Der Trainer - Ein Leben für den Radsport
Von Peter Becker
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Über dieses E-Book
Einer der erfolgreichsten Trainer des nationalen und internationalen Radsports schreibt über seine Arbeit, die immer eine intensive Beschäftigung mit dem Wichtigsten ist, das es für ihn gibt: mit dem jungen Menschen an seiner Seite, der ihm anvertraut war für eine kürzere oder längere Zeit, die er nicht nur zu hervorragenden Sportlern, sondern vor allem auch zu Individuen mit großer sozialer Akzeptanz formen wollte.
Dass ihm dies in hohem Maße gelungen ist, belegt dieses Buch, das den Leser auch ein wenig hinter die Kulissen des Sports blicken lässt.
Das Buch wurde im Jahr 2004 geschrieben und deckt damit die wohl schönste und spannendste Zeit des Radsports ab.
Vom "Erfolgsgeheimnis" des DDR-Sports ist ebenso etwas zu erfahren wie über seine Trainingsmethoden, durch die er mehr Meisterschaftsmedaillen mit seinen Sportlern gewann, als er Trainerjahre erlebte.
Das Buch beinhaltet über 200 interessante Bilder.
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Rezensionen für Der Trainer - Ein Leben für den Radsport
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Buchvorschau
Der Trainer - Ein Leben für den Radsport - Peter Becker
ERSTE LEBENSJAHRE
Für den 3. Tag des Sommermonats August im Jahre 1938 vermeldete der Reichswetterdienst warme subtropische Festlandsluft und ließ die Berliner unter der Sommerhitze stöhnen. Ein heißer Sommertag also, als ich im noch unzerstörten, blühenden Berlin geboren wurde. Ziemlich schnell und komplikationslos drängte ich mich in das Leben. Warum auch nicht, denn vom Leben würde ich später immer viel und Besonderes erwarten. Meine Wiege stand vorerst am Tiergarten. Hier lebte ich zwei Jahre, wohlgeborgen und umsorgt, bis meine Mutter es vorzog, mich nach den ersten Bombenangriffen aufs Land zu meinem Opa zu schicken.
Nach Baitz, am Rande des Flämings, einem herrlich ruhigen, verträumten Dorf, in dem die Zeit ein wenig stehen geblieben schien. Das wurde mir Jahre später, wenn ich zu Oma und Opa fuhr, so richtig bewusst und ich meine, die Jugenderfahrungen und Erlebnisse gerade dieser Zeit waren prägend für mein ganzes Leben. Hier hatte ich meinen ersten Freund, Willi Rudolf-Brüning, einen Hans-Dampf-in-allen-Gassen, was er bis zu seinem viel zu frühen Tode blieb. Als Vierjähriger versuchte ich, mit ihm dahin zu gelangen, wo Himmel und Erde zusammenstoßen. Eigentlich müssten wir heute noch wandern...
Hier in Baitz war es auch, dass mir mein Opa für immer das Rauchen vermieste, indem er mich neugierigen Knaben an seiner in Ermangelung echten Tabaks mit Kirschblättern gestopften „Tobakspfeife ziehen ließ und meinte, „richtig ziehen und runterschlucken
! Die Folgen waren absehbar, und damit wurde ich für alle Zeiten zum militanten Nichtraucher. Bis heute kann ich nicht einsehen, warum sich denkende intelligente Menschen mit diesem Kraut die Gesundheit wissentlich ruinieren.
Meine Mutter im Jahr 1938
becker_2.jpg1940 im Wald von Baitz. Irgendetwas scheint mir nicht zu gefallen. Daraus habe ich schon damals kein Geheimnis gemacht...
Furchtbar ist es für mich, wenn der Besuch von Restaurants oder Speisegaststätten notwendig wird und der blaue Dunst mir den Aufenthalt zur Hölle macht. Das Gefühl für die Natur, den Umgang mit Tieren, den Genuss der Natur - Opa und die Möglichkeiten dieses Fleckchens Erde brachten es mir bei. Dauerhaft und ein ganzes Leben lang anhaltend. Der Duft nach Heu, Holunder, Brennnessel, Kartoffelkraut und Getreidefeld zaubert sofort Bilder aus dieser Zeit hervor.
Nach Berlin ging es nicht wieder zurück. Meine Mutter heiratete und wir zogen in die idyllische Kleinstadt Belzig, acht Kilometer von Baitz entfernt, eine Stadt, die sich heute zum Luftkurort gemausert hat, eine sehr schöne Therme besitzt und heute über 9000 Einwohner zählt. Hier, inmitten einer Gärtnerei, wuchs ich auf, hatte schöne, erlebnisreiche und sehr freie und umsorgte Kinder- und Jugendjahre, wenn ich mal die Schule und ihre Eindrücke auf mich unberücksichtigt lasse.
becker_3.jpgMein Vater, Francisco de Soler, im Jahre 1938
Von meinem leiblichen Vater, den der spanische Bürgerkrieg nach Berlin verschlagen hatte, erbte ich den Hang zur Perfektion und das Temperament, das mich nun schon mein ganzes Leben begleitet und für Menschen, die mich nicht kennen, manchmal recht anstrengend sein kann und oft genug zu völlig irrigen Schlussfolgerungen und Nachreden geführt hat. Schon in meinen frühen Kindertagen fühlte ich mich deswegen oft unverstanden, auch unwohl. Besonders litt ich unter jenen Mitmenschen, denen man beim Laufen gut und gern die Schuhe zubinden konnte und die dazu auch noch bewusst und böswillig falsche Meinungen über mich verbreiteten, was so manches Mal meinen Zorn entfachte.
Heute kann ich damit gelassener umgehen, weiß ich doch, wie oft solches Tun egoistischem Interesse entspringt und Verleumder eigentlich nur durch Missachtung zu strafen sind.
Ich wurde noch in den Frieden hineingeboren, in einen Frieden, der jedoch trügerisch war, denn längst arbeiteten die Menschen und Maschinen auf Hochtouren für einen neuen Krieg. Kurz nach meinem ersten Geburtstag begann er dann, der größte Krieg aller Zeiten, der Zweite Weltkrieg, mit dem Überfall auf Polen.
Das deutsche Volk hatte sich verführen lassen, rannte zu großen Teilen begeistert einem irren, traumatisierten aber raffinierten Weltkriegsgefreiten und seinen Helfershelfern nach. Mit den bekannten Folgen, die uns heute mehr denn je einholen. Wenn es auch niemand wahr haben will, 1945, mit dem Ende dieses Krieges meine ich, hörte Deutschland eigentlich auf, das Volk der Dichter und Denker zu sein. Deutschland hat in diesem Krieg unter anderem die gesamte deutsche jüdische Intelligenz und darüber hinaus den Großteil seiner hoffnungsvollen Jugend verloren. Die Umstände nach dem Krieg taten dann ein Übriges, sowohl in Ost- wie in Westdeutschland. Die Strukturen in beiden „Deutschlands", sicher in guter Absicht installiert, verkrusteten leider in den Jahrzehnten und verhinderten aktuell notwendige, rechtzeitige und progressive Reformen. Die geistige und politische Elite Deutschlands ist deshalb gerade heute mehr denn je gefordert. Meiner Meinung nach bleibt sie schon viel zu lange tragfähige Modelle und wirksame Reformen schuldig.
Vom Krieg mit seinen Auswirkungen, von Tod und Verderben, Verwundeten und dem Grauen erfuhr ich hautnah, als meiner Mutter der Tod ihres Lieblingsbruders an der Ostfront, in der Sowjetunion, mitgeteilt wurde. Ich hörte auch vom Tod einiger Väter von Spielkameraden, die auf dem „Feld der Ehre geblieben und „für Führer, Volk und Vaterland
gefallen waren und sehr bald wusste ich, dass dieses Wort „gefallen eine euphemistische Umschreibung war für „getötet
oder „erschossen oder „zermalmt
, und die Väter nie zurückkommen würden. Auf diese Weise, durch mehrere Tieffliegerbeschüsse und den Niedergang einer Luftmine, die eine Vielzahl von Dächern und Fenstern zerstörte, war der Krieg auch in Belzig spürbar. Die kleine Stadt wurde glücklicherweise aber nie Kriegsschauplatz.
Die Folgen des Krieges wurden allerdings auch in Belzig immer sichtbarer, denn ständig nahm die Zahl verwundeter, verstümmelter deutscher Soldaten zu, die in das Belziger Lazarett eingeliefert wurden.
Interessant für mich kleinen Knirps waren damals die Veranstaltungen, das Gepränge mit Fanfaren und Fahnen an Feiertagen des NS-Staates, auch die jährlich stattfindenden Manöver in den Straßen Belzigs. Fahnen hingen zu jedem Anlass aus den Fenstern und auch auf dem Bergfried der Burg Eisenhardt wehte weithin sichtbar die Hakenkreuzfahne.
In den ersten Jahren des Krieges noch ziemlich oft. Zufriedene, stolze Gesichter sah man auch, denn die deutsche Wehrmacht war ständig auf dem Vormarsch, okkupierte Land für Land. Der Krieg war weit weg.
becker_4.jpgEinschulung im Jahre 1944 in Belzig
Die im Elternhaus von Beginn des Krieges an als aussichtslos eingeschätzte Lage Deutschlands wurde erst offensichtlicher, als endlose Flüchtlingstrecks durch Belzig Richtung Westen strömten, denen später dann unablässig Teile der Deutschen Wehrmacht, ebenfalls Richtung Westen, folgten. Das unheimliche Gedröhn der immer häufiger hoch über uns Richtung Berlin fliegender Bomberverbände der Amerikaner und Engländer ließ ahnen, was von Berlin und anderen deutschen Städten übrigbleiben würde.
Und einmal, es war wohl schon 1944, stürzte ein Flugzeug der Alliierten mit einem kanadischen Piloten ab. Etwa 250 Meter Luftlinie von unserem Haus entfernt. Sensation und Gesprächsstoff für mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen.
Das Kriegsende ist mir heute noch gegenwärtig, denn ich habe noch Mutters lachende Augen vor mir. Immer wieder sagte sie, dass der Krieg nun beendet sei, endlich beendet, und unter Tränen beim Läuten der Friedensglocken der Belziger Marienkirche verdammte sie die braune Pest, die ihr den Bruder genommen hatte.
Ich hörte, dass die stadtbekannten Nazis entweder geflohen waren oder sich mit ihren Familien erschossen hatten, voller Angst vor den anrückenden Russen, die dann aber einen Bogen um Belzig machten, die kleine Ackerbürgerstadt gewissermaßen erst einmal als „militärisches Niemandsland" betrachteten. Umso nachhaltiger war mein Eindruck, als eines schönen Tages Panzerketten auf der Straße klirrten und wir die ersten Sowjetpanzer und Sowjetsoldaten erblickten.
Mein Schulfreund und ich spielten gerade vor dem Haus und wir robbten, aufs höchste erschreckt, in den Garten, um laut zu rufen:
„Die Russen kommen! Die Russen kommen!"
Nachdem nämlich in Berlin ihre Sache erledigt und die Nazis hinweggefegt waren, kamen die Sowjets auch nach Belzig, besetzten die Kleinstadt mit der weithin sichtbaren, nun weißen Fahne, auf dem Bergfried und installierten eine Kommandantur, die letztlich sehr hilfreich gegen marodierende und plündernde sowjetische Soldaten vorging und weitestgehend für geordnete Verhältnisse sorgte. Meine Mutter hatte damals so manchem leidgeprüften verwundeten Sowjetsoldaten oder ehemaligem Fremdarbeiter Essbares zugesteckt, denn sie wusste, dass die Versorgung dieser Leute im Lazarett nicht die beste war. Mitleid und die Hoffnung, dass ein satter, zufriedener Mensch nicht plündern wird, war wohl der Beweggrund für Mutters Handeln.
Das Leben nahm seinen Lauf unter völlig anderen Vorzeichen.
Schreckensmeldungen über Vergewaltigungen, Morde, Beschlagnahmungen, Diebstähle und Verhaftungen machten die Runde. Ich erlebte den Durchzug der ihrer Heimat zustrebenden Kriegsgefangenen, Fremdarbeiter und ehemaliger KZ-Häftlinge.
Mein Interesse für Geschichte und Politik, glaube ich, entstand in dieser Zeit.
Die Normalisierung des Lebens vollzog sich sehr langsam. Das traf auch für die Schule zu. Unsere Fibel aus der Nazizeit sah schlimm aus. In Ermangelung neuer Bücher wurde aus der alten Fibel jeglicher Bezug zum Faschismus mittels Rasierklinge getilgt. Die meisten alten Lehrer waren nicht mehr da, die neue qualifizierte Lehrergeneration noch nicht herangebildet. Die Tatsache, dass wir Schüler unterschiedlich behandelt wurden, - manche, so wie ich, wurden nur mit dem Nachnamen angesprochen -, und auch die subjektive Benotung und Beurteilung empfand ich als äußerst ungerecht.
becker_5.jpgDieses Bild entstand 1949. Als Schüler in Belzig, beobachtet bei den Hausaufgaben
Umfangreiche Hausaufgaben raubten ganze Nachmittage. Kleinigkeiten wurden zu riesengroßen Problemen aufgebauscht.
becker_6.jpgAls Konfirmand im ersten Anzug
becker_7.jpgMeine drei Schwestern Brigitte, Heide und die nach dem Kriegsende geborene Karin
Diese Umstände prägten unter anderem über Jahre mein gestörtes Verhältnis zu Lehrern und zur Schule. Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, mein Drang nach Freiheit und eigenen Entscheidungen und das Gefühl, diskriminiert zu werden, ließen mich rebellieren. Ich fühlte mich ganz einfach missverstanden, nicht richtig angesprochen, einbezogen. Schule empfand und durchlebte ich mehr als Zwang denn als sinnvolle, notwendige Tätigkeit. Nicht, dass ich schlecht lernte und begriff, niemand aber versuchte ernsthaft, mir Lernfreude beizubringen. Das wurde anders, als sich Lehrer Schmager meiner annahm. Er hatte den richtigen Draht zu mir, sprach mein Innerstes an, was immer man darunter versteht. Auch Jahre nach der Schule blieb er mir pädagogisches Vorbild und ein wertvoller Ratgeber. Der Besuch seines Grabes auf dem Belziger Friedhof war immer obligatorisch und mein Erschrecken groß, als ich es jetzt eingeebnet fand. So vergehen eben Jahre, Jahrzehnte.
Die Einstellung zur neuen „Ordnung" wurde immer mehr belastet, weil das Elternhaus mit dem Besitz einer Gärtnerei zu den durch Zwangsabgaben gebeutelten Kleinunternehmern gehörte. Es war nicht leicht für meine Eltern, die geforderten Abgaben zu erbringen und ihre vier Kinder täglich satt zu bekommen. Ein Schicksal, das wir mit den meisten Nachkriegsdeutschen zu teilen hatten. Dabei denke ich, gehörten wir noch zu jenen, die nicht so schlimm dran waren, wie besonders die Großstädter. Meine Mutter unterstützte denn auch in dieser schweren Zeit einige meiner Berliner Tanten, Cousinen und Cousins mit Essbarem und vor allem mit Heizmaterial. Außer mir wollten auch noch meine drei Schwestern Brigitte, Heide, sowie die mit dem Kriegsende geborene Karin satt werden.
Eine große Familie, die recht harmonisch zusammen lebte. Und noch heute freuen wir uns über jedes Wiedersehen.
Meine Bewunderung gilt nach wie vor den Eltern, die mit Liebe und unendlicher Anstrengung den Betrieb und die Familie durchbrachten. Durch gute Nachbarschaft und Nachbarschaftshilfe wurde das damalige Leben erträglicher.
Die Schule verlangte ihr Recht, aber begeistern konnte sie mich nicht. Keiner, der den Unterrichtsschluss so herbeigesehnt hat wie ich. Der Heimweg war für mich ein Vergnügen, denn am Belziger Bach entlangzupirschen brachte immer wieder neue Entdeckungen.
Zu Hause warteten dann meine Tauben auf mich. Eine Liebe, die ich über Jahre pflegte.
Die waldreichen Höhenzüge des Fläming waren von mir schon durchstreift, zigmal und intensiv, ich kannte die schönsten Fleckchen rund um Belzig, kannte alle vorkommenden Vögel, wusste, wie sie sangen und wo sie brüteten. Sehr zum Leidwesen der Wilderer wusste ich aber auch, wo verbotenerweise Schlingen ausgelegt waren, die ich regelmäßig