In Ihren beiden letzten Romanen verarbeiten Sie tragische Ereignisse Ihrer Familiengeschichte literarisch: In der „Mittagsfrau“ haben Sie sich auf Spurensuche nach der Herkunft Ihres Vaters begeben, in Ihrem Roman „Rücken an Rücken“ widmen Sie sich Ihrem mütterlichen Familienzweig. Woher rührt Ihr Interesse, sich mit Ihrer eigenen Familie zu beschäftigen?
Im Erwachsenwerden wollte ich verstehen, nachvollziehen, was meine Eltern und Großeltern wohl zu den Menschen werden ließen, die sie einerseits mutig und stark, andererseits aber auch unzulänglich und revolutionär, trotzig oder auch ignorant jeder Gesellschaft und ihren Nächsten gegenüber erscheinen ließ. Mir fiel auf, dass es bestimmte Ereignisse und Erfahrungen gibt, die in dieser Familie sowohl historisch und gesellschaftlich als auch individuell zueinander passen. Nicht harmonisch oder glücklich, eher tragisch und fatal. Der allzu frühe Verlust zweier allerliebsten und nächsten Menschen haben sicherlich meine Großmutter, meine Mutter wie auch mich selbst stark geprägt. Es wundert mich nicht, dass meine Großmutter bis ins hohe Alter neben Gedichten immer wieder griechische Tragödien las und die letzten Sätze ihres von Demenz gezeichneten Gedächtnisses Gretchens barmende Zeilen aus Goethes „Faust“ zitierten. Erinnerung, Mythen, Gerüchte, Legenden, wie sie in vielen Familien von einer Generation auf die nächste wandern, verändern sich in jedem Erzähler.
Ihr neues Buch „Welten auseinander“ ist kein Roman. Was war Ihr Motiv, diesmal eine autobiografische Erzählung zu schreiben?
Von Marguerite Duras, James Baldwin, Annie Ernaux über Coetzee und Kertész bis zu Uwe Johnson, Thomas Bernhard, dem frühen Handke und Autoren wie Uwe Timm gibt es ja eine lange Tradition solcher