datenschutz hinausgehen, nur selten
konkret diskutiert.
4.2.1
Die Gestaltung dieser Forschungsbeziehungen
Die Geistigbehindertenpädagogik ist noch eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin und hat
daher keine lange Forschungsgeschichte.
76
Behinderung allgemein wurde in ethischen Debatten des gesellschaftlichen Umgangs mit
Behinderung hauptsächlich in der Medizin- und Bioethik und im Kontext von Entscheidungen am
Anfang30 und am Ende des Lebens31 thematisiert (vgl. WOLFF, G. 2004: 25-35). In diesem
Zusammenhang hat 'Ethik und Behinderung' den Anspruch eine reflektierte Grundlage zur
wissenschafts- und medizinethischen Forschung zu sein.
Mittlerweile ist das Thema Behinderung auch anderweitig in der Ethik der Wissenschaft präsent.
Auffällig ist jedoch, dass das Verständnis von Behinderung und die Perspektive auf Menschen mit
Behinderungen weiterhin durch das medizinische Modell beeinflusst wird. Es betrachtet
Behinderung als ein Merkmal einer Person (siehe Kapitel 1.3 Behinderung – Konzepte, Modelle,
Klassifikation und Einordnung). Nach diesem Modell ist eine Behinderung die Folge einer
Krankheit, Verletzung oder eines anderen Defekts, die zu einer Beeinträchtigung führt. Demnach
wird eine Behinderung wird in der Regel als endgültig angesehen und die behinderte Person
benötigt Unterstützung und Hilfeleistungen. Dieses medizinische Behinderungsmodell findet sich
bis heute im deutschen Sozialgesetzbuch IX, § 2 wieder (siehe Anhang 1) und ist maßgeblich für
Leistungen zum Nachteilsausgleich.
In der Wissenschaft gehen, wie beschrieben, die Ansichten bei der Gestaltung von
Forschungsbeziehungen über Teilhabe oder auch Nicht-Teilhabe von Menschen mit kognitiven
Behinderungen
und
über
Benachteiligungen
auseinander.
Hierbei
lassen
sich
die
forschungsethischen Fragen nicht immer eindeutig im Sinne einer normativen Ethik beantworten.
Der/die Forschende muss sich dieser Problematik bewusst sein und je nach Kontext von Fall zu
Fall entscheiden.
Um in der Praxis zu bestehen, sollte eine forschungsethische Reflexion das ein Ziel der Forschung
sein. Die Frage ist, ob und wie diese soziale Teilhabe bzw. Nicht-Teilhabe an der Forschung ethisch
begründbar ist oder diese allein im Sinne der Gleichberechtigung von Einzelpersonen in
Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen als rechtlich/juristisch definierte Normen zu
verstehen ist. Unter Umständen sind Strategien erforderlich, um die Würde, Gleichheit,
Autonomie und Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen zu wahren. So können
beispielsweise besondere Maßnahmen erforderlich sein, um Anonymität, Datenschutz und
Vertraulichkeit zu gewährleisten.
30
31
Pränatale Diagnostik
Sterbehilfe
77
Obwohl das Grundgesetz als Rechtsnorm sowie die UN-Behindertenrechtskonvention jedem
Menschen Chancengleichheit und Freiheit von Benachteiligung und Diskriminierung (UN-BRK
Artikel 4 Absatz 3) zusichern, erfordert die Chancengleichheit als Teilhabe- und Grundprinzip des
sozialen Zusammenlebens unterschiedliche Werthaltungen, wie beispielsweise Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität (vgl. HUSTER, E.-U. 2012: 78). Um diese Grundhaltung zu
erreichen, benötigen manche Menschen mit Behinderung für ihre Teilhabe eine individuelle,
bedarfsorientierte Unterstützung in den unterschiedlichen Lebenslagen zur Teilhabe, zu der sie
selbst nicht immer aktiv Zugang haben oder von der sie sich distanzieren können. Diese
Entscheidungssituationen mit geforderter Willensäußerung, sind immer dann ethisch zu
beantworten, wenn Menschen mit Behinderungen sich nicht zu so einer individuellen
Entscheidung äußern können s. o.
4.2.2
Teilhabe in Forschung und Entwicklung
Beim Diskurs zur Umsetzung der Inklusion im deutschsprachigen Raum gilt als ethischer Grundsatz
eine positiv akzeptierende Haltung. Es wird auf Theorien zur Anerkennung und Gerechtigkeit
zurückgegriffen,
wobei
die
Förderung
von
Teilhabe
im
Rahmen der geforderten
Inklusionsprozesse auch die Gefahr einer weiteren Exklusion von schutzbedürftigen,
vulnerablen Personengruppen zeigt. Es werden immer wieder ablehnende Reaktionen
beobachtet (vgl. CLOERKES, G. 1984: 25-40). CLOERKES erklärt diese ungünstigen Einstellungen und
Verhaltensweisen gegenüber Menschen mit Behinderungen, dass sie durch widersprüchliche
Überlieferungen verursacht werden (vgl. ebd.).
Eine weitere Frage, die im Zusammenhang mit Inklusion zu stellen ist: Welche ethischen Aspekte
spielen auf der Ebene der Legitimität von Partizipation eine Rolle?
DEDERICH ist der Meinung, dass Inklusion und Teilhabe als normatives Prinzip, trotz der
menschenrechtlichen Fundierung, einer ethischen Legitimation bedarf, denn die Ethik ermittele
und begründe die obersten Prinzipien des moralisch richtigen bzw. guten Handelns (vgl. DEDERICH,
M. 2013). Er versteht Behinderung „als soziales Konstrukt, als Folge von Zuschreibungen,
Etikettierung und Stigmatisierung sowie Systemeffekten“ (DEDERICH, M. 2007: 19).
ROMMELSPACHER vertritt den Standpunkt, dass die gesellschaftliche, soziale Teilhabe gerade nicht
durch ambivalente/ widersprüchliche Entwicklungen, Einstellungs- und Verhaltensweisen
erschwert und gesellschaftliches Ansehen durch Diskriminierung verhindert werden darf (vgl.
ROMMELSPACHER, B. 2006).
78
KASTL nimmt zur Umsetzung der Inklusion eine andere Position ein und kritisiert das
vorherrschende Teilhabemodell zur Inklusion als 'Teilhabe-Total-Modell':
„[...] dass jeder Mensch vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen
Prozessen teilhaben kann – und zwar von Anfang an und unabhängig von seinen
individuellen Fähigkeiten.“ (AKTION MENSCH 2017).
Er sieht die Gefahr, dass eine vollständige Teilhabe die gesellschaftliche Unaufrichtigkeit im
Umgang mit Behinderung verstärke und das Ende jeder Individualität bedeute, auch wenn betont
wird, dass es sich dabei nicht um eine erzwungene Teilhabe handeln soll (vgl. KASTL. J.- M. 2014b).
Selbstbestimmte Teilhabe als Akt der Selbstbestimmung bedeutet für GÖHRING-LANGE, dass jeder
Mensch das Recht und die Möglichkeit hat, an den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und
sozialen Prozessen einer Gesellschaft teilzunehmen, sie zu gestalten und mitzugestalten. Dies gilt
auch für Menschen mit Behinderungen, wenn es darum geht, ihr eigenes Leben zu gestalten (vgl.
GÖHRING-LANGE, G. 2011: 15).
CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002) weisen darauf hin, dass es bei der Einwilligung zur Teilnahme
(Teilhabe) in ein Forschungsprojekt sinnvoll sei eine kontinuierliche Herstellung der informierten
Einwilligung zu haben (vgl. CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002).
Da gesellschaftliche Teilhabe zunehmend als Indikator und Ziel zur Erreichung sozialer
Gerechtigkeit verstanden wird, ist die Kritik von KASTL ernst zu nehmen und die Frage zu stellen,
wie wir mit den Menschen, die am Rande stehen, so umgehen, dass es gelingen kann, jedem den
Anspruch auf Teilhabe als Gebot auf selbstbestimmte Teilhabe zuzubilligen.
4.2.3
Der Umgang mit und die advokatorische Vertretung von Menschen mit
kognitiven Behinderungen
Hier schließt sich die Frage an: Wie kann/muss nun ein von Ethik und Verantwortung geprägter
Umgang mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der inklusiven Forschung und
Entwicklung aussehen, unter Berücksichtigung ihrer Unterschiede und Verletzlichkeit und unter
Anerkennung des Rechts auf Vielfalt?
Der Zweite Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit
Beeinträchtigungen (2016) macht deutlich, dass, trotz der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse im Hinblick auf Teilhabe, die Lebensbedingungen der Betroffenen oft nicht an ihren
Bedürfnissen ausgerichtet sind. Vor allem werden sie selbst an Entscheidungen, die sie selbst
betreffen, nicht ausreichend beteiligt.
79
Als Grund vermutet BOSSE nach seiner Studie 2016 ein erhebliches Wissensdefizit bei den
Verantwortlichen. Ein Bewusstsein sei für die Lebenssituation, alltäglicher Herausforderungen
und vielfältiger Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen in Deutschland in der breiten
Öffentlichkeit kaum vorhanden. Ihre Lebensqualität hänge an unterschiedlichen Bedingungen
32
(vgl. Bosse. I./ Hasebrink, U. 2016).
Wie bereits im ethischen Diskurs dargestellt, hat die Stellvertretung im Falle einer bestehenden
Behinderung Konsequenzen für die Person und ihre Belange und Interessen, Zum Beispiel in
Konflikt- und Entscheidungssituationen, in pädagogischen oder medizinischen Kontexten und im
Hinblick auf Forschung und Entwicklung. Um Teilhabechancen und die Lebensqualität der
Betroffenen zu verbessern hält Hauser die Dringlichkeit einer inklusiven-partizipativen Forschung
mit Menschen mit Lernbehinderungen für begründet (Hauser, M. 2013: 1)
Bei der Erhebung ihrer persönlichen Daten stehen neben rechtlichen, moralisch/ethische Fragen
vor allem Fragen, die das Problem des gegenseitigen Verständnisses betreffen. Zwar ist
wissenschaftlich belegt, dass ein großer Teil der Personen mit kognitiven Behinderungen durchaus
in der Lage ist, zuverlässige, unvoreingenommene und gültige Aussagen zu machen, zum Beispiel
über eigene Gefühle, über subjektive Lebensqualität, Selbstwertgefühl und ihre psychische
Gesundheit (vgl. EMERSON et al. 2013: 333), dennoch kommt es bei der Erfassung ihrer Daten und
Informationen auf die kognitiven und sprachlichen Anforderungen an, um eine zuverlässige und
valide 'Selbstberichterstattung' zu bekommen. Fragen beispielsweise, die negativ formuliert sind
oder das Passiv verwenden sind schwieriger zu beantworten. Ebenso sind Fragen nach Häufigkeit,
Zeitangaben oder generalisierte Bewertung problematisch (vgl. ebd.) und führen dazu, dass sie
nicht beantwortet werden. Hier greift das Thema Leichte Sprache33 und verständliche, alternative
Information. EMERSON weist darauf hin, dass es wichtig ist, dies bei der Interpretation der
Aussagen von Menschen mit kognitiven Behinderungen für die Forschung zu berücksichtigen.
32
Teilhabechancen und die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen werden dadurch
beeinflusst, ob barrierefreier Wohnraum zur Verfügung steht und wie gut der öffentliche Raum nutzbar
ist. Wohnungen, Straßen, Plätze, ÖPNV, öffentliche Einrichtungen und Bildungseinrichtungen sind häufig
nicht barrierefrei gestaltet. Positiv ist, dass immer mehr Menschen, Eingliederungshilfe zum
selbstbestimmten Wohnen erhalten und in ambulant betreuten Wohnformen anstatt in stationären
Einrichtungen leben (vgl. 2. Teihabebericht 2016: 9).
33
Leichte Sprache (LS) gibt es als Konzept in Österreich, Schweiz und Deutschland gibt es seit mehr als 20
Jahren. Es kommt ursprünglich es aus dem englischsprachigen Raum („easy to read“) und wurde in
Deutschland in erster Linie gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten durch 'Mensch zuerst' –
Netzwerk People First Deutschland e.V., eine deutsche Selbstvertretungs-Vereinigung von Menschen mit
Lernschwierigkeiten entwickelt und verbreitet (EDLER, C. 2014)
80
Weiterführende Einwendungen:
§
Wenn Informationen ausschließlich durch Selbstauskunft erlangt werden, sind einige
Menschen mit geistiger Behinderung aufgrund von Verständnis- und Kommunikationsschwierigkeiten ausgeschlossen.
§
Eine Stellvertretung einer Person für dessen Belange und Interessen in der Forschung und
Entwicklung hat bei einer vorliegenden Behinderung, notwendigerweise, rechtliche und
ethische und ggf. wissenschaftstheoretische Konsequenzen, wie zum Beispiel bei Konfliktund Entscheidungssituationen, in pädagogischen oder medizinischen Kontexten. HAGEN
(2002) hat in einer Erhebung festgestellt, „dass Fremdaussagen erheblich von den
Selbstaussagen der Betroffenen abweichen. (…) Dies wird oftmals allzu schnell als Beleg
für die Unglaubwürdigkeit von Selbstaussagen Betroffener interpretiert“ (HAGEN J. 2002:
296).
§
Informationen oder Forschungsdaten, die über Dritte gewonnen werden oder Kriterien
und Interpretationen, die aus der Perspektive der Beobachtenden des sozialen Umfeldes,
wie Betreuerinnen/Betreuer, Lehrerinnen/Lehrer und Eltern von Menschen mit
Behinderung, kommen, sollten immer auf ihre Gültigkeit hinterfragt werden (vgl.
EMERSON, E. et al. 2013: 344).
§
Bei der Interpretation von Daten, die durch stellvertretende Befragung gewonnen
werden, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass diese Daten die subjektive Einschätzung
einer dritten Person widerspiegeln, die nicht mit der Sichtweise des Betroffenen identisch
sein muss (vgl. SEIFERT, M. 1997: 26).
§
Eine Stellvertreter- oder Stellvertreterinnenfunktion im Betreuungsbereichen, kann unter
gewissen Umständen zu Interessenkonflikten innerhalb oder außerhalb der Familie, nicht
nur im Sinne der gesetzlichen Betreuung, mit sich bringen. In diesem Falle macht der
Interessenkonflikt eine objektive Datenerhebung für die Forschung schwierig.
Bei allen diesen Einwendungen geht es hierbei um die Frage der Positionierung der/des
Forschenden und wie sie/er bei dieser Komplexität zu ethisch akzeptablen, validen Aussagen und
Ergebnissen kommen kann. Mit kreativen partizipativen Ansätzen (vgl. OLLERTON, J. 2012) lassen
sich Vorschläge entwickeln, wie Beziehungen in der Forschung mit geeigneten Methoden für die
Zielgruppe anders gestaltet werden können, indem Beforschte zu Forschenden werden (vgl.
BERGOLD, J./THOMAS, S. 2012).
4.3 Die Informierte Einwilligung von Menschen mit kognitiven
Behinderungen
Das Thema »Ethik und Behinderung« wird bislang in der Forschung am häufigsten mit der
Aufklärung und Einwilligung (Informed Consent) in Verbindung gebracht, da die Informierte
Einwilligung ein zentrales Prinzip der Forschungsethik ist, das dem forschungsethischen Grundsatz
des Respekts für die beteiligten Personen folgt.
81
Die Rechte auf Selbstbestimmung werden ernst genommen, was weitere ethische
Sorgfaltspflichten zur Folge hat (vgl. RAT FÜR SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSDATEN 2017: 21 f.).
4.3.1
Ethische Betrachtung und Beurteilung der Einwilligung
Die Informierte Einwilligung zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt setzt voraus, dass der
Betroffene weiß und versteht, in was er einwilligt (vgl. HORNER-JOHNSON/BAILEY 2013). Sie ist nur
dann rechtsgültig, wenn sie freiwillig erfolgt ist (vgl. HELFFERICH 2011: 190). Die Informierte
Einwilligung soll sicherstellen, dass die beforschte Person das Vorgehen und die Absicht des
jeweiligen Forschungsvorhabens tatsächlich verstanden hat. Der Informed Consent wird in einem
ethischen Kontext gestellt und bedarf einer Begründung, insbesondere bei Entscheidungssituationen im Zusammenhang mit der geforderten Willensäußerung. D.h.: Die Verantwortlichen
der Forschung müssen eine angemessene Aufklärung und Information zum Forschungsprojekt
gewährleisten.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen eine selbstbestimmte Entscheidung darüber treffen, an
einer Forschung teilzunehmen oder nicht und wissen, welche Aufgaben und Pflichten damit
verbunden sein können. Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an deren kognitiven
Möglichkeiten. Die Maßgabe der vorhergegangenen Aufklärung soll zunächst sicherstellen, dass
Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung treffen können.
Mit dieser Vorgabe verbinden sich Anforderungen an kognitive Fähigkeiten. Bei Menschen mit
kognitiven Behinderungen sind diese u. U. eingeschränkt und die Anwendung der informierten
Einwilligung kann als problematisch angesehen werden (siehe Kapitel 4.1.1 Autonomie und
Achtsamkeit als Paradigma). Die Einwilligungsfähigkeit sowie die damit verbundene Fähigkeit zur
Selbstbestimmung wird bei Menschen mit kognitiven Behinderungen, je nach Ausprägung und
Schwere, dabei infrage gestellt. Ein kategorischer Ausschluss dieser Zielgruppe würde sie jedoch
vom gesellschaftlichen Fortschritt abkoppeln. Es stellt sich die Frage, wie die informierte
Einwilligung modifiziert bzw. ergänzt werden kann, um die Einwilligung von kognitiv
eingeschränkten Personen selbst zu erhalten und ihnen die Teilhabe an Forschung zu
ermöglichen. Die in Kapitel 3.6 genannten Voraussetzungen der informierten Einwilligung sollten
hierzu in den Blick genommen werden.
Trotz Einführung der EU-Datenschutz-Grundverordnung und strengen formellen Anforderungen
zur Einholen von Einwilligungen, dass die Information den erhöhten Transparenzanforderungen
genügen muss (siehe Kapitel 3.6 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das
Persönlichkeitsrecht in der Forschung), ist die Abwägung, ob und wie Menschen mit kognitiver
Behinderung in einer Studie einbezogen werden, immer auch ein ethischer Entscheidungsprozess.
82
4.3.2
Ethische Fragen bei Unmöglichkeit der Erteilung einer Informierten
Einwilligung
Wie erwähnt besteht häufig die Auffassung, dass Menschen mit kognitiver oder geistiger
Behinderung die für eine empirische Forschung notwendigen Anforderungen nicht erfüllen und
ihnen die Fähigkeit abgesprochen wird, die Informierte Einwilligung geben zu können. Aus diesem
Grund werden sie immer wieder aus Forschungszusammenhängen ausgeschlossen (vgl. HAUSER,
M. 2013: 4). TUFFREY-WIJNE, NIND und andere argumentieren, dass es "unethisch sei, Menschen mit
schwerer geistiger Behinderung, die einen Einblick in ihre eigenen Erfahrungen bei einer
Forschung zur Verfügung stellen könnten und helfen, sensible Versorgung in der Zukunft zu
gestalten, aus Studien auszuschließen" (TUFFREY-WIJNE, I. et al. 2008: 188; NIND, M. 2008: 6).
Alternativ zur advokatorischen Vertretung nach HABERMAS sieht AICHELE die assistierte
Entscheidung, bei der die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit kognitiven Behinderungen bei eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit unterstützt werden. Wenn die/der Betroffene
nicht alleine in der Lage ist einzuwilligen, kann sie/er u. U. mithilfe von Assistenz in einen einwilligungsfähigen Zustand versetzt werden und einwilligen (vgl. AICHELE V. 2010: 1).
Der Deutsche Ethikrat spricht ebenfalls von assistierter Selbstbestimmung, bei der auf der Basis
personenzentrierter Hinwendung die Art der Assistenz danach abgestimmt und bemessen wird,
inwieweit die noch vorhandenen Selbstständigkeits- und Selbstbestimmungsanteile der
Betroffenen aktiviert werden kann (vgl. DEUTSCHE ETHIKRAT 2012: 50 ff).
Sofern die Person sich nicht selbst erklären kann, stellt dies höhere Anforderungen an die
Achtsamkeit, individuelle Begleitung und Sorge. Im Falle der unterstützten Teilnahme, ggf. mit
Hilfe der unterstützten Selbstbestimmung, dürfen die Betreuerinnen und Betreuer laut Gesetz
den Willen der betroffenen Person nicht einfach ignorieren, indem sie sich auf ihre Verantwortung
und ihr Fachwissen berufen (vgl. ebd.: 50).
Besondere Beachtung ist erforderlich, wenn bereits eine rechtsgültige Einwilligung vorliegt,
entweder von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst oder einem gesetzlichen Vertreter,
denn es besteht immer die Möglichkeit, dass die betroffene Person tatsächlich zustimmt oder die
Teilnahme zu verweigert. Sie kann sich beispielsweise zu- oder abwenden, sich ganz verweigern
oder in anderer Weise ihren Willen äußern.
4.4 Schutz der Forschungsdaten – Anonymität und Vertraulichkeit
Die Zusammenarbeit mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der inklusiven Forschung
betrifft nicht nur die Einwilligung als informationelle Selbstbestimmung, sondern auch ihre
Anonymität und Integrität.
83
4.4.1
Anonymität der Daten
Für die Forschung ist Anonymität ein wesentlicher Faktor für einen vertrauensvollen Umgang
miteinander und den erhobenen Daten. Dies gilt sowohl als rechtliche, als auch als ethische
Verpflichtung. Die Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler müssen sicherstellen, dass sie diese
Verpflichtungen gegenüber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Forschung in Bezug auf
Vertraulichkeit, einschließlich Anonymität und Datenschutz, erfüllen.
Bei datenschutzrechtlichen und ethischen Abwägungen stellt sich als erstes die Frage, inwieweit
kann die Kontaktaufnahme von Dritten beobachtet, gespeichert und ausgewertet werden. Um die
Vertraulichkeit zu gewährleisten, gilt es daher als selbstverständlich, dass jegliche Gespräche mit
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Forschung und deren Inhalt der absoluten
Schweigepflicht unterliegen. Die gewonnenen Daten werden geheim und anonym behandelt.
Anonymität bedeutet, dass die Daten keiner Person zugeordnet werden können und daher nach
Absprache mit den Betroffenen anonymisiert werden.
Diese Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit und Anonymisierung nehmen beispielsweise
auch im Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbandes
Deutscher Soziologinnen und Soziologen (BDS) einen zentralen Stellenwert ein (vgl. BDS, 2017).
Die Geheimhaltungspflicht der Beteiligten ebenso wie Freiwilligkeit, Anonymität, Folgenlosigkeit
der Nicht-Kooperation und entspricht dem Prinzip der Informierten Einwilligung, ist aber in der
Ausgestaltung eine Konkretion der Rechtsnorm (vgl. RATH, M. 2017: 51).
Die Daten von Einzelpersonen müssen jedoch nicht zwingend anonymisiert werden. In einigen
Fällen entscheiden sich beispielsweise die Teilnehmerinnen oder Teilnehmer von inklusiven
Forschungsprojekten bewusst gegen eine Anonymisierung (vgl. BUCHNER T. 2008: 517).
Die Preisgabe und Verwendung eigener personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen, ist Teil
der Forschungsbeziehung.
4.4.2
Zum Umgang mit den Forschungsteilnehmerinnen und
Forschungsteilnehmern
Ethisch relevante Überlegungen betreffen auch Entscheidungen, die der Datenerhebung
vorausgehen, einerseits im Hinblick auf die Angemessenheit der Teilnahme für die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer und andererseits im Hinblick auf die Forschenden selbst z. B. im
Hinblick auf die Verpflichtung, sich ausreichend und sorgfältig mit den Datenschutzbestimmungen
vertraut zu machen (vgl. ebd.).
84
Form und Inhalt des Forschungsprozesses zur Gewinnung neuer Perspektiven und
Wirklichkeitskonstruktionen in der Debatte sollten nicht allein von Experten geplant und
kontrolliert werden.
Ein inklusives Forschungsprojekt ist daher mit allen Beteiligten auf Augenhöhe zu planen und
durchzuführen. BUCHNER empfiehlt, eine der qualitativen Forschung entsprechende SubjektSubjekt-Ebene einzurichten. Dabei ist darauf zu achten, dass Charakter und Dauer der
Forschungsbeziehung den Forschungsteilnehmern deutlich gemacht werden. Häufig wird diese
Beziehung von Menschen mit kognitiven Behinderungen mit einer dauerhaften Freundschaft
verwechselt, was zu falschen Erwartungen und/oder auch falschen Ergebnissen führen kann (vgl.
BUCHNER, T. 2008: 517).
Auch CUTCLIFFE und RAMCHARAN (2002) messen dem sensiblen Umgang mit der fortlaufenden
Herstellung der informierten Zustimmung sowie dem Ende einer Forschungsbeziehung große
Bedeutung bei. (vgl. CUTCLIFFE, J./ RAMCHARAN, P. 2002: 106).
Die Tatsache, dass die Forschungsteilnehmerinnen und Forschungsteilnehmer jederzeit die
Forschungsdokumentation einsehen können, unabhängig davon ob sie die Forschungsnotizen
selbst lesen oder sich vorlesen lassen, oder sie sich Fotoalben einsehen oder Filme von sich
anschauen, gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Kommentare, Bemerkungen, Fotos oder Filme usw.
zurückzuziehen und ihre Zustimmung zu widerrufen. Es gibt ihnen aber auch die Möglichkeit,
faktische Ungenauigkeiten in den Forschungsnotizen zu korrigieren (vgl. ebd. 107 f.).
4.5 Ethik, inklusive Forschung und Entwicklung und (digitale)
Technologieentwicklung
Für Menschen, die bei ihren täglichen Aufgaben zusätzliche Unterstützung benötigen, kann die
Technologie die Lebensqualität erheblich erleichtern und verbessern, aber Technologie kann auch
ein Hindernis sein, wenn sie nicht zugänglich ist.
Viele Menschen sind heute von Dingen abgeschnitten, die andere für selbstverständlich halten,
weil Apps oder Websites nicht mit Screen Readern oder alternativen Zugriffsmethoden
kompatibel sind oder, was für die Zielgruppe hier am wichtigsten ist, dass die Informationen durch
ihren Umfang und des Fehlens eines angepassten Designs nicht einfach zu bedienen sind und die
Sprache nicht leicht zu verstehen ist.
85
4.5.1
Möglichkeiten und Grenzen des technologischen Wandels – die Reflexion
auf den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt
Es ist immer auch eine Frage der Ethik die Technologie so zu gestalten, dass sie von allen
Menschen so weit wie möglich genutzt werden kann. Dies wird u. a. als universelles Design
bezeichnet (vgl. MIESENBERGER, K. 2013: 26 ff.).
Es ist bekannt, dass für Menschen mit Behinderungen eine standardisierte und nicht
stigmatisierende Sonderlösung von großer Bedeutung ist und sich positiv auf die
Nutzungshäufigkeit auswirkt (vgl. ebd.).
Der Nutzen aktueller und zukünftiger technologischer Entwicklungen und digitaler
Kommunikation für Menschen mit Behinderungen muss unter ethischen Gesichtspunkten
betrachtet werden: Gibt es Grenzen bei der Inklusion in den technologischen Wandel? Kann die
Technologie eine Lösung für alles und alle sein, oder gibt es eine unbemerkte Verschiebung der
Verantwortung für die Inklusion, weg von der Gesellschaft und hin zum Individuum mit seinen
Geräten und Anwendungen? Wird Inklusion durch die Möglichkeiten der Technologie umfassend
in der Gesellschaft verankert oder wird die Grenze zwischen den Inkludierten und den
Exkludierten nur ein Stück verschoben? (vgl. AKTION MENSCH 2014). Letztlich ist diese Frage nur mit
den Betroffenen gemeinsam zu beantworten. Zu den Aufgaben einer inklusiven Forschung und
Entwicklung gehören nicht nur die Generierung von neuem Wissen, Erfindungen und
Innovationen, sondern auch die Weiterentwicklung bestehender Abläufe und Verbesserungen
vorhandener Produkte und Prozesse.
Durch neues Wissen und die Anwendungsmöglichkeiten neuer Verfahren und Entwicklungen
werden im Kontext von Behinderung nicht nur in den Lebenswissenschaften34 neue ethische
Probleme thematisiert. Bei Bereitstellung der jeweiligen Technologie sind die Auswirkungen auf
die Gesellschaft und Umwelt kritisch im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zu
reflektieren. Die Auswirkungen der Technologie, von intelligenten Assistenzsystemen bis hin zur
Hintergrundtechnologie, die in ihrer gesamten Tragweite und in ihrem Funktionsumfang unter
Umständen nicht mehr überblickt oder verstanden werden kann, müssen genauso diskutiert
werden wie z. B. die 'technischen Möglichkeiten' der pränatale Diagnostik, die Behandlung extrem
früh geborener Kinder, medizinische Experimente an Personen, die nicht zustimmen können, die
Gentherapie oder die Einstellung der medizinischen Behandlung am Lebensende.
34
Lebenswissenschaften umfassen Biochemie, Bioinformatik, Biologie, Biomedizin, Biophysik, Bio- und
Gentechnologie, Ernährungswissenschaften, Lebensmitteltechnologie, Medizin, Medizintechnik,
Pharmazie und Pharmakologie, Umweltmanagement und Umwelttechnik.
86
Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt als Ganzes, erfordert eine ständige ethische
Rücksichtnahme auf Zustimmung und Selbstbestimmung, sowohl vom Einzelnen als auch von der
Gesellschaft (s o.), insbesondere wenn der Einsatz von Assistenzsystemen die eigenen Fähigkeiten
und Kräfte, Erinnerungs- und Orientierungsvermögen, Gesundheit, Sprache oder soziale
Beziehungen im Falle einer Behinderung unterstützt werden (vgl. MANZESCHKE, A. ET AL. 2013).
Assistenzsysteme, die Menschen mit Behinderungen Informationen oder Unterstützung zu ihrer
Lebensumgebung zur Verfügung stellen und diese zugänglicher machen können, basieren im
Wesentlichen auf der allgegenwärtigen Informations- und Kommunikationstechnologie (vgl.
ebd.). Menschen mit kognitiven, psychischen oder physischen Einschränkungen können mit deren
Hilfe unter Umständen ein selbstbestimmteres und gesellschaftlich integriertes Leben führen.
Allerdings mit der Einschränkung, dass sie durch diese Technik, die sie unterstützt, gleichzeitig
überwacht und reguliert werden. Damit stehen der gewonnenen Unabhängigkeit und Sicherheit
Einschränkungen der persönlichen und bürgerlichen Freiheit gegenüber.
Auf der Ebene der Wissenschaftstheorie und -methodik bedeutet dies, dass die Forschungsethik
für die Fragen offen sein muss ob die Forschung interessensorientiert oder wertorientiert ist oder
auch nicht.
4.5.2
Ethik-Selbsteinschätzung von Forschung und Innovation in der EU (2019)
Bei internationalen Forschungsprojekten ist es mittlerweile eine obligatorische Forderung, dass
die Projekte nach ethischen Grundsätzen durchgeführt werden.
Beispielsweise im Rahmen der Ausschreibungen EU-Horizon 2020 ist bereits bei der
Antragstellung ein Ethics Self-Assessment verpflichtend.
„Bei allen von der Europäischen Union finanzierten Aktivitäten ist die Ethik ein integraler
Bestandteil der Forschung von Anfang bis Ende. Die Einhaltung der Ethik wird als
entscheidend für die Erreichung echter Forschungsexzellenz angesehen.
Es besteht eindeutig die Notwendigkeit einer gründlichen ethischen Bewertung ab der
konzeptionellen Phase des Vorschlags, nicht nur um den Rechtsrahmen einzuhalten, sondern
auch um die Qualität der Forschung zu verbessern. Ethische Forschung bedeutet die
Anwendung ethischer Grundprinzipien und Gesetze auf die wissenschaftliche Forschung in
allen möglichen Forschungsbereichen. Der Prozess zur Bewertung und Behandlung der
ethischen Dimension der im Rahmen von Horizont 2020 finanzierten Aktivitäten wird als
Ethikbewertungsverfahren bezeichnet“ (European Comission Ethic and Innovation, 2019)35.
35
http://ec.europa.eu/research/participants/docs/h2020-funding-guide/cross-cuttingissues/ethics_en.htm
87
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Recht auf
Privatsphäre, auf Schutz personenbezogener Daten, auf die körperliche und geistige
Unversehrtheit einer Person, auf Nichtdiskriminierung und der Notwendigkeit, ein hohes Maß an
Schutz der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten (vgl. Horizon 2020 Rules for Participation:
Ethics Reviews (Article 14).
"Die Ethikprüfung zielt darauf ab, (gegebenenfalls mithilfe unabhängiger Experten)
sicherzustellen, dass alle im Rahmen von ERC-Grants durchgeführten Forschungsarbeiten
den europäischen ethischen Grundwerten entsprechen. Die Ethikprüfung umfasst auch die
Ethiküberwachung" (ebd.).
4.5.3
Forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusive-partizipative Forschung
Forschungsethischen Grundsätze, wie sie oben benannt werden, werfen Fragen auf und stellen
Forschungsprojekte für und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen vor besondere
Herausforderungen.
Im deutschsprachigen Raum werden diese forschungsethischen Fragen in Bezug auf inklusivepartizipative Forschung bislang kaum diskutiert (siehe Kapitel 6 State of the Art – Ein Überblick zur
inklusiven-partizipativen Forschung). Auch Forschungssettings zur inklusive-partizipative
Forschung und Entwicklung selbst werden in der Literatur nur sehr begrenzt thematisiert, wie die
Einstellung der akademischen Forscherin oder des Forschers oder die Vorbereitung der CoResearchern auf die Forschungsaufgabe (vgl. STRNADOVÁ, I. et al.2013).
Inklusive Forschung im Sinne der UN-BRK bedeutet, dass Forschung und Entwicklung im Hinblick
auf eine inklusive Beteiligung der beforschten Zielgruppe neu definiert und gestaltet werden und
die Grundsätze für eine inklusive-partizipative Forschung formuliert werden müssen. Ein ethisch
reflektiertes Forschungshandeln in der qualitativen Methoden-Debatte ist deshalb erforderlich,
da einige der bisherigen Grundsätze nicht ohne weiteres übertragbar sind.
Der Forschungs- und Arbeitsprozess soll sich nicht nur wie bisher an den Bedürfnissen der
Menschen mit Behinderungen ausrichten, sondern er soll mit ihnen gemeinsam gestaltet werden
(vgl. Artikel 4 Absatz 3 UN-BRK).
Trotz der Anerkennung in der Sonderpädagogik, dass Menschen mit geistiger Behinderung in der
Regel selbst am besten wissen, was ihnen wichtig ist und was sie für ein selbstbestimmtes Leben
brauchen – sie sind Experten in eigener Sache – werden sie auch wegen fehlender Qualifikation
und aufgrund ihrer mangelnden Sprachkompetenz oftmals aus dem Diskurs zu Behinderung
ausgeschlossen (vgl. TRESCHER, H. 2015: 261-264).
88
Noch wird selten mit ihnen, stattdessen oft über sie und ihre Behinderung geforscht (vgl. HORNERJOHNSON/BAILEY 2013). Die Einschränkung, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen sich
nicht adäquat äußern können, darf nicht uneingeschränkt stehen bleiben. Es ist auch eine ethische
Aufgabe, das von Valentin Aichele, Leiter der Beobachtungseinheit UN-BRK, anlässlich der
Veröffentlichung des Sammelbandes "Gleichheit vor dem Recht" im Jahr 2013 vorgeschlagene
Modell der assistierten Handlungsfähigkeit zu entwickeln (vgl. AICHELE, V. 2013) und in der
inklusiven Forschung umzusetzen.
Auf den ersten Blick ist bei Forschungsanlässen nicht immer ersichtlich, was der richtige oder
bessere Weg ist bzw. was für Menschen mit kognitiven Behinderungen ethisch vertretbar ist. Es
ergeben sich Fragen an die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung wie beispielsweise:
Frage 1: Welche Auswirkung hat die inklusive Forschung auf die Beteiligten?
Eine Auswirkung eines Forschungsvorhabens könnte die Stärkung der sozialen Rolle sein. Wenn
beispielsweise Menschen mit Behinderungen erfahren können, dass sie als aktive Forschende in
einem ursprünglich akademischen und sozial hochanerkannten Tätigkeitsfeld tätig sind (HAUSER,
M. 2013).
Unger v. beschreibt den Prozess auch als Selbst-Befähigung und -Ermächtigung (vgl. UNGER V., H.
2014: 35). Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher lernen hierbei nicht nur forschen, sondern
erkennen durch ihre Aktivität neue Eigenschaften bei sich, und sie lernen Ideen zur Veränderung
zu entwickeln (vgl. Teil B, Konzept).
Frage 2: Inwieweit kann die inklusive Forschung das Umfeld der Beteiligten
und/oder Politik oder Praxis verändern?
Dass sich Politik oder die Praxis verändern, dauert meist lange. Positive Beispiele zeigen, wo
Menschen mit kognitiven Behinderungen bei Fragen, die ihre Person betrifft, oder in politische
Fragen im Zusammenhang mit Behinderung involviert sind.
Sie werden als Experten von der Politik in Ausschüssen 36 oder von der Ethikkommission befragt.
Frage 3: Wann verwandelt sich inklusive Forschung in Interessenvertretung?
Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, da es bei der inklusiven und/oder partizipativen
Sozialforschung darum geht, durch die Beteiligung die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu
ermutigen ihre eigenen Interessen zu vertreten.
36
So wurden in der BRK-Allianz Menschen mit kognitiven Behinderungen in den Prozess der Überprüfung
von Zustandsberichten einbezogen.
89
Beispielsweise wurde das bundesweit in Deutschland arbeitende Institut bifos unter anderem ins
Leben gerufen, um emanzipatorische Forschung im Bereich Behinderung voranzutreiben. Für
bifos ist inzwischen eine Interessenvertretung. Ihr ist vor allem wichtig, die Perspektiven
behinderter Menschen in Bezug auf ihre eigene Lebenssituation sichtbar zu machen37.
Frage 4: Welchen Mehrwert bringt Forschung mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Co- oder Peer-Forscherin oder Peer-Forscher?
Der Mehrwert der inklusiven Forschung liegt zum einen im Wissen und in der Erfahrung der Peers,
die diese Art der Forschung erst möglich gemacht haben. Zum anderen konkretisieren die
unterschiedlichen Kooperationsmuster und der interdisziplinäre Austausch mit Menschen mit
kognitiver Behinderung die Forschungsarbeit (vgl. HEUMADER, P./ Edler C. 2018: 439 ff.).
4.5.4
Forschungsethik für inklusive Forschung und Entwicklung und das
Wissenschaftssystem
Das deutsche Wissenschaftssystem ist im Vergleich zu anderen Ländern überwiegend von
Forschung und Lehre geprägt (vgl. BMBF), wobei die Umsetzung des erworbenen Wissens oftmals
nachrangig ist. - Dies kann bei der inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung für die PeerForscherinnen oder Peer-Forscher, wenn keine Umsetzung erkennbar ist, problematisch sein. In der sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Forschung sind verschiedenen ethische
Grundsätze bekannt wie Schadensminimierung, Informiertes Einverständnis, Selbstbestimmung,
Freiwilligkeit und Vertraulichkeit. (vgl. UNGER V., H./NARIMANI, P. 2014). Aber nicht nur in der
qualitativen Forschung, sondern eben auch beim experimentellen Design und in der Forschung
und Entwicklung ergeben sich ethische Fragen bei der Beteiligung von Menschen mit kognitiven
Behinderungen und an die Forschungsprozesse.
Solche Fragen tauchen in jeder Phase des Forschungsprozesses auf und die ethische Reflexivität
sollte ein wichtiger Bestandteil jeder Forschungspraxis sein (vgl. UNGER von, H. et al. 2016).
Welche ethischen Anforderungen und Fragen sich insbesondere für die Teilnahme von Menschen
mit kognitiven Behinderungen bei einem inklusiven-partizipativen Forschungsansatz stellen, wird
nachfolgend in der Literaturrecherche über Participatory Action Research (PAR) von COONS und
WATSON (2013) dargestellt. COONS und WATSON haben eine Reihe von Herausforderungen
aufgelistet. Es geht beiden um die Frage, wie sich Forschungsprozesse verbessern lassen, um die
Zielgruppe vollständig in die Forschungsumgebung zu integrieren (vgl. Coons, K./Watson, S. 2013).
37
http://www.bifos.org/index.php/der-verein
90
Sie beschreiben zuerst die Anwerbung von Personen, die an der Forschung teilnehmen (können),
als schwierig, da sich die ethischen Probleme, die bei einer informierten Einwilligung auftreten,
als entscheidend erweisen würden. Forscherinnen/Forscher würden mehr Zeit benötigen, um ihre
qualitativen Studien zu planen und um diesen 'Informed Consent' zu erhalten. Zudem sei es
wichtig zu dokumentieren, mit welchen alternativen Methoden, visuell oder auditiv, diese
Einwilligung erreicht worden sei, da viele von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht lesen
oder
schreiben
können.
Forschungsbeziehung,
Angemessene
verantwortungsvolles
Sprache
und
Risikomanagement,
Kommunikation,
transparente
offene
Wissens-
verbreitung in der Forschungskompetenz sind für sie wichtige Faktoren, die die gesamte Teilhabe
beeinflussen (vgl. ebd.: 16f).
Ein weiteres Problem sehen COONS und WATSON wie auch andere Wissenschaftler bei der
Kommunikation. Personen mit leichter bis moderater Lernbehinderung falle es leichter, sich zu
äußern und an Forschung teilzunehmen, weil diese eher in der Lage seien, Fragen zu stellen oder
zu verstehen und ihre Ansichten sowohl in Bezug auf ihr Sprachverständnis als auch auf ihre
Sprachkompetenz und Aussprache sich zu artikulieren. Auch die Art und Weise, wie die
akademischen Forscherinnen/Forscher Fragen stellen, sei relevant. COONS und WATSON stellen
fest, dass direkte Fragen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eher verstanden würden.
Dies betrifft das Thema Accessibility in und während der Forschung (hierauf wird im Teil B näher
eingegangen). Bei der Partizipativ Action Research (PAR) Methode sei außerdem die Vorbereitung
und ggf. Schulung sowie ein mehrstufiges Vorgehen mit der Zielgruppe sinnvoll (vgl. ebd.: 18). Die
Beteiligung am Prozess der Datenanalyse sehen sie als besonders schwierig an. Dieser Prozess sei
zu komplex und könne zudem entmutigend für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sein. Sie
bezeichnen das mit Disempowering (vgl. ebd.: 19).
Sie stellen fest, dass Zielgruppen als Berater für die PAR Methode in allen Stadien der Forschung
hilfreich seien. Durch sie könnten Fehlinterpretationen vermieden und der Verlauf der Forschung
im Sinne der Teilnehmerinnen und Teilnehmern beeinflusst werden. Dabei müsse allerdings
sichergestellt sein, dass diese an allen Schritten des Forschungsprozesses aktiv beteiligt seien.
Besondere Aufmerksamkeit widmen beide der Beurteilung des 'Informed Consent', der
Kapazitäten und Ressourcen des Forschungsteams, sowie die Wirkung von spezifischen
Behinderungen auf den Forschungsprozess.
91
Es zeigt sich auch hier, dass zunächst viele Schwierigkeiten im Wissenschaftssystem überwunden
werden müssen, um Menschen mit kognitiven Behinderungen die Teilnahme an realer Forschung
zu ermöglichen. Die Schlüsselfrage bleibt jedoch, ob die Einstellung, die nach Absichten und
Handlungsmotiven, z. B. in einem bestimmten Forschungsthema und das Erkenntnisinteresse,
fragt, alleine als Rechtfertigung genügt, oder ob die Verantwortung für die als wahrscheinlich und
vorhersehbaren Folgen des Handelns berücksichtigt werden soll (vgl. RATH, M. 2013: 467).
4.5.5
Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven Behinderungen als Cobzw. Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Forschung und
Entwicklung
Um Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht nur die Teilnahme als Akteure in der digitalen
Gesellschaft zu ermöglichen, sondern auch die Entwicklung eines nutzerzentrierten Designs als
Co-Forscherinnen und Co-Forscher maßgeblich zu beeinflussen, wird im zweiten Teil dieser Arbeit
ein inklusives partizipatives Forschungskonzept mit ihnen vorgeschlagen.
Trotz der hier diskutierten praktischen, ethischen Fragen und möglichen Implikationen müssen
neue
Wege gefunden werden,
um
Menschen mit kognitiven Behinderungen auf
gleichberechtigter/demokratischer Basis in ein Forschungsprojekt einzubeziehen, das sich mit
ihren Anliegen befasst.
"Forschung, bei der Menschen mit Lernschwierigkeiten als Anstifter von Ideen,
Forschungsdesigner, Interviewer, Datenanalytiker, Autoren, Multiplikatoren und Nutzer
beteiligt sind" (WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003, S. 62).
Laut JONAS sollten zu diesem Zweck alle verfügbaren Erkenntnisse genutzt werden, auch um
mögliche negative Auswirkungen auf Mensch und Natur auszuschließen, wobei er die Diskrepanz
zwischen Vorherwissens und der Handlungsfähigkeit als problematisch hervorhebt. Die ethischen
Grenzen des Machbaren einer neuen Technologie sieht JONAS in dem Wissens- und
Machtvorsprung eine langfristige Zukunftsverantwortung (vgl. JONAS, H.1979: 28).
SIEGERS und HENDRICKS (2015) werfen einen differenzierten Blick auf die gemeinsame Forschung.
Sie beschreiben die Probleme und Schwierigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die
hierbei mit ihren eigenen Grenzen oder mit anderen Teilnehmern, die mit ähnlichen
Beeinträchtigungen leben, konfrontiert zu werden. Vor allem, wenn die anderen Teilnehmer mehr
oder weniger stark eingeschränkt sind oder die Hürde überhaupt eine gemeinsame
Arbeitsplattform mit Menschen mit schwerwiegenden Einschränkungen in Bezug auf Ort, Zeit und
Kommunikation überhaupt herstellen zu können.
92
Viele Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler erleben durch die
Erfahrungen bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen Auswirkungen auf ihr eigenes
Leben. Manche von ihnen beschreiben, dass einige ihrer Projekte für sie sehr emotional gewesen
seien, und dass sie zu Beginn ihrer Projekte nicht ausreichend für den Umgang mit den
Teilnehmern vorbereitet waren (vgl. ebd.).
Das Co-Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen fordert Wissenschaftlerinnen/
Wissenschaftler und Entwicklerinnen/Entwickler aufgrund von unterschiedlichen Erfahrungen
sowie der Tatsache heraus, dass viele etablierte Co-Design-Methoden und Techniken nicht
angemessen sind und angepasst werden müssen (vgl. SIEGERS, K. et al. 2015).
SIEGERS et al. empfehlen hier als Methode zum Beispiel »Codesign-Stories«. Der Vorschlag basiert
auf LEES sogenannten Methodengeschichten (LEE, J.-J. 2012: 14). LEE stellt universelle,
standardisierte Methoden des Human-Centered Design generell infrage, da jede Methode
kulturell begrenzt sei und daher die Gegebenheiten berücksichtigen werden müssen, in denen sie
angewendet wird (vgl. ebd.: 6).
Überlegungen zu einer ethisch-verantwortungsvollen Forschung mit Menschen mit
einer sogenannten geistigen Behinderung
§
„Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung sollten von der Teilnahme an einem
Forschungsprojekt profitieren und keinerlei Nachteile davontragen. Dieses ethische
Primat gilt für den gesamten Forschungsprozess und ist in allen Kontexten einer
Untersuchung zu beachten und einzuhalten.“ (BUCHNER 2008 b: 1) – Dies ist insofern
relevant, als diese Gruppe gerade wegen der Weitergabe ihrer personenbezogenen Daten
viel verletzlicher ist als Menschen ohne Behinderungen.
§
Wenn inklusive-partizipative Forschung als Methodologie angestrebt wird, dann sollten
die beteiligten Personen: Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher, Forscherinnen/Forscher
und Entwicklerinnen/Entwickler und Sinn und Zweck der Forschung klären und sich
bereits vor Beginn eines Forschungsvorhabens kennenlernen, um eine Vertrauensbasis
aufzubauen (vgl. HAGEN, J. 2002);
§
Menschen mit kognitiven Behinderungen, die hier als Peer-Forscherinnen und PeerForscher teilnehmen, sind keine Forschungsobjekte, sondern müssen als Betroffene in
Entscheidungen, die auf Basis der Evaluationsergebnisse getroffen werden, einbezogen
werden. Es darf niemand auf Grund schwerer oder mehrfacher Behinderung
ausgeschlossen werden (vgl. NIND, M. 2014);
§
Ein zentraler Punkt für eine verantwortungsvolle Ethik bei einem inklusiven
Forschungsdesign ist das vollkommen freiwillige Einverständnis der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer und die fortlaufende Zustimmung sowie die fortlaufende Möglichkeit des
Widerrufs (vgl. CUTLIFFE, J./ RAMCHARAN, P. 2002: 1007);
93
§
94
Es müssen alle Informationen während des Forschungsvorhabens, wie auch das Informed
Consent selbst, das Forschungsvorhaben (Inhalt), Ziele der Forschung,
Weiterverarbeitung der Informationen und Fragen der Anonymität in leichtem
verständlichem Format bzw. Sprache für die Zielgruppe verständlich erklärt und
bestenfalls auch schriftlich bestätigt werden (vgl. NIND M. 2011; STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY,
J. 2017);
5 VERORTUNG: VERNETZTE LEBENSWELT –
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG MIT
MENSCHEN MIT KOGNITIVEN
BEHINDERUNGEN
„Gelingt es uns, die Welt als vernetzt zu
betrachten, hören wir auf, alles nur in Schwarz
oder Weiß zu sehen.“
Dalai-Lama (2009)
ÜBERBLICK
Im Mittelpunkt stehen zunächst die Mensch-Computer-Interaktion (HCI), Internet of Things
(IoT) und die vernetzten Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen sowie um
die Forschung und die Forschungspraxis selbst.
Neue Web-Technologien, die "neuen Medien und digitalen Dienste", haben das Potenzial, Inhalte
anzubieten und den Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten und Wünschen individuell
zugänglich zu machen.
Die Mensch-Computer-Interaktion (HCI) ist ein komplexes interdisziplinäres Forschungsfeld, im
Bereich der Forschung und Entwicklung, dass hier zunächst beschrieben werden soll, um den
Zusammenhang zu einem neuen inklusiven Forschungsansatz herstellen zu können.
Sowohl die kognitive Zugänglichkeit (cognitive accessibility) als auch Medienkompetenz werden
hier aus Sicht der Forschung und Entwicklung in den Blick genommen.
Ziel ist die Entwicklung eines benutzerzentrierten Konzepts für die Zielgruppe Menschen mit
kognitiven Behinderungen. Dazu müssen zunächst für Forschung und Entwicklung Parameter für
einen inklusiven partizipativen Ansatz für die Beteiligung von Menschen mit kognitiven
Beeinträchtigungen definiert werden.
95
5.1 Mensch-Computer-Interaktion und vernetzte Lebenswelten von
Menschen mit kognitiven Behinderungen
Mensch-Computer-Interaktion (HCI)
Mensch-Computer-Interaktion (Human Computer Interaction, HCI) ist das Forschungsgebiet, das
sich mit der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine befasst. Es ist der Bereich, der sich
mit Fragen der nutzer- und kontextgerechten Gestaltung 'intelligenter', daten-verarbeitender
Systeme beschäftigt. Die Herausforderung besteht darin, die Interaktion zwischen Mensch und
Computer effektiv und effizient zu gestalten (vgl. HOLZINGER A. 2018).
Der Beginn der Mensch-Computer-Interaktion war in den 1960er Jahren (vgl. WOLETZ, J. 2016: 10).
Traditionelle Technologien und Geräte waren oft unflexibel mit einer problematischen nicht
barrierefreien Bedienung (Knöpfe, Schalter, Regler, Menüs …). Neue Geräte änderten im Laufe der
Zeit zwar ihre Bedienmechanismen, die jeweils neu erlernt werden mussten und dadurch neue
Probleme mit sich brachten (vgl. MIESENBERGER, K. 2009).
3.
Abb. Internet of Things, (Quelle: eigene Darstellung 2018)
Die Entwicklung digitaler Medien und Human Computer Interaction HCI sind eng miteinander
verbunden. HCI als Spezialgebiet der Informatik schließt die Kognitionswissenschaft ein. Sie
versteht menschliche kognitive Prozesse als Informationsverarbeitung und verbindet
interdisziplinäre Ansätze aus der Kognitionspsychologie, Informatik (Künstliche Intelligenz),
Neurowissenschaft und Anthropologie (vgl. METZINGER, T. 1996). Es geht um die Erforschung des
Designs und des Einsatzes von Computertechnologien, an der Schnittstelle (Interface)38 zwischen
Menschen (als Anwender) und Computer.
38
HCI ist Standard. Fast alle technologischen Systeme benutzen diesen Standard, ob zu Hause, am
Arbeitsplatz, im Auto oder persönliche Geräte.
96
Internet of Things
Der Begriff Internet of Things (Internet of Things, IoT) geht auf KEVIN ASHTON zurück, der ihn 1999
erstmals verwendete.
Internet der Dinge (IoT) bezeichnet die Vernetzung zwischen den
'intelligenten' Systemen sowohl untereinander als auch nach außen hin mit dem Internet (vgl.
ASHTON, K. 2009). Verschiedene Objekte und Alltagsgegenstände sind via IP-Netz miteinander
verbunden.
Im Jahre 1999 macht auch der Fachbereich Mensch-Computer-Interaktion innerhalb der
Gesellschaft für Informatik (GI) auf sich aufmerksam. technische Fokus liegt auf der
Informatisierung, Technologiesierung und Computerisierung aller Lebensbereiche und einer
menschengerechten Zukunft. Gleichzeitig veränderte sich die digitale Gesellschaft stetig.
Das Internet der Dinge brachte eine neue Wende in der Digitalisierung. Die Informations- und
Kommunikationstechnologie wird zunehmend in die uns vertrauten Dinge des täglichen Lebens
eingebettet (embedded computing). Sie machen unsere Umgebung bzw. unser Zuhause smart
(intelligent). Dinge oder Geräte in unserem Zuhause, Kleidung, Gegenstände werden physische
Zugangsobjekte zu Internetdiensten und/oder werden selbst informativ, zum Beispiel smarte
Kleidung, Smartwatch, Smart Home, Smart Living (vgl. GRIMM, P. 2016).
„Die erfolgreiche und wirkungsvolle Nutzung von computergestützten Kommunikationsund Informationsangeboten ist zunehmend für Menschen aller gesellschaftlicher
Schichten und Funktionen relevant. Gleichzeitig werden die technischen Systeme, ihre
Struktur, Funktionalitäten und Interaktionsformen komplexer, obwohl oder gerade, weil
die Systeme durch Miniaturisierung, Vernetzung und Einbettung immer weniger sichtbar
und damit auch immer weniger (be-)greifbar werden“ (HERCZEG, M. /KOCH, M. 2015: 290).
Viele Dienste (Services) und Funktionen werden heute bereits über standardisierte Interfaces
genutzt (vgl. MIESENBERGER, K. 2013: 28). Die Gestaltung dieser Schnittstellen mit der Entwicklung
des Dialoges zwischen Mensch und Maschine über einen gewissen Zeitraum hinweg ist Aufgabe
des Interaktionsdesigns. HCI und Interaktionsdesign sind kaum voneinander zu trennen, denn
jedes Interaktionsdesign benötigt meist auch ein Interface (vgl. ebd.).
Beispielsweise der Suchmaschinenkonzern Google zeigt mit seinen unterschiedlichen Diensten,
wie Interaktionen mit dem Computer in der Praxis aussehen können. Die Sprachsteuerung der
Suche von Google, ähnlich wie Siri von Apple, ist eine dieser Zukunftstechniken. Die Datenbrille
Google Glass funktioniert fast ausschließlich über Sprachbefehle.
97
Auch die Ergänzungsfunktion der Google Suche, Google Suggest (für die Keyword-Recherche),
gehört zu HCI. Der User bekommt bereits bei der Worteingabe Vorschläge zum Vervollständigen
seiner Suchanfrage.
4.
5.1.1
Abb. Verschiedene Dienste von Google (Quelle Google)
Die Zugänglichkeit zum Netz
Die Interaktion zwischen Mensch und Computer umfasst verschiedene Elemente, die im
Folgenden kurz aufgelistet werden. Bei der Interaktion müssen sowohl funktionale als auch
ästhetische
Elemente
berücksichtigt
werden.
Brauchbarkeit/Nützlichkeit
(usefulness),
Benutzbarkeit (usability und accesibility) und Ästhetik und Design (enjoyability) sollen
ausgewogen zusammenwirken (vgl. HOLZINGER A. 2018). Hierbei wird die aktuelle Gestaltung der
Internet of Things (IoT) in der Regel durch die technischen Innovationen und ihre Machbarkeit
bestimmt. Die Zugänglichkeit und der Mensch, der am Ende der digitalen Prozesse und mit
digitalen Produkten arbeiten muss, wird häufig zu wenig berücksichtigt.
Nützlichkeit - Usefulness
Dies betrifft in erster Linie die Nützlichkeit (Usefulness) einer Anwendung oder eines Produkts. Sie
ist oft wichtiger als die Usability-Bewertungen (vgl. LUND, B. A. M. 2001). Hierbei geht es um die
Perspektive der Nutzung.
Bewertung der Nützlichkeit aus Sicht des Users:
§
§
§
§
§
§
§
§
98
Es (das Produkt, die Anwendung) hilft mir, effektiver zu sein.
Es hilft mir, produktiver zu sein.
Es ist nützlich.
Es gibt mir mehr Kontrolle über die Aktivitäten in meinem Leben.
Es erleichtert die Dinge, die ich erledigen will.
Es spart mir Zeit, wenn ich es benutze.
Es erfüllt meine Bedürfnisse.
Es tut alles, was ich von ihm erwarten würde (vgl. ebd.).
Usability – Benutzerfreundlichkeit
Usability bezeichnet ein weiteres Qualitätsmerkmal, das die Benutzerfreundlichkeit von Benutzeroberflächen bewertet (vgl. NIELSEN, J. 2012). Kenntnisse über Usability und Accessibility für
Menschen mit Behinderungen betreffen jedoch hauptsächlich körperliche Einschränkungen in
Bezug auf Sinneswahrnehmung und körperliche Interaktion. Die Zugänglichkeit (Barrierefreiheit)
zu IoT oder digitalen Diensten, wie auch die Internetzugänglichkeit selbst, ist daher meist in Bezug
auf visuelle, auditive und körperliche Behinderungen beschränkt.
Enjoyability – angenehm, Vergnügen/Freude)
Enjoyability spielt ebenfalls bei der Entwicklung einer Anwendung bzw. bei einem Produkt eine
wichtige Rolle. Nicht zu unterschätzen sind dabei das Aussehen und die Ästhetik. Form, Farbe,
Material, Oberfläche aber auch die Gestaltung sind Faktoren, die die Erscheinung eines Produktes
bestimmen. Ist das Aussehen nicht gefällig, wird man dem Produkt weniger Chancen geben, auch
wenn es noch so praktisch ist (ebd.).
Dass der Zugang vor allem zum Internet für Menschen mit kognitiven Behinderungen bis heute
nicht selbstverständlich ist, belegt unter anderem der Forschungsbericht zur Mediennutzung von
Menschen mit Behinderungen von UWE HASEBRINK und INGO BOSSE (2016).
Die große Mehrheit der Befragten nutzte zwar das Fernsehen regelmäßig, im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung sahen sogar mehr Befragte regelmäßig fern, dagegen ließen sich bei der
Häufigkeit der Nutzung des Internets erhebliche Differenzen feststellen. Besonders große
Unterschiede wurden bei Menschen mit Lernschwierigkeiten festgestellt. Für sie hatte der Grad
der Lesefähigkeit einen erheblichen Einfluss auf die Nutzung aller Medien (vgl. HASEBRINK,
U./BOSSE, I. 2016: 9).
Zu diesen Aspekten gibt es wenig dokumentiertes Wissen über die Zielgruppe. Kognitive
Behinderungen oder Beeinträchtigung werden in diesem Zusammenhang oft als ein Oberbegriff
für viele verschiedene Behinderungen, Zustände oder Störungen gebraucht, die von leicht bis
schwerwiegend reichen können. Dies betrifft Menschen mit intellektuellen Einschränkungen oder
Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsdefiziten, Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Autismus oder
Autismus-Spektrumstörungen, auch Menschen mit einer Alzheimer-krankheit oder Demenz.
Zugehörige Auswirkungen können sein: Kurz-/Langzeitgedächtnisprobleme, sensorische
Überlastung, Aufmerksamkeitsstörungen, Verarbeitungsgeschwindigkeiten, Schwierigkeiten mit
der Problemlösung, Alphabetisierungsprobleme und mehr.
In der Forschung und Entwicklung von Mensch-Computer-Interaktion (HCI) für diese Zielgruppen
lässt sich ein deutliches GAP (Lücke) ausmachen.
99
Menschen mit kognitiven Behinderungen und ihre Themen sind bis heute kaum im Fokus von
Technologieentwicklung und Forschung (vgl. LEWIS, C. 2005; BOHMANN, R. P. 2007, MIESENBERGER,
K. 2014; ISTENIC STARCIC, A./ BAGON, S. 2014). Sie sind auch selten Teilnehmerinnen oder Teilnehmer
in der Forschung, obwohl die Prinzipien des User Centered Design (UCD) mit Einbeziehung der
User (vgl. NIELSEN, J. 1991; SHNEIDERMAN, B. 2000) auf eine generelle Akzeptanz treffen.
Forschung und Entwicklung erfordert für die Zielgruppe einen interdisziplinären Ansatz unter
Berücksichtigung methodologischer, rechtlicher, ethischer und sozialer Fragen. Die Entwicklungsingenieure sind sowohl auf ihr eigenes technisches Know-how, als auch auf pädagogisches,
kognitives, psychologisches, linguistisches und semantisches Wissen angewiesen, um
entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit kognitiven Behinderungen als
User gerecht zu werden. Zudem ist die Beteiligung der jeweiligen Zielgruppe erforderlich, nicht
nur um der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu entsprechen.
5.1.2
Cognitive Accessibility und HCI
Cognitive Accessibility (Kognitive Zugänglichkeit) und Design sind ein relativ neuer Bereich, für
den es noch keine festgelegten Standards gibt. Cognitive Accessibility beschreibt zunächst die
Schwierigkeiten bei der Nutzung von Web-Technologien für Menschen mit Lernschwierigkeiten
bzw. kognitiven Behinderungen in den Bereichen der Aufmerksamkeit, Führungsfunktion, Wissen,
Sprache, Alphabetisierung, Gedächtnis, Wahrnehmung und Argumentation (vgl. W3C/ SEEMANN,
L./ COOPER, M. 2018). Eines der Hauptthemen, das sich aus der bisherigen Diskussion ergibt, ist der
Widerspruch zwischen den vielen unterschiedlichen Bedürfnissen der User mit kognitiven
Behinderungen und dem Design.
e-Inclusion ist ein weiterer Begriff, der hier verwendet wird, um die Tatsache zu beschreiben, dass
man jeweils unterteilt, in Personen, die entweder Zugang zu modernen, vernetzten Systemen
haben, in denen hoch entwickelte Applikationen, Sensoren, mobile Geräte und Maschinen
intelligent überwachen und steuern und Personen, die eben keinen Zugang dazu haben und diese
deshalb nicht nutzen können. Dabei ist für manche Menschen die kognitive Zugänglichkeit das
Problem oder Teil einer Herausforderung. Zugänglichkeitsanforderungen gibt es auf vielen
verschiedenen Gebieten. Wenn immer mehr Dienste digitalisiert werden, werden wahrscheinlich
auch die mentalen Probleme der User (nicht nur derer mit kognitiven Behinderungen) zunehmen.
Kognition kann hier als Informationsverarbeitungsprozess verstanden werden. Das heißt
Informationen zu dekodieren, zu verarbeiten, zu verstehen und sie zum Teil einer mentalen
Landkarte oder eines Konzepts zu machen, um aktiv werden zu können und teilzunehmen.
100
Hierzu werden Methoden, Techniken und Werkzeuge sowie digitale assistive Technologien (ATs)
und Dienste zur kognitiven Unterstützung durch Experten entwickelt (vgl. MIESENBERGER, K. 2018).
MIESENBERGER versteht darunter auch Service (einen Prozess der Dienstleistungserbringung), der
sehr stark mit der Frage der Entwicklung, Anpassung und Unterstützung persönlicher Fähigkeiten
und Wissensräume zusammenhängt. Dies erfordert zunächst eine Personalisierung der Inhalte,
um eine eigenständige Nutzung und Partizipation zu ermöglichen, was den persönlichen Kontakt
und das Verständnis für den individuellen Wissens- und Sprachraum und die damit verbundenen
Anforderungen voraussetzt. Es ist von daher keine leichte Aufgabe, Zugänglichkeit und
Unterstützung so zu konzipieren und umzusetzen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen
digitale Inhalte verstehen, navigieren, nutzen und mit ihnen interagieren können (vgl. ebd.).
Die Anforderungen sind vielschichtig und unterscheiden sich innerhalb der Zielgruppe und sogar
von Person zu Person. Zu den wichtigsten Problemen bei der Zugänglichkeit von Websites für User
mit kognitiven Behinderungen gehören:
§
zu viele Objekte werden gleichzeitig angezeigt,
§
zu viel und/oder zu schwieriger Text,
§
zu kleine Textgröße und zu lange Textzeilen,
§
mangelnde Logik, z. B. führt ein und dieselbe Aktion zu unterschiedlichen Ergebnissen,
§
andere Probleme bei der Benutzererfahrung;
(vgl. W3C/SEEMANN, L./ COOPER, M. 2019)
Die Dokumente »Web Content Accessibility Guidelines 2.0« (WCAG) und das »Cognitive
Accessibility Issue Paper« haben hier zu einem breiteren Verständnis geführt, wie zugängliche
Inhalte für bestimmte Benutzergruppen erstellt werden können (vgl. ebd.). Um Lösungen für
Menschen mit einer kognitiven Behinderung zu finden, bedarf es weiterer Forschung und
Diskussion mit den Zielgruppen, um die Entwicklung voranzubringen.
5.2 Das Potenzial von Human Computer Interaction (HCI) und assistive
Technik
5.2.1
Mensch-Computer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit
Die Innovation digitalen Zugänge im Hinblick auf Inklusion liegt darin, dass jeder Inhalt heute
bereits ohne besonders großen Aufwand auf unterschiedlichste Weise aufbereitet und angeboten
werden kann.
101
Teilweise ist dies durch bloße Anwendung technischer Mittel herstellbar, etwa durch die
Sprachausgabe eines geschriebenen Textes oder die Abschrift eines in Audio vorliegenden
Beitrages
durch Texterkennungsprogramme,
teilweise
auch mit redaktioneller bzw.
professioneller Unterstützung. Insofern bieten die digitalen Medien die Möglichkeit, dass alle
Menschen an den medialen Angeboten teilhaben können. Dies gilt in allen Bereichen der Bildung,
in der Kommunikation, in Freizeitangeboten und beruflich (vgl. BÜHLER, C. 2014a: 30).
„Neue Medien bieten ein Potenzial, unterschiedlichste Inhalte den Menschen gemäß ihren
Fähigkeiten und Vorlieben bereitzustellen und anzubieten" (BüHLER, C. 2010).
Software-Engineering und User-Centred Design (UCD) bzw. User-Experience Design (UX) basieren
allgemein bereits auf Interdisziplinarität und partizipativen Entwicklungsansätzen mit
entsprechenden Forschungsmethoden/Tools. Dabei bietet im Wesentlichen die Multimedialität
durch Rechenkapazität, Serviceleistung oder Vernetzung mit anderen Usern im Hintergrund,
alternative Zugangsmöglichkeiten. Die Interaktivität, Nutzer angepasste Bedienoptionen und
Unterstützungsfunktionen sowie das Online-Angebot vertiefen die Unterstützung durch
Anpassung an die Nutzerbedürfnisse (vgl. BÜHLER, C. 2013: 30).
BÜHLER nennt hierzu als verfügbare drahtlose digitale Lösungen die Konvergenz auf Smartphones,
e-Book-Readern, Tablet-PCs, TV, Radio, PCs, Kiosks. Wichtig erscheint ihm, dass jeder seinen
eigenen individuellen Zugang (Tool) hat, mit dem sie/er sich auskennt und der so angepasst ist,
dass der User damit selbstbestimmt umgehen kann. Die Systeme sollen als sogenannte LifestyleProdukte als Ergänzung zu den klassischen Printmedien und verbleibenden analogen Angeboten
eingesetzt werden können (vgl. ebd.). Darüber hinaus können mit den Kommunikations- und
Informationsangeboten persönliche Mobilgeräte mit digitalen Haushalts- oder anderen
Alltagsgeräten sowie öffentlichen oder halböffentlichen Tools wie interaktiven Tischen und
Wänden etc. vernetzt werden (vgl. HERCZEG, M. /KOCH, M. 2015).
Auch MIESENBERGER sieht in der Multimedialität, dass Informationen visuell, auditiv, haptisch,
kodiert und präsentiert werden, eine Ergänzung bzw. äquivalente Alternative für die
Ausgabe/Präsentation von Informationen. Damit meint er, dass Menschen mit Behinderungen die
Möglichkeiten des Zuganges zur ein- und derselben Information auf unterschiedliche Art und
Weise bekommen können. Die Handhabung wird dabei durch eine standardisierte MenschMaschine-Schnittstelle möglich, die an eine breite Palette alternativer Interaktionsgeräte und
assistierende Technologien (AT) angepasst werden kann. Dies erlaubt bei der Eingabe eine
umfassende Flexibilisierung und Anpassung an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Nutzerinnen
und Nutzer, einschließlich derer mit Behinderungen (vgl. MIESENBERGER, K, 2013: 27).
102
Interdisziplinäre und partizipative Entwicklungen als Hilfe zum Sehen, Hören und für die Motorik
für die digitale Teilhabe bei Behinderung sind erfolgreich, aber noch nicht für die Kognition39 (s o.),
da diese über die bloße technische Zugänglichkeit (Usability und Accessibility) hinausgeht.
Usability und Accessibility basieren bislang nur auf einer allgemeinen Verständlichkeit. Die
vorhandenen Ansätze funktionieren für Menschen mit kognitiven Behinderungen oftmals nicht,
weil sie auf einer Sprache und einem Verständnis beruhen, die schwer zugänglich sind und den
individuellen Anforderungen und ihren kognitiven Zugänglichkeitsanforderungen nicht immer
entsprechen.
5.2.2
User-Centred Design (UCD) und User-Experience Design (UXD)
2004 bereits empfahl WALOSZEK, die zukünftigen Nutzer in die Entwicklung neuer Software zu
integrieren.
“With the ever growing spread of computers into our daily lives, software application
design is more and more focusing on untrained and casual users. These users have very
different requirements from professional users who for a long time dominated the
business scene. Developers need to take this new breed of users seriously and design
applications that do not frustrate them” (vgl. ebd.).40
Das User-Centered Design (UCD) orientiert sich an Bedürfnissen, Fähigkeiten, Aufgaben, Kontext
und Umfeld der Nutzerinnen und Nutzer, die hier von Anfang an in den Entwicklungsprozess mit
einbezogen werden. Das bedeutet, dass Designerinnen/Designer und Entwicklerinnen/Entwickler
technischer Anwendungen oder Produkte die jeweiligen Nutzerforderungen berücksichtigen und
versuchen diese in sinnvolle, bedarfsgerechte Lösungen zu integrieren.
Mit UCD werden alle Aspekte der Erfahrungen eines Users bei der Interaktion mit einem Produkt,
einem Dienst, einer Umgebung oder einer Einrichtung umschrieben. Eine der Grundlagen hierfür
ist die Nutzerforschung bei der Gestaltung von interaktiven Systemen und digitalen Anwendungen
sowie die Auseinandersetzung mit dem Design, der Realisierung und der Bewertung der
Anwendungen.
39
Der Begriff Kognition wird allgemein verwendet, um die Verarbeitung von Informationen durch den
Menschen zu beschreiben. Hier bezieht sich Kognition auf die Transformation von Informationen, die
von einem verhaltenssteuernden System durchgeführt wird.
40
„Mit der ständig wachsenden Verbreitung von Computern in unserem täglichen Leben konzentriert sich
das Software-Anwendungsdesign mehr und mehr auf ungeübte und gelegentliche Benutzer. Diese
Benutzer haben ganz andere Anforderungen als professionelle Benutzer, die lange Zeit die
Geschäftswelt dominierten. Entwickler müssen diese neue Art von Benutzern ernst nehmen und
Anwendungen entwerfen, die sie nicht frustrieren.“ (Waloszek, G. 2004)
103
In einem ersten Schritt werden zunächst die Bedürfnisse, Wünsche, Intentionen und auch
eventuelle Begrenzungen des Users ermittelt, um später daran den Entwicklungsprozess
auszurichten. Ziel des User-Centered Designs ist eine hohe Benutzerfreundlichkeit (Usability).
Für die Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen sind aber nicht nur IoT oder digitale
Dienste wie die Internetzugänglichkeit von Nutzer-Websites, Services und E-Commerce schwer zu
handhaben, sondern auch Fahrkartenautomaten, digitale Hinweisschilder und viele andere
Online-Systeme, die ihnen Schwierigkeiten bereiten (PERNICE, K./ NIELSEN, J. 2001). Ihnen fehlt an
Benutzerfreundlichkeit (Usability).
NIELSEN definiert Usability für das Lesen im Web 5 Qualitätskriterien:
§
Lernfähigkeit: Wie einfach ist es für den User, grundlegende Aufgaben bei der ersten
Begegnung mit dem Design zu erledigen?
§
Effizienz: Sobald die User das Design kennengelernt haben, wie schnell können sie
Aufgaben ausführen?
§
Einprägsamkeit: Wenn User nach einer Zeit der Nichtbenutzung zum Design
zurückkehren, wie leicht können sie dann ihre Kenntnisse wiederherstellen?
§
Fehler: Wie viele Fehler machen User, wie schwerwiegend sind diese Fehler und wie
leicht können sie die Fehler beheben?
§
Zufriedenheit: Wie angenehm ist es, das Design zu nutzen? (vgl. NIELSEN, J. 1997).
Laut MIESENBERGER gibt es weitere Qualitätsmerkmale für Usability.
Ein Schlüssel für Usability ist das Benutzen selbst. Benutzerfreundlichkeit und das Benutzen
bestimmen gemeinsam, ob etwas nützlich ist: Ist es wirklich das, was die User brauchen?
„Es spielt dabei keine Rolle, ob etwas einfach ist, wenn es nicht das ist, was man will. Es ist
auch nicht gut, wenn das System hypothetisch das kann, was sie wollen, aber sie es nicht
realisieren können, weil die Benutzeroberfläche zu anspruchsvoll ist. Um den Nutzen eines
Designs zu untersuchen, kann man dieselben Methoden der Benutzerforschung anwenden,
durch die die Benutzerfreundlichkeit verbessert wird“ (MIESENBERGER, K. 2016: 8 f.).
Man spricht auch von User-Experience Design (UXD). UCD bzw. UXD basieren auf
Interdisziplinarität und partizipativen Entwicklungsansätzen mit entsprechenden Forschungsmethoden/Tools. UXD umschreibt die (positive) Erfahrung mit digitalen Anwendungen.
Bei beiden geht es um eine ganzheitliche Betrachtung des Users, um positive Nutzererfahrungen,
um die Wahrnehmungen der Nutzer und ihre Reaktionen auf eine Software, ein Produkt oder eine
Dienstleistung während der Nutzung sowie die Erwartungen vor der eigentlichen Anwendung.
Klassische Methoden der Anforderungserhebung sind u. a. Befragungs- und Beobachtungstechniken.
104
Während der Entwicklung werden deshalb gewisse Entwicklungsstände immer mal wieder mit
realen Usern getestet. Mit diesem User Experience Engineering, in der Softwareentwicklung, hat
sich der User-Centred Designansatz etabliert.
Forschungsinstitute, wie das FRAUNHOFER INSTITUT, Abteilung Usability und User Experience
Design entwickeln derzeit hierzu im Bereich Experience Engineering neue Forschungsmethoden.
Sie kombinieren beispielsweise Design Thinking mit dem nutzerzentrierten Design (vgl.
FRAUNHOFER FIT – DESIGN THINKING FACTORY 2019).
5.
Abb. Was ist UCD – Schritte des Fraunhofer Design Thinking Prozesses (Quelle: Ullmann, J. / Fraunhofer FIT)41
Design Thinking und nutzerzentriertes Design werden verbunden. Dabei geht man tief in das
Problemfeld hinein, indem man Nutzergruppen identifiziert, in deren Welt sich Designdenker
einfühlen.
Der Prozess wird wie folgt dargestellt:
„Design Thinking ist ein Prozess, der Kreativität und Nutzerzentrierung fördert. Es ist
insbesondere nützlich, um Innovationen für existierende Produkte und Prozesse zu schaffen
oder um in eine neue Domäne vorzustoßen. Nutzerzentriertes Design zielt darauf ab, eine
konkrete Produktidee möglichst gut an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen und z. B. eine
hohe Usability und User Experience zu erreichen.
41
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des FRAUNHOFER-INSTITUTS FIT.
105
Beide Vorgehensweisen bedienen sich aus einem ähnlichen Methodenpool. Gleichzeitig gibt
es einige wichtige Faktoren, die beide Ansätze ausmachen, beispielsweise:
§ Einbeziehung der Nutzer von Anfang bis Ende,
§ kollaborative Interaktion in einem interdisziplinären Team,
§ geeignete Umgebung für kreatives Arbeiten,
§ etablierter Prozess.
§ Die Chance von neuen Erkenntnissen zu lernen, die eigenen Konzepte zu verbessern und
neu zu evaluieren.“
(FRAUNHOFER FIT 2018)42
Diese Vorgehensweise entspricht dem später vorgeschlagenen inklusiven Forschungskonzept zur
Forschung und Entwicklung (vgl. Teil B das IPAR-UCD Konzept).
Obwohl entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) betroffenen Menschen
mit Behinderungen an Forschung zu beteiligen sind, fehlen hierzu bislang ausreichende
Erfahrungen, Methoden und Instrumente im Bereich Forschung und Entwicklung. Menschen mit
kognitiven Behinderungen brauchen auch während der Forschung und Entwicklung passende
Zugänge. Zwischen den beteiligten Nutzerinnen/Nutzern mit kognitiven Behinderungen und
Entwicklerinnen/ Entwicklern bestehen aber häufig Kommunikationsprobleme (es kommt zu
Missverständnissen oder die Verwendung unterschiedlicher oder schwieriger Fachbegriffe
machen Probleme), (vgl. HENNIG, S. 2018: 294-305). Allgemein übliche Methoden für User-Centred
Design bzw. für User Experience Design scheitern möglicherweise, weil diese zunächst von
allgemeiner Sprache und einem allgemeinen Verständnis ausgehen, die für die Zielgruppe kognitiv
schwer zugänglich ist. Probleme können entstehen, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind
das zu artikulieren, was sie möchten und brauchen. Menschen mit kognitiven Behinderungen
haben häufig Probleme, konkret beschreiben zu können, was ihre Barrieren sind oder welche
kognitiven Zugänglichkeitsanforderungen sie haben. Daher wurde bisher bei der Entwicklung für
Menschen mit kognitiven Behinderungen oft nur von etwaigen Annahmen ausgegangen oder es
wurden Stellvertreteraussagen (Proxyaussagen) von Angehörigen oder anderen betreuenden
Personen herangezogen (vgl. HEUMADER, P./ Edler C. 2018: 440).
Ohne jedoch die Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst in ihren Einrichtungen und bei
ihren Diensten, in die Forschung und Entwicklung mit einzubeziehen, bleiben die Annahmen über
Anforderungen und Wünsche der Zielgruppe immer spekulativ und ein gebrauchstaugliches
Design für sie ist schwer umsetzbar (vgl. BOHMANN, P. 2016).
42
https://www.design-thinking-factory.fit.fraunhofer.de/de/design-thinking.html
106
Für die Einbeziehung der zukünftigen User selbst sind neue Methoden und Ansätze zur Messung
und Schaffung von positiven Nutzererfahrungen (User-Experience) bei der Interaktion mit
technischen Produkten erforderlich.
Dass die Teilnahme der User im Design-/Entwicklungsprozess bzw. bei der Entwicklung und
Forschung notwendig und wichtig ist, stellt GARRETT (2011) in "The Elements of User Experience"
vor. Diese geben Hinweise darüber, wie und wann auch Menschen mit kognitiven Behinderungen
als Peers in die Forschung und Entwicklung einbezogen werden können.
GARRETT (2011) beschreibt fünf Elemente für User Experience
1. STRATEGIE-EBENE: Nutzerbedürfnisse und Standortanforderungen (User-Needs)
Die Frage ist, für wen und warum etwas entwickelt wird. Warum Menschen bereit sind,
eine neue Software oder einen Service zu nutzen und warum sie diese benötigen. Ziel ist,
die Benutzerbedürfnisse und Ziele im Vorfeld zu definieren. Dies kann durch Befragung
der User und Interessengruppen geschehen.
è Zunächst sollte sichergestellt werden, ob und in welchem Umfang Menschen mit
kognitiven Behinderungen eine neue Software oder einen Service wünschen bzw.
benötigen.
Frage: Welches Ziel soll das neue Produkt erfüllen?
2. ANWENDUNGS-EBENE: Funktionale Anforderungen und Inhalte
Diese Ebene wird durch die Erstellung von Spezifikationen umgesetzt. Funktionale
Anforderungen sind Anforderungen an die Funktionen oder Features im Produkt, z. B. wie
Features miteinander funktionieren und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Diese
Funktionen sind es, die der User benötigt, um die Ziele zu erreichen.
Auf der Seite der Inhaltsanforderungen und Informationen gibt es eine Beschreibung der
verschiedenen Inhaltselemente, die benötigt werden.
è Für das IPAR-UCD Konzept (Teil B) wurden hierzu zunächst verschiedene Methoden
zur Requirementanalyse (Analyse der Nutzeranforderungen) weiterentwickelt.
Frage: Welche konkreten Funktionen und Inhalte benötigt die Zielgruppe, um diese
Aufgaben zu erledigen?
3. STRUKTUREBENE: Interaktions-Design
Die Struktur wird auf der Softwareseite durch das Interaktionsdesign festgelegt, in dem
definiert wird, wie sich das System gegenüber dem User verhält. Die Struktur ist in zwei
Komponenten unterteilt, Interaktionsdesign und Informationsarchitektur.
Das Interaktionsdesign wird von den funktionalen Anforderungen her definiert. Es
beschreibt, wie der User mit dem Produkt interagieren kann und wie sich das System als
Reaktion auf die Benutzerinteraktionen verhält.
è Diese Ebenen sind von den Entwicklerinnen/Entwickler mit Berücksichtigung der
Betroffenen zu realisieren.
107
Fragen:
§ Wie ist der Aufbau? Gibt es eine Startseite?
§
Wie steigt der User in die Nutzung der Seite ein? Wird er bei der
Ersteinrichtung z. B. von einem Assistenten begleitet?
§
Sind die Funktionen verlinkt oder gehe ich direkt zur Bearbeitungsansicht?
§
Wie wird auf die einzelnen Funktionen zugegriffen?
§
An welchen Stellen gibt es Hilfen?
§
Wie werden Fehler und Meldungen behandelt?
4. GERÜSTEBENE: Informations-Design
Das Gerüst bestimmt die optische Form auf dem Bildschirm, die Darstellung und
Anordnung aller Elemente, die sich mit der Funktionalität des Systems interagieren lassen.
Die Informationsarchitektur geht von den inhaltlichen Anforderungen aus. Sie definiert
die Anordnung der Inhaltselemente und deren Organisation, um das Verstehen zu
erleichtern.
Zum Beispiel wie sich der Benutzer durch die Informationen bewegt und wie
Informationen präsentiert werden, um sie effektiv, klar und offensichtlich zu machen.
è Für Menschen mit kognitiven Behinderungen sollten die Oberflächenelemente so
präsentiert und angeordnet werden, dass sie als User einfach über die
Benutzeroberfläche durch die Informationen navigieren können.
6. Abb. Bildschirmoberfläche–Einteilung, (Quelle: eigene Darstellung)
5. OBERFLÄCHEN-EBENE: Sensorisches oder visuelles Design
Es bestimmt, wie das Produkt aussehen wird und wählt das richtige Layout, die richtige
Typografie, die richtigen Farben, etc. aus. Ergänzend können akustische und haptische
Elemente verwendet werden, um die Bedienung des Produkts zu unterstützen (z. B.
Warntöne oder Vibrationsfeedback). Beim visuellen Design geht es um die strategische
Platzierung von Bildern, Farben, Fonts und anderen Elementen zur Förderung von
Interaktionen und User-Engagement, z. B. ein Bild gibt eine bestimmte Information.
108
è Die sensorische Gestaltung ist für Menschen mit kognitiven Behinderungen
wesentlich. Nur wenn sie die einzelnen Schritte erkennen und verstehen können
werden sie in der Lage sein richtig zu interagieren (vgl. GARETT, J. 2011: 31-36).
7. Abb. IPAR-UCD und die 5 Elemente von Garrett, J. 2011, (Quelle: eigene Darstellung)
Ziel eines so inklusiv gestalteten Usability-Designs wäre es mit den Peers (qualifizierten PeerForscherinnen und Peer-Forschern) methodisch fundiert mögliche Lösungen, einschließlich
Vorteilen und Einschränkungen, für bestimmte Anwendungsmöglichkeiten zu finden.
5.3 Menschen mit kognitiven Behinderungen als aktive Nutzer von IoT
(Internet der Dinge) oder digitalen Diensten
Anknüpfungspunkte für diese theoretisch-konzeptionellen Überlegungen sind auf der einen Seite
die Medienkompetenz, wie das Sozialisationskonzept, als ein Element der Medienbildung der
Zielgruppe Menschen mit kognitiven Behinderungen und auf der anderen Seite die MenschComputer-Interaktion und kognitive Zugänglichkeit aus Sicht der Forschung und Entwicklung.
5.3.1
Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen
Da die Medienkompetenz von Menschen mit kognitiven Behinderungen im Zusammenhang mit
dieser Arbeit eine wichtige Rolle spielt, muss hier darauf eingegangen werden.
109
Menschen mit kognitiven Behinderungen, die an Forschung und Entwicklung (in den Bereichen
Engineering, Interface-Design-Prozesse) teilnehmen, haben in der Regel bereits Zugang zu den
digitalen Medien und verfügen über eine gewisse Medienkompetenz.
Medienkompetenz ist hierbei nicht nur funktionalistisch zu verstehen, sondern begründet sich
durch die jeweiligen Lebenssituationen und Herausforderungen der Person (vgl. BANK, VON DER, S.
2014: 324). VON DER BANK beschreibt den Erwerb von Medienkompetenz wie folgt: „Der Erwerb
von Medienkompetenz hat viel mit der Entwicklung und Stärkung einer reifen Persönlichkeit zu
tun. Es geht um Sehen- und Wahrnehmen können, um Bewerten und Selektieren, Kenntnisse
entwickeln und Urteile treffen und letztlich darum, verantwortlich handeln zu können. “ (ebd.:
330).
In der deutschsprachigen pädagogischen Diskussion und Auseinandersetzung hinsichtlich der
zentralen Begriffe wie Medien, Medienkompetenz und Medienbildung besteht bislang kein
Konsens (vgl. GRAFE, S. 2011: 72). An dieser Stelle stehen unterschiedliche theoretische Modelle
nebeneinander.
Dieter Baacke
Die meisten der konzipierten Modelle von Medienkompetenz lassen sich auf das Bielefelder
Modell von BAACKE (1996) mit den vier Dimensionen der Medienkompetenz – Medienkritik,
Medienkunde, Mediennutzung, Mediengestaltung – zurückführen (vgl. BAACKE, D. 1996: 120).
BAACKE prägte einen pädagogischen Medienkompetenzbegriff im Zusammenhang mit Medienerziehung und Medienbildung, der kreative, kritische, soziale und strukturelle Aspekte beinhaltet
und heute noch Gültigkeit besitzt. Medienkompetenz ist nach ihm nicht nur die funktionale
Nutzung eines Mediums. Unter den Begriff fasst BAACKE Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die
Kommunikation mit den Medien betreffen (vgl. RATH, M. 2013: 446).
"Medienkompetenz meint grundlegend nichts anderes als die Fähigkeit, in die Welt aktiv
aneignender Weise auch alle Arten von Medien für das Kommunikations- und
Handlungsrepertoire von Menschen einzusetzen." (BAACKE, D. 1996: 119).
Für die Entwicklung seines Konzepts der Medienkompetenz als Zielrichtung der Medienpädagogik
(1972; 1997) und seine theoretische Fortschreibung (vgl. GROEBEN, N. 2002), war für BAACKE die
Theorie des kommunikativen Handelns von HABERMAS wegweisend. Er setzt bei Medienkompetenz
diese kommunikative Kompetenz voraus und übernimmt den Begriff in die Medienpädagogik (vgl.
MIKOS, L. 2008: 156).
110
Friedrich Krotz
KROTZ machte 2001 den Begriff der Mediatisierung zu einem theoretischen Konzept und erklärt
Mediatisierung mit der Veränderung des kommunikativen Handelns (vgl. KROTZ, F. 2001).
Bei der Wechselwirkung von Mediatisierung und individuellem Medienhandeln geht es bzgl. der
Mensch-Computer-Interaktion um einen Kompetenzbegriff, der über den individuellen Bezug
hinausreicht. Neben einer individuellen Ebene tritt die Ebene des sozialen, gesellschaftlichen
Systems. Dadurch verändert sich der Vermittlungsprozess von Medienkompetenz zu Prozessen
der Selbstorganisation, da andere Rahmenbedingungen und Stimuli im psychischen Sinn durch die
sozialen Systeme geschaffen werden (vgl. GAPSKI, H./GRÄßER L. 2007: 27).
Demnach ist „Medienkompetenz [...] die Fähigkeit zur Selbstorganisation eines Einzelnen
oder eines sozialen Systems im Hinblick auf die sinnvolle, effektive und reflektierte Nutzung
technischer Medien, um dadurch die Lebensqualität in der Informationsgesellschaft zu
steigern“ (ebd.: 27).
Michael Kerres
Seit den 1970er Jahren konzentriert sich die deutschsprachige Diskussion zunächst auf die
Medienkompetenz und erst seit etwa 2000 auf die Medienbildung. Sie hat dabei mit der
englischsprachigen Diskussion über Media Literacy oder Digital Literacy wenig gemeinsam (vgl.
KERRES, M. 2017: 86). Nach KERRES ist Medienbildung integral zu konzipieren und bezieht sich auf
die Fähigkeit, digitale Technik zu bedienen, ihre Funktionen zu nutzen und ihre Implikationen zu
reflektieren.
Festzuhalten ist, dass heute in der Regel davon ausgegangen wird, dass Medienkompetenz in der
Schule oder Erwachsenenbildung vermittelt wird. Voraussetzung hierzu ist, dass den Betroffenen
ein Kompetenzerwerb sowohl von kognitiven als auch technischen Voraussetzungen möglich ist.
Es soll möglich sein den Umgang mit der Technik zu erlernen und/oder eigene Medieninhalte zu
produzieren. Dabei kann die angewendete Technik entweder die Auseinandersetzung mit der
Mediennutzung selbst bewirken oder sie kann als Lernwerkzeug eingesetzt werden. Dieses Lernen
wird, wenn entsprechende Voraussetzungen gegeben sind, mal mehr mal weniger, im häuslichen
Umfeld ergänzt.
Matthias Rath
RATH sieht für die Vermittlung von Medienkompetenz die Verantwortung bei den Schulen: Das
Lernziel ist Medienkompetenz. Es ist für ihn naheliegend, Medienkompetenz an die Medienpädagogik zu binden.
111
Grundhaltung für ein konstruktives medienpädagogisches Verständnis bestehe darin, weder der
Bewahrpädagogik einer allgemeinen Medienfeindlichkeit aufzusitzen noch allzu optimistisch
mögliche Fehlentwicklungen in der Mediennutzung zu unterschätzen (vgl. RATH, M. 2014: 103).
Er argumentiert, dass der Kompetenzbegriff, wie er bisher verwendet wurde, indirekte, normative
Vorstellungen von der angestrebten Handlungsfähigkeit der medial agierenden Personen enthält
(vgl. RATH, M. 2013: 452).
„Kompetenzen sind […] Kenntnisse im Sinne von abrufbaren und überprüfbaren
Wissensbeständen, Fertigkeiten oder Fähigkeiten und schließlich Haltungen oder, wie Kant
dies nannte, Maximen“ (RATH, M. 2013: 452).
Sie umfassen die Aspekte des Kennens, des Könnens und des Wollens, wobei das Kennen und
Können operationalisierbar sei, was für das Wollen nicht zutrifft. Rath stellt dabei nicht infrage,
dass der Aspekt des Wollens handlungs-theoretisch unabdingbar ist (vgl. RATH, M. 2014: 106). Für
ihn ist das aktuelle Kompetenzmodell nach BAACKE „Medien-Kritik, Medien-Kunde, MedienNutzung, Medien-Gestaltung“ (BAAKE, D. 1996, S. 120) maßgeblich.
Klaus Miesenberger
KLAUS MIESENBERGER verortet Medienkompetenz bei der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit, die Stelle
oder Handlung unter den verschiedensten Voraussetzungen und Umständen, mit der ein Mensch
mit einem System in Kontakt tritt. Sie sind das Qualitätskriterium von digitalen Systemen in
technischer, sozialer aber auch ökonomischer Hinsicht (MIESENBERGER, K. 2004).
„Die Berücksichtigung des „extra ordinary user“ führt zu allgemein, für alle, besser nutzbaren
Systemen. Was so einfach ist, dass es ein Mensch mit kognitiven Problemen versteht, so gut
strukturiert ist, dass man blind darin navigieren kann, so gut bedienbar ist, dass man mit
einem Mundstab gut zurechtkommt, so gut multimedial unterstützt ist, dass man den Text
nicht lesen oder hören muss, ..., das wird allgemein leicht und effizient zu nutzen sein und
besser seine Ziele erreichen.“ (ebd.).
MIESENBERGER erklärt, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien jetzt bereits nur
eine begrenzte Anzahl von Elementen auf der Software-Bedienoberfläche verwenden, die unter
dem Kürzel »WIMP« (Windows, Icon, Menu and Pointer) zusammengefasst werden.43
43
Der Begriff WIMP geht auf Merzouga Wilberts (1983) zurück.
Window (Fenster): Abgegrenzter Bereich auf dem Bildschirm, in etwa vergleichbar mit einem Blatt
Papier auf dem Tisch. Programme nutzen es z. B. um ihre Ausgaben als Text oder Graphik darzustellen.
Icon (Zeichen): Zeichen sollen auf eine Funktion hinweisen, z. B. eine Schere um etwas auszuschneiden
oder ein Mülleimer um etwas zu löschen. Sie sind zumeist schneller erkennbar als ein Text
Menu (Menü): Liste von Anwendungen, meist in Textform, zwischen denen der Nutzer wählen kann.
112
Mit wenigen Elementen und Aktionen mit Maus und Tastatur44 (Zeigen und Klicken, Markieren,
Kopieren, Ziehen, Verschieben) kann damit die Vielfalt an Geräten und Systemen bedient werden
(vgl. MIESENBERGER, K. 2012: 28).
Er argumentiert: „Einmal erlernt, kann diese neue „Kulturtechnik“ überall und sehr flexibel
eingesetzt werden. Nur so können wir den immer schneller werdenden Erneuerungszyklen folgen,
weil der Aufwand des Um- und Neulernens begrenzt bleibt. Geräte und Systeme mögen immer
zahlreicher werden und sich immer schneller ändern, ebenso das „Look & Feel“ der Systeme und
Geräte, die grundlegenden Elemente und Aktionen der Interaktion bleiben aber konstant“
(ebd.: 25).
5.3.2
Die Nutzung digitaler Systeme und Dienste durch Menschen mit kognitiven
Behinderungen
Motivation und Absicht
Um digitale Systeme, Dienste und Medien zu nutzen, sind Absicht und Wollen zunächst
handlungstheoretisch notwendig (vgl. RATH, M. 2014:107).
Wenn RATH davon ausgeht, das Handeln nichts ist, was ohne den Willen des kompetent
Handelnden einfach zufällig passiert, sondern an normativen Grundüberzeugungen, Haltungen
und Einstellungen orientiert ist (vgl. ebd.: 106 ff.), dann stellen sich folgende Fragen:
§
Ist beispielsweise die Absicht eines Menschen mit kognitiven Behinderungen den
Computer nutzen zu wollen von Bedeutung und als Kompetenz zu verstehen?
§
Mit diesem Hintergrund ist ebenso zu fragen, was motiviert Menschen mit kognitiver
Behinderung, eine Handlung vorzunehmen (oder zu wollen) oder sie zu unterlassen?
Nach RATH umfassen Kompetenzen die Aspekte Kennen, Können und Wollen. Diese Kompetenz
wird als Befähigung auf dem Wege der Sozialisation erworben und aus dem realen Handeln
erschlossen. Zum Handeln selbst bedarf es das Wollen des Kompetenten (vgl. Rath, M. 2014: 107)
HAHN ergänzt, dass das Gewähren von Freiheitsräumen und Zutrauen eine wichtige Motivation
insbesondere für die Zielgruppe darstellt. Dieses ist quasi der Motor der Entwicklung bzw. zur
Erlangung von Kompetenzen (vgl. Hahn, M: 1981: 241f).
Pointer (Zeiger): Symbol, das die Maus auf dem Bildschirm repräsentiert und sich bewegt, wenn sich
auch die Maus bewegt.
44
Die Konzepte hierzu wurden vom Xerox PARC Institut entwickelt (e.g. Douglas Engelbart Father of the
Mouse: A research centre for augmenting human inellect, 1968, Stanford Research Institute, Menlo
Park, California, USA).
113
Kennen, Können und Wollen
Trotz der häufig fehlenden oder unzureichenden Medienbildung ist die digitale Teilhabe von
Menschen mit kognitiven Behinderungen in den vergangenen Jahren fortgeschritten. Jahrelange
Erfahrungen haben gezeigt, dass unabhängig von mehr oder weniger guten Lese- und
Schreibkompetenzen, Menschen mit kognitiven Behinderungen digitale Medien wie viele andere
Menschen nutzen. Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen die Möglichkeit und den
Zugang zu den Geräten und Diensten haben, versuchen sie mit oder ohne Anleitung und
Unterstützung einen Mehrwert für sich daraus zu ziehen (vgl. Edler C. 2014:127 ff.).
Dass die Nutzung digitaler Technologien zunächst nur ein minimales Können voraussetzt um nicht
nur Erfolg zu haben, sondern auch eine Steigerung der Lebensqualität zu erfahren, hat CLEMENTS
bereits 1999 zusammengefasst:
„During the current decade, research has moved beyond simple questions about technology
and young children. For example, no longer need we ask whether the use of technology is
developmentally appropriate. Very young children have shown comfort and confidence in
using computers. They can turn them on, follow pictorial directions, and use situational and
visual cues to understand and reason about their activity (Clements and Natasi 1993). Typing
on the keyboard does not seem to cause them any trouble; in fact, it seems to be a source of
pride. Thanks to recent technological developments, even children with physical and
emotional disabilities can use the computer with ease. Besides enhancing their mobility and
sense of control, computers can help improve self-esteem. One totally mute four-year-old,
diagnosed with mental retardation and autism, began to echo words for the first time while
working at a computer (Schery and O'Connor 1992). However, access is not always equitable;
children attending schools with high poor and minority populations, for example, have less
access to most types of technology (Coley R./ Cradler, J./ Engel, P. 1997).” (CLEMENTS, D. H.
1999: 119). 45
45
"In diesem Jahrzehnt ist die Forschung über einfache Fragen der Technik und der Kleinkinder
hinausgegangen. Zum Beispiel brauchen wir nicht mehr zu fragen, ob der Einsatz von Technologie
entwicklungsgerecht ist. Sehr kleine Kinder haben sich im Umgang mit Computern wohlgefühlt. Sie können
diese einschalten, bildlichen Anweisungen folgen und mit situativen und visuellen Hinweisen ihre Tätigkeit
verstehen und begründen (CLEMENTS und NATASI 1993). Das Tippen auf der Tastatur scheint ihnen keine
Probleme zu bereiten, es scheint sogar eine Quelle des Stolzes zu sein. Dank der jüngsten technologischen
Entwicklungen können auch Kinder mit körperlichen und seelischen Behinderungen den Computer
problemlos nutzen. Neben der Verbesserung ihrer Beweglichkeit und ihres Kontrollbewusstseins können
Computer dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu verbessern. Ein völlig stummer Vierjähriger, der mit
mentaler Retardierung und Autismus diagnostiziert wurde, begann zum ersten Mal Wörter zu
wiederholen, während er am Computer arbeitete (SCHERY und O'CONNOR 1992). Allerdings ist der Zugang
nicht immer gerecht; Kinder, die Schulen mit großer Armutsgefährdung und Minderheiten besuchen,
haben beispielsweise weniger Zugang zu den meisten Technologien (COLEY R./ CRADLER, J./ Engel, P. 1997).”
(CLEMENTS, D. H. 1999: 119).
114
Ein weiteres Beispiel: Das Projekt »Tablets on the Coffee Table« zeigte, dass das Interesse sich mit
dem iPad zu beschäftigen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Lernschwierigkeiten sehr
groß ist. Die Bewohner aus drei inklusiven Wohngemeinschaften haben ohne Ausnahme jede
Gelegenheit wahrgenommen, sogar ohne Unterstützung ihrer Assistenten und Betreuer, das
ihnen zur Verfügung gestellte »WG-iPad« zu benutzen und zu bedienen. Welche Eigendynamik
und Empowerment sich daraus entwickelte und welche Bedeutung dies bis heute für die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat, konnte in vielen Situationen beobachtet werden. Die
Mehrzahl von ihnen benutzen inzwischen ganz selbstverständlich eigene Tablets oder
Smartphones und die unterschiedlichsten Apps zur Kommunikation, die Kalenderfunktionen oder
einfach nur, um Musik zu hören gehören ganz selbstverständlich zu ihrem Alltag, genauso wie das
sogenannte Daddeln (vgl. EDLER, C. 2015). Dies führte zu dem Schluss:
„Die Grundannahme, dass für Menschen mit kognitiven Behinderungen die Technik und der
Umgang mit dem iPad generell zu kompliziert zu begreifen bzw. zu verstehen – wie es
funktioniert/was da passiert – zu schwierig und nicht gefahrenfrei sei, ist falsch, wie hier
nachgewiesen werden kann, und das altersentsprechende Interesse an den digitalen
Entwicklungen zu partizipieren ist bei Menschen mit kognitiven Behinderungen genauso groß
wie bei Gleichaltrigen ohne Behinderung. Das bedeutet, dass das Ausblenden digitaler Medien
aus der Lebenswelt von Menschen mit kognitiven Behinderungen Folgen hat, die eine
abhängige, betreute und medien-unmündige Parallelgesellschaft begünstigen würde“ (ebd.:
142).
Wie bereits erwähnt, lernen viele Menschen mit kognitiven Behinderungen digitale Medien für
sich zu nutzen, wenn sie dies selbst wollen und dürfen. Das heißt im Umkehrschluss, wenn sie
keine Möglichkeit erhalten, sich mit digitalen Medien auseinanderzusetzen (zum Beispiel mit
Computer, Internet und den sozialen Medien), wenn ihnen Erfahrungen mit diesen Medien
verwehrt werden, bleibt ihnen die digitale Welt weitestgehend verschlossen.
„Wer nicht online ist und nicht die Zugänge und Möglichkeiten zur Teilhabe an der digitalen Welt
hat, ist der Gefahr des Ausschlusses und der Benachteiligung ausgesetzt“ (Paus-Hasebrink, I./
Hasebrink, U. 2017: 7). Aus diesem Grund ist es sinnvoll und notwendig sie angemessen,
zielgruppenspezifisch zu begleiten und zu unterstützen.
Zusammenfassend lässt sich zunächst Folgendes feststellen:
Medienkompetenz beginnt
§
mit An- und Ausschalten eines Dienstes oder Gerätes,
§
beim Konsumieren von Inhalten oder Programmen im
Radio/Fernsehen/Kassettenrecorder oder mit CDs,
§
beim Entscheiden können zwischen den Geräten und/oder Programmen,
§
...
115
Medienkompetenz erweitert sich
§
mit dem aktiv werden und etwas tun, wie beispielsweise mit den Geräten zu spielen, zu
rechnen oder zu schreiben,
§
etwas darzustellen als Foto, im Film, als Text oder Audio,
§
sich selbst darzustellen mit Foto, im Film, als Text oder Audio,
§
...
Es erfordert mehr Kennen und Können um
§
sich zu informieren und Wissen aus dem Internet zu beziehen,
§
selbständig mit anderen zu interagieren, E-Mails, WhatsApp zu schreiben, zu skypen o.ä.
§
selbst zu reagieren, jemanden anzuschreiben und seine Meinung zu äußern,
§
Gestaltungs- und Bedienungsmöglichkeiten einzelner Dienste und Programme selbst zu
erlernen,
§
Veränderungen bei den Diensten und Programme selbst zu bewältigen,
§
sich über die Möglichkeiten und Veränderungen der verschiedenen Medien zu
informieren oder informiert zu sein,
§
...
AUCH BAACKE betont, dass sich Medienkompetenz nicht (nur) in organisierten Erziehungsakten
lernen lässt, sondern sie muss in aktiven Projekten selber erfahren werden (vgl. BAACKE, D. 1996:
121 und 1999: 34). Das konkrete und beobachtbare Medienhandeln, der selbstverständliche
alltägliche Umgang mit den digitalen Medien im Privaten, in der Schule und bei der Arbeit belegen,
dass auch Menschen mit kognitiven Behinderungen Ressourcen haben und in der Lage sind, nicht
nur technischen Fertigkeiten im Umgang mit Geräten und Software zu bedienen, sondern Inhalte
digitaler Medien auch durch mehr oder weniger selbsterworbene Medienkompetenz
aufzunehmen und Informations- und Kommunikationstechniken selbst gestaltend und rezeptiv
einsetzen können (vgl. WAGNER, W./PESCHKE, R. 2006: 10). Dass dennoch der Erwerb von
Medienkompetenz viel mit der Entwicklung und Stärkung einer reifen Persönlichkeit zu tun hat
und es darum geht, sehen und wahrnehmen zu können, um zu bewerten und selektieren,
Kenntnisse zu entwickeln und Urteile zu treffen und letztlich darum, verantwortlich handeln zu
können beschreibt von der BANK (BANK, VON DER, S. 2014: 330).
BANK geht sogar davon aus, dass der Erwerb von Medienkompetenz den Zuwachs
medienethischer Kompetenzen einschließe. Es gehe darum, Menschen zu unterstützen, sich zu
verantwortlich handelnden, mündigen Bürgern zu entwickeln (vgl. ebd.). Hier greift das
Empowermentkonzept, das im Kapitel 7 beschrieben wird.
116
Eine angemessene Kompetenzorientierung bedeutet einen Perspektivwechsel vorzunehmen und
nicht von vorneherein Ausschlusskriterien festzulegen. Der Fokus liegt hierbei verstärkt auf den
Aktivitäten der Teilnehmer. Diese Art der Kompetenzorientierung ist auf Langfristigkeit, auf
Zuwachs von Kenntnissen und speziellen Fertigkeiten angelegt. Sowohl die Anwendung von
neuem Wissen als auch das Ergebnis und die Erfahrung von Autonomie sind maßgeblich (vgl.
EDLER, C. 2014: 136 ff.).
5.4 Forschung und Entwicklung mit den Nutzern, Menschen mit
kognitiven Behinderungen, im Fokus
Wie schon erwähnt ist die Grundlage für effektives Design die Nutzerforschung. Obwohl die
Nutzerforschung heute allgemein anerkannt ist, wird sie bei der Forschung und Entwicklung für
Menschen mit kognitiven Behinderungen nur sehr selten konsequent angewendet.
Darüber hinaus konzentrierte sich die Forschung und Entwicklung bislang insbesondere auf
jüngere Menschen, vor allem auf solche mit körperlichen oder sensorischen Behinderungen, und
zwar in erster Linie auf die Entwicklung von Assistenzsystemen und auf die Barrierefreiheit der
digitalen Technik und Informations- und Kommunikationstechnologie.
Die Entwicklungen und Anpassungen der Technik orientierten sich dabei zunächst an individuellen
Speziallösungen und an den Bedürfnissen des Einzelnen und nicht am Mainstream. Erst später
stand bei der Entwicklung, Planung und Gestaltung von Produkten, Dienstleistungen und
Infrastrukturen das Design for All oder Inklusives Design im Vordergrund mit dem Ziel deren
Nutzung allen Menschen ohne individuelle Anpassung oder besondere Assistenz zu ermöglichen
(vgl. BERNASCONI, T. 2013).
Empirische Forschung für oder mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ist in diesem Bereich
weniger verbreitet als bei Gruppen mit anderen Behinderungen (vgl.: ISTENIC STARCIC, A./BAGON, S.
2014; BOHMANN, R. P. 2007). Die Forschungsdichte z. B. bei den Beiträgen zur ICCHP, International
Conference – Computer Helping People with Spezial Needs, zeigt dies sehr deutlich:
§
Bei der ICCHP 2014 in Paris hatten von mehr als 180 Forschungsbeiträgen nur 6 die
Zielgruppe im Fokus, 3 davon waren der empirischen Forschung zuzuordnen (vgl.
MIESENBERGER, K. et al.2014).
§
Bei der ICCHP 2016 in Linz befassten sich von den insgesamt 184 Konferenzbeiträgen 15
Papiere mit der Zielgruppe, davon hatten die Hälfte einen empirischen Anspruch (vgl.
MIESENBERGER, K. et al. 2016).
§
Zwei Jahre später, 2018 bei der ICCHP in Linz waren es von insgesamt 184
Konferenzbeiträgen lediglich 11 Beiträge, davon waren 9 der empirischen Forschung
zuzuordnen (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2018).
117
Als ein Grund für den geringen Anteil empirischer Untersuchungen, bzgl. Anzahl der betroffenen
Menschen mit kognitiven Behinderungen im Vergleich zu anderen Gruppierungen mit
Behinderungen, wird der erheblichen zeitlichen und finanziellen Mehraufwand genannt. Dieser
Aufwand wird bei empirischen inklusiven und/oder partizipativen Untersuchungen gemeinsam
mit der Zielgruppe, noch größer werden und dazu fehlen oft die finanziellen Mittel (vgl. JANZ, F.
/TERFLOTH, K. 2009: 10). Ein weiterer Grund sind die bestehenden Vorurteile seitens der
Akademikerinnen und Akademiker gegenüber dem angeblichen Unvermögen bzw. fehlenden
Kompetenzen der Zielgruppe.
SCHLUCHTER stellt 2010 außerdem fest, dass insbesondere bei der Forschung und Technologieentwicklung für Menschen mit kognitiven Behinderungen häufig, mit Stellvertreteraussagen von
Angehörigen, Institutionen, Betreuern etc. und deren Erfahrungswerten gearbeitet wird, statt die
zukünftigen User selbst zu befragen (vgl. SCHLUCHTER, J. 2010: 172).
5.4.1
Verschiedene Formen der Einbeziehung der Zielgruppe in Forschung und
Entwicklung
Es gibt verschieden Formen der kooperativen bzw. kollaborativen Zusammenarbeit in der
Forschung und Entwicklung. Die Begriffe Kooperation und Kollaboration werden häufig synonym
verwendet. Zielgruppe und Wissenschaftler lernen voneinander und sammeln Informationen, die
zu einem individuellen Forschungsergebnis führen sollen
Bei der kooperativen Forschung wird nicht immer in einer Forschungsgruppe zusammengearbeitet, aber man tauscht Wissen und Erfahrungen miteinander aus und sammelt
entsprechende Daten zum Forschungsthema. Kollaborative Forschung bedeutet, es werden
verschiedene Fähigkeiten und Kenntnisse in der Gruppe in einem neuen, gemeinsamen
Forschungssetting zusammengeführt.
Kooperation mit Expertinnen und Experten aus der jeweiligen Zielgruppe
Eine Möglichkeit der Zusammenarbeit besteht darin, Menschen mit kognitiven Behinderungen
partizipativ, das heißt punktuell in die (Content-) Entwicklung mit einzubeziehen. Wie bei den
Prüfgruppen von »Easy-to-Read«46 werden die Expertinnen und Experten aus der jeweiligen
Zielgruppe hinzugezogen. Man setzt auf die Expertise der Menschen mit kognitiven
Behinderungen: Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, können am besten selbst
beurteilen, ob etwas leicht oder schwer zu lesen und zu verstehen ist.
»Easy-to-read« (Leicht zu lesen) sind Informationen, die Menschen mit geistigen Behinderungen
verstehen können. (eine Initiative von Inclusion Europe).
46
118
Bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten könnten Expertinnen und Experten aus der jeweiligen
Zielgruppe beispielsweise als Beraterin oder Berater, Testerin oder Tester hinzugezogen werden.
Kollaboration mit der Zielgruppe
Die hier in der Arbeit favorisierte Form ist die inklusive-partizipative Einbeziehung von Personen
aus der Zielgruppe in die Forschung und Entwicklung. Der Unterschied zur Kooperation ist, dass
Menschen mit kognitiven Behinderungen vom Anfang bis zum Schluss in den Forschungs- und
Entwicklungsprozess als gleichberechtigte Teammitglieder involviert werden. Ein solches
Forschungsteam
besteht
aus
Personen
mit
wissenschaftlich-technischem
Know-how
(Entwicklerinnen/Entwickler) und Personen mit eigener Expertise (Peer-Forscherinnen und PeerForschern). Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern erhalten hierbei in allen Phasen des
Prozesses eine aktive Rolle und können so "ihre" Ideen und Lösungen im weiteren Verlauf des
Prozesses vorantreiben.
Entwicklung mit Personas mit kognitiven Behinderungen
Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Personas. Personas sind eine besondere Art der
Zielgruppenbeschreibung. Eine Persona soll eine echte Nutzerin oder Nutzer repräsentieren. Sie
hat beispielsweise einen Namen, ein Geschlecht, einen Beziehungsstatus, wohnt in der Stadt oder
auf dem Land. Ist ledig oder verheiratet, hat bestimmte Vorlieben usw. Als typische Nutzer
repräsentieren Personas die Ziele und Bedürfnisse einer Zielgruppe oder Zielpersonen. Dies macht
es möglich, von Beginn an fundierte Entscheidungen bei der Entwicklung nutzerfreundlicher
Produkte zu treffen. Personas sollen empirische Daten widerspiegeln. Diese Daten dienen als
Informationsquelle für die Bereiche der Entwicklung. Die Entwicklung geschieht damit aber auf
einer rein spekulativen Ebene, wenn nicht zuvor mit den realen Zielpersonen die Erstellung der
Personas und eine Requirement-Analyse stattgefunden hat. Die Beschreibung von Personas mit
der Zielgruppe gemeinsam bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand.
Chapman, Christopher N./Milham, Russel. P. 2006 argumentieren gegen Personas, da es in ihren
Augen methodische und praktische Schwierigkeiten gibt. Es sei problematisch zu bestimmen, wie
viele, Benutzer durch eine Persona repräsentiert werden, und es sei schwierig zu wissen, ob eine
Persona für eine Person relevant ist. Personas können nicht ausreichend verifiziert oder verfälscht
sein und haben daher keine nachweisbare Gültigkeit. Diese Probleme deuten darauf hin, dass
Personas wahrscheinlich keinen bestimmbaren Bezug zu realen Daten haben und es sei daher
unmöglich, ihre Gültigkeit festzustellen (vgl. CHAPMAN, C. N./MILHAM, R. P. 2006).
119
5.5 Inklusive Forschung in der Entwicklung
Als Anforderungen der Forschung und Entwicklung sind zunächst Parameter für einen inklusivenpartizipativen Ansatz zu definieren (wie Privatsphäre, Sicherheit und ethische Fragen mit dem
Fokus »mit ihnen und nicht nur über sie«) und ein angemessenes Konzept für die Teilnahme von
Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu ermitteln. Die UN-BRK fordert diese
Veränderung der Forschungspraxis im Hinblick auf Inklusion und Teilhabe (siehe Kapitel 3 Eine
normative Handlungsperspektive).
Dies erfordert die Entwicklung neuer inklusiver-partizipativer Strategien zu gemeinsamen
Problemlösungen im Bereich Forschung und Entwicklung und Software Engineering. Dann ist es
denkbar, dass eine inklusive Organisationsform und die Bildung von multidisziplinären
Projektteams mit Experten unterschiedlicher Qualifikation, die für einen begrenzten Zeitraum an
einem Projekt arbeiten, dazu beitragen, neue Wege und Lösungen zu finden.
Die Herausforderung besteht aktuell darin, Forschungsmethoden und Werkzeuge für den
inklusiven Forschungsansatz offener zu gestalten oder entsprechend anzupassen, damit die
Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen auf hohem Niveau in allen Phasen
gewährleistet werden kann (vgl. OLLERTON, J. 2012). (Neue oder adaptierte Methoden für inklusivepartizipative Gestaltung und Entwicklung werden im Teil B ausführlich beschrieben.)
Dazu gehört auf der einen Seite die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Fachgebieten,
wie Ingenieurswissenschaften, Informationsdesign, Bildungsmedien, aber auch mit Praktikern
und eben auf der anderen Seite die Zusammenarbeit mit den potenziellen Nutzern, Menschen mit
kognitiven Behinderungen. Die Inklusion in der Forschung bezieht sich hier ausdrücklich auf das
Konzept der Vielfalt (Diversity). Trotzdem müssen die Strategien für inklusive Entwicklung und
Forschung müssen der gebotenen Angemessenheit entsprechen.
Vor Beginn eines solchen inklusiven Forschungsvorhabens ist zu klären:
120
§
Ist das Thema des Projektes für die Zielgruppe relevant?
§
Bezieht die Forschung Menschen mit kognitiven Behinderungen oder
Lernschwierigkeiten sinnvoll und aktiv mit ein?
§
Werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ihre Vorstellungen/Ideen mit Respekt
behandelt?
§
Wird ein Thema so kommuniziert, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen oder
Lernschwierigkeiten es verstehen und darauf reagieren können?
§
Gibt es Ehrlichkeit und Transparenz über die Rolle und den Beitrag jedes Einzelnen (vgl.
WALMSLEY, J./JOHNSON K. 2003: 126-138)?
Weitere Rahmenbedingungen
Die Mitwirkung selbst setzt voraus, dass alle Beteiligten ein Interesse am gleichen Ziel haben. Die
Qualität der Teamarbeit oder Partnerschaft ist wichtig, d. h. Vertrauen und Offenheit gegenüber
den Personen und den Arbeitsweisen und Methoden, die zu jedem passen. Der Austausch von
Informationen bekommt eine wichtige Rolle, um miteinander in Verbindung zu treten, kollektive
Bedürfnisse und Anforderungen im Prozess auszumachen und zu analysieren und mögliche
Störungen frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört auch die Reflexion innerhalb des gesamten
Forschungsprozesses.
Die zukünftigen Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher erhalten die Möglichkeiten, sich für diesen
inklusiven-partizipativen Ansatz mit ihren Fähigkeiten zu profilieren bzw. zu qualifizieren. Sie
sollen dabei im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten ein gewisses Verstehen und Können
mitbringen, was durch eine freiwillige Teilnahme bereits gewährleistet ist. Gegebenenfalls
benötigen sie bei ihrer Forschungsarbeit Assistenz oder andere Unterstützung.
121
122
6 STATE OF THE ART – EIN ÜBERBLICK ZUR
INKLUSIVEN-PARTIZIPATIVEN FORSCHUNG
"Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders
wird; aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es
gut werden soll."
Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)
ÜBERBLICK
Inklusive Forschung wird einerseits als ein Kernprinzip für die Forschung nach der UN-BRK
betrachtet, statt über Menschen mit Behinderungen mit ihnen zu forschen, andererseits als ein
anerkannter Ansatz zur Durchführung von Forschungen zu den Themenbereichen „Personen mit
Behinderungen“ (vgl. Cumming et al. 2014). Was bislang fehlt, ist die Transparenz über die Ansätze
der inklusiven und/oder partizipativen Forschung.
Mit dem nachfolgenden Review werden die Vorteile und Herausforderungen der
unterschiedlichen inklusiven oder partizipativen Forschungsansätze dargestellt. Es wird dabei
betrachtet, wie bisher in kollaborativen, inklusiven Forschungsgemeinschaften zusammengearbeitet wird und welche Instrumente und Plattformen genutzt oder entwickelt werden. Das
vorrangige Ziel ist es, ein besseres Verständnis über die Vielfalt der Ansätze zu erlangen. Der
Vergleich soll zu einer konzeptionellen Klarheit und zur Identifizierung der erforderlichen
Voraussetzungen für eine solide inklusive Forschung beitragen.
Bei den hier vorgestellten Artikeln geht es immer um die Frage: Wie können Menschen mit
Lernschwierigkeiten in einem Forschungsprozess mitwirken? Wie können sie selbst und andere
davon profitieren?
123
6.1 Ansätze der inklusiven und partizipativen Forschung
Erste Ansätze inklusiver und/oder partizipativer Forschung gibt es bereits seit Ende der 1960er
Jahre. In Großbritannien, den USA und Australien gab es in der Folge eine Reihe von Beiträgen zu
diesem Ansatz, zum Beispiel von TUFFREY-WIJNE/DAVIES 2006, FENDER/MARSDEN/STARR 2005,
POTTS/FIDO 2004; JOHNSON/ TRAUSTADOTTIR 2000, ATKINSON/MCCARTHY/WALMSLEY et al. 2000 (vgl.
KOENIG, O./ BUCHNER, T. 2009: 2). Hingegen fand die gemeinsame Forschung in den
deutschsprachigen Ländern bisher kaum Beachtung.
WALMSLEY und JOHNSON definierten inklusive Forschung erstmals in ihrer 2003 veröffentlichten
methodischen Monographie „Inclusive Research with People with Learning Disabilities“:
§
Die Forschungsfragen, Themen oder Problemstellungen müssen für Menschen mit
Behinderungen von Bedeutung sein (aber nicht unbedingt initiiert).
§
Inklusive Forschung sollte weiter die Interessen von Menschen mit Behinderungen
vertreten; die nicht behinderten Forscherinnen/Forscher sollten auf der Seite von
Menschen mit Lernschwierigkeiten stehen.
§
Inklusive Forschung sollte kollaborativ sein: Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in
den Prozess der Durchführung der Forschung einbezogen werden.
§
Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in der Lage sein, eine gewisse Kontrolle über
den Prozess und die Ergebnisse auszuüben.
§
Die Forschungsfrage, der Prozess und die Ergebnisse müssen für Menschen mit
Lernschwierigkeiten zugänglich sein (vgl. Walmsley/Johnson 2003, 64).
Diese Definition wurde bis heute nicht verworfen, sondern weiterentwickelt. In den vergangenen
Jahren wurden dazu wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die vom Inhalt her beschreiben, wie
Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv in den Forschungsprozess mit einbezogen wurden, oder
wie sie einzubeziehen sind. Dabei sind es weiterhin überwiegend Wissenschaftlerinnen/
Wissenschaftler aus Großbritannien und Australien, die die Sichtweisen von Menschen mit
Lernschwierigkeiten mit Participatory- und Inclusive Research intensiv verfolgen, erforschen und
dokumentieren.
6.2 Vorgehensweise
Im folgenden Kapitel geht es um einige der relevanten Publikationen zum Thema »Inklusive
Partizipative Forschung« der Jahre 2011-2017. Es werden unterschiedlichen Entwicklungen und
Ausprägungsformen von partizipativen und inklusiven Forschungsansätzen vorgestellt und aus
verschiedenen
Perspektiven
betrachtet.
Wirkungen,
Zusammenhänge,
Diskrepanzen sowie Unstimmigkeiten und Probleme werden fokussiert.
124
Widersprüche,
Das Ergebnis wird anschließend in einer Tabelle zusammengefasst, um mögliche Ansätze für die
inklusive Forschung im Bereich Forschung und Entwicklung und User-Centred Design
herauszuarbeiten.
Diese vorgestellten Publikationen beziehen sich gleichermaßen auf die inklusive wie partizipative
Teilnahme von Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung. Im Mittelpunkt steht
die Frage: Wie finden sich Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung und in der
Rolle des Forschenden wieder (vgl. BETTMER, F. 2008: 213-221)? Es geht hierbei um die
Einbeziehung, Mitarbeit, Teilhabe, Beteiligung als Mit- oder Co-Forscherinnen und Forscher47.
Das Interesse richtet sich auf folgende Punkte:
§
Thema und Anlass der Publikation;
o
§
§
Zur Forschung/Untersuchung
o
Wie wird inklusive bzw. partizipative Forschung begründet?
o
Welches Modell von Behinderung wird zugrunde gelegt?
o
Welche Rolle übernehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit kognitiven
Behinderungen bei der inklusiven Forschung?
o
Welche Forschungsmethoden, Datenerhebung und Datenanalyse werden
genannt?
o
Werden Co-Forscherinnen und Co-Forscher bei Veröffentlichungen als CoAutoren genannt (Transparenz)?
o
Bei wem liegt die Leitung der Forschung bzw. Kontrolle der Forschung?
o
Gibt es Gütekriterien und ethische Fragen, wie Informierte Einwilligung oder
Bezahlung der Co-Forscherinnen und Co-Forscher?
o
Welche Gütekriterien zur inklusiven oder partizipativen Forschung werden
angelegt?
Resümee/Anschlussforschung /Nachhaltigkeit
o
47
Ziel/Erkenntnisinteresse und Fragestellung
Welche offenen Fragen werden für die Zukunft gestellt?
Anmerkung: In den Publikationen hier ist in der Regel von Co-Forschung und nicht von Peer-Forschung
die Rede.
125
6.3 Internationaler Überblick zur inklusiven und/oder partizipativen
Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
6.3.1
Von der Ausgrenzung zur Inklusion: Entwicklung, Stand und Perspektiven
gemeinsamen Forschens (BUCHNER, TOBIAS / KÖNIG, OLIVER 2011, Österreich)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
BUCHNER und KOENIG (2011) wollen mit ihrem Artikel einen Überblick in die internationale
Entwicklung und Etablierung einer gemeinsamen Forschungspraxis geben. Sie stellen fest, dass
sich die akademische Forschungslandschaft im Kontext von Behinderung in den letzten beiden
Jahrzehnten verändert, insbesondere in Großbritannien, den USA, den skandinavischen Ländern
und Australien. Hier gab es Veränderungen in Richtung partizipativer Forschungsansätze (vgl.
BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011: 1). Sie bemerken, dass sich die forschenden Wissenschaftler erstmals
bemühen, die Perspektive der betroffenen Menschen mit intellektueller Behinderung in den Blick
zu nehmen.
Zur Forschung/Untersuchung partizipativer Forschungsansätze
Innerhalb der Scientific Community bestand jedoch lange das Dogma, dass Menschen mit
intellektueller Behinderung keine verlässlichen Interviewpartner seien, da sie nicht dazu in der
Lage wären, im Rahmen von Befragungen valide Antworten zu geben. Beide gehen dabei von
einem sozialen Modell von Behinderung aus (vgl. ebd.: 3).
Im deutschsprachigen Raum waren es vor allem zwei Faktoren, die nach BUCHNER und KÖNIG
letztlich gemeinsames Forschen von Menschen mit intellektueller Behinderung ermöglichten.
Selbstvertreter traten ab 2000 auch zunehmend in Deutschland und Österreich auf und Menschen
mit kognitiven Behinderungen werden zunehmend als selbstbewusste, starke Persönlichkeiten
wahrgenommen (PEOPLE FIRST und WIBS48). Sie können "für sich selbst" sprechen und ihre
Forderungen sind ernst zu nehmen. So waren in den ersten Projekten mit partizipativer
Beteiligung im deutschsprachigen Raum Selbstvertreter maßgeblich beteiligt (vgl. ebd.: 6).
BUCHNER und KOENIG berichten u a. über eine Studie von KÖBLER »Ich sehe mich NICHT als
behindert!« (KÖBLER R. et al (2003). Diese Studie über die Lebensbedingungen von Menschen mit
besonderen Fähigkeiten wurde mit dem »Verein TAfiE« Innsbruck-Land49 durchgeführt. Die
Forscherinnen und Forscher mit intellektueller Behinderung bestimmten bei einer durchgeführten
Literaturrecherche selbst, welche Themen im Zuge des Projekts beforscht werden sollten.
48
49
Wibs, eine Beratungs-Stelle für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Tafie, Tiroler Arbeitskreises für Integrative Entwicklung
126
Sie erlernten die Technik der Interviewführung und sie werteten nach der Durchführung der
Interviews diese auch selbst aus. Bemerkenswert für BUCHNER und KOENIG ist, dass die Ergebnisse
dem inklusiven Ansatz konsequent folgend, in leichter verständlicher Sprache veröffentlicht
wurden.
Den Paradigmenwechsel zu Normalisierung und Inklusion sehen beide als wesentliche Triebfeder
in Richtung gemeinsames Forschen.
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
Bei der Debatte inklusiver Forschungsansätzen wird Personen mit intellektueller Behinderung
mittlerweile der Status als valide Informantin/Informant für Forschung zuerkannt. Die Anerkennung der Rolle als Co-Forscherin/Co-Forscher ist aufgrund von Vorurteilen bzgl. der kognitiven
Möglichkeiten mit dem Verweis auf die Gütekriterien qualitativer Forschung, weiterhin schwierig.
In diesem Diskurs werden eine Reihe von bisher ungelösten Fragen zum Beispiel nach der Qualität
von Forschung und Gütekriterien aufgeworfen. Die Vertreter der Scientific Community müssen
sich Fragen stellen wie: „Was ist Universität?“, oder „Inwiefern wird anhand von
Exklusionsmechansimen hier einer Personengruppe die Mitwirkung an Forschung vorenthalten,
die aufgrund ihrer Expertise einen wesentlichen Beitrag zur Qualität liefern könnte?“ (vgl.
BUCHNER, T. / KOENIG, O. 2011: 11).
6.3.2
Grenzgängerinnen im akademischen Raum (GOEKE, STEPHANIE. / KUBANSKI,
DAGMAR 2012, Deutschland)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
GOEKE und KUBANSKI (2012) setzen sich im Kontext der sozialwissenschaftlichen Behindertenforschung mit den Problemen der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in der Forschung
auseinander. Sie nehmen den Paradigmenwechsel zu Normalisierung und Integration zum Anlass
und versuchen die Grenzen der Nichtbeteiligung zu ermitteln und zu begründen.
Zur partizipativen Forschung
GOEKE und KUBANSKI stellen fest, dass bis zu diesem Zeitpunkt im deutschsprachigen Raum selten
Frauen und Männer mit Behinderungen am Forschungsprozess beteiligt werden, und dass es für
die unterschiedlichen inklusiven, partizipativen Ansätze keine eindeutige Begrifflichkeit gibt. Ein
Problem sei, dass häufig nicht genau beschrieben wird, wie, zu welchem Zeitpunkt und in welchem
Ausmaß Co-Forscherinnen und Co-Forscher partizipiert haben. Grenzen bestehen in ihren Augen
auch durch Pseudobeteiligung oder dadurch, dass ein Teil der sozialwissenschaftlichen Forschung
noch dem medizinischen Modell von Behinderung folgt (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012).
127
In Hochschulkontexten treffen Menschen mit kognitiven Behinderungen auf weitere Barrieren,
weil sie keinen entsprechenden Bildungsabschluss (Hochschulzugangsberechtigung) nachweisen
können (vgl. ebd.).
Wie HIRSCHBERG sehen sie das Problem der Klassifikationen und Konstruktionen im
Schwerbehindertenrecht (Sozialgesetzbuch IX). Hier werden Menschen mit Behinderungen häufig
durch Rehabilitationsmaßnahmen spezifischen Feldern zugewiesen, die zugleich ihren
Unterstützungsbedarf definieren (vgl. HIRSCHBERG, M. 2009: 63) und die Möglichkeiten von Bildung
(den Erwerb von Kapitalien, BORDIEU) ermöglichen oder einschränken (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D.
2012: 20).
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
GOEKE und KUBANSKI kommen zu der Ansicht, dass diese Zugangserschwernisse zum akademischen
Raum insbesondere für Menschen mit kognitiven Behinderungen nicht nur hierarchisch50 bzw.
systemisch51 zu sehen, sondern auch strukturell bedingt sind.
Sie gehen davon aus, dass es möglich sei, anders als bisher nicht mehr tradierte Rollen im
Forschungsprozess einzunehmen, und sich jede, jeder nach ihren/seinen eigenen Fähigkeiten in
den Forschungsprozess einbringen (vgl. vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012: 9).
Perspektiven für die Zukunft sehen GOEKE und KUBANSKI in einer methodischen Weiterentwicklung
der Partizipation und in einer gemeinsamen (verständlichen) Sprache.
6.3.3
IPAR an inclusive disability research Methodology with accessible analytical
tools, (OLLERTON, JANICE 2012, Australien)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
OLLERTON (2012) stellt in ihrer Veröffentlichung die UN-Behindertenrechtskonvention als
Paradigma in den Vordergrund.
Sie unterstützt das Recht aller Menschen, als Forscherin/Forscher in Fragen, die für ihr eigenes
Leben relevant sind, aktiv einbezogen zu werden.
50
Eine besondere Bedeutung kommt dem akademischen Raum, so Bourdieu (1988), als einer "Welt für
sich" zu. Sie ist bspw. gekennzeichnet durch besondere soziale Anerkennung und hohe symbolische
Wertschätzung.
51
Nach LUHMANNS systemtheoretischer Theorie gelten daher bei Inklusion bzw. Exklusion, Menschen als
Funktionssysteme in ihren Kommunikationszusammenhängen. In dem Moment, in dem Menschen als
Adressaten fungieren, sind sie Teilsysteme der Gesellschaft. Man spricht hier davon, dass sie inkludiert
sind (vgl. HAFEN, M.: 2011, S. 1).
128
Zur inklusiven Forschung
Inklusive Forschung erfordert inklusive Forschungsstrategien, die mithilfe barrierefreier
Instrumente angepasst, umgesetzt und analysiert werden, um die Beteiligung von Personen mit
Lernschwierigkeiten auf hohem Niveau zu erreichen (vgl. OLLERTON, J. 2011: 1).
Inclusive Participatory Action Research (IPAR), eine Verschmelzung der Ansätze von Inclusive
Research und Participatory Action Research, stellt traditionelle Forschungsbeziehungen, bei
denen die Forschung nicht von oder mit Personen durchgeführt wird, die mit Lernschwierigkeiten
behaftet sind, infrage.
OLLERTON diskutiert IPAR als eine inklusive kollaborative Forschungsmethodik, die die aktive
Mitwirkung von Menschen mit Behinderung in der Forschung von Anfang an unterstützt (vgl.
ebd.). Mit IPAR will sie gerechtere Machtverhältnisse schaffen, indem sie diejenigen, die
traditionell als Forschungsteilnehmer angesehen werden, als Co-Researcher einbezieht. An den
Anfang ihrer Arbeit stellt sie die Informierte Einwilligung und die freiwillige Teilnahme am Projekt
(vgl. ebd.: 7).
Forscher und Praktiker sollen ermutigt werden, IPAR als eine praktische alternative Methode in
der Behindertenforschung und als ein zugängliches Analyseinstrument zu anzuerkennen. Sie stellt
fest, dass textbasierte Methoden, Daten und abstrakten Konzepte Menschen mit kognitiven
Behinderungen oftmals ausschließen. Um den Forschungsprozess den Co-Researcher zugänglich
zu machen und Wissenswege zu vermitteln, verwendet sie daher kreative Methoden und
alternativen Werkzeuge. Beispielsweise kann ein visueller Evaluierungsprozess, der sich nicht auf
Lesefähigkeiten bezieht, ein Weg sein, Forschung für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu
ermöglichen und das Vorurteil über die fehlende Forschungskompetenz der Zielgruppe
abzubauen (vgl. ebd.: 7).
Zu OLLERTONS kreativen Methoden gehören:
§
Rollenspiele zur Vermittlung der Forschungsethik,
§
Fotografien, um bebilderte Texte (leichte Sprache) für die institutionelle ethnografische
Untersuchung zu entwickeln,
§
Metaphern als Beschreibung der selbsterstellten Fotografien,
§
Erzählende Dichtung zur Beschreibung eines Sachverhalts, eines Gedankens oder einer
Stimmung zur Analyse und Deutung der Daten,
§
Photo-Voice für die allg. Datenerfassung, Analyse und Verbreitung,
§
Farbcodierung mit „Patchwork“ als Mittel zur Bewertung der Inklusivität des IPARProzesses.
(Zwei dieser Methoden von OLLERTON werden in Teil B vorgestellt.)
129
6.3.4
Conceptualizing Inclusive Research with People with Intellectual Disability
(BIGBY, CHRISTINE/ FRAWLEY, PATSY/ RAMCHARAN, PAUL, 2013, Australien)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
BIGBY, FRAWLEY und RAMCHARAN 2013 haben eine umfassende Überprüfung der peer-reviewten
Literatur und Schlüsseltexte durchgeführt, um die inklusive Forschung klarer zu konzipieren und
die Fragen zu identifizieren, mit den Möglichkeiten, sie umzusetzen.
Zur inklusiven Forschung
BIGBY und Kollegen identifizieren drei Ansätze für inklusive Forschung:
(1) Beratung durch Co-Reseracher, (2) Führung und Kontrolle durch Co-Reseracher, sowie (3) die
kollaborative Zusammenarbeit mit Co-Reserachers.
Beim beratenden Forschungsansatz werden Personen mit kognitiven Behinderungen als »SelfAdvocat«, als Selbstvertreter an Forschung, die sie selbst betreffen, beteiligt. Forscherinnen und
Forscher und Self-Advocats (Selbstvertreter/Betroffene) beraten gemeinsam darüber, was zu tun
ist. Dabei beraten die Betroffenen entweder als eigenständige Gruppe oder mit den
Forschungsteams gemeinsam. In dieser Konstellation können Menschen mit geistiger
Behinderung aktiv als Experten in eigener Sache beteiligt werden. Ein Forschungsansatz bei dem
Menschen mit kognitiven Behinderungen die Führung und Kontrolle haben gibt ihnen die
Möglichkeit, eigene Forschung zu Themen, die für sie wichtig sind zu initiieren, zu leiten und
auszuführen (vgl. BIGBY, C. et al. 2013: 6 ff.).
Wichtig scheint bei diesem Ansatz, dass im Rahmen des Disseminationsprozesses alle Beteiligten
verstehen und darüber sprechen können, dass das 'neue' Wissen, das mit ihrer Hilfe und inklusiver
Forschung generiert wurde, ihr eigener Beitrag ist. Die Veröffentlichungen der Ergebnisse sollten
daher immer auch in zugänglicher Form und verständlicher Sprache sein (vgl. ebd.: 7). Der
kollaborative Forschungsansatz unterscheidet sich laut BIGBY et al. von den anderen erkennbar.
Die Art von Co-Forschung bezieht sich auf Partnerschaften oder Kooperationen, in denen
Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenarbeiten und einen gleichwertigen Beitrag
leisten wie WALMSLEY und JOHNSON dies beschreiben: „Co-Forschung impliziert eine
gleichberechtigte
Partnerschaft,
bei
der
Forscherinnen/Forscher
mit
Menschen
mit
Lernschwierigkeiten als Experten zusammenarbeiten.“ (WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 148).
Anhand der Literatur und eigenen Erfahrungen haben BIGBY et al. diese Ansätze beschrieben und
diskutiert. Sie stellen fest, dass es wenig konzeptionelle Klarheit bei der Durchführung von
inklusiver Forschung gibt. Fragen nach ihrer Machbarkeit und Genauigkeit bleiben unbeantwortet
und sie finden nur minimale Beweise für ihre Auswirkungen.
130
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
BIGBY et al. schlussfolgern, dass das Verstehen der Vielfältigkeit der Ansätze entscheidend ist, um
inklusive Forschung sinnvoll in ein Forschungsdesign umzusetzen. Größere konzeptionelle Klarheit
über die Erwartungen an eine inklusive Forschung kann die Basis für das Verständnis ihrer
Umsetzung in der Praxis und die Grundlage für die Forschungsausbildung auf allen akademischen
Ebenen sein (vgl. BIGBY, C. et al. 2013: 9 f.).
Es soll daher ein klarer konzeptioneller Rahmen entwickelt werden, der die inklusive Forschung
und deren Durchführbarkeit für bestimmte Forschungsfragen unterstützt. Eine starke
Selbstvertretungsbewegung wird von ihnen als eine der Voraussetzungen für das Gelingen der
inklusiven Forschung angesehen. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass nicht jeder mit
einer kognitiven Behinderung in der Lage oder willens ist, sich zu beteiligen, weil Themen, die von
anderen als wichtig identifiziert wurden, von ihnen nicht als wichtig angesehen werden (vgl. BIGBY,
C. et al. 2013: 10).
6.3.5
Building an Inclusive Research Team: The Importance of Team Building and
Skills Training (STRNADOVÁ, IVA / CUMMING, THERESA / KNOX, MARIE / PARMENTER,
TREVOR 2013, Australien)
STRNADOVÁ et al. berichten über die Art der Beteiligung von Forscherinnen und Forscher mit
kognitiven Behinderungen, die Bildung von Forschungsteams, den Bedarf an Forschungsausbildung und die Durchführung.
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Thema der Publikation von STRNADOVÁ und ihren Kollegen ist die Bedeutung von Teambildung und
Kompetenztraining. Ihrer Meinung nach ist der Prozess der Bildung von Forschungsteams und der
Bedarf an Forschungsausbildung in der Literatur noch wenig erforscht.
Zur inklusiven Forschung
Vier
Forscherinnen
mit
intellektuellen
Behinderungen
und
vier
akademische
Forscherinnen/Forscher bildeten ein integratives Forschungsteam. Ihr Ziel war es, gemeinsam
etwas über die Forschung zu lernen, um später gemeinsam ein Forschungsprojekt darüber
durchführen zu können, »Wie leben ältere Frauen mit geistigen Behinderungen?«
Das Team führte 15 Forschungstrainings in neun Monaten durch. Sie nutzten dabei mobile
Technologien zur Unterstützung des Erwerbs von Forschungskompetenzen. Folgende Inhalte
waren vorrangig und sollten bearbeitet werden: (1) Was ist Forschung? (2) Wie arbeitet man eine
Forschungsfrage aus? (3) Wie erhält man Informationen und Daten zur Forschungsfrage?
131
STRNADOVÁ und das Team fassen zusammen: Um ein effektives, integratives Forschungsteam zu
werden, müssen alle, unabhängig von ihren Fähigkeiten, ihre eigenen Erfahrungen einbringen
können und auch die notwendigen Forschungsfähigkeiten erlernen. Zudem vertreten sie die
Meinung, dass Co-Forscherinnen/Co-Forscher für ihre intellektuellen Beiträge als Autoren mit
genannt und anerkannt werden sollten, auch wenn er/sie keinen eigenständigen Text verfasst
haben.
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
Um die Forschungsqualität, den Forschungsprozess und seine Ergebnisse zu verbessern, betonen
STRNADOVÁ et al. in ihrer Publikation die Notwendigkeit der Teambildung durch ein gemeinsames
Forschungstraining des Forschungsteams, um Strategien zur Unterstützung des Peer-Mentoring
innerhalb des Teams zu entwickeln. Dies beginnt damit, wie man Menschen mit geistigen
Behinderungen am besten informiert, einbezieht und darauf vorbereitet, sich auch an der
Forschung zu beteiligen.
6.3.6
A Collaborative Group Method of Inclusive Research (BIGBY, CHRISTNE/
FRAWLEY, PATSY/ RAMCHARAN, PAUL 2014, Australien)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Inklusive Forschung beinhaltet ein weites Spektrum von Forschungsansätzen. BIGBY und Kollegen
stellen in dieser Publikation den Forschungsansatz 'die kollaborative Gruppe' als eine Methode
zur inklusiven Forschung vor.
Zur kollaborativen Forschung
In einem weiteren von BIGBY und ihrem Forschungsteam vorgestellten Projekt (2014)
untersuchten sie die Prozesse die kollaborative Gruppe als eine Methode bei der Durchführung
einer
Studie
mit
akademischen
Forscherinnen/Forschern
und
Selbstvertreterinnen/
Selbstvertretern und Ergebnisse, die aus einer induktiven Analyse von Feldnotizdaten, Interviews
und Sitzungsprotokollen stammten.
Dabei identifizieren sie fünf Komponenten bei diesem Ansatz als wesentlich:
132
§
gemeinsame und unterschiedliche Ziele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
§
gemeinsame Beteiligung und unterschiedliche Beiträge,
§
gleichwertige, flexible, angepasste Forschungsmethoden,
§
Arbeit als Gruppe mit vertrauensvollen Beziehungen und verteilter Macht,
§
Rahmen (Voraussetzungen) für die Einbeziehung.
Die fünf beschriebenen Komponenten werden durch anhaltende Teilnahme der Selbstvertreter
untermauert. Diese beruht auf der Wertstellung, die Menschen mit intellektuellen Behinderungen
dabei einnehmen. »Menschen mit geistiger Behinderung haben das Recht haben, gleichwertig
behandelt werden.«
BIGBY et al. vertreten hier ein Interaktionsmodell von Behinderung, das sowohl die behindernde
Eigenschaft sozialer Strukturen und Prozesse als auch die Auswirkungen kognitiver
Beeinträchtigungen berücksichtigt. Das heißt, dass in einigen Fällen Unterschiede in der
individuellen Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter beachtet werden müssen (vgl. ebd.)
Die Kooperation bringt ihrer Meinung nach einen Mehrwert für die inklusive Forschung, die neben
abstrakten konzeptionellen Denken für einige Aspekte der Forschung auch die Lesefähigkeit
erfordert. – Um Forschungsprozesse und -praktiken zu dokumentieren und zu überprüfen, wurde
ein Ansatz, der auf Aktionsforschungszyklen wie planen, handeln, beobachten und reflektieren
stützt, übernommen. – Die Aufgabenteilung zwischen den Gruppenmitgliedern ermöglichen es,
einen Teil der Arbeit von akademischen Partnern leisten zu lassen, während der Schwerpunkt der
Arbeit als Gruppe sicherstellt, dass die Ergebnisse dieser Arbeit von Teilnehmerinnen und
Teilnehmern mit kognitiven Behinderungen geteilt und genutzt werden. Dadurch wird garantiert,
dass die Forschung sorgfältig durchgeführt wird, z. B. durch die Einordnung in die bestehende
Literatur zu diesem Thema oder durch die Verschiebung der Analyse auf eine konzeptionelle oder
theoretische Ebene. Die angepassten Forschungsmethoden, die in diesem Ansatz verwendet
werden, ähneln der Beschreibung der inklusiven Analysemethode, die NIND beschreibt (vgl. NIND
M. 2011: S. 358).
„...dass eine thematische Analyse durch Menschen mit Lernschwierigkeiten machbar sein
könnte, wenn es Unterstützung in Form von der Präsentation einer Reihe von Themen
gibt, die von Co-Researchers erforscht werden können, und wenn der Prozess durch das
einfachere Konzept der Aufzeichnung der "Bits [Teilchen], die sie interessant finden" und
ihrer Reaktionen auf diese Bits verstanden wird“ (vgl. ebd.).
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
Nach Auffassung von BIGBY et al. führt der kollaborative Ansatz zu besseren Forschungsergebnissen, als dies entweder Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler oder Selbstvertreterinnen/
Selbstvertreter allein erreichen könnten. Dies kann u. U. zu einem besseren Verständnis über das
Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung führen.
133
6.3.7
Wissenskonstruktionen mit Menschen mit kognitiven Behinderungen –
Problemlagen und Herausforderungen für inklusive Forschung (FASCHING,
HELGA/ BIEWER, GOTTFRIED, 2014, Österreich)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
FASCHING und BIEWER (2014) stellen als erstes die fehlenden methodologischen Grundlagen im
Kontext der Sozialwissenschaften fest. Ihre Publikation befasst sich mit partizipativer Forschung
mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung im methodologischen Kontext der Grounded
Theory der zweiten Generation.
Zur Forschung
FASCHING und BIEWER geht es in ihrem Vorhaben um die Aufnahme der Betroffenenperspektive zur
Generierung bildungswissenschaftlichen Wissens. Das Projekt ist hierzu komplex angelegt.
Untersuchungsgegenstand war zum einen um biografische Erzählungen von Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung als empirische Quelle, zum anderen um die Rolle intellektuell
beeinträchtigter Menschen als Mitforschende.
Ausschlaggebend für die Forschungsarbeit war die Einrichtung einer Referenzgruppe von
Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, die in die Interpretation der qualitativen
Daten aus den lebensgeschichtlichen Interviews mit einbezogen wurden. Es war entscheidend
ihre Perspektive als untersuchte Gruppe in den Forschungsprozess mit einzubeziehen und
gleichzeitig einen Beitrag zur Theoriegenerierung zu leisten.
FASCHING und BIEWER beschreiben die Dateninterpretation durch Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung-Beiträge der Referenzgruppenmitglieder wie folgt:
134
§
antworten,
§
andere Sichtweisen bestätigen,
§
Inhalte zu anderen Beiträgen hinzufügen,
§
widersprechen und andere Interpretationen liefern,
§
eigene Standpunkte aufgrund anderslautender Interpretationen aufgeben,
§
die Plausibilität unterschiedlicher Argumentationen gegeneinander abwägen,
§
Belege für eigene und fremde Interpretationen finden,
§
eigene Erfahrungen beisteuern,
§
beschreiben eigener Emotionen angesichts der Lebensgeschichten,
§
Gefühle äußern, wesentliche Inhalte zusammenfassen,
§
die berichteten Erfahrungen mit den eigenen in ähnlichen Situationen vergleichen.
Die Fähigkeit und Bereitschaft, für sich selbst zu sprechen und Problemlagen behinderter
Menschen zu thematisieren, zeichnet alle Mitglieder der Referenzgruppe aus. Wichtig ist beiden
auch die Einhaltung forschungsethischer Standards und der Gütekriterien.
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
Das Projekt liefert Erfahrungen und neue Impulse zur Weiterentwicklung für die Arbeit mit
Referenzgruppen als Instrumentarium partizipativer Forschung und GTM. „Im Bereich der
Methodenentwicklung, haben wir es hier aber nach wie vor mit "work in progress" zu tun”
(FASCHING, H/ BIEWER G. 2014). Zusammenfassend stellen sie fest, dass qualitative Forschung im
Sinne der Grounded Theory Methodologie GTM mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
neue Chancen eröffnet und eine stärkere Stimme in der Wissenschaft gibt.
6.3.8
Peer-reviewed articles on inclusive research: Do co-researchers with
intellectual disabilities have a voice? (STRNADOVÁ, IVA/ WALMSLEY, JAN 2017,
Australien, Großbritannien)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
STRNADOVÁ und WALMSLEY (2017) führten eine Literaturrecherche und Analyse von 103 peerreviewten Zeitschriftenartikeln die über integrative Forschung berichten aus den Jahren 2003 und
2016 durch. Ziel war es, die Art und Weise zu erforschen, wie die Ansichten und Meinungen von
Co-Researcher mit geistiger Behinderung in den publizierten Zeitschriftenartikeln Behinderung
dargestellt werden bzw. vertreten sind.
Zur Forschung
Bei der Literaturrecherche zu den ausgewählten Arbeiten fragten die Autoren:
§ Wurden die Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit geistiger Behinderung als Autoren
genannt?
§ War der Prozess des Co-Autorenschaft/Co-Authoring (Autorisierung durch die CoPartner) transparent?
§ Gab es Raum für Reflexionen und/oder Ergebnisse von Co-Forscherinnen und CoForschern über den Forschungsprozess?
§ Wie war die Stimme von Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit geistiger Behinderung
vertreten? (z. B. Verwendung von direkten Zitaten, indirekte Rede, gemeinsames
Auftreten von Autorenschaft –'wir')?
Die Ergebnisse zeigen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten über inklusive Forschungsprojekte
zu berichten gibt. Allerdings werden die Erfahrungen, Ansichten und Meinungen von CoForscherinnen und Co-Forschern dabei oft entweder nicht erwähnt oder es wurde über sie nur
sehr selektiv berichtet.
135
Die akademischen Forscher können in den Peer-Review-Journalen, den Prozess der inklusiven
Forschung reflektieren und darstellen. Für die Reflexion von Co-Forschern, über ihre eigenen
Erfahrungen mit inklusiver Forschung zu berichten, fehlt die Möglichkeit den Prozess im Rahmen
von Co-Authoring zu beschreiben und die Ergebnisse zu benennen, obwohl es hier um
gemeinsame Arbeit und Erkenntnisse geht (vgl. STRNADOVÁ, I. / WALMSLEY, J. 2017).
Es gibt bisher nur wenige Publikationen, die von Forscherinnen/Forschern und Co-Forscherinnen
und Co-Forschern gemeinsam verfasst wurden.
Resümee, Anschlussforschung, Nachhaltigkeit
In ihrem Artikel kommen STRNADOVÁ und WALMSLEY zu dem Schluss, dass die inklusive Forschung
insgesamt zwar zunimmt, dass aber mehr Aufmerksamkeit darauf verwendet werden müsse, wie
sich die Co-Forscherinnen und Co-Forschern mit kognitiver Behinderung mehr artikulieren können
und ihre Meinungen in formalen akademischen Kontexten gehört werden. Sie schlagen vor, hierzu
Leitlinien für die zukünftige Praxis zu formulieren, zum Beispiel, dass bei der Berichterstattung
über inklusive Forschungsprojekte von den Autoren erwartet wird, dass sie alle Mitglieder des
Forschungsteams als Autoren erwähnen oder erklären, warum sie dies nicht tun (vgl. ebd.).
6.4 Partizipation oder Inklusion von Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Teilnehmer in der Forschung im Überblick
Die hier vorgestellten Publikationen, werden in der folgenden tabellarischen Ansicht noch einmal
zusammenfassend dargestellt, um die Schwerpunkte herauszuarbeiten.
136
Tabelle 2 : Me nsche n mit kognitiven Behinder ungen als Teilnehmer in der Fors chung
Autor
Buchner, T.; König, O. 2011
Goeke, S.; Kubanski, D. 2012
Ollerton, J. 2012
Bigby, C. et al. 2013
Titel
Von der Ausgrenzung zur
Inklusion: Entwicklung, Stand und
Perspektiven gemeinsamen
Forschens
Menschen mit Behinderungen als
Grenzgängerinnen im
akademischen Raum
IPAR, eine Inklusive
Forschungsmethodik mit
zugänglichen Analysewerkzeugen
Konzeption einer inklusiven
Forschung mit Menschen mit ID
(geistige Behinderungen)
Forschungsziel/
Erkenntnisinteresse und
Fragestellung
Internationale Trends,
Entwicklungslinien und
Ausprägungsformen
Sozialwissenschaftliche
Behindertenforschung mit den
Problemen der Beteiligung von
Menschen mit Behinderungen in
der Forschung
Veröffentlichung
Fachpublikation
Reviewed Publication
Reviewed Publication,
Reviewed Publication
Art/Form
In: DIFGB (2011): Forschungsfälle
Methode? Partizipative Forschung
im Diskurs
In: Forum Qualitative
Sozialforschung
In: Practice Development Journal
2012
In: JARID - Journal of Applied
Research in Intellectual
Disabilities
Wie wird die inklusive
partizipativen
Forschung begründet
Paradigmenwechsel zur
Normalisierung
Paradigmenwechsel zur
Normalisierung und Integration
Gesellschaftlicher Wandel,
Paradigmenwechsel in Sozial- und
Gesundheitswesen
Disabilitystuddies
• Art der (vorgeschlagenen) Emanzipatorisches
Selbstverständnis: als Co-Forscher,
Teilhabe
Interviewer, Referenzgruppe oder
Co-Autoren
• Co-Forscher als CoKeine Aussage
Autoren
Einbeziehung von Menschen mit
geistiger Behinderung in die
Forschung
Wichtigkeit in Planung und
Forschung
Grundsatz des Recht aller
Menschen, als Forscher in Fragen,
die für das eigene Leben relevant
sind, aktiv einbezogen zu werden
"partizipative" Einbindung der CoForscher
kollaborativ:
Unterschiedliche Modelle:
Co-Forscher Leitung und Kontrolle
liegt bei akademischen Forschern
Keine Aussage
Keine Aussage
1. Beratung
2. kollaborative Gruppen
3. Führung und Kontrolle
Autorenschaft wird erwähnt
137
Welche Methoden der
Datenerhebung und
Datenanalyse wurden
angewendet?
Keine Aussage
Aussagen zu:
Keine Aussage
Keine Aussage
• Rollenspiel zur Vermittlung der
Forschungsethik
• Fotografie, um Bildsprache für
institutionelle ethnographische
Untersuchung zu entwickeln
• Metaphern (Geschichten) zur
Beschreibung eines Sacherhalts
• Fotografie eines Gedankens oder
einer Stimmung, zur Analyse und
Deutung der Daten
• Photo-Voice zur Datenerfassung,
Analyse und Verbreitung;
• Farbcodierung/Patchwork
Zeilenkodierung
Keine Aussage
Informed Consent
Keine Aussage
Paradigmenwechsel zur
Normalisierung und Integration
Kreative, visuelle und zugängliche
Forschungsinstrumente für
Forschung und Analyse
ethische Herausforderungen für
die akademischen Forscher
Keine Aussage
Gruppenanalyse
• Inform. Einwilligung
• Leitung/ Kontrolle der
Forschung
• Gütekriterien
Voraussetzungen für
inklusive Forschung
Accessibility um
Forschungsprozesse zu fördern und
eine sinnvolle Beteiligung von CoForschern zu ermöglichen
Resümee,
Anschlussforschung,
Nachhaltigkeit
• Was ist Universität und was
Wissenschaft?
• Veränderung der tradierten
Rollen in der Forschung
• Frage nach Qualität- und
Gütekriterien
• methodischen
Weiterentwicklung
• eine gemeinsamen
(verständlichen) Sprache
138
Forscher müssen überdenken, wie
sie Forschungsteilnehmer als CoForscher einbeziehen, die Nutzung
und die Zugänglichkeit kreativer
Forschungsmethoden und instrumente verbessern, Beiträge
der Co-Forscher ermöglichen.
Vermittlung von inklusiver
Forschung als Kernprinzip für
Behindertenforschung
Autor
Strnadová, I./ Cumming, T./
Knox, M./ Parmenter, T. 2013
Bigby, C. et al. 2014
Fasching, H.; Biewer, G. 2014
Strnadová, I./ Walmsley, J.
2017
Titel
Aufbau eines inklusiven
Forschungsteams: Die
Bedeutung von Teambildung
und Kompetenztraining
Eine kollaborative
Gruppenmethode zur inklusiven
Forschung
Wissenskonstruktionen mit
Menschen mit intellektueller
Beeinträchtigung in der
Bildungswissenschaft
Peer-reviewte Artikel über
Inklusive Forschung: Haben
Mitforscher mit geistiger
Behinderung eine Stimme?
Forschungsziel/
Erkenntnisinteresse und
Fragestellung
Die Bedeutung von Teambildung
und Kompetenztraining
Studie "die kollaborative
Gruppe" als eine Methode: die
Bedeutung der Selbstvertretung für den Aufbau der
individuellen, sozialen und
politischen Integration von
Menschen mit einer geistigen
Behinderung
Grounded Theorie und
Referenzgruppe als Beitrag zur
Methodologie
Wie ist die Meinungen von CoForschern mit geistiger
Behinderung in publizierten,
peer-reviewten
Zeitschriftenartikeln vertreten?
Veröffentlichung
Reviewed Publication
Reviewed Publication
Reviewed Publication
Reviewed Publication
• Art/Form
In: JARID - Journal of Applied
Research in Intellectual
Disabilities
In: JARID - Journal of Applied
Research in Intellectual
Disabilities
Springer-online 2014
In: JARID - Journal of Applied
Research in Intellectual
Disabilities
Wie wird die InklusivePartizipative Forschung
begründet?
Akademische Forscher wie
Forscher mit geistiger
Behinderung brauchen
Unterstützung und Ausbildung,
um Qualität der Forschung zu
gewährleisten
Notwendigkeit umfassender
Forschung zu Themen, die das
Leben von Menschen mit
geistiger Behinderung betreffen.
Paradigmenwechsel
Keine Aussage
Kollaborativ
Kollaborative Teilnahme
Referenzgruppe
Thema der Publikation
Keine Aussage
Keine Aussage
• Art der (vorgeschlagenen)
Teilhabe
Co-Forscher als CoAutoren
Co-Forscher sind als Autoren zu
benennen
Zugängliche Zusammenfassung;
139
Welche Methoden der
Datenerhebung und
Datenanalyse wurden
angewendet?
• Videoaufzeichnungen von
Training und Sitzungen
• Forschungstagebücher, von
akademischen Forschern
nach Grounded Theorie
analysiert und mit den CoForschern besprochen und
ergänzt
Interviews, Sitzungsprotokolle,
Feldnotizen
Induktive Analyse (adaptiert
Grounded Theorie
Literature Review und -Analyse
Aussagen zu
Keine Aussage
Keine Aussage
Einhaltung forschungs-ethischer
Standards
7 von 8 Gütekriterien nach
Breuer/Reichertz (2014):
1. aufgrund der Logik der
Rechtfertigung
2. aufgrund der Logik der
Entdeckung
3. aufgrund der Ehrlichkeit
und Redlichkeit der
Wissenschaftler
4. als Gegenstandsangemessenheit: Selbstreflexion und
Perspektivität
5. als Ergebnis einer humanen
Ethik
6. Technologiefähigkeit von
Forschung
7. aufgrund der (Darstellungs-)
Politik der Forscherinnen und
Forscher
Keine Aussage
• Informierte
Einwilligung
• Leitung der Forschung
• Kontrolle der
Forschung
• Gütekriterien
140
Voraussetzungen
Ethical approval52
• gemeinsame und
unterschiedliche Ziele der
Teilnehmer
• gemeinsame Beteiligung und
unterschiedliche Beiträge
• gleichwertige, flexible,
angepasste
Forschungsmethoden,
• Arbeit als Gruppe mit
vertrauensvollen Beziehungen
und verteilter Macht
• Rahmen (Voraussetzungen)
für die Einbeziehung
Finanzierung (Bezahlung der CoForscher)
Wenn keine Klarheit über den
Prozess der Mitautorschaft eines
inklusiven Forschungsartikels
oder eines Artikels, der auf
partizipativen Methoden basiert,
besteht die Gefahr des
sogenannten Tokenismus (Gefahr
von der Diskriminierung
abzulenken)
Resümee,
Anschlussforschung,
Nachhaltigkeit
Notwendigkeit der Teambildung
durch ein gemeinsames
Forschungstraining
Dies kann zu einer besseren
Forschung und besseren
Verständnis über das Leben von
Menschen mit geistiger
Behinderung führen.
Menschen mit intellektuellen
Behinderungen im akad. Raum
Die Beiträge der Co-Forscher
benennen und beschreiben und
als das anerkennen, was sie
sind, damit andere konstruktiv
auf dem aufbauen können, was
zuvor geschehen ist
52
Für jede Forschung, an der menschliche Teilnehmerinnen/Teilnehmer, ihr Gewebe und/oder Daten beteiligt sind, ist eine ethische Genehmigung erforderlich,
um sicherzustellen, dass die Würde, die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen aller Teilnehmer im Mittelpunkt des Forschungsprojekts stehen.
141
Tabelle 3: Anforder ungen an die inklusive F orsch ung
Qualität
Ethik
Informed
Consent
Coauthoring
Konzept
Accessibility
(Easy to read)
§ Arscott, Katy 1997
-
x
x
-
-
x
§ Goodley, Dan 2000
-
-
-
x
-
?
§ Nind, Melanie 2008
?
x
x
-
x
x
§ Stevenson Miriam 2010
-
x
x
x
x
x
Gütekriterien
-
-
-
-
-
x
x
-
x
x
§ Buchner, Tobias/Koenig, Oliver 2011
§ Nind, Melanie 2011
§ Goeke, Stefanie/Kubanski, Dagmar. 2012
-
-
-
-
-
x
§ Bigby, Christine (Conc.) 2013
-
-
-
-
x
x
§ Bigby, Christine (Coll.) 2013
-
-
-
x
x
x
§ Strnadová, Iva 2013
x
x
-
x
x
x
§ Ollerton, Janice 2014
x
x
x
-
x
x
§ Iriarte, Edurne García 2014
-
x
-
-
x
Gütekriterien
-
x
-
x
x
Gültigkeit
x
-
-
x
-
§ Nind, Melanie 2017
x
x
x
-
x
x
§ Callus, Anne-Marie 2017
-
Einwilligung
-
-
x
x
§ Ellis, Liz 2018
-
x
x
-
-
-
§ Strnadová, Iva/ Walmsley, Jan 2017
x
-
-
x
-
x
7
11
8
5
10
14
§ Fasching, Helga/Biewer, Gottfried 2014
§ Seale, Jane/ Nind, Melanie 2014
142
6.5 Inklusive-partizipative Forschung und User-Centred Design
Für inklusiven und partizipativen Ansätze bei der Forschung und Entwicklung insbesondere von
digitalen Systemen und Anwendungen müssen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen
werden, um einen nutzerzentrierten/orientierten Design-, Entwicklungs- und Inhaltserstellungskontext zu etablieren (vgl. MIESENBERGER et al. 2019).
§
Besteht ein angemessenes Verständnis dafür, wie die User/Peer-Forscherinnen und
Peer-Forscher mit Systemen und Tools arbeiten, welche assistiven Technologien (ATs)
sie verwenden könnten, welche Anforderungen in Bezug auf z. B. Zeitpunkt und Nutzung
von Medien, ATs oder persönliche Unterstützung zu erfüllen sind?
§
Wurde eine geeignete Kommunikationsinfrastruktur geschaffen, die Ausdruck,
Diskussion, Feststellung und Kontrolle ermöglicht?
§
Wird das Thema/System als relevant und wichtig für die Teilnahme verstanden; haben
Endnutzer die Möglichkeit, Thema, Ziel und Rahmenbedingungen, die das
Projekt/Aktivität bestimmen, zu beeinflussen?
§
Verstehen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ihre Rolle und den angestrebten
Beitrag?
§
Haben die User das Gefühl, dass ihre Meinung und ihr Know-how auf gleicher
Augenhöhe respektiert und gefordert wird?
UCD und F&E haben unterschiedliche (nationale und internationale) Perspektiven, Grundsätze,
um die Begriffe der kognitiven Behinderungen in einen möglichst breiten Kontext zu stellen. Die
Einstellungen und Perspektiven gegenüber kognitiven Behinderungen sind nicht immer dieselben,
aber aus diesen unterschiedlichen Erfahrungen kann viel gelernt werden (vgl. MIESENBERGER et al.
2019).
Im nun Folgenden werden vier weitere Publikationen zur inklusiven und/oder partizipativen
Forschung und User- Centred Design mit Menschen mit kognitiven Behinderungen vorgestellt, die
sich während des Forschungsprozesses auf unterschiedliche Weise dem Thema nähern. Im
Blickpunkt stehen hierbei die Methoden, Werkzeuge und Vorgehensweisen, die für IPAR-UCD
richtungsweisend sein könnten.
6.5.1
Barrierefreies Internet für Menschen mit geistiger Behinderung. Eine
experimentelle Pilotstudie zu technischen Voraussetzungen und
partizipativen Auswirkungen (BERNASCONI, TOBIAS 2007, Deutschland)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Es geht um die Zugänglichkeit des Internets für Menschen mit kognitiven Behinderungen, die
BERNASCONI anhand einer Pilotstudie mit den Usern durchführte.
Design/Methodik/Ansatz
BERNASCONI hinterfragt und beurteilt kritisch verschiedene Methoden für Usability Tests in seiner
Arbeit. Dabei fällt ihm auf, dass sowohl qualitative als auch quantitative Daten und verschiedenen
methodischen Vorgehen zu kombinieren bei der 'Web-Usability-Forschung' gängige Praxis ist (vgl.
BERNASCONI, T. 2007:174). Er findet zudem in seiner Pilotstudie heraus, dass sich bei seiner
Zielgruppe qualitative Verfahren eher anbieten, um zum einen den spezifischen Eigenschaften der
Personen gerecht zu werden und zum anderen sicherzustellen, dass valide Ergebnisse erzielt
werden, die die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung bieten (vgl. ebd. 174).
Die Triangulation der Daten bietet ihm dabei die Möglichkeit, den miteinander konkurrierenden
Zielen Generalisierbarkeit, Präzision und Wirkungskontrolle sowie Kontexterfassung und
Beachtung der Menschen mit kognitiven Behinderungen gerecht zu werden.
Die unterschiedlichen Methoden (quantitatives Experiment/qualitative Beobachtung) werden
nicht willkürlich, sondern durch die untersuchungsimmanente Form des geplanten Testens
schlüssig und aufeinander bezogen eingesetzt (vgl. BERNASCONI, T. 2009: 104).
Beispielsweise: Das Experiment weist gegenüber der Befragung oder der Beobachtung einige
entscheidende Vorteile auf. Es biete die Möglichkeit, Versuchspersonen in eine künstlich
gestaltetet Situation einzufügen und so Zusammenhänge unter ständiger Kontrolle darzustellen
und zu reproduzieren (vgl. BERNASCONI, T.2007: 176).
Die teilnehmende Beobachtung zeichnet sich durch die Anwesenheit und Teilnahme des
Beobachters im Feld aus, während bei nicht-teilnehmenden Beobachtungen die Beobachtungen
von einer außenstehenden Person gemacht werden. Kriterien der Überprüfbarkeit, der
systematischen Aufzeichnung und der genauen Planung der Beobachtung sind nach BERNASCONI
wichtig, um die Aufmerksamkeit nicht der Willkür zu überlassen:
§
was zu beobachten ist und was eher nebensächlich ist,
§
ob und in welcher Art das Beobachtete gedeutet werden darf,
§
zu welcher Zeit und an welchem Ort die Beobachtung stattfindet und
§
in welcher Form das Beobachtete zu protokollieren ist (vgl. ebd.: 184).
Die formale und praktische Gestaltung der Untersuchungssituation, in der eine möglichst normale
Atmosphäre geschaffen wird, sollte dabei als Teil des methodischen Designs bei einer
strukturierten Beobachtung der Untersuchungssituation bedacht werden (vgl. BERNASCONI, T.
2009: 104)
Eine Befragung (Interview) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lässt sich gut auf die Zielgruppe
abzustimmen (vgl. ebd.:190).
144
Für die Befragung von Menschen mit Lernschwierigkeiten empfehlen BERNASCONI (ebd.: 165) und
HAGEN (HAGEN, J. (2002: 299) eine Interviewmethodik, welche dem Erzählenden größtmögliche
Offenheit für die eigene Sicht der Dinge gibt, gleichzeitig aber so strukturiert ist, dass alle für
Forscherin/Forscher relevanten Problemfelder und Fragen angesprochen werden. Hagen verweist
dabei auf das problemzentrierte Interview.
Ergebnisse/Praktische Auswirkungen
Als besonders sinnvoll und hilfreich bewertet BERNASCONI die methodische Triangulation, da durch
die Integration und Verbindung von experimenteller Untersuchung und Beobachtung bei der
Auswertung Aspekte herausgefiltert werden konnten, die einem isolierten Verfahren verborgen
geblieben wären (vgl. BERNASCONI 2007:325).
6.5.2
Accessibility of Web Search Engines: Towards a Deeper Understanding of
Barriers for People with Disabilities (KERKMANN, FRIEDERIKE / LEWANDOWKSI, Dirk
2012, Deutschland)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Zweck der Publikation von KERKMANN/LEWANDOWKSI ist es, die Aspekte zu beschreiben, die bei der
Bewertung der Zugänglichkeit von Web-Suchmaschinen für Menschen mit Behinderungen zu
berücksichtigen sind. Suchmaschinen sind die am wichtigsten und am häufigsten genutzte Dienste
im Web und Gatekeeper (Türöffner). Die Autoren geben einen Überblick und skizzieren einen
theoretischen Rahmen für eine umfassende Barrierefreiheitsstudie von Web-Suchmaschinen zu
den Prinzipien der Behindertenforschung und der Idee der Inklusion. Es geht ihnen um ein tieferes
Verständnis von Barrieren für Menschen mit Behinderungen. Zumal es bisher keine
Zufriedenheitskriterien für Menschen mit Behinderungen gibt.
Design/Methodik/Ansatz
Das Papier basiert auf einer Literaturrecherche und einer Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen in der Praxis, hauptsächlich nach dem Evaluierungsverfahren der W3C Web
Accessibility Initiative (WAI).
Forschungseinschränkungen/Implikationen
Die Publikation kann als Zusammenfassung betrachtet werden. Sie beschreibt ein theoretisches
Konzept zur Durchführung von Benutzertests.
Bei der Testumgebung stellen KERKMANN und LEWANDOWKSI fest, dass es sinnvoll sei, Tests am
Standort des Users durchzuführen, wo es einfacher ist, die physische Zugänglichkeit in den
Räumen sowie die Verfügbarkeit und Funktionalität verschiedener Arten von Hilfstechnologien zu
berücksichtigen.
145
Bei der Planung und Vorbereitung sei die zeitliche Dauer und die Leistungsfähigkeit zu
berücksichtigen. Als eine Methode, schlagen sie das Think-Aloud Protokoll (vgl. BRAJNIK, G. 2008)
vor. Zur Vorbereitung können Aufgaben und Szenarien ähnlich wie bei Studien mit nichtbehinderten Personen erstellt werden. Es sollen realistische Suchaufgaben für die Teilnehmer
erstellt werden. Sie empfehlen Aufgaben mit unterschiedlichem Schweregrad sowie verschiedene
Arten von Abfragen. Es sollen Informations- und Navigationsabfragen sowie Fragen zur
Transaktion berücksichtigt werden. Es gibt freie Suchaufgaben, d.h.: der Teilnehmer formuliert die
Abfrage selbstständig oder es gibt geführte Suchaufgaben d.h.: der Teilnehmer erhält fertige
Fragen. Alle benutzen Dokumente (Einwilligungserklärung, Aufgabenbeschreibung, Testmaterial)
müssen vorab in leicht verständliche Texte umgewandelt werden. Falls erforderlich muss die
Unterstützung durch Gebärdendolmetscher oder andere benötigte Unterstützung organisiert
werden.
Bei Durchführung des User-Testing müssen die Testbenutzerinnen und Testbenutzern bestimmte
Aufgaben erfüllen, während sie beobachtet und aufgefordert werden, laut zu denken (um ihre
Gefühle und Gedanken so auszudrücken, wie sie können). Testberichte, wie Bug-Report
(Fehlerbericht) werden nach den Kriterien der Usability-Standard-Testverfahren, von den
Gutachterinnen/Gutachter (aus Notizen, Audio- und/oder Videoaufzeichnungen und/oder
Eyetracking) erstellt.
Zum Beispiel geht es um Kriterien wie Effektivität, Effizienz, Zufriedenheit:
§
Effektivität: Wie viele Teilnehmer, die nicht direkt auf die Suchmaschine zugreifen
können, können ihre Hilfstechnologie effektiv nutzen?
§
Effizienz: Wie viel Zeit wird benötigt, um die Aufgaben ohne/mit Hilfstechnologie zu
erfüllen? Wie viele Anwendungen von Hilfstechnologien sind notwendig? Welche
Unterstützung von Dritten wird benötigt? Wie viele Teilnehmer geben auf?
§
Zufriedenheit: Wie viele positive/negative Ausdrücke werden bei der Suche gemacht und
wie zufrieden sind die Teilnehmer mit der Suchmaschine? (vgl. BRAJNIK, G. 2008).
Ergebnisse/Praktische Auswirkungen
KERKMANN und LEWANDOWKSI kombinieren Ergebnisse aus der Web-Suchmaschinenforschung mit
Aspekten der Behindertenforschung. Dies soll Forscherinnen/Forschern, Entwicklerinnen/
Entwickler und Pädagoginnen/Pädagogen in der Praxis Einblicke geben, wie wichtig die
Zugänglichkeit von Web-Suchmaschinen für Menschen mit Behinderungen ist, wie sie gemessen
werden kann und welche Aspekte berücksichtigt werden müssen.
Diese Publikation von KERKMANN/LEWANDOWKSI ist bislang jedoch nur eine Art Konzeptentwurf, der
noch nicht getestet wurde, sondern auf vorhandener Literatur, Methoden und Richtlinien basiert.
146
Die Ergebnisse solcher Studien könnten praktische Auswirkungen auf die Entwickler von WebSuchmaschinen haben, um die Zugänglichkeit ihres Produkts zu verbessern. Die Zugänglichkeit
von Web-Suchmaschinen hätte dann nicht nur Auswirkungen auf die Zielgruppe, sondern auch
auf ältere oder vorübergehend behinderte Menschen.
6.5.3
Accessibility to electronic communication for people with cognitive
disabilities (Borg, Johan/ Lantz, Ann/Gulliksen Jan 2014 Schweden)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Es geht in dieser Publikation darum wissenschaftlich evaluierte und berichtete Maßnahmen für
den Zugang zur elektronischen Kommunikation für Menschen mit kognitiven Behinderungen zu
identifizieren. Ziel der Studie ist es, die Zugänglichkeit und Möglichkeiten für Menschen mit
kognitiven Behinderungen zu den Kommunikationsmedien zu bewerten, wobei der Schwerpunkt
auf der Mensch-Computer-Interaktion und nicht auf der Art und Weise liegt, wie die Nutzer
teilnehmen.
Design/Methodik/Ansatz
Aus dreizehn Datenbanken wurden diesbezüglich 29 empirische Studien mit Beschreibung und
Bewertung von Maßnahmen zur kognitiven Zugänglichkeit identifiziert und analysiert um
Empfehlungen für die Praxis gegeben (vgl. ebd. BORG, J. et al.: 547).
Alle analysierten Artikel befassen sich mit der Nutzung von Internet, E-Mail und Telefon,
Fernsehen, Multimedia-Schnittstellen, Texten und Bildern, dem Betrieb von Geräten, der Eingabe
von Informationen und Maßnahmen zur Zugänglichkeit. Folgende Fragestellungen wurden
untersucht: Über welche Maßnahmen, um Menschen mit kognitiven Behinderungen die
elektronische Kommunikation zugänglich zu machen, werden in der wissenschaftlichen Literatur
berichtet? Welche dokumentierten Auswirkungen haben diese Maßnahmen?
Ergebnisse/Praktische Auswirkungen
Borg und Kollegen stellen fest, dass die aktuelle Evidenzbasis darauf hinweist, dass die
Anforderungen und das Design und Teilnehmer der einzelnen Studien sehr unterschiedlich sind.
Das Methodenspektrum bewegt sich sowohl im quantitativ als auch qualitativ, aber immer
wurden die Untersuchungen direkt mit den Menschen mit unterschiedlichen kognitiven
Behinderungen selbst durchgeführt. Das Ergebnis der Untersuchung beschreiben Borg und
Kollegen wie folgt: Die Präferenzen für die Zugänglichkeit von Menschen mit kognitiven
Behinderungen sind sehr unterschiedlich. Die ungenaue Beschreibung der Diagnosen in
konsistenter Weise und die häufig verwendeten 'Mixed Methods', die nicht genauer reflektiert
werden, erscheinen ihnen problematisch.
147
6.5.4
Mobile Technology and Inclusive Research (CUMMING THERESA/ STRNADOVÁ,
IVA/ KNOX, MARIE / PARMENTER, TREVOR 2014 Australien)
Thema und Anlass der Forschung/Untersuchung
Inwieweit ermöglicht der Einsatz von iPads (a) als unterstützende Technologie die Co-Researcher
mit kognitiver Behinderung eine gleichberechtigte Beteiligung an der Forschung und (b)
unterstützt es die Co-Researcher in ihrem Alltag.
Design/Methodik/Ansatz
Um diese Erfahrungen mit dem Einsatz von iPads zur Unterstützung von Menschen mit kognitiver
Behinderung in der Forschung zu diskutieren, nutzen die Autorinnen auch Fallstudien. CUMMING
und ihre Kolleginnen untersuchen dies in dem bereits oben genannten Projekt. Die iPads konnten
dabei als unterstützende Technologie vom gesamten Forschungsteam benutzt werden, da die
Geräte durch den Einsatz verschiedener Anwendungen anpassbar sind. Das iPad wurde hier
wegen seiner Transportierbarkeit, Zugänglichkeit und Vielseitigkeit ausgewählt, zumal es eine
Vielzahl von Anwendungen (Apps) und assistive Technologie gibt, die speziell für Menschen mit
verschiedenen Behinderungen entwickelt wurden (iTunes, 2011).
Den Mitgliedern des Forschungsteams war freigestellt, wie und wann sie die Technologie hierzu
nutzen. Mithilfe der iPads erstellten sie Fotos und Videos. Mit Einbeziehung von iMovie
(Videoschnittprogramm) und Forschungstagebüchern53 sowie mit Video aufgezeichneten
Trainings- und Forschungseinheiten wurden die sogenannten Forschungsdaten zunächst erhoben.
Später wurden diese dann analysiert, wobei die Co-Forscherinnen dazu aufgefordert wurden, sich
an den Prozessen zu beteiligen. Hierbei erwies sich die Erstellung der Forschungstagebücher mit
dem iPad durch die Teilnehmerinnen teilweise als schwierig. Die Tagebucheinträge wurden daher
gemeinsam als eine kurze Zusammenfassung am Ende jeder Einheit verbal erstellt und von einer
der akademischen Forscherinnen transkribiert. Dies zeigte sich insofern als erfolgreicher, da es die
Teilnehmerinnen dazu anregte, über die Sitzung und ihren Inhalt nachzudenken.
Ergebnisse/Praktische Auswirkungen
Zusammenfassend berichten CUMMING und Kollegen, dass die iPads die Beteiligungsmöglichkeiten
für Co-Researcher mit einer kognitiven Behinderung nicht nur in der Forschung, sondern auch in
anderen Bereichen ihres Lebens verbessert haben, einschließlich Kommunikation, Gedächtnis und
analytische Fähigkeiten.
53
Forschungstagebücher mit dem iPad Audio-Notizen sind eine gute Lösung zur Unterstützung der
unterschiedlichen Alphabetisierungsgrade der Forscher mit kognitiver Behinderung.
148
6.6 Ergebnis der Literaturrecherche und Konsequenzen für ein
inklusives-partizipatives Forschungskonzept für Forschung und
Entwicklung
Die Suche nach methodischen Ansätzen für die Praxis inklusiver-partizipativer Forschung und
User-Centred Design dokumentiert, dass es bisher wenig grundsätzliche Vorstellungen zur
inklusiven Forschung gibt. Viele der Publikationen beschreiben zwar den Forschungsgegenstand
und die Zielgruppe, aber das Forschungsdesign selbst wird häufig vernachlässigt.
Die hier ausgewählten Publikationen, einschließlich der zwei Tabellen, bilden einen Querschnitt
inklusiver und/oder partizipativer Forschung und User-Centred Design mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen ab. Dabei besteht nicht der Anspruch der Vollständigkeit. Hier zeigt
sich, dass es prinzipiell einen Paradigmenwechsel in Bezug auf Forschung mit Menschen mit
Behinderungen gibt, der sich u. a. auf die UN-Behindertenrechtskonvention stützt. Dennoch wird
das Themenfeld der inklusiven partizipativen Forschung mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen und noch mehr das User-Centred Design mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen sehr heterogen behandelt. Als Behinderungsmodell wird vorwiegend das
sogenannte soziale Modell favorisiert.
Wie der Überblick weiter zeigt, geht es in den meisten Fällen um eine methodische (Weiter-)
Entwicklung von inklusiver Forschung. Es stehen sowohl Veränderungen von Strukturen, als auch
Veränderung der tradierten Rollen zur Disposition (vgl. GOEKE, S./ KUBANSKI, D. 2012) und die
Fragen im Raum: Was ist Universität und was Wissenschaft? (vgl. BUCHNER, T./KOENIG, O. 2011).
BIGBY sieht in der kollaborativen Gruppenmethode die Möglichkeit, bessere Forschungsergebnisse
zu erhalten (vgl. BIGBY, C. et al. 2014).
Die Art der Teilhabe an der Forschung und die Rolle der TeilnehmerInnen im Forschungsprojekt
variiert stark. Aspekte der Freiwilligkeit und der Informed Consent kommen nur bei OLLERTON
(2012) zur Sprache.
Die Form der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen wird beschrieben als teilnehmende
User im Experiment, als Beobachtung oder Befragung (vgl. BERNASCONI, T. 2007).
Unter Zusammenarbeit wird die beratende Teilnahme, als Experten in eigener Sache (vgl. BUCHNER,
T./KOENIG,
O. 2011; GEBERT, T. 2014; FASCHING, H. /BIERWER, G. 2014; BIGBY, C. ET AL. 2014), als
Referenzgruppe, Fokusgruppe oder sogar als Interviewer (vgl. BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011;
FASCHING, H./ BIEWER, G. 2014) verstanden. BIGBY et al. heben die Aufgabenteilung zwischen den
Gruppenmitgliedern hervor, die es ermöglicht, einen Teil der Arbeit von nicht akademischen
Partnern leisten zu lassen.
149
OLLERTON und BIGBY sprechen auch von der Vielfältigkeit der Ansätze und kreativen (angepassten)
Methoden (vgl. OLLERTON, J. 2012; BIGBY, C. et al. 2014).
Als Methoden und Instrumente für die Forschung werden konkret genannt:
§
Beobachtung, Befragung, Experiment (vgl. u. a.BERNASCONI, T. 2007)
§
kreative Methoden wie Rollenspiel, Photo-Voice, Metaphern, Farbcodierung-Patchwork
(vgl. OLLERTON 2012);
§
Research Diary (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2013);
§
Audio- und/oder Videoaufzeichnungen, Eyetracking (vgl. KERKMANN, F. /LEWANDOWKSI, D.)
§
Werkzeuge wie iPads für die Beteiligung der Co-Forscherinnen und Co-Forschern (vgl.
STRNADOVÁ, I. et al. 2013).
Qualitative und quantitative Daten und verschiedenen methodischen Vorgehen werden teilweise
kombiniert, wie bei den Mixed Methods, (vgl. BERNASCONI, T. 2007; BORG, J. et al. 2014). Aussagen
zu Forschungs- und Analysemethoden mit der Zielgruppe machen lediglich BIGBY und OLLERTON.
Sie machen auch als einzige Angaben zur Überprüfbarkeit ihrer Forschung.
Die methodische Vielfalt der inklusiven Forschung macht sie lebendig und glaubwürdig, da diese
angemessen im Hinblick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmern eingesetzt werden.
GEBER und FASCHING/BIEWER geben als einzige Hinweise zu den notwendigen Gütekriterien.
Größtmögliche konzeptionelle Klarheit und angemessene Gütekriterien werden jedoch mehrfach
vermisst (vgl. BUCHNER, T./ KOENIG, O. 2011; KERKMANN, F./ LEWANDOWKSI, D. 2014; FASCHING, H./
BIEWER, G. 2014; BIGBY 2014, BORG 2014).
Zur Transparenz wie Autorenschaft und die Frage »Wem gehört die Forschung?« schlagen
STRNADOVÁ/ WALMSLEY Richtlinien für die zukünftige Praxis (Co-Authoring) vor.
Zum Beispiel, dass bei der Berichterstattung über inklusive Forschungsprojekte alle Mitglieder des
Forschungsteams als Autoren genannt werden. Andernfalls soll erklärt werden, warum wer nicht
einbezogen wird (vgl. STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017). STRNADOVÁ (2012) fordert zudem ein
Forschungstraining für alle Mitglieder (vgl. STRNADOVÁ, I./ CUMMING, T. 2013).
Fragen zu den einzelnen Usern/Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern im Hinblick auf ihr
Verständnis (wird das Thema der Forschung von ihnen als wichtig erkannt oder verstanden) oder
zur Kommunikationsinfrastruktur werden kaum gestellt. Die Frage nach dem Selbstverständnis
der eigenen Rolle als Forscher wird selten angesprochen. Methoden werden, wenn überhaupt
erwähnt, nicht begründet. Ethische Rahmenbedingungen sind außer im Hinblick auf die
Informierte Einwilligung oder bei FASCHING und BIEWER bzgl. der Transparenz kein Thema.
150
Bei der inklusiven Forschung betrifft die von OLLERTON geforderte Transparenz von
Forschungsprojekten auch eine leichte verständliche Information, Kommunikation und
Zugänglichkeit zu den Forschungsmethoden (vgl. OLLERTON, J. 2012).
Dieses Ergebnis legt nahe, dass methodologische Grundlagen für die Forschung mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen unerlässlich sind. Dies gilt nicht nur für die Sozialwissenschaften,
sondern ebenso für die Grundlagenforschung von Engineering sowie Forschung und Entwicklung.
Wichtigster Aspekt bei der Vorstellung der Projekte war ein allgemeines Verständnis und Wissen
über inklusive Forschung zu erhalten, dass in eine konkrete Anwendung sowie in Forschung und
Entwicklung umgesetzt werden sollte.
6.6.1
Erkenntnisse für die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung und
das Konzept
§
Die Einbindung der Zielgruppen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher erfordert hohe
Bereitschaft und Intuition der Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen/Entwickler,
sowie die notwendigen Ressourcen wie Zeit, Material und die Bezahlung der Peers für die
Durchführung der Forschung und Entwicklung (vgl. FASCHING, H./BIERWER, G. 2014).
§
Von den Peer-Forscherinne und Peer-Forschern wird neben der Freiwilligkeit der
Teilnahme Interesse und ein gewisses Maß an Eigenverantwortung im Rahmen ihrer
Möglichkeiten erwartet (vgl. STRNADOVÁ, I./ CUMMING, T./ KNOX, M./PARMENTER, T. 2013)
§
Um den ethischen Anforderungen an die Forschung gerecht zu werden, wird neben den
notwendigen Voraussetzungen eine entsprechende Informierte Einwilligung in
verständlicher Sprache und /oder anderem Format für die Beteiligten vorgeschlagen (vgl.
KREMSNER, G. 2014).
§
Das Forschungsprojekt muss so barrierefrei wie möglich sein. Das erfordert, dass die
Zugänglichkeit und Verständlichkeit berücksichtigt werden muss. Zum Beispiel: Alle
Informationen über die Forschung, wie das Informed Consent, das Forschungsvorhaben
(Inhalt), Ziele der Forschung, Weiterverarbeitung der Informationen und Fragen der
Anonymität sollten in leichter Sprache und für die Zielgruppe verständlich erklärt und
bestenfalls auch schriftlich bestätigt werden (vgl. MEYER, D. et al. 2002; GOEKE, S./KUBANSKI,
D. 2012).
§
Bevor die Entwicklung des Prozesses beginnt, ist eine formale Einführung/Ausbildung in
Forschungskompetenzen für Menschen mit geistiger Behinderung notwendig, damit sie
zur Forschung beitragen können (vgl. STRNADOVÁ, I. et al. 2013; COONS, K. D./WATSON, S. L.
2013).
§
Zur Transparenz und Nachvollziehbarkeit gehört nicht nur die lückenlose Dokumentation
des Forschungsprozesses, sondern ebenso, dass die Peer-Forscherinnen und PeerForscher als Co-Autoren namentlich genannt werden und dass die Ergebnisse für sie auch
in leichter verständlicher Sprache vorliegen (vgl. WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 216 ff.;
STRNADOVÁ, I./ WALMSLEY, J. 2017).
151
152
7 Inklusive-partizipative Aktionsforschung und
User-Centred Design als alternativer
inklusiver Methodenansatz für Forschung
und Entwicklung
"Traue jemandem etwas zu und er wird sich
bemühen, diesem Vertrauen zu entsprechen."
Don Bosco (1815-1888)
ÜBERBLICK
Im Folgenden geht es um die Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden inklusivepartizipative Aktionsforschung IPAR und User-Centred Design UCD zu einem gemeinsamen
Konzept, was im Detail im Teil B beschrieben wird.
Die Verknüpfung beider Ansätze unter der Beteiligung von Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und nicht nur als Probanden oder
Befragte (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 32 ff.) soll neue Anstöße für Forschung und
Entwicklung durch den Einsatz von neuen und veränderten Forschungsmethoden im User-Centred
Design bieten.
IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver Prozess hat dabei nicht nur für die
Forschung und Entwicklung Potenzial, sondern auch für die Autonomie und das Empowerment
von Menschen mit kognitiven Behinderungen.
Grenzen und Erschwernisse für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher,
alternativen Erhebungsmethoden und Befragungen sowie die Gütekriterien und
Qualitätssicherung als Strategien der Geltungssicherung von IPAR-UCD werden ebenfalls
diskutiert.
153
7.1 Zusammenführung der zwei partizipativen Methoden
IPAR und UCD
Im Rahmen dieser Arbeit soll IPAR mit dem Forschungsansatz der User-Centred Design UCD zu
einer inklusiven Forschungsmethode IPAR-UCD verknüpft werden. Dadurch wird es der Zielgruppe
als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ermöglicht, sich aktiv an der Gestaltung und Bewertung
digitaler Anwendungen und Dienste zu beteiligen.
Inklusive-partizipative Forschung ist nicht auf die Sozialwissenschaften beschränkt, sondern ist
auch für andere Wissenschaftsbereiche relevant, wie beispielsweise Forschung und Entwicklung
(F&E). Als Hauptansatz für das neue Konzept wird auf den Ansatz Inclusiv Participatory Action
Research (IPAR) von JANICE OLLERTON (2012) verwiesen.
IPAR und UCD sind in ihren partizipativen Ansätzen sehr ähnlich. Dabei unterscheiden sie sich auch
nicht grundlegend von anderen sozialwissenschaftlichen Ansätzen, die in der Forschung mit der
Zielgruppe bereits verfolgt werden.
Obwohl IPAR wie UCD eine hohe Kompatibilität haben, wurden sie bisher formell nicht
miteinander kombiniert und genutzt. Beide können auf ein breites Spektrum an Methoden,
Techniken und Werkzeugen zurückgreifen. Für IPAR wurden bereits einige Methoden und
Werkzeuge zielgerecht für die Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen angepasst
oder entwickelt, (OLLERTON, J. M. 2012; STRNADOVÁ, I./CUMMING; T. 2010). Beim UCD liegen
zahlreiche Erfahrungen und methodischen Standards im Kontext von 'User Experience
Engineering' 54 und moderner Softwareentwicklung vor, allerdings nicht für die Zielgruppe.
IPAR-UCD wird nicht als unabhängige Methodik verstanden, sondern als ein Ansatz, Menschen
mit kognitiven Behinderungen als Expertinnen/Experten in Bezug auf ihr soziales und mediales
Umfeld in das Forschungsfeld Forschung und Entwicklung kollaborativ einzubeziehen. IPAR-UCD
ist daher eher als Forschungsstrategie gedacht, die durch Evaluierung und Weiterentwicklung zu
einem Standard für inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung mit der Zielgruppe werden
könnte.
Wie bereits erwähnt, plädiert WALOSZEK (2005) in dem »SAP Design Guide« für die Beteiligung von
Usern in der Forschung und Entwicklung. Für die Gestaltung neuer Medien und IKT-Systeme
empfehlen HEARN und FOTH hierzu die Aktionsforschung (vgl. HEARN und FOTH 2005: 19). Sie sind
der Meinung, dass die Aktionsforschung einen festen Platz innerhalb der Medien- und
Kommunikationsforschung haben soll.
54
Synthese von Design und Entwicklung
154
Sie regen an, unterschiedliche Forschungsansätze zu verwenden, da der Bereich der neuen
Medien auf individueller, institutioneller und kultureller Ebene analysiert werden müsse.
Das IPAR-UCD Konzept, das in seiner Gesamtheit in Teil B vorgestellt wird befasst sich zuvor mit
den folgenden Fragen:
§
Welche Unterstützung und Einstellungen gegenüber Peer-Forscherinnen und PeerForschern mit Behinderungen und Forschung mit dem IPAR-UCD Konzept ermöglichen
positive Prozesse und Ergebnisse bei der Mensch-Computer-Interaktion (HCI)?
§
Können Informations-, Kommunikations- und Unterstützungsstrategien (Methoden,
Richtlinien und Werkzeuge) in eine allgemeine und übertragbare IPAR-UCDForschungsmethodik für die Mensch-Computer-Interaktion und andere technische
Bereiche integriert werden?
§
Ist die IPAR-UCD-Forschungsmethodik geeignet, die Qualität von Strategien zur
Bereitstellung von Inhalten für User mit kognitiven Behinderungen zu überprüfen?
§
Führt die Erfahrung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern zu neuen Perspektiven
und Kenntnissen über die Nutzungsanforderungen und damit zu mehr Produktqualität,
Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit?
§
Beeinflussen neue Erkenntnisse über die Nutzeranforderungen den Forschungsprozess
und die Ergebnisse des HCI durch die aktive Beteiligung von Peer-Forscherinnen und
Peer-Forschern, insbesondere in Bereichen, die für die Zielgruppe von besonderem
Interesse sind?
Die Kombination beider Ansätze, Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Researcher
und nicht nur als Testpersonen oder Befragte einzubeziehen, soll durch den Einsatz neuer und
veränderter Forschungsmethoden im nutzerzentrierten Design neue Impulse für Forschung und
Entwicklung geben (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003: 32 ff.).
Die Veränderung der Forschungsmethoden und die Einbeziehung von Menschen mit kognitiven
Behinderungen bei der Entwicklung – sie selbst zu fragen, was ihre tatsächlichen Bedürfnisse und
Wünsche sind – sollte zu einem höheren Grad an Personalisierung, Anpassungsfähigkeit und
Zugänglichkeit führen.
Mit diesem alternativen Ansatz kann das Potenzial neuer Mensch-Computer-Interaktionen (HCI)
gemeinsam mit der Zielgruppe untersucht und weiterentwickelt werden (vgl. MIESENBERGER, K.
2017). IPAR-UCD schafft damit die Grundlage für eine stärkere Beteiligung von PeerForscherinnen und Peer-Forschern mit kognitiven Behinderungen an Forschung und
Technologieentwicklung.
155
Mit einem sogenannten LAB-Projekt »Easy Reading«55 konnte herausgearbeitet werden, welche
Methoden und Unterstützungen für die Teilhabe von Peers erforderlich sind und wie diese,
basierend auf dem IPAR-UCD-Ansatz, aktiv am HCI-Forschungsprozess teilnehmen können. Es
wurde dabei an einem konkreten Forschungsgegenstand versucht, einzelne Methoden und
Werkzeuge des User- Centered Design für den inklusiven Forschungsansatz anzupassen oder neu
zu entwickeln.
Im Gegensatz zur traditionellen Forschung besteht die Herausforderung darin, mit Menschen mit
Lernschwierigkeiten zusammenzuarbeiten, zu forschen und die Technologieforschung zu
entwickeln. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern arbeiten mit ihrer eigenen Perspektive
auf das Projekt und ihren eigenen Erfahrungen. Sie werden entsprechend ihrer Ressourcen und
Fähigkeiten in den Planungs- und Entwicklungsprozess einbezogen.
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher unterstützen die einzelnen Schritte der agilen
Entwicklung, indem sie im Vorfeld eine meist wissenschaftliche Frage mit entsprechend
angepassten inklusiven Methoden verfolgen, die später zu einem Produkt oder einer Anwendung
führen. Mit der gleichberechtigten Beteiligung und einem Verständnis füreinander wird es
möglich, über eigene Ideen und die anderer nachzudenken. Sie sind daher auch interessiert ihre
eigenen Erfahrungen und/oder die ihrer Peers einfließen zu lassen und kreativ neue Konzepte zu
entwickeln.
In schrittweisen inklusiven iterativen Prozessen werden so Anforderungen und später
Funktionalitäten ermittelt und ausgewertet sowie in weiteren Entwicklungsschritten von den
Entwicklerinnen/ Entwicklern berücksichtigt. Abschließend beurteilen die Peer-Forscherinnen
und Peer-Forschern bei einer Endevaluation die Richtigkeit und Wichtigkeit der einzelnen
Ergebnisse.
Alle Forschungsinhalte und -kriterien müssen für die Peer-Researcher verständlich und nutzbar
sein. Ebenso sollten die Datenanalyse und ihre Schlussfolgerungen entsprechend für sie in
alternativen Formen erstellt und dokumentiert werden (vgl. FULLANA, J. et al. 2016: 2). Kognitiver
Behinderung muss aber nicht bedeuten, dass die Person generell eine besondere Unterstützung
benötigt, um an der Forschung teilzuhaben.
55
Ein physischer und/oder virtueller Raum, der der Initiierung und Umsetzung innovativer Ideen dient.
156
Die Erfahrungen aus dem sozialwissenschaftlichen inklusiven Bereich haben gezeigt, dass
unabhängig davon, wie die Beteiligung von Menschen mit kognitiven Behinderungen am
Forschungsprozess gestaltet ist, die Teilnehmenden vor oder im Laufe des Projektes einen
allgemeinen Überblick über Forschung erhalten und den Forschungsprozess kennenlernen sollten,
um aktiv an der Forschung teilnehmen zu können (vgl. ebd. 2).
Ob und welche Forschungsmethoden und -instrumente dafür geeignet sind, welche es bereits gibt
und inwieweit sie für die Zusammenarbeit mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
angepasst werden können oder ob neue Methoden entwickelt werden müssen, wird im Rahmen
des LAB-Projekts "Easy Reading" gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
erarbeitet.
8.
Abb. Action Research und User-Centred (Quelle: eigene Darstellung 2019)
7.2 IPAR-UCD und Forschung und Entwicklung (F&E) als inklusiver
Prozess
Um Forschung und Entwicklung als einen inklusiven Prozess durchzuführen, bedarf es einiger
Überlegungen zu den bestehenden Anforderungen an F&E, aber auch Veränderungen. Die
gemeinsame
Arbeit,
die
Teilnahme
und
Übernahme
von
Verantwortung
für
ein
Forschungsvorhaben wie IPAR-UCD findet in aufeinanderfolgenden Schritten statt, die hier
zusammenfassend vorgestellt werden.
157
158
§
Ausgangspunkt: Die inklusive Entwicklung einer Anwendung oder eines Produktes
beginnt in der Regel mit der Erkenntnis, dass eine Teilhabe an oder mit etwas nicht
möglich ist, weil etwas fehlt und der Wunsch der User danach auftaucht oder weil etwas
nicht wie erwartet funktioniert. Man stellt sich Fragen „Warum ist das so?“, „Wie kann es
verändert werden?“, „Wer oder was kann dabei Unterstützung leisten?“. Hier ist zunächst
ganz allgemein die Mitarbeit der betroffenen User gefragt.
§
Suche nach Experten: Es wird eine Forschergruppe von Co-Forscherinnen/Co-Forschern
bzw. Peer-Forscherinnen/Peer-Forschern, akademischen Forscherinnen/Forschern,
Entwickler-innen/Entwickler und anderen gebildet. Dabei treffen im Wesentlichen zwei
Gruppen von Experten zusammen, die Experten mit dem Wissen über die Anforderungen
aus der Sicht der User und die wissenschaftlichen Experten für Entwicklung und Design.
§
Das methodische Vorgehen: Der gesamte Forschungsprozess wird, dort wo erforderlich
und möglich, den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher angemessen angepasst.
Ausgenommen sind beispielsweise Entwicklungsschritte, wie die Entwicklung in einer
Programmiersprache oder andere technische Anforderungen.
§
Gemeinsamer Projektstart: Zu Beginn findet für alle eine Einführung in das
Forschungsprojekt statt, damit jeder einen Überblick über das Projekt hat. Es geht vor
allem auch um die Bildung eines gemeinsamen Forschungsteams, in dem alle auf
Augenhöhe miteinander arbeiten, gleich welche Vorerfahrungen sie oder er für die
Forschung mitbringt. Anschließend wird die Fragestellung bzw. das Problem schrittweise
gemeinsam oder in einzelnen inklusiven Forschergruppen untersucht.
§
Die Requirementanalyse: Hier werden Anforderungen formuliert: Bei der Erkundung und
Analyse der für die Entwicklung einer Softwareanwendung relevanten Kontextfaktoren
werden beispielsweise die verschiedenen Interessen der User gesammelt und dann
gemeinsam bewertet (Requirementanalyse). Damit ist auch die Suche nach Lösungen und
Alternativen verbunden.
§
Die Entwicklung: Die Entwicklerinnen/Entwickler machen einen Vorschlag und erstellen
ggf. einen Prototyp. Die Forschergruppe mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
entwickeln hierzu eine Testumgebung/Testszenarios für die ersten Versuche der Nutzung.
Man bedient sich der User Erfahrungen/User Experience (UX), ein erweitertes Konzept
der Usability, das psychologische und physiologische Reaktionen des Benutzers (wie seine
Emotionen, Erwartungen, Erfahrungen, Präferenzen, Leistungen und Verhaltensweisen)
beinhaltet, die sich bei der Gestaltung ergeben. Die Beobachtungen und Ergebnisse
werden ausgewertet, um Verbesserungen oder weitere Entscheidungen zum Forschungsdesign treffen zu können. Es ist besonders das Expertenwissen der Peer-Forscherinnen
und Peer-Forscher gefragt. Nach dieser Phase werden ggf. die Verbesserungsvorschläge
umgesetzt.
§
Die eigentliche Versuchs- und Testphase: Die empirische Evaluation der Gebrauchstauglichkeit eines Produktes oder interaktiven Systems wird mit dem End-User in
unterschiedlichen Projektgruppen, gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und PeerForschern durchgeführt. Hier sind die Peers in der beobachtenden Rolle.
§
7.2.1
Die Implementierung der neuen Software, des Produkts oder Dienstes: Beim Einführen der
neuen Entwicklung spielen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher ebenfalls eine
entscheidende Rolle, weil sie den End-Usern aus der Peergruppe am besten vermitteln
können, wann und wie sie dies am besten benutzen und welchen Benefit sie daraus ziehen
können.
Allgemeine Anforderungen an die kollaborativen Forschung mit IPAR-UCD
Während der Forschungsphase selbst können Hindernisse auftreten. Die Verständigung auf einem
gemeinsamen Niveau ist oft ein echtes Problem für alle Beteiligten.
Alle Materialien, wie die methodischen Standards in "User Experience" und Software Engineering
(vgl. JAKOBSEN, J. /MEYER, L. 2017: 34ff.), müssen verständlich/nachvollziehbar sowie zugänglich
sein, und es sollten Methoden verwendet werden, die 'Self Advocacy' (Selbstbestimmung),
Empowerment und Verantwortung der Co-Researcher fördern (vgl. FULLANA, J. et al. 2013.: 724).
Voraussetzungen für diese Form der inklusiven Forschung und Entwicklung sind Offenheit,
Neugierde, Empathie und Interesse an einem interdisziplinäre Forschungsteam. Kollaboratives
Forschen gemeinsam mit der Zielgruppe erfordert Kommunikationsfähigkeit, angemessene
Zeitressourcen und personelle Unterstützung.
Bei der Wahl der Methoden (vgl. Teil B) ist zu klären über welche Kompetenzen die PeerForscherinnen und Peer-Forscher verfügen, z. B. bei der Kommunikation oder Schriftsprache, ob
sie in der Lage sind, unabhängig oder mit Assistenz schriftlich zu kommunizieren. Der Umgang mit
Schriftsprache ist für viele ungewohnt, ungeübt oder fremd. Menschen mit kognitiven
Behinderungen sind es eher gewohnt, in ihrem Alltag und an ihrem Arbeitsplatz mündlich (im
Dialog) zu agieren
7.2.2
Erschwernisse für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
– und Disempowerment
Die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern ist nicht immer einfach zu
organisieren. Zugangserschwernisse zum akademischen Raum bestehen u. a. durch die
Universitätsgesetze und fehlender akademischer Qualifikation. Häufig wird die Frage nach der
Wissenschaftlichkeit und Validität der Forschung mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von
akademischen Forscherinnen/Forschern gestellt. Eine weitere Frage ist, welche Rolle die mit PeerForscherinnen und Peer-Forscher bei der Zusammenarbeit einnehmen und wer wie bezahlt oder
entlohnt wird. Akzeptanz, Einfluss und die Bedeutsamkeit von Peer-Forschern sind entscheidend
für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im gesamten Forschungsprozess.
159
Beispielsweise kann die Ablehnung der Erfahrung als Expertise einer Person durch eine oder
mehrere Personen im inklusiven Forschungsteam zu Problemen führen, ebenso wie die
unterschiedlichen individuellen Ressourcen der potenziellen Peer-Forscherinnen und PeerForscher wie Unterschiede bei der Arbeitszeit und dem Arbeitstempo sowie dem
Zeitmanagement. Es kann jedoch von Vorteil sein, wenn die zukünftigen Peer-Forscherinnen und
Peer-Forscher bereits Erfahrungen mit Forschung haben. Zum Beispiel, wenn sie Wissen und/oder
Sachkenntnis zur Forschung allgemein und zum Forschungsprozess mitbringen oder wenn sie
Erfahrungen mit dem Forschungsgegenstand (Produkt) oder der Forschung haben.
7.2.3
Grenzen von alternativen Erhebungsmethoden und Befragungen
Forschung von und mit Menschen mit kognitiven Behinderungen in der wissenschaftlichen
Literatur wird sehr kontrovers diskutiert s.o. Verschiedene Studien zeigen, dass für die Erfassung
der Bedürfnis- und Interessenstrukturen sehr unterschiedliche Verfahren notwendig sind, die
methodisch und inhaltlich an der subjektiven Lebenswelt der Betroffenen ansetzen (vgl. MOISL, D.
2017). Es hat sich zudem erwiesen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Lage sind,
im Rahmen von Interviews qualifizierte Aussagen zu machen (vgl.: SCHÄFERS, M. 2008: 145.;
SCHLEBROWSKI, D. 2009: 134 f.), sodass hier auf ihre Mitarbeit zurückgegriffen werden kann. Ebenso
können andere Kompetenzen der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Berücksichtigung finden.
MOONEN erklärt hierzu, dass die Fragen vereinfacht gestellt werden müssen, da die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft einen kleineren Umfang an Vokabular oder Probleme wegen
einer Sprachbehinderung haben. Interviews könnten zwar genutzt werden, um Erkenntnisse zu
gewinnen, diese seien jedoch nicht für jede Zielgruppe anwendbar und sie sollten nicht als
eigenständige Methode verwendet werden (vgl. MOONEN, R. 2012: 19).
COONS und WATSON heben in ihren Untersuchungen hervor, dass es wichtig sei, die
Aufmerksamkeit gerade auf diese Herausforderungen zu lenken, um den Forschungsprozess zu
verbessern und Personen mit ID (Intellectual Disabilities) vollständig in den Forschungsprozess
einzubeziehen (vgl. COONS, K. / WATSON, S. 2013: 21). Im Diskurs über Behinderung, müssen
Forscherinnen und Forscher die Expertise und das Detailwissen von Personen mit ID anerkennen,
mit dem diese in der Lage sind, den Forschungsrahmen zu erweitern. Obwohl die Einbeziehung
von Personen mit ID in die Forschung, insbesondere von Menschen mit schweren oder
schwerwiegenden Behinderungen, herausfordernd sein kann, könnte dies zu Ergebnissen führen,
die zu neuen Erkenntnisse über die Zugänglichkeit liefern (ebd.).
160
Die Erfahrung, die durch die Teilnahme von Personen mit Behinderungen an partizipativen oder
emanzipatorische Forschungsprojekten gewonnen werden, könnten einen aktiven Beitrag zur
Definition ihrer eigenen Schwierigkeiten, sowie zur Lösung von Problemen leisten.
Es lässt sich beobachten, dass Menschen mit leichten und moderaten Lernschwierigkeiten eher
als Co-Forscherinnen/Co-Forscher oder als Befragte in die Forschung einbezogen werden.
Dagegen wird bisher nur in wenigen Studien versucht, Personen mit erheblichen kognitiven und
mehrfachen Behinderungen (profound and multiple learning difficulties PMLD) im inklusiven
Sinne einzubeziehen, vor allem wenn diese großen Schwierigkeiten haben zu kommunizieren. Der
Grund hierfür ist in der Regel ihre oft eingeschränkte Auffassungsgabe, und sie drücken sich oft
nur mit wenigen Worten oder Symbolen aus. Oftmals zeigen sie auch gar keine Reaktion. Ihre
Meinung oder Ansicht sind daher eingeschränkt verständlich.
In NINDS Augen ist es jedoch ethisch nicht vertretbar diese von Forschungsstudien auszuschließen
(vgl. NIND, M. 2008: 6). Sie könnten einen Einblick in ihre Erfahrungen geben und den zukünftigen
Umgang mit ihnen mitgestalten. (vgl. ebd.), hierzu müssten alternative Formen der
Prozessgestaltung gesucht werden. Nind und ihre Kollegen haben innovative multimediale
Ansätze entwickelt, um Menschen mit erheblichen kognitiven und mehrfachen Behinderungen in
die Forschung zu integrieren, Daten mit ihnen zu erheben und Ergebnisse zu präsentieren. Auch
OLLERTON zeigt, wie sich die Zielgruppe als Co-Researcher integrieren lässt (vgl. OLLERTON, J. 2012).
OLLERTON betont, dass die verwendeten Methoden für alle Beteiligten verstehbar sein sollen. Dies
geht nicht ohne Aufwand und methodischer Fantasie und Kreativität der Forschenden (vgl. ebd.).
Es eignen sich vor allem qualitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden, die am
Alltagsverständnis der Zielgruppe anknüpfen. Komplexere statistische Methoden sind schwerer
zu vermitteln (vgl. BERGOLD, J. 2013). Inklusive ebenso wie partizipative Forschung mit der
Zielgruppe erfordert von den akademischen Forscherinnen/Forschern, dass sie flexibel und
angemessen agieren, sowohl bei der Auswahl der Methoden als auch bei der Anpassung des
Verfahrens. Dies bedeutet, dass sie ihre Erwartungen an den Forschungsprozess modifizieren
müssen (vgl. COONS, K.; Watson, W. 2013: 21f).
NIEDEK beschreibt ebenfalls die Bedeutung und Grenzen von Befragungen im Forschungsfeld von
Menschen mit kognitiver und mehrfacher Behinderung und alternativen Erhebungsmethoden. Ihr
Fazit nach ihrer vergleichenden Untersuchung ist, dass die Methodenforschung und -entwicklung
in diesem Bereich trotz zahlreicher Studien noch nicht hinreichend entwickelt ist (vgl. NIEDEK, I.
2016: 5). Sie stellt fest, dass es nicht ausreicht, Menschen mit kognitiven Behinderungen zu
befragen und dabei gezielt festgelegte Frageformate und unterstützende Techniken einzusetzen.
161
Beispielsweise wenn kein oder nur ein gering ausgeprägtes Symbolverständnis mit einem sehr
geringen expressiven Wortschatz vorliegt, schlägt sie für die Erhebung alternative Methoden aus
der Aktionsforschung oder Beobachtungen vor (vgl. ebd.: 5).
NIEDEKS und Ollertons Ausführungen zeigen, dass es weniger auf die kognitiven Fähigkeiten der
befragten Person, als vielmehr auf die kreative und kommunikative Kompetenz der Person, die
die Daten erhebt, ankommt. Je geringer die kommunikativen Kompetenzen der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer, desto höher sind die Anforderungen an eine sorgfältige und angemessene
Analyse des später vorliegenden Datenmaterials. Freie Interpretationen sind zu vermeiden. Sie
müssen vielmehr aus dem Material belegt und präzise abgeleitet werden. Hierzu sollten sich die
Auswertungen nicht ausschließlich auf den Inhalt beziehen, sondern sie müssen die
'Produktionsbedingungen' und 'Produktionsprozesse' der Aussagen mitberücksichtigen. Inklusive
Forschung kann gerade diesen Prozess bestärken (vgl. ebd.).
Unterstützende Techniken
Unterstützende Techniken wie entsprechende Frageformulierungen, Netzwerkkarten, narrative
Landkarten, Bild oder Fragekarten, Fotos, 'Talking Mats'56 oder andere Kommunikationshilfen
können helfen, ein Gesprächsthema zu fokussieren und den Gesprächsverlauf zu visualisieren.
Aber auch mit derartigen Techniken benötigt die befragte Person ein Mindestmaß an Fähigkeiten
zur symbolischen Kommunikation, da die unterstützenden Techniken nicht grundsätzlich die
Verständlichkeit der Frage erhöhen.
Dazu gehören vor allem pragmatische und semantische Fähigkeiten der Interviewer, sowie ein
rezeptiver und expressiver Wortschatz, je nachdem, welche Kommunikationsformen die
interviewte Person im Alltag benutzt. Die Praxiserfahrungen haben gezeigt, dass es für die
Interviewer wichtig ist, den Umgang mit solchen Techniken im Vorfeld zu erlernen.
7.3 Autonomie und Empowerment – Potenziale von IPAR-UCD nutzen
Das ursprüngliche Empowerment-Konzept aus den USA ist darauf ausgerichtet, Menschen zu
befähigen, sich auf ihre eigenen Stärken zu berufen und Selbstbestimmung und Autonomie zu
erlangen. „Empowerment bedeutet Selbstbefähigung und Selbstbemächtigung, Stärkung von
Eigenmacht, Autonomie und Selbstverfügung“ (vgl. HERRIGER, N. 2002: 18).
56
Talking Mats ist eine Methode zur Gesprächsstrukturierung, die bei Menschen mit Kommunikationsproblemen eingesetzt werden kann. Damit sollen die Betroffenen dabei unterstützt werden, ihre
Meinungen und Wünsche zu Themen zu äußern, die ihnen wichtig sind.
162
Dieser Ansatz aus der sozialen Praxis soll Menschen zur Entdeckung eigener Stärken ermutigen,
ihre Ressourcen fördern und personale Kompetenzen (weiter-)entwickeln. Er gibt Hilfestellungen
bei der Aneignung von Selbstbestimmung und Lebensautonomie (vgl. ebd.). Dadurch erfahren die
Betroffenen zunehmend mehr Authentizität und Identität (vgl. EDLER, C. 2014).
IPAR-UCD als inklusives Verfahren, erweitern nicht nur den Erfahrungshorizont und Lebensraum
der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern rund um das Projekt. Wie bei anderen inklusiven
Forschungsprojekten kann man davon ausgehen, dass sich mit IPAR-UCD auch Autonomie und
Empowerment bei den Beteiligten entfalten kann. Dieses Empowerment konkretisiert sich durch
Autonomie beim Zugang zu gewünschten Informationen, intensiver (aufgabenbezogener)
Kommunikation mit dem Forschungsteam und bei der Mitbestimmung der Gestaltung der
Arbeitsabläufe.
Welche Eigendynamik Empowerment hierbei entwickelt und wie 'Authentizität' und 'Identität' bei
Menschen mit kognitiven Behinderungen an Bedeutung gewinnen kann, wird in der
nachfolgenden Darstellung aufgezeigt.
9.
7.3.1
Abb. Empowerment IPAR-UCD (Quelle: eigene Darstellung 2018)
Autonomie als Authentizität- und Identitätsorientierung
Authentizität für sich selbst herzustellen ist für die Personen aus der Zielgruppe nicht
selbstverständlich, denn viele werden in ihrem Leben in hohem Maße von anderen Personen und
Bedingungen bestimmt und zu dem gemacht, was sie sind – stärker als von sich selbst.
Bei Menschen mit kognitiver Behinderung dominiert nach wie vor eine Grundhaltung aus
multiplen Fremdperspektiven (vgl. SCHUPPENER, S. 2010: 330).
163
Selbst sein zu können oder authentisch und echt zu sein bedeutet, dass das tägliche Leben mit den
eigenen Wünschen und Vorstellungen übereinstimmt. Menschen mit Behinderungen haben
natürlicherweise wie jeder Mensch den Wunsch, in Übereinstimmung mit sich selbst zu leben (vgl.
EDLER, C. 2014: 132 ff.). Nur wenn dieses Ich-Bewusstsein vorhanden ist, kann eine Person
authentisch handeln.
Die Authentizität hängt stark mit dem Selbstkonzept und der Identität einer Person zusammen. Es
geht dabei um die Frage nach dem Selbst – 'wer bin ich? ' – sowie um die Frage der Abgrenzung
zum anderen. Das Erleben von Identität ist die bewusste Erfahrbarkeit und Auseinandersetzung
mit dem eigenen Selbst, welches von persönlichen Voraussetzungen und Interessen abhängig ist
(vgl. BURMANN, C./ SCHALLEHN, M. 2010: 23)
„Authentizität bedeutet nichts anderes als das Verhältnis von Entwurf und Realität eines
Menschen. Wenn das zusammenpasst, wenn jemand „in Übereinstimmung“ mit sich selbst
lebt, dann sprechen wir von authentischer, Existenz“ (ebd.: 23).
Gewöhnlich durchläuft der Mensch als Mitglied sozialer Institutionen wie Familie, Schule, PeerGroup, Betrieb und durch die Medien vermittelt unterschiedliche Lern- und Identifikationsprozesse und erwirbt so die vom sozialen Umfeld geforderte Wertorientierung und
Verhaltensmuster zur Handlungs- und Funktionsfähigkeit.
Authentizität- und Identitätsorientierung sind beide für Menschen mit kognitiven Behinderungen
in Bezug auf ihr Empowerment und Selbstverwirklichung von Bedeutung. Authentizität ist ein
Ausdruck für selbstbestimmtes Leben und Autonomie. Die Autonomieerfahrungen bewirken bei
den Betroffenen Selbstbewusstsein und Offenheit gegenüber Neuem.
„Autonomie kann nur dadurch gefördert werden, dass Situationen geschaffen werden, in
denen Menschen sich als autonom erleben. Das heißt, es sind weniger die Inhalte als die
Strukturen der Interaktion in den Bildungsmaßnahmen [...], die darüber bestimmen, ob hier
ein autonomieförderndes Potenzial zum Tragen kommt“ (KATZENBACH, D./UPHOFF, G. 2008 S.
78).
Beispiel aus dem Forschungsprojekt:
Im Projekt »Easy Reading« zum Beispiel erhält eine teilnehmende Peer-Forscherin die Möglichkeit
bei unterschiedlichen Forschungsaufgaben selbständig zu arbeiten und zu interagieren und
hierbei neue Erfahrungen in Bezug auf Selbständigkeit und Verantwortung für ihre PeerForschungsgruppe zu sammeln.
Sie erlebt dabei eine neue Eigenständigkeit und Unabhängigkeit und dadurch eine neue subjektive
Bedeutsamkeit ihrer Person, die ihren Ursprung in der eigenen Selbstwahrnehmung und bewertung hat. Ihre eigenen Grenzen werden ihr bewusst und sie lernt damit umzugehen.
164
Als Phänomen der begleitenden Forschungsanalyse fällt auf, dass diese Peer-Forscherin
zunehmend unabhängiger agieren kann und dabei ihre individuellen Handlungsmöglichkeiten
erweitert, sowohl ihre digitalen Kompetenzen, da sie Zugang zu unterschiedlichen digitalen
(End-) Geräten hat, als auch die kommunikative Kompetenz über sprachliche Grenzen hinweg,
indem sie sogar in einem einfachen Englisch mit ihr bisher fremden Personen kommuniziert Die
Erfahrung, die die Teilnehmerin dabei sammelt, ist sozusagen eine neue Erfahrung der eigenen
Autonomie, eine Autonomieerfahrung.
Durch die aktive Beteiligung und 'Zumutungen' im Arbeitsalltag lässt sich bei den PeerForscherinnen und Peer-Forschern verstärkt eine Authentizität- und neue Identitätsorientierung
feststellen. Dies soll in der folgenden Darstellung noch einmal verdeutlicht werden (vgl. EDLER, C.
2014: 134-137).
10. Abb. »Autonomieerfahrung von Menschen mit kognitiven Behinderungen« (Quelle: eigene Darstellung 2018)
7.3.2
Empowerment durch IPAR-UCD
Empowerment kann bei IPAR-UCD sowohl als Prozess als auch als ein Ziel der inklusivenpartizipativen Aktionsforschung (IPAR) verstanden werden.
Inwieweit sich dabei Interaktionsmöglichkeiten durch inklusive-partizipative Forschungsstrategien entwickeln, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer langfristig autonom
interagieren können, wird hier nicht untersucht. Schwerpunkt liegt zunächst auf der Gestaltung
und Unterstützung der Interaktion.
Die Teilnahme der Zielgruppe an IPAR-UCD bedeutet, dass Forschung und Entwicklung nicht über
Menschen, sondern methodisch mit ihnen geplant und durchgeführt wird. Während der einzelnen
Aktionen geht es um konkrete Problemlösungen für Forschung und Entwicklung.
165
Indem sie mitreden und gehört werden sollen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in die
Lage versetzt werden, bewusst auf ihre eigenen Bedürfnisse Einfluss zu nehmen. Dabei werden
sowohl individuelle als auch gruppenbezogene Prozesse angeregt und bei Bedarf unterstützt, um
so Empowerment zu ermöglichen. Schon allein die Teilnahme kann eine persönliche
Entwicklungschance für die/den Einzelnen bedeuten. Die daraus entstehenden Rollenveränderungen können zu einem ganz persönlichen Empowerment beitragen (vgl. GOEKE, S. 2012).
BERGOLD stellt fest, dass Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher durch den Prozess eine
Anerkennung ihrer Kompetenzen erfahren und sie sich in diesem Rahmen weitere Kompetenzen
aneignen können, die es ihnen in der Zukunft ermöglichen, anders oder besser zu reflektieren, zu
argumentieren und sich frei zu äußern (vgl. BERGOLD, J. 2013: 6).
CUMMING berichtet aus ihrer Studie mit Menschen mit kognitiven Behinderungen zum Thema
»Mobile Technology«:
„Martin (2006: 126) definiert Empowerment als "ein echtes Mitspracherecht bei
Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen". Ermächtigung ist nicht etwas, was man
plötzlich eines Tages hat." Diese Definition eignet sich besonders für diese inklusiven
Forschungsstudien, da eine Person mit geistiger Behinderung sie selbst entwickelt hat und
es den Autoren ermöglichte, ihre Studie mit der inklusiven Brille zu betrachten.“
(Cumming, T. et al. 2014: 12).
7.4 Gütekriterien und Qualitätssicherung – Strategien der
Geltungssicherung von IPAR-UCD
In der inklusiven-partizipativen Forschung werden zunächst die bekannten Erhebungs-, Analyseund Auswertungsverfahren der Sozialwissenschaften wie die Methoden des User-Centred Design
genutzt. Während in der quantitativen Forschung die sogenannten Gütekriterien wie Reliabilität,
Validität und Objektivität unbestritten sind (vgl. SCHNAPP et al. 2006: 17), ist die Situation in der
qualitativen Forschung nicht so eindeutig. Die Uneinheitlichkeit der Gütekriterien ist in der Vielfalt
der qualitativen Methoden und in unterschiedlichen Forschungsansätze begründet. Das Feld der
Methoden vom Interview bis zur teilnehmenden Beobachtung erstreckt sich weit.
Eine einheitliche Position, ähnlich der in der quantitativen Forschung, ist daher nicht abzusehen
(vgl. FLICK, U. 2007: 188f.; LÜDERS, C. 2011). Im Gegensatz zur quantitativen Forschung kann es
hierbei nicht um Überprüfbarkeit gehen, da die Replikation aufgrund der begrenzten
Standardisierbarkeit nicht möglich ist (vgl. ebd.)
166
STEINKE spricht sich für die Etablierung eigenständiger Gütekriterien für die qualitative Forschung
aus, die jeweils für die eingesetzte Untersuchungsmethode abgewägt werden müssen (vgl.
Steinke, I. 2010: 322f.). Zentralen Gütekriterien qualitativer Forschung sind nach ihr, die
„Indikation der methodischen Vorgehensweise, die empirische Verankerung der gewonnenen
Theorie in den Daten, das Aufzeigen der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse und die Herstellung
Intersubjektiver Nachvollziehbarkeit“ (STEINKE, I. 2007: 187).
BERGOLD und THOMAS weisen ebenfalls darauf hin, dass es für die integrative partizipative
Forschung und Entwicklung erforderlich sei, eigene, angepasste Qualitätskriterien bzw.
Gütekriterien zu entwickeln. Diese sollten den allgemeinen Gütekriterien der Forschung und
insbesondere der qualitativen Forschung entsprechen. (vgl. BERGOLD, J./ THOMAS, S. 2010: 342).
Um IPAR-UCD als Forschungskonzept zu etablieren, wurde das Thema Gütekriterien von Anfang
an berücksichtigt. Für die Qualität von Forschungsprozessen und Forschungsergebnissen im
Zusammenhang mit IPAR-UCD werden hier folgende Gütekriterien vorgeschlagen:
§
Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses,
§
Validität, Reliabilität und Glaubwürdigkeit der Daten,
§
Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit,
§
Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und
Forscher
Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses
Die Angemessenheit des qualitativen Vorgehens wird durch die Fragestellung des Gegenstandes
der
inklusiven-partizipativen
Forschung
und
Entwicklung,
User-Centred
Design
und
Empowerment geprägt.
Zum Beispiel: Bei der Forschung und Entwicklung für und mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen im LAB »Easy Reading« gehen wir davon aus, dass bei der Entwicklung von
individualisierten und personalisierten Funktionalitäten der interaktiven Schnittstellen ein inklusiv
zusammengesetztes Forschungsteam unverzichtbar ist, da die künftigen User die eigentlichen
Experten ihrer Sache sind.
Die Kombination der zwei etablierten Forschungsansätze IPAR und UCD mit der Beteiligung von
Menschen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher – und nicht
nur als Subjekte oder Befragte (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON, K. 2003) – bedeutet Ergänzungen zur
Verbesserung des User-Centred Designs.
167
Die forschenden Beteiligten, Entwicklerinnen und Entwickler sowie Peer-Forscherinnen und PeerForscher gehen bei IPAR-UCD zunächst von ihren eigenen Annahmen und Vorkenntnissen aus.
Durch die Kombination verschiedener Methoden wie teilnehmender Beobachtung, Interview oder
anderer gestalterischer Verfahren und durch die Vergleichsmöglichkeiten verschiedener
Projektgruppen wird ein tieferes Verständnis für das Forschungsanliegen bzw. den
Forschungsgegenstand möglich (vgl. FLICK, U. 2000: 311). Die Daten und Erkenntnisse werden im
Projektverlauf gemeinsam mit der Zielgruppe aus unterschiedlichsten Perspektiven diskutiert.
Entsprechend angewendeten Verfahren und Methoden sollen dabei helfen, die Wahrnehmung
bei der Datenauswahl und -analyse zu strukturieren (vgl. BREUER F. 2010: 51 ff.).
Im Forschungsprozess selbst bezieht sich daher die Angemessenheit auf:
§
die Begründung der Entscheidungen unter besonderer Berücksichtigung der
Problemangemessenheit,
§
den sorgfältigen Umgang mit den Äußerungen des gesamten Forschungsteams,
§
die angewendeten Erhebungs- und Auswertungsmethoden (Waren diese den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern entsprechend angepasst?).
Validität, Reabilität und Glaubwürdigkeit der Daten
Qualitative Forschung kann ohne die Bewertungskriterien Validität, Reabilität und
Glaubwürdigkeit der Daten nicht bestehen, weil sonst der Vorwurf der Beliebigkeit und Willkür im
Raum stehen könnte. Validität und Glaubwürdigkeit der Aussagen/Informationen von Menschen
mit Lernschwierigkeiten werden jedoch immer wieder infrage gestellt. Diese Problematik wurde
bereits im Kapitel 4 (Ethische Handlungsorientierungen) diskutiert und widerlegt.
Wie bereits erwähnt haben EMERSON et al. festgestellt, dass viele Menschen mit kognitiven
Behinderungen durchaus in der Lage sind, zuverlässige, unvoreingenommene und gültige
Aussagen zum Beispiel über ihre Gefühle, wie über subjektive Lebensqualität, Selbstwertgefühl
und Gesundheit zu machen. Es scheint jedoch wichtig, gewisse Einschränkungen der Befragten zu
berücksichtigen.
Zunächst kommt es hierbei auf die Frage- bzw. Antwortformate an. Wenn Informationen
ausschließlich durch Selbstauskunft erlangt werden, können Menschen mit kognitiven
Behinderungen aufgrund von Verständnis- und Kommunikationsschwierigkeiten sehr schnell
ausgeschlossen werden (vgl. EMERSON, E. et al. 2013: 333).
Auch ist bei einigen auf Grund von Einschränkungen in Bezug auf Verständnis (z. B. Erkennen der
Bedeutung der Fragen), kognitive Verarbeitung (z. B. Abrufen, Ordnen oder Vergleichen von
Informationen) und Ausdruck (z. B. Artikulieren einer Antwort) die Gewinnung von Informationen
aus einer Selbstauskunft unrealistisch.
168
Im Hinblick auf die Reliabilität von inklusiver-partizipativer Forschung hat sich immer wieder
gezeigt, dass eine Fragestellung nicht alleine auf einem bestimmten methodischen Verfahren
beruhen sollte (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 169). BERNASCONI spricht von einem Mixed Methods
Design und von Triangulation. Die methodischen Angaben sind entsprechend transparent und
empirisch überprüfbar zu machen.
Durch die Mitarbeit von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern als End-User in der Forschung
und Entwicklung, wie im Projekt »Easy Reading«, wird eine höhere Validität der
Forschungsergebnisse erwartet und die Anzahl systemischer Fehler verringert.
Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
Um den Forschungsprozess nachvollziehen und die entstandenen Ergebnisse entsprechend (auch
nach eigenen Maßstäben) beurteilen zu können, sollten Vorverständnis und damit
zusammenhängende Erwartungen, die Methoden sowie die Daten und die systematische
Reflexion des Forschungsprozesses dargelegt werden.
Da IPAR-UCD die Methoden(-weiter-)entwicklung immer in die Forschung einbezieht, muss der
gesamte Prozess angemessen dokumentiert und erläutert werden. Das betrifft alles, von der
Begründung für die gewählten Verfahren und deren Adaption im Rahmen der Studie bis hin zu der
konkreten Umsetzung der Forschungsarbeit. Ebenso muss nachvollziehbar sein, wie die Daten
ausgewertet und interpretiert werden. Zur empirischen Verankerung des Forschungsergebnisses
gehört, dass der Forschungsprozess nachvollziehbar und wiederholbar ist. Die Transparenz und
Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses wird durch eine lückenlose Dokumentation
gewährleistet und macht die Qualität der Datenerhebung und des Datenmaterials überprüfbar.
Zur Transparenz in der inklusiven Forschung gehört ebenso, dass die Peer-Forscherinnen und
Peer-Forscher als Co-Autoren namentlich genannt werden und dass die Ergebnisse für sie auch in
leichter verständlicher Sprache vorliegen (vgl. WALMSLEY, J./ JOHNSON, K. 2003: 216 ff.).
Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und
Forscher
Der Anspruch der reflektierten Subjektivität als Forscher wird im qualitativen Forschungsansatz
als Grundprinzip angesehen und stellt ein weiteres Qualitätskriterium dar (vgl. FLICK, U. 2005: 19;
STEINKE, I. 2010: 330 f.).
Das Merkmal der reflektierten Subjektivität steht für das Ausmaß, in dem die konstitutive Rolle
der Subjektivität von den Forscherinnen und Forschern bei der Theoriebildung reflektiert wird.
Unger v. sieht in Bezug auf Selbstreflexivität auch in der Auseinandersetzung mit Konflikten einen
Indikator für die Qualität einer partizipativen Zusammenarbeit (vgl. UNGER V., H. 2014: 85).
169
170
Teil B
Das IPAR-UCD Konzept
Inclusiv Participatory Action Research and User-Centred Design
– Ergebnis des Design Based Research Prozesses (DBR) –
Nutzerorientierte Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste und
Usability-Evaluation gemeinsam mit Personen mit kognitiven Behinderungen als
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Sinne von Inclusive Participatory Action
Research
171
172
1 Einführung
IPAR-UCD (Inclusive Participatory Research –
User-Centred Design) ist ein neues
Forschungskonzept im Bereich Forschung und Entwicklung zur Gestaltung interaktiver digitaler
Medien und Dienste gemeinsam mit Menschen mit kognitiven Behinderungen. Im Sinne von
Inclusive Participatory Action Research und User-Centred Design soll es hierbei um die Forschung
für und mit Personen mit kognitiven Behinderungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, gehen.
Das bedeutet, dass die Zielgruppe als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in die Forschung und
Entwicklung integriert wird, um eine bessere kognitive Zugänglichkeit (Cognitive Accessibility) bei
der Optimierung oder Neuentwicklung von interaktiven Produkten oder Schnittstellen zu
erreichen.
User Centered Design (UCD) ist hierzu der Prozessrahmen (der nicht auf Interfaces und
Technologien beschränkt ist), der den Bedürfnissen, Wünschen und Grenzen der End User in jeder
Phase des Design-Prozesses größtmögliche Aufmerksamkeit schenkt.
Partizipative und/oder inklusive Forschung, wie beispielsweise IPAR (inklusive partizipatorische
Aktionsforschung, vgl. Ollerton, J. 2013), sind bereits Forschungsansätze in den Sozialwissenschaften, bei denen Menschen mit Lernschwierigkeiten über den gesamten
Forschungsprozess hinweg eine aktiv gestaltende Rolle einnehmen (vgl. BUCHNER, T. et al, 2016).
Sie werden bisher in erster Linie als Forschungsansatz im Gesundheitsbereich oder Forschung über
Lebenswelten von Menschen mit kognitiven Behinderungen eingesetzt.
Das neue Konzept IPAR-UCD will die Zielgruppe bei der Gestaltung und Durchführung von
Forschung und Entwicklung, bei Dingen, die sie selbst betreffen mit einzubeziehen und über sie
und ihre auf unterschiedliche Weise erlebten Erfahrungen mit ihnen gemeinsam neues Wissen zu
erzeugen (vgl. NIND, M. 2017). Dieses Konzept wurde für das EU-Projekt H2020 »Easy Reading«
vorgeschlagen, eingesetzt und innerhalb des Projektes im Sinne von Design Based Research
gemeinsam mit dem inklusiven Forschungsteam weiterentwickelt. Es soll daher ein klarer
konzeptioneller Rahmen entwickelt werden, der die inklusive Forschung und deren
Durchführbarkeit für bestimmte Forschungsfragen unterstützt.
Die Herausforderung und Frage hierbei war: Wie lassen sich Menschen mit kognitiven
Behinderungen durch ein inklusives Entwicklungs- und Forschungskonzept in Anlehnung an IPAR
(vgl. OLLERTON, J. 2013) in die Forschung und Entwicklung (F&E), in dem Anwendungsfeld MenschComputer-Interaktion (HCI) und User-Centred Design (UCD) als Peer-Forscherinnen und PeerForscher, quasi als Experten in eigener Sache, sinnvoll einbeziehen?
173
2 Der Design Based Prozess als Progress für
IPAR-UCD
2.1 Die Innovationsidee – IPAR-UCD als Forschungsmethodik
Das vorläufige IPAR-UCD Konzept wird im Verlauf des Projekts »Easy Reading« im Sinne von
Design-Based Research (DBR) als Intervention eingesetzt. Auf diese Weise sollen die Peers auch
an der Methodenentwicklung für Forschung und Entwicklung beteiligt werden, wodurch sowohl
diese als auch das eigentliche Forschungsergebnis im Interesse der Zielgruppe verbessert werden
können.
Hierzu ist anzumerken, dass die Entwicklung eines Forschungskonzepts keine typische
Anwendung von DBR ist, aber im Sinne von DBR und empirischer Forschung wird so nach neuen
Erkenntnissen durch systematische Auswertung der Erfahrungen gesucht, um diese dann
umsetzen zu können (vgl.: BORTZ, J./ DÖRING N. 2006: 2). Die Frage, die sich stellt, ist: Wie kann hier
Sozialwissenschaft die Praxis von Entwicklung und Forschung unterstützen?
In dieser Arbeit wird für die Teilnahme von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern in der
Forschung und Entwicklung argumentiert. Ziel ist es, neue Zugänge zu beschreiben und die
Überwindung von Barrieren zu ermöglichen, so auch Zugänglichkeit zu Räumen und Materialien,
barrierefreie Forschungswerkzeuge, verständliche Sprache etc. zu gewährleisten. Es soll aber auch
gefragt werden: Wie lassen sich Ergebnisse qualitativer Forschung in Entwicklungsprojekten der
Informationstechnologie anschlussfähig kommunizieren? Hier geht es darum, Ansätze für eine
Handlungsempfehlung (anschlussfähige Darstellungsformen qualitativer Ergebnisse) zu sammeln
und zur Diskussion zu stellen.
Bei Betrachtung des State of the Art (Kapitel 6) lässt sich die Forschungslücke erkennen. Es kann
festgestellt werden kann, dass sich bei inklusiver Forschung die Forschungssettings
unterschiedlich gestalten. Es gibt es bislang kaum theoriebasierte Forschungsansätze in der
inklusiven Forschung, bei denen Menschen mit kognitiven Behinderungen beteiligt werden.
FASCHING UND BIEWER stellen fest, dass sich wissenschaftliche Fundierung bisher häufig auf
Argumentationen beschränkt und methodologische Grundlegungen und geeignete Konzepte
fehlen. Entsprechend empfehlen sie (2014) für »Wissenskonstruktionen mit Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung in der Bildungswissenschaft« die Verbindung von Grounded
Theory und partizipativer Forschung.
174
Durch die Verknüpfung von IPAR und UCD zu IPAR-UCD werden neue methodologische Positionen
und methodische Schritte nötig, die in den vorherigen Kapiteln beschrieben wurden. Mit dem
Ansatz von Design-Based Research soll nun untermauert werden, dass es sich bei der empirischen
Anwendung von IPAR-UCD um eine fundierte theoriebasierte Forschungsstrategie handelt. Auf
Basis der LAB-Studie im Projekt »Easy Reading« wird der Forschungsbereich Forschung und
Entwicklung für die Zielgruppe neu erschlossen.
Der hierzu gewählte qualitative Forschungsansatz wird nach Flick die Perspektive der Beteiligten
in ihrer Vielschichtigkeit erfassen. Somit ist der Anspruch nach größtmöglicher Offenheit
gegenüber dem Forschungsgegenstand und seiner Komplexität angemessen (vgl. FLICK, U. 2012:
82 f.). Anhand der Darstellung des methodischen Vorgehens wird die Übertragbarkeit des
vorgestellten Ansatzes auf weitere Anwendungen transparent gemacht (vgl. DIAZ-BONE, R. 2002:
181 f.).
2.2 Forschungsfragen zum DBR-Prozess
Dem Ansatz von Design-Based Research entsprechend werden folgende Forschungsfragen
zugrunde gelegt.
1. Welche Unterschiede zeigen sich bei der Nutzung eines inklusiven multimodalen
Forschungsansatzes zu anderen Forschungsansätzen in der Forschung und Entwicklung?
2. Lassen sich anhand der Aktivitäten Typisierungen hinsichtlich der vorgeschlagenen
Forschungsmethoden vornehmen? An welchen Stellen sind Anpassungen notwendig?
3. Welche Schlussfolgerungen für die Gestaltung sowie für den Einsatz von inklusiven
Forschungsmethoden lassen sich aus den Ergebnissen dieses Konzeptes ableiten?
Im Folgenden wird zunächst für den DBR-Ansatz argumentiert und anschließend die konkrete
Umsetzung des DBR vorgestellt, anhand dessen sich Antworten auf die Forschungsfragen ergeben.
2.3 Abgrenzung des Design-Based Research Ansatzes zu anderen
prozessbegleitenden und praxisorientierten Ansätzen
Design-Based Research
Design-Based
Research
(DBR),
früher
im
angelsächsischen
Bereich
auch
Design
Experiments genannt, ist ein relativ offenes Forschungskonzept wobei es Überschneidungen zu
anderen Forschungs-ansätzen gibt.
Für Design-Based Research existieren unterschiedliche Prozessmodelle von unterschiedlichen
Autoren (vgl. MCKENNEY/REEVES 2013: 12), die sich zwar in der Zahl und begrifflichen Bezeichnung
der Phasen unterscheiden, in ihrer Grundstruktur jedoch eine hohe Affinität zueinander
aufweisen.
175
Bzgl. der Vielfalt stellen MCKENNEY UND REEVES diese Gemeinsamkeiten fest:
§
Die Designforschung auf dem Gebiet der Bildungsforschung liefert wissenschaftliche
Erkenntnisse (und in einigen Fällen auch praktisches Handwerkszeug für die
Teilnehmer);
§
Obwohl sich Terminologie und Inhalte unterscheiden, lassen sich hier drei Phasen
unterscheiden: eine Analyse-/Orientierungsphase, eine Design-/Entwicklungsphase und
eine Evaluierungs-/Retrospektivphase; die während der Laufzeit eines Projekts wieder
aufgegriffen werden;
§
Die Bildungsdesignforschung ist bestrebt, sowohl Interventionen in der Praxis als auch
wiederverwendbares Wissen zu entwickeln. (vgl. MCKENNEY, S./REEVES, T.C. 2013: 12)
Design-Based Research ist eine Forschungsrichtung, in der die iterative Entwicklung von Lösungen
für praktische und komplexe (Bildungs-) Aufgaben den Rahmen für die wissenschaftliche
Untersuchung bildet. Diese Lösungen können Lehrmaterialien, Prozesse, Programme oder
Konzepte sein. DBR als Designforschung zielt nicht nur auf die Lösung bedeutender Probleme ab,
mit denen Bildungspraktiker konfrontiert sind, sondern versucht auch, neues Wissen zu
entdecken, das die Arbeit von anderen mit ähnlichen Aufgaben beeinflussen kann (vgl. ebd.).
Dabei
ist
der
theoretische
Entwicklungsansatz
in
enger
Zusammenarbeit
mit
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern und Praktikerinnen/Praktikern unerlässlich (vgl. Teil A).
Aufgrund dieses Lösungsansatzes scheint DBR als Instrument besonders für die Konzeptionierung
dieses inklusiven Forschungs- und Entwicklungsansatzes geeignet.
Aktionsforschung
Auch die Aktionsforschung ist eine Methode zur Erforschung und gleichzeitig zur Veränderung.
Der Begriff Action Research wurde in den 1940er-Jahren von KURT LEWIN geprägt (LEWIN 1946).
Sie „konzentriert sich auf soziale und politische Themen und arbeitet auf konkrete Veränderungen
in der Praxis hin; speziell die Situation von benachteiligten Gruppen soll dadurch transparent
gemacht und verbessert werden.
Aktionsforschung beteiligt die Betroffenen weitgehend am Forschungsprozess und behandelt sie
als gleichberechtigte Experten bei der Entscheidung von inhaltlichen und methodischen Fragen.“
(BORTZ, J.; DÖRING N. 2006: 343). Bei der Aktionsforschung ist die Zielgruppe, die von
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern untersucht werden soll, nicht bloße Informationsquelle,
sondern Forscherin und/oder Forscher begeben sich gemeinsam auf die Suche nach
Erkenntnissen. Es sollen praktikable Lösungen für bestimmte komplexe Zusammenhänge
gefunden werden. Ein wesentliches Merkmal der Aktionsforschung besteht weiterhin darin, dass
sie theorientwickelnd ist (vgl. MOSER H. 1977: 11-17).
176
Prozessbegleitende Evaluation
Ebenso wie die Aktionsforschung gehört die Evaluationsforschung zu den Handlungsforschungen.
Sie bedient ebenfalls verschiedener Untersuchungsmethoden, die die Möglichkeit bieten,
Handlungen und Aktivitäten anhand von Werten, Kriterien und Standards zu beurteilen.
Gleichzeitig ist die Evaluierung auch eine Praxis um bestehende oder neu entwickelte Projekte,
Prozesse, Maßnahmen oder Funktionseinheiten zu überprüfen und ggf. anzupassen sowie zu
optimieren. Eine prozessbegleitende Evaluation hilft beispielsweise einen Organisationsentwicklungsprozess zu unterstützen, indem sie Hinweise auf Fortschritte, Anpassungsbedarfe
und Lernpotenziale der Organisation gibt.
Die Unterscheidungen
Bei allen drei vorgestellten Ansätzen können unterschiedliche Methoden und unterschiedliche
Daten in einer Triangulation entsprechend kombiniert werden (vgl. BORTZ, J./ DÖRING, N. 2006: 365;
GORARD, S. TAYLOR, C. 2004: 43 ff.). Nachfolgend werden daher Unterscheidungen der drei
prozessbegleitenden Forschungsansätze mit ihrem engen Praxisbezug aufgezeigt:
Tabelle 1 : Unter scheidu ng der verschiedenen pro zessbegleitenden
Forschungsansä tze
Aktionsforschung–
Handlungsforschung
Gemeinsamkeiten
enger Praxisbezug
prozessbegleitend
Inhalte und Ziele
Ermöglichung einer
theoretisch inspirierten
Veränderung;
Ziel ist, an konkreten
Problemen aus der Praxis
anzusetzen und direktes
soziales Handeln zu
ermöglichen – Situatives
Vorgehen;
Die Entwicklung der
Intervention ist das
Ergebnis;
Handlungsorientierung
formative oder
prozessbegleitende
Evaluation
enger Praxisbezug
prozessbegleitend
Bewertung bzw.
Begutachtung von
bestehenden oder neu
entwickelten Projekten,
Prozessen/Maßnahmen
oder Funktionseinheiten
während der laufenden
Intervention;
Design-Based Research
enger Praxisbezug
prozessbegleitend
Entwicklung von
Theorien und Rahmen
für die Konzeption von
Lernen, Instruktion,
Designprozessen und
Bildungsreformen;
die Entwicklung der
Intervention ist vorgelagert,
- Instruktives Vorgehen;
Entwicklung einer
theoretisch inspirierten
Intervention ist selbst
Bestandteil der
Forschung;
Produktorientierung
Prozessorientierung
177
Aktionsforschung–
Handlungsforschung
Charakterisierung der
Forschung,
Sozialwissenschaftlichmethodisches Vorgehen;
Partizipation (auch im
Sinne politischer
Partizipation);
Ziele
Forschungsziele,
Forschungssetting und
Forschungsprozess, sowie
die unterschiedlichen
Rollen aller Beteiligten
sind transparent;
Forscher und Teilnehmer
(Co-Forscher) versuchen
gemeinsam, die
untersuchten Probleme
und Fragestellungen zu
klären und zu lösen;
Befunde/Ergebnisse
178
formative oder
prozessbegleitende
Evaluation
Design-Based
Research
Die Maßnahme wird in
regelmäßigen Abständen
von Forschern
(quantitativ) untersucht
und es werden
Zwischenresultate
erhoben, mit dem Ziel, die
laufende Maßnahme
anzupassen und zu
optimieren;
Der grundlegende
Prozess besteht darin,
Lösungen (sogenannte
"Interventionen") für
Probleme mit den
Anwendern zu
entwickeln, die im
Anschluss im
Praxisfeld erprobt
werden;
Es werden vorher
festgelegte Verfahrensschritte verwendet, die
nicht mehr verändert
werden;
Die Ergebnisse werden
analysiert, um ggf.
Anpassungen
vorzunehmen
(Iteration);
Befragung, Monitoring,
Test, Fragebogen oder
Analyse der Beobachtung
findet außerhalb der
Intervention statt;
Die Aktionsforschung
sieht eine enge
Kooperation zwischen
Wissenschaft und Praxis
bei der Entwicklung des
Forschungsansatzes, der
Durchführung der
Untersuchung und der
Ergebnisauswertung vor;
Bei der formativen
Evaluationsforschung
werden zunächst die
Daten methodisch
erhoben und systematisch
dokumentiert: die
Untersuchung, das
Vorgehen und letzlich die
Ergebnisse;
Sie will die Entwicklung
beschreiben oder
erklären;
Auf diese Weise wird
versucht über eine
Maßnahme subjektive
Eindrücke von Betroffenen
zu erhalten, um diese ggf.
anzupassen, die dann
wiederum mit den
Betroffenen evaluiert
werden können;
Unter realen
Bedingungen werden
während des
gesamten
Forschungsprozesses
Erfahrungen und
Zwischenergebnisse
mit Co-Forschern auf
das Forschungsvorhaben hin
reflektiert, um
gegebenenfalls das
Design anzupassen;
Hierbei geht es um
Objektivität,
Zuverlässigkeit und
Gültigkeit der
Ergebnisse;
Aktionsforschung–
Handlungsforschung
formative oder
prozessbegleitende
Evaluation
Design-Based Research
Empirie
Das induktive Vorgehen
steht im Vordergrund,
dennoch sollen die
Ergebnisse intersubjektiv
überprüfbar sein;
Die Ergebnisse sollen
nachvollziehbar und
überprüfbar sein;
Objektivität,
Zuverlässigkeit und
Gültigkeit der
Ergebnisse bestimmen
das gesamte Vorgehen;
Forschungsperspektive
und Komplexität
die Komplexität der
Aufgaben erfordert
§ Kompetenzentwicklung der
Beteiligten,
§ Lern- und
Veränderungsprozesse;
Man konzentriert sich auf
die Identifikation, auf eine
oder wenige festgelegte
abhängige Variablen,
dadurch häufig reduzierte
Betrachtung;
Charakterisiert die
Situation in all ihrer
Komplexität, vieles ist
nicht grundsätzlich festgelegt und bezieht
möglichst viele
abhängige Variablen ein;
Fokussierung auf eine
Theorie;
Fokussierung auf die
Forschungsfrage;
Fokussierung auf den
Forschungsgegenstand;
Forscher und Beforschte
sind gleichberechtigt;
Evaluator auf der einen
und die Personen, die von
der geplanten Maßnahme
betroffen stehen, auf der
anderen Seite;
DBR bezieht die
unterschiedlichen Rollen
mehrerer Mitwirkender
(Praktiker und Forscher)
in die Erstellung und
Analyse des
Forschungsdesigns mit
ein;
Soziale Interaktion
Gemeinsame soziale
Interaktionen;
Die Aktionsforschung ähnelt dem DBR in vielerlei Hinsicht. Auch hier steht der Prozess im
Mittelpunkt. Das Forschungskonzept DBR ist im Vergleich zur Aktionsforschung jedoch zieloffener
und im Hinblick auf die Position des Forschers in Bezug zum Forscherteam besteht ein
Unterschied. Anders als in der Aktionsforschung werden die Praktiker bei DBR nicht primär zu
Forschenden. Ihre Rolle ist eher die, dass sie ihre Expertise in den Forschungsprozess einbringen,
um Ausgangssituation besser zu verstehen oder Interventionen an die Gegebenheiten
anzupassen (vgl. REIMANN, G. 2016:3).
Die formative Evaluation bewertet bzw. begutachtet (quasi von außen) bestehende oder neu
entwickelte Projekte, Prozesse/Maßnahmen oder Funktionseinheiten während der laufenden
Intervention. Sie erhebt signifikant messbare Daten (Wirkkriterien). Eine Form der formativen
Evaluation ist die Lernverlaufsdiagnostik (vgl. BORTZ, J.; DÖRING, N. 2006: 98 ff.).
Im Gegensatz zur Evaluationsforschung betrachtet die Designforschung eine entworfene
Intervention und ihren Kontext. Das heißt, sie kombinierte Forschungs- und Anwendungsbezug
(Theorie und Praxis).
179
Bei der designbasierten Forschung hier geht es (1) um die Schaffung von neuem Wissen durch die
Entwicklung neuer oder innovativer Artefakte (Dinge oder Prozesse) und (2) um die Analyse der
Nutzung und/oder Leistung mit Reflexion und Abstraktion (vgl. VAISHNAVI, V. et al. 2004/17).
2.4 Begründung des qualitativen designbasierten
Forschungsansatzes DBR
Der partizipative designbasierte Forschungsansatz wird für die Entwicklung des IPAR-UCD
Konzepts gewählt, weil er mit seiner Design-Perspektive das Konzeptdesign als Forschungsgegenstand in den Fokus nimmt und sein Potenzial und seine Benutzerfreundlichkeit untersucht.
Für DBR spricht insbesondere, dass die Entwicklung als Intervention selbst Bestandteil des
Forschungsprozesses ist. Sie ist weder vorgelagert, wie bei der Implementations- und
Evaluationsforschung, noch will sie die Entwicklung im Anschluss beschreiben oder erklären, wie
die Aktionsforschung (vgl. REINMAN, G. 2016: 2).
Im Forschungsprojekt »Easy Reading« geht es darum, dass die jeweilige Vorgehensweise, bzw.
Methode problematisiert und angepasst wird und ein verändernder Entwurf zur Durchführung
weiterer Test benutzt werden kann (vgl. DILGER, B./ EULER, D. 2018: 6). Wie beim User-Centred
Design gibt es die iterative, zirkuläre Abfolge der Forschungsphasen. Vergleichbar werden das
Potenzial und die 'Anwenderfreundlichkeit' im Wesentlichen dadurch erreicht, dass der
(zukünftige) User des methodischen Ansatzes IPAR-UCD mit ihren/seinen Anforderungen,
Aufgaben und Zielen in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses steht.
Basierend auf einer ersten Analyse der Anforderungen wird zunächst ein vorläufiges Konzept für
das zukünftige Forschungskonzept bis hin zu einem sogenannten Prototyp entwickelt. Die
anschließend erstellten Entwürfe werden wiederholt mit den Usern, dem inklusiven
Forschungsteam, besprochen und ausprobiert, um sicherzustellen, dass die Anforderungen auch
tatsächlich erfüllt werden. Nach dem Design-Based Research Modell ist der theoretische
Entwicklungsansatz in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Praxis bei der professionellen
Entwicklung von Design Research Aktivitäten unerlässlich (vgl. MCKENNEY, S. et al. 2007: 77).
Bei der Entwicklung des inklusiven Forschungssettings im inklusiven Forschungsprojekt »Easy
Reading« nehmen die Experten (mit und ohne Behinderungen) aus unterschiedlichen Bereichen
in diesem Forschungskontext komplementäre Interessen ein (vgl. DILGER, B./EULER, D. 2018: 2).
Dabei handelt es sich um eine Kooperation in den verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses
zwischen Wissenschaft und Praxis.
180
Design und Entwicklung wird im Kontext einer wissenschaftlich-praktischen Zusammenarbeit
nicht als Objektforschung, sondern als Kooperations- und Forschungspartner im Sinne einer
"Innovationspartnerschaft" verstanden (vgl. DILGER, B./EULER, D. 2018: 1).
Die einzelnen Schritte eines DBR-Prozesses im Modell stellen McKenney und Reeves zur
systematischen Entwicklung und Umsetzung von Lösungen für pädagogische Herausforderungen
vor.
1.
Abb. Generic model for conducting DBR in education, übersetzt (Quelle: McKenney S./ Reeves, T. 201257)
Die im Projekt festgelegte Aufgabe von DBR besteht in erster Linie darin zu analysieren, welche
Probleme in diesem inklusiven Forschungsansatz bestehen bzw. auftreten könnten und wie diesen
mit einem geeigneteren Design begegnet werden kann. Es soll ein klarer konzeptioneller Rahmen
entwickelt werden, der die inklusive Forschung und deren Durchführbarkeit für bestimmte
Forschungsfragen unterstützt.
Wie beschrieben wurde im Rahmen der Vorprüfung auf theoretischer Basis (Teil A dieser Arbeit)
der erste Prototyp des IPAR-UCD-Konzepts als Designlösung entworfen, der im weiteren Verlauf
durch die praktische Überprüfung während des Projekts »Easy Reading« sukzessive weiterentwickelt wird. Die Weiterentwicklung erfolgt zyklisch unter der Beteiligung des inklusiven
Forschungsteams. Dabei liegt der Fokus sowohl auf den sozialwissenschaftlichen Ansätzen von
Forschung als auch dem User-Centred Design.
Die empirische Überprüfung des Konzepts IPAR-UCD durch experimentelles Ausprobieren ist
Grundlage um die Entwicklung der inklusiven Methode mit praxistauglichen Designlösungen in
der Forschung und Entwicklung zu verzahnen.
57
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von SUSAN MC KENNEY
181
Während der Intervention kommen qualitative und weniger quantitative Methoden zum Einsatz
zum Beispiel: Fokusgruppe, Beobachtung, Fragebogen...
DBR dient hier als Orientierungshilfe, die ausgehend von den Bedürfnissen, Zwängen und
Interaktionen der inklusiven Forschungspraxis zu verstehen, wie die theoretischen Ansprüche
eines inklusiven Forschungsansatzes mit IPAR-UCD in der Praxis umgesetzt werden können.
Das IPAR-UCD-Konzept selbst stellt eine sehr komplexe Forschungseinheit dar. Das Konzept wird
daher in vier einzelne Interventionen für das iterative Vorgehen unterteilt, zumal das UserCentred Design ebenfalls ein iteratives Vorgehen erfordert.
1. Rekrutierung von Peer-Forscher
2. Anforderungsanalyse
3. Entwicklung und Anwender-Tests
4. Auswertung (Evaluation)
Diese kleinschrittige Unterteilung des Projektansatzes wird den Anforderungen der Zielgruppe,
Menschen mit kognitiver Behinderung, die hier als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der
Forschung und Entwicklung mitarbeiten, gerecht und es sollen so valide Erklärungsansätze für
innovative Praktiken geliefert werden, die andere Forschungsteams in neuen Situationen
anwenden können.
182
3 DAS EU-PROJEKT »EASY READING« ALS
FORSCHUNGS-LAB
Das »Easy Reading« Projekt ist ein interdisziplinäres Projekt mit verschiedenen Projektpartnern,
die Hand in Hand an der Entwicklung einer Software arbeiten, um ein anwendungsfreundliches
Produkt zu schaffen. Die Grundidee des »Easy Reading« als Framework besteht darin, Menschen
mit kognitiven Behinderungen die Nutzung von Internetressourcen zu erleichtern.
Easy
Reading
2.
Keeping the user at the digital original
https://www.easyreading.eu
Abb. Logo vom Projekt »Easy Reading« (Quelle: Philipp Edler 2017)
Dies kann nur erreicht werden, wenn für die zukünftigen User die Benutzeroberfläche des »Easy
Reading« Frameworks und die integrierten Tools kognitiv zugänglich sind und von Menschen mit
kognitiven Beeinträchtigungen selbstständig genutzt werden können. In diesem Projekt wird zum
ersten Mal das neue Konzept IPAR-UCD eingesetzt und gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen
und Peer-Forschern angepasst und weiterentwickelt. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
nehmen somit eine Doppelrolle ein. Zum einen sind sie an der Weiterentwicklung des IPAR-UCDKonzepts beteiligt, zum anderen ist ihr Expertenwissen bei der Entwicklung des »Easy Reading«
Frameworks gefragt.
3.1 Das Ziel von »Easy Reading«
Das übergeordnete Ziel des »Easy Reading« Projekts ist, bekannte kognitive Barrierefreiheits- und
Usability-Probleme in Webinhalten und Apps durch Personalisierung zu reduzieren und Inhalte
mit Verständlichkeitsrichtlinien für alle kompatibel zu machen.
Dies soll durch die Entwicklung eines neuartigen Rahmens für intelligente, adaptive
personalisierte Schnittstellen und affektives Computing58 für Menschen mit geringen Sprach- und
Lesefähigkeiten (einschließlich Menschen mit kognitiven Behinderungen) erreicht werden.
58
affektive Computing umfasst die Entwicklung von Systemen und Geräten, die menschliche Regungen
erkennen, interpretieren, ...
183
Um digitale Inhalte besser verständlich zu machen und mit ihnen zu interagieren, die
Kommunikation zu verbessern und die Integration zu erleichtern wird auf die Zusammenarbeit
mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher gesetzt. Das gemeinsam entwickelte SoftwareFramework soll später helfen, dass angesurfte Internetseiten in Echtzeit „personalisiert“ werden,
wenn die Nutzerinnen und Nutzer dies wollen.
Zum Beispiel:
o
Das Layout und die Struktur von Internetseiten werden angepasst.
o
Inhalte auf Internetseiten mithilfe von Symbolen, Videos etc. werden angereichert.
o
Beschreibungen mit Symbolen, Bildern oder Videos werden hinzugefügt.
o
Webinhalte werden in ein anderes Sprachniveau übersetzt (z. B. in Einfache Sprache
oder vereinfachte Sprache, oder entsprechend dem „Europäische Referenzrahmen“
(GER) A1 – B1).
3.2 Das »Easy Reading« Forschungs-LAB 59
Zum Entwicklungsteam gehören neben den Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftlern eben auch
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher mit kognitiven Behinderungen, Menschen mit
Lernschwierigkeiten aus Österreich, Schweden und Deutschland, die in allen Phasen des
interdisziplinären Projektes mitarbeiten.
3.2.1
Struktur der Peer-Forschungsgruppen und Mitforscherinnen
In den drei Peer-Forscherteams arbeiten 18 Personen mit kognitiven Behinderungen, 7 PeerForscherinnen und 11 Peer-Forscher im Alter von 23 bis 59 Jahren und mit unterschiedlichen
kognitiven Behinderungen und Fähigkeiten.
59
Mit dem »Easy Reading« LAB soll ein internationales Forschungskonsortium Menschen mit kognitiver
Behinderung einen unabhängigen Zugang zu digitalen Informationen ermöglichen. Die EU finanziert das
Programm im Rahmen ihres Programms »Horizont 2020« mit knapp zwei Millionen Euro. Neun Projektpartner aus sechs EU- Ländern sind an diesem Projekt beteiligt. Unter der Leitung der Johannes-KeplerUniversität Linz arbeiten folgende Partner zusammen: das inklusive Forschungskonsortium: Kompetenznetz für Informationstechnologie zur Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen (KI-I)
/Österreich, Universität TU Dortmund und gGmbH "In der Gemeinde leben" Düsseldorf/Deutschland,
DART, Zentrum für Assistive Technologien und Assistierte Kommunikation/ Schweden erarbeiten u. a. im
Rahmen der inklusiven Forschung und Entwicklung an den Requirements und am agilen Entwicklungsprozess mit. Funka/ Schweden, Texthelp/ Großbritannien und Athena/Israel sind an der Entwicklung,
Evaluierung und Einführung des Frameworks beteiligt. ERCIM, European Research Consortium for
Informatics and Mathematics und das World Wide Web Consortium (W3C) /Frankreich, arbeiten an der
Erweiterung der Richtlinien für die Entwicklung von kognitiv zugänglichen Webanwendungen auf Basis
der Projektergebnisse.
184
Sie arbeiten mit einer sozialwissenschaftlichen Mitarbeiterin (Proqualis), einer Kommunikationswissenschaftlerin und einer weiteren Mitarbeiterin (PIKSL), zwei Beschäftigungstherapeutinnen
und eine Computerlinguistin (DART) zusammen. Alle drei Teams erhalten bei ihrer Forschung
Anleitung und Unterstützung von der der Technischen Universität Dortmund, Fakultät für
Rehabilitationswissenschaften Fachgebiet für motorisch-körperliche Entwicklung und Medien. Die
Verfasserin koordiniert von hier die Zusammenarbeit zwischen den Peer-Forschergruppen und
den Entwicklern und bringt dabei das IPAR-UCD schrittweise in die Kooperation ein.
3.3 Die neuen Herausforderungen von IPAR-UCD im Projekt
»Easy Reading« ist als ein inklusives Forschungs- und Entwicklungsprojekt konzipiert.
Um den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher zu ermöglichen, gut und angemessen mit den
Mitforscherinnen/Mitforschern und Entwicklerinnen/Entwicklern zusammenzuarbeiten, wurde
das Forschungskonzept für Forschung und Entwicklung (F&E) IPAR-UCD im Vorfeld von der Autorin
dieser Arbeit als vorläufiges Konzept entwickelt, das auf detaillierten Kenntnissen sowohl der
Zielgruppe als auch der neuen Lerntechnologien basiert.
Dieses Konzept wird während dieses Projektes erstmals genutzt. Die einzelnen Interventionsschritte werden während der Entwicklungsarbeit gemeinsam mit dem interdisziplinären EasyReading-Team, (Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, Entwicklerinnen/ Entwickler und
anderen) analysiert, angepasst und ergänzt.
Die Autorin ist im Projekt auf der einen Seite für die Koordination zwischen Peers und Entwicklern
verantwortlich und auf der anderen Seite für die designorientierte Entwicklung des Konzepts
unter Beachtung der in Teil 1 beschriebenen Gütekriterien für qualitative Forschung
Angemessenheit des Forschungsgegenstandes und des Forschungsprozesses,
§
Validität, Reliabilität und Glaubwürdigkeit der Daten,
§
Transparenz und Intersubjektive Nachvollziehbarkeit,
§
Reflektierte Subjektivität (Prinzips der Selbst-Reflexivität) der Forscherinnen und
Forscher.
Außerdem obliegt ihr die Umsetzung eines Handbuchs für inklusive F&E in einfacher
verständlicher Sprache.
Zur qualitativen Forschung gehören die wissenschaftliche Integrität und Objektivität.
Wissenschaftliche Integrität ist die freiwillige Verpflichtung zur Einhaltung der Regeln der guten
wissenschaftlichen Praxis. Zunächst müssen diesbezüglich in der Forschungspraxis viele
Entscheidungen getroffen werden.
185
Die Komplexität im inklusiven Projekt "Easy Reading" liegt nicht nur darin, Einstellungen,
Verfahren und Methoden zu entwickeln, damit Personen mit kognitiven Behinderungen
vollwertige Mitglieder des Forschungsteams werden können. Es ist zu klären, wie die inklusive
Zusammenarbeit gestaltet werden soll.
Zum Beispiel, welchen Zugang haben die Personen zum Forschungsfeld? Wie definieren die PeerForscherinnen und Forscherinnen selbst ihre Rolle? Weiterhin ist es eine Herausforderung, wie
können ihre Ideen zu Forschung und Entwicklung konkret ermittelt werden und wie kommen
diese und weitere Vorschläge im Entwicklungsverlauf auf die Agenda der inklusiven Forschung.
Das schrittweise Vorgehen erfordert außerdem mehr Zeit und personelle Unterstützung, als bei
herkömmlichen Forschungsprojekten.
Um geeignete Instrumente für die IPAR-UCD-Methodik vorschlagen zu können, werden die
einzelnen Schritte des Forschungsprozesses sowie die Forschungsinstrumente, gemeinsam mit
den Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und in Bezug auf ihre unterschiedlichen Kompetenzen
ausgewählt und getestet. Es wird ein Methodenmix eingesetzt, um möglichst jeder PeerForscherin und jedem Peer-Forscher gerecht zu werden und um ihr Empowerment und
Verantwortung zu fördern. Dazu müssen die vorgeschlagenen Forschungsmethoden einfach und
verständlich sein. Ebenso sollen alle Materialien für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
anschaulich und zugänglich sein. Die Ergebnisse und Analysen der qualitativen Daten und ihre
Schlussfolgerungen werden ebenfalls in zugänglicher Form dargestellt.
Die wissenschaftlichen und verfahrenstechnischen Kriterien des IPAR-UCD-Konzepts werden
angepasst, um die wissenschaftliche wie praktische Qualität zu gewährleisten. Der Stand der
Technik muss hierbei respektiert und die beschriebenen Kriterien für Angemessenheit,
Validierung und Transparenz eingehalten werden. Qualitätskriterien für die Erhebung, Analyse
und Interpretation von Daten werden gemeinsam definiert und angewendet, um Verständnis,
Benutzerfreundlichkeit und Diskurs für und mit dem Forschungsteam zu gewährleisten.
Gegebenenfalls werden die Schlussfolgerungen mit anderen möglichen Interpretationen
verglichen.
Für die Dokumentation der einzelnen Interventionen gibt es die unterschiedlichsten Formen:
§ Die Peer-Forscherteams dokumentieren ihre Arbeit mit Fotos, Film- und Tagebucheinträgen, gelegentlich mit Zeichnungen.
186
§
Die Mitforscherinnen/Mitforscher protokollieren ihre (oft virtuellen Meetings) und
erstellen mit den Peer-Forscherteams verfasste Testberichte.
§
Über die Zusammenarbeit werden von der Koordinatorin Memorys verfasst.
§
Die Entwickler haben ihr eigenes Dokumentationssystem.
Die Erfahrung zeigt, dass der mehrstufige Ansatz der Methodenentwicklung im Sinne von DesignBased Research erforderlich und die mehrspurige Verfolgung des Prozesses in all seinen Aspekten
und Dimensionen (siehe Anhang 2) erforderlich ist und infolge nie ganz abgeschlossen sein wird.
3.3.1
Selbstreflexivität und Forschungsethik
Selbstreflexivität
Ein besonderes Augenmerk liegt bei der Selbstreflexivität. Die Peer-Forscherteams zeichnen sich
durch unterschiedliche Kenntnisse, Interessen und Perspektiven aus. Gleiches gilt für die
Mitforscherinnen und Mitforscher oder die Assistenz. Ihre Referenzsysteme haben eine eigene
Funktionalität und Logik. Zudem sprechen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer oft eine
verschiedene Sprache (vgl. UNGER V., H. 2014: 85). Daher sind Konflikte in partizipativen
Forschungsprojekten nicht ungewöhnlich (ebd.). In so einem Fall schlägt UNGER v. vor, Konflikte
nicht als ein Problem, sondern als einen Indikator für die Qualität einer partizipativen
Zusammenarbeit zu sehen, oder wie RATH (2014) sagt: „... auch das ist ein Ergebnis.“
Es stellt sich jedoch die Frage, wie mit einem Konflikt noch umgegangen werden kann. Es sollte
die Bereitschaft bestehen sich selbstkritisch damit auseinanderzusetzen, um somit den Anlass zu
analysieren und Lösungsvorschläge machen zu können. Die Akteure nehmen dazu eine neue
Perspektive ein, die für eine diskursive Verständigung notwendig ist. Aber „...auch wenn einzelne
Akteure mit besten Absichten versuchen, über Systemgrenzen und andere [zu] beteiligen, können
sie systembedingt scheitern“ (UNGER V., H. 2014: 86).
Forschungsethik
Die Forschungsethik umfasst Prinzipien und Regeln, in denen es mehr oder weniger verbindlich
und einvernehmlich ist, wie die Beziehungen zwischen den Forschern einerseits und den an
wissenschaftlichen Studien beteiligten Personen andererseits gestaltet werden sollen (vgl. RATH,
M. 2017: 45).
Über die Forschungsethik und Menschen mit kognitiven Behinderungen ist bisher wenig bekannt.
Wichtige Voraussetzungen sind: Die freiwillige und informierte Einwilligung der beforschten
Person muss von allen Beteiligten eingeholt werden. Dem Einzelnen, der Community bzw. der
Einrichtung darf durch die Forschung kein Schaden entstehen. Vertraulichkeit und
Anonymisierung der Daten muss gewährleistet sein (siehe hierzu Konzept und Handbuch).
187
4 Das Forschungskonzept IPAR-UCD
Nutzerorientierte Gestaltung interaktiver digitaler Medien und Dienste und Usability-Evaluation
gemeinsam mit Personen mit kognitiven Behinderungen als Peer-Forscherinnen und PeerForscher im Sinne von Inclusive Participatory Action Research
IPAR-UCD ist eine Kombination aus zwei etablierten Forschungsmethoden:
Bei IPAR (Inclusive Participatory Action Research) forscht die Zielgruppe mit und wird
so in jeder Projektphase in die Arbeit direkt eingebunden. Das stellt sicher, dass die
Ergebnisse der Forschung und Entwicklung dann auch die Lösungen der Zielgruppe, das
heißt „ihre“ Lösungen sind und dass die Bedingungen, die die Zielgruppe an das Projekt
stellt, in jeder Phase mitgedacht werden.
UCD (User Centered Design) achtet in jeder Projektphase auf die zukünftigen User und
ihren Bedarf.
Das IPAR-UCD Design für Menschen mit kognitiven Behinderungen garantiert die
Alltagstauglichkeit der Ergebnisse der Forschung und Entwicklung.
4.1 IPAR
Die inklusive-partizipative Aktionsforschung (IPAR) wurde von OLLERTON (2012) im Rahmen von
inklusiver Forschung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen eingeführt. IPAR ist eine
Forschungsmethodik, die Inclusive Research (vgl. WALMSLEY, J. und JOHNSON, K. 2003) und
Participatory Action Research (MCTAGGART, 1994) kombiniert. Laut OLLERTON basiert IPAR auf
einem inklusiven Ideal. Diese inklusive-partizipative Forschungsmethodik arbeitet direkt mit der
Zielgruppe. Sie setzt hierzu zugängliche analytische Werkzeuge ein, die für die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer mit unterschiedlichen Fähigkeiten zugänglich sind und in die Lage versetzt, sich
als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in dem gesamten Forschungs- und Entwicklungsprozess
zu beteiligen.
4.2 User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX)
Der Begriff vom nutzerzentrierten Design wurde von NORMAN an der University of California, San
Diego, mit der Veröffentlichung des Buches »User-Centered System Design: New Perspectives on
Human-Computer Interaction« geprägt (vgl. NORMAN, D. A. DRAPER, S. W. 1986). Bei der
nutzerorientierten Gestaltung sollen Produkte so gestalten werden, dass sie eine hohe effektive,
effiziente und zufriedenstellende Gebrauchstauglichkeit haben und für möglichst viele User
zugänglich sind (DONG, H. et al. 2002).
188
Beim User-Centered Design (UCD) und User-Experience (UX) stehen die zukünftigen Nutzer und
ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt.
Der UCD-Prozess wird in drei Kernphasen eingeteilt: Analysephase, Designphase und
Evaluationsphase. Zentrales Merkmal des Prozesses ist zielorientiertes, iteratives Wechseln
zwischen Analyse-, Design- und Evaluation und Weiterentwicklung der jeweiligen Ergebnisse.
Wobei die Ziele und Bedürfnisse mit den Nutzern identifiziert werden.
4.3 IPAR-UCD
IPAR und UCD haben in der Beteiligung der späteren Anwender viel gemeinsam, wurden aber
formal bisher nicht miteinander verbunden. Bei dem hier vorgestellten inklusiven Konzept werden
diese zwei bewährten qualitativen Forschungsmethoden zusammengeführt. Damit soll eine Lücke
in der inklusiven Forschung geschlossen werden. So soll gewährleistet werden, dass in der Zukunft
Menschen mit kognitiven Behinderungen als spätere Nutzer bzw. Anwender an Forschungs- und
Entwicklungsprojekten, die sie betreffen, teilnehmen können. Das Forschungskonzept zur
inklusiven Forschung und Entwicklung ist ein erster Vorschlag, der in jedem neuen Projekt
gemeinsam mit der Zielgruppe angepasst, verfeinert und weiterentwickelt werden muss.
IPAR sowie UCD können bereits auf ein breites Spektrum an Methoden, Techniken und Werkzeuge
zurückgreifen. Für IPAR wurden bereits einige Forschungsmethoden und -Werkzeuge angepasst
oder entwickelt, die der Zielgruppe gerecht werden. Zu UCD liegen bereits jahrelange Erfahrungen
und methodischen Standards im Kontext von 'User Experience Engineering'60 und moderner
Softwareentwicklung vor.
Im Projekt »Easy Reading« wird der ganzheitliche Ansatz zur nutzerzentrierten Gestaltung
verfolgt. Es wird gezeigt, wie Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherinnen und PeerForscher bereits von der ersten Entwurfsphase an der Gestaltung interaktiver digitaler Medien
und Dienste in die Entwicklungsarbeit mit einbezogen werden und mit den Forscherinnen/
Forschern und Entwicklerinnen/Entwicklern zusammenarbeiten können, die diese Software und
Dienste dann ihren Bedürfnissen entsprechend entwickeln. Nur wenn die Bedürfnisse der User
und der Nutzungskontext bekannt sind und bei der Entwicklung berücksichtigt werden, kann die
intuitive Benutzung erfolgreich gestaltet werden. Sowohl User Research als auch User Centered
Design gehören daher zusammen.
60
Synthese von Design und Entwicklung
189
5 Der Weg zu einer inklusiven Forschung und
Entwicklung
5.1 Inklusiv-Partizipativ
Wichtigste
Voraussetzung
für
IPAR-UCD
ist
ein
inklusives
Forscherteam
mit
Forscherinnen/Forschern, Entwicklerinnen/Entwicklern und Peer-Forscherinnen und PeerForschern, dass das Ziel hat in der Zusammenarbeit auf neue Lösungen zu kommen. Dabei sollte
jeder, der beteiligt ist auf der einen Seite Experte in eigener Sache sein, auf der anderen Seite aber
sich auch in andere Menschen hineinversetzen können. Menschen mit kognitiven Behinderungen
sollen nach ihren persönlichen Möglichkeiten ohne oder ggf. mit Assistenz in die Lage versetzt
werden, selbst während des UCD forschend in so einem inklusiven Team tätig zu sein.
Die menschlichen Bedürfnisse und Wünsche der zukünftigen User stehen bei der
Aufgabenstellung und der Ideenfindung im Zentrum der Forschung und Entwicklung. Das inklusive
Forschungsteam arbeitet dabei gemeinsam ergebnisoffen an einer Lösung.
Das heißt:
o Jeder Kontext braucht sein eigenes Verständnis.
Frage: Was ist der Anlass? Was soll inklusiv-partizipativ gestaltet werden?
o Jede Produktentwicklung/-gestaltung benötigt die Einbindung der Zielgruppe.
Frage: Wer ist die Zielgruppe?
o Jede Aufgabe braucht eigene Methoden.
Frage: Wie, mit welchen Methoden soll gearbeitet werden?
5.2 Wer initiiert was?
Jede Person/Institution/Organisation kann ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt anregen.
Voraussetzung ist hierzu ist, dass der Bedarf für Menschen mit kognitiven Behinderungen besteht.
Der Anstoß oder das Interesse für ein neues digitales Produkt oder einen neuen Dienst kann auch
von den Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst kommen, z. B. wenn Ideen oder
Bedürfnisse existieren, die bislang nicht erfüllt werden (können).
190
Beispiel: Ich kenne meine Rechte
Nach der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention UN-BRK hat das Deutsche Institut
für Menschenrechte den Wunsch von Menschen mit Lernschwierigkeiten aufgegriffen und die
Erstellung einer Internetseite zur UN-BRK in Leichter Sprache in Auftrag gegeben. In diesem
Projekt www.ich-kenne-meine-rechte.de waren zukünftige User der Internetseite bei den Texten,
Bildern, Funktionen und der Gestaltung der Seite von Anfang an mit einbezogen (vgl. WEBER, H./
EDLER, C.: 2010). Dies entsprach den Anforderungen der UN-BRK in verschiedener Hinsicht.
3.
5.3
Abb. Beispiel für eine partizipativ gestaltete Internetseite www.ich-kenne-meine-rechte.de
(Quelle eigene Darstellung)
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
Wer sich als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher beteiligt, bzw. beteiligt wird, hängt immer
vom jeweiligen Projekt ab. Die wichtigste Frage bei der Anwerbung des Peer-Forschungsteams ist,
ob sie als Teilnehmer der Zielgruppe und motiviert und bereit sind, sich an der Forschung zu
beteiligen.
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können sein (werden):
o Einzelpersonen aus der Zielgruppe,
o Personen (Betroffene) einer Organisation, wie einer Selbsthilfegruppe,
o Personen der Zielgruppe aus Institutionen oder Einrichtungen,
o bereits geschulte Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher.
191
Beispiel: Proqualis, Linz:
Im Projekt »Easy Reading« sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Proqualis beteiligt.
Die Angestellten mit und ohne kognitive Behinderung arbeiten auf Augenhöhe zusammen. Einige
davon sind Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher. Sie sind u. a. geschult um Evaluationen
durchführen zu können. Die Mitarbeiter mit unterschiedlichen kognitiven Behinderungen sind
hier die Experten.
Proqualis heißt: Für Qualität
Wir überprüfen die Qualität
von Dienstleistungen für Menschen mit
Beeinträchtigungen.
Das nennt man auch evaluieren.
Wir überprüfen die Qualität, wenn der
Anbieter der Dienstleistung uns einen Auftrag gibt.
4.
5.4
Abb. Kurzbeschreibung Proqualis (Quelle https://www.proqualis.at/index.php?id=2&no_cache=1)
Die Anwerbung von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
Die Anwerbung geeigneter Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Lernschwierigkeiten kann eine
große Herausforderung darstellen. Um Zugang zu möglichen Teilnehmern für ein
Forschungsvorhaben zu erhalten, ist es fast immer notwendig sich über die Führungsebenen einer
Organisation, die sich mit Menschen mit Behinderungen beschäftigt, zu wenden. Sie sind die
Gatekeeper, Torwächter (LENNOX et al. 2005). Das heißt in der Praxis, um in direkten Kontakt mit
Menschen mit Lern-/Kommunikationsschwierigkeiten zu kommen, muss oftmals die Leitung in
einer Organisation zunächst vom Projekt und den Vorteilen für die Menschen, die sie oft als
schutzbedürftig betrachten, überzeugt werden (vgl. NIND, M. 2008: 9). Es müssen verständliche
Informationen über das Forschungsvorhaben zur Verfügung stehen mit der Bitte, Vorschläge zu
machen oder potenzielle Freiwillige zur Teilnahme zu kontaktieren.
Gatekeeper können den Zugang blockieren (vgl. TUFFREY-WIJNE, I. et al. 2008: 187).
Beispiel:
192
§
Die Führungsebenen eines Unternehmens fürchtet vielleicht Nachteile für ihre
Organisation und will sich nicht in die Karten schauen lassen.
§
Betreuer/Unterstützer von Menschen mit Lernschwierigkeiten könnten zu beschäftigt
oder zu misstrauisch gegenüber der Forschung sein, um sich daran beteiligen zu wollen.
§
Selbstvertretungsorganisationen könnten mit zu vielen Beteiligungsmöglichkeiten in
der Forschung überfordert werden oder sie lehnen Ansätze der Forscher ab (vgl. NIND,
M. 2008: 9).
OLLERTON (2012) berichtet, dass die Anwerbung für ihre Studien oft länger als geplant dauerte, die
Projekte höhere Kosten verursachten als erwartet, und die Wissenschaftlerinnen/ Wissenschaftler
die Zahl der Teilnehmer, die für die ihre Studien zur Verfügung stehen, überschätzten (vgl.
OLLERTON, J. 2012). Zudem könne es schwierig werden, Menschen mit Behinderung in der Phase
der Umsetzung einzubeziehen, wenn dies im Antrag des Projekts nicht geplant gewesen ist.
Das Anwerben beinhaltet verschiedene Aktivitäten:
Das Anwerben der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können auf unterschiedliche Weise
erfolgen. Um einen Eindruck darüber zu bekommen, welche Ressourcen und Fertigkeiten eine
Person für ein bestimmtes Vorhaben oder Projekt mitbringt, sollten sich die Beteiligten näher
kennenlernen.
Das Kennenlernen kann zum Beispiel stattfinden mithilfe:
o
eines Workshops,
o
eines Fragebogens zur Person,
o
eines (Leitfaden-)Interviews,
o
...
Die Mitarbeit als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher muss freiwillig sein.
o
Das Aussuchen geeigneter Teilnehmer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher,
o
Erklärungen und Informationen zu Forschung in leichter verständlicher Sprache:
o
Was ist Forschung?
o
Was bedeutet gemeinsam forschen?
o
Einholung der Einverständniserklärung, Informierte Einwilligung.
Es darf niemand überredet oder gezwungen werden, an einem Projekt teilzunehmen.
Voraussetzung für eine Mitarbeit als Peer-Forscherin oder Peer-Forscher ist, dass jemand
Interesse, Zeit und Ressourcen für die Forschungsmitarbeit mitbringt. Sie oder er sollte eine
realistische Vorstellung von der Arbeit und ihrem Engagement haben (vgl. WALMSLEY, J.; JOHNSON,
K. 2003: 64). Als künftige Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sollten sie sich bereitwillig bei
der Zusammenarbeit anleiten und/oder ausbilden/qualifizieren lassen und falls erforderlich
unterstützt werden (STRNADOVÁ, I. et al. 2014).
193
Außerdem sollte von Anfang an geklärt werden, zu welchen Konditionen (Bezahlung/
Aufwandsentschädigung) die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher am Projekt mitarbeiten und
welche Unterstützung sie erhalten können (vgl. ebd.).
Personen mit schweren Behinderungen dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden, sondern es
soll nach Möglichkeiten gesucht werden, sie daran teilhaben zu lassen. Auch sie sollten dabei eine
wie auch immer gestaltete, aktive Beteiligungsmöglichkeit haben (vgl. NIND, M. 2008: 6).
5.4.1
Allgemeine Informationen
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sollen das Motiv der Forschung nach Möglichkeit
verstehen:
o
Was ist der Anlass für das Projekt?
o
Was soll neu entwickelt/gestaltet verändert werden?
o
Wer ist die Zielgruppe? Wer sind die späteren Nutzer?
o
Wie soll gearbeitet werden?
o
Wie hoch ist der Zeitaufwand?
o
Welche Aufgaben haben die Peer-Forscher?
o
Mit welchen Werkzeugen und Methoden kann gearbeitet werden?
Das setzt auch voraus, dass die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher von vorneherein
klar sein muss in Bezug auf:
o
Ihren Status (z. B. als Mitarbeiter, als Praktikant, als Mitarbeiter am
Außenarbeitsplatz-, in der Freizeit),
o
Ihre Assistenz (Möglichkeiten) und Zugänglichkeit,
o
Ihre Bezahlung bzw. Vergütung, Aufwandsentschädigung.
Anmerkung: Dies kann auf keinen Fall dem Zufall überlassen werden und es bedarf im Hinblick auf
die Punkte Status und Bezahlung einer konkreten Abklärung.61
61
Generelle Fragen zum Status der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher: Ist der Zugang und Mitarbeit
an einem Forschungsprojekt einer Universität als nicht anerkannter Wissenschaftler möglich? Wie ist der
Status/Anstellung? In wieweit ist eine Bezahlung trotz Leistungsempfänger nach dem Bundessozialhilfegesetz möglich? Hat die Universität aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit die Möglichkeit in diesem Rahmen
Zuwendungen an ehrenamtlich Tätige von 200 Euro monatlich anrechnungsfrei zu zahlen, oder die
Möglichkeit einer Festanstellung?
194
Für beide Seiten ist es sinnvoll hierzu eine schriftliche Vereinbarung über die Art der
Zusammenarbeit zu treffen. Dies ist nicht mit der Informierte Einwilligung über Datenerhebung
und Datenverarbeitung im Projekt zu verwechseln, d.h. es gilt nicht als Ersatz und es ergibt sich
daraus keine Verpflichtung.
5.4.2
Information zur Datenverarbeitung
Bei der Forschung und Entwicklung mit einem Peer-Forscherteam müssen oft deren persönliche
Daten benutzt werden. Zum Verfahren mit diesen Daten gibt es die allgemeinen europäischen
und internationalen Vorschriften sowie weitere spezielle Vorschriften für die Verarbeitung von
Daten für bestimmte Zwecke62.
Was sind Daten?
Nach der gesetzlichen Definition des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 BDSG) sind
„personenbezogene Daten“ Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer
bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Damit sind alle Informationen
umfasst, die über eine Person etwas aussagen.
Dies kann ein Name, eine E-Mail-Adresse, eine Online-Identifikation wie ein Facebook-Post oder
es können andere Faktoren sein, die es ermöglichen, eine bestimmte Person zu identifizieren.
„Besondere Arten personenbezogener Daten“ im Sinne des Datenschutzrechts sind Angaben über
rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, religiöse oder philosophische
Überzeugung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit, das sexuelle Leben oder sexueller
Identität.
Was bedeutet die Verarbeitung von Daten?
Das heißt:
62
o
dass personenbezogene Daten nur für bestimmte Zwecke gesammelt werden
dürfen,
o
dass sicherzustellen ist, dass nur relevante Daten gesammelt werden,
o
dass Daten nicht länger als nötig gespeichert werden.
Verordnungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Europäischen
Datenschutzkonvention, der OECD, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der
neuen europäischen Verordnung - Allgemeine Datenschutzverordnung - gültig ab Mai 2018.
195
Die Verarbeitung von Daten in jeglicher Form umfasst: Erhebung, Registrierung, Organisation,
Strukturierung, Speicherung, Verarbeitung, Lesen, Übertragen oder Löschen von Daten. Die
Bearbeitung kann manuell oder automatisch, analog oder digital erfolgen.
Wie soll mit personenbezogenen Daten umgegangen werden?
5.4.3
o
Es muss sichergestellt sein, dass die Person, deren Daten behandelt werden, darüber
informiert ist.
o
Daten dürfen nur für den Zweck verwenden werden, über den informiert wurde.
o
Nur die Daten, die auch benötigt werden, dürfen gesammelt und verarbeitet
o
Daten dürfen nur für einen festgelegten Zeitraum gespeichert werden.
o
Der Zugang zu personenbezogenen Daten muss auf die Personen beschränkt bleiben,
die sie für diese bestimmte Forschungsarbeit benötigen.
o
Es besteht Verantwortung dafür, dass die Daten korrekt und aktuell sind.
Die Einwilligungserklärung nach erfolgter Aufklärung (Informed Consent)
Die Informierte Einwilligung ist eine 'qualifizierte' Zustimmung und die Voraussetzung, um
überhaupt an einer Forschung teilnehmen zu können.
Bevor Peer-Forscher an der Forschung beteiligt werden, müssen sie über den Gegenstand, Inhalte
und die Hintergründe der Studie, also den Sinn und Zweck, sowie über ihre Rechte als Person und
die eventuellen Risiken aufgeklärt werden (s.o.). Sie müssen ebenfalls über die Ziele und
Bedingungen ihrer Arbeit als Peer-Forscherin bzw. Peer-Forscher informiert werden und mit der
Einwilligungserklärung zustimmen, dass sie an dem vorgesehenen Forschungsprojekt teilnehmen.
Die Einwilligungserklärung muss so strukturiert und formuliert sein, dass die Peer-Forscher diese
zuverlässig verstehen können, im Zweifelsfalle mit Unterstützung der Assistenz
Die Zustimmung selbst muss daher auch in verständlicher und leicht zugänglicher Form erteilt
werden können und sie muss die Einwilligung von anderen Dingen unterscheidbar sein. Der
Widerruf der Einwilligung muss ebenso einfach sein wie die Erteilung.
In dieser Erklärung muss auch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen des
Projekts personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen.
Im Falle einer Inspektion muss nachweisbar sein, dass für jede einzelne beteiligte Person eine
Informierte Einwilligung vorliegt.
196
Inhalt der Informierten Einwilligung:
o
Name der einwilligenden Person
o
Projekttitel
o
Konkrete Informationen über die Art der erhobenen Daten
o
Wer ist der Verantwortliche im Sinne des Datenschutzes
o
Hinweis auf Freiwilligkeit, auf Widerrufsrecht
o
der Hinweis auf die Folgen oder die Folgenlosigkeit bei Verweigerung oder
Widerruf
o
besonders wichtig: Verwendungszweck(e)
Achtung beim Fotografieren und Videofilmen auch in großen Menschenmengen
Hierzu ist die ausdrückliche Zustimmung jeder einzelnen Person, die identifizierbar ist, notwendig,
auch wenn sie in großen Menschenmengen erfolgt. Um Fotos oder Videos ohne Zustimmung
veröffentlichen zu können, dürfen Personen nicht identifizierbar sein (z. B. wenn das Foto von
hinten aufgenommen wird). Die betroffene Person kann darum bitten, Fotos oder Videos zu sehen
oder zu entfernen.
197
6 Das inklusive Forschungsteam
6.1 Rollenverständnis und Wertschätzung innerhalb des gesamten
Forschungs- und Entwicklungsteams
Das Team besteht aus einer heterogenen Gruppe von Personen mit verschiedenen Ressourcen,
Begabungen und Erfahrungen und unterschiedlichen Qualifizierungen. Aus diesem Grund sind
mensch-zentrierte Sichtweise angebracht. Zudem hat sich bei der Forschung und Entwicklung mit
Menschen mit Behinderungen gezeigt, dass bei einer mensch-zentrierten Vorgehensweise ein
enormes Potenzial steckt, um Dinge (für alle) einfacher und angenehmer zu gestalten. Das ist auch
der Grund, weshalb beim IPAR-UCD die Beteiligten des Forschungsteams trotz unterschiedlicher
Arbeitsaufträge alle gleichberechtigt zusammenarbeiten. Sie verstehen sich als Partner auf
Augenhöhe.
6.2 Wer ist in das inklusive Forschungs- und Entwicklungsprojekt
involviert?
6.2.1
Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Projekt sind in erster Linie Experten in eigener Sache
und sprechen für sich selbst.
Viele Menschen mit kognitiven Behinderungen haben aber bislang kaum Berührungspunkte mit
Forschung. Sie sind es auch nicht gewohnt und haben selten Erfahrung, sich Dinge oder Vorgänge
vorzustellen, zu abstrahieren oder für andere verständlich darzustellen. Hierbei brauchen sie
Unterstützung. Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher „verfügen [dennoch] über
lebensweltliches Wissen, sprachliche Kompetenzen und soziale Kontakte, die ihnen als „Insider“
und „Gleichgestellte“ (Peers) einen besonderen Zugang zum Forschungsfeld [...] verschaffen“(vgl.
UNGER V., H. 2014: 41).
Um die Beteiligung umzusetzen, werden die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher (s o.), wenn
möglich, angeleitet und geschult und in jedem Fall begleitet, damit sie die Aufgaben der Forschung
und Entwicklung wie Datenerhebung und Auswertung der unterschiedlichen Settings umsetzen
können (vgl. ebd.). Siehe auch das Handbuch für das Forschungsteam zur inklusiven Forschung
und Entwicklung im Anhang.
198
6.2.2
Die Rolle der Wissenschaftler in IPAR-UCD
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler sind in der Regel professionelle Experten auf ihrem Gebiet
des Forschungsprojektes, was durchaus interdisziplinär angelegt sein kann. Ihre Aufgabe ist es
ihren Beitrag zur Entwicklung zu leisten und dabei sowohl den Peer-Forscherinnen und PeerForschern und ihren Wünschen mit Akzeptanz und Geduld offen zu begegnen, als auch die
Qualität der Forschung zu gewährleisten. Das bedeutet nicht nur zu forschen, sondern auch zu
handeln, und die Bedürfnisse der Peers zu verstehen und zu verändern (vgl. UNGER V., H. 2012: 35).
Wissen über und Verständnis für die Behinderung und die unvoreingenommene Kommunikation
mit Menschen mit kognitiven Behinderungen kann nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden.
Die Zusammenarbeit mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern ohne akademischen
Hintergrund in einem inklusiven Umfeld und deren Mitwirkung im Prozess zu stärken kann daher
manchmal eine große Herausforderung für Fachleute und Wissenschaftler sein.
Neben den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, den Entwicklerinnen und Entwicklern,
Designerinnen und Designern werden noch weitere Personen an dem Projekt beteiligt sein.
6.2.3
Die Rolle der Mitforscherinnen und Mitforscher und der
Forschungsassistenz
Zum Beispiel Fachleute und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler aus anderen
Disziplinen wie:
o
Technikerinnen / Techniker
o
Pädagoginnen / Pädagogen
o
Soziologinnen / Soziologen
o
Forschungsassistentinnen / Forschungsassistenten (die die User begleiten und
unterstützen)
Wenn Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung aktiv mitarbeiten, ist jemand
wie ein Mentor als 'sympathischer Verbündeter' notwendig (vgl. WALMSLEY, J. JOHNSON, K. 2003:
62). Das sind hier Forschungsassistenten oder Forschungsmentoren. Dies sind Personen, die PeerForscherinnen und Peer-Forscher, bzw. die User bei den Forschungsaufgaben und Tests begleiten
und unterstützen, aber nicht von sich aus eigenständig im Forschungsprozess agieren.
Ihre Aufgabe sollte sein, Fähigkeiten und Erfahrungen der Menschen mit kognitiven
Behinderungen als Forschungspartner zu unterstützen, indem sie auf diese hinweisen (betonen,
hervorheben) und das Selbstvertrauen der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher stärken. Diese
sind mal mehr und mal weniger auf deren Unterstützung bei ihrer Forschungsarbeit angewiesen,
um gute Ergebnisse zu erzielen.
199
Die Forschungsassistenz sollte Fragen stellen und die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
ermutigen, sich zu äußern. Sie sollten aber selbst keine Bewertungen oder Ratschläge geben.
IVA STRNADOVÁ und Kollegen beschreiben die Vielschichtigkeit der Rolle eines Mentors bzw. der
Mitforscherinnen und Mitforscher, dass die Zusammenarbeit bei den Forschungsarbeiten und die
Bereitstellung von Unterstützung eng miteinander verbunden sind. Der Mentor in der Forschung
ist eine wichtige Voraussetzung für die Peerforschung.
Die vielfältigen und notwendigen Aufgaben des Mentors bzw. der
Mitforscherinnen und Mitforscher sind:
200
o
Organisatorische Unterstützung für das Peer-Forscherteam und die Beschaffung der
Ausrüstung,
o
Unterstützung beim Lesen von Anweisungen und anderen Texten, bei der Aufnahme
und beim Transkribieren,
o
Unterstützung beim Schreiben und Bearbeiten verschiedener Berichte und
Dokumente,
o
Unterstützung bei den eigentlichen Forschungsaufgaben,
o
Organisation der Zusammenarbeit mit Entwicklern und anderen Mitarbeitern.
Begleitung von internen und externen Treffen, Veranstaltungen und Konferenzen.
7 Das inklusive Projekt und die
Projektorganisation
7.1 WAS – In welchem Kontext soll inklusiv-partizipativ gestaltet oder
geforscht werden
Zu Beginn eines inklusiven Forschungsprojekts steht eine Idee, ein Problem eine Fragestellung
oder Anforderung, die Menschen mit Behinderungen betrifft.
JAN WALMSLEY und KELLEY JOHNSON (2003) beschreiben die Standards inklusiver Forschung in
»Inclusive Research with People with Intellectual Disability«:
o
Das Forschungsproblem muss ein Interesse von Menschen mit Behinderung darstellen
(nicht notwendigerweise eingeleitet).
o
Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten an dem Prozess der Forschung beteiligt
werden.
o
Menschen mit Lernschwierigkeiten sollten in der Lage sein, eine gewisse Kontrolle
über Prozesse und Ergebnisse ausüben zu können.
o
Die Forschungsfrage, Prozesse und Berichte müssen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich sein.
(vgl. Wallmsley, J./ Johnson, K. 2003: 64).
Es geht um eine Forschungsstrategie „die Menschen mit Lernbehinderungen als Anstifter von
Ideen, Forschungsdesignern, Interviewern, Datenanalytikern, Autoren, Multiplikatoren und
Nutzern einbezieht" (WALMSLEY, J./JOHNSON, K. 2003: 62ff.). Wenn die Führung und Kontrolle des
Projekts die Menschen mit kognitiven Behinderungen selbst haben, müssen sie in besonderem
Maße unterstützt werden, da es ihnen oft nicht leichtfällt, dies ganz alleine zu bewältigen (vgl.
GÖBEL, S. 2002: 14 ff.). Jedes Forschungsprojekt braucht deshalb einen Projektkoordinator für das
Projektmonitoring.
7.2 Gemeinsam im Projekt lernen
Da die inklusive-partizipative Forschung noch relativ neu ist, gibt es bisher kaum Handlungsanweisungen für die Durchführung. Deshalb muss für das jeweilige Projekt gemeinsam erarbeitet
werden, wie für alle Beteiligten die Projektorganisation gut funktionieren kann.
201
DIE AUSHANDLUNG DER ROLLEN
7.2.1
o
„Wer ist hier die Chefin, der Chef?“
o
„Wer unterstützt wen?“
o
„Wer trägt (wann/wofür die Verantwortung?“
o
„Wer ist Empfänger oder Ausführende von Anweisungen?“
Die Fachleute bzw. Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler haben im Projekt oft eine Doppelrolle.
Sie sind nicht nur Wissenschaftler, sondern übernehmen oft gleichzeitig auch die Rolle als
Unterstützer für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher im Forschungsteam.
7.2.2
Aufgaben der Projektorganisation und Koordination (Projektmonitoring)
Die Aufgabe des Projektmonitorings besteht darin, die Arbeit in den einzelnen Phasen gemeinsam
mit dem inklusiven Forschungsteam zu organisieren: Arbeitsinhalte zu formulieren sowie
abzustimmen und festzulegen, wer welche Aufgabe übernimmt und welche Unterstützung
jemand benötigt (Aufgabenmanagement). Später geht es eher darum, die Projektphasen zu
koordinieren, zu dokumentieren und ggf. auch um das Finanzmanagement.
7.2.3
Erster Schritt: Die Situationsanalyse und Ideenfindung
Zu Beginn eines inklusiven Forschungsprojekts ist die Partizipation in Form der Gewährleistung
der Chancengleichheit in der Gesellschaft oder des Schutzes vor willkürlicher Ungleichbehandlung
oft ein Problem (vgl. DIEHL, E. 2017: 9).
Dasselbe gilt auch für die Nutzung digitaler Medien und Services (digitale Kluft). Ausgehend von
der konkreten Situation im Projektumfeld besteht daher der erste Schritt darin, das Problem zu
definieren und eine Projektidee zu finden.
Von der Projektidee zum Projektziel
Die erste Projektidee ist häufig noch nicht sehr konkret. Der Kern des Projektes wird aber bereits
erkannt. Aus der ersten Projektidee wird häufig (nach einigen Diskussionsrunden) ein Projektziel
entwickelt.
Später sorgt das Projektmonitoring dafür, dass die Inhalte der Entwicklung, die geplante Dauer
und alle Faktoren und Einflüsse, die im Projekt berücksichtigt werden sollen, beschrieben werden.
Es geht zum Beispiel dabei auch um folgende Fragen: Wie ist der Zugang zu Einrichtungen,
Dienstleistungen, digitalen Medien? Wie sind die Finanzen und andere Ressourcen? Werden
Menschen mit kognitiven Behinderungen in diesen Prozess bereits mit einbezogen?
202
Grundsätze für die Zielformulierung nach S.M.A.R.T. (vgl. D ORAN , G.T.198:35 f.)
o
Spezifisch: Eine genaue, verständliche Formulierung des Ziels ist wichtig, damit alle
Beteiligten die gleiche Vorstellung von dem haben, was erreicht werden soll. Ist das
Ziel so genau formuliert, dass es keinen Spielraum für Interpretationen oder
Nachforderungen lässt?
o
Messbar: Es müssen Kriterien festgelegt werden, an denen die Zielerreichung
festgestellt oder gemessen werden kann. Woran erkenne ich, dass das Projektziel
erreicht wurde?
o
Akzeptiert (auch attraktiv): Ziele, die im Projektteam als unakzeptabel angesehen
werden, haben wenig Aussicht auf Erfolg. Werden die Projektziele von der Zielgruppe
akzeptiert, werden sie auch positiv erlebt.
o
Realistisch: Die formulierten Ziele sollen auf der einen Seite attraktiv und auf der
anderen Seite auch machbar und angemessen sein. Ist das Ziel zu anspruchsvoll, oder
erreichbar?
o
Terminiert: Zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel erreicht
werden soll. Ist ein klarer Endtermin festgelegt?
7.2.4
Zweiter Schritt: Die Projektplanung
Schon bei der Projektplanung soll das Projektmonitoring sicherstellen, dass der gesamte
Forschungsprozess zugänglich ist. Das setzt voraus, das in verständlicher, einfacher Sprache mit
den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern kommuniziert wird. Inhalte und Texte sollten nach
bisherigen Erfahrungen, wenn möglich kurzgehalten werden. Schwer verständliche Fakten und
Inhalte können besser im persönlichen Gespräch erläutert werden (vgl. Projekt MEKOS 2017)63.
7.2.5
Dritter Schritt: Die allgemeine Projektdurchführung
Bei Projektbeginn sollte deutlich werden, dass die Mitarbeit im Projekt bedeutet alle Beteiligten
gewisse Rollen einnehmen sowie Pflichten übernehmen.
Das Projektmonitoring ist sowohl für die inhaltliche als auch für die organisatorische Gestaltung
des Projektes zuständig.
63
Projekt MekoS (2017): Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung in der empirischen Sozialforschung
Institut für empirische Soziologie, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg
203
Es sorgt auch dafür, dass die Beteiligten in die Ereignisse des Projektes entsprechend ihren
Ressourcen und Fähigkeiten einbezogen werden, und dass das Projektziel im Auge behalten wird.
Es sollte über Folgendes Klarheit bestehen: 64
Allgemein
o
Wer macht was?
o
Wie ist unser Zeitplan?
Arbeitsmaterialien und Arbeitsplattform?
o
Wie stellen wir sicher, dass das, was wir tun, nicht zu schwierig, oder nicht übermäßig
kompliziert ist?
o
Wie beziehen wir Nachzügler oder Abwesende ein?
o
Wie organisieren wir unsere Arbeitsweise, Entscheidungsfindung und Kommunikation
auch inklusiv?
Arbeit in Gruppen oder Tandem
o
Wie arbeitet eine Fokusgruppe?
o
Wie arbeitet man im Tandem?
o
Wie werden Ergebnisse/Fortschritte mitgeteilt oder verwaltet?
Fragen zur Rückkopplung während des Prozesses
o
Was funktioniert gut für Dich, was nicht?
o
Was würdest Du gerne tun?
o
Was würdest Du gerne verändern?
Organisation des Forschungsprojekts
Das Projektmonitoring soll sicherstellen, dass die auf Menschen mit kognitiven Behinderungen
zugeschnitten Planung auch tatsächlich umgesetzt wird und dass diese bei der Analyse und
Anpassung des Projektplans sowie an den Forschungsaktivitäten beteiligt sind. Es sorgt dafür, dass
das Forschungsteam für das Thema Behinderung ausreichend sensibilisiert ist und dem Team
hierbei – falls nötig – externe Beratung zur Verfügung steht. Außerdem sollte das
Projektmonitoring dafür Sorge tragen, dass die Arbeits- und Evaluierungsinstrumente gemeinsam
mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern angepasst oder entwickelt werden.
64
Anmerkung: Die nachfolgende Aufzählung ist verständlich für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
formuliert.
204
8 Teambildung und Kompetenztraining
IPAR-UCD verändert die Kommunikation und die sozialen Beziehungen von User und Entwickler
in Bezug auf Forschung und Entwicklung. Es soll dabei eine gleichberechtigte Partnerschaft
zwischen beiden angeregt werden.
Bei der Teambildung ist zu beachten, dass viele Menschen mit geistiger Behinderung die meiste
Zeit ihres Lebens eine abhängige Rolle gehabt haben und sich vielleicht nicht bewusst sind, dass
es für sie tatsächlich einen entscheidenden Unterschied macht, als Peer-Forscherin oder PeerForscher in die Forschung einbezogen zu werden.
Da es bislang formale Kenntnisse über die Unterstützung von Peers mit kognitiven Behinderungen
in einem inklusiven Forschungsrahmen fehlen (vgl. BIGBY, C.; FRAWLEY, P. 2010: 54) ist die
Vorbereitung und Einführung in die Forschungsarbeit (Teambildung, Forschungsmethoden und werkzeuge) angezeigt und sinnvoll (vgl. IVA STRNADOVÁ und 2013: 14 ff.).
BIGBY UND FRAWLEY sind der Meinung, dass dies auch während des Forschungsprojekts geschehen
kann und es erst einmal wichtig sei, die Stärken der Mitforschenden zu erkennen und damit die
Unterstützung am Arbeitsplatz zu gestalten.
8.1 Teambildung
Die Teambildung ist ein wichtiger Aspekt bei der Bildung eines inklusiven Forschungsteams und
Vorbereitung aller Mitglieder auf die Durchführung des Forschungsprojektes. Dabei ist das
gegenseitige Kennen- und Verstehenlernen von großer Bedeutung (vgl. STRNADOVÁ, I. et all. 2014:
14).
Aus eigenen Erfahrungen wird hier für den Bereich Forschung und Entwicklung eine gemeinsame
Planungswerkstatt vorgeschlagen. Initiator/en, Entwicklerinnen/Entwickler und/oder Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler und die zukünftigen Nutzer, die als Peer-Forscherinnen und PeerForscher beteiligt werden, brauchen diesen gemeinsamen Startpunkt für die Einführung in den
Forschungsgegenstand oder um die Forschungsfrage zu schärfen, die Vorgehensweise zu planen
und die Methoden auszuwählen. Das gemeinsame planen fördert gleichzeitig die gegenseitige
Akzeptanz und die Teambildung. Für diese erste Planungswerkstatt sollte ausreichend Zeit
eingeplant werden.
205
8.2 Das inklusive Forschungstraining
Damit sich Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher an der Planung und während des
Forschungsprojektes beteiligen können, sind sie nicht nur auf persönliche oder organisatorische
Unterstützung angewiesen, sondern auch auf eine inhaltliche Qualifizierung. Diese Qualifizierung
umfasst Hilfestellungen zum Verstehen des Forschungsbegriffs sowie von Zielen und Inhalten der
Forschung. Dies kann wie oben beschrieben vor dem Beginn des eigentlichen Forschungsprojektes
stattfinden oder auch während des Projektes. Wobei sicherlich eine Kombination von beidem das
Beste wäre. Grundlegende Inhalte und Fragen zur Forschung können und sollten zu Beginn mit
allen Beteiligten erarbeitet werden. Dies bedeutet nicht, dass bestimmte Fragen, damit ein für
alle Mal geklärt sind. Sie werden auch während der Projektlaufzeit immer wieder thematisiert
werden müssen. Die Forschungs- und Entwicklungsverfahren, kreative Werkzeuge und Methoden,
die inklusiv für alle im Verfahren zugänglich und verständlich sind (vgl.: OLLERTON, J. 2012:12),
sollten situativ und ganz konkret während des Projektverlaufs vorgestellt und ggf. für die
Zielgruppe angemessen adaptiert werden.
8.2.1
Der Forschungsbegriff
Was bedeutet Forschung und Entwicklung?
Definition Forschung und Entwicklung (vgl. GABLER WIRTSCHAFTSLEXIKON)
Forschung und Entwicklung ist die systematische Suche nach neuen Erkenntnissen unter
Anwendung wissenschaftlicher Methoden in geplanter Form. Während unter
Forschung der generelle Erwerb neuer Kenntnisse zu verstehen ist, setzt sich die
Entwicklung mit deren erstmaliger konkretisierender Anwendung sowie praktischer
Umsetzung auseinander.
Was ist Wissenschafts-Forschung und die Hochschul-Forschung? (in verständlicher
Sprache)
Durch die Forschung will man erreichen, dass etwas entwickelt oder verbessert wird.
Dabei geht es oft um Technik, neue Erfindungen und Ideen.
Bei der Forschung und Entwicklung sucht man zum Beispiel nach neuen Erkenntnissen
und Erfahrungen, nach der Lösung praktischer Probleme mithilfe der Technik
o
Vorentwicklungen werden geprüft, ob sie gut sind und sich umsetzen lassen
o
Und man möchte herausfinden, ob die Ergebnisse etwas verändern oder verbessern.
Alle Bereiche, die etwas erforschen, nennt man auch Wissenschaft (vgl. Wissenschaftsund Hochschulforschung).
206
8.2.2
Gütekriterien für die inklusive-partizipative Forschung
Zur Forschung gehören bestimmte Regeln, die die Qualität einer Forschung ausmachen. Das nennt
man Gütekriterien. Gütekriterien für die inklusive-partizipative Forschung und Entwicklung
müssen noch entwickelt werden.
Inklusive-partizipative Forschung muss den Gütekriterien von Forschung allgemein nachkommen.
Diese Gütekriterien sollten zu den angewendeten Methoden passend/angemessen sein. Zu
Beginn eines Projekts sollten gemeinsam mit allen Forschungsteilnehmern auf der Grundlage der
allgemeinen Gütekriterien für die Forschung Gütekriterien für das jeweilige inklusive
Forschungsprojekt entwickelt und definiert werden. Das bedeutet, dass die Gütekriterien dem
Forschungsprozess, den Erfordernissen (dem Erkenntnisgewinn), den konkreten Fähigkeiten und
Interessen entsprechend anzupassen sind (vgl. BERGOLD, J. /THOMAS, S. 2010: 342).
Qualität des Forschungsprozesses und der Forschungsergebnisse mit IPAR-UCD
Die Angemessenheit des qualitativen Vorgehens wird zunächst durch die Fragestellung des
Gegenstandes der inklusiven-partizipatorischen Forschung und Entwicklung, User-Centred
Design und dem Empowerment der Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern geprägt.
Es muss sichergestellt sein, dass alle Teilnehmer Zugang zu dem Forschungsprozess und
den dort anstehenden Entscheidungen haben, dass die Stimme jedes Beteiligten gehört
wird und in die Entscheidung eingeht (vgl. ebd.: 342).
Dies betrifft zum Beispiel.:
o Formulierung von verständlichen Forschungsfragen zur Entwicklung,
o Begründungen und Entscheidungen sollen für das gesamte Forschungsteam
nachvollziehbar sein,
o Erhebungs- und Auswertungsmethoden, passend zur Forschungsfrage, die ggf. den
Peer- Forscherinnen und Peer-Forschern entsprechend angepasst werden.
Qualitative Forschung kann ohne Bewertungskriterien nicht bestehen, da sonst der
Vorwurf der Beliebigkeit und Willkürlichkeit naheliegt.
Die Validität und Glaubwürdigkeit der Aussagen/ Informationen von Menschen mit
Lernschwierigkeiten werden immer wieder infrage gestellt (vgl. Teil A), daher diese
Empfehlung von BERNASCONI:
o
Die Untersuchungen sollten nicht nur mit einem bestimmten methodischen
Verfahren durchgeführt werden (vgl. BERNASCONI, T. 2007: 169).
o
Die Angaben und Daten können mit unterschiedlichen Methoden (Mixed Methods
Design oder durch Triangulation) überprüfbar gemacht werden (auch eine Frage der
Transparenz und Reliabilität).
207
Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei IPAR-UCD
Empirische Forschung bedeutet, dass der Forschungsprozess und das Ergebnis
nachvollziehbar und wiederholbar sind. Da die Methoden- und Methodenentwicklung in
der Forschung und Entwicklung immer entscheidungsrelevant ist, muss der gesamte
Prozess ausreichend dokumentiert und erklärt werden. Dies betrifft die Begründung der
gewählten Verfahren und deren Anpassung im Rahmen der Studie bis hin zur konkreten
Umsetzung der Forschungsarbeiten. Es muss nachvollziehbar sein, wie und mit welcher
Methode die Daten ausgewertet und interpretiert wurden.
Transparenz umfasst auch die Frage der Autorenschaft (wer ist der Eigentümer der
Forschung). Die Ergebnisse sollten verständlich, transparent in ihren Folgen und für alle
zugänglich sein. Es muss selbstverständlich sein, dass die Co- und Peer-Forscher auch
namentlich erwähnt werden und dass ihnen eine zugängliche, verständliche Form der
Publikation der Ergebnisse zur Verfügung steht, wenn es keine gemeinsame Publikation
geben kann (vgl. WALMSLEY, J/ JOHNSON, K.2003:216 ff.).
Durch die Zusammenarbeit als Endnutzer kann eine höhere Validität der Forschungsergebnisse erreicht werden und die Anzahl systemischer Fehler verringert werden.
8.2.3
Normen und Werte in der Forschung
o
Dies bedeutet für IPAR-UCD folgendes:
o
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher verstehen, den Sinn und Zweck der
Forschung.
o
Sie geben ihre Zustimmung zur Teilnahme freiwillig.
o
Sie wissen, dass sie die Zustimmung jederzeit zurücknehmen können.
o
Es darf kein Forschungsvorhaben geben und keine Studie durchgeführt werden,
wenn diese gegen die Menschenwürde bzw. Menschenrechte verstößt.
o
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher müssen ehrlich sein und sie nicht etwas
Falsches sagen oder behaupten.
o
Sie dürfen nichts versprechen, was nicht eingehalten werden kann.
o
Die anvertrauten Daten oder Geheimnisse dürfen nicht an andere Personen
außerhalb des Projektes weitergegeben werden.
o
Alle personenbezogenen Daten werden anonymisiert oder so verändert, dass sie
nicht einer Person zugeordnet werden können. Sollte dies in besonderen Fällen
nicht möglich sein (z. B. ein Mann unter lauter Frauen) dann müssen die Teilnehmer
darüber informiert werden und müssen damit einverstanden sein.
Peer-Forscherinnen und Peerforscher sollten so weit wie möglich verstehen können, dass die
Entscheidungen über das Verfahren und den Prozess, den sie treffen, weitreichende Folgen für
das Leben anderer Menschen haben können.
208
9 Die benutzerorientierte Entwicklung
Zum nutzerzentrierten Gestaltungsprozess wie Usability-Entwicklung und Evaluation, gehören alle
Aktivitäten oder Methoden zur Bewertung der Benutzerfreundlichkeit des neuen Produkts oder
Systems. Es gibt hierzu unterschiedliche Methoden, die sich in ihren Ansätzen, Zielen und in ihrer
Vorgehensweise unterscheiden. Einige davon werden später vorgestellt.
9.1 Die inklusive Usability-Entwicklung mit den Peer-Forscherinnen
und Peer-Forschern – Kontextanalyse
9.1.1
Nutzungshintergrund
Wenn die Aufgabe feststeht, werden zunächst Informationen über die zukünftigen Nutzer
gesammelt. Man stellt sich die Frage: Wer ist die Zielgruppe, wer sind die zukünftigen Nutzer?
Dann sind Informationen über die soziale und physische Umwelt wichtig, z. B. welche Ressourcen
oder Geräte stehen zur Verfügung?
Hier sind die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern die Experten Sie können ihre eigenen
Erfahrungen und Vorstellungen exakt einbringen.
9.1.2
Die Anforderungsanalyse
Nach einer ausführlichen Analyse des Nutzungshintergrunds werden Nutzungsanforderungen
(Wunschliste) gemeinsam definiert:
o
Das nennt man auch Requirementanalyse.
o
Was soll das neue Produkt, die neue Software oder der neue Service alles können?
o
Wie soll er gestaltet sein?
o
Was ist möglich oder umsetzbar, was nicht?
Diese Anforderungen werden anschließend von den Entwicklern in erste Konzepte und Entwürfe
Prototyp oder Mockup umgesetzt.
9.1.3
Der Prototyp oder Mockup
Die erstellten Konzepte und Entwürfe werden wiederholt mit Peer-Forscherinnen und PeerForschern besprochen und Mockups und Prototypen werden ausprobiert. Dies alles dient dazu,
sicherzustellen, dass die Anforderungen der späteren Nutzer auch tatsächlich erfüllt werden.
209
Betrachtet man den Prozess im Rahmen von IPAR-UCD so wird deutlich, dass die PeerForscherinnen und Peer-Forscher in das Feld, das sie objektiv als Peers darzustellen versuchen,
auch subjektiv involviert sind und diese Form der Erkenntnisgewinnung von ihren persönlichen
Erfahrungen nicht zu trennen sind.
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sind zunächst aktiv Beobachtende. Sie sind im Sinne
des Instruments der Beobachtung aber auch passiv Beobachtete. Nicht nur der untersuchte
Testgegenstand, an dem relevante Beobachtungen gemacht und Informationen gesammelt
werden können, ist entscheidend.
Auch an den Forschenden selbst zeigen sich Erfahrungen, deren Wahrnehmung für die
Forschungssituation von Bedeutung ist. Dieser Prozess des Verstehens ist daher immer auch mit
einer selbstreflexiven Überlegung verbunden.
Diese Vorgehensweise macht wie bei der Aktionsforschung aus, dass man nicht bei der Klärung
der Probleme stehen bleibt, sondern die gewonnenen Erkenntnisse auch praktisch wirksam
werden lässt und damit den Entwicklungsgegenstand gemeinsam 'verbessert'.
9.2 Die inklusive Usability-Evaluation mit Test-Usern (Testteilnehmer)
Die inklusive Usability-Evaluation wird von einem inklusiven Evaluationsteam geplant und
durchgeführt. Wer sich vom Forschungsteam an der inklusiven Evaluation beteiligt, ist Projekt
abhängig. In so einem inklusiven Evaluationsteam sind auf jeden Fall auch immer PeerForscherinnen oder Peer-Forscher beteiligt.
Zur Evaluierung eines Prototyps und später auch für die Evaluierung des fertiggestellten Produkts
gibt es einen Evaluationsplan oder Testplan. Darin stehen die einzelnen Punkte, die evaluiert
werden sollen. Bevor eine Usability-Evaluation durchgeführt wird, sollten die Testziele, das
Anliegen sowie die Randbedingungen der Evaluation definiert werden.
Für einen iterativen Gestaltungsprozess (hier gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und PeerForschern), empfiehlt JAKOB NIELSENS, drei Testtermine mit jeweils 5 Probanden durchzuführen und
nach jedem Test die gefundenen Usability-Probleme zu beseitigen, anstatt einen einzelnen Test
mit 15 Probanden durchzuführen (vgl. NIELSEN, J. 2000).
Er weist nach, dass das ultimative Benutzererlebnis durch 3 Studien mit je 5 Test-User deutlich
stärker verbessert wird, als durch eine einzige Studie mit 15 Usern.
210
Vorbereitung der Usability-Evaluierung
Die Vorbereitungsphase umfasst folgende Teilschritte:
9.2.1
o
Auswahl der Mitarbeiter für das Evaluationsteam, die an der Evaluation oder
dem Usability-Test teilnehmen
o
Festlegung der Fragestellung und Zielsetzung der Evaluation
o
Gemeinsame Auswahl der Methoden der Usability-Evaluation
o
Auswahl der Testaufgaben und Testfälle, dies ist Aufgabe der Entwickler
o
Auswahl der Test-User (Wer ist ein geeigneter Nutzer? Wie viele Test-User
sollen teilnehmen?)
o
Festlegung der Dokumentation
o
Technische und organisatorische Vorbereitung der Evaluation.
Das Evaluationsteam und die Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer
Zu einem inklusiven Evaluationsteam gehören:
o
Ein Moderator, der die Sitzung leitet. Sie/er sollte ein Usability-Spezialist sein.
o
Eine Peer-Forscherin oder ein Peer-Forscher, zur Unterstützung des Moderators.
Sie bilden das Forschungstandem (d. h. Peer-Forscherin oder Peer-Forscher und
Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler aus dem Forschungsteam).
o
Das Forschungstandem erfasst die Ergebnisse.
o
Andere Teammitglieder können als stille Beobachter teilnehmen.
o
Ergänzend kann ein Mitglied die Protokollierung der Ergebnisse übernehmen.
Die folgenden Fragen dienen als Grundlage für die Auswahl der Testteilnehmer:
o
Wie soll die Zusammensetzung bei den Test-User sein, die getestet werden
sollen?
o
Wie viele Test-User werden gebraucht?
o
Wie wählt das Team die Test-User aus?
o
Welche Voraussetzungen müssen Testteil-User mitbringen (Merkmale ihrer
Qualifikation und die erwarteten Fähigkeiten/Wissen)? Sind die Test-User mit
den Evaluierungs-Aufgaben vertraut?
o
Haben die Test-User Erfahrungen mit der Durchführung bestimmter Aufgaben?
o
Wie werden die Test-User gewonnen?
211
9.2.2
Festlegung der Fragestellung/Zielsetzung der Evaluation
Der Aufgabenbereich (der Testgegenstand, der Prototyp, das Mockup), der evaluiert
werden soll, muss genau benannt werden.
Der Testgegenstand wird vorgestellt und das Ziel und die Fragen für die Evaluation oder
den Test werden vorher besprochen und festgehalten.
Zielsetzung im Rahmen eines Usability-Tests sind beispielsweise:
o Überprüfung von Ergebnissen,
o Ermittlung von echten Problemen der realen Benutzer,
o Ermittlung von Akzeptanzproblemen,
o Erhebung von weiteren Anforderungen, fehlenden Funktionalitäten und die
Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen,
o Der Vergleich verschiedener Möglichkeiten unter realistischen
Einsatzbedingungen.
9.2.3
Die Auswahl der Methoden der Usability-Evaluation
Es gibt eine Anzahl von Usability-Methoden, die partizipativ durchgeführt werden können. Welche
Methoden sich für die inklusive Besetzung eignen oder angepasst werden müssen, wird im
Forschungsteam entschieden (siehe Kapitel 8 Methoden)65
5. Abb. Methoden für die inklusive Usability-Evaluation (Quelle: eigene Darstellung)
65
Im Anhang werden die verschiedenen Evaluationsmethoden vorgestellt, die mit dem Verfahren des
Design Based Research Ansatz für die IPAR-UCD Methode ausgewählt und gemeinsam mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern adaptiert wurden.
212
9.2.4
Festlegung der vorzunehmenden Schritte, Auswahl der Testfälle,
Testaufgaben oder Testszenarien:
Die Testaufgaben sollten möglichst realistisch sein und den späteren typischen (Arbeits-) Alltag
der Testbenutzerinnen und Testbenutzer widerspiegeln. Echte Praxisaufgaben als Test sind ideal.
Wenn bei komplexen Anwendungen keine Evaluation aller möglichen Arbeitsschritte des Systems
durchführbar ist, dann müssen die Testaufgaben so ausgewählt werden, dass sie typisch und
möglichst realistisch sind.
Hierzu sind die folgenden Festlegungen notwendig:
o
Festlegung der Usability-Test-Sitzungen (Anzahl und Zeit);
o
Beschreibung der einzelnen Aufgaben die zu lösen sind;
o
Festlegung der Reihenfolge
o
Bestimmung zusätzlicher Aufgaben, damit das Forschungsteam die entsprechenden
Aufgaben auswählen kann.
9.2.5
Der Testplan und die Dokumentation – Beispiel
So kann beispielsweise der Inhalt eines Testplans aussehen. (Dieser muss je nach Situation mit
Bildern angepasst werden.)
Projektname:
Test: Name oder Nummer
Datum:
Test User (Pseudonym):
Alter:
Geschlecht:
Test Aufgaben:
Was ist zu tun
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3
Wurde die Aufgabe
erledigt?
o
ja o
ja o
ja
o
nein o
nein o
nein
Beobachtungen:
Zufriedenheit
Fehler
Verbesserungsvorschläge
213
9.2.6
Die Dokumentation der Begutachtung/Beurteilung/Evaluation
Checkliste
o
Einzelne Testschritte und Beobachtungen zum Testplan festhalten
o
Bilder, Screenshots und Videoaufnahme sind hilfreich;
o
Störfaktoren notieren;
o
Abschlussbewertungen der Testteilnehmer in einfacher verständlicher Sprache ggf.
mit einfacher Skala (Smiley- oder Sterne-Skala) aufbereiten.
9.2.7
Kollaborative Datenanalyse
Die Datenauswertung soll gemeinsam mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
durchgeführt werden. Sie muss daher für alle leicht und verständlich durchführbar sein. Auch für
die gemeinsame Datenauswertung gibt es verschiedene Auswertungsmethoden (siehe unten).
9.3 Die organisatorische und technische Vorbereitung der allgemeinen
Usability-Evaluation
Die Vorbereitung der allgemeinen Usability-Evaluation mit anderen Test-Usern hängt vom Termin
und vom Evaluationsort ab. Der Termin muss mit allen Teilnehmern rechtzeitig abgesprochen
werden. Hierzu ist notwendig:
Zeitplan:
214
o
Festlegung von Zeitplan und Datum der Test-Sitzungen;
o
Festlegung, wie viele Sitzungen an einem Tag durchgeführt werden und zu welchen
Zeiten die Sitzungen stattfinden;
o
Festlegung der Dauer einer Sitzung (diese ist in der Regel 60 bis 90 Minuten).
o
Bei der Planung muss Zeit für die Erstellung von Notizen vorgesehen werden und
zwischen den Sitzungen ist Zeit einzuplanen, um die Untersuchungsumgebung für den
nächsten Test-User zurückzusetzen.
o
Es ist von Vorteil eine Zeitreserve für Sitzungen einzuplanen, für Teilnehmer die etwas
länger dauern oder, die zu spät kommen.
Die Test-Umgebung
Der Versuchsaufbau soll vorher genau festgehalten (soll gefilmt, fotografiert werden?)
o
Raum (mögl. Ruhig, ohne Störungen);
o
Festlegung der Ausstattung, die im Test verwenden werden:
•
Desktop, Laptop,
•
Handy/Smartphone,
•
Spezielle barrierefreie Ausstattung;
•
eventuell Informationen für die Größe und Auflösung des Monitors;
•
Betriebssystem, Browser und Ähnliches;
Arbeitsmaterialien
Die Materialien für die allgemeine Usability-Evaluation müssen vorbereitet und ggf. später der
Ablauf mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern eingeübt werden.
o
Testaufgaben, Testfälle;
o
Abschlussfragebogen;
o
Festlegung der Dokumentation:
•
Videoaufzeichnung oder Audioaufzeichnung,
•
Schreibmaterial, Zeichenmaterial;
9.4 Die Vorbereitung der Evaluationsteams
9.4.1
Einführung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in das
Evaluationsverfahren
o
Die Test-Users werden darüber informiert, was evaluiert oder getestet werden soll
(Beschreibung des Testgegenstandes).
o
Für die Test-User muss verständlich sein, warum sie an dieser User-Evaluation
teilnehmen und warum gerade diese Testaufgaben wichtig sind.
o
Es ist sicherzustellen, dass die Test-User die Aufgabe auch wirklich verstanden
haben. Dabei ist es wichtig zu erklären, dass es dabei „Aufgaben“ gibt, die sie
ausprobieren können und, dass man nichts richtig oder falsch machen kann und dass
man bei diesem Test nicht durchfallen kann.
o
Die Testteilnehmer müssen die informierte Einwilligung unterschrieben haben.
215
In einem gemeinsamen Workshop sollte das Evaluationsverfahren in verständlicher Form mit
Beispielen erklärt werden (die Aufgabe selbst, der Sinn und Zweck).
Es muss klar sein, warum die Untersuchungen oder der Test gemacht werden soll. Auch die evtl.
angepasste Evaluationsmethode sollte vorgestellt und ausprobiert werden. Es ist wichtig, dass die
Peer-Forscher sie verstehen und alle offenen Fragen geklärt sind.
9.4.2
Regeln bei der Evaluation
Für die Evaluation gelten auch für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher Regeln.
Die folgenden Regeln sind von allen Beteiligten einzuhalten:
o
Der Name des Test-Users darf nicht außerhalb der Testsitzung verwendet werden.
o
Die Ergebnisse eines Test-User dürfen nicht individuell zugeordnet werden.
o
Eine Auskunft oder Bewertung der Ergebnisse des einzelnen Test-User darf nicht an
seinen Vorgesetzten weitergegeben werden.
9.5 Empfehlungen zur Durchführung der Usability-Evaluation
Sollte der Testnutzer bei den Testaufgaben auf unlösbare Probleme stoßen, kann das
Forschungsteam Hilfestellung geben. Das kann zum Beispiel ein Hinweis sein die aktuelle Lösung
zu überdenken oder Fragen nach dem aktuellen Benutzerziel. Wenn der Testbenutzerinnen und
Testbenutzer dennoch nach weiterem Suchen einer Lösung keinen Erfolg haben, wird die Aufgabe
abgebrochen.
9.5.1
Auswahl und Einführung in die unterschiedlichen Forschungswerkzeuge,
Forschungstechniken und empirische Forschungsmethoden
Während der einzelnen Phasen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses werden
unterschiedliche Werkzeuge Methoden benötigt. Häufig verwendeten Methoden bei UCD sind
Usability-Tests, Card Sorting und Fokusgruppen. Oft werden diese Methoden auch miteinander
kombiniert (eine Aufstellung der einzelnen Forschungsmethoden folgt). Welche dieser Werkzeuge
und Methoden sinnvoll in einem inklusiven Verfahren verwendet werden können, welche
angepasst oder ersetzt werden müssen, ist auszuprobieren. Entsprechende Methoden sind in
Kapitel 10 (Methoden für IPAR-UCD) und im Handbuch für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher mit Arbeitsanweisungen und Arbeitsmaterialien beschrieben.
216
9.5.2
Dokumentation und Datenerhebung
Die Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse müssen im Vorfeld festgelegt und vor allem
ausprobiert werden. Bevor mit der eigentlichen Dokumentation und Datenerhebung begonnen
wird, sollte man einen Ablaufplan haben, damit die Mitglieder des Forschungsteams wissen, wann
und was zu tun ist.
Für die Dokumentation ihrer Beobachtungen können die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
unterschiedlichen Werkzeuge selbstständig benutzen. Neben üblichem Papier und Stift ist die
Dokumentation mit dem iPad eine der einfachsten Möglichkeiten. Das iPad stellt verschiedene
Anwendungen (Apps) für die Datenerfassung und Dokumentation zur Verfügung. Diese sind auch
von Menschen mit Lernschwierigkeiten schnell zu erlernen. Das iPad kann als qualitative
Forschungsmethode zur Foto- oder Video-Erhebungsmethode (Elicitation) eingesetzt werden,
ebenso das Videointerview zur Auswertung der Beobachtungen und Testberichte.
Nach dem Test wird vom Forschungstandem gemeinsam ein Bericht über die Beobachtungen und
Testergebnisse verfasst. Wenn alle Berichte vorliegen, können diese der Fokusgruppe mit oder
ohne Entwickler diskutiert werden, um ggf. Verbesserungsvorschläge für den Testgegenstand
oder auch zum Testablauf machen zu können. Das Ergebnis geht dann in die iterative Entwicklung
ein, bis bei der End-Evaluation ein fertiges Produkt oder Service steht mit dem alle zufrieden sind.
Tabelle 2 : Anregungen zur D urch führu ng ein es User-Tes ts
Tipp
Vorschlag
Verwenden Sie eine angemessene
Sprache
Machen Sie es sich nicht zu leicht, sondern
vereinfachen Sie es verständlich.
Seien Sie sensibel für den
unterschiedlichen Entwicklungsstand
Bei der Gestaltung der Beobachtungen, Beurteilungen
oder Tests: diese entsprechend anpassen
Planen Sie zwischen den Sitzungen
genügend Zeit ein
Die Arbeit mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen kann zusätzliche Zeit in Anspruch
nehmen, die Betreuung und die Sitzungen können
übermäßig lange dauern.
Rekrutieren Sie mehr Teilnehmer, als
Sie benötigen
Dies wird Ihnen helfen, wenn Teilnehmer nicht
kommen oder sie sich nicht trauen.
Verwenden Sie visuelle Skalen anstelle Wenn möglich und sinnvoll, diese Art visuelle Skalen
von Zahlen oder Wörtern
funktionieren
besonders gut.
Erwägen Sie zusätzlich zu der allg.
Aufwandsentschädigung den
Teilnehmern etwas zukommen zu
lassen
Halten Sie sich an die Regeln Ihrer Organisation. Aber
wenn möglich, sollten Sie in Betracht ziehen, den
Teilnehmern etwas als Belohnung mit zu geben.
217
10 Methoden für IPAR-UCD und inklusives
partizipatives Design und Entwicklung
In den vorherigen Kapiteln wurde gezeigt, wie der Ablauf von IPAR-UCD in der Praxis mit einem
Peer-Forscher-Team realisiert werden kann. Im Folgenden werden nun für die inklusive Forschung
und Entwicklung bewährte und bekannte Methoden vorgestellt, die für die Beteiligung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher ausgewählt, angepasst und ergänzt wurden.
10.1 Methoden für inklusives-partizipatives Design und Entwicklung
und die Usability-Evaluation
Es gibt eine Reihe von Methoden, die für IPAR-UCD und inklusives-partizipatives Design und
Entwicklung geeignet sind.
Tabelle 3 : Me tho den für inklusives-p artizipa tives Design
Methode
Kollaborative Methode
Fokusgruppe
Card Sorting
Szenarien
Storyboards,
auch Visual Storytelling
Foto-, Video-Elicitation
Cognitive Walkthrough
Thinking Aloud Test
218
Planung
Analyse
Konzeption
Prototyping
Evaluatio
n/
Implemetierung
partizipativer Gruppenprozess zur Planung,
Durchführung und
Evaluation
ü
ü
ü
ü
ü
moderierte
Gruppendiskussion mit
den Peer-Forschern
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
Kurzbeschreibung
Erarbeitung der
Anforderungen und
Informationsarchitektur
(z. B. Navigationsinhalte
einer Website)
ein Szenario ist eine
detaillierte Beschreibung
einer möglichen SollSituation
ü
Visualisierung von
Interaktionen, Szenarien
und Visionen
Visualisierung von
Interaktionen
Handlungsschritte
planen und durchführen
Lautes-Denken während
dem Test
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
Methode
Fragebogen
Interview
Beobachtung
Testfälle
Kontextanalyse
Prototyping
Evaluatio
n/
Implemetierung
ü
ü
ü
Beobachtung meist im
realen Arbeitsumfeld der
User
ü
ü
ü
repräsentative User
lösen produkt-typische
Aufgaben
ü
ü
ü
ü
ü
Kurzbeschreibung
vordefinierten Fragen,
um gezielte
Informationen zu
erhalten
Planung
Analyse
Konzeption
ü
ü
ü
ü
liefert detaillierte
Informationen über
einen bestimmten
Sachverhalt oder Nutzer
Beobachtung und
gleichzeitige Befragung
zukünftiger Nutzer, PeerForscher
10.2 User-Centred Design Methoden für den Einsatz inklusiverpartizipativer Designentwicklung zur Datenanalyse
Tabelle 4 : User-Centre d Design Me thode n z u r inklusive-partizipa tive
Designentwicklung und zur Da tenanalyse
Methode
Patchwork-Analyse
Colour Coding
Kurzbeschreibung
leicht verständliches
Analyseverfahren
Planung
Analyse
Konzeption
Prototyping
Evaluation/
Implemetierung
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
ü
leicht verständliches
Bewertungsverfahren
Video Card Game und
Affinitäts-diagramm
(vgl. Moonen, R.
2012)
Das Video wird in
kleinere Stücke
zerteilt. Mithilfe des
Affinitäts-diagramm
wird es anschließend
geordnet, um
Probleme, Bedürf-nisse
und Prioritäten zu
identifizieren.
Mindmapping
Erschließen und
visuelles Darstellen
eines Themengebietes, zum Planen
und als Problemlösung
ü
219
11 Adaptierte Usability-Forschungs- und
Entwicklungsmethoden für die inklusive
Forschung
Exemplarisch werden hier vier Forschungsmethoden für IPAR-UCD in leichter verständlicher
Sprache vorgestellt.66 Diese Methoden wurden gemeinsam mit den die mit den PeerForscherinnen und Peer-Forscher angewendet, analysiert, angepasst oder neugestaltet.
Sowohl der Thinking-Aloud-Test67 wie der Cognitive Walkthrough wurden bereits im LAB Easy
Reading, mit einem Peer-Forscher-Team als Experten adaptiert und angewendet.
Die Praktikabilität und Effektivität der abgeleiteten Usability-Methoden soll durch Folgeuntersuchungen, möglichst qualitativer Art, und dem Design Based Research mit der Zielgruppe im
Forschungs-LAB »Easy Reading« mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern weiter überprüft
werden, um die Ansätze zu optimieren oder um weiter konkrete Methoden und
Vorgehensmodelle zu entwickeln.
11.1 Thinking-Aloud-Test (Laut-Denken-Tests)
Was ist ein Thinking-Aloud-Test?
Der Thinking-Aloud-Test ist eine Forschungs-Methode.
Ein oder mehrere Test-Teilnehmer übernehmen die Rolle des Benutzers
am Computer
am Smartphone
oder am Tablett
Der Testbenutzer soll laut aussprechen, was er bei der Benutzung denken.
Was passiert bei einem Thinking-Aloud-Test?
Mit dieser Methode wird für das Projekt eine neue Software ein Test-Typ
ausprobiert. Es wird geschaut: Können Testbenutzerinnen und Testbenutzer die
neue Software leicht bedienen oder ist es zu schwer. Sie sollen entweder den TestTyp frei ausprobieren, oder festgelegte Aufgaben lösen.
Dabei werden sie beobachtet. Sie werden aufgefordert, laut zudenken, daher der Name ThinkingAloud-Test.
66
Diese Methoden sind in Anlehnung an die Regeln der leichten Sprache adaptiert.
67
Diese Methode ist seit 20 Jahren die Nummer eins bei den Usability-Methoden.
220
11.1.1 Ziel eines Thinking-Aloud-Tests (Laut-Denken-Tests)
o
die Gedanken eines Testteilnehmers zu erkennen und zu verstehen, warum sie oder er
welche Dinge tut;
o
wenn Testbenutzerinnen und Testbenutzer einen Fehler machen, kann man die
Ursache des Fehlers feststellen;
o
so kann man die Software, »Easy Reading« verbessern und Probleme vermeiden.
11.1.2 Aufgabe der Peer-Forscherinnen/Peer-Forscher beim Thinking-Aloud-Test
Sie sollen helfen, die Probleme der Nutzer zu entdecken um die Benutzung zu verbessern.
Das Testen mit einem Test-Typen (Prototyp*)
o
Zuerst benutzen die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher einen Test-Typ
selbst im Forschungstandem.
o
Dann testen sie den Test-Typ im Forschungstandem mit neuen, anderen
Testteilnehmern
Was wird gesucht?
o
Wo sind der Vorschlag oder Entwurf nicht so, wie es der User braucht?
o
Wo können schnell Fehler entstehen?
Ergebnisbericht:
o
Nach den Untersuchungen berichtet das Forschungstandem den Entwicklern
von den Ergebnissen vom Thinking-Aloud-Test.
o
Die Ergebnisse aus diesem gedachten Lösungsweg sind ohne Ausnahme die
Eindrücke die von Testbenutzerinnen Testbenutzern laut gedacht wurden.
11.1.3 Anmerkung zum Thinking-Aloud-Test
Beim Thinking-Aloud-Test können fehlende Funktionen oder auch Fehler festgestellt
werden. Es ist aber nicht möglich, während eines Thinking-Aloud-Tests die genaue Qualität
eines Test-Typs festzustellen, da durch das laute Mitdenken Verzögerungen entstehen, die
das Ergebnis beeinflussen.
Ein Problem bei einem Thinking-Aloud-Test ist, dass viele Testpersonen mit der Zeit nichts
mehr sagen.
o
Sie sind es nicht gewöhnt, alles, was sie denken, auszusprechen.
o Eine Lösung hierzu wäre:
dass man beispielsweise zwei Testpersonen gleichzeitig an einen Test-Typen
arbeiten lässt. Dadurch fällt ihnen das Sprechen einfacher.
221
11.2 User-Testing
11.2.1 Was ist User-Testing mit Testplan und Testfällen (siehe Anhang 2)
User-Testing ist ein Test mit den Nutzerinnen und Nutzern
Beim User-Testing untersuchen Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer einen Test-Typ,
Testgegenstand, Prototyp, Mockup oder Interface-Prototyps.
Hierzu gibt es einen Testplan, der gemeinsam mit den Entwicklern erstellt wird.
In diesem Testplan werden die genauen Aufgaben beschrieben, die der Testteilnehmer
durchführen soll. Sie werden dabei von einem inklusiven Forschungsteam oder Forschungstandem angeleitet.
11.2.2 Das Forschungstandem
Das Forschungstandem oder Forschungsteam besteht immer aus wenigstens einer PeerForscherin oder Peerforscher und einer Forschungsassistenz.
Das Forschungstandem soll den Test-Typ vorher kennen lernen
o
Sie bekommen beide von den Entwicklern einen Testplan, den Ablauf für die Testfälle,
für ihre eigenen Notizen.
o
Sie gehen den Plan Schritt für Schritt durch, um zu verstehen, was der TestTeilnehmer machen soll und ob ggf. im Testplan noch etwas verändert werden muss.
o
Das heißt, dass das Forschungs-Team genau weiß, was im Test passieren soll und wie
der Teilnehmer die Aufgaben stellen muss.
o
Das Forschungsteam sagt dem Testteilnehmer, was er zu tun hat und beobachtet
dann genau, wie sich der Testteilnehmer verhält.
o
Wenn er eine Aufgabe nicht lösen kann oder etwas nicht funktioniert, soll das
Forschungstandem das genau notieren.
o
Das Forschungstandem unterstützt sich hierbei gegenseitig.
o
Sie unterstützen aber den Testteilnehmer nur indirekt, indem sie z. B. die Frage oder
Aufgabe mit anderen Worten wiederholen.
11.2.3 Einführung für die Testteilnehmerinnen und Testteilnehmer
o Es muss zu Beginn für alle eine Einführung des Test-Typs oder der Software geben.
o Es muss vorher die Methode der Untersuchung genau erklärt werden.
222
11.2.4 Die Testteilnehmer können nichts falsch machen:
o
Wenn die Testteilnehmer Schwierigkeiten beim Testen des Test-Typs haben liegt das nicht
daran, dass sie etwas nicht verstehen oder nicht können. Es liegt dann meist daran, dass
der Test-Typ noch verbessert werden muss.
o
Es geht nicht darum, die Fähigkeiten der Testteilnehmer zu testen, sondern zu
untersuchen, wie gut der Test-Typ gemacht ist.
o
Menschen mit Lernschwierigkeiten sagen manchmal, dass sie die Aufgabe verstanden
haben, aber sie haben die Aufgabe noch verstanden. Deshalb ist das Nachhaken vom
Forschungsteam wichtig. Man kann die Testteilnehmer auch bitten die Aufgabe mit
eigenen Worten zu wiederholen.
11.3 Inklusive Cognitive Walkthrough (Wharton, C./Rieman, J./Lewis, C./
Polson, P. 1990)
11.3.1 Was ist ein Cognitive Walkthrough?
Cognitive Walkthrough, das heißt so viel wie: gedachter Lösungs-Weg
Der gedachte Lösungs-Weg ist eine Forschungs-Methode.
Ein oder mehrere Tester übernehmen die Rolle des Users
o am Computer
o am Smartphone oder am Tablett
Die Tester benutzen dabei einen bestimmten Weg,
Um Fehler und Schwierigkeiten entdecken.
11.3.2 Was wird beim gedachten Lösungs-Weg gemacht
Mit dieser Methode kann im Projekt eine neue Software schon sehr früh ausprobiert werden.
Beim gedachten Lösungs-Weg wird geschaut:
Kann der Benutzer den Test-Typen leicht erlernen und bedienen? Oder ist es für ihn zu schwer?
11.3.3 Aufgaben
Die Entwickler und der Test-Typ
Die Entwickler überlegen vorab aufeinander folgende Schritte, die am Test-Typen ausprobiert
werden sollen, (Beispielaufgaben und Ablauffolgen).
Zum Beispiel:
o
o
o
o
eine Aktion finden oder eine Aktion anwenden,
einen bestimmten Lernschritt finden,
einen Schritt bis zum Ende bearbeiten,
das Ergebnis als E-Mail versenden ....
Für jede der Aufgaben wird festgelegt, welchen Weg der Benutzer idealerweise gehen wird, um
seine Aufgabe zu erledigen.
223
Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte testen den Test-Typen
o
Sie helfen den Entwicklern die ersten Benutzer-Probleme zu entdecken und die
Entwicklung zu verbessern.
o
Sie benutzen sie den Test-Typen, um zu sehen, wie der erste Versuch gelingt.
o
Beobachter (ein Forschungstandem) halten die möglichen Probleme mit dem Test-Typen
fest (Notizen, Screenshots, Video)
Wonach suchen die Peer-Forscher?
o
Sie beobachten, an welcher Stelle der Entwurf nicht so, wie es der Benutzer braucht?
o
Oder wo schnell Fehler entstehen können?
Anpassungen
Nach den Untersuchungen berichten die Peer-Forscher und später das Forschungstandem den
Entwicklern on den Ergebnissen und Problemen des gedachten Lösungswegs und was sie
verbessern sollen.
Die Entwickler versuchen danach den Test-Typen zu verbessern.
Dieser Vorgang kann mehrmals gemeinsam mit den Peer-Forschern wiederholt werden bis der
Test-Typ ein fertiger Entwicklungs-Typ ist. Das nennt man agile Entwicklung.
Ziel der agilen Entwicklung
Menschen mit Lernschwierigkeiten und andere Benutzer sollen später diese Entwicklung oder
Anwendung ohne Schwierigkeiten gut benutzen können und keine Probleme haben.
11.3.4 Hier können Fehler im Test-Typ stecken
Fehler 1:
Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte macht einen falschen Arbeitsschritt (Aktion)
auf dem Gerät.
Sie/er drückt vielleicht einen falschen Knopf (den Aktions-Button)
Fehler 1 sagt:
Es muss klar zu erkennen sein, was zu tun ist.
Zum Beispiel:
o
o
o
224
Die Aktion muss für den Benutzer klar und deutlich angezeigt werden.
Die Aktion ist überflüssig, dann muss sie gelöscht werden.
Die Aktion ist ein Schritt, der nicht zu erwarten ist.
Fehler 2:
Ein Button oder Auslöser sind auf dem Bildschirm sichtbar.
Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte können aber nicht erkennen, ob beim Drücken
vom Button das passiert, was er sich wünscht.
Fehler 2 sagt:
Es fehlt die klare Beschriftung oder das Bild,
das zeigt, was passieren soll.
Fehler 3:
Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte will die nächste Aktion ausführen.
Er findet nicht, was er sucht.
Fehler 3 zeigt:
die Aktion hat einem schlechten Platz auf der Seite.
Der Entwickler muss den Aktions-Button besser sichtbar machen, damit er zu finden ist.
Fehler 4:
Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte macht einen richtigen Arbeitsschritt.
Er sieht aber trotzdem keinen Erfolg.
Das heißt, er weiß nicht, ob etwas passiert ist.
Fehler 4 zeigt:
der Benutzer braucht eine deutliche Rückmeldung.
Die Aktion war richtig oder die Aktion war falsch.
Es gibt vielleicht auch noch andere Fehler, die entdeckt werden können.
11.3.5 Vorbereitung eines Cognitive Walkthrough
Wen und was braucht man für die Durchführung?
o Ein Forschungstandem, einen Moderator und ein Peer-Forscher - der Moderator
sollte kein Entwickler sein,
o 4-8 weitere Peer-Forscherin oder Peer-Forscher als Experte in dem Projekt, (die den
Durchgang durchlaufen),
o Anschließend sollen auch Testteilnehmer diese Anwendung testen,
o Vorbereitete Auswertungsbögen,
o Schreibzeug, Tablets und Kamera zur Beobachtung und später für die Auswertung.
Aufgaben für das Forschungstandem
Jede Aufgabe wird dem Peer-Forscherin oder Peer-Forscher erklärt. Es wird genau vorgegeben
was zu tun ist. Die Teil-Schritte müssen vorher ganz genau überlegt werden (das bedeutet: keine
Entscheidung oder Handlung für selbstverständlich halten).
225
Zum Beispiel:
o Sagen Sie nicht nur "auf den Button klicken".
o Sondern sagen Sie: "Erkennen sie den richtigen Button. "
o oder "Sie müssen doppelklicken."
Was soll bei den einzelnen Aktionen und Aufgaben beobachtet werden soll
Vorbereitung des Beobachtungsbogens für die Beobachtung:
o
o
o
o
Finden der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experte das, was er/sie sucht?
Wo sucht er/sie?
Wo wäre ein besserer Platz?
Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten können vielleicht die Lösung
aufzeichnen.
Weitere Fragen während der Durchführung:
o
Sind die Seite oder Anwendung schwer zu durchschauen?
o
Ist es leicht auf der Seite den nächsten Schritt zu machen?
o
Oder bei der Anwendung den nächsten Schritt zu machen?
o
Bekommt man Erklärungen von schweren Worten und Abkürzungen, wenn man
diese braucht?
Sind Erklärungen oder Texte zu schwer zu verstehen?
o
Fragen an die Peer-Forscherin oder den Peer-Forscher als Experte zu den
Aktionen:
Zu den Aufgaben:
o Sind die Aufgaben (Aktion) einfach oder zu schwer?
o Sind die Aufgaben gut zu verstehen?
Zu Informationen auf der Internetseite:
o Verstehen Sie die einzelnen Hilfen?
o Sind diese Informationen einfach zu verstehen?
o Sind diese Informationen einfach zu finden?
o Wo haben Sie Probleme?
Zur Navigation
o Wie finden Sie sich auf der Seite zurecht?
o Ist die Navigation auf der Seite leicht oder schwer?
o Wie gehen Sie zurück zu einem vertrauten Punkt auf der Seite?
226
11.3.6 Zum Durchgang des Cognitive Walkthrough selbst
Der Durchgang
o
Jeder Durchgang wird einzeln durchgeführt.
o
Jeder Peer-Forscher/Peer-Forscherin hat einen Forschungs-Assistenten an der Seite.
o
Vor jeder neuen Aufgabe gibt es eine kurze Pause.
Die Aufgaben
o Jede Aufgabe wird den Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher, Schritt für Schritt erklärt:
• die erste Beispielaufgabe,
• der erste Arbeitsschritt, der geplant ist.
Die Test-User
o Peer-Forscher oder Peer-Forscherin bearbeitet eine Reihe von Aufgaben.
o Sie sollen genau beschreiben, was auf jeder neuen Seite zu erkennen ist.
o Sie sollen entscheiden, welchen Schritt sie machen wollen.
o Sie sollen dabei laut denken, und erklären warum sie etwas tun, oder warum ein
anderer Weg falsch ist.
Der Rückblick
o Der Peer-Forscher oder Peer-Forscherin beantworten eine Reihe von Fragen.
o Sie machen Vorschläge oder geben Hinweise, um es besser zu machen.
o Nach dem Durchgang kann auch eine gemeinsame Diskussion darüber stattfinden.
• Es werden die Schritte analysiert und gefragt, ob diese so tatsächlich von den
Benutzern gemacht wurden.
• Es werden auch Gründe für die erkannten Probleme gesucht.
• Hierbei werden die Anregungen und die Verbesserungsvorschläge aus dieser
Diskussion gesammelt.
11.3.7 Vor- und Nachteile des Cognitive Walkthrough
Vorteile:
Der Cognitive Walkthrough ist eine Methode, die nicht nur die Funktionalität eines
Entwicklungstyps prüft, sondern wie und ob sich Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten
darauf einlassen und diese erlernbar ist. Die Methode kann schon in einem frühen Entwicklungsstadium durchgeführt werden (wenn ein vollständiger Benutzertests noch nicht durchführbar ist).
Es wird mit Peer-Forscher oder Peer-Forscherin als Experten, d.h. von den realen Anwendern
getestet. Die wissenschaftliche Auswertung des Tests mit einer qualitativen Videoanalyse kann
genaueren Ergebnissen liefern. Es ist zu prüfen, ob der Zeitaufwand dafür in einem angemessenen
Verhältnis zum Nutzen steht.
227
Nachteile:
Aufwendig ist die vorausgehende detaillierte Aufgabenanalyse, da für jede Aufgabe muss eigener
Cognitive Walkthrough erarbeitet werden.
11.4 Photo-Voice (OLLERTON, J. 2012)
11.4.1 Was ist Photo-Voice oder Fotosprache
Photo-Voice oder Photo-Sprache ist eine qualitative Methode für die inklusive-partizipative
Forschung, um die Tatsachen zu dokumentieren und zu reflektieren.
Photo-Sprache kann hier von einzelnen Personen oder Gruppen verwendet werden, um
Aspekte ihrer Umgebung und Erfahrungen zum Forschungsthema festzuhalten und mit
anderen zu teilen. Dies ist vor allem eine Methode für solche Personen, die das sonst
aufgrund von Sprachbarrieren nicht könnten
Die Teilnehmer sollen versuchen, ihre Standpunkte und Erfahrungen zum Forschungsthema
zu fotografieren und ihnen einen Titel zu geben.
Diese Methode wurde ursprünglich von Caroline Wang in den 1990er Jahren entwickelt (Wang, C.
1999, Wang, C. / Burris, M. 1997). JANICE OLLERTON benutzt Photo-Voice als eine inklusive
Forschungsmethode. Betroffene Menschen mit kognitiven Behinderungen dokumentieren ihre
Realität selbst (vgl. OLLERTON, J. 2012 :7).
11.4.2 Wann wird Photo-Voice oder Fotosprache benutzt?
Mit Photo-Voice verfolgt OLLERTON hauptsächlich drei Hauptziele:
1.
2.
3.
Stärken und Anliegen einer Gemeinschaft oder eines Einzelnen erfassen und
reflektieren,
kritischen Dialog und das Wissen über wichtige Themen durch Gruppendiskussion
fördern
und Veränderungen zu erreichen.
Sie bezieht sich dabei auf BOOTH, T/ BOOTH, W. (2003), die den Wert von Photo-Voice als inklusives
Forschungsinstrument erkannten, »um durch Handeln zu Erkenntnissen zu kommen« (vgl.
OLLERTON, J. 2012: 8). Der Fotograf ist eigenverantwortlich und entscheidet, was, wann und warum
er ein bestimmtes Foto macht.
Photo-Voice stärkt die Autonomie (selbst zu entscheiden, was fotografiert wird), die
Selbstregulierung (sich selbst zu organisieren, um das Foto zu machen), die Selbstverwirklichung
(die Fähigkeiten und Werkzeuge zu besitzen, die eigene Geschichte zu erzählen) und das
Empowerment (es hört ihnen jemand zu) (vgl. ebd.: 8).
228
OLLERTON beschreibt Photo-Voice als Türöffner: Wenn ein Forschungsproblem artikuliert wird und
ein spezifisches soziales oder anderes Hindernis durch das Forscherteam bei Maßnahmen
identifiziert wird, kann dies im Bild festgehalten und früher oder später gemeinsam mit dem
Forschungsteam diskutiert und reflektiert werden.
11.4.3 Die Durchführung einer Photo-Voice-Studie bei Forschung und Entwicklung
Ziel eines Photo-Voice-Projekts kann zum Beispiel auch eine Bedarfsanalyse oder Evaluation sein.
Die Photo-Voice-Methode hat verschiedene Phasen (vgl. UNGER v., H. 2014: 69 ff.) Photo-Voice
als Beispiel zur methodischen Umsetzung von inklusiver-partizipativer Forschung.
(Phase 1) Planung und Vorbereitung ggf. von einer sogenannten
Steuerungsgruppe, Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen /Entwickler u. a.
o Festlegung des Forschungsprozesses (Forschungsabschnitt),
o Definition des gemeinsamen Zieles,
(Phase 2) Ein Photo-Voice-Training.
o
Bei diesem Training werden die Teilnehmenden über das Teil-Projekt informiert und als
Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher in technischen, fotografischen und ethischen
Aspekten der Fotografie geschult.
o
Es werden Gruppenregeln eingeführt,
o
eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt,
o
sowie die Anweisungen zum Fotografieren gegeben.
(Phase 3) Die Feldphase Fotoshooting
o
o
Die Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher machen Fotos von ihren Eindrücken als
User.
Wenn möglich machen sie Notizen und erzählen ihre Geschichte mit Bildern.
(Phase 4) Diskussion in der Fokus-Gruppe (Analysephase), die ideale Anzahl für die
Fokusgruppen 8-max. 12 Personen.
o Die Peer-Forscherinnen und Peer- Forscher stellen ihre Bilder vor und diskutieren sie
gemeinsam.
o Sie beschreiben, was auf dem Foto zu sehen ist, und warum sie es gemacht haben.
o Sie versuchen die dargestellten Inhalte zu beschreiben.
o Sie begründen die Auswahl des Fotos.
o Sie geben an, was sie mit dem Bildinhalt in Verbindung bringen (Thema).
229
(Phase 5) Auswertung und Ergebnisse
o
o
o
o
o
Die Gruppe diskutiert die angesprochenen Themen (Kontextualisierung)
Die zentralen Themen und Ergebnisse werden zusammengefasst (Kodifizierung).
Die Kodierungen werden, wenn möglich, gemeinsam festgelegt oder nach
systematischer Sammlung von Themen und Mustern bestimmt.
Das Forscherteam erstellt ggf. eine Empfehlung, was ist gewünscht, was soll verändert
werden, oder formuliert weitere Fragestellungen, wenn Fragen offen geblieben sind.
Eine weitere Feld- und Analysephase kann durchgeführt werden (je nachdem, ob
der Erkenntnisprozess als gesättigt angesehen wird).
(Phase 6) Nutzung oder Veröffentlichung der Ergebnisse
Bei der Forschung und Entwicklung werden die Ergebnisse eher mit den Entwicklern geteilt,
als veröffentlicht. Allerdings sollten eine Präsentation und gemeinsame Diskussion stattfinden, damit ein besseres Verständnis für die zukünftigen Nutzer entstehen kann.
(Phase 7) Überprüfung der Zielerreichung
Inwieweit wurden die Erwartungen und Ansprüche/Anforderungen der Peer-Forscherinnen
und Co-Forscher und Zielgruppe umgesetzt?
o Sind die Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden?
o Welche weiteren positiven Auswirkungen hat das Photo-Voice Projekt?
o Gibt es weiter Möglichkeiten der Veränderung/Verbesserung?
11.5 Farbcodierung »Patchwork« als Reflexion (OLLERTON, J. 2012)
Die Farbcodierung wurde ebenso von OLLERTON entwickelte, um abstrakte Denkprozesse
greifbar zu machen und visuell darzustellen. Die Aufgabe besteht darin, die Menschen mit
kognitiven Behinderungen als Peer- Forscherinnen und Peer-Forscher aktiv einzubeziehen.
a. Zunächst werden einzelne Farben mit spezifischen Aktionen (z. B. Anforderungen) kodiert.
Aktionen und Ereignisse werden symbolisch in farblich gekennzeichneten Feldern dargestellt
b. Indem die Peer- Forscherinnen und Peer-Forscher die Farbe identifizieren und den
spezifischen Aktionen zuordnen- (farbcodierte oder Patchwork-Analyse) lassen sich
bestimmte Schwerpunkte bzgl. der Fragestellung ausmachen.
Die aktive Beteiligung hebt nicht nur die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der
Forschung hervor, sie gibt den sogenannten „Nicht-Lesern“ auch Zugriff auf die Daten und damit
ein Hilfsmittel, mit dem sie sich selbständig umgehen können. Diese Methode ist für die Peers
leicht anwendbar und eignet sich daher gut für die kooperative Zusammenarbeit (vgl. ebd.: 9). Die
fertige Patchwork-Arbeit stellt einen Forschungsbericht dar.
Anmerkung: Weitere Forschungsmethoden werden in dem Handbuch für Peer-Forscherinnen und
Peer-Forschern beschrieben.
230
Teil C
Fazit und Bedeutung der vorliegenden
Arbeit
231
232
1 Ergebnisse/Diskussion
Die Welt besteht aus denen, die etwas in Gang setzen,
denen, die zusehen, wie etwas geschieht,
und denen, die fragen, was geschehen ist.
Norman R. Augustine (1996)
ÜBERBLICK
Die verschiedenen Perspektiven auf inklusiver-partizipativer Forschung mit Menschen mit
kognitiven Behinderungen zeigen, dass dieser Forschungsansatz auch für die Forschung und
Entwicklung berechtigt und als solcher machbar sowie normativ und ethisch vertretbar ist.
Die Frage, wie sich in Forschung und Entwicklung (F&E) durch Anpassung und (Weiter-)
Entwicklung von Usability-Methoden die inklusive Beteiligung der zukünftigen Nutzer als PeerForscherinnen und Peer-Forscher an nutzerzentrierter Forschung realisiert werden kann, wurde
mit dem inklusiven designbasierte Forschungskonzept IPAR-UCD beantwortet. Das Konzept
verfolgt ein neues Verständnis von Forschung und Entwicklung, das durch entsprechende
Aufmerksamkeit und Kreativität nutzerorientierte Forschung und Entwicklung zusammen mit der
Zielgruppe im gesamten Entwicklungsprozess ermöglicht.
Der innovative Ansatz zielt darauf ab, Beziehungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch
die Förderung verantwortungsvoller Forschung und Innovation zu unterstützen. Das Projekt »Easy
Reading« (Januar 2018 bis Juni 2020) ist ein Beispiel für die professionelle Umsetzung dieses
Konzepts im Rahmen der Entwicklung von assistiven Technologien für Menschen mit kognitiven
Behinderungen.
Eine SWOT-Analyse dient zunächst als Grundlage für die Betrachtung der Stärken, Schwächen,
Risiken und Chancen des IPAR-UCD-Konzepts. Schließlich werden die zu Beginn gestellten Fragen
zu den Rahmenbedingungen, Benutzererfahrungen und neuen Erkenntnissen über
Nutzeranforderungen sowie zu den Rahmenbedingungen, Instrumenten und Methoden
aufgegriffen und beantwortet und ein Ausblick gegeben.
233
1.1 Gemeinsam forschen und entwickeln
Das Phänomen Behinderung war in der Vergangenheit und ist bis heute einem ständigen
Verständniswandel
ausgesetzt.
Heute
existieren unterschiedliche
Konzepte,
Modelle,
Klassifikationen und Einordnungen von Behinderung nebeneinander. Es ist zudem schwierig die
Grenzen der sogenannten geistigen Behinderung oder Lernschwierigkeiten zu erkennen.
Während Menschen mit kognitiven Behinderungen zunächst Gegenstand von Wissenschaft und
Forschung waren, hat sich die Perspektive vom Forschungsobjekt zum Forschungssubjekt unter
dem Paradigma der Selbstbestimmung grundlegend verändert.
Mit der vorliegenden Arbeit konnte ich einen Beitrag dazu leisten eine Orientierung für einen
inklusiven Ansatz in Forschung und Entwicklung (F&E) zusammen mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen zu geben.
Die Arbeit besteht aus 3 Teilen: Teil A Orientierung: Grundlagen und Theorie zur inklusivenpartizipativen Forschung und Mensch-Computer-Interaktion, Teil B Design-Based Research und
das IPAR-UCD Konzept als Ergebnis und Teil C Ergebnisse/Diskussion.
Mit der theoretischen Grundlegung aus den unterschiedlichen Perspektiven in Teil A wurden die
verschiedenen Ansätze zu inklusiver-partizipativer Forschung mit Menschen mit kognitiven
Behinderungen dargestellt. Ein Anliegen dabei war es, einen Überblick darüber zu schaffen, wie
sich das Verständnis und der Umgang Menschen mit kognitiven Behinderungen in der Forschung
sich im Laufe der Zeit verändert hat.
Aus der rechtlichen Perspektive berühren heute Forschung und Entwicklung in vielfältiger Weise
die Grundrechte der Menschen mit Behinderung. Dies betreffen die Persönlichkeitsrechte
genauso wie die Forschungsfreiheit oder Teilhabe. In Bezug auf die Umsetzung UN-BRK, muss
nicht nur die Forschung, sondern auch die Politik entsprechende Maßnahmen ergreifen. Es geht
aber nicht nur um konkrete Maßnahmen, sondern ebenso um eine ethische Ausrichtung von
Forschung und Entwicklung und die Reflexion von Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf
individuelle sowie soziale Aspekte und Verantwortung gegenüber dem Einzelnen und der Umwelt,
hier insbesondere um Menschen mit kognitiven Behinderungen.
Grundsätzlich werfen jedes Forschungsprojekt, jede vulnerable Gruppe und jedes Szenario neue
und spezifische ethische Fragen auf, die eine Reflexion erfordern. Die ethischen
Handlungsorientierungen bilden den Rahmen für die inklusive Forschung und Entwicklung. Sie
sind daher als wichtige Grundlage dieser Arbeit mit vorangestellt.
234
Obwohl die Ansichten über die Beteiligung oder Nichtteilnahme von Menschen mit kognitiven
Behinderungen an der Forschung geteilt sind, gibt es Gründe, warum sie aktiv an Forschung und
Entwicklung im Bereich der digitalen Entwicklung und digitalen Integration beteiligt werden
sollten. Es wurde im Teil A theoretisch dargelegt, warum ein inklusive-partizipative
Forschungsansatz auch für Forschung und Entwicklung (F&E) dringend notwendig und als solche
machbar und vertretbar ist. Dies diente als Basis für den Teil B.
In Teil B erfolgte die praktische Umsetzung eines inklusive-partizipative Forschungsansatzes.
In einem ersten Schritt wird der Design Based Prozess als Progress für IPAR-UCD vorgestellt und
begründet, wobei die reflektierende Subjektivität des Forschers als Prinzip in der partizipativen
Forschung verbindlich ist. Außerdem wird in das »Easy Reading-LAB« eingeführt in dem IPAR-UCD
erstmals praktisch umgesetzt wird.
Das Konzept wurde in den folgenden Kapiteln beschrieben. Die konzeptionellen Ergänzungen des
ersten Vorschlags erfolgte hierzu in Zusammenarbeit mit Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
und deren Mitforschern aus den 3 beschriebenen Projektgruppen im Projekt »Easy Reading« von
DART, Schweden; PIKSL, Deutschland; Proqualis, Österreich. Sie werden im Handbuch
entsprechend namentlich erwähnt.
1.2 Chancen und Risiken bei der inklusive-partizipative Forschung und
Entwicklung mit Menschen mit kognitiven Behinderungen
Der tägliche Kontakt mit Menschen mit kognitiven Behinderungen ist oft ungewöhnlich. Sie sind
manchmal schwer zu verstehen, das ist für Menschen ohne Behinderungen nicht immer einfach,
zumal die verschiedenen Formen der Behinderung manchmal schwierig zu diagnostizieren oder
zu charakterisieren sind, da die Merkmale von Menschen mit ähnlichen kognitiven Behinderungen
aufgrund von Variationen oder Erscheinungsformen sehr unterschiedlich sein können (siehe
MARIGER, H. 2006). Vieles, was über kognitive Behinderungen geschrieben und veröffentlicht
wird, stammt aus der Perspektive der klinischen Forschung (siehe ebd.). Einige der möglichen
kognitiven Behinderungen sind bis heute unbekannt. Dies hat insbesondere Konsequenzen für die
Forschung und Entwicklung im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion für diese Zielgruppe.
SWOT-Analyse – IPAR-UCD im »LAB Easy Reading«
Die nachfolgende SWOT-Analyse dient hier als Basis für die Betrachtung der Stärken, Schwächen,
Risiken und Möglichkeiten des IPAR-UCD-Konzepts. Die Verwendung dieses EvaluierungInstrumentes soll Hindernisse identifizieren, die die Ziele von inklusiver-partizipativer Forschung
einschränken können und mögliche Änderungen aufzeigen.
235
STRENGTHS – Was sind die Stärken von IPAR-UCD?
WEAKNESS – Was sind die Schwächen von IPAR-UCD?
Worauf sind die bisherigen Erfolge zurückzuführen?
Auf welche Ursachen sind Misserfolge zurückzuführen?
Zusammenarbeit:
o Menschen mit kognitiven Behinderungen, bzw.
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind nicht
mehr Gegenstand der Forschung, sondern
beteiligen sich an der Forschung;
o Entwickler müssen sie als User ernst nehmen und
Anwendungen entwickeln, die sie nicht frustrieren
o Peers arbeiteten ernsthaft mit und haben eine
Aufgabe, die von Bedeutung ist;
o Gegenseitige Anerkennung, Akzeptanz lässt
Kollegialität und Vertrauen zu;
o Methoden werden angepasst und entwickelt.
Was lief nicht optimal oder sogar schlecht?
o Start Up - Planungswerkstatt zur Einführung
Teambildung fehlte;
o Terminplanung und Einhaltung von Terminen bei
den Forschungsaufgaben;
o Fehlende kontinuierliche Unterstützung durch
Forscherinnen/Forscher und Entwicklerinnen
/Entwickler;
o Motivationsverlust oder Überforderung beim
Erledigen der Aufgaben;
o Knapp bemessene finanzielle Reisemittel für eine
echte gemeinsame Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen Projektgruppen;
o Unterschiedliche Vergütung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher
Das Konzept IPAR-UCD:
o Es adressiert den Unterstützungsbedarf von PeerResearchern;
o Es hilft Softwareentwicklern und Entwicklern, die
Anforderungen von Nutzern mit kognitiven
Behinderungen durch einen integrativen,
nutzerzentrierten Designprozess besser zu
verstehen und zu erfüllen.
Synergien:
o Entwickler erhalten ein direktes Feedback vom
zukünftigen Anwender;
o Empowerment der Peers, Eigeninitiative;
o Ideenpool von unterschiedlichen Seiten.
Erfolgreiche Methoden:
o Fokusgruppe
o Forschungstandem
o Thinking allowed
o Brainstorming
o Storytelling
o Usertesting (Cognitive Walkthrough)
Was hat demotiviert?
o Verzögerungen der Entwicklung - Lange Pausen
o Unklare oder schwierige Ansagen;
o Schwere Sprache;
Welche Störungen behinderten?
o Ausfälle durch Krankheit und Urlaub;
o Schlecht funktionierendes Internet;
o Gedächtnis (Erinnerungsvermögen) der PeerForscherinnen und Peer-Forschern;
OPPORTIUNITIES – Welche Chancen von IPAR-UCD
resultieren aus den Stärken für die Zukunft?
Welche Möglichkeiten stehen offen?
THREATS – Risiken bei IPAR-UCD - Wo lauern
Gefahren?
Welche Schwierigkeiten können auftreten?
IPAR-UCD kann gelingen, wenn:
o die Forschungspartner miteinander in Kontakt
treten;
o Informationen und Materialien für PeerResearcher in verständlicher Sprache zur
Verfügung stehen;
o genügend Zeit für Erklärungen und
Wiederholungen sowie für persönliche
Kommunikation bleibt;
o eine gemeinsame Zustimmung gefunden wird.
o Rekrutierung von Peers (Gatekeeper);
o Kommunikationsschwierigkeiten;
o Fehlende Lese- und Schreibkompetenzen der
Peers;
o Aufmerksamkeitsdefizite.
Welche Richtung soll verfolgt werden? Was ist
ausbaufähig?
o Bessere allgemeine Benutzerfreundlichkeit;
o Inklusive F&E soll einen nutzerzentrierten
Designprozess garantieren.
236
Was sind mögliche Risiken kritische Faktoren?
o Verständnis und Umsetzung des Informed
Consent;
o Unter- oder Überforderung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher;
o Zu hohe Anforderungen oder Erwartungen an die
Entwicklung;
o Bezahlung oder Vergütung Peer-Forscherinnen
und Peer-Forscher;
Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es?
Welche sonstigen Schwierigkeiten/Probleme gibt es?
o Erfolge bei der kognitiven Zugänglichkeit
ausbauen, indem weitere Methoden und
Werkzeuge gesucht werden;
o Akzeptanz der Wissenschaft;
o organisatorische Probleme;
o Knapp kalkulierte Finanzen.
Wozu wäre IPAR-UCD noch in der Lage? Was ist noch
zugänglicher zu gestalten?
Konkurrierende Forschung
o Eine offizielle Anerkennung von IPAR-UCD als
Forschungsmethode würde die Universität für die
Zielgruppe öffnen;
o Die Anbindung der Peer-Forscherinnen und PeerForscher direkt an die F&E an die
Forschungseinrichtung oder Universität;
o Klärung der Bezahlung oder Vergütung mit den
Verantwortlichen.
o Herkömmliche Forschung in diesem Bereich
arbeitet hauptsächlich mit Methoden wie
Proxyaussagen, Interviews (die kritisch zu
beurteilen sind) und Beobachtungen der User.
Dies ist nicht so zeit- und kostenintensiv, oftmals
aber nicht der Zielgruppe angemessen.
1.3 Fragen, die zu Beginn des Projekts und der DBR Intervention
gestellt wurden
Design-based Research wurde hier im Hinblick auf die wissenschaftlich-methodische
Positionierung sowie der Offenheit des Diskurses in Bezug auf die Bewertung und Anerkennung
der Entwicklung als Teil des Forschungsprozesses durchgeführt. Dabei ging es nicht um
Erkenntnisse wie bei der Grundlagenforschung. Nicht die Forschungsfrage, sondern das
Interventionsdesign als Produkt, das war hier Gegenstand der Forschungsaktivitäten.
Frage 1: Welche Schlussfolgerungen für die Gestaltung sowie für den Einsatz von inklusiven
Forschungsmethoden lassen sich aus den ersten Ergebnissen mit diesem Konzept ableiten?
Die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe und dem interdisziplinären Forschungsteam während des
Projekts ist durch den inklusiven-partizipativen Forschungsansatz in der Softwareentwicklung
grundsätzlich realisierbar und kann zur Erfüllung der Projektziele führen.
Die Erfahrung zeigt, dass die Zusammenarbeit aller Beteiligten von Anfang an notwendig ist:
§
Die Anwerbung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit kognitiven Behinderungen
und die gemeinsame Arbeit an bestimmten Forschungsaufgaben nimmt mehr Zeit in
Anspruch als erwartet.
§
Persönliche Begegnungen zwischen den Koordinatoren, Entwicklern und Designern und
den Forschungsgruppen sind von Anfang an unerlässlich, um nicht nur den
Informationsaustausch und damit den Projekterfolg zu fördern, sondern auch ein
gemeinsames Verständnis für das Projektziel zu entwickeln.
237
§
Die Sensibilisierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer füreinander darf nicht dem
Zufall überlassen bleiben. (Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher brauchen viel
Aufmerksamkeit um mit der Arbeitsweise der Entwickler klarzukommen und die
Entwickler müssen lernen und verstehen, dass nicht alles, was sie planen,
selbstverständlich ist. Sie müssen die individuellen Fähigkeiten der Peers kennenlernen
und sich in die persönliche Situation der einzelnen Peers hineinversetzen können.)
Die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe (Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern) und dem
interdisziplinären Forschungsteam während des Projekts:
§
Als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sind die Betroffenen nicht das
"Forschungsobjekt", sondern beteiligen sich direkt als Experten in eigener Sache. Es
handelt sich hierbei um ihre Lebensbereiche, Themen und Belange, insbesondere wenn es
sich wie hier um eine Software, um ein Werkzeug oder einen Dienst handelt, die so
gestaltet werden sollen, dass diese für sie hilfreich bzw. nützlich und anwendbar ist, mit
dem Ziel, ihnen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihr Leben und ihre
Lebensqualität zu ermöglichen und sie damit zu 'empowern'.
§
Das IPAR-UCD-Konzept kann dort erfolgreich angewendet werden, wo die Forschungspartner miteinander in Kontakt treten, wenn Informationen und Materialien in
verständlicher Sprache für Peer-Researcher verfügbar sind, wenn genügend Zeit für
Erklärungen und Wiederholungen sowie für die persönliche Kommunikation bleibt und
wenn ein gemeinsamer Interessenskonsens gefunden wird.
§
Dieses Konzept adressiert zunächst den Unterstützungsbedarf der Zielgruppe und kann
somit den Softwareentwicklern helfen, die Anforderungen von Nutzern mit kognitiven
Behinderungen besser zu verstehen und zu erfüllen (vgl. Heumader, P. 2018: 442f).
§
Durch das inklusive Forschungskonzept bekommen die Forscherinnen/Forscher und
Entwicklerinnen/Entwickler jeweils die direkte Rückmeldung zum jeweiligen
Entwicklungsstand und Design, indem die Peer-Forscherteams einzeln oder als Gruppe
ihre Erfahrungen und Ideen zum Profil, Prototyp oder ähnliches mitteilen (ebd.).
§
Dies kann bestehende Vorstellungen, Denkweisen und Perspektiven in Bezug auf die
Zielgruppe verändern und Forschung und Entwicklung so gestalten, dass Menschen mit
kognitiven Behinderungen nicht ausschließlich auf die Entwicklung reduziert werden.
§
Das »LAB Easy Reading« zeigt, dass die Zusammenarbeit der angestellten PeerForscherinnen und Peer-Forschern am zuverlässigsten und flexibelsten ist, zumal diese
direkt an das Entwicklungsteam angedockt sind. Problematisch ist jedoch die
Zusammenarbeit von Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern mit einer
Aufwandsentschädigung von wenigen Stunden pro Woche, zumal wenn die
Mitforscherinnen institutionell bedingt meist nur zu diesem Zeitpunkt dem Projekt zur
Verfügung stehen. Generell lässt sich sagen, dass die Rahmenbedingungen für die inklusive
Forschung weitgehend für die erfolgreiche Umsetzung und die Ergebnisse verantwortlich
sind.
238
Frage 2: Welche Unterschiede zeigen sich bei der Nutzung eines inklusiven multimodalen
Forschungsansatzes zu anderen Forschungsansätzen in der Forschung und Entwicklung?
Es ist vorab anzumerken, dass das Konzept der inklusiven-partizipativen Forschung die
routinemäßige oder traditionelle Vorgehensweise von Forschung und Entwicklung und SoftwareEngineering aufbrechen muss, um als Grundlage für die Entwicklung und Gestaltung vielfältiger
digitaler Anwendungen und Dienste dienen zu können. Entsprechend der UN-BRK muss über neue
Wege in der Forschung nachgedacht werden.
§
Forscherinnen/Forscher, Entwicklerinnen/Entwickler und alle anderen Beteiligten
müssen sich im Sinne eines User-Centred Design mit der Zielgruppe auseinandersetzen
und es müssen Zeit und Geldressourcen im vertretbaren Maße zur Verfügung stehen.
§
Der Erfolg eines Entwicklungsprojektes und damit das Ergebnis einer Software oder
Dienstleistung hängt davon ab, wie gut sie die Nutzerzielgruppe und ihre Ziele unterstützt
und wie gut sie sich diese dabei fühlt. Nur wenn sie das Ergebnis am Ende tatsächlich
nutzen wollen, ist das Ziel erreicht.
§
Durch eine inklusive Organisationsform und Bildung von multidisziplinären Projektteams
mit 'Fachleuten' unterschiedlicher Qualifikation und Herkunft, die zeitlich befristet an
einem Projekt arbeiten, können neue Wege und Lösungen gefunden werden.
§
Durch neue Strategien für gemeinsame Problemlösungen kann der Fokus bei der
Entwicklung von Beginn an direkt auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Zielgruppe
gerichtet und von ihnen mitbestimmt werden.
§
Bei der inklusiven, interdisziplinären Zusammenarbeit spielen die sogenannten
Mitforscher-innen/Mitforscher (Assistenten) eine besondere Rolle als Bindeglied
zwischen Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern und Forschung und Entwicklung. Ihre
Rolle zeichnet sich im Gegensatz zu Forschern und Entwicklern dadurch aus, dass sie auf
der einen Seite auf Augenhöhe unterstützend die Anforderungen der Peer-Forscher mit
ermitteln und sich für diese einsetzen und auf der anderen Seite den Peer-Forscherinnen
und Peer-Forschern auch vermitteln können, welche Anforderungen oder Möglichkeiten
und Grenzen die geplante Forschung und Entwicklung hat. Dies erfordert nicht nur ein
hohes Maß an Professionalität, Einsatzbereitschaft und Flexibilität, sondern auch die
entsprechenden Arbeitsbedingungen.
§
Es ist davon auszugehen, dass die Weiterentwicklung und Verbreitung des IPAR-UCDAnsatzes der richtige Weg ist, um dauerhaft erfolgreiche Produkte für Menschen mit
kognitiven Behinderungen zu entwickeln und damit deren Unabhängigkeit und
Empowerment zu unterstützen. Wirtschaftlich gesehen wird die IPAR-UCD langfristig
wahrscheinlich zu mehr Erfolg führen, auch wenn man noch nichts über die
Entwicklungsdauer und damit die Entwicklungskosten sagen kann.
239
Frage 3: Lassen sich anhand der bisherigen Aktivitäten Typisierungen hinsichtlich der
vorgeschlagenen Forschungsmethoden vornehmen? An welchen Stellen sind Anpassungen
notwendig?
§
Das IPAR-UCD-Konzept verfolgt ein neues Verständnis von Forschung und Entwicklung.
Der innovative Ansatz zielt darauf ab, die Beziehungen zwischen Wissenschaft und
Gesellschaft durch verantwortungsvolle Forschung und Innovation zu unterstützen.
§
Inklusive -partizipative Forschungsansätze erfordern als erstes die Bereitstellung eines
breiteren Spektrums an pädagogischem, kognitivem, psychologischem und sprachlichem
Know-how.
§
Die größere Herausforderung besteht darin, solche Ansätze in den Design-, Entwicklungsund Content-Erstellungsprozess zu integrieren und die notwendige kommunikative und
kooperative Infrastruktur einschließlich angepasster Engineering Usability-Methoden
aufzubauen (vgl. MIESENBERGER, K. et al. 2019).
§
Das Projekt »Easy Reading« (Januar 2018 bis Juni 2020) ist ein erstes Beispiel für die
professionelle Umsetzung dieses Konzepts im Rahmen der Entwicklung von assistiven
Technologien für Menschen mit kognitiven Behinderungen. Die Analyse (Anlage 2) zeigt,
dass durch DBR wirksame Interventionen für die inklusive Forschung und Entwicklung
gefunden und gleichzeitig einen Beitrag zur Methodik erzielt werden konnte.
Das IPAR-UCD-Konzept zielt darauf ab, barrierefreie, inklusive Forschungsinstrumente
bereitzustellen, um den Zugang zu Forschungsverfahren zu ermöglichen und eine sinnvolle
Beteiligung von Peer-Forschern zu gewährleisten.
240
§
Bei der Umsetzung eines neuen Projekts ist es notwendig, sich flexibel und kreativ an das
inklusive Forschungsteam einzustellen und die vorgesehenen Methoden an die
Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmern anzupassen. Es werden einige
Methodenbeispiele für das IPAR-UCD Konzept vorgestellt, die sich im »Easy Reading
Projekt« als gut umsetzbar erwiesen haben.
§
Die Erfahrungen im Forschungslab »Easy Reading« haben gezeigt, dass ein gemeinsamer
Workshop zu Beginn eines Projekts mit allen Mitarbeitern eines Projekts nicht nur
wünschenswert, sondern notwendig ist, um sich gegenseitig kennenzulernen, sich mit den
Aufgaben, Instrumenten, Methoden und der integrativen Arbeitsweise vertraut zu
machen sowie eine verbindliche Terminplanung anzustreben.
§
Generell lässt sich sagen, dass Methoden, die von Anfang an mit Visualisierung arbeiten,
besser geeignet sind als textbasierte oder stark sprachorientierte Methoden. Textbasierte
Methoden erfordern in vielen Fällen zusätzliche Erklärungen und/oder Visualisierungen.
§
Die Arbeit in der Gruppe (Fokusgruppe) oder im Forschungsteam wurde im Projekt »Easy
Reading« von den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern bevorzugt. Den angepassten
Cognitiv Walkthrough zum Beispiel haben die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher als
Tandem durchgeführt. Das gab ihnen gegenseitige Sicherheit und hat das Ergebnis nicht
beeinträchtigt.
Das hierzu entwickelte und mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern angepasste
Handbuch für inklusive Forschung und Entwicklung beschreibt die einzelnen Phasen und
Aktivitäten in einem inklusiven Forschungsprojekt als Orientierungshilfe in leichter verständlicher
Sprache für das gesamte Forschungsteam.
241
242
2 Perspektiven für die Zukunft
Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.
(Johann Wolfang von Goethe)
AUSBLICK
Festzuhalten ist, dass ein inklusiver-partizipativer Forschungsansatzes für die Softwareentwicklung möglich und notwendig ist und zur Realisierung der Projektziele führen kann, dass
aber jedes neue Projekt auch ein Unikat ist und die Vorgehensweise und die Methoden jeweils
angepasst oder weiterentwickelt werden müssen.
Der Ansatz der inklusiven-partizipativen Forschung und Entwicklung erfordert in mehrfacher
Hinsicht eine ethische Verantwortung und einen großen Einsatz von allen Beteiligten und
Bereitschaft, offen an die inklusive Projektarbeit heranzugehen.
243
2.1 Aufforderung zu zukünftiger inklusiver-partizipativer Forschung
und Entwicklung sowie Konsequenzen
Das IPAR-UCD-Konzept als Ergebnis hat nicht den Anspruch auf allgemeine Repräsentation und
Gültigkeit im Hinblick auf eine Generalisierung. Das Konzept ist als Forschungsstrategie gedacht,
dass durch kontinuierliche Evaluierung und Weiterentwicklung zu einem Standard für inklusivepartizipative Forschung und Entwicklung mit der Zielgruppe werden kann.
Es müssen bestimmte Rahmenbedingungen vorhanden sein oder neu geschaffen werden.
Forscherinnen und Forscher tragen – über die Einhaltung rechtlicher Regeln hinaus – eine
besondere ethische Verantwortung. Sie haben ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fähigkeiten
einzusetzen, um die einschlägigen Risiken zu erkennen, abzuschätzen und zu bewerten. Die
Kenntnis der möglichen Risiken ist die Voraussetzung dafür, dass Forschung verantwortlich
erfolgen kann, wie Risiken für die Menschenwürde und für das Leben oder die Gesundheit von
Menschen. Diese Risikoanalyse und Folgenabschätzung verlangen Offenheit des Denkens und
Verantwortung (siehe Kapitel 4 Ethische Handlungsorientierungen zur inklusiven Forschung und
Entwicklung).
Eine Voraussetzung muss sein, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen in Zukunft einen
anerkannten sozialen Status als Mitarbeiterin/Mitarbeiter von Hochschulen oder als PeerForscherin oder Peer-Forscher haben. Dies erfordert nicht nur eine großzügige Planung der
zeitlichen und finanziellen Ressourcen für das Projekt, sondern auch eine angemessene
Unterstützung und Assistenz.
Von Mitforscherinnen/Mitforschern (Assistenten) als Bindeglied zwischen den Peers und den
Entwicklerinnen/Entwicklern wird ein hohes Maß an Professionalität, Bereitschaft und
Anpassungsfähigkeit gefordert. Die Bedeutung von Reflexivität und Positionierung im inklusiven
Prozess der einer qualitativen Forschung sollte dabei nicht unterschätzt werden. Die
entsprechenden Arbeitsbedingungen müssen vorhanden sein.
Es ist nicht zu erwarten, dass Namen, Forschungsergebnisse und Daten jederzeit und jedermann
zugänglich sein werden (zum Beispiel, wenn negative Folgen für die Beteiligten mit einer
Veröffentlichung der Ergebnisse zu befürchten sind).
Im Falle einer wissenschaftlichen Veröffentlichung sind auch diejenigen zu nennen, die einen
eigenen wissenschaftlichen oder wesentlichen anderen Beitrag geleistet haben, die aber nicht als
Autoren oder Mitautoren im Sinne des Urheberrechtsgesetzes anzusehen sind. Es sei denn die
Beteiligten selbst lehnen dies ab.
244
Aus Sicht der wissenschaftlich-methodischen Positionierung ist die inklusive Beteiligung von
Menschen mit Lernschwierigkeiten als Peer-Forscherin oder Peer-Forscherin in der Praxis von
Forschung und Entwicklung grundsätzlich möglich.
Wenn man bedenkt, dass die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung im Bereich von
e-Inclusion und Accessibility und Usability in erster Linie darauf abzielen, Menschen mit kognitiven
Behinderungen den Alltag zu erleichtern und ihre Lebensqualität zu verbessern, muss inklusivepartizipative Forschung bei der Entwicklung als Forschungsansatz genutzt werden und die
Zielgruppe entsprechend den hier dargestellten Anforderungen und Möglichkeiten einbezogen
werden, auch wenn dies ein besonderes Maß an Engagement und Flexibilität bei der Umsetzung
erfordert, damit Organisation, Instrumente und Methoden an die Bedürfnisse der Teilnehmer
angepasst werden können.
245
Literatur
Anmerkungen zur Literatur
Das Literaturverzeichnis ist in alphabetischer Reihenfolge der Autoren oder Autorenschaft
aufgeführt. Im Rahmen dieser Arbeit standen überwiegend internationale wissenschaftliche
Arbeiten von hoher Relevanz zur Verfügung, die zum großen Teil nur online abgerufen werden
konnten. Deshalb werden die Internetquellen hier gleichrangig neben der gedruckten
wissenschaftlichen Literatur aufgeführt.
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265
Anhang 1
Gesetzestexte
1. Grundgesetz für die BRD
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit
und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine
Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen
Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet
nicht von der Treue zur Verfassung.
Artikel 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch
die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz
oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die
Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der
Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der
Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
2. Übereinkommen der Vereinten Nationen
über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (UN-BRK)
Präambel
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens –
a) unter Hinweis auf die in der Charta der Vereinten Nationen verkündeten Grundsätze, denen
zufolge die Anerkennung der Würde und des Wertes, die allen Mitgliedern der
menschlichen Gesellschaft innewohnen, sowie ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte
die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet,
266
b) in der Erkenntnis, dass die Vereinten Nationen in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte und in den Internationalen Menschenrechtspakten verkündet haben und
übereingekommen sind, dass jeder Mensch ohne Unterschied Anspruch auf alle darin
aufgeführten Rechte und Freiheiten hat,
c) bekräftigend, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar
sind, einander bedingen und miteinander verknüpft sind und dass Menschen mit
Behinderungen der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung
garantiert werden muss,
d) unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, das Internationale
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das Übereinkommen
gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Strafe, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und das Internationale
Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen,
e) in der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und
dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen
und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen
und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern,
f) in der Erkenntnis, dass die in dem Weltaktionsprogramm für Behinderte und den
Rahmenbestimmungen für die Herstellung der Chancengleichheit für Behinderte
enthaltenen Grundsätze und Leitlinien einen wichtigen Einfluss auf die Förderung,
Ausarbeitung und Bewertung von politischen Konzepten, Plänen, Programmen und
Maßnahmen auf einzelstaatlicher, regionaler und internationaler Ebene zur Verbesserung
der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen haben,
g) nachdrücklich darauf hinweisend, wie wichtig es ist, die Behinderungsthematik zu einem
festen Bestandteil der einschlägigen Strategien der nachhaltigen Entwicklung zu machen,
h) ebenso in der Erkenntnis, dass jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung eine
Verletzung der Würde und des Wertes darstellt, die jedem Menschen innewohnen,
i)
ferner in der Erkenntnis der Vielfalt der Menschen mit Behinderungen,
j)
in Anerkennung der Notwendigkeit, die Menschenrechte aller Menschen mit
Behinderungen, einschließlich derjenigen, die intensivere Unterstützung benötigen, zu
fördern und zu schützen,
k) besorgt darüber, dass sich Menschen mit Behinderungen trotz dieser verschiedenen
Dokumente und Verpflichtungen in allen Teilen der Welt nach wie vor Hindernissen für
ihre Teilhabe als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sowie Verletzungen ihrer
Menschenrechte gegenübersehen,
l)
in Anerkennung der Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für die Verbesserung
der Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderungen in allen Ländern, insbesondere
den Entwicklungsländern,
m) in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen zum
allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können, und in
der Erkenntnis, dass die Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und
Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen sowie ihrer uneingeschränkten
Teilhabe ihr Zugehörigkeitsgefühl verstärken und zu erheblichen Fortschritten in der
menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft und bei der
Beseitigung der Armut führen wird,
267
n) in der Erkenntnis, wie wichtig die individuelle Autonomie und Unabhängigkeit für
Menschen mit Behinderungen ist, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu
treffen,
o) in der Erwägung, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben sollen, aktiv an
Entscheidungsprozessen über politische Konzepte und über Programme mitzuwirken,
insbesondere wenn diese sie unmittelbar betreffen,
p) besorgt über die schwierigen Bedingungen, denen sich Menschen mit Behinderungen
gegenübersehen, die mehrfachen oder verschärften Formen der Diskriminierung aufgrund
der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder
sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen, indigenen oder sozialen Herkunft, des
Vermögens, der Geburt, des Alters oder des sonstigen Status ausgesetzt sind,
q) in der Erkenntnis, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen sowohl innerhalb als auch
außerhalb ihres häuslichen Umfelds oft in stärkerem Maße durch Gewalt, Verletzung oder
Missbrauch, Nichtbeachtung oder Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung
gefährdet sind,
r) in der Erkenntnis, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle
Menschenrechte und Grundfreiheiten in vollem Umfang genießen sollen, und unter Hinweis
auf die zu diesem Zweck von den Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Rechte des
Kindes eingegangenen Verpflichtungen,
s) nachdrücklich darauf hinweisend, dass es notwendig ist, bei allen Anstrengungen zur
Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen
mit Behinderungen die Geschlechterperspektive einzubeziehen,
t)
unter besonderem Hinweis darauf, dass die Mehrzahl der Menschen mit Behinderungen in
einem Zustand der Armut lebt, und diesbezüglich in der Erkenntnis, dass die nachteiligen
Auswirkungen der Armut auf Menschen mit Behinderungen dringend angegangen werden
müssen,
u) in dem Bewusstsein, dass Frieden und Sicherheit auf der Grundlage der uneingeschränkten
Achtung der in der Charta der Vereinten Nationen enthaltenen Ziele und Grundsätze sowie
der Einhaltung der anwendbaren Übereinkünfte auf dem Gebiet der Menschenrechte
unabdingbar sind für den umfassenden Schutz von Menschen mit Behinderungen,
insbesondere in bewaffneten Konflikten oder während ausländischer Besetzung,
v) in der Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass Menschen mit Behinderungen vollen Zugang zur
physischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Umwelt, zu Gesundheit und Bildung
sowie zu Information und Kommunikation haben, damit sie alle Menschenrechte und
Grundfreiheiten voll genießen können,
w) im Hinblick darauf, dass der Einzelne gegenüber seinen Mitmenschen und der
Gemeinschaft, der er angehört, Pflichten hat und gehalten ist, für die Förderung und
Achtung der in der Internationalen Menschenrechtscharta anerkannten Rechte einzutreten,
x) in der Überzeugung, dass die Familie die natürliche Kernzelle der Gesellschaft ist und
Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat hat und dass Menschen mit
Behinderungen und ihre Familienangehörigen den erforderlichen Schutz und die
notwendige Unterstützung erhalten sollen, um es den Familien zu ermöglichen, zum vollen
und gleichberechtigten Genuss der Rechte der Menschen mit Behinderungen beizutragen,
268
y) in der Überzeugung, dass ein umfassendes und in sich geschlossenes internationales
Übereinkommen zur Förderung und zum Schutz der Rechte und der Würde von Menschen
mit Behinderungen sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den entwickelten
Ländern einen maßgeblichen Beitrag zur Beseitigung der tiefgreifenden sozialen
Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen leisten und ihre Teilhabe am
bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben auf der
Grundlage der Chancengleichheit fördern wird –
haben Folgendes vereinbart:
Artikel 3 — Allgemeine Grundsätze
Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind:
a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie,
einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner
Unabhängigkeit;
b) die Nichtdiskriminierung;
c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;
d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die
Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit;
e) die Chancengleichheit;
f) die Zugänglichkeit;
g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau;
h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von
Artikel 4 — Allgemeine Verpflichtungen
(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und
Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund
von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die
Vertragsstaaten,
a) alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung
der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen
b) alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung
oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu
treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen;
c) den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in
allen politischen Konzepten und allen Programmen zu berücksichtigen;
d) Handlungen oder Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind, zu
unterlassen und dafür zu sorgen, dass die staatliche n Behörden und öffentlichen
Einrichtungen im Einklang mit diesem Übereinkommen handeln;
e) alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von
Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen;
269
f) Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte und Einrichtungen in
universellem Design, wie in Artikel 2 definiert, die den besonderen Bedürfnissen von
Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwand
gerecht werden, zu betreiben oder zu fördern, ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern
und sich bei der Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design
einzusetzen;
g) Forschung und Entwicklung für neue Technologien, die für Menschen mit Behinderungen
geeignet sind, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien,
Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützenden Technologien, zu betreiben oder zu fördern
sowie ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und dabei Technologien zu
erschwinglichen Kosten den Vorrang zu geben;
h) für Menschen mit Behinderungen zugängliche Informationen über Mobilitätshilfen, Geräte
und unterstützende Technologien, einschließlich neuer Technologien, sowie andere
Formen von Hilfe, Unterstützungsdiensten und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen;
i)
die Schulung von Fachkräften und anderem mit Menschen mit Behinderungen arbeitendem
Personal auf dem Gebiet der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu fördern,
damit die aufgrund dieser Rechte garantierten Hilfen und Dienste besser geleistet werden
können.
(2) Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte verpflichtet sich jeder
Vertragsstaat, unter Ausschöpfung seiner verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen
der internationalen Zusammenarbeit Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle
Verwirklichung dieser Rechte zu erreichen, unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem
Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind.
(3) Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur
Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die
Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit
Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden
Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.
(4) Dieses Übereinkommen lässt zur Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderungen
besser geeignete Bestimmungen, die im Recht eines Vertragsstaats oder in dem für diesen Staat
geltenden Völkerrecht enthalten sind, unberührt. Die in einem Vertragsstaat durch Gesetze,
Übereinkommen, Verordnungen oder durch Gewohnheitsrecht anerkannten oder bestehenden
Menschenrechte und Grundfreiheiten dürfen nicht unter dem Vorwand beschränkt oder außer
Kraft gesetzt werden, dass dieses Übereinkommen derartige Rechte oder Freiheiten nicht oder
nur in einem geringeren Ausmaß anerkenne.
(5) Die Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten ohne Einschränkung oder Ausnahme für alle
Teile eines Bundesstaats.
Artikel 9 — Zugänglichkeit
(1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in
allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit
dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen
Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informationsund Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und
Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie
bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und
Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren einschließen, gelten unter anderem für
270
a) Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien,
einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Einrichtungen und Arbeitsstätten;
b) Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste
und Notdienste.
(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen,
a) um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und
Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden,
auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen;
b) um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der
Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der
Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen;
c) um betroffenen Kreisen Schulungen zu Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit
Behinderungen anzubieten;
d) um in Gebäuden und anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, Beschilderungen in Brailleschrift und in leicht lesbarer und verständlicher Form anzubringen;
e) um menschliche und tierische Hilfe sowie Mittelspersonen, unter anderem Personen zum
Führen und Vorlesen sowie professionelle Gebärdensprachdolmetscher und dolmetscherinnen, zur Verfügung zu stellen mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und
anderen Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern;
f) um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen
zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird;
g) um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern;
h) um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb zugänglicher
Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme in einem frühen Stadium zu
fördern, sodass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird.
Artikel 12 — Gleiche Anerkennung vor dem Recht
(1) Die Vertragsstaaten bekräftigen, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, überall
als Rechtssubjekt anerkannt zu werden.
(2) Die Vertragsstaaten anerkennen, dass Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen
gleichberechtigt mit anderen Rechts- und Handlungsfähigkeit genießen.
(3) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen Zugang
zu der Unterstützung zu verschaffen, die sie bei der Ausübung ihrer Rechts- und
Handlungsfähigkeit gegebenenfalls benötigen.
(4) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass zu allen die Ausübung der Rechts- und
Handlungsfähigkeit betreffenden Maßnahmen im Einklang mit den internationalen
Menschenrechtsnormen geeignete und wirksame Sicherungen vorgesehen werden, um
Missbräuche zu verhindern. Diese Sicherungen müssen gewährleisten, dass bei den
Maßnahmen betreffend die Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit die Rechte, der
Wille und die Präferenzen der betreffenden Person geachtet werden, es nicht zu
Interessenkonflikten und missbräuchlicher Einflussnahme kommt, dass die Maßnahmen
verhältnismäßig und auf die Umstände der Person zugeschnitten sind, dass sie von möglichst
kurzer Dauer sind und dass sie einer regelmäßigen Überprüfung durch eine zuständige,
unabhängige und unparteiische Behörde oder gerichtliche Stelle unterliegen.
271
(5) Die Sicherungen müssen im Hinblick auf das Ausmaß, in dem diese Maßnahmen die Rechte
und Interessen der Person berühren, verhältnismäßig sein. Vorbehaltlich dieses Artikels
treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten und wirksamen Maßnahmen, um zu gewährleisten,
dass Menschen mit Behinderungen das gleiche Recht wie andere haben, Eigentum zu besitzen
oder zu erben, ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und gleichen Zugang zu
Bankdarlehen, Hypotheken und anderen Finanzkrediten zu haben, und gewährleisten, dass
Menschen mit Behinderungen nicht willkürlich ihr Eigentum entzogen wird.
Artikel 17 — Schutz der Unversehrtheit der Person
Jeder Mensch mit Behinderungen hat gleichberechtigt mit anderen das Recht auf Achtung seiner
körperlichen und seelischen Unversehrtheit.
Artikel 19 — Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die
Gemeinschaft
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit
Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu
leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den
vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der
Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass
a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu
wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in
besonderen Wohnformen zu leben;
b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen
Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen
Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur
Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft
sowie zur Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig
ist;
c) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit
Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren
Bedürfnissen Rechnung tragen.
Artikel 22 — Achtung der Privatsphäre
(1) Menschen mit Behinderungen dürfen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort oder der
Wohnform, in der sie leben, keinen willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in ihr
Privatleben, ihre Familie, ihre Wohnung oder ihren Schriftverkehr oder andere Arten der
Kommunikation oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen ihrer Ehre oder ihres Rufes
ausgesetzt werden. Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf rechtlichen Schutz
gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.
(2) Die Vertragsstaaten schützen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen die
Vertraulichkeit von Informationen über die Person, die Gesundheit und die Rehabilitation von
Menschen mit Behinderungen.
Artikel 31 — Statistik und Datensammlung
(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur Sammlung geeigneter Informationen, einschließlich
statistischer Angaben und Forschungsdaten, die ihnen ermöglichen, politische Konzepte zur
Durchführung dieses Übereinkommens auszuarbeiten und umzusetzen. Das Verfahren zur
Sammlung und Aufbewahrung dieser Informationen muss
272
a) mit den gesetzlichen Schutzvorschriften, einschließlich der Rechtsvorschriften über den
Datenschutz, zur Sicherung der Vertraulichkeit und der Achtung der Privatsphäre von
Menschen mit Behinderungen im Einklang stehen;
b) mit den international anerkannten Normen zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten und den ethischen Grundsätzen für die Sammlung und Nutzung
statistischer Daten im Einklang stehen.
(2) Die im Einklang mit diesem Artikel gesammelten Informationen werden, soweit angebracht,
aufgeschlüsselt und dazu verwendet, die Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem
Übereinkommen durch die Vertragsstaaten zu beurteilen und die Hindernisse, denen sich
Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechte gegenübersehen, zu ermitteln
und anzugehen.
(3) Die Vertragsstaaten übernehmen die Verantwortung für die Verbreitung dieser Statistiken und
sorgen dafür, dass sie für Menschen mit Behinderungen und andere zugänglich sind.
3. Europäische Grundschutzverordnung zum
Datenschutz (EU- DSGVO)
Allgemein:
Die europäische Grundschutzverordnung zum Datenschutz (EU-DSGVO) bezeichnet mit
„personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare
natürliche Person beziehen, wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer
Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann.“
(Art. 4 DSGVO) Diese personenbezogenen Daten gehören immer dem Nutzer und nicht
demjenigen, der sich mit der Datenverarbeitung befasst. Dies gilt auch bei der für die Forschung
erhobenen Daten. Mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung gibt es strenge formelle
Anforderungen für das Einholen von Einwilligungen (Art. 7 DSGVO) Die Informationspflichten
gegenüber den betroffenen Personen steigen im Vergleich zum BDSG deutlich an (Art. 12 ff.
DSGVO). Die Information muss den erhöhten Transparenzanforderungen genügen.
Art. 5 Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Personenbezogene Daten müssen
a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und
Glauben, Transparenz“);
b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer
mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine
Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für
wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt
gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken
(„Zweckbindung“);
c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung
notwendige Maß beschränkt sein („Datenminimierung“);
273
d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle
angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf
die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden
(„Richtigkeit“);
e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so
lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist;
personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen
Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer
Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der
betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende
Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für
statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden („Speicherbegrenzung“);
f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen
Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung
und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter
Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und
Vertraulichkeit“);
(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes1 verantwortlich und muss dessen
Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).
Art. 6 DSGVO Rechtmäßigkeit der Verarbeitung – hier Einwilligung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen
erfüllt ist:
Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden
personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene
Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage
der betroffenen Person erfolgen;
die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der
Verantwortliche unterliegt;
die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder
einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen
Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen
übertragen wurde;
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder
eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten
der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen,
insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben
vorgenommene Verarbeitung.
274
(2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der
Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1
Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die
Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach
Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere
besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.
(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt
durch
a) Unionsrecht oder
b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.
Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt oder hinsichtlich der
Verarbeitung gemäß Absatz 1 Buchstabe e für die Erfüllung einer Aufgabe erforderlich sein, die
im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem
Verantwortlichen übertragen wurde. Diese Rechtsgrundlage kann spezifische Bestimmungen zur
Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung enthalten, unter anderem
Bestimmungen darüber, welche allgemeinen Bedingungen für die Regelung der Rechtmäßigkeit
der Verarbeitung durch den Verantwortlichen gelten, welche Arten von Daten verarbeitet werden,
welche Personen betroffen sind, an welche Einrichtungen und für welche Zwecke die
personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, welcher Zweckbindung sie unterliegen, wie
lange sie gespeichert werden dürfen und welche Verarbeitungsvorgänge und -verfahren angewandt
werden dürfen, einschließlich Maßnahmen zur Gewährleistung einer rechtmäßig und nach Treu
und Glauben erfolgenden Verarbeitung, wie solche für sonstige besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX. Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten müssen ein im
öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem
verfolgten legitimen Zweck stehen.
(4) Beruht die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf
einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten, die in einer demokra-tischen
Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Artikel 23
Absatz 1 genannten Ziele darstellt, so berücksichtigt der Verantwortliche – um festzustellen,
ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen
Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist – unter anderem
a) jede Verbindung zwischen den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten erhoben
wurden, und den Zwecken der beabsichtigten Weiterverarbeitung,
b) den Zusammenhang, in dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, insbesondere
hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen und dem
Verantwortlichen,
c) die Art der personenbezogenen Daten, insbesondere ob besondere Kategorien
personenbezogener Daten gemäß Artikel 9 verarbeitet werden oder ob personenbezogene
Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 verarbeitet
werden,
d) die möglichen Folgen der beabsichtigten Weiterverarbeitung für die betroffenen Personen,
e) das Vorhandensein geeigneter Garantien, wozu Verschlüsselung oder Pseudonymisierung
gehören kann.
275
Art. 7 DSGVO Bedingungen für die Einwilligung
(1) Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können,
dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat.
(2) Erfolgt die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die noch
andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um Einwilligung in verständlicher und
leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den
anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist.2 Teile der Erklärung sind dann nicht
verbindlich, wenn sie einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellen.
(3) Die betroffene Person hat das Recht, ihre Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Durch den
Widerruf der Einwilligung wird die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung bis zum
Widerruf erfolgten Verarbeitung nicht berührt.3 betroffene Person wird vor Abgabe der
Einwilligung hiervon in Kenntnis gesetzt.4 Der Widerruf der Einwilligung muss so einfach wie
die Erteilung der Einwilligung sein.
(4) Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in
größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines
Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer
Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags
nicht erforderlich sind.
4. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 1896 Voraussetzungen (BGB)
(1) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen,
geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht
besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für
ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der
Volljährige aufgrund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht
besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei
denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
(2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung
erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des
Volljährigen durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3
bezeichneten Personen gehört, oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher
Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.
(3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber
seinem Bevollmächtigten bestimmt werden.
(4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entgegennahme,
das Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom Aufgabenkreis des Betreuers nur
dann erfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat.
276
5. Sozialgesetzbuch 9
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
(1) Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten
Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden
Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und
gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen
zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. 2Dabei wird den besonderen Bedürfnissen
von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und
Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen
Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.
§ 2 SGB IX Behinderung
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für
das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die
Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der
Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen
Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig
im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem
Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen
Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die
Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht
behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
277
Anhang 2
IPAR-UCD im Design Based Research Prozess
Das IPAR-UCD Konzept als Prototyp
Die Zusammenführung von IPAR und UCD wurde zunächst als ein vorläufiges Konzept von der
Verfasserin selbst entwickelt. Das IPAR-UCD Konzept beinhaltet einen einführenden Teil zur
inklusiven Forschung und einen praktischen Leitfaden in Modulen zur Durchführung von inklusiver
Forschung und Entwicklung. Mit ihm wurde im »Easy Reading« Projekt erstmals im Sinne von DBR
gearbeitet.
Inhalt des vorläufigen IPAR-UCD Konzepts
1. INKLUSIV – PARTIZIPATIV
1.1. Allgemein
1.2. Haltungen, Methoden und Ansätze (Verhaltenskodex)
2. WER – WER INITIIERT WAS? WER IST BETEILIGT?
2.1. Wer initiiert Was?
2.2. Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
2.3. Voraussetzungen um Peer-Forscherinnen oder Peer-Forscher in der empirischen Forschung
zu werden?
2.4. Wer ist noch involviert?
2.5. Das Rollenverständnis und die Wertschätzung innerhalb des Forschungs- und
Entwicklungsteams
2.6. Die Rolle der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher und Anforderungen
2.7. Rolle der Fachleute und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler in IPAR-UCD
2.8. Rolle der Forschungs-Assistenz
2.9. Die Rolle des Projektmanagements
3. Zur Ausbildung/Qualifizierung Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
3.1. Einführung in Forschung allgemein
3.2. Einführung in die Forschungsethik
3.3. Einführung zu möglichen Gütekriterien der inklusiven partizipatorischen Forschung
3.4. Gütekriterien für die Entwicklung von Nutzungsanforderungen
3.5. Einführung in Forschungstechnik und empirische Forschungsmethoden
3.6. Forschen mit Assistenz
3.7. Arbeitstechniken, Arbeitsmittel und ihr Einsatz (z. B. Fragebogen, Bildmaterial, Techniken wie
Forschungstagebuch oder iPad, etc.)
278
3.8. Datenerhebung und Datenauswertung
4. WAS – IN WELCHEM KONTEXT SOLL INKLUSIV GESTALTET ODER GEFORSCHT
WERDEN?
5. WIE – SOLL GEARBEITET WERDEN? VORAUSSETZUNGEN
5.1. Allgemein
5.2. »Experten In eigener Sache«
5.3. Ressourcenplanung
5.4. Zugänglichkeit und Transparenz
6. LEITFADEN FÜR IPAR-UCD
6.1. MODUL A – STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG
6.2. MODUL B – DIE UMSETZUNG, EINZELNE SCHRITTE DES USER-CENTRED DESIGNS:
6.2.1. Anforderungen oder Bedarfsanalyse
6.2.2. Konzeption
6.2.3. Prototyping - Erstellen der ersten Prototypen (Versuchsmodelle)
6.3. MODUL C– EVALUATION
6.3.1. Erste Design- und Usability Studien (interne Evaluation)
6.3.2. User Studie mit anderen Usern der Zielgruppe (externe Evaluation)
6.3.3. Analyse der Ergebnisse der Evaluation und ggf. Anpassungsvorschläge
6.4. MODUL D – FINALE FERTIGSTELLUNG
6.5. IPAR–USER-CENTRED DESIGN METHODEN
Die Module wurden im LAB »Easy Reading« umgesetzt. Einzelne Interventionen werden zuerst
mit einer Kleingruppe oder einzelnen Peer-Forschern gemeinsam geplant, um diese anschließend
in einer größeren Peer-Gruppe zu testen.
IPAR-UCD –
Entwicklung inklusiver Methoden, Tools und Rahmenbedingungen für den
Einsatz im Software-Engineering für das »Easy Reading« Projekt
MODUL A –
STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG
Das MODUL A – STARTUP – DIE PLANUNGSWERKSTATT UND TEAMBILDUNG wurde im Projekt
»Easy Reading« insofern verändert, als dass bereits während der Anwerbung der PeerForscherinnen und Peer-Forscher vor Projektstart über das Projekt intensiv informiert wurde.
Bei der ersten Kennenlernphase erhielten die zukünftigen Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
Informationen zur geplanten Forschung im Projekt »Easy Reading«. Im Anschluss waren sie dann
am internationalen Kick-Off-Meeting beteiligt. Die extra hierfür erstellten Materialien
ermöglichten einen niedrigschwelligen Zugang zum Projekt. Wie sich im Laufe des Projektes
immer wieder zeigte, ist bei allen Materialien die Verständlichkeit von großer Wichtigkeit. Sie
wurden in möglichst leichter Sprache verfasst (siehe Handbuch).
279
1.
Abb. Einführung in das Projekt (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Die Kick-Off-Veranstaltung wurde hauptsächlich der Organisation des internationalen Forschungsprojekts gewidmet und für die eigentliche Planungswerkstatt und für den Austausch und die
inklusive Zusammenarbeit blieb wenig Zeit. Es ist anzumerken, dass bei der Projektplanung
versäumt wurde hierfür genügend Zeit und finanzielle Ressourcen durchzusetzen. Beides fiel der
Finanzdebatte zum Opfer, was sich später an vielen Stellen als Mangel herausstellte und durch
das gesamte Projekt zog. (Es gab keine zusätzlichen Mittel für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher sich im internationalen Rahmen real zu treffen oder gar an den Projektmeetings
teilzunehmen.)
ANMERKUNG:
Eine Planungswerkstatt zum Start ist nach diesen Erfahrungen für den Ablauf des
gesamten inklusiven Forschungsprozesses von großer Bedeutung.
In dem darauffolgenden ersten Forschungsabschnitt (3 Monate) wurde mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern gemeinsam eine Informierte Einwilligung erarbeitet und es
entwickelte sich eine gewisse Grundhaltung zur gemeinsamen Forschungsarbeit.
Nach 5 Monaten fand im Zuge der Requirementanalyse ein gemeinsames Treffen mit den
österreichischen und deutschen Partnern statt. Hier zeigte sich, dass alle Beteiligten davon
profitierten, einschließlich der Entwicklungsteams, die dadurch ein viel besseres Verständnis für
die Zielgruppe bekamen.
Des Weiteren arbeiteten die Peer-Forschungsgruppen relative separat an ihren Standorten.
PIKSL (Düsseldorf) bekam in unregelmäßigen Abständen Unterstützung von dem Projektteam der
Technischen Universität Dortmund. Proqualis (Linz, Österreich) ist Linz direkt an der Universität
angesiedelt und hat kurze Wege zum Entwicklungsteam vom KI-I.
280
DART (Göteborg, Schweden) sollte FUNKA ein weiteres Entwicklungsteam bei der Entwicklung der
Personalisierung von »Easy Reading« unterstützen. Sie sind aber auch räumlich voneinander
getrennt.
Der Austausch der zwei Peer-Forscherteams Österreich-Deutschland fand von Beginn regelmäßig
per Skype statt, später kam DART hinzu, was die realen Treffen aber nicht ersetzt, schon allein,
weil dann nur geredet und nicht praktisch gearbeitet werden kann. Dieser Austausch ergänzt die
zweiwöchigen großen Telefonkonferenzen mit dem gesamten Projektkonsortium, an dem die
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher wegen der englischen Projektsprache nicht teilnehmen.
Um diesen Problemen zu begegnen wurden vor Ort unterschiedliche Arbeitsstrukturen
ausprobiert, die im Folgenden näher beschrieben werden.
Als Dokumentation sollten Fotos und Filme (iPad) gemacht werden, die jeweils mit einem
Tagebucheintrag ergänzt wurden. Dies bereitete unterschiedliche Schwierigkeiten. Einige der
Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher können nicht schreiben und/oder nicht lesen.
Beispiel Tagebuch
Zur Dokumentation der Arbeit wurde das Tagebuch eingeführt. Es wurden verschiedene Formate
ausprobiert. Freies Schreiben schien nicht sinnvoll, daher benutzen die Peer-Forschergruppen
eine Tagebuchvorlage mit ein paar Anhaltspunkten, zu dem was ihnen wichtig erscheint.
2.
Abb. Tagebuchvorlage für die PeerForschungsteams aus dem Projekt
»Easy Reading« (Quelle: »Easy
Reading« Projekt)
281
PIKSL:
Das Forschungsteam von PIKSL versuchte zunächst das Tagebuch selbst mithilfe von Bildern,
Diktat oder Video erstellen: der Vorteil hiervon, es kann relativ selbständig und unabhängig
gemacht werden; der Nachteil, es kostete viel Disziplin und von der zur Verfügung stehenden Zeit.
Daher erwies sich als die realistischste Lösung, das Tagebuch von den Unterstützerinnen schreiben
lassen. Dies erfolgt seither nach einem zusammenfassenden gemeinsamen Gespräch.
Proqualis:
Bei Proqualis schreibt eine Peer-Forscherin das Protokoll ganz selbständig. Dies erfolgt mal mehr
und mal weniger ausführlich. Es fällt ihr aber offensichtlich schwer dies regelmäßig zu tun. Da sie
unterschiedliche Aufgaben in ihrem Team hat, ist es manchmal nicht möglich, dass sie an einer
Sache dranbleibt und es gleich erledigt. Von daher muss hier Unterstützung gegeben werden.
Fotos und Filme kommen im Laufe der Projektzeit immer weniger zur Dokumentation zum Einsatz,
genauso wie die App »book-creator«, die zu Beginn von den Forschungsteams gerne genutzt
wurde.
Als allgemeines Kommunikationswerkzeug hat sich allerdings WhatsApp für die meisten
Teilnehmerinnen und Teilnehmer als sinnvoll erwiesen.
Beispiel Aufgabe für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher
Für die einzelnen Schritte im Projekt wurden sogenannte Aufgaben gestellt, die in der jeweiligen
Peer-Forschungsgruppe mithilfe von entsprechenden Anleitungen als digitale Präsentation den
Peer-Forschern von den unterstützenden Forscherinnen vorgestellt wurde. Daran arbeiteten die
Forschungsgruppen dann meist mit mehr oder weniger Unterstützung ohne die Entwickler.
Die erste Aufgabe zur Vorbereitung der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher war einen
»Forscherkoffer« zu packen, der als Forschungswerkzeug auch ein iPad enthielt. Dem Wunsch
statt Koffer einen Forscherrucksack zu benutzen wurde entsprochen.
3. Abb. Der Forscherrucksack für die Peer-Forschungsteams (Quelle: »Easy Reading Projekt«)
282
4.
Abb. Beispielaufgabe und Methode für die Peer-Forschungsteams (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Kommunikation und Verständigung im Projekt – leichte verständliche
Sprache
Die Verständigung mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern erfolgte in der Muttersprache,
meist Deutsch. Die Unterstützerinnen von DART übersetzten ggf. die Aufgaben und Ergebnisse ins
Schwedische. Da Verständlichkeit bei allen Materialien von großer Wichtigkeit ist, wird auf
möglichst leichte verständliche Sprache geachtet. So waren Sprachanpassungen (Vereinfachung)
auch während der Testverfahren sowie bei den Erläuterungen für potenzielle Nutzer mit
kognitiven Behinderungen und die Co-Autorenschaft in Bezug auf die Berichterstattung und
Ergebnisse bislang angemessen und erforderlich.
Beispiel: Anpassung einer Informierten Einwilligung in leichter verständlicher Sprache
Damit die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher überhaupt in dem Projekt mitarbeiten konnten,
sollten sie eine Informierte Einwilligung (Informed Consent) unterschreiben. Hierzu gab es eine
Vorlage in verständlicher Sprache, die dann von ihnen mit Unterstützung in mehreren Durchläufen
angepasst und dann von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterschrieben wurde.
Wir benötigten die ausdrückliche Zustimmung der beteiligten Personen, dass sie akzeptierten,
dass wir ihre Daten verarbeiteten. Die Zustimmung musste in verständlicher und leicht
zugänglicher Form erteilt werden.
Als Vorlage wurde eine Informierte Einwilligung aus einem älteren Projekt genommen und
entsprechend dem »Easy Reading« Projekt in der Anwerbungsphase angepasst. Die
Weiterentwicklung erfolgte aufgrund der (Nach-)Fragen und Einwände der Betroffenen.
283
Dies erforderte mehrere Durchgänge mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern, weil immer
wieder Einwände zum Verständnis auftauchten. Insbesondere die an die allgemeine
Projektinformation
anschließenden
Verständnisfragen
waren
wegen
der
konkreten
Übertragbarkeit auf den gegebenen Informationen schwierig abzustimmen.
Version (1)
Haben Sie die Informationen verstanden?
Dann beantworten Sie die 4 Fragen:
(1) Kennen Sie Probleme im Internet?
Nennen Sie ein Problem: .................................. (zu allgemein)
(2) Was sammelt man bei der Forschung? ................................... (Frage ist nicht konkret genug)
(3) Was sind Daten? ......................................................(Welche Daten sind gemeint?)
(4) Dürfen Sie Einzelheiten aus dem Projekt erzählen?.............................
Ich bin damit einverstanden,
am genannten Forschungs-Projekt Easy Reading
als Peer-Forscherin oder Peer-Forscher teilzunehmen.
Ich stelle dabei meine Daten zur Verfügung, (Welche Daten und wofür genau? Werden Namen
anonymisiert?)
auch Fotos und Videos,
die von mir während des Projekts entstehen.
5.
Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers. 1(
Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Version (2)
Haben Sie die Informationen verstanden?
Dann beantworten Sie die 4 Fragen:
1. Manche Menschen haben Probleme mit dem Internet.
Nennen Sie ein Problem: ……………………………………………...…................
2. Was wird im Projekt Easy Reading geforscht?
...........................................................................................................
3. Was sind persönliche Daten?
Nennen sie ein Beispiel: .....................................................................
4. Dürfen Sie Einzelheiten aus dem Projekt erzählen
................................
6.
284
Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers. 2
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Mit dieser Informierten Einwilligung kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwar klar, aber
es war nicht ansprechend.
Version (3)
7.
Abb. Ausschnitt aus der Informierte Einwilligung in leichter verständlicher Sprache Vers.3
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Letztlich stellte sich heraus, dass die Anforderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr
verschieden waren und unterschiedliche Versionen der Informierte Einwilligung notwendig
machten. Da die Informierte Einwilligung trotz Allem im Laufe des Projektes aus
unterschiedlichsten Gründen immer wieder thematisiert wurde, stellte das Forschungsteam fest,
dass hierzu das Verständnis bei einigen Peer-Forscherinnen und Peer-forschern immer wieder neu
aufgebaut und erklärt werden musste. Abschließend wurde ein Versuch mit einem kleinen
Informationsfilm hierzu gestartet.
Beispiel: Wörterbuch
Während des Projekts tauchten immer wieder
„technische“ Begriffe oder andere schwierige
Wörter auf, die erklärt werden mussten. Hierzu
legten die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher für
sich eigens ein sogenanntes Wörterbuch an. Auch
hier fielen die Erklärungen unterschiedlich aus und
wurden diskutiert, bis man sich auf eine Erklärung
einigen konnte.
8.
Abb. Beispiel Wörterbuch aus dem Handbuch für
Peerforscher, Forscher und Entwickler (Quelle: »Easy
Reading« Projekt)
285
MODUL B –
DIE UMSETZUNG, EINZELNE SCHRITTE DES USER-CENTRED DESIGNS
Entwicklung und Anpassung von verschiedenen Forschungs- und
Analysemethoden
Aufgaben der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher bei der Entwicklung sind:
•
Als erstes eine Requirementanalyse (Anforderungskatalog),
•
später die Umsetzung der Forschungs- und Analysemethoden bei UsabilityTestverfahren während der Entwicklungsphase des Frameworks
•
einschließlich Eye-Tracking (Augensteuerung), um in der virtuellen Realität den
Entwicklerteams Anhaltspunkte zu geben, was hinter den unterbewussten Reaktionen
und Verhalten steckt.
Die Anforderungen an IPAR-UCD wurden bereits u. a. für die Bedarfsanalyse und Usability-Tests
im »Easy Reading« Projekt ermittelt oder durchgeführt.
Anforderungen oder Bedarfsanalyse (Requirementanalyse)
Die Anforderungen und Usability Test wurden mit Unterstützung der Peer-Forscherinnen und
Peer-Forscher in den ersten drei Monaten mithilfe verschiedener Methoden ermittelt und
abschließend mit einer gemeinsamen Analyse durchgeführt (siehe Methoden im Handbuch).
Methode: Sammeln der Lieblingsseiten im Internet
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher sammeln ihre Favoriten im Internet und notieren
die Internetadresse.
Methode: eigene Beobachtungen
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher beobachten sich bewusst selber bei der Nutzung
des Internets und halten ihre Beobachtungen fest
Methode: Storytelling (die eigene Geschichte zu Problemen mit den Internetseiten)
Gemeinsam wurden die Lieblingsseiten besucht nach guten und schlechten Aspekten
untersucht und anschließend im Videotagebuch festgehalten.
9.
286
Abb. Methode: Storytelling aus dem aus dem
Handbuch für Peer-forscher, Forscher und
Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Methode: Ideenfindung (Brainstorming)
Beim Brainstorming werden alle positiven (grün) und negativen (rot) Aspekte als
Anforderung (Wunsch für das Internet) auf Karten festgehalten und dazu jeweils ein Plakat
erstellt, die im Laufe der nächsten Peer-Forscher-Treffen ergänzt werden konnten. Daraus
ergeben sich später die Anforderungen an ein zugängliches Internet für die (Zielgruppe).
Methode: Kartensortierung (Cardsorting)
Beim Kartensortieren wurde den roten und grünen
Karten eine Gewichtung gegeben. Ziel war es
herauszuarbeiten, welche Anforderungen dringend
und welche nur 'nice to have' sind.
10. Abb. Methode Cardsorting aus dem Handbuch für Peerforscher, Forscher und Entwickler (Quelle: »Easy
Reading« Projekt)
Methode: Fokusgruppe
Das Ergebnis der Anforderungen aus dem Cardsorting wird gemeinsam mit den PeerForscherinnen und Peer-Forschern diskutiert.
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von PIKSL und Proqualis haben gemeinsam mit dem
Entwicklerteam des KI-I während eines Workshops die Ergebnisse analysiert, die Forschergruppe
von DART hat ihre Analyse ergänzt. Das Ergebnis wurde von den Entwicklerteams
zusammengefasst.
Entsprechend der Requirementanalyse wurden
dann von den unter-schiedlichen Entwicklerteams
technischen Lösungen mithilfe moderner HCITechnologie realisiert. Im ersten Schritt wurde
eine Einstellung für das individuelle User-Profil
entwickelt, mit verschiedenen Funktionen, mit
der sich beispielsweise Pop-Ups öffnen lassen, um
zusätzliche Inhalte anzuzeigen, Beschriftungen
von Steuerelementen, die beim Überfahren mit
der Maus erscheinen.
11. Abb. Einstellung des Userprofils (Quelle: »Easy
Reading« Projekt)
287
Durch die Verwendung eines eigenen persönlichen Profils können später die Funktionen
individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Benutzers angepasst werden. Die
Verwendung
der
Eye-Tracking-Technologie
zur
Anpassung
des
User-Profils
(um
Augenbewegungen über den Bildschirm zu verfolgen), steht noch aus.
Ergebnis zur Methodenauswahl:
Die freieren Methoden in der Gruppenarbeit (Brainstorming) und Fokusgruppe sind für die PeerForscherinnen und Peer-Forscher leichter zu bewältigen, als die Aufgabe als für einzelne PeerForscherinnen und Peer-Forschern (z. B. Storytelling oder Cardsorting).
Anmerkung: Es zeigte sich, dass die unterschiedliche Komplexität der Methoden iterative
Anpassungen in mehreren Schritten erforderte. Die Anweisungen müssen klar in verständlicher
Sprache gegeben werden und die individuelle Unterstützung durch Assistenz ohne Behinderung
muss möglich sein (z. B. strukturieren des Ablaufs, lesen, schreiben).
Umsetzung der Forschungs- und Analysemethoden und die Dokumentation
Usertesting mit Testpattern
Das »Easy Reading« Interface wird derzeit noch von den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern
getestet und ausgewertet. Sie sind die Expertinnen und Experten, um herauszufinden, ob »Easy
Reading« nützlich, benutzerfreundlich, gut zugänglich und wünschenswert ist.
Hierzu müssen die Entwickler und Entwicklerinnen müssen vorab über die wichtigsten Testfragen
nachdenken und die Testmethode wählen. Diese Nutzertests stützten sich auf unterschiedlich
Methoden, wie die Beobachtungen und Thinking Aloud bei der Nutzung von »Easy Reading«.
Oder die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern durchlaufen einen Cognitiv Walkthrough, um
erste Fehler entdecken zu können. Später gehen sie nach einem Testplan (Testpattern) vor.
Hier wird noch einmal mit Usern getestet: warum, wie, welche Funktion benutzt wird und wann.
Zur Vorbereitung vom eigentlichen Usertesting wurde ein Workshop gemacht, damit die PeerForscherinnen und Peer-Forscher den Testgegenstand und den Ablauf kennenlernen konnten.
Zum Ablauf des Usertesting mit Testplan (Testpattern) gehören
o
Vorbereitung des Tests und Testplan
o
Der Testablauf
o
Der Fehlerbericht
o
Was passiert während des Tests
o
Was passiert nach dem Test
288
Die Konzeption der Testpläne war sehr aufwendig. Zunächst gab es die Testfälle als eine erste
Version von der Entwicklerseite. Diese wurde sprachlich und vom Layout her in mehreren
Schritten mit den Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern vereinfacht. Zudem wurde gemeinsam
ein Ablaufplan erstellt.
Die Testläufe wurden anschließend mit Forschertandems eingeübt (immer eine Peer-Forscherin
oder ein Peer-Forscher und eine mitforschende Assistentin).
Version (1)
12. Abb. Testpattern der Entwickler (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
zu Version (1):
•
•
•
ein Mix von Englisch und Deutsch,
schwere Sprache,
Test Step, Test Data, Expected Result, Actual Result, Status, Post-Conditions und
Comments waren als Aufgabenstellung für die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher zu
komplex, sowohl als Testerinnen und Tester wie auch als Testteilnehmer.
289
Version (2)
13. Abb. Testfall in verständlicher Sprache (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
zu Version (2):
Diese Version wurde in eine leicht verständliche Sprache umgesetzt i. B.
•
•
Test Fall ID - Abhängigkeiten waren für den eigentlichen Testdurchlauf unerheblich;
Die Testschritte waren als Aufgabenstellung für die Peer-Forscherinnen und PeerForscher immer noch zu komplex.
Version (3)
14. Abb. Testpattern in verständlicher Sprache (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
290
Zu Version (3):
Die Eingabe der Internetadresse machte noch erhebliche Schwierigkeiten und wurde daher
fallengelassen, weil es nicht zur Funktion von »Easy Reading« gehörte. Außerdem besteht der
Wunsch der Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher nach einer allgemeinen Einführung und Icons
zu den einzelnen Testschritten.
Version (4)
15. Abb. Entgültiger Testplan mit Peer-Forscherinnen und Forschern entwicklet
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Zu Version (4):
Mit Version 4 sind die Peer-Forscherinnen und Peer-Forscher in der Lage selbständig zu arbeiten.
Weitere Informationen für den Test-/Fehlerbericht bespricht das Forschertandem im Anschluss.
Der Fehlerbericht: Was ist wichtig im Fehlerbericht?
Dokumentation allgemein: Zur Dokumentation gehört alles Daten-Material und Informationen die
während der Forschung gesammelt werden. Das sind meist Aufzeichnungen.
Zum Beispiel:
• Als geschriebener Text, wie im Tagebuch (Problem: manche Peer-Forscherinnen und
Peer-Forscher können nicht lesen und/oder schreiben)
• Als Foto (Problem: manchmal lassen sich keine Aufnahmen machen)
• Als Video oder als Audiodatei (Problem: s o. oder es wird zu viel Material aufgenommen)
291
Was wird dokumentiert?
• Wo wurde getestet (auf welcher Website)?
• Welche Funktion wurde getestet (Bildersuche, Vorlesefunktion etc.)?
• Was genau waren die Fehler?
• Wie oft kam der Fehler vor – die Häufigkeit?
• Wie kann der Fehler reproduziert werden (was muss man tun, dass der Fehler auftritt)
• Welche Wünsche haben die Testteilnehmer (wie ginge was leichter oder besser)?
Das Paper-Mockup und Prototyping
Die Peer-Forscherinnen und Peer-Forschern von Proqualis sollten mithilfe einer Aufgabenpräsentationen jeweils ein Paper-Mockup von einem Bildschirm und den »Easy Reading« Modulen
(Platzhaltern) erstellt umso die Konfiguration ihres eigenen »Easy Reading« vorzubereiten.
Die unterstützenden Forscherinnen waren davon ausgegangen, dass nach einer ausführlichen
Vorbesprechung das Peer-Forscherteam die Aufgabe selbständig erledigen könnte.
Wir mussten jedoch feststellen, dass die Aufgabenpräsentationen zu umfangreich waren und
dadurch keine der Aufgaben selbständig/richtig gelöst wurde. Im zweiten Anlauf waren dann die
unterstützenden Forscherinnen bei den Sitzungen und der Erledigung der Aufgaben beteiligt. Mit
strukturierender bzw. erklärender Hilfestellung waren dann die Peer-Forscherinnen und PeerForschern in der Lage die Aufgaben zu lösen.
Beispielaufgabe 1 Neue Platzhalter für Easy Reading
Aufgabe: Wählt Icons als Platzhalter für das EasyReading Tool aus.
16. Abb. Easy Reading Symbolvorlagen 1
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
292
Beispielaufgabe 2: Das eigene Easy-Reading-Werkzeug
17.
Abb. Easy Reading Symbolvorlagen 2
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Jeder kann Easy Reading als eigenes Werkzeug zusammenstellen
•
Kopiert die Platzhalter und die leeren Easy Reading Vorlagen und schneidet sie aus.
•
Wählt Eure Hilfen für Easy Reading und klebt sie auf eine der 3 Easy Reading Vorlagen.
•
Fotografiert das Ergebnis und macht einen Tagebucheintrag.
Beispielaufgabe 3: Paper-Mockup bauen
Bastelt Euch einen Bildschirm-Hintergrund
Ihr braucht dazu:
1 x Pappe etwas größer als ein DIN 4 Blatt
2 x Streifen 30 cm lang 21,5 cm breit
Schere und Klebstoff.
• Die Streifen knickt Ihr am Ende um, so dass
sie genau auf der schmalen Seite der großen
Pappe aufliegen.
•
Die umgeknickten Enden klebt Ihr auf der
Rückseite fest.
•
Kopiert eine von euren Lieblingsseiten aus
dem Internet auf DIN 4
•
Schiebt sie unter die Streifen (links und
rechts) Kopiert Folie 7-9
•
Jetzt könnt Ihr mit den Aufgaben beginnen.
18. Abb. Easy Reading Vorlage Paper-Mockup 2 (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
293
Beispielaufgabe 4: Wo soll Eurer Easy Reading Werkzeug platziert werden?
Probiert mit Eurem Easy Reading aus, wo für Euch der beste Platz ist!
19. Abb. Easy Reading Vorlage Paper-Mockup 3 (Quelle: »Easy Reading« Projekt)
Beispielaufgabe 5 Interface- Anmeldung mit Google
Welche Hilfen wünschst Du Dir?
• dass der Hintergrund anpassbar ist?
• dass Hinweise gegeben werden?
• dass das Passwort sichtbar ist?
• …
20. Abb. Mockup Easy Reading Login 3
(Quelle: »Easy Reading« Projekt)
294
MODUL CEVALUATION und CO-AUTHORING (Co-Autorenschaft)
Anmerkung zur Evaluation:
Für die Einschätzung und Bewertung des inklusiven Forschungsprojekts »Easy Reading« war am
Ende der Projektlaufzeit (Juni 2020) mit einer quantitativen und einer qualitativen Peer-Evaluation
geplant. Diese konnte auf Grund Corona Pandemie Covid 19 (2020) bisher nur in Ansätzen
durchgeführt werden
Co-Autorenschaft
Die iterative Anpassung des IPAR-UCD-Konzepts für integrative Forschung und Entwicklung in
einem Handbuch für Peer-Forscher, Forscher und Entwickler steht für das Projekt "Easy Reading"
(in leicht verständlicher Sprache mit Erklärungen und Abbildungen) zur Verfügung. Es wurde unter
der Mitarbeit der drei Forschungsteams laufend fortgeschrieben und ist im Internet auf der
Homepage des Projekts »Easy Reading« https://www.easyreading.eu veröffentlicht.
Co-Autoren sind: Anderson, Per Per (S), Danner, Johann (A), Herrmanns, Elisabeth (D), Knieper,
Monika (D), Lackinger, Eva (A), Mitter, Franziska (A), Maurer, Christiane (A), Morwind, Rene (A),
Mühlbachler, Karl (A), Pfeiffer, Cornelia (A), Tambo, Mikael (S), Traxler, Sarah (A), Singleton, Mark
(S), Schwarz, Heiko (D), Spissu, Paolo (D);
Begleitung und Unterstützung: Baiker, Katja (D), Bosse, Ingo (DE), Buchholz, Margret (S), Derbring,
Sandra (S), Dirks, Susanne (DE), Holmquist, Eva (S), Wolkersdorfer, Sylvia, Zaynel, Nadja (D;)
295
Anhang 3
Poster IPAR-UCD
296
297