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Publicly Available Published by De Gruyter Saur February 5, 2016

Buchbesprechungen

Corporate Semantic Web. Wie semantische Anwendungen in Unternehmen Nutzen stiften. Börteçin Ege, Bernhard Humm, Anatol Reibold (Hrsg.). – Heidelberg: Springer Vieweg x-media press, 2015. 410 S. Hardcover ISBN 978-3-642-54885-7, 49,99 Euro, eBook ISBN 978-3-642-54886-4, 39,99 Euro.

„Semantische Technologien bieten Lösungen, die ihre Probleme noch suchen“. Diese Einschätzung eines führenden Kopfes in diesem Arbeitsgebiet mag etwas ironisch klingen, beschreibt aber wohl ganz gut die Motivation der Herausgeber des Anfang 2015 erschienenen Sammelbandes „Corporate Semantic Web – Wie semantische Anwendungen im Unternehmen Nutzen stiften“. Das Herausgeber-Team – Börteçin Ege, Bernhard Humm, Anatol Reibold – und weitere 41 Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Wirtschaft informieren in 26 Beiträgen über unterschiedliche Projekte sowie Grundlagen, Technologien, Randbedingungen und weitere Möglichkeiten für semantische Anwendungen.

Und was ist nun eine semantische Anwendung? „Eine Anwendung kann als semantisch bezeichnet werden, wenn die Bedeutung von Inhalten eine wesentliche Rolle spielt. Das betrifft den Anwender und ist unabhängig von der eingesetzten Technologie.“ schreiben die Herausgeber in ihrer Einführung. Die Befolgung der Semantic Web Standards des World Wide Web Consortium (W3C), niedergelegt unter anderem im Resource Description Framework (RDF), wird grundsätzlich als sinnvoll, wenn auch nicht als unabdingbar angesehen.

Im Semantik-Werkzeugkasten der in diesem Buch vorgestellten 18 Anwendungen finden sich inhaltliche und technische Schnittstellen, Datenformate und virtuelle Informationsquellen wie Linked (Open) Data, aber auch klassische Werkzeuge der Informationswirtschaft wie Ontologien (von der Taxonomie über den Thesaurus bis zum semantischen Netz). Diese Werkzeuge werden in der Informationswirtschaft für deren eigene Angebote eingesetzt, in anderen Branchen erfüllen sie in sehr unterschiedlichen Anwendungen ihre Aufgabe.

Die Herausgeber attestieren sich selbst, das Werk sei von Praktikern für Praktiker geschrieben. Und dieser Anspruch wird von vielen Beiträgen eingelöst. Die Texte gehen fachlich in die Tiefe, was ein interessiertes Schmökern für Neugierige erschwert – hilfreich sind hier die jedem Kapitel vorangestellten Kernaussagen. Informationswissenschaftliche Grundkenntnisse sind beim Lesen hilfreich. Das eBook enthält im Unterschied zur gebundenen Ausgabe alle Abbildungen in Farbe, bei den meist komplexen Darstellungen ein deutlicher Vorteil.

Diese Rezension möchte ihrerseits Nutzen stiften und Interessenten die Entscheidung zum Kaufen oder Lesen erleichtern. Deshalb werden hier einige für die Informationswirtschaft besonders relevante Kapitel aufgelistet, wobei – zwecks Übersichtlichkeit – jeweils nur der erste Autor genannt wird.

Thomas Hoppe befasst sich im Beitrag „Messung des Nutzens semantischer Suche“ kritisch mit precision und recall (dem informationswissenschaftlichen „Goldstandard“) und zeigt am Beispiel der Weiterbildungsdatenbank Berlin-Brandenburg, wie sich durch eine erweiterte semantische Suche die Qualität der Trefferlisten messbar verbessern lässt. Die Suche nutzt einen Thesaurus und weitere Verbesserungsverfahren; eine wichtige Rolle spielt die darauf basierende Autocomplete-Funktion, die manch unsinnige Anfrage elegant zum Guten wendet. Gemessen wird auf der Grundlage realer Suchfragen mit einem selbst entwickelten abstrahierenden Verfahren. Diesem interessanten Ansatz ist eine intensive Diskussion zu wünschen, denn gerade Unternehmen werden semantische Anwendungen danach bewerten, ob sie deutliche Verbesserungen oder Kosteneinsparungen erzeugen. Passend dazu schreibt Thomas Hoppe in weiteren Kapiteln über die „Modellierung des Sprachraums von Unternehmen – Was man nicht beschreiben kann, das kann man auch nicht finden“ und über „Umbenennungen im Unternehmensalltag – ... wenn aus Raider Twix wird“.

Bernhard Humm lädt am Beispiel des Städel Museums Frankfurt und der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zum „Schlendern durch digitale Museen und Bibliotheken – Vom Umgang mit riesigen semantischen Daten“.

Bernhard Thull berichtet über „Linked Data im digitalen Tanzarchiv der Pina Bausch Foundation“; der Linked-Data-Ansatz erlaubt dabei – anders als die klassische Datenbank-Modellierung – die sofortige Aufnahme unmodellierter Informationen, die Aufnahme „widersprüchlicher“ Informationen und die kompetente Verlinkung mit „Gleichgesinnten“.

Der Beitrag „Marktstudie | Welche Standards und Tools werden in Unternehmen eingesetzt?“ von Börteçin Ege beschreibt – mit dem Fokus auf die dabei eingesetzten Standards und Tools – vier unterschiedliche Projekte. Beispielhaft genannt sei hier das Web-Archivierungs-Projekt eines (ungenannten) Medienunternehmens, welches durch die Firma Quantinum AG (Schweiz) realisiert wurde.

Ulrich Schade berichtet über die „Semantische Suche im Bereich der Energieforschungsförderung – Nutzen, Entwicklung und Evaluation einer Fachontologie“; Hermann Bense beschreibt die unterstützenden Visualisierungsverfahren.

Bei Natalja Friesen und Christoph Lange geht es um die „Semantische Suche in einer digitalen Bibliothek“; sie beschreiben am Beispiel der Personenseiten der Deutschen Digitalen Bibliothek (DBB), wie die DBB von semantischen Technologien profitiert.

Christian Dirschl meint, „Verlage müssen sich neu erfinden“ und beschreibt, wie das Semantic Web Veränderungsprozesse unterstützt.

Neben diesen Beiträgen mit deutlichen informationswirtschaftlichen Aspekten sollen hier noch weitere anwendungsorientierte Kapitel ohne informationswirtschaftlichen Schwerpunkt mit ihren Titeln genannt werden.

  1. Semantische Beratung im Tourismus-Sektor | Im Zentrum steht das Vokabular

  2. Semantische Technologien für Mobilfunkunternehmen

  3. Semantische Analyse großer Datenbestände aus unternehmensinternen und externen Quellen

  4. Sicheres Spielzeug für Kinderhände – mit Hilfe semantischer Datenbanken | Vom Materialmanagement hin zur Rückverfolgbarkeit in der Spielwarenindustrie am Beispiel des Spielwarenherstellers Schleich

  5. Markttopologie mit semantischen Netzen | Wie semantische Werkzeuge iterative, kollaborative Arbeits- und Auswertungsprozesse unterstützen können

  6. Ontologien als Schlüsseltechnologie für die automatische Erzeugung natürlichsprachlicher Texte

  7. Semantische Technologien und Standards für das mehrsprachige Europa

  8. Mobile semantische P2P Anwendungen bauen | Ein Framework und seine Anwendung in der Sportwissenschaft

  9. Intelligente Wissenswiederverwendung in internationalen Logistik-Projekten | Entwicklung von Ontologien und Case-based Reasoning für den betrieblichen Einsatz

  10. Unterstützung komplexer Entscheidungsprozesse | Entwicklung eines Konzeptes zur Betreuung alter Menschen mit GABEK

Eine besondere Form der Lesereise für dieses Buch gab es im Raum Darmstadt-Dieburg: Bei Veranstaltungen des Ernst-Schröder-Zentrums und des Darmstädter Ontologiekreises sowie im Rahmen des Darmstädter Symposiums Informationswissenschaft 2015 in Dieburg wurden viele Beiträge von ihren Autoren live präsentiert.

Es ist den Herausgebern und den beteiligten Autorinnen und Autoren gelungen, das Thema „Semantische Anwendungen im Unternehmen“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln für verschiedene Branchen auszuleuchten. Die interessierte Leserschaft kann an vielfältigen Überlegungen und Erfahrungen teilhaben und diese zum Nutzen ihrer eigenen Projekte verwenden.

Springer bietet das Werk als Hardcover und – um 20 Prozent günstiger – als eBook (PDF) an. Online können auch einzelne Kapitel erworben werden. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist angesichts der komplexen Thematik und deren sehr praxisorientierter Behandlung gut.

LobbyPlanet Berlin. Der Reiseführer durch den Lobbydschungel. LobbyControl (Hrsg.). – Köln: Druckhaus Süd, September 2015. Komplett überarbeitete Neuauflage. 324 S., zahlreiche Abb. ISBN 978-3-0004-9984-5 – Broschiert 10,00 Euro

Weshalb sind die Aktivitäten der Lobby-Organisationen relevant für die Arbeit von Informations- und Wissensarbeitern? – Vielleicht kommt Ihnen folgende Qualitätsfrage bekannt vor, die sich bei der Suche nach relevanter Information stellt: Woher stammt die in der Presse oder über das Internet veröffentlichte Information zu einer Industriebranche, wie zum Beispiel Gesundheit oder Energie? Sind die in vertrauenswürdiger Umgebung (nämlich Tages- und Fachpresse) vorgefundenen Inhalte wirklich vertrauenswürdig?

Die Autoren der Publikation „LobbyPlanet Berlin“ weisen darauf hin, dass die Redaktionen angesichts von Rationalisierung und Krise der Medien die Durchführung komplexer und langwieriger Recherchen immer seltener leisten können. Dem gegenüber entwickeln Unternehmen und Verbände intern eigene journalistische Aktivitäten, deren Inhalte zunehmend Zugang in die Medien finden, ohne zuvor einer Prüfung unterzogen zu werden. Darunter sind professionell vorproduzierte Beiträge, mediengerecht aufgemachte Studien und hochwertiges Bildmaterial.

In diesem Zusammenhang erscheint es für den Informations- und Wissensarbeiter durchaus sinnvoll, die tatsächlichen Hersteller fachlicher Information und insbesondere ihre Absichten zu kennen. Das Hintergrundwissen über Teilnehmer, Abhängigkeiten und Prozesse der Lobbyarbeit und deren Auswirkungen auf relevante Informationsmedien ist eine wichtige Grundlage für die qualitative Absicherung der eigenen Arbeit.

Was bietet die Publikation? – Die Besonderheit: der über 300 Seiten umfassende „LobbyPlanet Berlin“ ist ansprechend im schmalen Format eines Reiseführers gestaltet. Das heißt, die umfassend recherchierten Hinweise zu Lobbyorganisationen werden im Rahmen von Spaziergängen aufbereitet, die zu den genauen Adressen der einzelnen Büros in Berlin-Mitte führen.

Nach einem Inhaltsverzeichnis folgen Übersichtskarten (leider in relativ kleiner Auflösung) und eine Auflistung aller Routen inklusive der hier zugeordneten über 100 Stationen, sprich Adressen der Lobbyorganisationen.

In einem einführenden Kapitel informieren die Autoren über Inhalte, Mechanismen und Akteure des Lobbyismus sowie über aktuelle Entwicklungen in Europa und weltweit. Dabei werden auch die Beziehungen zwischen privaten Interessen und Politik erläutert und die Veränderungen in der Medienlandschaft beschrieben. Die Autoren skizzieren, wie sich Lobbyorganisationen in dieser Situation aufstellen. Als Übersicht wird ein kurzer Abriss zu den Methoden angeboten, mit denen Lobbyisten arbeiten.

Im Hauptteil der Publikation werden die Lobbyorganisationen und ihre Aktivitäten im Rahmen von fünf Routen quer durch Berlin-Mitte vorgestellt. Ergänzend werden in drei weiteren Abschnitten Besonderheiten „Abseits der Routen“ sowie die Spezialthemen „Energielobby“ und „Gesundheitslobby“ vertieft.

Zum Schluss des „LobbyPlanet Berlin“ fassen die Autoren Forderungen mit Blick auf mehr Transparenz der Lobbyarbeit und mögliche Perspektiven zusammen und stellen den herausgebenden Verein LobbyControl vor.

In den Kapiteln platzieren die Autoren zahlreiche Infokästen, die summarisch und gut lesbar Hintergründe zu relevanten Aspekten der Lobbyarbeit bieten.

Ist die Publikation nützlich für Informations- und Wissensarbeiter? – Wer den „LobbyPlanet Berlin“ aufschlägt, findet darin eine umfassende Beschreibung und Einordnung von Akteuren der Lobbyarbeit: Verbände, Kanzleien, Agenturen, Unternehmensrepräsentanzen und einzelne Personen, von Politikern bis zu Verbandchefs. In gut lesbaren Beiträgen liefern die Autoren ausführliche Hintergrundinformationen zu Aktivitäten und Zusammenhängen der Lobbyarbeit. Dabei beschreiben sie die Auswirkungen auf andere Bereiche, so zum Beispiel auf die Medienlandschaft.

Da die Autoren den Zugang zum Thema über die Geographie vor Ort in Berlin gestalten (eben als Reiseführer), mag dies dem Nutzer am Schreibtisch gegebenenfalls etwas unhandlich erscheinen, weil diese Anordnung aus inhaltlicher Sicht eher zufällig scheint. Lediglich die Spezialthemen „Energielobby“ und „Gesundheitslobby“ werden mit dem für Informationssucher relevanten Fokus auf Industriebranchen oder Tätigkeitsschwerpunkte aufbereitet. Weitere Branchen lassen sich dann über das Inhaltsverzeichnis sowie über den Index der Publikation zusammenstellen. Oder aber man folgt der Einladung der Autoren zum Blättern und Stöbern und erfährt so gut recherchierte Zusammenhänge über die Lobbyarbeit in Berlin und in ganz Deutschland.

Der Informations- und Wissensarbeiter kann den „LobbyPlanet Berlin“ ohne Scheu als Nachschlagewerk nutzen. Dessen gesammelte Inhalte fokussieren auf mehr Transparenz auch in der Medienlandschaft und im Umgang mit Informationsquellen. Dies dient als sinnvoller Beitrag zur qualitativen Absicherung der eigenen Arbeit und als weiterer Aspekt zum Ausbau von Informationskompetenz.

Wissensmanagement beflügelt: wie Sie einen unbegrenzten Rohstoff aktivieren. Heiko Beier, Ulrich Schmidt, David Klett (Hrsg.). – Berlin: Akademische Verlagsgesellschaft AKA, 2015. XVI, 346 Seiten. ISBN 978-3-89838-698-2, Hardcover 89,00 Euro.

Wissensmanagement (WM) – unter diesem Schlagwort listet der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) nicht weniger als 1.850 Werke auf, darunter die frühesten aus dem Jahr 1996. Und irgendwie beschleicht den Rezensenten das Gefühl, jedes dieser Werke zumindest im Geiste bereits einmal in den Händen gehalten und durchgeblättert zu haben. Wie lässt sich das erklären? Nun, vergleichbar anderen Buzzwords aus dem Managementvokabular wurde auch der Begriff „Wissensmanagement“ (gerne auch in der angelsächsischen Variante „Knowledge Management“) rund um die Jahrtausendwende fast schon inflationär zahlreichen betriebswirtschaft- und informationswissenschaftlichen Diskussionen aufgeprägt, deren Kern häufig gänzlich anderen Bereichen der Disziplinen entstammte. Damit wird zum einen auf die außerordentliche Bedeutung eines (systematischen bzw. systemischen) Wissensmanagements verwiesen, d. h. auf die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, die im Unternehmen oder allgemein der Organisation schlummernden Wissensressourcen zu identifizieren, zu heben und produktivitätssteigernd sämtlichen Organisationsmitgliedern zur Verfügung zu stellen. Zum anderen zeigt sich eine nicht immer leicht zu benennende „Leerstelle“ innerhalb der bis dahin geführten betriebswirtschaftlichen bzw. informationswissenschaftlichen Diskurse.

Im Vorwort zu „Wissensmanagement beflügelt“ merken die Herausgeber selbstkritisch an, dass es aufgrund der „hohen Interdisziplinarität“ des Themas nicht leicht sein würde, ein umfassendes Handbuch zum Thema zu konzipieren. „Irgendwo zwischen Disziplinen wie Neurophysiologie und Kognitionswissenschaften, Personalmanagement und Change-Management, Informationstechnologie und Prozessmanagement liegt der gemeinsame Kern des Wissensmanagements“. Dennoch, das Vorhaben der Herausgeber, eine möglichst breite disziplinübergreifende Darstellung des Themas zu wählen, einzelne Beiträge jedoch auch eine beachtliche inhaltliche Tiefe ausloten zu lassen, ist voll aufgegangen. Dem Leser wird die Beschäftigung mit den zahlreichen aufgezeigten Facetten des Wissensmanagements durch einen mehrdimensionalen Zugang erleichtert; so werden je nach Vorbildung bzw. Interessenschwerpunkten verschiedene Lesewege durch das Werk empfohlen. Die ersten beiden (entlang der Wissenstreppe von North bzw. des Wissensmanagements nach Probst, Raub, Romhardt) richten sich an Leser, die sich einen sehr nutzen- bzw. umsetzungsorientierten Überblick zum Thema verschaffen wollen. Hierunter fallen u. a. Beiträge zur Umsetzung des Wissensmanagements in der Stadtbücherei Würzburg, Aufstellung einer Wissensbilanz, zum narrativen Management oder auch zum Microblogging. Möchte man sich jedoch anhand der hier erstmals von Mitherausgeber Ulrich Schmidt und seinem Co-Autor Andreas Kempa-Liehr aufgezeigten sieben Maximen für den erfolgreichen Umgang mit Wissen („Begriffsbestimmung, Verortung, Entstehung, Zeitbezug, Individualität, Umgebungseinflüsse und Anwendungsbarrieren von Wissen“) orientieren, empfehlen sich u. a. Artikel zu den Themen „Wissensvermittlung und Wissenserwerb aus Sicht der Hirnforschung“, „Vom Wissensmanagement über die Personalentwicklung zur Lernenden Organisation“ oder auch zur „Architektur der Wissensentstehung“. Lesewege für „Pragmatiker, die schnell loslegen wollen“, Manager, grundlegend Interessierte oder „entlang der betrieblichen Wertschöpfung“ runden die multidimensionalen Zugangsmöglichkeiten zu diesem Handbuch ab. Selbstverständlich lassen sich die vielschichtigen Beiträge auch einfach der Reihe nach lesen; die vorgeschlagenen Lesewege bieten jedoch insofern einen Mehrwert gegenüber der traditionellen Herangehensweise, als sie sich unter bestimmten Interessenschwerpunkten gelesen inhaltlich ergänzen und zu durchaus differenzierterem Erkenntnisgewinn führen. Neben den vorgestellten Lesewegen ergänzen bzw. vertiefen (teils sehr) umfangreiche Literaturhinweise, Fußnotenapparate, Abstracts der Beiträge, ein Personenregister und ein detailliertes Sachwortregister den Zugang zum vorliegenden Handbuch. Letzteres darf man sich jedoch nicht als stringente Liste mit kontrolliertem Vokabular vorstellen; einzelne unklare Verortungen von Begriffen sind die unschöne Konsequenz. Zahlreiche Graphiken, Abbildungen, Tabellen oder auch Fotos erleichtern die Aufnahme der Inhalte – manchmal geraten diese in der Druckdarstellung allerdings so klein, dass man sich eine beigelegte Lupe gewünscht hätte – etwas unverständlich bei einem fast DIN A4-großen Seitenformat. So decken die sechzehn präsentierten Beiträge (zuzüglich ergänzendem Vorwort, Geleitwort, Prolog – dazu unten noch mehr – und Epilog) eine sehr breite Palette von Themen rund um den Schwerpunkt Wissensmanagement ab – beeindruckend.

Eine spannende Idee des Mitherausgebers Heiko Beier prägt denn auch die Darstellung seines Prologs: Er lässt einen imaginären Akteur auftreten, den im November 1989 geborenen Victor, der uns Leser entlang einer fiktiven biographischen Reise von seiner Geburt bis ins reife Erwachsenenalter mitnimmt und dabei die Schwerpunkte der einzelnen Buchbeiträge an die jeweiligen Lebensstationen Victors und dessen Reflexionen bzw. Schicksalsschläge anknüpft – ein Leben in Metaphern von Wissensmanagement und gleichzeitig eine geschickt gewählte Einstimmung des Lesers auf die sich ihm im folgenden darstellende Themenfülle.

Abschließend sei noch auf einige Beiträge verwiesen, die in dieser Form auch in einem umfassenden Handbuch zum Thema nicht unbedingt zu erwarten sind: Dirk Baecker, Lehrstuhlinhaber für Kulturtheorie & -analyse und bei Niklas Luhmann in Bielefeld in Soziologie promoviert und habilitiert, beschäftigt sich im bereits 1999 entstandenen Artikel „Die andere Seite des Wissensmanagements“ (plus aktualisierendem Postskriptum von 2014) mit einem Paradoxon: Wissen lässt sich nach seiner Einschätzung eben nicht so wie andere Ressourcen bzw. Produktionsfaktoren managen, da es der Organisation erst „abgetrotzt und an den richtigen Stellen wieder zugeführt werden soll“. Er identifiziert die Organisation als „blinde(n) Fleck des Managements“ – sie mache das Management „sehend“ im Sinne von handlungsfähig, verdecke aber gleichzeitig dessen Sicht auf die Organisation selbst und auf die „Abhängigkeit von dieser Organisation“. Demzufolge akzeptiert er auch nicht ohne weiteres die Möglichkeit eines direkten Managements von Wissen – erst auf dem Umweg über das Ausloten der je spezifischen Organisationskultur gelinge das indirekte Beeinflussen bzw. Nutzen von Wissen.

Gunter Henn, Sven Richter und Michael Steinbusch, Center für Knowledge Achitecture an der TU Dresden, beschäftigen sich im realen Sinn mit der Rolle von Architektur beim (gelungenen) Wissensmanagement: So erscheint „Architektur“ zum einen „als Medium, als Kombination sozialer Systeme und als Unterstützung von Gruppierungsprozessen“. Verdeutlicht werden diese Aspekte am Beispiel dreier Unternehmen: dem „Innovationszentrum der Merck KGaA, der Gläsernen Manufaktur Dresden und dem Forschungs- und Innovationszentrum der BMW Group“.

„Wie Wissensmanagementprojekte nachhaltig scheitern. Auf dem Weg zu einer Erfolgslogik“ von Pavel Kraus, Präsident des Swiss Knowledge Management Forum. Spannend, von seinen umfangreichen Erfahrungen beim Scheitern von WM-Projekten zu erfahren. Häufig werden WM-Projekte demnach zu technologisch orientiert aufgesetzt und scheitern dann am Ausblenden der menschlich-organisationalen Seite des Problems. Er setzt sich anschließend mit der zweiten Generation von WM-Ansätzen auseinander, die systemisches Denken eingeführt, die Bedeutung der adjuvantiven (unterstützenden) Tätigkeiten erkannt und „ganzheitliche Maßnahmenentwicklung“ erst ermöglicht hätten.

Gerhard Roth und David Klett, Institut für Hirnforschung an der Uni Bremen, erörtern in ihrem Beitrag „Wissensvermittlung und Wissenserwerb aus Sicht der Hirnforschung“. Sie weisen darauf hin, dass sich diese beiden Faktoren eben nicht „wie andere Ressourcen der Organisation planen und steuern lassen“ – vielmehr erweisen sie sich „bis heute als kausal nur schwer zu kontrollierende Prozesse“. Wir lernen hier viel über Erzeugung von Bedeutung, dem Verstehen selbst und den Prozessen, die aus Bedeutungserzeugungen Wissen generieren – ausgesprochen spannend und gut lesbar.

Zusammenfassend – trotz kleiner formaler Schwächen eine absolute Leseempfehlung für das vorliegende Handbuch. Nun gilt es Warten auf eine handliche e-Book- bzw. Paperback-Version – fürs Dabeihaben und Nachschlagen unterwegs, und abschließend noch den Tipp, sich auch einmal die Website des Projekts – www.wissensmanagement-befluegelt.de – anzuschauen.

Online erschienen: 2016-2-5
Erschienen im Druck: 2016-2-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 27.9.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2016-0013/html
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