555 populäre Irrtümer: Warum Angela Merkel eigentlich ein Wessi ist, man Eier nicht abschrecken muss und Erdnüsse keine Nüsse sind
Von Norbert Golluch
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555 populäre Irrtümer - Norbert Golluch
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2. Auflage 2019
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Redaktion: Stefanie Barthold
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Abbildungen Umschlag und Innenteil: Kristin Hoffmann und Shutterstock
Satz und E-Book: Daniel Förster, Belgern
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ISBN E-Book (PDF): 978-3-86413-507-1
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Man erkennt den Irrtum daran, dass alle Welt ihn teilt.
(Jean Giraudoux, französischer Schriftsteller, 1882–1944)
Inhalt
Titel
Impressum
Zitat
Inhalt
Vorwort
Blinde Schlangen und Alter nach Punkten:
Tiere
Seltsame Beeren und Regenwald eiskalt:
Pflanzen
Großvater Affe und der Schlaf vor Mitternacht:
Der menschliche Körper
Von der Höhle zur Autobahn:
Geschichten und Geschichte
Legenden von der Frische und Glück aus der Banane:
Essen und Trinken
Warum Kolumbus nicht von der Scheibe fiel:
Geografie
Kometenschweife und Wasseradern:
Naturwissenschaft
Wahre Erfinder und zu volle Festplatten:
Technik und Technikgeschichte
Olle Kamellen unter aller Sau:
Sprache
Die Schuld beim Auffahren ohne Personalausweis:
Recht und Gesetz
Der Walzer, der keiner war:
Musik
Die Putzfrau und die Avantgarde:
Kunst
Old Shatterhand und Frankensteins Monster:
Literatur
Miss Sophie und der blaue Engel:
Film und Fernsehen
Aus diversen Schubladen:
Alltagsirrtümer
… ein paar neue Irrtümer?
Über den Autor
Vorwort
Wasser ist nass. Gegenüber von Norden liegt Süden. Manche Dinge stellen wir nicht infrage – dass die Sonne morgens aufgeht und abends untergeht zum Beispiel, dass sich die Zeit vorwärts und niemals rückwärts bewegt und dass wir jeden Tag älter werden. Mit einer Änderung dieser Prämissen würden wir unser Weltbild ins Wanken bringen. Andere Gewissheiten gewinnen ihre Bedeutung einfach aus ihrer stereotypen Präsenz, man hält etwas einfach für wahr, weil es immer so war oder weil schon Mutter es so kannte – ohne es zu hinterfragen. Häufig ruht eine solche gewohnte Sicherheit aber auf tönernen Füßen. Das fällt im alltäglichen Leben nicht auf, weil diese Annahmen keine konkreten Folgen haben und weil unser Alltag eine erstaunliche Fehlertoleranz aufweist.
Auch wenn viele Menschen irrtümlich daran glauben: Freitag, der 13. bringt nicht wirklich Unglück und bei Vollmond schläft man höchstens schlecht, weil man es sich einredet. Wenn wir das Feld der traditionellen Irrungen hinter uns lassen, tun sich weitere Möglichkeiten für unterhaltsame Irrtümer auf: Neu erworbenes Wissen, die letzte Diät in der Frauenzeitschrift, fragwürdige Informationen aus Sensationsmedien, der letzte Hype aus dem Internet oder die Erkenntnisse einer spekulativen Wissenschaft stellen Behauptungen auf, die sich im Nachhinein als fehlerhaft, weil ungenügend recherchiert, manipuliert oder durch neuere Untersuchungen überholt, erweisen. Das Feld der Irrtümer ist also groß – beginnen wir, es zu beackern und uns über die Unwissenheit unserer Mitmenschen zu belustigen. Ein Gedanke sollte dabei allerdings nicht in Vergessenheit geraten: Die Gewissheit von heute ist der Irrtum von morgen. Es könnte schon bald sein, dass auch jemand über die Irrtümer in diesem Buch lacht.
Blinde Schlangen und Alter nach Punkten
Tiere
26140.jpgWas wissen wir nicht alles über Tiere? Mäuse fressen Käse, und Bären lieben Honig. Katzen sehen auch im Dunkeln. Ohrenkneifer kriechen mit Vorliebe in Ohren, Insekten mit gelb-schwarzem Hinterteil sind entweder fleißige Bienen oder bösartige Wespen. Der Stich von Libelle und Hornisse ist gefährlich, Blindschleichen sind blinde Schlangen und Glühwürmchen leuchtende Würmer. Die Anzahl der Irrtümer über Tiere ist beachtlich. Bekämpfen wir sie also, beginnend mit den Würmern, die keine sind.
Glühwürmchen sind glühende Würmer.
Nein, bei den Glühwürmchen handelt es sich um eine Käferart. Die Leuchtkäfer tragen den niedlichen lateinischen Namen Lampyridae, und ihr Verfahren, Licht zu erzeugen, nennt man Biolumineszenz. Die Substanz, die ihnen dieses ermöglicht, nennt sich Luciferin, und die Lichtausbeute dieser Tiere ist erstaunlich. Sie erzeugen kaltes Licht, das heißt, es gibt fast keine Wärmeverluste, sodass sie 95 Prozent der eingesetzten Energie in Licht umwandeln können. Von einem solchen Wirkungsgrad in der Beleuchtungstechnik träumen wir Menschen. Natürlich geht es bei den Lichteffekten der Käfer um die Liebe – Männchen und Weibchen sollen zueinanderfinden. Jede Käferart hat einen unterschiedlichen Leuchtcode. Bei einigen Arten leuchten nur die Weibchen, bei anderen auch die Männchen. Besonders effektvoll gestalten die Arten Pteroptyx gelasina und Pteroptyx similis ihre Lightshow – alle Käfer, die einander sehen können, synchronisieren ihre Blinksignale, was ganze Strauchgruppen oder sogar Baumreihen in eine blinkende Festbeleuchtung hüllt.
Chamäleons passen sich der Farbe ihrer Umgebung an.
Dieses Verhalten würde ihnen zwar einen enormen evolutionären Vorteil bringen, aber leider funktioniert es nicht immer so perfekt. Zwar nehmen Chamäleons die Farbe ihres Untergrunds an, wenn sie ruhen, sonst stellt ihre Hautoberfläche aber eher einen Monitor ihres Gefühlszustands dar als ein Tarnungsinstrument. Mit ihrer Farbe und Musterung signalisieren sie ihren Artgenossen zum Beispiel Paarungsbereitschaft oder auch aggressive Stimmungen. Wichtig ist die Farbe auch für die Regulation der Körpertemperatur – Chamäleons sind wechselwarme Reptilien. Brennt ihnen die Sonne auf den Pelz, sodass der Körper zu überhitzen droht, wählen sie eine helle Farbe, um das auffallende Sonnenlicht zu reflektieren. Wird es kühl, absorbiert eine dunkle Hautoberfläche die auftreffende Lichtenergie besser.
Fische sind kalt wie … Fische eben.
Ein kuschelig warmer Fisch ist eine merkwürdige Vorstellung. Fische sind wechselwarme Tiere, deren Körpertemperatur durch die Umgebung bestimmt wird – wenn das Wasser kalt ist, sind auch die Fische kalt. Falsch! Im Inneren von Tunfischen liegt die Körpertemperatur um mehr als zehn Grad über der des umgebenden Wassers. Das befähigt sie zu besseren Muskelleistungen und somit zu größerer Beweglichkeit. Ähnliches gilt für Haie – ihr Körper nutzt durch eine besondere Form des Blutkreislaufs (Gegenströmungsprinzip) die Wärme der Muskeln besser, ihre Kerntemperatur liegt um etwa 6 °C über der des Wassers. Eine sehr selektive Form von erhöhter Körpertemperatur begünstigt den Schwertfisch. Die Netzhaut seiner Augen ist um 15 bis 28 °C wärmer als die Umgebung. Dafür sorgt ein Muskel hinter dem Auge. Dadurch funktionieren die Sehnerven besser und schneller, der Raubfisch ist seiner Beute deutlich überlegen.
Vögel brüten ihre Eier aus.
Irrtum, manche lassen auch brüten. Der Kuckuck zum Beispiel, aber das ist ja sicher bekannt. Einen ganz besonderen Fall stellt die folgende Vogelart dar: Das Thermometerhuhn (Leipoa ocellata) im südlichen Australien nutzt die Wärme von verrottenden Pflanzenteilen, um seine Eier auszubrüten. Das Tier häuft Blätter und anderes kompostierbares Material an. Sein »Nest« erreicht eine Höhe von bis zu 1,50 Metern. Dann legt es seine Eier darin ab. Die Bruttemperatur sollte bei 33 °C liegen, und erstaunlicherweise benutzt der Vogel seinen langen Schnabel wie ein Thermometer, um das zu überprüfen. Wenn die Prüfung des Nests mit dem Schnabel eine zu geringe Temperatur ergibt, wird neues Laub aufgeschichtet. Ist es drinnen zu warm, entfernt der schlaue Vogel eine gewisse Menge kompostierender Masse.
Alle Fische atmen durch Kiemen.
Irrtum. Das stimmt für die meisten Fischarten, aber es sind eben nicht alle. Es gibt einige wenige Arten, die ihren Sauerstoff auf anderem Wege beziehen. Der Afrikanische Lungenfisch macht seinem Namen alle Ehre – er atmet durch Lungen und kann auch auf dem Land überleben. Allerdings atmet er nur durch seine Lungen, wenn er unbedingt muss. Solange es Wasser gibt und seine schleimige Haut feucht bleibt, bezieht er den Großteil seines Sauerstoffs über die Haut – aus der Luft oder aus dem Wasser. Er verfügt zwar noch über Kiemen, allerdings sind diese stark zurückgebildet und nicht mehr funktionsfähig. Die Hautatmung nutzen auch Flunder, Seezunge, Kabeljau und Aal. Andere Fischarten nehmen ihre Luft auf noch exotischere Weise zu sich: Die Atmung durch den Verdauungstrakt, die Schwimmblase oder besondere Schädelkammern wird unter den Flossenträgern ebenfalls praktiziert. Womit eine Eigenschaft angesprochen wird, die allen Fischen gemeinsam ist, gleichgültig, wie sie an ihren Sauerstoff kommen: Sie alle haben Flossen.
Bienen sind gelb-schwarz gestreift.
Nicht nur, dass ständig Bienen und Wespen verwechselt werden, das Gelb-Schwarz-Muster bringt uns Menschen gedanklich ziemlich durcheinander und produziert gleich eine ganze Reihe von Irrtümern. Nein, Bienen haben gar keinen schwarz-gelb gestreiften Hinterleib, sondern eine hell-dunkle Streifenfärbung. Biene Maja und ihr Freund Willi sind farblich zumindest überhöht dargestellt. Wenn tatsächlich gelbe und schwarze Streifen aufeinanderfolgen, haben wir meist eine Wespe vor uns – oder einen Spieler von Borussia Dortmund. Scherz beiseite – das von der Natur entwickelte, äußerst effektive Warnmuster erfüllt verschiedene Aufgaben. Gelb-Schwarz bedeutet an vielen Stellen in der Natur »Vorsicht, Gefahr!«. Gelb-Schwarz schützt die so gestreiften Insekten davor, vom Vogel gefressen zu werden, warnen doch die Streifen vor dem giftigen und schmerzhaften Stachel der wehrhaften Insekten. Davon profitieren aber nicht nur Hornissen (eine besonders große Wespenart) und andere Wespen, die tatsächlich bewaffnet sind, sondern auch eine ganze Reihe von völlig harmlosen, ja geradezu wehrlosen Insektenarten wie die Dickkopffliegen, bestimmte Schwebfliegen-Arten wie die Hainschwebfliege, die Späte-Gelbrand-Schwebfliege oder die Wespenschwebfliege. Ihr im Vergleich zu Wespen völlig anderes Flugverhalten fällt wohl nur uns Menschen auf den ersten Blick auf. Diese ziemlich geniale Anpassung nennt man Mimikry. Auch Käfer und Schmetterlinge machen in Gelb-Schwarz, so der Echte Widderbock und der Eichenwidderbock, zwei nahe verwandte Käferarten, oder der Hornissen-Glasflügler, ein kleiner Schmetterling. Sie alle profitieren in gewisser Weise von der Wehrhaftigkeit anderer. Auch die Wespenspinne – kein Insekt – nutzt die warnende Farbkombination, obwohl sie auch selbst immerhin über Giftklauen verfügt. Sicher ist sicher.
Apropos Sicherheit: Leider funktioniert dieser Schutz durch Anpassung nicht sofort, sondern oft erst dann, wenn der Fressfeind einmal versehentlich eine Wespe erwischt hat. Vor diesem unerfreulichen Ereignis schmecken ihm die wehrlosen Mimikry-Anwender eigentlich ganz gut, erst nach der schmerzhaften Erfahrung zögert der nun besser informierte Räuber, bevor er wieder zuschlägt. Schlimmer allerdings für die armen Opfer: Manche Vogelarten können die gefährlichen Originale perfekt von den schmackhaften Imitatoren unterscheiden.
Abschließend wäre vielleicht noch zu sagen, dass die stachelbewehrten Insekten die Warnfarbe nicht gepachtet haben. Kröten, Feuersalamander, Schlangen, Giftfrösche und Menschen verwenden die auffällige Farbkombination mit großem Erfolg. Die Grenzpfähle der österreichisch-ungarischen Monarchie sollen gelb-schwarz gewesen sein, und in unserem Lande finden wir die warnende Konstellation auf jedem Ortsschild, auch wenn es nur wenige Orte gibt, vor denen tatsächlich gewarnt werden müsste.
Bienen sterben, nachdem sie gestochen haben.
Die Waffe der Bienen, ihr Giftstachel, ist nicht nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Wenn der Stachel einer Biene zum Nutzen des Bienenstaats gegen einen Angreifer aus dem Insektenreich eingesetzt wird, muss das noch lange nicht alles gewesen sein. Die tapfere Verteidigerin stirbt nicht, wenn sie ihren Stachel zum Beispiel in den Chitinpanzer eines feindlichen Insekts bohrt. Sie kann ihn mühelos wieder herausziehen und ein zweites Mal zustechen. Das Stechen in die Haut eines Menschen oder in ähnliche Materialien wie zum Beispiel Lederhandschuhe bringt für die Biene aber Probleme mit sich. Die elastische menschliche Haut hält den mit kleinen Widerhaken bewehrten Stachel gefangen, und wenn die Biene versucht, ihn herauszuziehen, reißt sie sich dabei den unteren Hinterleib oder Teile davon ab. Je nach der Schwere seiner Verletzung stirbt das Tier innerhalb kurzer Zeit, kann aber auch noch etliche Tage überleben. Interessant für uns Menschen und unangenehm zugleich ist die Tatsache, dass der abgerissene Stachel autonom funktionieren kann – er pumpt, auch ohne mit der Biene verbunden zu sein, für eine Weile weiter Gift in die Stichwunde.
Wespen, die ihren Stachel nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Erlegen von Beute benutzen, sind besser ausgestattet. Zwar kommt es in seltenen Fällen ebenfalls vor, dass ihr Stachel hängen bleibt, doch im Regelfall bleibt die Wespe unverletzt.
Ohrwürmer krabbeln Menschen in die Ohren.
Es ist so etwas wie eine Urangst, die diese Insekten auslösen: Was mache ich nur, wenn der Ohrwurm mir jetzt ins Ohr kriecht? Meist ist es auch noch der Gemeine Ohrwurm, vor dem sind mancher fürchtet. Allerdings steht das gemein in seinem Namen für gewöhnlich, und Ohrwürmer sehen es keinesfalls als ihren Lebenszweck an, jemandem ins Ohr zu kriechen. Auch wenn sie mit ihren Zangen am Hinterleib gefährlich aussehen – ihnen verdanken sie auch den zweiten Namen Ohrenkneifer –, sie sind für Menschen ungefährlich. Sie lieben aber dunkle Verstecke und kriechen deshalb in alle möglichen Öffnungen und Ritzen. Ein Ohr ist, wenn überhaupt, nur aus Versehen dabei.
Dieses Wissen jedoch dürfte bei den Betroffenen die Angst vor den Insekten der Ordnung Dermaptera kaum verringern, und wenn man weiß, dass die Biester auch noch fliegen können … und dass es einen bis zu fünf Zentimeter langen Riesenohrwurm gibt …
Der Stich einer Libelle ist gefährlich und schmerzhaft.
In manchen Gegenden hält sich ein Irrglaube: Bienenstiche sind schlimm, Wespenstiche schlimmer, der Stich einer Hornisse gilt sogar als lebensgefährlich für das arme Opfer. Der schlimmste Stich von allen soll aber der der Libelle sein. Ängstlich laufen Kinder davon, wenn eine der schönen Wasserjungfern geflogen kommt. Der Volksmund verleiht den zarten Flügelwesen Namen wie Pferdetod, Augenbohrer, Schlangenstecher oder Teufelsnadel. Alles Humbug! Libellen haben überhaupt keinen Stachel – weder an ihrem Hinterteil noch an ihrem Maul. Vielmehr besitzen sie eine Fangmaske, mit der sie im Flug kleinere Insekten schnappen können – für diese sind sie tatsächlich ein tödliche Gefahr. Das kräftige Mundorgan bekommt auch ein Mensch zu spüren, der eine große Libelle in der Hand hält – als sanftes Knabbern, bestenfalls als Zwicken. Verletzungen kann eine Libelle damit einem Menschen nicht zufügen. Umgekehrt schweben aber Libellen in der Hand eines Menschen in Lebensgefahr.
Auch immer wieder geschilderte »Angriffe im Flug« beruhen auf einem Irrtum. Libellen sind – selten für eine Insektenart – neugierig auf uns Menschen, nähern sich interessiert und betrachten uns im Schwebeflug. Ängstliche Charaktere halten das für die Vorbereitung eines Sturzangriffs – der aber niemals erfolgt – und fürchten sich, zumal manche Libellenarten zu der beeindruckenden Größe von bis zu 18 Zentimetern heranwachsen können.
Vielleicht hat das Gerücht von der stechenden und gefährlichen Libelle folgenden Ursprung: Manche Arten besitzen hinten eine Legeröhre, man könnte auch sagen einen Legestachel, der aber nur zur Ablage der Eier im Wasser dient.
Drei Hornissenstiche töten einen Menschen, sieben ein Pferd.
Für Pferde sind Hornissen relativ ungefährlich, und auch die Bedrohung für Menschen wird maßlos übertrieben. Die großen Insekten aus der Familie der sozialen Faltenwespen sind vergleichsweise friedliche Wesen und ähneln in ihrem Bedrohungspotenzial in etwa den Hummeln. Nur wenn ein Mensch Hornissen festhält, quetscht, ihr Nest bedrängt oder es in Gefahr bringt, wehren sich die Tiere – einfach so und aus Boshaftigkeit stechen sie nicht. Dabei ist ihr Stich durchaus nicht so giftig, wie es der eingangs angeführte Spruch behauptet. Hornissenstiche sind zwar sehr unangenehm, weil einer ihrer Inhaltsstoffe, ein reichlich vorhandener Neurotransmitter namens Acetylcholin, den Schmerzeffekt gegenüber einem Wespenstich deutlich erhöht. Aber erst 500 bis 1000 von ihnen würden einen erwachsenen Menschen in Lebensgefahr bringen. Nicht einmal ein ganzer Hornissenstaat enthält so viele stechende Tiere. Wer allerdings gegen das Gift von Bienen, Wespen oder Hornissen allergisch ist, für den kann schon ein einzelner Stich lebensbedrohlich werden. Entsprechende Vorsichtsmaßnahmen sind nötig.
Wichtig für die Gefahrenabwehr am Hornissennest sind folgende Informationen: Hornissen haben einen Verteidigungsradius von mehreren Metern rund um ihr Nest. Bei der einen Art ist er größer, bei der anderen etwas kleiner. Wer ihn respektiert, lebt sicher. Unruhe rund um ihr Nest regt Hornissen auf. Bauarbeiten mit Maschinen und Rasenmähen sollte man vermeiden. Auf Dauer macht das die Tiere aggressiver. Hornissen stehen unter Artenschutz. Man darf ihre Nester weder eigenhändig entfernen (viel Spaß!) noch vernichten. Wenn sie sich an einem sehr ungünstigen Ort befinden, kann ein geschulter Kammerjäger bei einer Umsiedlung helfen. Die örtlichen Behörden vermitteln kompetente Unterstützung.
Die Bisamratte ist eine Ratte.
Nein, das ist sie nicht, auch wenn sie wie eine etwas groß geratene Ratte aussieht und wie diese in der wissenschaftlichen Systematik zur Ordnung der Nagetiere gehört. Ganz präzise eingeordnet gehört sie zur Überfamilie Muroidea (Mäuseartige), zu der die Familie Cricetidae (Wühler) gerechnet wird; darin zur Unterfamilie Microtinae (Wühlmäuse) und hier zur Gattungsgruppe Microtini (Eigentliche Wühlmäuse) und in dieser zur Gattung Ondatra. Sie ist die größte aller Wühlmäuse und näher mit der Feldmaus, der Rötelmaus, den Schermäusen und den Lemmingen verwandt als mit den Ratten.
Die Ratten hingegen gehören zwar auch zur Überfamilie Muroidea (Mäuseartige), darin aber zur Familie Muridae (Mäuse) und in dieser zur Unterfamilie Murinae (Echte Mäuse), zu denen wiederum die Gattung Rattus (Eigentliche Ratten) mit den Arten Wanderratte und Hausratte zählt. Ganz schön kompliziert, oder? Einfacher gesagt: Löwe, Tiger, Leopard und Jaguar sind deutlich näher miteinander verwandt (die gehören zur selben Gattung) oder auch der Europäische Feldhase und das Zwergkaninchen (dieselbe Unterfamilie).
Bisamratten kommen ursprünglich aus Nordamerika und haben sich erst seit etwas mehr als 100 Jahren zunächst in Europa und später auch in asiatischen Lebensräumen verbreitet. Die ersten Exemplare brachte im Jahr 1905 ein böhmischer Fürst, vermutlich wegen des dichten Pelzes, von einer Reise mit und setzte sie in seinem Jagdrevier aus. Von dort aus verbreiteten sich die Tiere mit großer Geschwindigkeit bis in die Nachbarländer. Eine weitere Gruppe von 500 Exemplaren kam 1930 hinzu. Die Tiere waren aus einer Zuchtanlage in Frankreich ausgebrochen. Heute sind sie nahezu überall im nördlichen Europa und in Asien vertreten.
Nicht nur in ihrer wissenschaftlichen Einordnung, sondern auch in ihrer Lebensweise und Ernährung unterscheiden sich Bisamratten von den Haus- oder Wanderratten, die man als Allesfresser bezeichnen kann. Bisamratten sind auf Wasser angewiesen, Wasserpflanzen stellen den Großteil ihrer Nahrung dar, hinzu kommen Wasserinsekten, deren Larven, Schnecken und Muscheln und auch hin und wieder ein Krebs oder Fisch.
Kopfläuse verbreiten sich über Kleidungsstücke.
So glaubte man lange Zeit und traf Vorsorge. Garderobenhaken in Schule oder Kindergarten müssen einen Mindestabstand haben, damit sich die Kleidungsstücke nicht berühren und unliebsame Gäste vom einen auf das andere überspringen können – so dachte man. Und wenn es einmal zu einem Auftreten von Kopfläusen kam, musste alles gereinigt und desinfiziert werden – jedes Kleidungsstück, die Bettwäsche, viele Gebrauchsgegenstände und das Spielzeug der minderjährigen Betroffenen. Auch Teddy war dran. Läusekämme, Sprays und Spezialshampoos kamen zum Einsatz. Dabei ist alles halb so wild, was die Verbreitung der Parasiten über die Kleidung angeht. Unterschiedliche Studien in Polen und Australien sollen nämlich gezeigt haben, dass sich die Läuse fast nur über direkten Kontakt übertrugen, nämlich dann, wenn die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes die Köpfe zusammensteckten. Auf der Kleidung, auf Mützen oder Plüschtieren wurden so gut wie nie Exemplare der Kopflaus gefunden. Nicht einmal auf dem Kopfkissen befallener Kinder warteten sie auf ihre Opfer.
Lemminge begehen Massenselbstmord.
Sie denken gar nicht daran. Wenn man in Filmszenen eine riesige Anzahl von Lemmingen sieht, die sich über eine Klippe in einen Fluss oder einen Ozean stürzen, so sind diese Szenen von fragwürdigen »Naturfilmern« mit Unmengen von gefangenen Lemmingen gestellt worden. Für den Disney-Film »White Wilderness« (»Abenteuer in der weißen Wildnis«) aus dem Jahr 1957 sollen Unmengen von Lemmingen bei Eskimokindern in Manitoba gekauft worden sein. Diese wurden sodann in die kanadische Provinz Alberta gebracht, wo es von Natur aus überhaupt keine Lemminge gibt, und für die Filmaufnahmen auf eine große rotierende Scheibe gesetzt. Die einzelnen Takes aus verschiedenen Winkeln als Schleife mit immer denselben Tieren ergaben dann die massenhafte »Wanderung« der Lemminge im Film. Dieses Vorgehen könnte man noch als halbwegs legitimen Trick von Filmprofis durchgehen lassen, aber die Art, wie die dann folgenden Szenen entstanden sein sollen, kann man nur noch verwerflich nennen.
»Die Lemminge erreichen den tödlichen Abgrund. Dies ist ihre letzte Chance zur Umkehr. Aber sie laufen weiter, stürzen