Der Verband klassischer Homöopathen Deutschlands (VKHD) hatte behauptet, dass Homöopathika bei bestimmten Erkrankungen mindestens ebenso wirkungsvoll sein könnten wie Antibiotika. Woher ist dies bekannt? Der VKHD hat auf meine diesbezügliche Anfrage sehr rasch geantwortet und sechs Veröffentlichungen als Quellen genannt, die hier betrachtet werden sollen.In Kürze
Insgesamt wurden sechs Studien benannt, die als Beleg für die Ausführungen anzusehen seien. Drei der Arbeiten sind Verlaufsstudien ohne Vergleichsgruppe. Bei zweien davon entspricht das Ergebnis dem, was man auch ohne eine wirksame Behandlung erwartet, bei der dritten führen die Autoren selbst aus, dass aus der Studie nicht darauf geschlossen werden kann, in welchem Ausmaß die homöopathische Therapie den Ausgang beeinflusst hat. Auch eine der beiden Verlaufsstudien mit Vergleichsgruppe zeigt die im natürlichen Verlauf zu erwartenden Ergebnisse.
Bei der zweiten Verlaufsstudie mit Vergleichsgruppe muss bezweifelt werden, dass in beiden Gruppen die gleiche Ausgangslage vorlag, womit sich das Ergebnis zwangsläufig zugunsten der Homöopathie ergab. Sollte dies hingegen nicht der Fall gewesen sein, dann wäre die konventionelle Therapie mit Antibiotika unwirksam gewesen. Die Unterschiede zwischen den Gruppen könnten dann auch durch unterschiedliche Intensität der Placeboeffekte verursacht worden sein.
Die letzte Studie wird im Titel als placebokontrollierte und doppelblinde Studie bezeichnet, worauf sich dies aber gründet (Randomisierung, Verblindung, Placebo), ist nicht beschrieben. Das überwältigend positive Ergebnis zu Gunsten der Homöopathie erweist sich als statistischer Artefakt. Wenn tatsächlich eine medikamentöse Wirkung des Homöopathikums aufgetreten wäre, dann wäre dies eher ein Beweis gegen das Ähnlichkeitsprinzip und damit gegen die Grundannahmen der Homöopathie. Oder müsste man dann anführen, dass diese Studie angesichts des für homöopathische Verhältnisse exorbitant hohen Wirkstoffanteils nichts mit der ’normalen‘ Homöopathie zu tun hatte?
Letztendlich muss aufgrund der Studienlage der Behauptung des VKHD widersprochen werden, dass die Homöopathie eine vergleichbare Wirksamkeit erreichen könnte wie Antibiotika – zumindest nicht in den Fällen, in denen Antibiotika sinnvoll eingesetzt werden.
In Länge
Bereits im letzten Blogbeitrag (Link) hatte ich mich mit der Aussage des VKHD beschäftigt, die darauf abzielt, dass homöopathische Medikamente zumindest bei bestimmten Beschwerden ähnlich wirkungsvoll sein könnten wie Antibiotika. Die dahingehende Pressemeldung vom November 2014 enthielt keine Literaturangaben, auf die sich die zum Teil recht detaillierten Aussagen beziehen. Meine Suche nach belastbaren Nachweisen, die eine solche Aussage gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, brachte kein Ergebnis. Daher hatte ich beim VKHD nachgefragt und auch umgehend eine Liste mit sechs Studien erhalten. Diese Arbeiten sind der Gegenstand dieses Blogbeitrages, wobei sie nur so weit eingehend betrachtet werden sollen, um die Tragkraft der Aussagen zu erkennen.
Zur Erinnerung hier noch einmal die Aussage des VKHD, für die wir die Nachweise suchen (Link):
„Studien belegen beispielsweise, dass eine homöopathische Behandlung – vor allem bei Infektionen der oberen Atemwege und des Mittelohres – ebenso wirkungsvoll sein kann wie eine konventionelle Therapie mit Antibiotika. So konnte gezeigt werden, dass Kinder mit einer akuten Mittelohrentzündung (Otitis media acuta) durch eine homöopathische Behandlung ähnlich schnell und zuverlässig gesund wurden wie konventionell behandelte Kinder. Bei der Therapie mit homöopathischen Arzneimitteln traten tendenziell weniger Rückfälle auf als in der konventionell behandelten Vergleichsgruppe.
Genauso erfolgreich wird Homöopathie bei akuten und chronischen Prozessen der Nasennebenhöhlen angewendet. Insgesamt verläuft der Heilungsprozess unter der homöopathischen Behandlung sogar schneller und es kommt seltener zu Rückfällen oder zu einer Chronifizierung. Aber auch bei Erkrankungen der Harnwege haben sich homöopathische Arzneimittel bewährt.“
Verlaufsstudien…
Verlaufsstudien stellen ein Studiendesign dar, bei dem eine Gruppe – oder auch mehrere – von Patienten (‚Kohorte‘) über einen bestimmten Zeitraum betrachtet wird, um die weitere Entwicklung nach einer durchgeführten Behandlung zu beobachten. Daher wird eine solche Studie auch als ‚Beobachtungsstudie‘, ‚Kohortenstudie‘ oder nach dem englischen Begriff auch als ‚Outcomestudie‘ (‚Ergebnisstudie‘) bezeichnet. Kennzeichen ist, dass die jeweiligen Forscher nicht in das Geschehen eingreifen, indem sie etwa die Patienten nach einem Zufallsprinzip einer Kontrollgruppe zuweisen oder die Behandlung nach einem vorgegebenen Protokoll erfolgt. Prinzipiell beobachtet man den natürlichen Verlauf der Dinge.
Aus Sicht der Befürworter der Homöopathie hat dieses Studiendesign den Vorteil, dass das reale Geschehen in einer homöopathischen Behandlung und in der weiteren Entwicklung danach betrachtet wird. Eine als Wirkungsnachweis in der konventionellen Medizin übliche kontrollierte Vergleichsstudie hingegen schaffe immer eine Art Laborsituation, die die echte Lebenssituation nicht wiedergebe, da sie immer nur Ergebnisse für eine sehr spezifische Fragestellung liefern könne.
Kein Wunder also, dass es sich bei fünf der sechs vom VKHD genannten Arbeiten um Studien dieses Typs handelt.
… ohne Vergleichsgruppe
Die Beurteilung der Wirksamkeit einer Behandlung ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn man nicht nur das Befinden der Patienten nach der Behandlung betrachtet, sondern dies anhand einer Kontrollgruppe auch damit vergleicht, was ohne diese Behandlung geschehen wäre. Genau dies aber kann man nicht, wenn man nur Patienten betrachtet, die sich der fraglichen Therapie unterzogen haben. Es sei denn natürlich, der Behandlungserfolg sei derartig außerordentlich, dass schon ein Vergleich zum Allgemeinwissen sehr deutlich ausfällt. Gelänge es beispielsweise, die hier betrachteten Erkältungskrankheiten von den üblichen ein bis zwei Wochen Dauer bei den meisten Patienten auf nur wenige Stunden abzukürzen, dann wäre die positive Wirkung zwar nicht unbedingt nachgewiesen, angesichts der durchgreifenden Abweichung vom ‚Normalen‘ läge die Vermutung aber sehr nahe, dass hier ein Effekt der Behandlung zum Tragen gekommen ist. Wobei der tatsächliche Nachweis in einer kontrollierten Studie mit unabhängiger Replizierung unter diesen Umständen auch kein wirkliches Problem darstellen dürfte.
Zeigen die vom VKHD benannten Verlaufsstudien einen solchen überzeugenden Effekt auf?
Adler (1999)
In der vom VKHD genannten Arbeit von Adler aus dem Jahr 1999 wird die Wirkung eines homöopathischen Kombinationspräparats bei der Behandlung einer akuten (also nicht chronischen) Nasennebenhöhlenentzündung (‚Sinusitis‘) untersucht [1]. Man fand, dass sich die typischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Husten oder Nasenlaufen nach durchschnittlich 4,1 Tagen verbessert hatten. Die Behandlung dauerte im Durchschnitt zwei Wochen, danach waren 81,5 % der Patienten entweder ganz ohne Symptome oder ihr Zustand hatte sich wesentlich gebessert.
Das ist ziemlich genau das Ergebnis, was nach Angaben in der englischen Wikipedia bei einer akuten Sinusitis zu erwarten ist (Link): Eine durch eine Vireninfektion hervorgerufene Sinusitis dauert typischerweise sieben bis zehn Tage, während eine durch Bakterien hervorgerufene Sinusitis hartnäckiger ist. Erst wenn die Beschwerden nach zehn Tagen nicht verschwinden, ist auf eine bakterielle Ursache zu schließen und ein Einsatz von Antibiotika ist gerechtfertigt. Für die Vireninfektion gibt es keine ursächliche die Erreger bekämpfende Behandlung. Nach den Angaben in der deutschen Wikipedia (Link) beträgt der Anteil der auf eine bakterielle Infektion zurückgehenden Befunde etwa 20 %.
Genau einen solchen Verlauf hat Adler bei seinen Patienten ermittelt, da rund 80 Prozent der Patienten nach zwei Wochen ausgeheilt oder auf dem Weg der Besserung waren. Eine Wirkung der homöopathischen Behandlung ist somit dem Bericht nicht zu entnehmen.
Nayak 2012
Mit der homöopathischen Behandlung von chronischer Nebenhöhlenentzündung befasst sich eine Verlaufsstudie ohne Kontrollgruppe aus Indien, die von Nayak et al. 2012 veröffentlicht wurde [2]. Diese Studie umfasste ursprünglich über 600 Patienten, von denen 550 ausgewertet werden konnten. Bei den Messungen drei und sechs Monate nach dem Beginn der homöopathischen Behandlung zeigte sich ein statistisch signifikanter Rückgang der Beschwerden.
Wie will man aber wissen, dass es die Homöopathie war, die da gewirkt hat, wenn man keine Vergleichsgruppe hat? Welcher Anteil entspricht etwa einem natürlichen Verlauf? Als chronisch gilt eine Nebenhöhlenentzündung bereits dann, wenn sie länger als zwei bis drei Monate andauert, stellt also nicht unbedingt die jahre- oder lebenslange Komplikation dar, die man als Laie sonst mit dem Begriff einer chronischen Krankheit verbindet. Kann es da nicht auch zu Spontanremissionen (‚Selbstheilung‘) auch nach drei Monaten kommen? Eine randomisierte Vergleichsgruppe könnte hier Aufschluss geben.
Bei länger andauernden chronischen Beschwerden könnte es sich auch um einen Effekt handeln, den man ‚Regression zur Mitte‘ nennt: Chronische Erkrankungen sind auch durch ein Auf-und Ab der Intensität der Beschwerden gekennzeichnet. Wann geht man zum Arzt, insbesondere in Indien, wo man lange Wartezeiten in Kauf nehmen muss und auch der finanzielle Aspekt von Bedeutung ist? Eben, wenn es besonders schlimm ist und es nicht mehr anders geht. Der zu erwartende Effekt, dass die Intensität irgendwann wieder zurückgeht, und zwar als ganz natürlicher Prozess, würde dann einen Erfolg der Therapie vorgaukeln – was man bei Verwendung einer randomisierten Kontrollgruppe jedoch erkennen könnte.
Auch dies ist also kein tragfähiger Nachweis für eine Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung..
Witt 2009
Dann wird noch eine Studie von Witt et al. aus dem Jahr 2009 zitiert [3], bei der es sich offenbar um eine Auswertung einer Untergruppe aus der großen Charité-Verlaufsstudie aus dem Jahr 2005 handelt. In jener Studie war die langfristige Wirkung der homöopathischen Behandlung an über 3500 Patienten untersucht worden. Auch dies ist eine Verlaufsstudie, die ohne eine Kontrollgruppe durchgeführt wurde. Die Arbeit hier bezieht sich offenbar auf die Untergruppe der Patienten mit chronischer Stirnhöhlenentzündung mit insgesamt 134 Personen. Wir können die Betrachtung kurz halten, denn die Studienautoren sagen selbst:
„Das Ausmaß, in dem die beobachteten Verbesserungen auf Änderungen der Lebensführung zurückzuführen sind oder auf mit der Behandlung verbundene Placebo- oder Kontexteffekte, bedarf der Klärung durch weitere Untersuchungen.“
Mithin auch kein belastbarer Nachweis.
… mit Vergleichsgruppe
Haidvogl (2007)
Die Arbeit von Haidvogl et al. aus dem Jahr 2007 ist ebenfalls eine Verlaufsstudie [4]. Bei dieser wurde aber eine Vergleichsgruppe betrachtet, die sich einer konventionellen Behandlung unterzog. Untersucht wurde die Wirkung der homöopathischen Behandlung bei akuten Atemwegs- und Ohrbeschwerden [2]. Mithin alles selbstlimitierende Beschwerden, die zwar recht unangenehm werden können, aber normalerweise nach ein bis zwei Wochen wieder abgeklungen sind. Eine ärztliche Behandlung kann vielleicht Erleichterung bei den Begleitsymptomen verschaffen, auf die Zeitdauer der Beschwerden hat dies normalerweise wenig Einfluss. (Stichwort ‚Therapie‘ im Wikipedia-Artikel zu Erkältungskrankheiten, Link). Selbst Antibiotika helfen bei den in den meisten Fällen auf eine Vireninfektion zurückgehenden Beschwerden nicht. Ohne Arzt vierzehn Tage, mit Arzt zwei Wochen, sagt der Volksmund.
Und das Ergebnis der Studie: Nach 14 Tagen waren in beiden Gruppen jeweils bereits 86 % der Teilnehmer geheilt oder ihr Befinden hatte sich wesentlich verbessert. Zu keinem der Betrachtungszeitpunkte nach 7, 14 und 21 Tagen konnten Unterschiede zwischen den Gruppen beobachtet werden.
Folge: Die homöopathische Behandlung hat den zeitlichen Ablauf der Krankheit genauso wenig beeinflussen können wie die konventionelle Therapie.
Kruse 1998
In der Dissertation von S. Kruse aus dem Jahr 1998 wird die homöopathische und die konventionelle Therapie der Mittelohrentzündung verglichen [5]. Eine Inhaltsangabe findet sich auf der Seite der Carstens-Stiftung (Link). Bei der Autorin handelt es sich übrigens um die gleiche Frau Dr. Kruse, die heute im von Haunerschen Kinderspital der LMU München als Homöopathin tätig ist und die hier im Blog schon öfters genannt wurde (Link , Link).
Inhaltlich wird die Untersuchung in einer Veröffentlichung von Friese et al. aus dem Jahr 1997 wiedergegeben, bei der Kruse als Co-Autorin genannt wird [6]. Da diese Veröffentlichung offenbar die Quelle für den ersten Teil der Angaben des VKHD darstellt, in dem über die erfolgreiche Behandlung von Mittelohrentzündungen gesprochen wird, sei sie etwas näher betrachtet.
Insgesamt wurden 131 Kinder in die Studie über die homöopathische Behandlung einer Mittelohrentzündung einbezogen. Man hat in der Praxis von Friese insgesamt 103 Kinder rekrutiert, die homöopathisch behandelt wurden, weil sich die Eltern für diese Therapieform entschieden hatten. Die Gruppeneinteilung erfolgte also nach Wahl der Patienten, nicht aufgrund irgendeines Zufallsprinzips. Die konventionell behandelte Vergleichsgruppe wurde in der gleichen Zeit in vier konventionellen Fachpraxen der Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO) zusammengestellt, was nur 28 Teilnehmer ergab.
Das ist zunächst sehr erstaunlich: In insgesamt fünf HNO-Praxen, nach Angaben in der Arbeit mit jeweils 1600 Patienten pro Quartal durchaus vergleichbar frequentiert und alle im Umkreis einer Großstadt, erscheinen bei den vier konventionellen Praxen durchschnittlich nur sieben Kinder, bei der einen homöopathischen Praxis im gleichen Zeitraum hingegen mit 103 Kindern fast die 15-fache Anzahl? Auch wenn die Homöopathie derzeit sehr beliebt ist – die Arbeit stammt von 1997, da war das bei Weitem noch nicht so ausgeprägt der Fall. Eine derartige Präferenz in der Bevölkerung ist wohl kaum als Ursache für das zahlenmäßige Ungleichgewicht anzusehen. Frage: Was dann?
Die Autoren sprechen das selbst an und kommen zu dem Schluss, dass offensichtlich die konventionelle Behandlung einer Mittelohrentzündung beim konventionellen Kinderarzt erfolgt und nicht beim HNO-Spezialisten. Der Kinderarzt wird sicher nur die schwereren Fälle an den Spezialisten überweisen. Eltern hingegen, die sich gezielt für eine homöopathische Behandlung entschieden hätten, hätten dann vielleicht im höheren Maße gleich von Anfang an einen entsprechenden Facharzt konsultiert. Zumindest würde eine solche Annahme das krasse Missverhältnis der Fallzahlen erklären. Von den konventionellen Kinderärzten konnte niemand gefunden werden, der im Rahmen dieser Studie zu einer Zusammenarbeit bereit gewesen wäre, daher musste man sich auf die HNO-Fachärzte beschränken. Die Studienautoren machen leider keine Angaben dazu, in wie vielen Fällen es sich um Überweisungen bzw. um Erstbehandlungen handelte, die hier in die Studie eingeflossen sind.
Waren dann die Gruppen beim Beginn der betrachteten Behandlung wirklich gleich? Wenn die obige Annahme zuträfe, dann könnte es sich bei den konventionell behandelten Kindern um eine Auswahl der ’schwereren Fälle‘ gehandelt haben. Wenn die Annahme nicht zutrifft, dann hätte eventuell größere Heftigkeit der Beschwerden die Eltern dazu veranlassen können, direkt den Facharzt aufzusuchen und nicht erst den Kinderarzt, was das gleiche Ungleichgewicht der Ausgangslage bewirkt hätte.
Es gibt keine Angaben, ob Viren oder Bakterien als Ursache der Entzündung in Frage kamen, wobei letzteres der schwerwiegendere Befund gewesen wäre. Die zur Vorgeschichte angegebenen Daten (Zeitdauer von Fieber und Schmerzen, Ein- oder Beidseitigkeit) lassen keine Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen. Dennoch werden 23 der 28 Kinder in der konventionell behandelten Gruppe mit Antibiotika behandelt.
Prinzipiell sind zwei Möglichkeiten denkbar. Die eine ist, dass die Ärzte die Antibiotika verordnet haben und dies in den meisten Fällen nicht angezeigt war. Dies ist nicht ganz auszuschließen, denn es hat den Anschein, dass auch virale Infektionen in großem Maße mit Antibiotika behandelt werden, und sei es nur, um einer nachfolgenden Infektion vorzubeugen. Gerade diese Praxis führt ja dazu, dass es diesen Antibiotikatag gibt, der der Anlass für die Pressemeldung des VKHD war.
Andererseits könnte die Therapie mit Antibiotika aber auch weitestgehend angemessen gewesen sein. Dies würde bedeuten, dass die Kinder als an einer bakteriellen Infektion leidend diagnostiziert worden waren und damit letztendlich an einer langwierigeren Ausprägung der Krankheit litten. Immerhin haben vier verschiedene HNO-Ärzte die Verordnungen getroffen. Ist es wahrscheinlich, dass alle vier aus Unkenntnis oder aus niederen Motiven heraus – so wie es die Anhänger der Alternativmedizin ja gerne sehen – diese Fehlverordnung getätigt haben?
Gegen die angenommenen Unterschiede in der Ausgangslage spricht aber, dass in beiden Gruppen Schmerzen erst einen Tag vor Beginn der Behandlung aufgetreten sind, Fieber gar nicht. Oder könnte die Dauer ‚vor dem ersten Arztbesuch‘ gemeint sein? In diesem Falle wäre das dann in der konventionell behandelten Gruppe der Kinderarzt gewesen, der in der Folge die Überweisung veranlasste.
Wenn die Behandlung der konventionellen Mediziner mit Antibiotika gerechtfertigt war, dann hatten die betreffenden Kinder mit einer längerfristigen und hartnäckigeren Erkrankung zu tun gehabt als die in der Homöopathiegruppe. Unter diesen Umständen wäre es zwangsläufig zu erwarten, dass die Genesung weniger glatt verläuft und, wie es sich hier ergeben hat, die konventionell behandelten Kinder in allen Kennwerten des Behandlungserfolges schlechter abschnitten. Sowohl was die Dauer der Behandlung betraf – Antibiotika müssen über längere Zeit angewendet werden – als auch die Anzahl der Rückfälle innerhalb des folgenden Jahres.
War aber der Einsatz von Antibiotika nicht angezeigt, weil eine Vireninfektion vorlag, dann wurden die Homöopathika mit einer unwirksamen oder nur auf eine Verbesserung der Begleitsymptome gerichteten Behandlung verglichen. Es könnte also quasi Placeboeffekt gegen Placeboeffekt betrachtet worden sein. Die Autoren der Studie weisen der konventionellen Behandlung den größeren Placeboeffekt zu, hervorgerufen durch die größere Zahl der verordneten Medikamente und deren ‚medizinischeren‘ Aussehens. Könnten aber anders herum, die Kinder viel eher auf den vielleicht einfühlsameren Homöopathen angesprochen haben?
Dafür spricht die Angabe, dass in der Homöopathischen Praxis bereits bei 30 % der Kinder innerhalb der ersten drei Stunden nach der Behandlung eine deutliche Verbesserung des Befindens ergeben hatte, bei den konventionellen Ärzten nur bei 11,5 % der Kinder. Aus eigenem Erleben mit meinem damals dreijährigen Sohn weiß ich, dass die zuvor offensichtlich heftigen Schmerzen im Ohr im Behandlungszimmer mit all den interessanten Dingen darin plötzlich ‚wie weggeblasen‘ vergehen können, also auch ohne den Einfluss eines Medikaments, starke Placeboeffekte möglich sind – oder auch Fehleinschätzungen der Eltern zum Befinden der Kinder.
Quintessenz
Bei dieser Studie ist zumindest ein Zweifel angebracht, ob die homöopathisch und die konventionell behandelten Kinder die gleichen Ausgangsbedingungen aufwiesen. War dies der Fall, dann ist das unterschiedliche Abschneiden nicht verwunderlich. Im anderen Fall wäre die Behandlung mit Antibiotika sinnlos und für den Fortgang der Krankheit bedeutungslos gewesen, und der Erfolg der Homöopathiegruppe könnte auf einem stärkeren Placeboeffekt beruhen. Damit kann die Arbeit auf keinen Fall als Evidenz dafür betrachtet werden, dass Homöopathika und Antibiotika gleichwertig seien, was ja so verstanden werden soll, dass es um Fälle geht, in denen Antibiotika zutreffend verordnet werden. Anderenfalls wäre die Aussage trivial.
… und eine PCT: Friese 2007
Eine Arbeit von Friese et al. aus dem Jahr 2007 schließlich stellt eine doppelt verblindete und randomisierte Vergleichsstudie dar, also das als ‚Goldstandard‘ bezeichnete Studiendesign – jedenfalls wird dies im Titel so angegeben. Diese Studie hat, so steht es jedenfalls im Abstract, wirklich aufsehenerregende Ergebnisse gezeigt. Bei akuter Rhinosinusitis, Friese verwendet diesen Begriff Synonym zur Sinusitis, zeigte sich, dass unter der homöopathischen Behandlung nach drei Wochen eine Heilung oder wesentliche Verbesserung des Befindens bei sage und schreibe 98,6 % der Patienten zu verzeichnen war, wohingegen bei fast 90 % der Placebogruppe die Beschwerden unverändert blieben oder sich gar verschlimmerten.
Wow! Also endlich Schluss mit der Diskussion um mickrige Effektstärken oder gar Zweifel an der Signifikanz. Hier ist ein Ergebnis, dass doch ohne Wenn und Aber nicht nur die Gleichwertigkeit, nein sogar die geradezu überwältigende Überlegenheit der Homöopathie zeigt. Nur bei weniger als 2 % der Patienten versagt sie – wohingegen fast 90 % der konventionell behandelten Patienten mit ihren Beschwerden weiterleben müssen.
James Randi, halten Sie einen Platz frei, ich will Herrn Friese überzeugen, dass wir uns um die Million Dollar bewerben!
Doch halt: Unter Placebo, also unbehandelt, blieben die Beschwerden bei 90 % der Patienten unverändert? Kann das sein? Typische Dauer der Beschwerden sieben bis 14 Tage, sagt die Wikipedia, siehe oben, und hier tat sich nach drei Wochen praktisch nichts?
Da ist doch etwas faul!
Gegenstand der Studie ist die Untersuchung der Wirksamkeit eines Komplexmittels aus vier nur niedrig potenzierten Einzelstoffen bei der Behandlung von akuten Entzündungen der Nebenhöhlen und der Nasenschleimhäute. Da diese Beschwerden praktisch immer gleichzeitig vorliegen, verwendet Friese den Begriff Rhinosinusitis anstelle von Sinusitis, was nur die Entzündung der Nasennebenhöhlen bezeichnet.
Das untersuchte Präparat Cinnabaris Pentarkan H besteht aus Cinnabaris D3 (Zinnober), Echinacea D1 (Sonnenhut), Hydrastis D3 (Kanadische Gelbwurz) und Kalium bichromicum D3 (Kaliumbichromat), nach Angaben des Herstellers DHU jeweils 25 mg pro Tablette (Link).
Dieses Mittel wurde in der Verumgruppe bis zum Eintritt einer Besserung stündlich eingenommen, maximal 12 Tabletten pro Tag, danach nur noch 3-mal täglich 2 Tabletten. Ebenso waren Inhalationen mit Kochsalzlösung erlaubt und bei Fieber die Einnahme von Paracetamol, einem schmerzstillenden und fiebersenkenden Medikament.
Die Studie wurde in den Jahren 2001 und 2002 an mehreren HNO-Zentren in Kiew / Ukraine durchgeführt. Insgesamt wurden 144 Patienten zwischen 18 und 65 Jahren einbezogen, also keine Kinder. Bei den Patienten wurde der Befund durch umfangreiche konventionelle diagnostische Verfahren verifiziert. Die Homöopathie- und die Placebogruppe waren zu Anfang jeweils gleich groß (je 72 Teilnehmer).
Der Zustand der Patienten wurde während der Studie anhand einer aus der Intensität der verschiedenen mit solchen Beschwerden einhergehenden Symptomen gebildeten Bewertungszahl (‚Score‘) ermittelt. Diese wurde jeweils 7, 14 und 21 Tage nach Behandlungsbeginn bestimmt und konnte zwischen 0 (sehr gut) und 20 Punkten (sehr schlecht) liegen. Daneben wurde der Therapieerfolg bewertet, wobei Ärzte und Patienten den erreichten Zustand als ‚beschwerdefrei‘, ‚deutlich gebessert‘, ‚gebessert‘, ‚unverändert‘ und ‚verschlechtert‘ einordneten. Zusätzlich wurden noch eine ganze Reihe anderer Merkmale ermittelt, die hier aber weniger von Interesse sind.
Das Ergebnis sah nun so aus:
In der Homöopathiegruppe betrug der Score zu Beginn durchschnittlich 12,2 Punkte, war nach sieben Tagen bereits auf 5,9 Punkte gesunken und lag am Ende nach 21 Tagen bei nur noch 0,3 Punkten. Bei der Placebogruppe hingegen kam es nur zu einer Änderung von ursprünglich 11,7 über 11,0 auf am Ende 10,6 Punkte. Von der Homöopathiegruppe schied nur ein Patient wegen mangelnden Therapieerfolgs aus der Studie aus, bei der Placebogruppe hingegen 54 Patienten nach 7 Tagen, also über 70 % der Gruppenmitglieder, weitere 9 nach 14 Tagen. Insgesamt beendeten also 87,5 % der Patienten in der Placebogruppe die Studie nicht.
Und genau da liegt die Erklärung für das exorbitante Ergebnis der Studie. Was geschah mit den Ergebnissen dieser Patienten? Man hat sie eingefroren, festgehalten und bis zum Ende der Studie unverändert fortgeschrieben. Ein Patient, der nach sieben Tagen mit einem Score von vielleicht 15 Punkten ausscheidet, steht auch nach 21 Tagen unverändert mit 15 Punkten in der Auswertung, völlig unabhängig davon, wie er sich in den folgenden zwei Wochen entwickelt hat, oder besser, entwickelt hätte. Dies führt zu einem statistischen Artefakt, einem Effekt, der sich allein aus dem Auswerteverfahren ergibt und nichts mit dem realen Geschehen zu tun hat. Selbst unbehandelt geht eine virale Rhinosinusitis im Laufe von zwei, drei Wochen zurück, aber wenn dies geschieht ist, floss dies in die Studie für ausgeschiedene Patienten nicht mehr ein. Nach Lage der Dinge sind in der Auswertung nach 21 Tagen in der Placebogruppe fast 90 % der Teilnehmer mit einer hohen Bewertungszahl enthalten, die sie irgendwann im Laufe der Studie einmal hatten, aber damit ausgeschieden sind, und deren zu erwartende Verbesserung in der Folge nicht mehr registriert wurde.
Dieses Vorgehen, ausgeschiedene Patienten mit ihrem letzten Ergebnis einfach konstant weiterzuführen, ist durchaus üblich. Es verhindert, dass in einer Studie die Behandlungserfolge zu optimistisch dargestellt werden. Dies ist auch normalerweise kein großes Problem, wenn die Ausfallrate nur gering oder zumindest bei beiden Gruppen in etwa gleich groß ist. Aber hier, wenn fast 9 von 10 Patienten einer Gruppe mit einem schlechten Ergebnis festgehalten werden, führt das zu dem Problem, dass eine auch nur halbwegs zutreffende Bewertung der Situation unmöglich ist. Eine in der Arbeit enthaltene Grafik zeigt, dass die Scores der wenigen in der Studie verbliebenen Mitglieder in der Placebogruppe durchaus ähnlich abschnitten wie die Patienten, die das Mittel eingenommen hatten. Es waren allerdings nur noch 7 Patienten anstatt der 61, die in der Homöopathiegruppe bis zum Ende durchgehalten hatten – und denen 63 ausgeschieden Patienten mit hohem Score gegenüberstanden. Das Ergebnis, dass die Placebogruppe praktisch keine positive Veränderung erlebt hat, ist nicht real.
Es bleibt allerdings die Frage, wieso haben denn fast 90 % der Patienten in der Placebogruppe die Studie wegen mangelnden Therapieerfolges abgebrochen, was in der Homöopathiegruppe praktisch nicht vorkam? Das spricht doch für eine zu irgendeinem Zeitpunkt spürbar stärkere Wirkung der homöopathischen Behandlung, zwar nicht am Ende der Untersuchung, aber zu irgendeinem Zeitpunkt mitten drin.
Betrachten wir hierzu das eingesetzte Mittel, das tatsächlich eine Zulassungsnummer trägt, also offenbar ein zugelassenes Arzneimittel ist, ganz im Gegensatz zu den sonst üblichen Homöopathika, die nur registriert werden und für die kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden muss. Aber auch im Gegensatz zu den üblichen Homöopathika enthält das Mittel Cinnabaris Pentarkan H recht substanzielle Mengen der Urtinktur eines der vier Grundstoffe.
Bei der täglichen Einnahme von 12 Tabletten, wie es hier in der Studie bis zur Besserung der Symptome erfolgte, nimmt der Patient immerhin 30 mg Echinacea als wesentlichen Wirkstoff zu sich, das in D1-Verdünnung zu 25 mg pro Tablette enthalten ist. Zum Vergleich: Das ist die 100-fache Menge der Tagesdosis, wenn man Echinacea D1 als Globuli (30 Stück) einnehmen würde.
Kann diese für homöopathische Verhältnisse außerordentlich hohe Wirkstoffmenge einen deutlichen Heileffekt hervorgerufen haben?
Echinacea wird aus dem in Nordamerika heimischen Sonnenhut gewonnen (Link), der zu der Familie der Korbblütler gehört, wie auch unsere heimische Ringelblume oder die echte Kamille. Sie wurde von den nordamerikanischen Ureinwohnern bei Verbrennungen, Schlangenbissen, Schmerzen, Husten und bei rauem Hals benutzt. Als Mittel der Phytotherapie, der Pflanzenheilkunde, wird es heute bei allen Arten von Infektionen der oberen Atemwege – also Erkältungen – benutzt [8]. Es liegen wohl eine ganze Zahl von Studien zur Wirkung von Echinacea-Produkten vor, in denen sich ein Vorteil gegenüber Placebo zeigte, aber die Größe des Effekts reichte für eine Empfehlung zur Vorbeugung oder Behandlung gewöhnlicher Erkältungskrankheiten nicht aus [9].
Dabei ist allerdings festzustellen, dass die Einnahme im Rahmen der Phytotherapie in erheblich größeren Dosierungen erfolgt als hier in der Studie, nämlich bis über 1 g täglich.
Eine spezifische Wirksamkeit des Echinacea in der Studie liegt also im Rahmen des Möglichen, wenn dies auch nicht unbedingt sicher ist. Kann es andere Gründe gegeben haben?
Selbst wenn man in der Studie genau prüft, findet man keine Angaben dazu, wie die Randomisierung und die Verblindung erfolgte. Eine Beschreibung der Placebos fehlt ebenso. Wenn man die Maßstäbe wissenschaftlicher Arbeiten hier anlegt, dann gelten diese nicht beschriebenen Dinge als nicht ausgeführt. Damit ist nicht sichergestellt, dass die Gruppen gleich waren, die Teilnehmer und das Studienpersonal in Unkenntnis darüber waren, zu welcher Gruppe sie gehörten. Wurde überhaupt ein materielles Placebo gegeben, oder erhielten diese Patienten einfach nichts? Man stelle sich vor, ein Patient der Kontrollgruppe weiß, dass er keinen Wirkstoff erhält. Wird er nicht besonders sensibel auf nicht eingetretene Veränderungen oder gar Verschlechterungen reagieren? Und zu der Schlussfolgerung gelangen ‚Ihr könnt mich mal, mit eurer Studie, mir tut der Kopf weh und das will ich nicht länger hinnehmen.‘ Schließlich waren in der Studie keine Schmerzmittel zugelassen, wenn kein Fieber vorlag. Könnte hierin die hohe Ausfallquote der Placebogruppe begründet sein?
Schwer zu sagen, woran es letztendlich lag, dass die Homöopathiegruppe ohne Zweifel besser abgeschnitten hat als die Placebogruppe. Selbst wenn dies auf die Wirkung des eigentlich deutlich zu niedrig dosierten Echinaceas zurückzuführen sein sollte, dann spricht dies eher gegen als für die Richtigkeit der wichtigsten Grundannahme der Homöopathie, nämlich des Ähnlichkeitsprinzips. In Studien an Tieren wurde herausgefunden, dass Echinacea das Immunsystem dahingehend beeinflusst, dass die Anzahl der weißen Blutkörperchen steigt, und einige andere Merkmale des Immunsystems verbessert oder aktiviert werden [8]. Diese Folgen der Einnahme größerer Mengen von Echinacea hätten sich als Homöopathikum umkehren müssen, die Patienten hätten also kränker werden müssen, wenn das Ähnlichkeitsgesetz gültig wäre. Allein, dies ist nicht eingetreten, die Patienten der Homöopathiegruppe sind ja schneller gesund geworden.
Natürlich kann man jetzt anführen, dass das Mittel wegen seines hohen Wirkstoffgehalts eigentlich kein richtiges Homöopathikum ist – dann ist aber dies Studie völlig irrelevant, irgendwelche Aussagen zur Homöopathie zu belegen.
Quintessenz:
Aus dieser Arbeit auf eine gleichwertige Wirkung eines Homöopathikums zu Antibiotika zu schließen, ist nicht gerechtfertigt. Zum Einen fehlen wichtige Angaben, die für eine Beurteilung der Zuverlässigkeit der Studienergebnisse unabdingbar sind (Randomisierung, Verblindung, Placebo). Angesichts der Tagesdosis des Hauptbestandteils von 30 mg pro Tag hat diese Therapie auch nicht viel mit einer normalen homöopathischen Behandlung gemein. Das Endergebnis ist in der Größenordnung ein statistischer Artefakt, der mit dem tatsächlichen Geschehen nichts zu tun hat – und selbst, wenn eine Wirkung im Verlauf der Studie zu beobachten war, spricht das eher gegen die Grundprinzipien der Homöopathie als dafür. Für einen Vergleich zur Wirkung mit Antibiotika fehlt jede Basis, denn diese kommen in der Studie nicht vor.
Zusammenfassung:
Der VKHD hat insgesamt sechs Studien benannt, aus denen eine mit Antibiotika vergleichbare Wirkung von homöopathischen Präparaten hervorgehen soll. Aus keiner dieser Quellen geht zweifelsfrei hervor, dass homöopathischen Mittel eine Wirksamkeit entfalten können, die diese Aussage rechtfertigen würden. Bezüglich der angesprochenen Wirkung bei Harnwegsinfektionen wurde keine Studie genannt.
Nur dort, wo Antibiotika eher nicht angezeigt sind, bei viralen Infektionen, bei denen sie auf das Krankengeschehen keinen Einfluss haben, ist der Effekt der homöopathischen Mittel vergleichbar. In Fällen aber, in denen der Einsatz von Antibiotika erforderlich ist, sind Homöopathika fehl am Platze. Zumindest geben die vom VKHD genannten Veröffentlichungen keinen Anlass, diese Ansicht zu revidieren.
Danksagung:
Ich danke Herrn Dr. W. Vahle und Herrn Dr. Stümpel für ihre Unterstützung bei der Beschaffung der Literatur und ihre fachlichen Hinweise.
Literatur:
[1] Adler M: Efficacy and saafety of a fixed-combination homeopathic therapy for sinusitis, Adv Ther (1999) 16(2): 103-11, Link zum Abstract
[2] Nayak C, Singh V, Singh VP, Oberai P et al.: Homeopathy in chronic sinusitis: a prospective multi-centric observational study, Homeopathy (2012); 101: 84-91, Link zum Abstract
[3] Witt CM, Lüdtke R, Willich SN: Homeopathic treatment of patients with chronic sinusitis: A prospective observational study with 8 years follow-up, BMC Ear Nose Throat Disord (2009) Jul 27;9:7, doi 10.1186/1472-6815-9-7, Link zum Volltext
[4] Haidvogl M, Riley DS, Heger M, Brien S, Jong M, Fischer M, Lewith GT, Jansen G, Thurneysen AE: Homeopathic and conventional treatment for acute respiratory and ear complaints: a comparative study on outcome in the primary care setting, BMC Complement Altern Med (2007); 7:7, Link zum Volltext
[5] Kruse S: Otitis Media bei Kindern. Homöopathische Therapie versus konventionelle Therapie, Universität Tübingen, Dissertation 1997, erschienen 1998 im Verlag Hippokrates, Stuttgart.
[6] Friese KH, Kruse S, Lüdtke R, Moeller H: The homeopathic treatment of otitis media in children – comparisons with conventional therapy, International Journal of Clinical Pharmacology and Therapeutics (1997) 35;(7):296-301, Link zum Volltext
[7] Friese KH, Zabaloznyi DI: Homöopathie bei akuter Rhinosinusitis – Eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie belegt die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines homöopathischen Kombinationspräparats, HNO (2007); 55:271-277, Link zum Abstract
[8] Saper RB: Clinical Use of Echinacea in UpToDate.com / Wolters Kluwer Health, Link zum Volltext (Registrierung erforderlich)
[9] DEGAM-Leitlinie Nr. 10 Rhinosinusitis, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2008.
Zur Studie [7] Friese KH, Zabaloznyi DI:
Man wird sicher nicht definitiv herausbekommen warum so viele Patienten aus der Placebogruppe ausgeschieden sind. Allerdings ist der Unterschied, nun ja, absurd groß. Eine tatsächliche Wirksamkeit des Medikaments als Grund für diese riesige Differenz? Das legt eher nahe, dass ganz handfest gefälscht wurde.
Lehrreich, wie immer.
Vielen Dank für die Analyse.
Leider machen sich viel zu wenige Personen die Mühe, Statistiken kritisch zu durchleuchten.
Bei einer Suche nach dem Mittel aus der letzten Studie (Cinnabaris Pentarkan H) gelangte ich auf die Seite der DHU (die das Mittel als Cinnabsin vertreibt) und in einer Pressemitteilung die ukrainische Studie als Beweis für die Wirksamkeit angibt. Auch auf der Produktseite selbst wird die Studie als Nachweis der Wirksamkeit zitiert und auch sonst wird eigentlich nur diese Studie genannt. Das Ergebnis ist ja auch einfach toll :D.
Nachdem im Artikel ja schon auf die fast phytotherapeutischen Dosen von Echinacea eingegangen wurde, habe ich mir mal die anderen beiden Inhaltsstoffe der laut DHU sanften Medizin angeschaut.
Zinnober: Eine Quecksilberverbindung. Oh nein! Wenn in allopathischen Medikamenten die gleiche Verbindung auftauchen würde, wären die Homöopathie- und Naturheilfreunde (bzw. die, die Homöopathie für ein Naturheilverfahren halten und nicht von Phytotherapie unterscheiden (können)) in heller Aufregung und würfen der Pharmaindustrie vermutlich Vergiftungsabsichten vor.
Nunja, vielleicht auch nicht. Immerhin ist Zinnober eine der wenigen ungiftigen Quecksilberverbindungen, weil sie so extrem schwer löslich ist.
Hydrastis Canadensis: Wurde früher in Berberil Augentropfen erfolgreich eingesetzt, wenn auch in höheren Konzentrationen. Wirkt tatsächlich abschwellend.
Kaliumbichromat = Kaliumdichromat: Dass dieser Stoff in der relativ geringen Verdünnung D3 eingesetzt werden darf, wundert mich doch etwas. Wenn man mit den 12 Tabletten/ Tag aus der Studie rechnet (Nebenbemerkung: In der Packungsbeilage zu Cinnabsin steht 6 Tabletten als Tageshöchstdosis), die je 25 mg Chromat D3 enthalten, ergibt das 300 mg Kaliumdichromat. Da es sich um D3 handelt muss noch durch 1000 geteilt werden, macht dann 300 µg, die man pro Tag zu sich nimmt, und das über mehrere Tage. Anders als beim allseits als giftig bekannten Quecksilber, wissen vermutlich weniger Leute, dass Chromat sehr giftig ist (außer, sie haben vielleicht den Film Erin Brokovich gesehen, denn das dort immer wieder genannte „6-wertige Chrom“ ist nichts anderes als Chromat); weniger akut, als über einen längeren Zeitraum: Chromat ist mutagen, kanzerogen und fortpflanzungsgefährdend. Wie bei krebserzeugenden Stoffen üblich kann man keinen Schwellenwert für diese Wirkungen angeben, so dass es auch keinen MAK-Wert gibt – soll heißen, potentiell reicht 1 Molekül des Stoffes, um Krebs auszulösen. Das ist bei Hochpotenzen vertretbar, bei D3 finde ich es doch grenzwertig. Zumal das Mittel ja, wie Homöopathika im Allgemeinen, als gut verträglich, nebenwirkungsarm/ frei und eben auch natürlich angepriesen werden. Das homöopathische Arzneibuch gibt als Bezugsquelle für Kaliumdichromat übrigens „chemische Industrie“ an.
Quintessenz für mich: Selbst wenn das Medikament wirken sollte, würde ich bei einer Erkältung entweder der Erkankung ihren Lauf lassen, oder zumindest Arzneimittel bevorzugen, in denen nicht vorsätzlich kanzerogene Stoffe verarbeitet wurden.
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