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Hartmann von Aue

Lebensdaten
gestorben Anfang 13. Jahrhundert
Beruf/Funktion
Dichter ; Schriftsteller
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118546228 | OGND | VIAF: 54167250
Namensvarianten

  • Hartman von Ouwe
  • Aue, Hartmann von
  • Ouwe, Hartmann von
  • Hartmann von Aue
  • Hartman von Ouwe
  • Aue, Hartmann von
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  • Hartmann, von Aue
  • Hartman
  • Hartman von Aue
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  • Hartman, von Ouwe
  • Hartmann
  • Hartmann, von Ouwe
  • Hartmann, von der Aue
  • Von Aue, Hartmann
  • ハルトマン, フォン・アウエ

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Zitierweise

Hartmann von Aue, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546228.html [26.11.2024].

CC0

  • Hartmann von Aue (Hartman von Ouwe)

    Dichter der Stauferzeit; urkundlich nicht bezeugt.

  • Biographie

    Gottfried von Straßburg urteilt um 1210 in seinem „Tristan“ (V. 4621-64) über den Erzähler H.; für Gottfrieds Stilempfinden gebührt ihm unter den Lebenden der höchste Rang. Doch kann man nur im Ungefähren erschließen, wann und wo H. gewirkt hat. Am sichersten läßt sich die Zeit bestimmen. Denn in der Reihe seiner Werke helfen die Artusromane „Erec“ und „Iwein“, den Anfang und das Ende seines Schaffens festzulegen. Wolfram von Eschenbach erwähnt H.s „Iwein“ im V. und VI. Buch seines „Parzival“ (253, 10-14 und 436, 4-10). Da Wolfram im VII. Buch (379, 18-20), das nach einer Arbeitspause entsteht, auf die zerstörende Wirkung eines Feldzugs anspielt, den König Philipp von Schwaben im Frühsommer 1203 und im Sommer 1204 gegen den Landgrafen Hermann von Thüringen unternommen hat, ist der „Iwein“ H.s spätestens kurz nach 1200 in Wolframs ostfränkischem und bayrischem Gesellschaftskreis bekannt gewesen. Für die Datierung des „Erec“ ist entscheidend, daß H. dort (V. 2000-2011) als einzige gegenüber der Vorlage neue geographische Bezeichnung das seldschukische Sultanat Ikonium (Konia) unter dem Namen Conne, Connelant erwähnt. Die Verse H.s fügen sich den Jahren ein, in denen Beziehungen zwischen dem Staufer Friedrich I. und dem Sultan von Ikonium dasind. Sie heben mit einer Gesandtschaft des Sultans an, die 1179/80 am Stauferhofe weilt; sie enden mit einer Gesandtschaft des Sultans, die im Dezember 1188 in Nürnberg erscheint. H.s Verse sind in ihrem festlichen Zusammenhang unmöglich, nachdem das Heer der Kreuzfahrer im Frühjahr 1190 vor Ikonium durch Verrat bedrängt worden ist. So ergibt sich, daß der „Erec“, den auch Sprache und Vers als Frühwerk H.s kennzeichnen, vor dem Kreuzzug 1189/91 etwa um 1185 entsteht. Der Prolog des „Erec“, in dem sich der Dichter genannt haben wird, fehlt in der Überlieferung. Es ist daher ungewiß, ob schon damals die Schwertleite an H. vollzogen war.|Ein Frühwerk ist auch eine zumeist „Büchlein“ genannte Minneklage, in der sich H. als jungelinc (V. 7) einführt. Sie steht in Sprachgebrauch und Versbau dem „Erec“ nahe, soweit es das Thema zuläßt. Die romanhafte Verslegende „Gregorius“ zeigt den Dichter auf einer späteren Stufe der Entwicklung, bleibt aber in Sprache und Versgang dem „Erec“ verbunden, wenn man sie vom „Iwein“ her beurteilt. Die uns vorliegende Fassung darf man daher in die Jahre nach 1190 setzen. Die novellistische „Beispielerzählung“ vom „Armen Heinrich“ gehört mit dem „Iwein“ zusammen, weist sogar im Sprachstil gelegentlich über ihn hinaus. Man kann das kleine Werk wegen seiner gattungsmäßigen Sonderstellung nicht mit Sicherheit in die Reihe der Verserzählungen einfügen. Reimsprache und Wortgebrauch befürworten Entstehung kurz vor dem „Iwein“. Im Unwahrscheinlichen liegt die Annahme, daß der „Arme Heinrich“ in eine Arbeitspause einzuschieben sei, die H. im Anfang des „Iwein“ macht. Wohl aber lassen Gesamtstil und späte Wirkung die Vermutung zu, der „Arme Heinrich“ sei als letztes Werk H.s nach der Jahrhundertwende entstanden. Im ganzen gilt, daß sich H.s Schaffen über 20 Jahre von der Mitte der 80er Jahre des 12. Jahrhunderts bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts hinzieht. Nach Gottfrieds „Tristan“ wird er nicht mehr als Lebender erwähnt. Er mag um 1160 geboren sein.

    Umstritten ist, zu welchem Kreuzzug sich H. entschieden hat. In einem seiner Lieder (MF 210, 23-24) verbindet er diesen Entschluß mit dem Tode seines Dienstherrn. Ein Abschiedsgruß an die ritterliche Verwandtschaft, den allein die Manessische Handschrift überliefert, bringt einen Text, der den Tod des Seldschuken Saladin vom März 1193 voraussetzt und daher Teilnahme am Kreuzzug 1197/98 nahelegt: und lebte mîn her Salatîn und al sîn her/dienbraehten mich von Vranken niemer einen fuoz (MF 218, 19/20), Doch verlangen Sprachgebrauch und Sinn trotz Bedenken: und lebet(e) mîn herre, Salatîn und al sin her/ …, damit aber einen Wortlaut, der mit dem noch lebenden Saladin zum Kreuzzug 1189/91 hinlenkt. Nicht geringere Schwierigkeit macht, daß dies Lied, das aus besonderem Anlaß entsteht, Vranken, nicht das H. gemäße Swâben, als Stelle des Wegzugs angibt. Man hat unter Vranken das „Abendland“ verstanden, für das späte 12. Jahrhundert keine glaubhafte Lösung. Auch ist die Echtheit des Liedes verdächtigt worden. Als Ausweg bietet sich an, auf Entstehung im fränkischen Nürnberg zu schließen, wo im Dezember 1188 letzte Vorbereitungen für den Kreuzzug getroffen werden. Mit solcher Unsicherheit wird man sich abfinden müssen, wenngleich die Kreuzzugsfrage für die Chronologie der Lieder H.s Bedeutung hat.

    Frühstens um 1220 nennt der Kärntner Heinrich von dem Türlin in seinem Gawanroman „Die Krone“ (V. 2353) aus guter Überlieferung H. einen Dichter von der Swâbe lande. Er meint damit das mittelalterliche Herzogtum Schwaben, das von den Vogesen bis zum Lechgebiet reicht und südlich des Rheins den Thurgau und Zürichgau umgreift. Eine Frage ohne zureichende Antwort bleibt, worauf sich die unbestimmten Bezeichnungen von (ze) Ouwe, der Ouwaere beziehn. Im „Armen Heinrich“, in dem sich der Ritter H. einen „Dienstmann“ (Ministerialen) ze Ouwe nennt (V. 5), erscheint der Held als ein fürstengleicher herre, der von Ouwe geboren ist. Doch darf man diese Gestalt, die außerhalb des Ritterstandes heiratet, nicht ohne Vorbehalt in die Familie von H.s Dienstherren einsetzen. Wir haben daher keine Gewähr, daß dieser Lehnsherr den Namen „von Aue“ führte; er wäre wohl auch sonst als solcher bekannt. Auffällt, daß die Wespersbühler, eine Ministerialenfamilie, die seit dem 13. Jahrhundert an der unteren Thur im Zürichgau bezeugt ist, mit drei Adlerköpfen auf dunklem Grunde das gleiche Wappen führen, das im frühen 14. Jahrhundert die in Konstanz entstandene Weingartner- und die in Zürich entstandene Manessische Liederhandschrift an H. geben. In Konstanz und Zürich mag bekannt geblieben sein, daß die Wespersbühler mit H.s Familie zusammenhingen. Es läßt sich nicht nachweisen, daß die Wespersbühler Lehnsleute der nahen Freiherrn von Tengen waren, die rheinabwärts in Eglisau saßen. Doch hatten in der Nähe des Wespersbühls die Abtei Reichenau und deren Erbmarschälle, die Grafen von Kyburg, Besitz. Die Reichenau, deren Abt 1189 zugleich Bischof von Konstanz wird, ist damals die „Au“ schlechthin, in der Familie der Kyburger tritt der Name Hartman auf. Es liegt im Bereich des Möglichen, daß H. als Kyburger Lehnsmann im Blick auf seine Dienststelle den Beinamen „von Aue“ gewählt hat. Für Herkunft H.s aus dem herzoglich-zähringischen „Au“ südlich Freiburg haben wir keinen sicheren Anhalt, ebensowenig für Herkunft aus Obernau (oder Niedernau) bei Rottenburg und dem dortigen Geschlecht von Ow. Ergebnis: Fast alles spricht dafür, daß H. in dem Teil des Herzogtums Schwaben beheimatet war, der vom westlichen Bodensee nach dem Rheinknie hinzieht. Der Hochadel dieses Gebietes (mit Vorzug die Kyburger, aber auch die Zähringer, der Abt der Reichenau, der Bischof von Konstanz und die staufischen Herzöge, diese zugleich als Vögte der|Reichenau) umschreibt am ehsten den Kreis, der H.s Werk gefördert hat. H. nennt sich im „Armen Heinrich“ und im „Iwein“ einen „gelehrten“ Ritter; auch aus seinem Werk kann man erschließen, daß er schulmäßig ausgebildet ist. Neben dem Lateinischen war ihm schon mit dem Beginn seines Schaffens das Französische vertraut, das letztere für einen Ritter und Hofmann seiner Heimat nichts Auffallendes. An keiner Stelle erwähnt er einen Gönner; wir haben keinen Anlaß, ihn ausdrücklich einen armen Ritter zu nennen.

    H.s Schaffen zeichnet aus, daß es sich in verschiedenen literarischen Möglichkeiten erfüllt. Das „Büchlein“, dessen französische Vorlage nicht greifbar ist, hat die Form eines kunstvollen Streitgesprächs, das sich im Inneren des Dichters abspielt. Es hebt mit einer Klage an, die der Leib gegen das Herz erhebt, und gipfelt in einer Minnelehre, die das Herz erteilt. Am Schluß nähert sich der Leib in einem lyrischen salut d'amour der angebeteten frouwe. – Im „Erec“ überträgt H. als erster einen Artusroman in deutsche Sprache. Er folgt in freierer Wiedergabe einer Versdichtung, die Chrestien von Troyes geschaffen hat. In einer Scheinhistorie, deren Märchenkausalität ermöglicht, Leben auf ein Ideal hin zu gestalten, werden ein Mann und eine Frau zu Vorbildern eines gesellschaftlich bedingten Daseins: Enite erweist sich duldend als echtes Weib; Erec erreicht eine Hochstufe des Rittertums, das sich mit echter Minne verträgt und auf Gott bezogen ist. So sehr der Versgang an ältere Literatur erinnert, das Gesamtwerk H.s ist vorbereitet. – Der „Gregorius“, der eine fast gleichzeitige französische Erzählung wiedergibt, steht als Geschichte vom „guten Sünder“ unter der These, echte Reue befreie von der größten Fehltat. Der Held der Romanlegende, Kind eines Inzests zwischen Bruder und Schwester, drängt nach Kenntnis seiner Herkunft aus der Klosterwelt in die Ritterschaft; er wird ein vorbildlicher Regent, indem er seine ihm unbekannte Mutter befreit und heiratet; ohne zu verzweifeln, büßt er diesen Schritt als Einsiedler auf einer Felseninsel; in das Richteramt des Papstes berufen, lebt er, sich vollendend, in Gegenwart seiner getrösteten Mutter. – Der „Iwein“, H.s künstlerisch vollendetstes Werk, schließt sich eng an den „Yvain“ Chrestiens an. In diesem Artusroman geht es betont um richtiges Verhalten (rehte güete) in einem von Aventüren erfüllten Ritterleben: Iwein steigt als Schützer bedrängter Frauen zum vollkommenen Ritter auf, der geliebten Frau auch in verschuldeter Trennung treu. Das Ganze ein opernhaftes Heldenmärchen, das in seinem skizzenhaften Schluß nicht über den Bereich weltlichen Rittertums hinausweist. – Der „Arme Heinrich“ hat eine Sonderstellung unter H.s Werken. Die kurze legendenartige Dichtung, deren Fabel wahrscheinlich einer lateinischen „Beispielerzählung“ entnommen ist, gipfelt in einer novellistischen Wende. Den fürstengleichen Heinrich befällt der Aussatz, Anzeichen, daß vor Gott höchste irdische Würde nichts gilt. Ihn kann nur das Herzblut eines heiratsfähigen Mädchens heilen; die Tochter eines freien Bauern ist in einer Art von Märtyrerwillen bereit, sich zu opfern; während der Opfergang vorbereitet wird, wandelt Heinrich sein altez gemüete in eine niuwe güete; er und das Mädchen sind erprobt, Gott läßt die Krankheit erlöschen, eine nicht voll standesgemäße Heirat schließt ab. Die Erzählung ergänzt die Opernwelt des „Iwein“ in eine überständische, religiös bestimmte Historienwelt hinein. – Obwohl es H. zu Erzählwerken zog, hat er auch das strophische Lied, den Minnesang, gepflegt. Etwas Besonderes ist, wie sich der Schmerz um den Tod des Lehnsherren in Kreuzzugslyrik und Absage an die Minne der „Minnesinger“ umsetzt. Schon die Wirkung, die H.s Lyrik gehabt hat, sollte davor bewahren, diesen Teil seines Schaffens zu gering einzuschätzen.

    Im Anschluß an romanische Erzählkunst leitet H. eine höfisch-ritterliche Erzählkunst deutscher Sprache ein, die einen Lebensstil sichtbar macht. Auch da, wo H. Überliefertes freier aufnimmt, liegt ihm fern, Geschichten umzubauen. Er erläutert das Gegebene, indem er in den einzelnen Situationen Grundsätzliches hervortreten läßt. Dabei gewinnen die Titelgestalten eine Vorbildlichkeit, durch die sie sich Legendengestalten annähern, indem sie zur Nachfolge aufrufen. Solchem Erzählverfahren entspricht die Haltung des Erzählers. Er steht bei aller inneren Teilnahme über dem Erzählten, beim Darstellen märchenhafter Vorgänge nicht selten mit einer leisen Ironie, die nicht überhört werden darf. In all dem ist entscheidend, daß H. einen Sprachstil geschaffen hat. Dies geschieht nicht in genialem Vorstoß, sondern in einem besonnenen Aufeinanderabstimmen bereitliegender Mittel. H. greift darin über die Möglichkeiten Heinrichs von Veldeke hinaus. Ein wichtiger Helfer ist ihm, abgesehen vom Einfluß des Mittellateinischen, die romanische Sprache Chrestiens geworden. Seine sprachliche Arbeit richtet sich auf den Klang, den Wortschatz und das Redegefüge. Mit steigender Kunst entwickelt er eine ausgewogene Sprechweise, die Durchsichtigkeit mit gedämpfter Farbigkeit verbindet. Die Eigenschaften des Beseelten, unaufdringlich Anmutenden, gesellschaftlich Gepflegten machen sie geeignet, jene Welt des richtigen Verhaltens (der rehten güete) auszudrücken, die er in seinen Werken darstellt.

    Die Wirkung H.s ist nicht zum wenigsten in seiner Sprache vorbereitet. Diese Sprache legt nicht nur für die blühende Sprache Gottfrieds von Straßburg den Grund, sondern auch für den Historienstil des Nibelungenmeisters und für die eigenwillige Sprache Wolframs von Eschenbach. Im Einzelnen läßt sich H.s Einfluß schwer abschätzen, weil er in der Wirkung von Gottfrieds Sprache mitenthalten ist. H.s Vorläufertum erklärt zum Teil, daß sein Gesamtwerk nicht über längere Zeit weit verbreitet gewesen ist. Nur der „Iwein“ wird bis zum Ausgang des Mittelalters viel gelesen. Der „Erec“ und der „Gregorius“ wirken spürbar auf Wolfram. Aber der „Erec“ ist als Ganzes nur in der durch Maximilian I. veranlaßten Ambraser Handschrift aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts erhalten. Der „Gregorius“ erreicht in Verbreitung nicht den „Iwein“, doch ist es ihm besser als dem „Armen Heinrich“ ergangen, der nur in schlechter Überlieferung vorliegt. Allein die beiden kürzeren Erzählwerke H.s haben in der Neuzeit nach Erweckung der altdeutschen Dichtkunst zu Werken von Rang angeregt. Genannt seien Gerhard Hauptmanns Drama „Der arme Heinrich“ (1902) und der dem „Gregorius“ nachgebildete Roman Thomas Manns „Der Erwählte“ (1951).

  • Werke

    W Ausgg.: Erec, hrsg. v. M. Haupt, 1839, ²1871, v. A. Leitzmann, = Altdt. Textbibl. 39, 1939;
    Büchlein, hrsg. v. M. Haupt, 1842 (Die Lieder u. Büchlein u. d. Arme Heinrich), ²1881 v. E. Martin: Gregorius, hrsg. v. H. Paul, = Altdt. Textbibl. 2, 1882, ⁹1959 v. L. Wolff u. F. Neumann, = Dt. Klassiker d. MA NF 2, 1958 (mit Kommentar);
    Der arme Heinrich, hrsg. v. d. Brüdern Grimm, 1815, v. H. Paul, = Altdt. Textbibl. 3, 1882, 111958, v. L. Wolff, v. E. Gierach, = German. Bibl. 3. Abt., 3. Bd., 1913, ²1925, v. F. Neumann, = Reclam Univ.-Bibl., 1958;
    Iwein, hrsg. v. G. F. Benecke u. K. Lachmann, 1827 (grundlegend), ⁵1926 v. L. Wolff. - Lieder in: K. Lachmann u. M. Haupt, Des Minnesangs Frühling (MF), 1857, neu bearb. v. C. v. Kraus, 1940, u. in: H. Brinkmann, Liebeslyrik d. dt. Frühe, 1952, S. 174 ff. - Gesamtausg., hrsg. v. F. Bech, = Dt. Classiker d. MA IV-VI, 1867–69, ³IV, 1894, V, 1891, ⁴VI, 1902.

  • Literatur

    ADB I (unter Aue, Hartmann v.);
    F. Vogt, Gesch. d. mittelhochdt. Lit. I, ³1922, § 31-38, S. 210 ff.;
    Ehrismann II, 1, § 23-30, S. 141 ff.;
    H. Sparnaay, H. v. A., Stud. zu e. Biogr., 2 Bde., 1933/38 (umfassende Bibliogr.);
    C. v. Kraus, Des Minnesangs Frühling, Unterss., 1939, S. 412 ff.;
    De Boor-Newald II;
    W. Schröder, Zur Chronol. d. drei großen mittelhochdt. Epiker, in: DVjS 31, 1957, S. 264 ff.;
    F. Maurer, H. v. A., in: Die Gr. Deutschen V, 1958, S. 48 ff.;
    - Zum Gehalt:
    A. E. Schönbach, Über H. v. A., 1894;
    F. Maurer, Leid, in: Bibl. Germanica 1, 1951, S. 39 ff.;
    - Zur neueren Forschung:
    H. Kuhn, H. v. A. als Dichter, in: Der Deutschunterricht, 1953, H. 2, S. 11 ff.;
    P. Wapnewski, H. v. A., 1962, ²1964 (L);
    -
    Vf.-Lex. d. MA II, V.

  • Porträts

    in d. sog. Weingartner Hs. (Stuttgart, Landesbibl., AB XIII 1, fol. 33), Abb. b. Wilpert, Literatur in Bildern.

  • Autor/in

    Friedrich Neumann
  • Zitierweise

    Neumann, Friedrich, "Hartmann von Aue" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 728-31 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546228.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Aue, Hartmann von

  • Biographie

    Aue: Hartmann von A., ein schwäbischer ritterlicher Dichter. Von seinem Leben wissen wir nur wenig: er war um 1170 geboren und genoß eine für Ritter damals ungewöhnliche gelehrte Erziehung, wie seine Kenntniß des Lateinischen zeigt, und in dem Bericht über Gregorius' Erziehung im Kloster hat man wol richtig Reminiscenzen des Dichters aus seiner eigenen Jugend vermuthet. Er machte einen Kreuzzug mit, wahrscheinlich den von 1197 und starb im zweiten Jahrzehnt des 13. Jahrh., vielleicht auch schon vor 1210. Gottfried erwähnt ihn im Tristan als lebend, in der Krone wird sein Tod beklagt. — Hartmann ist, wie schon seine Sprache zeigt, ein Schwabe. Er nennt sich selbst von Aue geboren und Dienstmann zu Aue. Wo dies Aue zu suchen sei (der Name ist im südwestlichen Deutschland nicht selten), darüber gibt es verschiedene Meinungen: lange war die ziemlich allgemein gebilligte, daß es Aue bei Freiburg im Breisgau sei: nach den neuesten Untersuchungen (Germ. 16. 155 f.), die zwar manches Irrige enthalten, ist aber vielmehr Obernau bei Rottenburg am Neckar gemeint.

    Wir haben von Hartmann eine Reihe von Liedern, die sich theils auf seinen Minnedienst, theils auf die Kreuzfahrt beziehen. Auch die beiden „Büchlein“ handeln von der Minne. In dem ersten, das die im Mittelalter sehr beliebte Form des Dialogs hat, klagt der Leib das Herz an, daß es ihn zu unerhörtem Minnedienst getrieben habe; nachdem das Herz sich vertheidigt, versöhnen sich beide und in einem kunstvollen Leich wird die Geliebte angerufen. Das zweite „Büchlein“, das einzige Werk, in dem Hartmann sich nicht nennt, ist von Haupt dem Dichter zugeschrieben worden mit guten Gründen, die aber nicht alle Zweifel beseitigen. Der Dichter klagt nicht wie sonst über das Vergebliche seines Minnedienstes, sondern über die Hut, die ihn jetzt von der Geliebten trennt. Er stellt|eine unwandelbare Treue beweglich dar und schließt mit der Bitte, daß auch ie Geliebte ihm treu bleibe.

    Hartmann's Hauptwerke sind vier erzählende Gedichte, die er nach schriftichen Vorlagen bearbeitete. Für die beiden Artusromane haben wir in den leichnamigen Dichtungen des Chrestien von Troyes die Quellen Hartmann's: ür den „Gregorius" in der französischen Legende, die Luzarche 1857 herausgab, venigstens eine seiner Vorlage ganz nahe stehende Fassung. Die schriftliche Quelle des „Armen Heinrich" ist uns dagegen nicht bekannt. — Das älteste Gedicht ist der „Erec", den Hartmann dichtete, als er noch nicht Ritter war; außer Eilhard's „Tristan" der erste deutsche Artusroman. Der „Erec" zeigt schon Hartmann's ganze Art, z. B. die Vorliebe, die Erzählung mit ausführlichen Gesprächen zu schmücken, oder zierliche Betrachtungen einzuflechten, die oft tändelnden Stichomythien, die Reim- und Wortspielereien: aber alles ist noch nicht so ebenmäßig und sicher angewendet, wie in den späteren Erzählungen, die bis c. 1203 gedichtet wurden. Hartmann will hier durch eine gewisse Gelehrsamkeit glänzen, daher fügt er außer kleineren Stücken 5153 f. den Bericht über Famurgan, den Chrestien nicht hatte, selbst hinzu und beschreibt 7286 f. das Pferd der Enite in fast 500 Versen, während Chrestien nur 40 hat. — Ganz ähnlich dem „Erec“ ist in Bezug auf die Fabel der „Iwein": auch hier wird der Conflict zwischen Liebe und Ritterschaft behandelt. Das Verhältniß des Dichters zu Chrestien ist wesentlich dasselbe wie im „Erec": aus einem anderen Romane hat H. die Entführung der Ginover in etwa 200 Versen zugesetzt, sonst sind es nur verhältnißmäßig wenige Züge, in denen er von Chrestien abweicht. In der Form zeigt der „Iwein“, sicher das letzte Werk Hartmann's, deutlich den Fortschritt des Dichters. Auch im äußeren Umfang (der Iwein hat 8000 Verse, der Erec etwas über 10000) zeigt sich vortheilhaft das Maßhalten Hartmann's im Vergleich zu anderen deutschen Artusromanen.

    Hartmann's Dichtungen nach dem Französischen sind sehr verschieden beurtheilt worden: am wärmsten gelobt hat sie Benecke, am strengsten getadelt Gervinus, der H. zum bloßen Uebersetzer macht. Es scheint das richtige Nrtheil in der Mitte zu liegen. Hartmann's Gedichte sind weder Uebersetzungen im heutigen Sinne, noch das, was wir freie poetische Behandlung eines fremden Stoffes nennen: am besten läßt sich aus der neueren Litteratur Herder's „Cid“ vergleichen. Die Ritter, die für Ritter dichteten, wollten eine angenehme Unterhaltung gewähren — H. sagt dies selbst wiederholt — und idealisirten in dem Hofe des Artus das höfische Ritterwesen, das zu Ende des 12. Jahrh. in Deutschland Eingang gefunden hatte. Dieses Standesbewußtsein zeigt sich in Hartmann's Werken überall. Er wendet seinen Humor, der sich übrigens in bescheidenem Maße offenbart, mit Vorliebe gegen das grobe und ungeschickte Benehmen nichtritterlicher Leute und vergißt nie das Angenehme eines behaglichen Wohlstandes zu betonen. Das Lob des correcten ritterlichen Benehmens in allen Lagen und der Tadel des Gegentheils wird von ihm mit solchem Nachdruck vorgetragen, daß man darin leicht den didaktischen Zweck erkennt, seinen Zuhörern und Lesern seine Rittersitte (hövescheit) zu empfehlen. Selbst die Frömmigkeit, von der H. durchdrungen ist, hat eine ritterliche Färbung. Die Unebenheiten der Fabel ist er bemüht zu beseitigen. So hat er namentlich den Charakter der Laudine, die Iwein, den Besieger ihres Gemahles, sofort heirathet, weiblicher und edler dargestellt als Chrestien. Meistens freilich sind es nur Anläufe, die Kleinigkeiten betreffen. Er bringt gern Sätze der Erfahrung an, die von verständiger Beobachtung des Lebens und einer gewissen Menschenkenntniß zeugen, die auch den Dichter als einen liebenswürdigen Mann erscheinen lassen. Weiter geht seine Reflexion allerdings nicht: sie ist öfters auch sehr äußerlich und geradezu gedankenlos. So ist im Iwein und Erec der Conflict ohne rechte Tiefe fast nur conventionell gefaßt; im Gregor geht die glatte und behagliche Erzählung gar zu oberflächlich an dem Entsetzlichen der Fabel vorbei, während sie bei Nebendingen gern verweilt. Und mit einer verzweifelten Naivetät wird von dem Bruder, der die sündliche Liebe zur Schwester bereut und eine Bußfahrt ins heilige Land unternimmt, die gewöhnliche Minnephrase wiederholt: sein Herz blieb beim Scheiden zurück bei der Schwester, das ihre folgte ihm. Ebenso wird von seinem Tode gesagt, er sei durch Liebesnoth herbeigeführt worden.

    Die Mängel Hartmann's wurden von seinen Zeitgenossen nicht so klar erkannt, wie von der Gegenwart. Uns muß er gegen die genialen Dichter Wolfram und Gottfried zurückstehen: da er aber mit Geschick die fremden Stoffe den Deutschen näher brachte (den Iwein hat man mit Recht das regelmäßigste und sauberste deutsche Gedicht über die Artussage genannt), so war für seine Zeit seine Art entschieden ansprechender. Das beweisen die zahllosen Nachahmungen und das ungetheilte Lob der anderen Dichter, von denen nur die beiden größten erwähnt seien: Gottfried eignet neidlos den Lorbeerkranz H. zu, und Wolfram versteckt nach seiner Art seine Anerkennung in scherzenden Anspielungen. Am besten bezeichnet Hartmann's Wesen die von ihm so oft gepriesene mâze (das Maßhalten, die goldene Mittelstraße). Er ist ein Talent, aber kein Genie.

    Vor dem Iwein dichtete er zwei kleinere Erzählungen: „Gregorius auf dem Steine“ und den „Armen Heinrich“. Beide lassen sich am besten als ritterliche Legenden bezeichnen. Sprache und Stil des Gregorius erinnern vielfach an den Erec, während der arme Heinrich der feineren und gereifteren Kunst des Iwein näher steht. Die Liebenswürdigkeit des Dichters hat in dem Leben des aussätzigen Herrn Heinrich von Aue bei der Familie des Meiers eine anziehende Idylle gegeben. Der Gegensatz, den dazu die Reden des opferfreudigen Mädchens mit ihrer mönchischen Sophistik bilden, ist von H. wol aus der Vorlage beibehalten worden. In unserer Zeit hat dies Gedicht vor allen anderen Hartmann's Theilnahme gefunden, da das allgemein Menschliche in der einfachen Fabel hier ohne die Zugabe einer bunten Fülle von Abenteuern sich zeigt.

    Hartmann's Gedichte sind 1827—1842 von Venecke, Lachmann und Haupt herausgegeben: Meisterwerke der philologischen Erklärung und Kritik. Eine Ausgabe mit Erklärungen zu allen Gedichten lieferte Bech 1867—69. Uebersetzt ist der arme Heinrich von K. Simrock 1830, Iwein vom Grafen Baudissin 1845 und von F. Koch 1848, Gregorius und Erec von S. O. Fistes (d. i. Weiske) 1851.

  • Autor/in

    Jänicke.
  • Zitierweise

    Jänicke, Oskar, "Hartmann von Aue" in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 634-636 unter Aue, Hartmann von [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546228.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA