Kanufahren: Perfekt paddeln mit Kajak und Kanadier
Von Jürgen Gerlach
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Buchvorschau
Kanufahren - Jürgen Gerlach
VORWORT
Eine Fahrt im Kanu bedeutet intensiven Kontakt mit der Natur. Kaum eine andere Natursportart vermittelt so schnell und beeindruckend ein Gefühl dafür, wie eng und reglementiert es in unserer Alltagswelt zugeht, wie hektisch es in unseren Städten ist. Die Welt des Kanuwanderns erschließt sich Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren gleichermaßen. Beim Kanufahren sitzen (manchmal) alle in einem Boot. Man kann ganz allein losfahren, oder mit Freunden, der Familie, Vereinskameraden. Man kann es zu allen Jahreszeiten tun, wenn entsprechende Erfahrung und Ausrüstung vorhanden sind. Kanuwandern macht Spaß und ist gesund. Richtig erlernt und geplant ist es eine entspannte Möglichkeit, im Einklang mit der Natur unsere Abenteuerlust und den Wunsch nach neuen Eindrücken zu befriedigen.
Differenziert und nuancenreich wie kaum eine andere Sportart bietet die große Palette des Kanusports einen außergewöhnlichen Freizeitwert und überaus reizvolle Angebote im Bereich des Breiten- und Leistungssports. Wasserwandern im Kanu kann auf ganz vielfältige und immer wieder neue Art betrieben werden: Tages-, Wochenend- und mehrwöchige Ferienfahrten beinhalten das gemütliche Binsenbummeln auf kleinen und großen Seen. Spezielle Ausdauer ist erforderlich bei der Bewältigung langer Strecken auf Bächen, Flüssen und Strömen. Die gelegentlich spritzige, manchmal anspruchsvolle Fahrt auf verwinkelten, kleinen Flüssen, die nur nach ergiebigen Regenfällen ausreichend Wasser führen, erfordert viel Übung und Erfahrung. Die schnelle Fahrt auf ursprünglichen Wildbächen setzt das Erlernen der spezifischen Wildwassertechnik voraus. Die Ausfahrt an der Küste, auf Salzwasser und im Mündungsbereich großer Ströme stellt wiederum ganz besondere Ansprüche an ein Können, das in speziellen Kursen vermittelt wird.
Stolzer und glücklicher Besitzer eines Kanus kann jeder werden. Auf den im Frühjahr und Herbst allerorten durchgeführten Kanu-Flohmärkten bei Vereinen und in Fachgeschäften können Sie als Kanu-Einsteiger eine preiswerte Grundausrüstung erstehen. Mit überschaubarem finanziellen Aufwand erschließen Sie sich eine breite Palette von außergewöhnlichen Erlebnissen, die in dieser Form nur der Kanusport bieten kann. In den letzten Jahren hat die Zahl der Neu-Kanuten ständig zugenommen. Je stärker allerdings die Zahl der in Verein und Verband organisierten Kanuten und der (noch) nicht organisierten Kanuwanderfahrer, Wochenend- und Ferienpaddler zunimmt, desto wichtiger wird es, dass diese mit den sportbezogenen Grundregeln und Basisinformationen vertraut gemacht werden. Hier bieten Vereine, Verbände, Kanuschulen und andere Freizeitorganisationen vielfältige Einsteigerkurse an. Lassen Sie sich am Anfang eine systematische Einführung ruhig etwas Zeit und Geld kosten. Es wird sich schnell auszahlen. Das Wissen um die Möglichkeiten, aber auch um die mit diesem außergewöhnlich schönen Sport verbundenen Risiken bewahrt Sie vor unliebsamen Überraschungen beim Kauf eines Kanus und der ersten Ausfahrt im eigenen Boot. Gut vorbereitet werden Sie der »Droge« Kanufahren gerne verfallen und über Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, das Wandern auf dem Wasser mit seinen immer wieder neuen, nachhaltigen Eindrücken genießen.
Jürgen Gerlach
RUND UMS KANU
EINSTEIGER-INFO KANU, KAJAK UND KANADIER
»Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen Kanu, Kajak und Kanadier?« werde ich fast immer gefragt, wenn Einsteiger sich für das Kanuwandern interessieren. Hier eine kurz gefasste Antwort:
Kanu: Bezeichnet die Mutter der Familie. Kanadier und Kajak sind beide Kanus und werden in Blickrichtung vorwärts bewegt.
Kajak: Sie sitzen »drin« im Boot und bewegen es nach Eskimoart mit einem Doppelpaddel vorwärts.
Kanadier: Sie sitzen oder knien im Boot und bewegen es nach Indianerart mit einem Stechpaddel vorwärts.
Nach dieser Terminologie ist das Wort »Kanu« der Oberbegriff für »Kajak« und »Kanadier«. Im Umgangssprachlichen werden jedoch gelegentlich Kanu und Kanadier sinngleich gebraucht. Oft ist dem Laien auch nicht klar, wie Kanufahren und Rudern auseinandergehalten werden. »Im Kanu fährt man in Blickrichtung – beim Rudern gegen die Blickrichtung«, heißt die Definition in manchen Veröffentlichungen. Kanuten bezeichnen die Ruderer dann und wann freundschaftlich als »Rückwärtspaddler«. Wissen Sie jetzt, warum?
DER KANADIER
Für alle, die nach der langen Woche vor dem Computer endlich entspannen, den Horizont erweitern und etwas anderes sehen wollen: Im Kanadier geht das relativ schnell und unproblematisch. Ein paar Trainingsstunden, und schon ist »Winnetou« unterwegs. Immer mehr Naturfreunde entdecken den Reiz des Kanusports speziell im Kanadier. Ein Vorteil des Kanadiers liegt in seiner relativ einfach zu erlernenden Handhabung: hineinsetzen, sich wohl fühlen und lospaddeln.
Der Kanadier wurde von den Ureinwohnern Nordamerikas für die Jagd und für den Transport schwerer Lasten auf Flüssen und Seen entwickelt. Er ist ein meist oben offenes Boot, das für das heutige Kanuwandern eine ganze Reihe von Vorteilen bietet: Große Ladekapazität verbindet sich mit kippstabilem Fahrverhalten. Er kann leicht beladen werden und ist ideal als Familienboot – Kind, Hund und sogar die große Kühltasche haben ausreichend Platz. Er ist im Vergleich zum Kajak allerdings ein wenig schwerer, langsamer und unhandlicher beim Transport. Außerdem ist er für Wildwasser, Fahrten an der Küste und anderen windanfälligen Gewässern weniger geeignet. Diese Einsatzbereiche bleiben überwiegend den Kajaks vorbehalten. Kanadier sind durch ihre höhere Bauweise windempfindlicher und auch nicht mit einer Steuervorrichtung ausgerüstet. Deshalb sind sie trotz des großen Stauraums für längere Fahrten auf dem Meer und auf Großgewässern ungeeignet.
Wenn Sie mit Kind und Kegel auf Binnenseen oder größeren Flüssen fahren wollen, sollten Sie sich für den großvolumigen Kanadier entscheiden. Bei Urlaubs- oder Wochenendfahrten bietet er jede Menge Stauraum für das Gepäck und mehr als ausreichenden Bewegungsspielraum für die Kinder. Große Lagestabilität und damit Kentersicherheit sind sozusagen »eingebaut«. Eine Persenning, die in Verbindung mit Spritzdecken die Insassen und die Ausrüstung von eindringendem Regen sowie Spritzwasser durch Wind und Wellen schützt, ist als Zubehör sinnvoll.
An dieser Stelle soll in erster Linie von Allround-Kanadiern die Rede sein; Boote mit neutralen Fahreigenschaften und Platz für ein, zwei oder drei Personen plus Zuladung, sprich Gepäck. Als Einsteiger informieren Sie sich zunächst im Shop des Kanu-Fachberaters, bei Freunden oder im Verein. Die erste Frage gilt der Größe und Zuladung des Bootes. Wie viele Personen sollen hineinpassen und wie viel Gepäck wird zugeladen?
Kanadier, die als Einer gefahren werden, sind etwa 420–470 cm lang.
Kanadier, die in der »Standardbesetzung« mit zwei Personen gefahren werden, sind zwischen 450 und 510 cm lang.
Länger als ca. 510 cm sind die »Elefanten« für drei und mehr Erwachsene plus Gepäck.
Eine noch »tragbare« Zuladung ist bei etwa 15 cm Freibord (das ist der Abstand zwischen der Wasseroberfläche und der niedrigsten Stelle der Seitenwand) erreicht. Ohne Gepäck sollte das Freibord etwa 30 cm betragen. Allerdings gilt auch: Je höher die Seitenwand, umso höher ist die Anfälligkeit für Seitenwind, das ist einer der größten Nachteile des Kanadiers im Vergleich zum Kajak.
Wenn diese Fragen geklärt sind, geht es um den Einsatzbereich: Kanadier für lange Strecken auf großen Gewässern sind lang und schlank, entsprechend der Grundregel »Länge läuft«. Um dem Seitenwind weniger Angriffsfläche zu bieten, ist das verbleibende Freibord relativ niedrig. Kanadier mit Rundoder V-Spant sind allerdings relativ kippelig. Man trifft diese Boote z. B. auf großen Seen und sehr langsam fließenden Gewässern. Sie bieten bedingt durch ihre Spantform zwar eine geringe Anfangs-, dann aber eine relativ hohe Endstabilität. Sie können das erspüren, wenn Sie in einem leeren Boot hin- und herschaukeln. Diese Boote liegen »auf der Seite« recht stabil.
Breitere Kanadier mit flachem Boden sind als Tourenboote besonders gutmütig. Sie eignen sich vor allem für größere und mittelgroße Flüsse. Die geringe Geschwindigkeit wird durch eine bessere Drehfähigkeit aufgewogen.
Auf schnell fließenden und kleineren Gewässern bis hin zum leichten Wildwasser wird die Wendigkeit des Bootes wichtiger als die Schnelligkeit; das Wildwasser ist selbst schnell genug. Die dafür vorgesehenen Boote haben mehr »Sprung«, d. h. eine aufgebogene Kiellinie. Das macht das Boot langsamer, dafür kommt man in Kurven besser zurecht.
DER KAJAK
Mit Kajaks können Sie so ziemlich alles machen: quer über den Atlantik paddeln, 30 Meter hohe Wasserfälle hinunter hüpfen, Expeditionsfahrten in die abgelegensten Winkel unseres blauen Planeten unternehmen. Kajaks sind unglaublich vielseitige Wasserfahrzeuge, wahrscheinlich die universellsten überhaupt. Ich will in diesem Buch allerdings nur von einem Einsatzbereich reden, dem Kanuwandern im Kajak. Drei Typen von Tourenkajaks reichen aus, der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten gerecht zu werden:
Touren auf Großgewässern verlangen nach schnelllaufenden, langen Kajaks, die schmal sind und dem Wind relativ wenig Angriffsfläche bieten. Sie erreichen bei gutem Geradeauslauf zufriedenstellende Geschwindigkeiten. Dafür lässt die Wendigkeit zu wünschen übrig.
Wer Touren überwiegend auf kleineren Wanderflüssen plant, wird sich nach einem Tourenkajak mit ausgewogenen Fahreigenschaften umschauen und sich für ein etwas kürzeres und daher nicht ganz so schnelles Boot entscheiden. Sein flacher Boden (V/U-Spant) sorgt für ein gutmütiges Fahrverhalten. Hier sitzen Kanu-Einsteiger genau richtig.
Auf schneller fließenden und etwas engeren Gewässern wird die Wendigkeit ein wichtiges Kriterium. Ebenso wie die Kanadier haben auch wendige Kajaks mehr »Sprung«, d. h. eine aufgebogene Kiellinie. Dadurch wird das Boot insgesamt etwas langsamer, dafür läuft es aber mit weniger Aufwand leichter um die Kurven.
Was für den Kajak-Einer gilt, trifft auch für den Zweier zu. Allerdings ist zu bedenken, dass bei sehr langen Gepäcktouren