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Armutsgefährdung

weniger als 60% des Einkommens der Gesambevölkerung

Als armutsgefährdet gilt eine Person, die mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens (Median) der Gesamtbevölkerung auskommen muss. Diese Einkommensgrenze wird als Armutsgefährdungsschwelle bezeichnet.[1] Es handelt sich um eine relative Einkommensarmut. Durch eine einheitliche Anwendung dieser Definition in Europa kann das Maß der Armutsgefährdung in den einzelnen europäischen Staaten miteinander verglichen werden.

Definitionen in der Europäischen Union

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Im Wirtschaftsprogramm Europa 2020 setzt sich die Europäische Union im Abschnitt „Armut und soziale Ausgrenzung“ das Ziel, den Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen oder bedrohten Menschen um mindestens 20 Millionen auf unter 25 % zu senken.

Dafür werden 3 Indikatoren definiert:

  • Armutsgefährdung:

„Die Armutsgefährdungsschwelle wird – entsprechend dem EU-Standard – bei 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) im jeweiligen Bundesland beziehungsweise in der jeweiligen Region festgelegt. Personen, deren Äquivalenzeinkommen unter diesem Schwellenwert liegt, werden als (relativ) einkommensarm eingestuft.“

„Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut und wird – entsprechend dem EU-Standard – definiert als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt.“

  • Erhebliche materielle Deprivation: Prozentualer Anteil der Bevölkerung, der für mindestens vier der neun folgenden Ausgaben nicht aufkommen kann:
    1. Hypotheken- oder Mietschulden oder Rechnungen für Versorgungsleistungen,
    2. angemessene Beheizung der Wohnung,
    3. unerwartete Ausgaben,
    4. regelmäßige fleisch- oder eiweißhaltige Mahlzeiten,
    5. Urlaubsreisen,
    6. Fernseher,
    7. Waschmaschine,
    8. Auto
    9. Telefon.[2]
  • Niedrige Erwerbsintensität: Prozentsatz der Personen im erwerbsfähigen Alter (ausgenommen Studenten), die in den vorangegangenen 12 Monaten weniger als 20 % ihres gesamten Erwerbspotentials gearbeitet haben.[3]

Armutsgefährdung in Ländern und Regionen

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Armutsgefährdung (60 % des medianen Nettoäquivalenzeinkommens) in Deutschland, Österreich und Schweiz,
Vergleich zum durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen und zum Median des 100%-Äquivalenzeinkommens (in Euro):

Jahr Deutschland Österreich Schweiz
Nettoeinkommen
(LWR)[4]
Median des Nettoäquivalenzeinkommens Armuts­gefährdungsgrenze[5] Armuts­­gefährdungsgrenze[5]
100% Einkommen[5] Armuts­gefährdungsgrenze[5]
2014 1.913 1.645    987 1.161 01.908 1
2015 1.953 1.722 1.033 1.163 1.979
2016 2.013 1.773 1.064 1.185 2.213
2017 2.070 1.827 1.096 1.238 2.187
2018 0.000 2 1.893 1.136 1.259 2.151
2019 2.176 1.960 1.176 1.286 2.063
2020 2.168 02.167 1 01.300 1 1.328 2.153
2021 2.264 2.083 1.250 1.371 2.238
2022 2.439 2.077 1.246 1.392 2.270
1 
Zeitreihenbruch, Daten nur eingeschränkt vergleichbar
2 
2013 und 2018 erfolgten Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS), welche nicht mit den Laufenden Wirtschaftsrechnungen (LWR) vergleichbar sind[6]

Die Armutsgefährdung in Europa wird unter anderem durch die European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC) erhoben.[7] Im europäischen Vergleich liegt Deutschland unterhalb des europäischen Durchschnitts, der 2010 bei 16,4 % lag. Die Schlusslichter sind Lettland, Rumänien, Bulgarien.[8][9]

Deutschland

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In Deutschland lag der Durchschnitt der armutsgefährdeten Personen 2021 bei 16,6 %, dies war 2021 bei einem Einkommen von 1251 € der Fall, wobei es bundesweit Unterschiede gibt.[10] So waren in den früheren Bundesgebieten (ohne Berlin) nur 14 % armutsgefährdet, in den Neuen Bundesländern (einschließlich Berlin) jedoch 19,5 %. Nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen den verschiedenen Bundesländern gab es Unterschiede, so waren in Baden-Württemberg und Bayern nur rund 11 % der Bevölkerung armutsgefährdet, in Bremen hingegen rund 22 %. Im Vergleich zum Jahr 2010 stieg die Zahl der Armutsgefährdeten im bundesweiten Durchschnitt um 0,6 % von 14,4 % auf 15,1 %, 2005 lag der Durchschnitt bei 14,7 %.[11]

In Deutschland gibt es drei regionale Unterschiede der Armutsgefährdungsquote:[12]

  • Armutsgefährdungsquoten gemessen am Bundesmedian
  • Armutsgefährdungsquoten gemessen am Landesmedian
  • Armutsgefährdungsquoten gemessen am jeweiligen regionalen Median

Siehe auch: Liste der deutschen Bundesländer nach Armutsgefährdungsquote.

Österreich

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Österreich:

Indikator Anzahl Prozent
armutsgefährdet 1.222.000 13,9
erheblich materiell depriviert 233.000 2,7
niedrige Erwerbintensität 465.000 7,1
armuts- oder ausgrenzungsgefährdet 1.529.000 17,5

In Österreich berechnet Statistik Austria jährlich die 3 Indikatoren zu Armut und sozialer Ausgrenzung. Als „armuts- oder ausgrenzungsgefährdet“ gelten Personen, für die mindestens einer der 3 Indikatoren „armutsgefährdet“, „erheblich materiell depriviert“ oder „niedrig erwerbstätig“ zutrifft. Für 2020 ergibt dies:[13]

Im Jahr 2020 waren in Österreich um 170.000 Personen weniger armuts- oder ausgrenzungsgefährdet als 2008, das entspricht einem Rückgang um 3,1 %.[13]

Ausgrenzungsgefährdung nach Personengruppen:[14]

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Gesamtbevölkerung
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max. Pflichtschulabschluss
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Alleinlebende Männer
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Alleinlebende Frauen
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Arbeitslose 6–11 Monate
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Ein-Eltern-Haushalt
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nicht EU-Staatsbürger
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Arbeitslose ab 12 Monate

Das Konzept der Armutsgefährdung sorgt regelmäßig für Kritik, insbesondere aufgrund des relativen, willkürlich festgesetzten Einkommensniveaus von weniger als 60 % des Medianeinkommens der Gesamtbevölkerung eines Landes. Aufgrund dieser relativen Definition würde sich die Armutsquote auch nicht verändern, wenn plötzlich alle Menschen das Doppelte ihres Gehaltes verdienen würden.[15]

Weiters wird kritisiert, dass lediglich die Einkommensseite, nicht jedoch die Ausgabenseite berücksichtigt wird. Personen in strukturschwachen Gegenden (die daher sowohl ein geringeres Einkommen als auch niedrigere Ausgaben haben) sind dadurch überproportional in der Statistik vertreten, ohne jedoch tatsächlich arm bzw. sozial ausgegrenzt zu sein.[16] Auch Menschen, die altersbedingt ein temporär geringes Einkommen haben (wie etwa Lehrlinge und Studenten) werden häufig von der Statistik als armutsgefährdet erfasst, ohne sich selbst als arm zu fühlen.[17]

Der Wirtschafts- und Sozialforscher Walter Krämer wirft den die Quote erhebenden Sozialverbänden vor, dass sie kein Interesse an der tatsächlichen Entwicklung der Armut hätten und fordert für eine seriöse Analyse zur Armut, diese an Notlagen festzumachen.[18]

  • Leon Göldner: Im Schatten des Scheins, 2021[19]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. Statistisches Bundesamt (Destatis): Erläuterung zur Armutsgefährdungsschwelle
  2. Eurostat, Materielle Deprivation. Abgerufen am 24. August 2018.
  3. Eurostat, In Haushalten mit niedriger Erwerbsintensität lebende Personen. Abgerufen am 18. Dezember 2018.
  4. Einkommen und Einnahmen sowie Ausgaben privater Haushalte, Laufende Wirtschaftsrechnungen (LWR), Deutschland. (Statistik) DESTATIS, März 2024, abgerufen am 30. März 2024 (durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen eines 1-Personen Haushaltes).
  5. a b c d Armutsgefährdungsgrenze - EU-SILC und ECHP Erhebungen. (Statistik) online Datencode: ilc_li01; siehe "Einkommens- und Lebensbedingungenindikator: Armutsrisikogrenze (60% des medianen Äquivalenzeinkommens) [1/7] (+)": Armutsrisikogrenze (60% des medianen Äquivalenzeinkommens); [LI_C_MD60]. Eurostat, März 2024, abgerufen am 30. März 2024 (Jahreswert auf 1/12 Monatswert umgerechnet, 100%-Wert aus 60%-Wert berechnet, vgl. destatis.de, destatis.de, u.a.).
  6. Einkommen, Einnahmen und Ausgaben in Deutschland im Zeitvergleich, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), Deutschland. (Statistik) DESTATIS, März 2024, abgerufen am 30. März 2024.
  7. Statistik der Europäischen Union über Einkommen und Lebensbedingungen (Memento vom 20. Juli 2014 im Internet Archive) (englisch)
  8. Statistisches Bundesamt (Destatis): Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) (Memento vom 13. November 2012 im Internet Archive)
  9. Focus on People at risk of poverty or social exclusion 2013+2014
  10. Mit diesem Einkommen gelten Sie in Deutschland als arm. 20. September 2021, abgerufen am 12. April 2023.
  11. Statistisches Bundesamt (Destatis): Armutsgefährdung in den meisten Bundesländern gestiegen (Memento vom 15. November 2012 im Internet Archive)
  12. Statistiken (Memento des Originals vom 2. Februar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amtliche-sozialberichterstattung.de
  13. a b Statistik Austria, Tabelle Armut und soziale Eingliederung 2004 bis 2017. Abgerufen am 29. Dezember 2021.
  14. Statistik Austria, Grafiken, 2017. Abgerufen am 18. Dezember 2018.
  15. Armutsbericht 2017 : Wie arm sind die Deutschen? In: ZEIT ONLINE. 2. März 2017 (zeit.de [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
  16. Florian Diekmann, Alexander Demling: Zweifel an EU-Statistik: So wird Deutschland arm gerechnet. In: Spiegel Online. 23. Oktober 2012 (spiegel.de [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
  17. Dietrich Creutzburg: Armut in Deutschland: Was die Zahl „3,1 Millionen“ über Armutslöhne sagt. In: FAZ.NET. 4. Februar 2015, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
  18. n-tv Nachrichten: Wann ist jemand in Deutschland arm? In: n-tv.de. 2. März 2017 (n-tv.de [abgerufen am 4. Dezember 2018]).
  19. Realistische Blicke auf den „Armutsschatten“. In SoVD Zeitung – Soziales im Blick, November 2021, S. 10, online auf sovd-sh.de, abgerufen am 4. November 2021 (PDF; 6,83 MB)