SensatioZell: Radolfzeller Geschichten
Von Claudia Bignion
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Über dieses E-Book
Es ist eine Liebeserklärung an die Stadt und ihre Menschen, mit unterhaltsamen, schrägen und auch nachdenklichen Geschichten.
Sind Sie Insider oder Gast in Radolfzell? Hier können Sie unsere Stadt (neu) entdecken.
Lernen Sie beiläufig einige Sehenswürdigkeiten, die Stadtgeschichte, Einkaufsmöglichkeiten, die Kur und Natur und die gute Küche kennen. Nehmen Sie an unseren Festen teil. Von Glockengeläute bis Rock’n‘Roll ist alles geboten.
Schwelgen Sie in der einzigartigen Atmosphäre von Radolfzell und genießen Sie Kulturmomente. Begreifen Sie das Besondere, welches diese Stadt auch bei Winternebel erblühen lässt.
WER IN RADOLFZELL NICHT GLÜCKLICH IST, IST ES NIRGENDWO AUF DER WELT.
Claudia Bignion
Dr. Claudia Bignion wurde 1960 in Düsseldorf geboren. Seit dem 29. Juli 2012 ist sie amtlich registrierte Zellerin. Ihr beruflicher Werdegang startete mit einem Bachelor of Science Abschluss in Zahnhygiene in Denver, Colorado. Es folgten das Medizinstudium in Heidelberg und das Studium der Berufsschulpädagogik in Karlsruhe. Ihr Debüt als Autorin fand sie 2011 mit Ihrer Dissertation über den Papst und den menschlichen Körper. Es folgte eine Sammlung von Geschichten um die Alzheimer-Krankheit, welche als Buch und 2017 auch als Hörbuch veröffentlicht wurden. Dr. Bignion lebt im Herzen von Radolfzell und ist als Kulturschaffende aktiv. www.bignion.eu
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Buchvorschau
SensatioZell - Claudia Bignion
Für meine Freundin Heike Luise Wagner
Vorwort
„Radolfzell ist ein langweiliges Nest. Im Prinzip ist hier nichts los." Das waren ernsthaft die Worte einer Frau, welche seit fast 40 Jahren in Radolfzell wohnt. Hätte ich nicht angeschnallt neben ihr auf dem Beifahrersitz gesessen und hätte ich nicht Angst gehabt, dass sie in den nächsten Graben fährt, so wäre ich ihr am liebsten ins Gesicht gesprungen.
Obwohl ich noch ein relativ neues Mitglied dieses schönen Städtchens bin, das aus 30.000 Sängern, Musikern, Malern, Artisten, Autoren, Schaffern und zeitweise auch Narren besteht, fühlte ich mich persönlich beleidigt. Ich setzte mich aufrecht hin, drückte mich in den Sitz, wandte mich nach links und begann in einem Bandwurmsatz aufzuzählen, was Radolfzell alles zu bieten hat. Zuerst hielt die Führerin des Kleinwagens mir stand, doch dann wurde sie immer kleinlauter, bis sie zu der Erkenntnis kam, dass sie die Vielfalt ihrer Heimat noch nie in diesem Umfang wahrgenommen hatte. Endlich war ich zufrieden und gab Ruhe.
Kurz nach diesem Vorfall wurde das Motto zur 750-Jahrfeier bekannt: „Jeden Moment wert".
Stimmt!
Und als Hommage an mein geliebtes Radolfzell finden Sie in diesem Buch Geschichten, die an Radolfzeller Schauplätzen spielen, so wie sie sich im Jahre 2017 zutragen könnten. Manche Ereignisse geschahen in ähnlicher Weise, doch es darf auch geflunkert und übertrieben werden, weil der Lesespaß im Vordergrund steht.
Ähnlichkeiten mit Zellern sind unbeabsichtigt und somit rein zufällig.
Viel Freude beim Lesen wünscht
Dr. med. Claudia Bignion
Inhaltsverzeichnis
Das scharfe Eck
Ein Tag im Museum
Bei Aldi
Geburtstag im Scheffelhof
Nostalgiekino Universum
Marktplatzgespräche
Der Narrenbrunnen
Schülerbefreiung
Wassersport mit Folgen
Die alte Forstei und ihre Bewohner
Hochzeit im Münster
Wasser, Feuer, Luft und Erde
Das Faktotum
Die Hausherren
Volkshochschule für Singles mit Niveau
Die Bora Sauna
Herbst an der Hafenmole
Nathalies Plan
Die ungeschminkte Wahrheit
Der Satirebildhauer
Begegnungen im Weltkloster
Die Kurklinik
Philosophischer Spaziergang am See
Im Seniorenheim
Das Sterben will geordnet sein
1. Das scharfe Eck
Er schloss die Zimmertür hinter sich, stellte seinen Koffer ab und ging zur Balkontür. Mit einem kleinen Ruck öffnete er diese, trat hinaus, holte einmal tief Luft, genoss den Blick auf den Bodensee und ließ dann die Luft passiv, durch die Entspannung seines Zwerchfells, entweichen. Während er seinen Blick zuerst über die Wiese, die Bäume und anschließend über die gegenüberliegenden Hügel schweifen ließ, drehte er an seinem Ehering, den er mit etwas Mühe vom rechten Ringfinger löste und dann an seinem Schlüsselbund befestigte.
Er fühlte sich frei, endlich frei, wenn auch nur für drei Wochen. Den See konnte er förmlich riechen und er schloss seine Augen, um diese Sinneswahrnehmung zu intensivieren. Nachdem er eine Weile dagestanden war ging er zurück ins Zimmer, öffnete seinen schwarzen Rucksack und holte die Desinfektionstücher heraus. Er putzte zuerst alle Türklinken ab und anschließend die Lichtschalter. Mit einem neuen Tuch wurden das Kopf- und das Fußende des Bettes, der Nachttisch, der kleine runde Tisch und die Stuhllehne gesäubert. Mit dem dritten Tuch ging er dann ins Bad und machte sich über die Armaturen sowie die Klobrille her. Zufrieden mit seinem Werk, packte er seinen Koffer aus und ging zum Abendessen. Anschließend steuerte er gezielt das Scharfe Eck an¹, denn er war schon zum zweiten Mal zur Kur in Radolfzell und kannte sich bereits aus.²
Da es Sommer war, stand um halb neun die Sonne noch ziemlich hoch und fiel wärmend in die Höllstraße. Der Vorteil am gut besuchten scharfen Eck, das eigentlich Weinhaus Baum heißt, ist, dass man sofort Anschluss bekommt, da man sich zu fremden Menschen an den Tisch setzen muss, um überhaupt einen Platz zu ergattern. Schon auf dem Weg zur Theke hatte er zwei Blondinen ausgespäht, die fröhlich plaudernd an einem Bierfass saßen. Mit einem Glas Weißwein in der Hand steuerte er zielstrebig auf sie zu und fragte ungeniert, ob er sich dazusetzen dürfe. Sie gestatten das, obwohl es ihnen nicht wirklich angenehm war, da sie sich über private Dinge austauschen wollten. Deshalb ignorierten sie ihn, waren dann aber so befangen in ihren Erzählungen, dass sie ins Allgemeine abdrifteten.
Er nutzte die Zeit um sie abzuscannen. Die Frauen waren Ende dreißig, die eine naturblond, die andere hatte ihre Haare blond gefärbt. In Jeans und Sommerblusen sahen beide flott aus und die rot lackierten Fußnägel in den Sommersandalen wirkten sehr sexy. Die Naturblonde hatte drei schlichte Silberringe an den Händen, während die Gefärbte an der linken Hand einen Goldring mit einem kleinen Brillanten trug, was wahrscheinlich auf eine feste Beziehung hinwies.
Zu einem ihm gut erscheinenden Zeitpunkt, und eigentlich war ihm jeder Zeitpunkt recht, mischte er sich geschickt ins Gespräch der beiden Frauen ein. Er berichtete, dass er Kurgast sei und als Transporthubschrauberpilot beim Heeresflugplatz in Rheine-Bentlage in Nordrein-Westfalen alle drei Jahre Anspruch auf eine präventive Erholungskur habe. Sein Beruf als Pilot schindete meistens Eindruck bei den Frauen und auch an diesem Abend verfehlte er seine Wirkung nicht. Nachdem der Eindringling sich etwas Mut angetrunken hatte, begann er die Damen auszufragen. Er fragte nach ihren Namen und wo sie arbeiteten. Beide waren waschechte Zellerinnen. Die Gefärbte arbeitete bei der Firma Allweiler³, die Andere beim Schiesser⁴.
Nachdem sie über das Wetter und das Segeln gesprochen hatten, fragte er sie unverblümt, ob sie in Beziehungen stünden, was beide bejahten. Daraufhin gab er zu, dass er verheiratet sei, aber er sei ja weit weg von Rheine und in diesem Falle nehme er das mit der Ehe nicht so streng. Dann fragte er, ob die Damen Zugang zu Segelbooten hatten. Sie erzählten, dass sie Freunde im Yacht Club Radolfzell hätten und ab und zu mal mit der Vereinsjacht mitsegeln durften.
Zum Ende des Abends, es war bereits dunkel geworden, bekundete er, dass er gerne mit ihnen zum Segeln gehen wolle. Später, auf dem Rückweg von der Toilette, drückte er der Naturblonden mit den Silberringen einen Zettel mit seiner Handynummer in die Hand. Siegessicher verabschiedete er sich und wendete er sich zum Gehen.
Die beiden Frauen schauten hinterher, wie er seinen gut gebauten Körper beschwingt Richtung Halbinsel Mettnau bewegte.
*
In seinem desinfizierten Zimmer angekommen, legte sich der Kurgast zufrieden ins Bett und schaute gleich auf sein Handy, ob er eventuell schon eine SMS bekommen hatte. Bei dieser Gelegenheit tippte er noch schnell ein „Gute Nacht, Schatz" an seine Ehefrau.
Auch am folgenden Tag wartete er erfolglos auf eine Nachricht.
Am Montagmorgen ging er zur ärztlichen Konsultation und dann ins Diagnosezentrum mit den Fahrradergometern. Eines der zwölf Ergometer wurde ihm von einer naturblonden Frau im weißen Kittel mit drei schlichten Silberringen an den Händen zugewiesen. Auf ihrem Namensschild las er „Frau Schiesser".
1 http://www.weinhaus-baum.de
2 http://www.mettnau.com/hermann-albrecht-klinik
3 http://www.allweiler.de/10966/Home/awr_start.asp
4 http://www.seemaxx.de/marken/schiesser.html
2. Ein Tag im Museum
Alexandra kam mit dem Zug aus Singen auf Gleis 5 an. Eigentlich wollte sie in Radolfzell ein bisschen bummeln gehen. Sie liebte das Kaufhaus Kratt , weil es dort schöne Unterwäsche gab und eine freundliche und kompetente Beratung dazu. Außerdem erhoffte sie sich, dass bei Gerry Weber im Seemax Outlet Musterteile angeboten würden. Schon häufig konnte sie ein Einzelstück ergattern, das nie in die Kollektion aufgenommen worden war. Eine Bluse hatte sie sogar selbst zu Ende genäht, weil sie aus dem Sortiment rausflog, bevor sie fertiggestellt worden war. Da Alexandra Kleidergröße 38 trägt, sind die aparten Musterteile ihr wie auf den Leib geschneidert.
Doch statt Shopping-Tour kam alles anders. In Radolfzell angekommen, zog sich der Himmel zu und es regnete wie aus Kübeln. Alexandra, ohne Schirm, suchte einen Zufluchtsort. Sie rannte