Encounter RWF
Ein Filmbildungsprojekt zu Werk und Sammlung Rainer Werner Fassbinders
Zeitraum
2022-2024
Projektleitung
Alejandro Bachmann, Christine Kopf
Projekkoordination
Niels Deimel
Kontakt
Christine Kopf (kopf@dff.film)
Die Projektpublikation “ENCOUNTER RWF. FASSBINDER ARCHIV VERMITTELN” ist erschienen und im Shop des DFF erhältlich!
Das Inhaltsverzeichnung und das Einleitungskapitel stehen kostenfrei als Download zur Verfügung (PDF, 1MB).
Herausgeber:innen: Alejandro Bachmann, Niels Deimel, Christine Kopf
Autor:innen: Alejandro Bachmann, Isabelle Louise Bastian, Anna Bell, Nathalie Bourgeois, Michaël Dacheux, Niels Deimel, Barbara Dierksen, Uwe Dierksen, Martin Ganguly, Alex Gerbaulet, Amina Handke, Stefan Huber, Christine Kopf, Jan Kühnemund, Jyoti Mistry, Claire Nazikian, Daniela Nicklisch, Hans-Peter Reichmann, Stefanie Schlüter, Brigitta Wolf, Ming Wong, Manuel Zahn
Verlag: DFF – Deutsches Filminstitut und Filmmuseum e.V.
Umfang/Format: Paperback, 206 Seiten (zahlreiche Abbildungen); 28 cm x 24 cm
Sprachversionen: Deutsch, Englisch
Projektbeschreibung
Mit seinen mehr als 40 Filmen, die der mit 37 Jahren 1982 jung gestorbene Rainer Werner Fassbinder in den 1960er, 1970er und frühen 1980er Jahren drehte, gilt er als einer der herausragenden Vertreter des Neuen Deutschen Films. Der umfangreiche Schriftgutnachlass des Regisseurs, der 2018 in die Obhut des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum überging, ist ein Schatz der jüngeren deutschen Filmgeschichte, den es aus vielerlei Perspektiven zu heben gilt. Die Mitwirkenden im DFF-Projekt „Encounter RWF / RWF entdecken“ widmen sich dieser Aufgabe im DFF Fassbinder Center, das im DFF-Archivzentrum angesiedelt ist.
Das Vermittlungsprojekt „Encounter RWF / RWF entdecken“ hat sich zum Ziel gesetzt herauszufinden, mit welchen Vermittlungsformaten die Filme Fassbinders einer jungen Generation heute nahegebracht werden können. Sechs Filmvermittlungsteams aus Filmvermittler:innen und Künstler:innen in fünf europäischen Städten (Frankfurt am Main, Berlin, Wien, Paris und Zürich) setzen sich zusammen mit Schüler:innen, Jugendgruppen und Studierenden mit Fassbinders Werk im Kontext relevanter gesellschaftlicher Fragen auseinander. Dafür werden unterschiedliche Filmvermittlungsformate entwickelt, die innovative, auch künstlerische Zugänge zur Sammlung und deren auratischen Objekten legen.
Die Auseinandersetzung in allen sechs Gruppen basiert dabei immer auf einer intensiven Beschäftigung mit den vielfältigen Sammlungsobjekten zu Fassbinders Wirken bei mehrtägigen Forschungsbesuchen im DFF-Archivzentrum in Frankfurt. Umfangreich in ihrer Recherche betreut werden sie dabei von den Fassbinder-Expert:innen des DFF, Senior Curator Hans-Peter Reichmann und Sammlungskuratorin Isabelle Bastian. Auf Basis der Archivbesuche entwickeln die Teams ihre individuellen Vermittlungsformate und Projekte. Eine Publikation, die im Februar 2024 erscheinen soll, wird schließlich alle Ergebnisse des Projekts bündeln und auf eine kreative Art und Weise anschaulich machen.
Projektleiter:innen Christine Kopf und Alejandro Bachmann sprechen in der DFF Podcast-Reihe ALLES IST FILM über diese spannende Aufgabe.
Vermittlungstreffen und virtueller Austausch
Im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit standen die im Sommer 2022 und 2023 erfolgten dreitägigen Vermittlungstreffen im DFF-Archivzentrum. Die Gesprächsrunden und Impulsvorträge behandelten u.a. ästhetische Filmbildung und Filmgeschichte(n) in der Schule, Vermittlung und künstlerische Praxis, Fassbinder kuratieren sowie die Reflexion der Vermittlungsprojekte und des Gesamtprojekts. Anna Bell, Doktorandin an der Universität Mannheim, stellte Ergebnisse aus ihrer Forschung zu Fassbinders Reputation vor. Im Kino des DFF haben die Vermittler:innen im Sommer 2022 Fassbinders FAUSTRECHT DER FREIHEIT (BRD 1974/75) angeschaut und unter dem Aspekt des deutschen queeren Kinos nach einem Vortrag von Jan Künemund diskutiert.
Um trotz der weiten Distanzen einen regelmäßigen Austausch zu gewährleisten, trafen sich die Vermittler:innen regelmäßig online. In Project Reflection Meetings stellten sie ihre Arbeitsergebnisse und Erkenntnisse aus ihrer Vermittlungsarbeit vor.
Öffentliche Beteiligung
Ein Höhepunkt des Vermittlungstreffen 2023 war das von Alex Gerbaulet kuratierte öffentliche Kurzfilmprogramm „Acht Stunden sind kein Tag“. Die gleichnamige Fassbinder-Serie von 1972 war eine der ersten proletarischen Familienserien im Westdeutschen Fernsehen und diente als Inspiration; alle Filme des Kurzfilmprogramms setzen sich entsprechend mit der filmischen Repräsentation von Arbeiter:innen auseinander: Christina Perinciolis FÜR FRAUEN. KAPITEL 1 (BRD 1972) stellt sowohl vor als auch hinter der Kamera eine solidarisch-feministische Utopie von Zusammenarbeit und Zusammenhalt vor. In EIN FILM ÜBER DEN ARBEITER (DE 1995) spricht Stefan Hayn radikal persönlich über seine Arbeitsverhältnisse zwischen Film, Pflege und Prostitution. In SCHICHT (DE 2015) beschäftigt sich Alex Gerbaulet mit der Geschichte ihrer Familie in der Industriestadt Salzgitter. Alejandro Bachmann führte gemeinsam mit Alex Gerbaulet das anschließende Filmgespräch mit Publikumsbeteiligung.
Die Filmreihe POLITICAL FASSBINDER im Herbst 2022 in Berlin, das Schultheater-Tryout zu CHINESISCHES ROULETTE in Berlin und Frankfurt sowie die für den Herbst 2023 geplante Fassbinder-Filmreihe im Zürcher FILMPODIUM bildeten und bilden weitere Zugänge zum Projekt für die Öffentlichkeit.
Vermittlungsprojekte und -teams
Das Wolf Kino Berlin führt sein Vermittlungsprojekt gemeinsam mit zwei Berliner Gymnasien in Kreuzberg und Neukölln durch. Unter der Überschrift POLITICAL FASSBINDER haben die Schüler:innen die Möglichkeit eine Auswahl an Fassbinder-Filmen im Kino zu sehen und anschließend mit der Filmhistorikerin Brigitta Wagner zu analysieren und im Austausch neue Perspektiven auf die Filme Fassbinders zu entdecken. Die Schüler:innen entwickeln eigene audiovisuelle Projekte aus den politischen Horizonten ihrer Gegenwart und mit den kreativen Mitteln ihres Alltags. Mit regelmäßigem Feedback und Austausch, werden die Schüler:innen aus den beiden Schulen die endgültigen Fassungen der eigenen Kurzfilme im Wolf Kino präsentieren.
Parallel zeigt das Wolf Kino im Herbst 2022 sechs Filme Fassbinders in der gleichnamigen Reihe POLITICAL FASSBINDER für ein breites Publikum. Kulturschaffende, überwiegend Filmemacher:innen einer jüngeren Generation, begleiten jedes Screening als Pate:in des Films mit einem Publikumsgespräch: DEUTSCHLAND IM HERBST (BRD 1978) mit Regisseur Julian Radlmaier, KATZELMACHER (BRD 1969) mit Filmemacher Ted Fendt, ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974) mit Regisseur Burhan Qurbani, FAUSTRECHT DER FREIHEIT (BRD 1975) mit Filmkurator Toby Ashraf, DIE EHE DER MARIA BRAUN (BRD 1979) mit Schriftstellerin Susanne Heinrich und DIE DRITTE GENERATION (BRD 1979) mit der ehemaligen Fassbinder-Cutterin Juliane Lorenz. Dr. Brigitta Wagner hat dem rbb ein Interview zur Filmreihe gegeben.
Dr. Brigitta Wagner ist deutsch-amerikanische Filmhistorikerin und Filmemacherin. Sie lebt und arbeitet in Berlin, wo sie an der MET Film School unterrichtet und Filmbildungsprojekte im Wolf Kino leitet. Nach einem Studium von Literatur und Film an Dartmouth College und einem DAAD-Stipendium in der Filmwissenschaft an der Freien Universität, promoviert sie im Fachbereich Germanistik und Film- und visuelle Wissenschaft an Harvard University. 2008-13 lehrt sie als Juniorprofessorin an Indiana University Filmwissenschaft mit Schwerpunkt deutsche Filmgeschichte. Sowohl in ihrer Forschung als auch in ihrer künstlerischen Arbeit interessiert sich Wagner für die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit sowie von Orten und medialer Erinnerung. Sie ist Herausgeberin des Sammelbands DEFA AFTER EAST GERMANY (2014) und Autorin des Buchs BERLIN REPLAYED: CINEMA AND URBAN NOSTALGIA IN THE POSTWALL ERA (2015). In ihrem Film ROSEHILL (2015) mischt sie dokumentarische und fiktive Elemente in einer Geschichte.
Schüler:innen des Droste-Hülshoff-Gymnasiums in Berlin erarbeiten eine Bühnenfassung des Fassinder-Films CHINESISCHES ROULETTE (BRD 1976). Der Filmpädagoge und Medienwissenschaftler Dr. Martin Ganguly macht die jungen Gymnasiast:innen zunächst anhand weiterer Filme mit dem Leben und Werk des Regisseurs vertraut. Sie lernen über die Filmbetrachtungen sowie durch die Arbeit mit Originaltexten aus dem Fassbinder-Archiv seinen ästhetischen Ansatz kennen und setzen sich mit Fassbinders Biografie auseinander.
Anschließend entwickeln sie gemeinsam den Weg vom Film zum Theaterstück. Die Schüler:innen arbeiten mit dem Originaltext und kontextualisieren ihn unter anderem in Form einer diversen Rollenbesetzung. Zu festen Probenzeiten gestaltet der Kurs ein Bühnenstück, das als nicht-öffentliches Tryout in Berlin und in Frankfurt anderen Schulgruppen präsentiert wird.
Dr. Martin Ganguly leitet seit 2004 das Schulprojekt der Berlinale und ist Universitätsdozent, Autor, Gutachter, Lehrer, Moderator, Berater, Prüfer (FSK) und Coach im filmpädagogischen, wertevermittelnden und künstlerischen Bereich im In- und Ausland für diverse Institutionen und Verlage. Für Matthias-Film sichtet er seit 2005 als Scout, Berater und Einkäufer Filme bei in- und ausländischen Filmfestivals und Pressevorführungen. Der promovierte Erziehungs- und Medienwissenschaftler hat zusätzlich zu seinem Lehramtsstudium auch ein Regie- und Schauspielstudium am Max-Reinhardt- Seminar in Wien abgeschlossen. Vier seiner multimedialen Unterrichtsbearbeitungen erhielten die renommierte europäische Comenius-Medaille. Er war von 2013-2020 Kurator/Vermittler für das deutschlandweite Projekt „Klassiker sehen-Filme verstehen“ der DFA (Deutsche Filmakademie) /Bundeszentrale für politische Bildung zur Vermittlung von Filmgeschichte und arbeitet außerdem als freier Mitarbeiter für das DFF und seit 2022 für die Wim-Wenders-Stiftung in Berlin/Düsseldorf sowie für mehrere interkulturelle Bildungsprojekte.
Das Frankfurter Projekt Jukebox BRD – Fassbinders Musik, seine Persönlichkeit und Einflüsse widmete sich im Frühjahr 2023 der Bedeutung und Funktion von Musik und Klang im Werk von Rainer Werner Fassbinder. Die Filmvermittlerin Barbara Dierksen und der Musiker Uwe Dierksen untersuchten gemeinsam mit einer Gruppe von Jugendlichen in einem außerschulischen Kontext, wie Musik und Klangschichten in ausgewählten Filmen Fassbinders eingesetzt werden.
Den Rahmen für die Annäherung der Projektgruppe bildeten neben Materialien aus dem RWF-Archiv die besondere Verbindung von Fassbinders Persönlichkeit mit seinem Werk. Wichtige Themen in RWFs Filmen wie persönliche Abhängigkeitsverhältnisse, Wunsch nach Zugehörigkeit, Druck durch Familie und Gesellschaft, Homosexualität und Klassismus wurden daraufhin überprüft, inwieweit sie sich für die Jugendlichen auch heute als relevant erweisen. Zudem wurden Fassbinders filmische Einflüsse und Vorlieben im Projekt sichtbar gemacht.
Den besonderen Schwerpunkt des Projekts bildete die klangliche Auseinandersetzung der Teilnehmer:innen mit RWF. In den Workshops experimentierten sie mit Instrumenten und Klangobjekten, komponierten und arrangierten Musik und entwickelten daraus eine eigene Erzählform. So entstand als Projektabschluss ein 30-minütiger Filmessay, den die Gruppe im Mai 2023 im Archivzentrum des DFF präsentierte.
Barbara Dierksen arbeitet als Kulturmanagerin, Kulturvermittlerin und Kuratorin und entwickelte Konzepte, Ausstellungen, Veranstaltungsformate und Filmreihen u.a. für das DFF, die Siemens Stiftung, das Goethe Institut München, das Kulturamt Wiesbaden, die HFG Offenbach. Sie ist Film- und Literaturwissenschaftlerin und ausgebildete Mediatorin. Seit 2014 arbeitet sie im DFF in der Abteilung Filmbildung und -vermittlung und entwickelt und realisiert dort Projekte mit den Schwerpunkten auf Interkultur, Partizipation und kultureller Teilhabe.
Uwe Dierksen studierte Posaune in Hannover, Hamburg und London, sowie Dirigieren am Mozarteum Salzburg. Seit 1983 ist er Posaunist im Ensemble Modern (Solistenensemble für zeitgenössische Musik). Im Auftrag von ZDF/ Arte und der Murnau Stiftung schreibt er Filmmusik insbesondere für Stummfilme, sowie Theatermusik und Musik für Industriefilme, darunter abendfüllende Produktionen wie „Welcome to American Vaudeville“ an der komischen Oper Berlin, „MA(I)NHATTA“ an der Oper in Frankfurt, Oper „MINA“ an der Oper Frankfurt, Premiere bei den UFA Filmnächten, sowie die jüngste Komposition: Musik zu „Menschen am Sonntag“ von Kurt Siodmak und Billie Wilder; arte Ausstrahlung im Mai 2022, arte mediathek. Im Bereich Musikvermittlung besuchte er mehrere Seminare bei den englischen Spezialisten Frazer Trainer und Paul Griffith. Seit zwölf Jahren arbeitet er intensiv an Frankfurter Schulen und Hochschulen im Bereich kultureller Bildung im Rahmen der Altana Kulturstiftung, der Polytechnischen Gesellschaft und des hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst.
Die Literaturwissenschaftlerin und Filmpädagogin Nathalie Bourgeois arbeitet gemeinsam mit dem Filmemacher und Sorbonne-Dozenten Michaël Dacheux. Das Pariser Projektteam möchte jugendliche Schüler:innen mit Fassbinder als Mensch, Regisseur und Schauspieler vertraut machen, der sein Interesse für den Film bereits in einem jungen Alter entwickelte.
Die Annäherung erfolgt über Fassbinders ersten Kurzfilm DAS KLEINE CHAOS (BRD 1967), die hintereinander entstandenen Werke ANGST ESSEN SEELE AUF (BRD 1974) und FAUSTRECHT DER FREIHEIT (BRD 1975) und die Auseinandersetzung mit problematischen Liebesbeziehungen, sozialem Ausschluss, Selbstbilder im Kontext von Familie und Gesellschaft als widerspruchsgeladene Themen, die in Fassbinders Filmen verhandelt werden und die nach wie vor, gerade auch für junge Menschen, von großer Bedeutung sind. Die Vermittler:innen richten den Fokus anschließend auf Fassbinders einzigartige Arbeits- und Schaffensmethode und nutzen dafür Filmsequenzen, Skripte, Fotos von den Filmsets und weiteres Originalmaterial aus dem Archiv. In weiteren Workshops erarbeiten die Jugendlichen Schritt für Schritt, vom Skript über das Filmen bis zum Schnitt, eigene Filmsequenzen, in denen sie Fassbinders Werk mit ihren eigenen Sichtweisen kontrastieren und abschließend diskutieren.
Nathalie Bourgeois arbeitet nach ihrem Studium der Literaturwissenschaft bei Filmaufnahmen sowie bei der Avant-scène cinéma und anschließend für die Cinémathèque française, in der sie eine pädagogische Abteilung aufbaute. Seit dem Start 1995 leitet sie ein internationales Film-Bildungs-Programm “Le Cinéma, cent ans de jeunesse” (Das Kino, 100 Jahre Jugend) in Zusammenarbeit mit Alain Bergala als künstlerischem Berater und zahlreichen Kulturpartnern. Sie ist außerdem an der pädagogischen Leitung des Projekts “Exploring CCAJ” für das DFF beteiligt. Nathalie hat an der Koordination und dem Verfassen von Büchern über das Kino mitgewirkt, insbesondere an der Sammlung Atelier Cinéma für Kinder und Jugendliche (Cinémathèque française und Actes sud Jr). Sie ist Referentin im Masterstudiengang Didaktik des Bildes an der Universität Sorbonne Nouvelle-Paris 3 und pädagogische Beraterin für das Bildungsprogramm des europäischen Kinos CinEd.
Michaël Dacheux wuchs in den 80er Jahren in Mont-de-Marsan in der Region Landes auf. Nach seinem Filmstudium und der Arbeit als Assistent bei verschiedenen Dreharbeiten drehte er 2008 seinen ersten mittellangen Film “Commune présence”, der für den FID Marseille ausgewählt wurde. Für seinen nächsten Film, ein mittellanger Spielfilm, produziert von Bathysphere Productions, kehrt er in seine Heimatstadt zurück, um das Vergehen der Zeit zu messen. Der Film wurde in Brive und auf dem Festival von Chéries-Chéris ausgezeichnet. Dann “L’Amour debout”, der erste Spielfilm, der ein Jahr lang an einem Wochenende pro Monat gedreht wurde, produziert von Perspective Films und unterstützt durch den Preis Film en cours des Festivals von Belfort. Der Film wurde bei den Filmfestspielen von Cannes im ACID vorgestellt, kam im Januar 2019 in die Kinos und wurde auf verschiedenen Festivals gezeigt (Gent, Porto, New York, Palermo…). Michaël Dacheux ist auch in verschiedenen Projekten der Filmvermittlung beteiligt, insbesondere an “Cinema, cent ans de jeunesse”, und unterrichtet an den Universitäten Paris 7 und Paris 8.
Das Wiener Projektteam hat sich in umfangreichen Recherche mit Fassbinders Fernsehserie 8 STUNDEN SIND KEIN TAG auseinandergesetzt und aus ihren Ergebnissen ein Schulprojekt entwickelt. Es wurde im ersten Schulhalbjahr 2022/23 mit einer Klasse der Schule WMS/RG/ORG antonkriegergasse durchgeführt.
Für Filmarbeiter Alejandro Bachmann, Filmemacherin Alex Gerbaulet und Filmvermittler Stefan Huber fiel die Wahl auf 8 STUNDEN SIND KEIN TAG aus verschiedenen Gründen. Es war der erste von mehreren Versuchen Fassbinders, im Serienformat für das Fernsehen zu arbeiten und lehnte sich an das bestehende Format der Familienserie an. Die damals von breiten Kontroversen begleitete und nicht fertiggestellte Serie ist im Wiener Kontext besonders interessant, da die in ihr zentrale Arbeiterkultur vor allem seit den 1920er Jahren eine große Rolle in der politischen und gesellschaftlichen Realität Wiens gespielt hat und zum Teil noch heute spielt. Das auch gegenwärtig gerade bei Jugendlichen beliebte Format der Serie schaffte innerhalb der Projektgruppe ein Bewusstsein für die Historizität des Serienformats und das Zusammenbringen von Gegenwart und Vergangenheit im Prozess des Sehens.
In wöchentlichen Treffen haben die Schüler:innen die Episoden gesichtet, sich zunächst frei mit dem Seherlebnis der Gruppe auseinandergesetzt und die eigenen Perspektiven und Gedanken mit der historischen Rezeption in Beziehung gesetzt. Im anschließenden Projektteil widmeten sich die Schüler:innen weiteren Formaten Fassbinders und seinem charakteristischen Schaffensprozess, von der Idee bis zum Film. Zum Abschluss entstanden eigene kreative Arbeiten der Schüler:innen. Zu der Frage, wie die vorzeitig abgesetzte Serie im heutigen Kontext hätte weitergehen können, entwickelten sie Lookbooks, Storyboards, eigene Szenen und Ideen für deren Inszenierung.
Alejandro Bachmann ist Filmarbeiter mit Schwerpunkten im Vermitteln von und Schreiben über Film sowie in der Zusammenstellung von Filmprogrammen. 2010-2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, später Leiter des Bereichs “Vermittlung, Forschung und Publikationen” des Österreichischen Filmmuseums. Mentor der Berlinale Talents Short Film Station. Seit April 2021 Gastprofessor für Filmgeschichte und Medientheorie an der Kunsthochschule für Medien Köln.
Alex Gerbaulet lebt in Berlin und abeitet als Filmemacherin, Produzentin und Filmvermittlerin. Ihre künstlerischen Arbeiten oszillieren zwischen dokumentarischem Stil und Essay, aktivistischen Impulsen und fiktionalisierter Reflexion. Sie untersuchen dabei u.a. die Darstellbarkeit von Realität und Erinnerung. Zu ihren aktuellen, zum Teil mehrfach ausgezeichneten Filmen gehören SCHICHT (2015), DIE SCHLÄFERIN (2018), sowie TIEFENSCHÄRFE (2017) und SONNE UNTER TAGE (2022), beide zusammen mit Mareike Bernien. Sie verfügt über langjährige Lehrerfahrung im In- und Ausland und ist immer wieder als Kuratorin für Filmfestivals wie dem Kasseler Dokfest, dem European Media Art Festival Osnabrück oder der Duisburger Filmwoche tätig. 2020-21 war sie Stipendiatin im Berliner Förderprogramm Künstlerische Forschung/gkfd. Seit 2014 ist sie Teil der Produktionsplattform pong film in Berlin und hat dort 2022 zusammen mit Caroline Kirberg die Geschäftsführung übernommen.
Stefan Huber hat ein Studium der deutschen Philologie in Wien und Barcelona absolviert. 2002 bis 2006 Gestaltung der Sendung „filmfilter“ auf Orange 94.0, dem freien Radio in Wien, seit 2001 regelmäßig Radioberichte von österreichischen Filmfestivals. Seit 2012 Vermittlungsveranstaltungen im Österreichischen Filmmuseum, seit 2013 ebendort als Filmvermittler angestellt, seit 2019 Leiter des Bereichs. Aktuelle Schwerpunkte: Interkulturelle Filmbildung; Filmvermittlung für Kinder von 3-6 Jahren. Daneben diverse Tätigkeiten in Jurys und als Moderator.
Filmwissenschaftsstudierende im Bachelor und Master der Universität Zürich haben im kommenden Frühlings- und Herbstsemester die Gelegenheit, sich gemeinsam mit der Filmvermittlerin Stefanie Schlüter dem Werk Fassbinders auf kuratorische Weise zu nähern.
Stefanie Schlüters Ziel ist es, dass die Studierenden eigene Interessenschwerpunkte in Bezug auf das filmische Werk Fassbinders entwickeln und mit einem ebenso frischen wie kritischen Blick Bezüge zu den Werken von Filmschaffenden der Gegenwart herausarbeiten. „Es geht nicht darum, den Monolithen Fassbinder zu umkreisen oder ihn allein ins Zentrum zu stellen, sondern ich fände es sehr interessant, Positionen zu suchen, die ihn komplementieren oder ihm widersprechen. Die Reihe sollte das Werk Fassbinders nicht nur bestätigen, sondern auch eine Möglichkeit bieten, ihn gegen den Strich zu bürsten. So stelle ich mir vor, dass man Fassbinder mit Positionen von Regisseurinnen konfrontieren oder ihn durch andere queere Positionen ergänzen kann.“, beschreibt Stefanie Schlüter ihren Vermittlungsansatz.
Im Herbst-Semester 2023 haben die Studierenden die Aufgabe, die im Frühjahr vorbereitete Filmreihe im Zürcher Kino FILMPODIUM der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Stefanie Schlüter lebt als Filmvermittlerin und -wissenschaftlerin in Zürich und Berlin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Vermittlung von Experimental- und Künstler*innen-Filmen sowie das Kuratieren aus dem Archiv. Mit dem Arsenal – Institut für Film und Videokunst, für das sie Vermittlungskonzepte entwickelt und realisiert hat, verbindet sie eine langjährige Zusammenarbeit. Seit 2016 gestaltet sie gemeinsam mit den Filmemacher*innen der Gruppe „Arsenal Filmatelier“ die Filmreihe „Großes Kino, Kleines Kino“. Im Rahmen des Projekts „Living Archive –Archivarbeit als künstlerische und kuratorische Praxis der Gegenwart“ hat sie 2011-2013 ein partizipatives Vermittlungsprojekt im Archiv des Arsenal durchgeführt. 2007-2009 arbeitete sie im unabhängigen Forschungsprojekt „Kunst der Vermittlung – Aus den Archiven des Filmvermittelnden Films“ (www.kunst-der-vermittlung.de) mit. Aktuell ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich.
Projektbegleitung
Während der zweijährigen Projektlaufzeit wird Dr. Manuel Zahn Encounter RWF aus forschend-reflexiver Perspektive begleiten und regelmäßige Austauschformate zwischen den Vermittlungsteams moderieren.
Dr. Manuel Zahn ist Professor für Ästhetische Bildung an der Universität zu Köln. Seine Arbeitsgebiete sind Erziehungs- und Bildungsphilosophie, Filmbildung, Kunstpädagogik und Ästhetische Bildung in digitalen und globalen Transformationsdynamiken, Postkoloniale Theorie und Ästhetische Bildung. Letzte Publikationen: Visuelle Assoziationen. Bildkonstellationen und Denkbewegungen in Kunst, Philosophie und Wissenschaft (2018, Mit-Hrsg.), Education in the Age of the Screen. Possibilities and Transformations in Technology (2019, Co-Ed.), Übertragungen. Zur Politik der Beziehungen (2021, Mit-Hrsg.) und Mikroformate. Interdisziplinäre Perspektiven auf aktuelle Phänomene in digitalen Medienkulturen (2021, Mit-Hrsg.). Weitere Informationen unter: kunst.uni-koeln.de/zahn/
Fassbinder und queere Perspektiven
Jan Künemund arbeitet als Filmautor und Kurator in Berlin. Neben dem Dokumentarfilm bildet das Queere Kino einen Schwerpunkt seiner Tätigkeiten, zunächst praktisch (Presse- und Textarbeit für die Edition Salzgeber 2006-15, Redakteur des Magazins „sissy“), danach auch theoretisch (Dissertationsprojekt und Lehre am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Uni Hildesheim 2015-21). Aus der Verbindung ergaben sich Tätigkeiten als Filmkritiker (Spiegel.de, Tagesspiegel, Freitag u.a.), Kurator (Berlinale Forum seit 2019, Duisburger Filmwoche 2019-21) und Drehbuchlektor und -autor („Lichtes Meer“, 2015). Zuletzt erschien in Co-Herausgeberschaft die sissy-Anthologie „Queer Cinema Now“ (2022), eine gleichnamige Filmreihe wird im Juli/August im Berliner Kino Arsenal stattfinden, außerdem ist er seit 2022 Mitglied der Kurzfilmauswahlkommission des Kasseler Dokumentar- und Videofestivals.
Fassbinder und die Sammlung aus Perspektive des Globalen Südens betrachten
Jyoti Mistry ist Professorin für Film an der Universität Göteborg und arbeitet zu Film als Forschungsform sowie zu Film als Form künstlerischer Praxis. In ihrer wissenschaftlichen Arbeit analysiert sie die Funktion und Nutzung von Archiven als Beispiel für das Neudenken kolonialer Bilder durch entkolonialisierte Filmpraktiken. Sie ist leitende Forschungsbeauftragte für ein BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) Forschungsprojekt, das Bilderpraktiken untersucht. Für das EYE- Filmmuseum initiierte Mistry mit Student*innen das künstlerische Forschungsprojekt „Places to play. Practice, Research, Pedagogy“, in dem Filmmaterial aus Kolonialzeiten der Archive des Filmmuseums kritisch hinterfragt wurden. Ihre künstlerischen Arbeiten wurden gezeigt auf Festivals in Toronto, Winterthur, Rotterdam und Durban und in Ausstellungen im Kunsthaus Zürich, im Museum der Moderne Salzburg und der Kunsthalle Wien. Sie war artist in residence bei der niederländischen Filmakademie in Amsterdam and beim California College of the Arts in San Francisco sowie Jury-Mitglied beim Internationalen Kurzfilmfestival der 68th Berlinale.
Hans-Peter Reichmann, kuratorischer Leiter des DFF Fassbinder Center und ehemaliger Sammlungsleiter am DFF. Er studierte Germanistik, Filmwissenschaft und Soziologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ideengeber, Projektleiter und Kurator zahlreicher Ausstellungen sowie verantwortlicher Redakteur dazugehöriger Publikationen. Er konzipierte und realisierte u.a. Ausstellungen zum bundesrepublikanischen Nachkriegsfilm, zur Filmarchitektur, zum Filmkostüm sowie zu Marlene Dietrich, Curd Jürgens, Maria Schell, Romy Schneider, Sir Ken Adam, Stanley Kubrick, Klaus Kinski und mehrere Ausstellungen zu Rainer Werner Fassbinder, zuletzt „Methode Rainer Werner Fassbinder. Eine Retrospektive“ 2021/22 in der Bundeskunsthalle Bonn.
Isabelle Bastian studierte Filmwissenschaft und Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 2011 ist sie Mitarbeiterin des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum. Sie betreut dort die Sammlungen und co-kuratierte Ausstellungen, u.a. zu Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Charlie Chaplin, Curd Jürgens und Barbara Baum. Für die ausstellungsbegleitenden Publikationen „Maximilian Schell“ (2019) und „Methode Rainer Werner Fassbinder. Eine Retrospektive“ (2021) wirkte sie als Lektorin, Autorin und Herausgeberin, zudem für Publikationen zum Kino der Moderne und zum Hollywood-Kino.
Das Projekt im DFF-Podcast
Podcast 1: DFF-Projekt „Encounter RWF“ – Junge Menschen begegnen dem Werk Rainer Werner Fassbinders
Das Projektleitungsteam Christine Kopf (DFF) und Alejandro Bachmann (Kunsthochschule für Medien Köln) berichtet aus den Vermittlungsprojekten in Berlin, Frankfurt, Paris, Wien und Zürich und den Herausforderungen im Umgang mit dem kontrovers diskutierten Werk Fassbinders.
In Kooperation mit dem Wolf Kino, Berlin, und dem Österreichischen Filmmuseum, Wien.
Der Schriftgutnachlass Fassbinders wurde 2018 mit Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Länder und der Stadt Frankfurt angekauft.
Gefördert durch die Art Mentor Foundation Lucerne, den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und die Rainer Werner Fassbinder Foundation.
Mit freundlicher Unterstützung durch LaCinetek.