Stephen Malkmus
In den Neunzigern trifft Stephen Malkmus den Nerv aller gelangweilten Jugendlichen. Als Kopf der "most britisch american band" Pavement ist er das Role-Model für den studierten Slacker und ein angenehm langweiliger Gegenpart zur Abgefucktheit des Grunge. Er steht für Lo-Fi-Indie-Rock gegen Haareschneiden, Posertum und gegen alles andere, und das aus der zurückhaltenden Position desjenigen, der im Sportunterricht mitspielt, aber eigentlich "Fuck you!" denkt. Weit weg von Protestmärschen und klatschspaltenreifen Drogenorgien.
Am 30. Mai 1966 wird Malkmus in kalifornischen Santa Monica geboren. Schon früh begeistert sein Vater, im Hauptberuf Versicherungsvertreter, ihn für Buddy Holly, Fleetwood Mac und amerikanischen Folk. Eine Begeisterung, die Malkmus später auf den Indie-Punk von Pavement überträgt. In den frühen Achtzigern steigt er auf die (Surf-)Punk-Schiene ein und beschäftigt sich viel mit den Platten von Bad Religion, Minor Threat, Black Flag oder den Butthole Surfers.
Während seines Geschichtsstudiums an der Universität von Virginia gründet er mit seinen zwei Kommilitonen Bob Nastanovich und David Berman die Band Ectoslavia. In New York beziehen die drei zusammen ein Appartement. Malkmus arbeitet mit Berman, dem eigentlichen Kopf der Band, als Wächter in einem Kunstmuseum. In New York benennen sie ihre Combo in Silver Jews um.
Zwischen erfolgreichem Abschluss seines Studiums und seinem Umzug nach New York trifft Malkmus im Sommer 1989 noch seinen Kindergarten-Freund Scott Kannberg. Eigentlich planen die beiden nur, zusammen einige ihrer Songs im Studio einzuspielen. Tatsächlich erwächst daraus im kalifornischen Stockton aber die Band Pavement.
1992 erscheint das Debüt "Slanted And Enchanted", Malkmus mausert sich in den folgenden Jahren zum genial gelangweilten Sänger, der er eigentlich nie sein wollte. Er singt über simple Themen: dass man nicht auf den guten Rat seiner Großmutter hören sollte oder dass seine Mutter ihn im Radio hören könne. Einfach, aber nicht dumm. Ironisch, aber nie plakativ. Gewitzt und intelligent spricht er den Indie-Kids aus dem Herzen.
Im ersten Halbjahr 1998 gönnen sich Pavement eine Pause, die die zwei Masterminds Kannberg und Malkmus schon zu Solo-Gigs nutzen. Malkmus hilft seinem alten Kumpel Berman ein weiteres Mal bei den Silver Jews aus. Als "Hazel Figurine" getarnt, hatte er schon auf deren beiden Vorgängeralben mitgespielt.
Die ersten Gerüchte über eine Auflösung von Pavement kursieren, verstummen aber schon ein Jahr später wieder, als "Terror Twilight" erscheint. Darauf finden sich übrigens nur Songs von Stephen Malkmus. Die Freude währt allerdings nur kurz. Bereits Ende 1999 verabschieden sich Pavement in eine Schaffens-Pause.
Die Zukunft der Band bleibt ungewiss, auch wenn Kannenberg schon längst an seinem Solo-Album mit Preston School Of Industry werkelt und Malkmus sich in Kim's Bedroom vergnügt, einer Band, in der unter anderem die beiden Sonic Youths Kim Gordon und Jim O'Rourke mitspielen. Zum Leidwesen der Fans bleibt es ein Spaßprojekt, zu einer Veröffentlichung kommt es nie.
Als Malkmus in der November 2000-Ausgabe des Spin Magazins den Split von Pavement offiziell macht, sind die Aufnahmen für sein erstes Solo-Album schon im Kasten. Deshalb spielt er auch nicht mehr auf dem 2001er Silver Jews-Album "Bright Flight" mit. Geholfen haben ihm zwei Freunde aus seiner Heimatstadt Portland: John Moen (früher bei Dharma Burns und den Fastbacks) und Bassistin Joanna Bolm (Ex-Minders), die sich den Namen The Jicks geben.
Malkmus möchte seine erste Solo-Platte zwar nur als The Jicks veröffentlichen, belässt es dann aber auf Anraten seiner Plattenfirma Matador doch bei seinem Namen. Das gleiche passiert mit dem Albumtitel: erst auf "Swedish Reggae" getauft, dann in ein schlichtes "Stephen Malkmus" umbenannt. Die Freude über seinen ersten eigenen Output bleibt gedämpft, geht er doch keine Kompromisse ein und klingt wie eine abgespeckte Version von Pavement mit schlechteren Songs.
Im März 2003 erscheint sein zweites Werk "Pig Lib". Dieses Mal unter den etwas mutigeren Namen Stephen Malkmus & The Jicks und mit weitaus breiterer Ideenvielfalt. Zwei Jahre später folgt das dritte Solo-Album "Face The Truth".
2006 heiratet Stephen Malkmus, wird Vater von zwei Töchtern. Die Familie lebt in Portland in Oregon, seit 2011 aber auch zeitweise in Berlin.
"Real Emotional Trash" erscheint im März 2008, Janet Weiss von Sleater Kinney beweist sich darauf als überzeugende Schlagzeugerin und Background-Sängerin, während John Moen von nun an die Trommeln in The Decemberists bearbeitet.
Je älter Malkmus wird, um so mehr rockt er und entdeckt auch eine gewöhnungsbedürftige Vorliebe für Gitarren-Soli à la Santana. Aber zwischen dem Instrumenten-Trash gibt es zum Glück auch noch die ruhigen Momente.
Die im März 2010 erfolgte Wiederbelebung von Pavement ändert nichts daran, dass Stephen Malkmus mit Rückendeckung der Jicks fleißig an der Fortsetzung seiner eigenen Diskografie schraubt.
Ein "richtiges" Solo-Album fügt er dieser jedoch erst 2019 mit "Groove Denied" hinzu. Mehr als zwölf Jahre lang hat er im stillen Kämmerlein daran gebastelt, alle Bestandteile alleine eingespielt und dabei nahezu philosophische Erkenntnisse gewonnen:
"Alles alleine zu machen, ist eine komische Sache", erklärt er dem Guardian. "Ich habe alle Instrumente eingespielt, ich habe alles von Anfang bis Ende durchgezogen. Ich weiß gar nicht, wie diese DJs das hinbekommen. In einer Band teilst du dir die Aufgaben und die ganze Aufregung. Die größte Lektion, die ich gelernt habe, ist: Wo hörst du auf? Wann ist es fertig?"
© Laut
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