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Publicly Available Published by De Gruyter Saur February 5, 2016

Herr Friedrich und sein digitaler Innovations-Assistent

  • Rainer Vinkemeier EMAIL logo

Was zeichnet einen guten Assistenten oder eine gute Assistentin aus? Sie sind bestens organisiert, arbeiten sich schnell in neue Aufgaben und Zusammenhänge ein, vergessen nichts und vor allem denken sie mit. Routineaufgaben kann man ihnen getrost überlassen, sie recherchieren selbst komplexe Themen mit oft erstaunlichen Ergebnissen, und nicht selten geben sie auch entscheidende inhaltliche Tipps.

Von einem digitalen Assistenten wird nicht weniger erwartet. Dies gilt erst recht, wenn Ingenieure und Manager dabei unterstützt werden sollen, Innovationen, also neue Produkte, Lösungen und Prozesse zu entwickeln. Diese Ingenieure und Manager findet man in Unternehmen in verschiedenen Abteilungen: Der Entwicklungs- und Konstruktionsbereich ist dafür verantwortlich, bestehende Produkte und erprobte Technologien laufend zu verbessern und weiter zu entwickeln. Daneben gilt es Zukunftstechnologien bis hin zu sogenannten Breakthrough-Innovationen rechtzeitig zu erkennen. Dies kann im Forschungsbereich oder durch Kooperationen, z. B. mit Hochschulen, Fraunhofer-Instituten u. a. geschehen. Weitere Abteilungen, die sich mit marktseitigen und technologischen Zukunftsthemen befassen, sind die Unternehmens-/Geschäftsfeldentwicklung, auch Business Development genannt.

Forscher, Entwickler, Business Developer – Welche Informationen brauchen sie?

Informationen sind für diese Ingenieure und Manager die entscheidende Ressource. Entwickler und Konstrukteure müssen sich sehr schnell orientieren können, ob und wie die aktuelle Aufgabenstellung/Anfrage schon einmal in einem früheren Projekt oder auch einer anderen Landesgesellschaft gelöst wurde („Wenn Siemens wüsste, was Siemens alles weiß.“).

Industrieforscher müssen aufbauend auf solidem Grundwissen, jederzeit überblicken, was sich in ihrer Disziplin tut, d. h. interne wie externe Forschungsergebnisse schnell finden, verstehen und einordnen.

Unternehmensentwickler müssen sich einen schnellen Überblick über neue Themengebiete verschaffen können, aber immer auch eine Verbindung zum bestehenden Produktportfolio, zur eigenen Peergroup aufgezeigt bekommen.

Entwickler, Konstrukteure, Industrieforscher, Business Developer, diese Akteure stärken die Innovationskraft ihrer Unternehmen. Die Erkenntnis, dass Innovationen wichtig sind, hat sich durchgesetzt. Niemand will der nächste Fall Brockhaus werden. Andererseits: viel häufiger als der komplette Wandel des Geschäftsmodells (Nokia: vom Gummistiefel zum Mobiltelefon (leider nicht zum Smartphone)) sind organische Innovationsschritte (CEWE Color: vom Fotolabor zu Web-to-Print).

Für alle genannten Innovationsakteure wäre es ideal, wenn vorhandenes Know-how in einer Art Wissensnetz visualisiert und verfügbar wäre. Jede neue Information (Fachartikel, Anfrage, Entwicklungsauftrag, Labor-/Inbetriebnahme-/Fehlerbericht, Scoutmeldung usw.) sollte sich über seine „Rezeptoren“ in das vorhandene Wissensnetz einfügen. Auf wichtige Veränderungen, sichtbare wie verborgene, sollte hingewiesen werden, direkt betroffene Ingenieure und Manager sollten aktiv benachrichtigt werden.

Von ihrem digitalen Assistenten verlangen diese Innovationsakteure also einiges. Schauen wir einmal einem solchen Akteur und seinem Innovationsassistenten über die Schulter. Das folgende Beispiel ist verfremdet, nicht fiktiv.

Gerhard Friedrich ist Chief Technology Officer, CTO, eines großen mittelständischen Automobilzulieferers, einem der Markt- und Technologieführer im Bereich Wälz- und Kugellager. Sein Aufgabenfeld ist mit Forschung und Entwicklung (F&E) plus Business Development breit gefächert. Aber selbst disruptive Innovationen müssen letztlich in konkrete, marktfähige Produkte münden.

3D-Druck, genauer 3D-Metalldruck, könnte im Markt für Wälz- und Kugellager zu dramatischen Umwälzungen führen. „Der große Kugellagerhersteller wird sich fühlen wie der kleine Buchhändler, den das Internet „verschluckt“ hat, wenn Kugellager aus dem 3D-Drucker kommen wie Harry Potter aus dem E-Book-Reader.“ Sätze wie dieser haben Herrn Friedrich und seine Vorstände aufgeschreckt.

3D-Metalldruck ist der Oberbegriff für verschiedene sog. additive Fertigungstechnologien. Ausgehend von digitalen Modellen wird Metallschicht für Metallschicht aufgebaut („gedruckt“), um Bauteile mit beliebigen Geometrien, selbst komplexe Wälzlager, entstehen zu lassen. Eine digitale Revolution zeichnet sich ab, wenn man 3D-Druck mit den herkömmlichen Verfahren vergleicht, bei denen Metall abgetragen wird, wie z. B. dem Fräsen mit seinen geometrischen Beschränkungen.

Für Herrn Friedrich und seine Konstrukteure ist 3D-Metalldruck allerdings weitgehendes Neuland. Weder sind die einzelnen Technologien gut verstanden, noch weiß man, wie weit Kunden und Wettbewerber in Sachen 3D-Druck sind. Das darf so nicht bleiben.

Hier hat der digitale Innovationsassistent schnelle Abhilfe geschaffen. Folgende Erwartungen galt es dabei zu erfüllen.

  1. Einsetzbar sowohl für Neuland-Themen, wie 3D-Druck, als auch zur Unterstützung insbesondere junger Ingeneure bei der Bearbeitung herkömmlicher Entwicklungsaufgaben.

  2. Schneller Wissensaufbau und Zusammenführung des im Konzern breit gestreuten Know-hows.

  3. Verarbeiten und Verstehen von Texten (Fachartikel, Anfragen, Scoutmeldungen etc.), nicht von Zahlen.

  4. Trainierbar, mitdenkend und im Inhouse-Betrieb durch Herrn Friedrich und sein Team zu bedienen, d. h. keine Abhängigkeit von externen Dienstleistern.

Abbildung 1: Aufbau des digitalen Innovationsassistenten.
Abbildung 1:

Aufbau des digitalen Innovationsassistenten.

Kernstück des digitalen Assistenten ist das Wissensnetz zum 3D-Metalldruck, dessen Basisstruktur (Level 0) rechts zu sehen ist. Links finden sich Detailinformationen, Artikel und Berichte, die zum ausgewählten Objekt passen. Zwar ist 3D-Metalldruck Neuland für Herrn Friedrich und sein Team, dennoch war es in kurzer Zeit möglich, ein fundiertes Wissensnetz aufzubauen. Der Schlüssel ist hier der Zugriff auf vorhandenes strukturiertes Vokabular; in diesem Fall auf die für 3D-Metalldruck relevanten Teile des Thesaurus des Informationsdienstleisters WTI-Frankfurt. Ebenfalls von WTI-Frankfurt stammt die „Erstausstattung“ des Wissensnetzes mit relevanten Dokumenten. Genauso eingeflossen in das Wissensnetz sind zwei weitere Elemente:

  1. das – wenn auch überschaubare – interne Wissen (gesammelte Artikel, Konferenzberichte, ein angefangenes Wiki, Pilotprojekte etc.), das verteilt über mehrere Abteilungen in Herrn Friedrichs Firma bestand.

  2. branchenspezifisches Know-how (Produkte, Normen, Kunden, Wettbewerber, die Peergroup u.ä.). Diese Elemente des Wissensnetzes stehen anfangs noch in keiner Verbindung zum 3D-Metalldruck. Sobald jedoch Verbindungen entstehen, z. B. ein Kunde, der Pilotprojekte zum 3D-Druck startet, sind dies genau die Informationen, die der aufmerksame digitale Assistent auf dem Schreibtisch des CTO platzieren soll.

Technisch basiert der digitale Assistent auf der semantischen Graphdatenbank k-infinty der Darmstädter intelligent views GmbH. Graphdatenbanken sind spezialisiert auf die Abbildung und Auswertung von Wissensnetzen. Der schnelle Wissensaufbau, das Navigieren im Thema 3D-Metalldruck, das Finden relevanter Dokumente, vor allem das „Mitdenken“, das Herr Friedrich von seinem digitalen Innovationsassistenten erwartet, all dies wird erst möglich durch die Verwendung von spezialisierter Graphdatenbank-Technologie.

Ein Beispiel für das Mitdenken

„Vieles geht noch“ ist ein eher unscheinbarer Artikel zum Thema 3D-Metalldruck. Gut möglich, dass Herr Friedrich ihm keine Bedeutung beigemessen hätte. Sein digitaler Assistent weist dagegen nachdrücklich auf „Vieles geht noch“ hin. Er tut dies in der Form, die Herr Friedrich sich gewünscht hat, weil sie seinem gewohnten Arbeitsstil entspricht. Egal worum es geht, er schätzt es bei Mitarbeitern, wenn sie ihn kurz und bündig per Notizzettel informieren. Da macht sein digitaler Assistent keine Ausnahme.

Abbildung 2: Der Innovationsassistent denkt mit, per Notizzettel.
Abbildung 2:

Der Innovationsassistent denkt mit, per Notizzettel.

Warum „Vieles geht noch“ wichtig für Herrn Friedrich ist, das zeigt ihm der digitale Assistent, wenn er rechts im Wissensnetz navigiert.

Im Artikel geht es um die Herstellung von Lagern. Genauer: Es werden wesentliche, bisher ungelöste technische Aspekte beim 3D-Metalldruck behandelt, z. B. Sinterdichte und Abriebfestigkeit. Und: einer der Autoren von „Vieles geht noch“ ist Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft des wichtigsten europäischen Wettbewerbers von Herrn Friedrichs Arbeitgeber. Sobald dieser den Artikel zur Hand nimmt, fällt zudem auf, dass letztere Information dem Text gar nicht direkt zu entnehmen ist. Namentlich erscheint der Wettbewerber im Artikel gar nicht, bei dessen Auftauchen im Kontext 3D-Metalldruck die Alarmglocken schrillen. Offensichtlich hat der digitale Innovationsassistent tatsächlich mitgedacht, jedenfalls enthält der virtuelle gelbe Notizzettel die Informationen, die sein Auftraggeber braucht. Um die Inhalte und Hintergründe genau zu verstehen, liest Herr Friedrich oder einer seiner jungen Konstrukteure „Vieles geht noch“. Soviel Zeit muss sein, aber der digitale Innovationsassistent soll ja auch unterstützen, nicht ersetzen.

Weitere Informationen zum Thema in Wort, Bild und Ton gibt es unter: www.c21-consulting.de und www.k-infinity.de/innovation-assistant.

Deskriptoren: Wissensbasis, Wissensmanagement, Betrieb, Benutzung

Dr. Rainer Vinkemeier ist Managing Partner bei C21, einem auf Innovations- und Technologiemanagement spezialisierten Beratungsunternehmen.

Online erschienen: 2016-2-5
Erschienen im Druck: 2016-2-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 27.9.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2016-0009/html
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