Wer die Butter hat, wird frech: Anekdoten über Kurt Tucholsky
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Buchvorschau
Wer die Butter hat, wird frech - Eulenspiegel Verlag
Impressum
ISBN eBook 978-3-359-50033-9
ISBN Print 978-3-359-02447-7
© 2014 Eulenspiegel Verlag, Berlin
Umschlaggestaltung: Verlag unter Verwendung
eines Fotos/Motivs von bigstock.com
Eulenspiegel · Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
Neue Grünstraße 18, 10179 Berlin
Die Bücher des Eulenspiegel Verlags erscheinen
in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de
Zum Geleit
»Jede Zeit hat den Satiriker, den sie verdient. Dass das nachrevolutionäre Berlin Kurt Tucholsky zustimmt, spricht – trotz allem anderen – für dieses Berlin und für diese Zeit. Kurt Tucholsky besitzt Leidenschaft, Kühle, Pathos, Ironie, Hass und Witz. Und das Beste ist, dass seine Leidenschaft sich am unmittelbarsten im Witz, sein Pathos sich am elementarsten in der Ironie überträgt. Tucholskys Formulierungstalent ist außerordentlich. Aber die Pointe selbst, ihre Zuspitzung, ihre refrainhafte, leitmotivische Wiederholung ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist der ethische Wille, der dahinter steht«, schrieb der Journalist und Theaterkritiker Herbert Ihering und charakterisierte damit einen der namhaftesten Publizisten und originellsten Autoren der Weimarer Republik.
Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber der Wochenzeitschrift Die Weltbühne erwies sich Tucholsky als Gesellschaftskritiker in der Tradition Heinrich Heines. Zugleich war er Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor und Lyriker. Er verstand sich selbst als linker Demokrat, Pazifist und Antimilitarist und warnte vor antidemokratischen Tendenzen in Politik, Militär und Justiz und vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus.
Der Berliner Bürgersohn Kurt Tucholsky, geboren im Kaiserreich, zur Zeit der Weimarer Republik im Zenit seines Erfolgs stehend, ging Mitte der zwanziger Jahre nach Paris. Als die Nazis an die Macht kamen und ihn ausbürgerten, lebte er längst in Schweden. Von Exil wollte er nicht sprechen, mit Deutschland sei er fertig, von publizistischen Aktivitäten zog er sich zurück, verstummte. Von Krankheit gezeichnet, starb er an einer Überdosis Schlafmittel.
In einer posthumen Ehrung sagte sein Verleger Ernst Rowohlt: »Sie waren für mich einer meiner liebsten Autoren. Wenige werden wissen, dass hinter Ihrer scharfen Feder und Ihrer unverwüstlichen Kampfeslust ein so warmblütiger und in jedem Sinne menschlicher Freund steckte. Jede Zeile, die ich von Ihnen gedruckt habe, war mir aus dem Herzen gesprochen!, denn Sie waren ein wirklicher Kämpfer gegen jegliche Reaktion, gegen jeden Blödsinn der Politiker und gegen jede spießige Gefühlsduselei und so recht ein Mann nach meinem Herzen. Sie, lieber Tucholsky, brauchten wir heute.«
Der vorliegende Anekdotenband ist nicht der leichtherzigste seines Genres geworden – die Tragik lässt sich bei diesem komplizierten Charakter und diesen politischen Zeitverhältnissen nicht ausklammern. Wir müssen es also bei der Lektüre mit Tucholsky selbst halten: »Lerne lachen ohne zu weinen.«
Autobiografie
Soweit ich mich erinnere, wurde ich am 9. Januar 1890 als Angestellter der Weltbühne zu Berlin geboren. Meine Vorfahren haben, laut Miesbacher Anzeiger, auf Bäumen gesessen und in der Nase gebohrt. Ich selbst lebe still und friedlich in Paris, spiele täglich nach Tisch mit Doumergue und Briand ein halbes Stündchen Schafskopf, was mir nicht schwerfällt, und habe im Leben nur noch einen kleinen Wunsch: die Rollen der deutschen politischen Gefangenen und ihrer Richter einmal vertauscht zu sehen.« (1926)
Der fünffache Tucholsky
Im Vorwort seines Buches »Mit 5 PS « klärte Kurt Tucholsky die Leser über seine Pseudonyme auf: »Wir sind fünf Finger an einer Hand. Der auf dem Titelblatt und: Ignaz Wrobel. Theobald Tiger. Peter Panter. Kaspar Hauser. Aus dem Dunkel sind diese Pseudonyme aufgetaucht, als Spiel gedacht, als Spiel erfunden – das war damals, als meine ersten Arbeiten in der Weltbühne standen. Eine kleine Wochenschrift mag nicht viermal denselben Mann in einer Nummer haben, und so erstanden, zum Spaß, diese Homunculi. Sie sahen sich gedruckt, noch purzelten sie alle durcheinander; schon setzten sie sich zurecht, wurden sicherer, sehr sicher, kühn – da führten sie ihr eigenes Dasein … Und es war auch nützlich, fünfmal vorhanden zu sein – denn wer glaubt in Deutschland einem politischen Schriftsteller Humor? dem Satiriker Ernst? dem Verspielten Kenntnis des Strafgesetzbuches, dem Städteschilderer lustige Verse? Humor diskreditiert. Wir wollten uns nicht diskreditieren lassen und taten jeder seins.«
Who is who?
Die Pseudonyme wählte Tucholsky mehr oder weniger zufällig, man kann sagen: Er hat sie ge- und nicht erfunden.
Wrobel hieß der Verfasser eines Rechenbuches, mit dem der Schüler Kurt sich herumschlagen musste. »Und weil mir der Name Ignaz besonders hässlich erschien, kratzbürstig und ganz und gar abscheulich, beging ich diesen kleinen Akt der Selbstzerstörung und taufte so einen Bezirk meines Wesens.« Er hatte auch eine optische Vorstellung: »Wrobel, ein essigsaurer, bebrillter, blaurasierter Kerl, in der Nähe eines Buckels und roter Haare.«
Aus dem Jurastudium nahm er die »Aliterationstiere« Theobald Tiger und Peter Panter mit. Nach diesem Muster pflegte ein Dozent der juristischen Fakultät die Kontrahenten seiner Beispielfälle zu benennen.
Der Name des Nürnberger Findelkindes aus dem 19.Jahrhundert war das jüngste der Pseudonyme: »… nach dem Kriege schlug noch Kaspar Hauser die Augen auf, sah in die Welt und verstand sie nicht.«
Arbeitsteilung
Peter Panter war für Buchrezensionen, Theaterkritiken und Feuilletons zuständig und »… stirbt, als er alles weiß und nichts mehr kann – denn so kann man nicht leben«. Theobald Tiger verfasste Chansons fürs Kabarett oder gereimte Leitartikel, er »sang nur Verse, waren keine da, schlief er«. Ignaz Wrobel betätigte sich als politischer Kommentator, ein Warner und Aufklärer, der sich auf scharfzüngige Satire verstand. Mit melancholischem Blick sah Kaspar Hauser in die Welt und betätigte sich als eher nachsichtiger Kritiker.
Heitere Schizophrenie
Pseudonyme sind wie kleine Menschen; es ist gefährlich, Namen zu erfinden, sich für jemand anders auszugeben, Namen anzulegen – ein Name lebt, und was als Spielerei begonnen, endet als heitere Schizophrenie. Ich mag uns gern.«
Das Leben ist endlich …
Auch seine »Homunculi« würden den Weg alles Irdischen gehen, muss sich Tucholsky gesagt haben und entwarf schon 1923 einen Spruch für die letzte Ruhestätte von Ignaz Wrobel: »Hier ruht ein goldenes Herz und eine eiserne Schnauze. Gute Nacht –!«
Auch an einen Nachruf verschwendete er seine Gedanken: »Wie mein Nachruf aussehen soll, weiß ich nicht. Ich weiß nur, wie er aussehen wird. Er wird aus einer Silbe bestehen. Pappa und Mamma sitzen am abgegessenen Abendbrottisch und vertreiben sich ihre Ehe mit Zeitungslektüre. Da hebt Er plötzlich, durch ein Bild von Dolbin erschreckt, den Kopf und sagt: ›Denk mal, der Theobald Tiger ist gestorben!‹ Und dann wird Sie meinen Nachruf sprechen. Sie sagt: ›Ach –!‹«
literarische Versuche
Begeistert von den Märchen Wilhelm Hauffs, verfasste der kleine